Original Downloaden

Werbung
Hochschule Luzern – Wirtschaft
Bachelor of Science in Business Administration
W.SRMET06.05
Empirische Studie über die
Auswirkungen eines Wechselkursziels
auf die Schweizer Volkswirtschaft
Bachelorarbeit
Juni 2012
Abgabedatum
Autor
25. Juni 2012
Reinli Stefan
Titelblatt
Schule
Hochschule Luzern – Wirtschaft
Studiengang
Bachelor of Science in Business
Administration
W.SRMET06.05
Modul
Art der Arbeit
Bachelorarbeit
Abgabedatum
25. Juni 2012
Empirische Studie über die Auswirkungen
eines Wechselkursziels auf die Schweizer
Volkswirtschaft
Titel der Arbeit
Stefan Reinli
Obere Rebbergstrasse 10
4800 Zofingen
Tel. +41 (0)76 594 42 77
[email protected]
Autor
Roger Disch
Höh-Rohnenweg 8
8832 Wilen b. Wollerau
[email protected]
Auftraggeber
Dr. Martin Spillmann
Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ
Grafenauweg 10
6304 Zug
Tel. +41 (0)41 724 65 73
[email protected]
Referent
II
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
Management Summary
Ausgangslage, Fragestellung und Ziel der Arbeit
Aufgrund der bereits über Jahre dauernden Finanz- und Wirtschaftskrise dient der Schweizerfranken wieder vermehrt als sicherer Hafen für ausländische Anleger. Diese Geldzuflüsse
lassen den Franken in für die Schweiz ungesundem Masse aufwerten. Als extreme Reaktion
auf diese Entwicklung beschliesst die Schweizerische Nationalbank die Einführung einer
Kursuntergrenze von CHF 1,20 zum Euro. Die vorliegende Arbeit geht der Frage nach, welches die mittel- und langfristigen Auswirkungen eines Wechselkursziels für die Schweizerische Volkswirtschaft sind. Die Volkswirtschaft wird hierbei definiert durch die fünf Subjekte
private Haushalte, Banken, Unternehmen, SNB und Staat. Ziel der Arbeit ist es, einen Ausblick auf die zukünftigen Entwicklungen in der Schweizer Volkswirtschaft abzugeben.
Methodik
In einem ersten Schritt werden die Bedeutung des Euro für die Schweiz erörtert und die Ereignisse der letzten Jahre aufgearbeitet. Im Anschluss wird die Schweizerische Nationalbank
(SNB) als zentraler Akteur rund um das Kursziel im Detail vorgestellt. Danach werden die
Ereignisse rund um das Kursziel von 1978 sowie die theoretischen Grundlagen zu Kurszielen vorgestellt. Als Ergänzung zu all diesen Erkenntnissen werden sechs leitfadengestützte
Experteninterviews geführt mit Personen von Banken, der SNB und den Medien. Alle erarbeiteten Grundlagen und erhaltenen Meinungsäusserungen dienen am Ende dazu, einen
Ausblick auf die kommende Entwicklung der Schweizerischen Volkswirtschaft zu geben.
Ergebnisse
Die privaten Haushalte sehen sich längerfristig aufgrund des durch die Ausweitung der
Geldmenge sehr tiefen Zinsumfeldes mit Schwierigkeiten in den Bereichen Altersvorsorge
und Immobilien konfrontiert. Für die Banken wird es schwieriger, Erträge zu generieren, denn
die tiefen Zinsen führen zu einer Margenerosion. Den Unternehmen kommt die Kursuntergrenze insofern entgegen, als dass die Planung und Budgetierung einfacher wird und sich
Absicherungsgeschäfte für Wechselkursschwankungen erübrigen. Die SNB muss auf den
Druck aus dem Ausland reagieren und somit je nach Entwicklung im Euro-Raum weitere
teure Devisenmarktinterventionen vornehmen. Falls sich diese Aufwände massiv erhöhen,
ist die Kursuntergrenze längerfristig gefährdet. Der Staat profitiert kurzfristig vom Kursziel, da
einige Probleme gelöst sind. Längerfristig muss mit sinkenden Steuereinnahmen und mit
Problemen in der Finanzierung der Sozialsysteme gerechnet werden.
Alles in allem kann die SNB nur auf Signale aus dem Ausland reagieren und muss hoffen,
dass sich die Lage insbesondere in Europa entschärft. Sollte dies nicht passieren, steht als
weitere Massnahme zur Abwertung des Frankens unter anderem das Instrument der Negativzinsen zur Verfügung.
III
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
Vorwort
Zum Abschluss des Bachelorstudiums an der Hochschule Luzern – Wirtschaft haben alle
Studierenden eine umfangreiche Arbeit zu verfassen. Die Themenwahl ist frei, es besteht
auch die Möglichkeit, sich für ein Thema aus dem Themenpool der Schule zu bewerben. Ich
habe mich für das Pool-Thema „Rolle der Nationalbanken in (Währungs-)Krisenzeiten“ beworben und den Zuschlag erhalten. Dieses Thema hat mich insbesondere aufgrund der Aktualität und der Präsenz in den Medien angesprochen. Die Thematik wurde später auf das
aktuelle Wechselkursziel und dessen Folgen für die Schweiz eingeschränkt.
Dank der ausführlichen Bearbeitung dieses Themas habe ich einen tiefen Einblick in die Welt
der Nationalbank erhalten. Zudem hat es mein Verständnis für die nationalen und globalen
Finanzmärkte gestärkt und meinen Blick auf das weltweite Wirtschaftsgeschehen geschärft.
Ich bedanke mich herzlich bei allen Personen, die mich während dem Verfassen der Arbeit
mit Ideen inspirierten oder mir das Schreiben erleichterten. Ein besonderer Dank geht an
Herrn Martin Spillmann, der mich stets mit hilfreichen Inputs unterstützt hat und an Herrn
Roger Disch, der mir die Themeneingrenzung offen liess, um so meine eigenen Ideen verwirklichen zu können.
IV
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
Inhaltsverzeichnis
Titelblatt ................................................................................................................................. II
Management Summary ......................................................................................................... III
Vorwort ................................................................................................................................. IV
Inhaltsverzeichnis .................................................................................................................. V
Abbildungsverzeichnis .......................................................................................................... VI
Abkürzungsverzeichnis........................................................................................................ VII
I
1
2
3
4
II
5
6
Grundlagen
Einleitung ........................................................................................................................ 1
1.1 Ausgangslage......................................................................................................... 1
1.2 Problemstellung...................................................................................................... 1
1.3 Zielsetzung ............................................................................................................. 2
1.4 Methodik................................................................................................................. 2
Die Bedeutung des Euro für die Schweiz ......................................................................... 5
Historische Aufarbeitung................................................................................................ 10
Die Schweizerische Nationalbank .................................................................................. 14
4.1 Die Schweizerische Nationalbank als Gesellschaft ............................................... 14
4.2 Die Organisation der Schweizerischen Nationalbank............................................ 15
4.3 Die Aufträge und Aufgaben der Schweizerischen Nationalbank ........................... 17
4.4 Die Mittel zur Umsetzung der Aufträge und Aufgaben .......................................... 18
Rückblick und Theorie
Die Situation von 1978 .................................................................................................. 20
5.1 Die Aufwertung des Schweizerfrankens ............................................................... 20
5.2 Massnahmen der SNB ......................................................................................... 22
5.3 Negative Folgen der Massnahmen ....................................................................... 23
Geldmenge und Wechselkurs in der Theorie ................................................................. 25
6.1 Historische Entstehung des Systems der flexiblen Wechselkurse ........................ 25
6.2 Das Devisen- und Geldmarkt-Modell nach Krugman/Obstfeld .............................. 26
6.3 Anwendung auf die Schweiz und deren Wechselkursziel ..................................... 34
6.4 Auswirkung der Kommunikation der Schweizerischen Nationalbank .................... 39
III Interviews, Auswertung und Schlussfolgerung
7 Die Interviews ................................................................................................................ 40
7.1 Die Experten ........................................................................................................ 40
7.2 Aussagen und Meinungen der Experten ............................................................... 41
8 Fazit .............................................................................................................................. 60
8.1 Zusammenfassung aller Erkenntnisse .................................................................. 60
8.2 Ausblick ................................................................................................................ 61
8.3 Aussagekraft und Bedeutung der Ergebnisse ....................................................... 64
Literaturverzeichnis .............................................................................................................. 65
Anhang ................................................................................................................................. 70
Selbstständigkeitserklärung ................................................................................................ 131
V
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1:
Ausfuhr in der Schweiz produzierter Güter ........................................................... 5
Abb. 2:
Einfuhr im Ausland produzierter Güter ................................................................. 6
Abb. 3:
Importüberschuss bei EUR 12-Länder ................................................................. 7
Abb. 4:
Bruttoinlandprodukt nach Verwendungsarten ....................................................... 7
Abb. 5:
Ein- und Ausfuhr Schweiz nach Verwendungszweck ........................................... 8
Abb. 6:
CHF/EUR-Kurs, 01.01.2007–18.05.2012 ........................................................... 10
Abb. 7:
SNB-Zinszielband, 01.01.2007–18.05.2012 ....................................................... 12
Abb. 8:
Leitzinsen des Fed. und der EZB, 01.01.2007–18.05.2012 ................................ 13
Abb. 9:
Der Bankrat der SNB.......................................................................................... 15
Abb. 10:
Das Direktorium der SNB ................................................................................... 16
Abb. 11:
Das Organigramm der SNB, vereinfacht ............................................................ 17
Abb. 12:
Entwicklung des Wechselkurses und der Kaufkraftparität
Schweiz/Deutschland, 1953 bis 2006 ................................................................. 21
Abb. 13:
CHF/DEM-Kurs, 02.01.1975–31.12.1985 ........................................................... 22
Abb. 14:
Jährliche durchschnittliche Veränderung LIK gegenüber Vorjahr,
1976 bis 1985 .................................................................................................... 24
Abb. 15:
Stilisierte Bilanz einer Zentralbank ..................................................................... 28
Abb. 16:
Geldmarkt als untere Hälfte des Devisen- und Geldmarkt-Modells ..................... 30
Abb. 17:
Devisenmarkt als obere Hälfte des Devisen- und Geldmarkt-Modells ................ 32
Abb. 18:
Devisen- und Geldmarktmodell nach Krugman/Obstfeld .................................... 33
VI
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
Abkürzungsverzeichnis
Abkürzung
Bedeutung
Abs.
Absatz
AHV
Alters- und Hinterlassenenversicherung
Art.
Artikel
BAK
BAK Basel Economics AG
BFS
Bundesamt für Statistik
BIP
Bruttoinlandprodukt
BRIC
Brasilien, Russland, Indien, China
BSP
Bruttosozialprodukt
BV
Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft
CHF
Schweizerfranken
CS
Credit Suisse AG
DEM
Deutsche Mark
ETH
Eidgenössische Technische Hochschule Zürich
EUR
Euro
EZB
Europäische Zentralbank
Fed.
Federal Reserve System, Zentralbank der USA
FX
Foreign exchange, Fremdwährung
IWF/IMF
Internationaler Währungsfonds / International Monetary Fund
KOF
Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich
KPI
Konsumentenpreisindex
Libor
London Interbank Offered Rate
LIK
Landesindex für Konsumentenpreise
Mio.
Millionen
MIT
Massachusetts Institute of Technology
Mrd.
Milliarden
NBG
Bundesgesetz über die Schweizerische Nationalbank
NBV
Verordnung zum Bundesgesetz über die Schweizerische Nationalbank
OdSNB
Organisationsreglement der Schweizerischen Nationalbank
[eigene Abkürzung]
OECD
Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
OR
Schweizerisches Obligationenrecht
Repo
Sale and Repurchase Agreement, Rückkaufvereinbarung
SECO
Staatssekretariat für Wirtschaft
SNB
Schweizerische Nationalbank
UBS
UBS AG
USD
US-Dollar
WZG
Bundesgesetz über die Währung und die Zahlungsmittel
VII
Bachelorarbeit
I
Grundlagen
1
Einleitung
1.1
Ausgangslage
Stefan Reinli
Im Jahr 2008 entwickelt sich, ausgelöst durch die Immobilienkrise in den USA von 2007, eine
globale Finanzkrise, die auch die Schweiz trifft. Anfang 2009, inmitten der Finanzkrise, bewegt sich der Schweizerfranken (CHF) zum Euro (EUR) bei einem Kurs von rund 1,50,
nachdem er in den Jahren zuvor bei rund CHF 1,60 notierte. Ein Jahr später hat der Franken-Euro-Kurs hauptsächlich seitwärts tendiert und liegt noch immer bei knapp 1,50. Ausgelöst durch die negativen Signale aus dem Euro-Raum, insbesondere Griechenland, gilt der
Schweizerfranken mehr denn je als sicherer Hafen für Anleger aller Art. So beginnt die stetige Aufwertung des Schweizerfrankens im Vergleich zum Euro. Am 1. Juli 2010 notiert der
Euro bei CHF 1,33, am 3. Januar 2011 ist der Euro bei CHF 1,25 angekommen und beim
Höchststand des Frankens am 10. August 2011 wird der Euro gerade noch für CHF 1.0299
gehandelt. Ähnlich verhält sich der Franken gegenüber dem US-Dollar (USD). Dieser Kurs
sinkt von CHF 1,11 zu Beginn des Jahres 2009 bis auf CHF 0,72 beim Höchststand des
Frankens gegenüber dem US-Dollar am 9. August 2011. Dieser starke Schweizerfranken
stellt eine grosse Gefahr dar für die exportlastige Schweizer Wirtschaft und zwingt die
Schweizerische Nationalbank (SNB) zum Handeln. Diverse teure Interventionen der SNB auf
dem Devisenmarkt zeigen nur mässig Wirkung. So beschliesst die SNB am 6. September
2011 unter der Leitung von Philipp M. Hildebrand die Einführung eines Mindestkursziels zum
Euro von CHF 1,20.
1.2
Problemstellung
Die Problemstellung der aktuellen Situation auf den Finanzmärkten und in der gesamten
Schweizerischen Volkswirtschaft ergibt sich aus dem Mangel an Erfahrungen mit Wechselkurszielen. In der Vergangenheit konnte dieses Instrument lediglich im Jahr 1978 erfolgreich
eingesetzt werden.
Aufgrund der anhaltenden negativen Signale aus dem Ausland, insbesondere dem EuroRaum, sieht sich die SNB mit dem Wechselkursziel momentan gefangen in einer scheinbar
ausweglosen Situation. Eine Aufhebung der Kursuntergrenze ginge mit einer erneuten starken Aufwertung des Frankens einher, worunter beispielsweise die Exportwirtschaft leiden
1
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
würde. Eine unveränderte Verteidigung des Kursziels, wie die Nationalbank es immer wieder
betont, könnte die SNB bei anhaltendem oder sogar noch steigendem Druck auf den
Schweizerfranken teuer zu stehen kommen. Ein ständiges Begleitthema dieser Kursuntergrenze und des daraus resultierenden gesteigerten Geldangebots der SNB ist die drohende
Inflation. Je länger die Untergrenze von CHF 1,20 zum Euro mit Devisenmarktinterventionen
verteidigt werden muss, desto realistischer und ausgeprägter scheint die kommende Inflation, so die geläufige Meinung.
1.3
Zielsetzung
Genau bei der in Kapitel 1.2 dargestellten Situation setzt diese Arbeit ein. Kernziel der Forschung ist es, die theoretische Grundlage zum Wechselkursziel darzulegen und auf die aktuelle Situation in der Schweiz zu adaptieren sowie die Vergleichbarkeit der heutigen Situation mit jener im Jahr 1978 zu überprüfen. Mithilfe mehrerer Experteninterviews als Ergänzung
soll die der Arbeit zugrunde liegende Forschungsfrage beantwortet werden: „Welches sind
die Auswirkungen eines Euro-Mindestkurses auf die Schweizer Volkswirtschaft in mittel- und
langfristiger Sicht?“. Der Begriff Volkswirtschaft wird in dieser Arbeit in die fünf Wirtschaftssubjekte private Haushalte, Banken, Unternehmen, SNB und Staat aufgeteilt.
1.4
Methodik
Nachfolgend wird erörtert, wie die Arbeit Schritt für Schritt alle wichtigen Aspekte rund um
das Thema Wechselkursziel beleuchtet und im Anschluss mithilfe von Experteninterviews die
Forschungsfrage beantwortet.
Als erstes untersucht die Arbeit, weshalb der Euro als Währung für die Schweiz eine derart
grosse Bedeutung hat und weshalb das Kursziel gegenüber dem Euro festgelegt wurde. Basis für diese Analyse sind diverse Datensätze vom Bundesamt für Statistik (BFS).
Da nicht nur die aktuelle Situation mit dem Wechselkursziel von Bedeutung ist, sondern auch
die Entstehung dieser angespannten Wirtschaftslage, werden die Ereignisse rund um die
US-amerikanische Immobilien- und spätere globale Finanzkrise chronologisch aufgearbeitet.
Hierzu dienen vor allem die Recherche von Medienberichterstattungen sowie die geld- und
währungspolitische Chronik der SNB als Informationsbasis.
Die Schweizerische Nationalbank spielt im ganzen Geschehen rund um das Wechselkursziel
die zentrale Rolle. Aus diesem Grund wird diese Institution genauer betrachtet. Hierbei inte2
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
ressieren insbesondere der Auftrag der SNB und die zur Verfügung stehenden Mittel, um
diesen Auftrag zu erfüllen. Auch die Rechtsform und Organisation der Nationalbank mitsamt
deren wichtigsten Leitfiguren werden im Detail aufgezeigt. Um die Rolle der SNB eindeutig
und abschliessend definieren zu können, basieren die Angaben in diesem Kapitel fast ausschliesslich auf gesetzlicher Grundlage.
Wie bereits in der Problemstellung und der Zielsetzung angetönt, wurde das Instrument des
Kursziels bereits einmal eingesetzt. Im ersten Moment scheinen die Ereignisse von 1978 als
Exempel für die aktuelle Ausgangslage dienen zu können. Wie es zur Notwendigkeit des
Kursziels kam, wie die SNB reagierte und was die Folgen waren, wird wiederum anhand von
Medienberichterstattungen sowie der geld- und währungspolitischen Chronik der SNB erforscht.
In einem weiteren Kapitel werden in einem ersten Schritt die theoretischen Grundlagen rund
um das Wechselkursziel erarbeitet und im Anschluss die Folgen der Interventionen seitens
der SNB für die Schweizer Volkswirtschaft abgeleitet. Die Theorie basiert auf Fachliteratur
namhafter Autoren.
Für die Interviews äussern sich sechs Experten mit unterschiedlichen Hintergründen zur aktuellen Thematik. Vorbereitung, Durchführung und Analyse basieren auf dem Lehrbuch „Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse“ von Jochen Gläser und Grit Laudel (2010)
sowie den im zweiten Semester des Wirtschaftsstudiums an der Hochschule Luzern – Wirtschaft erlernten Grundlagen für qualitative Interviews. Die Form des Experteninterviews wird
der quantitativen Erhebung vorgezogen, da für letzteres die benötigte Anzahl Befragungen
nicht realisierbar wäre und die Resultate nur unter grossem Informationsverlust quantifizierbar wären. Jedes Interview wird mit dem selben, unveränderten Leitfaden durchgeführt, um
die Aussagen bestmöglich vergleichen zu können. Bei Zustimmung des Experten wird eine
Tonaufzeichnung erstellt, woraus später eine vollständige Transkription des Interviews resultiert. Ohne diese Zustimmung wird im Anschluss an das Gespräch ein Gedächtnisprotokoll
erstellt. Die Transkription erfolgt sinngemäss und nicht wörtlich, trotzdem bleibt der InterviewCharakter in der Formulierung der Fragen und Antworten erhalten. Diese Art der Transkription wurde gewählt, da in erster Linie der Inhalt der Antworten interessiert und nicht die Art,
wie sie formuliert werden. Die Analyse der Interviews erfolgt im Textreduktionsverfahren.
Anhand eines Auswertungskatalogs, der dieser Arbeit in leicht abgeänderter Form als Index
der Interviewauswertung angehängt ist, werden einzelne Antworten aus den Interviews extrahiert und verschiedenen Themen zugeordnet. Die einzelnen Themen mit den gesammelten Antworten dienen als Basis für die Interviewresultate in Kapitel 7.2.
Da es unmöglich ist, das Wechselkursziel und die Schweizer Volkswirtschaft vom Ausland
isoliert zu betrachten, wird in den Experteninterviews ein breites Themenband besprochen.
Die daraus resultierende Informationsbasis ist wesentlich umfangreicher als für die Beant3
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
wortung der Forschungsfrage notwendig. Trotzdem werden einige dieser zusätzlichen Aspekte der Befragungen in diese Arbeit übernommen, da sie dem generellen Verständnis der
aktuellen nationalen und globalen Situation zuträglich sind.
Unter Einbezug aller gesammelten Informationen während des Forschungsprozesses werden am Ende der Arbeit die mittel- und langfristigen Folgen des Wechselkursziels für die
Schweizer Volkswirtschaft abgeschätzt. Zudem gibt der Autor eine persönliche Empfehlung
ab, wie mit der Situation des Kursziels längerfristig umgegangen werden soll.
4
Bachelorarbeit
2
Stefan Reinli
Die Bedeutung des Euro für die Schweiz
Am 6. September 2011 legt die Schweizerische Nationalbank ein Wechselkursziel des
Schweizerfrankens zum Euro fest. Sie verkündet, ab sofort keinen Kurs mehr unter CHF
1,20 zu tolerieren und dieses Ziel mit allen Mitteln zu verfolgen. Der Euro muss also eine
besonders grosse Bedeutung haben für den Schweizer Wirtschaftsstandort. Dieses Kapitel
zeigt anhand einiger Zahlen und Fakten auf, weshalb gerade der Euro immer wieder unter so
grosser Beobachtung steht.
Ein erster bedeutender Grund für die Fokussierung auf den Euro ist der Euro-Raum als Ziel
Schweizerischer Exporte. Abbildung 1 zeigt die Entwicklung der Ausfuhr von in der Schweiz
produzierten Gütern in absoluten Zahlen (unter dem Begriff Güter werden im Folgenden sowohl Waren als auch Dienstleistungen zusammengefasst):
250'000
in Mio. CHF
200'000
Andere
150'000
USA
Japan
100'000
China
UK
50'000
EUR 12
0
90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10
Jahr
Abb. 1:
Ausfuhr in der Schweiz produzierter Güter (BFS (a),online, eigene Darstellung)
Es ist unschwer zu erkennen, dass im gesamten Beobachtungszeitraum von 1990 bis 2010
die Exporte in die ursprünglichen zwölf Euro-Länder (Einführung Bargeld am 1 Januar 2012)
rund 50% der gesamten Ausfuhr ausmachen. Die drei Kleinststaaten Monaco, San Marino
und Vatikan, welche den Euro ebenfalls am 1. Januar 2002 einführten, sowie die späteren
Euro-Staaten Slowenien, Zypern, Malta, Slowakei und Estland werden hier nicht berücksichtigt. In den Jahren 2009 und 2010 fällt der Anteil der Euro-Länder knapp unter 50%. Mit Einbezug der neuen Euro-Staaten läge dieser Wert höchstwahrscheinlich wieder über 50%. Für
Vergleichszahlen bieten sich Staaten wie zum Beispiel Ungarn oder Tschechien an, deren
5
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
Daten verfügbar sind. Auffällig ist zudem, dass die in der Statistik unter „Andere“ zusammengefassten Staaten wie beispielsweise Indien, Hong Kong oder die Arabischen Emirate
ein schnell wachsendes Interesse an Schweizer Gütern haben.
Der Exportstatistik steht die Importstatistik gegenüber. In der Abbildung 2 werden wieder
absolute Zahlen angegeben:
250'000
in Mio. CHF
200'000
Andere
150'000
USA
Japan
100'000
China
UK
50'000
EUR 12
0
90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10
Jahr
Abb. 2:
Einfuhr im Ausland produzierter Güter (BFS (b),online, eigene Darstellung)
Hier fällt auf, dass der Anteil an aus den zwölf Euro-Ländern importierten Gütern noch höher
ist als beim Export. Relativ betrachtet schwankt die Zahl in den Jahren 1990 bis 2010 um
70%. Hier sind für den Zuwachs der „anderen“ Staaten nicht nur Länder in den östlichen
Wachstumsmärkten verantwortlich, sondern Staaten rund um den Globus. China, bekannt
als produzierende und exportierende Nation, spielt in der Importstatistik der Schweiz nur eine
untergeordnete Rolle.
Betrachtet man nun die Differenz der Zahlen der Euro-Länder aus den beiden obigen Statistiken, fällt auf, dass der Import nicht nur relativ, sondern auch absolut höher ist als der Export. Die Aussenhandelsbilanz der Schweiz ist zwar positiv, also mit einem Exportüberschuss, aber auf die betrachteten Euro-Staaten reduziert zeigt sich ein umgekehrtes Bild.
Abbildung 3 zeigt den Importüberschuss bei den zwölf Euro-Ländern. Dieser schwankt im
beobachteten Zeitraum zwischen CHF 12‘339 Mio. (1993) und CHF 31‘357 Mio. (2008).
6
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
35'000
30'000
in Mio. CHF
25'000
20'000
15'000
10'000
5'000
0
90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10
Jahr
Abb. 3:
Importüberschuss bei EUR 12-Länder (BFS (a & b),online, eigene Darstellung)
Diese Aussenhandelsbilanz ist ein Teil des Bruttoinlandprodukts (BIP). Das BIP (Y) setzt
sich zusammen aus dem Konsum (C), den Investitionen (I), den Staatsausgaben (G) und der
Differenz zwischen Import (Im) und Export (X) (= Aussenhandelsbilanz) und widerspiegelt
den Wert der ökonomischen Aktivitäten einer Volkswirtschaft (Mankiw, 2003, S. 19-29):
Y = C + I + G + (X – Im)
Abbildung 4 stellt die Aufteilung des Schweizer BIP über den Beobachtungszeitraum 1990
bis 2010 dar, wobei für die Jahre 2009 und 2010 nur prognostizierte Werte erhältlich sind:
100%
90%
in % des BIP
80%
70%
60%
Konsumausgaben
50%
Bruttoinvestitionen
40%
Staatsausgaben
30%
Aussenhandel
20%
10%
0%
90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09p 10p
Jahr
Abb. 4:
Bruttoinlandprodukt nach Verwendungsarten (BFS (c),online, eigene Darstellung)
7
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
Auch wenn der Aussenhandel stetig an Bedeutung gewinnt, so ist der Exportüberschuss
heute mit knapp über 10% doch nur ein kleiner Teil des gesamten BIP. Es ist deutlich erkennbar, dass über die Hälfte des BIP auf Konsumausgaben zurückzuführen ist.
Somit ist im Prinzip erwiesen, dass der im Vergleich zum Schweizerfranken günstige Euro
kein Hindernis für die Exportwirtschaft darstellt und diese Exportwirtschaft am gesamten BIP
nur einen kleinen Anteil hat. Aber auch wenn es auf den ersten Blick scheint, als ob die
Schweiz so vom starken Schweizerfranken profitieren kann, so gilt es doch folgende Punkte
zu beachten (alle Angaben abgeleitet aus den Statistiken des BFS):
-
Ein grosser Teil der Importe ist privater Konsum. Diese Einfuhren helfen den inländischen Unternehmen nicht, den ungünstigen Euro-Wechselkurs auszugleichen. Im
Jahr 2010 beträgt der Anteil der Konsumgüter am gesamten Import 41,6%. Dahinter
folgen Rohstoffe und Halbfabrikate mit 23,1% und Investitionsgüter mit 22,9%.
-
Bei den exportierten Gütern hingegen ist davon auszugehen, dass fast die gesamte
Ausfuhr in der Schweiz produzierte oder weiterverarbeitete Güter darstellt. Hier machen Konsum- und Investitionsgüter, Rohstoffe und Halbfabrikate im Jahr 2010 zusammen 92,3% des Exportes aus. Abbildung 5 zeigt die unterschiedliche Aufteilung
von Ein- und Ausfuhr nach Verwendungszweck:
Ausfuhr
Einfuhr
Rohstoffe, Halbfabrikate
Energieträger
Investitionsgüter
Konsumgüter
Edelmetalle, Edel- und
Schmucksteine
Kunstgegenstände und
Antiquitäten
Abb. 5: Ein- und Ausfuhr Schweiz nach Verwendungszweck (BFS (d),online, eigene Darstellung)
-
In den meisten Gütern, welche in der Schweiz hergestellt oder produziert werden,
sind zudem noch Know-how und Arbeitsleistung in Form von Löhnen miteinberechnet. Gemäss einer Lohnniveau-Erhebung des BFS aus dem Jahr 2009 (BFS (e), online) hat die Schweiz im europäischen Vergleich den vierthöchsten mittleren jährlichen Bruttolohn. Vor der Schweiz liegen Dänemark (1.), Norwegen (2.) und Luxemburg (3.). Beim Kauf eines Schweizer Produktes im Ausland müssen also diese höheren Löhne mitbezahlt werden. Mit einem ungünstigen Wechselkurs wird diese Prob8
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
lematik noch grösser und Schweizer Güter haben schlussendlich Mühe, neben der
günstigeren ausländischen Konkurrenz bestehen zu können.
Neben all den Berechnungen rund um den Euro darf nicht vergessen gehen, dass die
Schweiz knapp die Hälfte aller Güter in Nicht-Euro-Länder exportiert. Mit ganz wenigen Ausnahmen hat sich der Schweizerfranken in den Monaten und Jahren vor der Festlegung der
Kursuntergrenze zum Euro gegenüber allen anderen Währungen verteuert und stellt somit
ein Problem für den gesamten Export dar.
Alle diese Fakten zeigen, dass die Bedeutung des Euro für die Schweizer Volkswirtschaft
nicht unterschätzt werden darf. Zudem stellt der starke Schweizerfranken für die gesamte
Exportbranche ein ernstzunehmendes Problem dar. Am stärksten leiden diejenigen Unternehmen, welche komplett in der Schweiz produzieren und im Ausland verkaufen. Die einzigen Profiteure sind Unternehmen, die für den Schweizer Markt produzieren und im Ausland
einkaufen sowie Firmen, welche komplett in Fremdwährung rechnen. So zum Beispiel die
Firma Inficon aus Bad Ragaz. Sie produziert Präzisionswerkzeuge, exportiert weltweit und
rechnet in Dollar ab (Suedostschweiz.ch, online).
9
Bachelorarbeit
3
Stefan Reinli
Historische Aufarbeitung
Wie im obigen Kapitel hergeleitet, ist der Euro für die Schweiz und deren Volkswirtschaft von
zentraler Bedeutung. Die Schweizerische Nationalbank hat sich deshalb im September 2011
nach einer langen Aufwertungsphase des Schweizerfrankens für ein sofortiges Kursziel entschieden. In diesem Kapitel werden die Ereignisse rund um das Wechselkursziel in chronologischer Reihenfolge aufgearbeitet.
Die Abbildung 6 zeigt den Verlauf des Euro-Franken-Wechselkurses von Anfang 2007, als
die Hypothekenkrise in den USA ihren Lauf nahm, bis zum Frühling 2012. Einzelne Zeitpunkte aus nachfolgender Chronik sind dabei speziell eingezeichnet.
1.7
15.09.2008
1.6
Juni 2007
CHF/EUR
1.5
08.12.2009
1.4
06.09.2011
1.3
1.2
1.1
1.0
2007
10.08.2011
2008
2009
2010
2011
2012
Jahr
Abb. 6:
CHF/EUR-Kurs, 01.01.2007–18.05.2012 (Finanzen.ch, online, eigene Darstellung)
Im Folgenden werden die wichtigsten Ereignisse rund um die SNB, den Schweizerfranken
und die Weltwirtschaft chronologisch aufgezeigt (wo nichts anderes erwähnt, dient die geldund währungspolitische Chronik der SNB als Informationsbasis [SNB (a), online]).
Juni 2007
Erste Hedge Funds in den USA haben grosse Abschreiber auf diversen Immobilien-Assets.
16.08.2008
Die SNB informiert einerseits über die Gründung eines Stabilisierungsfonds
zur Übernahme illiquider Vermögenswerte der UBS und andererseits über die
Zeichnung einer Pflichtwandelanleihe in der Höhe von CHF 6 Mrd. durch den
Bund zur Stärkung der Eigenkapitalbasis der UBS. Mit diesem Betrag beteiligt
sich die UBS wiederum am Stabilisierungsfonds (SNB Quartalsheft 4/2008,
S. 32).
10
Bachelorarbeit
15.09.2008
Stefan Reinli
Schwarzer Montag: Die US-amerikanische Investmentbank Lehman Brothers
muss Insolvenz beantragen (Handelsblatt, online). Diverse andere Banken
müssen zu dieser Zeit finanziell gestützt werden.
26.11.2008
Die SNB gründet in Bern die SNB StabFund Kommanditgesellschaft für kollektive Kapitalanlagen, kurz Stabilisierungsfonds genannt.
16.12.2008
Der SNB StabFund übernimmt eine erste Tranche illiquider Aktiven der UBS
in der Höhe von USD 16,4 Mrd.
März und
Der SNB StabFund übernimmt zwei weitere Tranchen an UBS-Aktiva über
April 2009
insgesamt USD 22,3 Mrd. Somit beläuft sich der Fonds auf Total USD 38,7
Mrd.
20.08.2009
Der Bund wandelt seine UBS-Anleihe in 332,2 Millionen Aktien um und platziert sie zu CHF 16,50 bei institutionellen Anlegern. Zusätzlich zum Verkaufserlös von CHF 5,48 Mrd. erhält der Bund für die investierten CHF 6 Mrd. einen
Zins von CHF 1,8 Mrd. Unter dem Strich bleibt ihm damit ein Gewinn von CHF
1,2 Mrd. aus seinem direkten Engagement bei der UBS (Passardi/Jans,
14.04.2010, Finanz & Wirtschaft, S. 25).
08.12.2009
Die Ratingagentur Fitch stuft den Staat Griechenland zum ersten Mal herab,
von A- auf BBB+. Zu Beginn des Jahres 2012 wird Griechenland zwischenzeitlich von mehreren Ratingagenturen als teilweise zahlungsunfähig bezeichnet (Benders, 15.09.2009, Handelsblatt, online / Spiegel, online).
1. Q. 2010
Aufgrund der verschärften Finanzlage des griechischen Staates im Frühjahr
2010 und der damit verbundenen Euro-Krise bedeutet der Schweizerfranken
wieder ein sicherer Hafen für viele Anleger. Der Franken steigt durch diese
grosse Nachfrage im Wert. Die SNB entschliesst sich, massive Devisenkäufe
zu tätigen. Im ersten Quartal 2010 umfassen diese Käufe Fremdwährungen
für umgerechnet rund CHF 31 Mrd. (SNB Geschäftsbericht 2010,S. 196).
2. Q. 2010
Im zweiten Quartal 2010 gehen die Devisenkäufe der SNB weiter. Es wird
Fremdwährung im Wert von insgesamt rund CHF 113 Mrd. gekauft. Aufgrund
der Devisenkäufe über nun insgesamt rund CHF 144 Mrd. verlängert sich die
Bilanz der SNB massiv. Allerdings werden diese Interventionen teilweise steril
getätigt, also ohne Veränderung der inländischen Geldmenge. Dies bewirkt
eine insgesamt eingeschränkte Geldmengenveränderung beim Schweizerfranken (SNB Geschäftsbericht 2010, S. 196).
3.-17.08.2011 Die SNB erhöht die Sichtguthaben der Geschäftsbanken innert 14 Tagen
schrittweise von CHF 30 Mrd. auf CHF 200 Mrd. (SNB Geschäftsbericht 2011,
S. 200-201). Durch diese Erhöhung steigt gleichzeitig auch die Notenbankgeldmenge und somit wird der Schweizerfranken geschwächt. Sichtguthaben
sind unverzinsliche Giroguthaben von Geschäftsbanken bei der SNB. Durch
Kontrolle dieses Angebots wird die Liquidität gesteuert (SNB (b), online).
11
Bachelorarbeit
10.08.2011
Stefan Reinli
Der CHF/EUR-Kurs erreicht seinen vorläufigen Tiefpunkt bei einem Schlusskurs von 1,0299.
06.09.2011
Nach einer weiteren ausgeprägten Aufwertung des Schweizerfrankens im
Sommer 2011 einschliesst sich die SNB um Philipp M. Hildebrand, ein Wechselkursziel von CHF 1,20 zum Euro auszusprechen. In der Pressemitteilung
der SNB vom 6. September 2011 (SNB (c), online) heisst es auszugsweise:
„Die Nationalbank strebt (…) eine deutliche und dauerhafte Abschwächung
des Frankens an. Sie toleriert ab sofort keinen Euro-Franken-Kurs unter Eins
Zwanzig. Die Nationalbank wird diesen Mindestkurs mit aller Konsequenz
durchsetzen. Sie ist bereit, unbeschränkt Devisen zu kaufen.“ Diese Massnahme ist nötig, nachdem sowohl die Senkung des Leitzinses auf nahezu 0%
als auch die Devisenkäufe im ersten Halbjahr 2010 keine oder wenig Wirkung
zeigten.
Die Kosten für die SNB im August und September 2011 werden rund ein halbes Jahr später von der Handelszeitung mit CHF 17.8 Mrd. beziffert, nachdem
die Interventionen 2010 über CHF 100 Mrd. betrugen (Müller, 12.04.2012,
S. 25). Grund für diese Differenz ist die Wirkung der Androhung eines Kursziels.
Während all dieser Geschehnisse verändert die SNB den Leitzins als weitere Massnahme
zur Geldmengensteuerung in unregelmässigen Abständen. Im Jahr 2007 wird der Leitzins
aufgrund positiver Wirtschaftsdaten noch erhöht, später wieder gesenkt. Am 11. Dezember
2008 erreicht das Zielband des Dreimonats-Libor mit 0%-1% zum ersten Mal die untere
Grenze von 0%. Am 12. März 2009 wird das Zielband auf 0%-0,75% verengt, ab dem 3. August 2011 liegt es bei 0%-0,25%. Die Abbildung 7 zeigt den Verlauf des Libor-Zielbands ab
dem 1. Januar 2007 (UBL bezeichnet die obere Grenze [upper borderline], LBL die untere
Grenze [lower borderline] des Zielbands):
3.5%
3.0%
Zinssatz
2.5%
2.0%
UBL
1.5%
LBL
1.0%
0.5%
0.0%
2007
Abb. 7:
2008
2009
Jahr
2010
2011
2012
SNB-Zinszielband, 01.01.2007–18.05.2012 (Leitzinsen.info, online, eigene Darstellung)
12
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
Abbildung 8 zeigt im gleichen Zeitraum die Leitzinsen des Federal Reserve (Fed.), der Nationalbank der USA, in rot und der Europäischen Zentralbank (EZB) in blau. Während die EZB
wie auch die SNB im Jahr 2007 noch Leitzinserhöhungen vorgenommen hat, musste das
Fed. Ende 2007 den Leitzins von einem sehr hohen Niveau innert kurzer Zeit auf fast 0%
senken. Die EZB führte 2011 zwei Mal eine Leitzinserhöhung durch, machte diese Schritte
dann aber gegen Ende des Jahres wieder rückgängig.
Abb. 8:
Leitzinsen des Fed. und der EZB, 01.01.2007–18.05.2012 (Leitzinsen.info, online, leicht abgeändert)
Eine Besonderheit der EZB ist, dass sie seit dem 8. November 2001 nur noch in den Monatssitzungen über Zinssatzänderungen entscheidet (Ragaz, 2008, S. 43). Dies vermittelt
den Märkten Stabilität. Bei der SNB ist keine ähnliche Praktik ersichtlich.
13
Bachelorarbeit
4
Stefan Reinli
Die Schweizerische Nationalbank
Die Schweizerische Nationalbank ist in den Vorgängen rund um die Einführung des Wechselkursziels des Schweizer Frankens zum Euro die zentrale Figur. Um die Rolle der SNB
genauer zu verstehen, werden in diesem Kapitel die SNB, deren Rechtsform, die Aufträge
sowie die zur Ausführung der Aufträge zur Verfügung stehenden Mittel genauer vorgestellt.
Hierzu dienen in erster Linie die Gesetzesgrundlagen als Quelle. Für die SNB relevante
Grundlagen sind das Nationalbankgesetz (NBG) und die Verordnung zum NBG (NBV) sowie
das Organisationsreglement der Schweizerischen Nationalbank (OdSNB) und das Bundesgesetz über die Währung und die Zahlungsmittel (WZG).
Die aus gesetzlicher Sicht wichtigste Regulierung findet sich aber in der Bundesverfassung
(BV). Hier ist festgeschrieben, dass die Schweizerische Nationalbank als unabhängige Zentralbank eine Geld- und Währungspolitik führt, die dem Gesamtinteresse des Landes dient
und unter Mitwirkung und Aufsicht des Bundes verwaltet wird (BV Art. 99, Abs. 2). Die Unabhängigkeit ist das wichtigste Gut der SNB. Gemäss NBG Art. 6 dürfen die SNB und die Mitglieder deren Organe weder vom Bundesrat noch von der Bundesversammlung Weisungen
einholen oder entgegennehmen. Für die economiesuisse (2012) bedeutet die Unabhängigkeit ebenfalls, dass die SNB keine Weisungen von der Politik entgegennehmen darf und in
Eigenverantwortung diejenige Geldpolitik betreiben soll, welche für das Land langfristig optimal ist (S. 6). Zudem ist nach dem aktuellsten geldpolitischen Forschungsstand erwiesen,
dass Länder mit einer von der Politik unabhängigen Zentralbank generell tiefere Inflationsraten aufweisen (S. 11). Die Unabhängigkeit der SNB im Speziellen umfasst drei Bereiche; die
funktionelle, finanzielle und personelle Unabhängigkeit (SNB (d), online). Die funktionelle
Unabhängigkeit legt eine Trennung zwischen der SNB und dem Bund, der Bundesversammlung und anderen Stellen fest. Die finanzielle Unabhängigkeit beinhaltet die Budgetautonomie sowie das Verbot der Kreditgewährung an den Bund. Die personelle Unabhängigkeit
besagt, dass Mitglieder des Direktoriums nur abberufen werden können, wenn sie ihr Amt
nicht mehr ausüben können oder sie eine schwere Verfehlung begangen haben.
4.1
Die Schweizerische Nationalbank als Gesellschaft
Die SNB ist eine spezialgesetzliche Aktiengesellschaft (NBG Art. 1, Abs. 1), womit einige
Erlasse vom gesetzlichen Rahmen für Aktiengesellschaften im Schweizerischen Obligationenrecht (OR) abweichen dürfen (NBG Art. 2). Sie betreibt zwei Hauptsitze, einen in Zürich
und einen in Bern, sowie einige Zweigniederlassungen und Agenturen in der ganzen
14
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
Schweiz (NBG Art. 3, Abs. 1 & 2). Die SNB ist von direkten Bundessteuern befreit und darf
auch von Kantonen nicht besteuert werden (NBG Art. 8, Abs. 1 & 2). Das Aktienkapital beträgt CHF 25 Mio. und ist in 100‘000 Aktien zu einem Nennwert von je CHF 250,00 aufgeteilt
(NBG Art. 25, Abs. 1). Per 31. Dezember 2011 sind die eingetragenen Aktien zu 62,97% in
öffentlich-rechtlichem Besitz (Kantone und Kantonalbanken) und zu 37,03% im Besitz von
Privataktionären (SNB Geschäftsbericht 2011, S. 145).
Die SNB hat gemäss NBG (Art. 30, Abs. 1) Rückstellungen zu bilden, um Währungsreserven
auf der geld- und währungspolitisch erforderlichen Höhe zu halten. Sie soll sich dabei an der
Entwicklung der Schweizerischen Volkswirtschaft orientieren. Überschüsse bei den Rückstellungen gelten als Gewinne (NBG Art. 30, Abs. 2). Bei der Gewinnverteilung darf die SNB
eine Dividende von maximal 6% des Aktienkapitals ausschütten (NBG Art. 31, Abs. 1). Der
Rest geht zu einem Drittel an den Bund und zu zwei Dritteln an die Kantone (NBG Art. 31,
Abs. 2).
4.2
Die Organisation der Schweizerischen Nationalbank
Die SNB umfasst die Organe Bankrat, Direktion, Revisionsstelle und allen voran die Generalversammlung der Aktionärinnen und Aktionäre (NBG Art. 33). Der Bankrat besteht aus elf
Mitgliedern, wovon sechs durch den Bundesrat und fünf durch die Generalversammlung gewählt werden (NBG Art. 39, Abs. 1 & 2).
Die zentrale Aufgabe des Bankrats ist es, die Geschäftsführung der SNB im Hinblick auf die
Einhaltung von Gesetzen, Reglementen und Weisungen zu beaufsichtigen und zu kontrollieren (NBG Art. 42, Abs. 1). Dazu gehört es unter anderem, die Grundzüge der Organisation
der SNB festzulegen, die Höhe der Rückstellungen zu genehmigen sowie das Management
von Kredit- und Marktrisiken zu beurteilen und dessen Umsetzung zu überwachen (OdSNB
Art. 10, Abs. 2). Abbildung 9 zeigt die elf Personen des Bankrats (Stand 01.05.2012):
Jean Studer, Präsident des Bankrats
Olivier Steimer, Vizepräsident des Bankrats
Gerold Bührer
Dr. Daniel Lampart
Ernst Stocker
Abb. 9:
Prof. Dr. Monika Bütler
Laura Sadis
Prof. Dr. Christoph Lengwiler
Der Bankrat der SNB (SNB (e), online, eigene Darstellung)
15
Dr. Alfredo Gysi
Shelby R. du Pasquier
Prof. Dr. Cédric Tille
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
Das Direktorium besteht aus drei Mitgliedern sowie je einer Stellvertretung (NBG Art. 43,
Abs. 1). Es ist das oberste geschäftsleitende und ausführende Organ und vertritt die SNB in
der Öffentlichkeit (NBG Art. 46, Abs. 1). Geldpolitische Entscheide treffen, die Zusammensetzung der Währungsreserven bestimmen und über die Anlage der Aktiven entscheiden
zählen unter anderem zu den Aufgaben des Direktoriums (NBG Art. 46, Abs. 2 und OdSNB
Art. 18, Abs. 2).
Die SNB ist unterhalb des Direktoriums in drei Departemente beziehungsweise Geschäftskreise unterteilt. Das erste Departement beinhaltet die internationalen Währungskooperationen, die Volkswirtschaft sowie Recht und Dienste. Das zweite Departement umfasst das
Bargeld, die Finanzen und Risiken sowie die Finanzstabilität. Im dritten Departement werden
die Finanzmärkte, das operative Bankgeschäft und die Informatik zusammengefasst (OdSNB
Art. 4). Jedem Departement steht ein Mitglied des Direktoriums vor (OdSNB Art. 3, Abs. 2).
Unter den drei Mitgliedern des Direktoriums befindet sich auch die Präsidentin/der Präsident
sowie die Vizepräsidentin/der Vizepräsident des Direktoriums (OdSNB Art. 25, Abs. 1). Abbildung 10 zeigt die Zusammensetzung des Direktoriums (Stand 29.05.2012):
Prof. Dr. Thomas J. Jordan
Präsident des Direktoriums
(1. Departement)
Prof. Dr. Jean-Pierre Danthine
Vizepräsident des Direktoriums
(2. Departement)
Fritz Zurbrügg (ab 01.08.2012)
Mitglied des Direktoriums
(3. Departement)
Dr. Thomas Moser, Stv.
Abb. 10:
Dr. Thomas Wiedmer, Stv.
Dewet Moser, Stv.
Das Direktorium der SNB (SNB (f), online, eigene Darstellung)
Das Organigramm der SNB als Ganzes ist auf der folgenden Seite in Abbildung 11 vereinfacht dargestellt:
16
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
Generalversammlung
Revisionsstelle
Bankrat
Interne Revision
Direktorium
Erweitertes Direktorium
1. Departement
Abb. 11:
4.3
2. Departement
3. Departement
Das Organigramm der SNB, vereinfacht (SNB (g), online, eigene Darstellung)
Die Aufträge und Aufgaben der Schweizerischen Nationalbank
Die SNB hat die Preisstabilität zu gewährleisten und dabei der konjunkturellen Entwicklung
Rechnung zu tragen. In diesem Rahmen hat sie einen durch das NBG klar abgegrenzten
Aufgabenkatalog (NBG Art. 5, Abs. 1 & 2):
- Schweizerfranken-Geldmarkt mit Liquidität versorgen.
- Bargeldversorgung gewährleisten (nach NBG Art. 4 hat die SNB das ausschliessliche
Recht zur Ausgabe von Schweizerischen Banknoten). Zudem sind die Banknoten nach
den Bedürfnissen des Zahlungsverkehrs auszugeben, die SNB bestimmt Nennwert und
Gestaltung (WZG Art. 7, Abs. 1).
- Funktionieren bargeldloser Zahlungssysteme erleichtern und sichern.
- Währungsreserven verwalten.
- Zur Stabilität des Finanzsystems beitragen.
Darüber hinaus wirkt die SNB bei internationalen Währungskooperationen mit (NBG Art. 5,
Abs. 3) und kann mit ausländischen Zentralbanken und mit internationalen Organisationen
Beziehungen aufnehmen und mit ihnen alle Arten von Bankgeschäften tätigen (NBG Art. 10).
Zudem erbringt die SNB dem Bund diverse Bankdienstleistungen (NBG Art. 5, Abs. 4), darf
ihm aber keine Kredite gewähren (NBG Art. 11, Abs. 2).
17
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
Da die SNB autonom arbeitet und vom Bund keine Weisungen annehmen darf, hat sie der
Bundesversammlung einen jährlichen Rechenschaftsbericht über die Erfüllung ihrer Aufgaben vorzulegen (NBG Art. 7, Abs. 2). Darüber hinaus erstellt die SNB regelmässig Statistiken
über die Banken und Finanzmärkte, die Zahlungsbilanz, die Direktinvestitionen, das Auslandvermögen und die Finanzierungsrechnung der Schweiz (SNB (h), online).
4.4
Die Mittel zur Umsetzung der Aufträge und Aufgaben
Die Schweizerische Nationalbank hat insgesamt drei Instrumente zur Verfügung, um die im
vorherigen Kapitel 4.3 genannten geldpolitischen Ziele wie zum Beispiel Preisstabilität, Liquidität des Geldmarktes und Stabilität des Finanzsystems zu erreichen. Die SNB kann das
Geldangebot erhöhen oder senken, sie kann den Leitzins erhöhen oder senken und sie kann
aktiv in den Wechselkurs eingreifen (Vischer, 2010, S. 108-109).
Gemäss Nationalbankgesetz (Art. 9, Abs. 1) hat die SNB unter anderem folgende Möglichkeiten zur Erfüllung der geld- und währungspolitischen Aufgaben:
- Für Banken und andere Finanzmarktteilnehmer verzinsliche und unverzinsliche Konten
führen.
- Bei Banken und anderen Finanzmarktteilnehmern Konten eröffnen.
- Auf Finanzmärkten Forderungen, Effekten, Edelmetalle und Edelmetallforderungen in
Schweizerfranken und Fremdwährungen kaufen und verkaufen.
- Eigene verzinsliche Schuldverschreibungen ausgeben und zurückkaufen.
- Kreditgeschäfte mit Banken und anderen Finanzmarktteilnehmern abschliessen.
An dieser Stelle ist insbesondere das Repo-Geschäft zu erwähnen. Hier werden verbriefte
Forderungen von Geschäftsbanken an die Nationalbank verkauft mit der Verpflichtung zum
Rückkauf auf einen bestimmten, meist sehr kurzen Termin. Die SNB legt das zur Verfügung
stehende Geldvolumen sowie den Repo-Zins fest und nimmt so Einfluss auf die Geldpolitik.
Repo-Transaktionen regeln somit die Liquidität und Geldversorgung der Banken (Brunetti,
2009, S. 331). Das Repo-Geschäft ist Teil der Offenmarktpolitik, wobei sich diese im Allgemeinen nicht nur auf die Geschäftsbanken beschränkt und auch nicht zwingend nur in – wie
bei Repo-Geschäften üblich – sehr kurzen Fristen bewegt. So gehört gemäss Brunetti zum
Beispiel auch der Kauf und Verkauf von Gold zur Offenmarktpolitik (2009, S. 315-317).
Eine weitere Regelung besagt, dass Geschäftsbanken bei der SNB Mindestreserven bestehend aus Münzen, Banknoten und Giroguthaben halten müssen (NBG Art. 17, Abs. 1 und
18
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
Art. 18, Abs. 1). Diese Reserven erleichtern das reibungslose Funktionieren des Geldmarktes. Die Reserven bestehen aus einem von der SNB festgelegten Prozentsatz der Verbindlichkeiten, welche die Geschäftsbanken insgesamt bei der SNB halten (SNB (b), online).
Aktuell liegt der Satz bei 2,5% (SNB Statistisches Monatsheft 5/2012, S. 29).
Falls nötig kann sich die SNB direkt am Kapital von Gesellschaften beteiligen und Mitgliedschaftsrechte an solchen erwerben (NBG Art. 12).
Exkurs SNB und UBS in den Jahren 2008 und 2009:
Die Schweizerische Nationalbank hätte gemäss diesem Gesetzesartikel also
Aktionärin der UBS werden können, um so die Geschicke rund um die kriselnde Grossbank zumindest teilweise selbst in die Hand zu nehmen. Die SNB
entschied sich aber dafür, sich nicht an der UBS zu beteiligen und richtete dafür Ende 2008 einen Stabilisierungsfonds ein. Dieser Fonds sollte für einen
Betrag von maximal CHF 60 Mrd. illiquide Wertpapiere übernehmen. Der
Fonds wurde über Eigen- und Fremdkapital finanziert. Als Eigenkapital gilt der
Verkauf einer Call-Option auf die Anteile des Stabilisierungsfonds von der
SNB an die UBS. Die UBS finanzierte diesen Optionen-Kauf durch eine vom
Bund übernommene Pflichtwandelanleihe über CHF 6 Mrd. Als Fremdkapital
erhält der Fonds von der SNB ein Darlehen über 90% der übernommenen
Vermögenswerte (Passardi/Jans, 14.04.2010, Finanz & Wirtschaft, S. 25).
Im Zusammenhang mit den Geschehnissen rund um die Stützung der UBS wird die SNB oft
als „Lender of last resort“ genannt, also als Kreditgeberin letzter Instanz. Gemäss Vischer
(2010) sollte sich eine Nationalbank aber darauf beschränken, den Geschäftsbanken falls
nötig kurzfristige Liquiditätshilfe zu gewähren, sollte es zum Beispiel aufgrund von Zweifeln
an der Bonität einer Bank zu einem Ansturm von Einlegern kommen, welche ihr Geld zurückfordern (S. 114). Eine weitere Möglichkeit der kurzfristigen Liquiditätshilfe sieht Vischer bei
einer stockenden Interbanken-Ausleihe1. Auch hier kann eine Nationalbank als „Lender of
last resort“ auftreten. Eine Beteiligung an der Stärkung von Eigenkapital sollte wenn überhaupt durch den Staat erfolgen. Auch eine komplette Verstaatlichung ist in besonders
schweren Fällen eine Option. Da solche Interventionen auf politischen Entscheiden des
Staates beruhen, sollten sie gemäss Vischer nicht Sache einer Nationalbank sein (S. 115).
Als Ergänzung sagt Ragaz (2008) aus, dass Nationalbanken sich davor hüten, den Banken
eine Rückendeckung in Notsituationen zu signalisieren (S. 25). Dies würde zu einem „moral
hazard“ führen, also zu einem lascheren Umgang der Banken mit Risiken.
1
Geschäftsbanken vergeben Kredite an andere Geschäftsbanken. So wird die Liquidität zwischen den Banken
bedarfsgerecht umverteilt (Vischer, 2010, S. 119).
19
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
II
Rückblick und Theorie
5
Die Situation von 1978
Die Situation des massiv aufwertenden Schweizerfrankens ist für die Schweiz und deren
Nationalbank kein Neuland. Bereits in den 1970er-Jahren hat sich der Franken, damals gegenüber der D-Mark (DEM), über längere Zeit aufgewertet und machte ein Wechselkursziel
nötig. Die SNB verteidigte das Kursziel auch damals mit Interventionen auf dem Devisenmarkt. Dieses Kapitel gibt einen Überblick über die Ereignisse in den 1970er- und frühen
1980er-Jahren, die Massnahmen der SNB sowie deren Folgen.
5.1
Die Aufwertung des Schweizerfrankens
Die Schweiz ist bis 1973 dem Bretton-Woods-System angeschlossen. Der Einsturz dieses
Systems wird in Kapitel 6.1 genauer beschrieben. Am 23. Januar 1973 stellt die Nationalbank im Einvernehmen mit dem Bundesrat die Dollarkäufe zur Stützung des Wechselkurses
ein (SNB (a), online). Bereits am 12. Februar 1973 zeigt der Dollar eine Abwertung von 10%.
Am 12. März 1973 beschliessen auch die führenden Industrieländer Europas, darunter
Deutschland, den Kurs ihrer Währungen gegenüber dem Dollar floaten zu lassen. Für verschiedene Länder, besonders aber für die Schweiz, hat diese Massnahme einen Konjunktureinbruch zur Folge, denn die Zentralbankgeldmenge wächst aufgrund der ausbleibenden
Interventionen am Devisenmarkt kaum noch (SNB, 2007, S. 185). Diese Tatsache führt von
einer anfangs noch herrschenden Inflation zu einem Rückgang des Bruttosozialprodukts
(BSP) und der Industrieproduktion. Allein im Jahr 1975 nimmt die Industrieproduktion um
12,6% ab. Aus diesem Grund beschliesst die SNB, fortan eine Geldmengenpolitik zu betreiben und löst sich von der bisherigen Orientierung am Wechselkurs (SNB. 2007, S. 188). Teil
der Geldmengenpolitik ist das Ziel, die Geldmenge M12 stetig auszuweiten. 1975 und 1976
soll die Ausweitung 6% betragen, für 1977 und 1978 sind noch 5% geplant.
Während dieser Zeit nimmt die Überbewertung des Schweizerfrankens stetig zu. Diese
Überbewertung zeigt sich unter anderem anhand des Franken-D-Mark-Kurses. Abbildung 12
ist von der SNB übernommen und zeigt den Wechselkurs des Schweizerfrankens zur D2
Als Geldmenge M0 wird die Notenbankgeldmenge bezeichnet, auch monetäre Basis oder Geldbasis genannt
(SNB (b), online). Zur Geldmenge M1 zählen Bargeld, Sichteinlagen sowie Transaktionskonten. Die Geldmenge
M2 beinhaltet zusätzlich zu M1 die Spareinlagen. Bei der Geldmenge M3 werden noch die Termineinlagen
addiert (Brunetti, 2009, S. 313-314).
20
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
Mark sowie die Veränderung des Kaufkraftparitäten-Verhältnisses zwischen der Schweiz und
Deutschland von 1953 bis 2006:
Abb. 12:
Entwicklung des Wechselkurses und der Kaufkraftparität Schweiz/Deutschland, 1953 bis 2006 (SNB,
2007, S. 191)
Der schwarze Rahmen soll auf die Jahre 1973 bis 1983 fokussieren. In dieser Zeit fällt der
Wechselkurs um rund 35%, die D-Mark liegt teilweise unterhalb von 80 Rappen. Gemessen
an der Entwicklung der relativen Lebenshaltungskosten ist der Franken zunächst noch unterbewertet, dreht dann aber in Richtung Überbewertung. Dieses Verhalten eines flexiblen
Wechselkurses gegenüber der Kaufkraftparität nennt sich Überschiessen und ist nicht unüblich (SNB, 2007, S. 191). Überraschend ist aber, dass sich auch längerfristig keine Korrektur
dieser Tendenz abzeichnet. Gründe für diese Überbewertung werden verschiedene genannt.
Gemäss Professor Urs Birchler3 könnte die Ursache einmal mehr in der Betrachtung des
Schweizerfrankens als sicherer Hafen liegen, aber auch die steigende Produktivität wird als
Ursprung genannt (Birchler, 25.07.2011, Die Zeit, online). Jean-Pierre Roth, ehemaliger Präsident der SNB, geht in einem Referat aus dem Jahre 2009 über die Internationalisierung der
Geldpolitik (SNB (i), online, S. 7) davon aus, dass hauptsächlich der Glaube an die Ernsthaftigkeit der Schweizerischen Stabilitätspolitik zur Aufwertung führt.
Neben der Deutschen Mark als zentrale Exportwährung findet die Aufwertung auch gegenüber vielen anderen europäischen Währungen statt. Dies setzt der Schweizer Exportwirtschaft zu und zwingt die Schweizerische Nationalbank zum Handeln.
3
Urs Birchler, Professor am Institut für Banking und Finance der Uni Zürich, vorher bei der SNB tätig.
21
Bachelorarbeit
5.2
Stefan Reinli
Massnahmen der SNB
Der politische Druck auf die SNB wird mit der Zeit immer grösser. Die Sorgen der Exportwirtschaft werden 1978 im Nationalrat thematisiert. Als Antwort auf die von allen Seiten geäusserten Forderungen zu einer Reaktion experimentiert die SNB mit drei Instrumenten. Diese
Abwehrmassnahmen umfassen Anlageverbote und Negativzinsen sowie die Einschränkung
der Kreditaufnahme im Ausland zur Begrenzung des Kapitalzuflusses aus dem Ausland
(SNB, 2007, S. 123). Die Politik der Kapitalzufluss-Begrenzung wird auch DevisenbannWirtschaft genannt, geht es doch schlussendlich darum, die ausländischen Devisen aus dem
eigenen Land zu halten. Neben diesem administrativen Abwehrdispositiv wird gemäss Roth
(2009) der Leitzins auf den damals historischen Tiefpunkt von 1% gesenkt (SNB (i), online,
S. 7).
Im Sommer 1978 setzt sich die Meinung durch, dass die Aufwertung gegenüber der D-Mark
nur mit einer unlimitierten Devisenmarktintervention in Kombination mit einem öffentlich geäusserten Wechselkursziel gebremst werden kann (Straumann, 14.01.2011, TagesAnzeiger, online). Das Direktorium der SNB um den damaligen Präsidenten Fritz Leutwiler
beschliesst am 1. Oktober 1978 die Festlegung des Wechselkursziels auf „deutlich über 80
Rappen“ pro D-Mark (SNB, 2007, S. 193). Der Erfolg stellt sich schnell ein, der Kurs steigt
deutlich bis auf über 90 Rappen im Jahr 1980. Das Kurschart in Abbildung 13 zeigt den Verlauf des CHF-DEM-Wechselkurses von Anfang 1975 bis Ende 1985:
1.20
CHF/DEM
1.10
1.00
0.90
0.80
26.09.1978
0.70
0.60
1975
Abb. 13:
1976
1977
1978
1979
1980
1981
Jahr
1982
1983
1984
1985
CHF/DEM-Kurs, 02.01.1975–31.12.1985 (Deutsche Bundesbank, online, eigene Darstellung)
Wie der Abbildung 13 zu entnehmen ist, ist das Wechselkursziel erfolgreich. Nach der Negativspitze vom 26. September 1978 mit einem Tagesschlusskurs von 75 Rappen pro D-Mark
zeigt sich eine rasche Erholung mit längerfristigen Kursen um 90 Rappen. Schlussendlich
pendelt sich der Kurs bei etwas über 80 Rappen ein und unterschreitet diese Marke nur noch
22
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
wenige Male ganz knapp. Dieses Bild verändert sich bis kurz vor Einführung des Euro im
Jahr 2002 nicht mehr sonderlich.
Die Kosten für die Devisenmarktinterventionen zur Stützung des Kurses belaufen sich gemäss Hildebrand (2004) auf CHF 10,6 Mrd. und entsprechen zu dieser Zeit 40% der monetären Basis (SNB (j), online, S. 10). Die gesamte Geldmenge steigt dadurch um 17% und nicht
wie weiter oben erwähnt um die erwarteten 5%.
Nach erfolgreicher Umsetzung des Wechselkursziels wird laut Hildebrand (2009) ein grosser
Teil des Geldmengenüberhangs in der ersten Jahreshälfte 1979 wieder abgebaut (SNB (j),
online, S. 11). Trotz dieses Schrittes treten keine neuen Wechselkursturbulenzen auf, wie
der Abbildung 13 zu entnehmen ist. Aufgrund der niedrigen Zinssätze und des deutlich gesunkenen realen Frankenkurses kann sich die Konjunktur erholen.
Bereits ab dem Jahr 1980 kann die SNB wieder mit Geldmengenzielen arbeiten, verfolgt also
das Wechselkursziel nicht weiter und ist aufgrund des stabilisierten Wechselkurses auch zu
keinen weiteren Massnahmen gezwungen (Baltensperger, 11.07.2007, SECO, S. 7). Allerdings liegt der Fokus neu nicht mehr auf der Geldmenge M1, sondern auf der bereinigten
Notenbankgeldmenge M0. Begründet wird dies mit der zunehmend schwierig zu prognostizierenden Nachfrage nach M1.
5.3
Negative Folgen der Massnahmen
Auf den ersten Blick hat die einschneidende Massnahme des Wechselkursziels seinen
Zweck erfüllt. Der Schweizerfranken konnte abgewertet werden, der Kurs zur D-Mark wurde
stabilisiert und die Exportwirtschaft zusammen mit der gesamten Konjunktur zeigten erholende Tendenzen. Blickt man aber etwas weiter, genauer gesagt in die erste Hälfte der
1980er-Jahre, zeigt sich die aufgrund der Geldmengenausdehnung zu erwartende Inflation.
Gemäss BFS wird die Inflation in der Schweiz an der Erhöhung des Jahresdurchschnittswerts des Landesindex für Konsumentenpreise (LIK) gemessen (BFS (f), online). Abbildung
14 auf der nächsten Seite zeigt die jährliche Veränderung des LIK gegenüber Vorjahr im
Zeitraum von 1976 bis 1985:
23
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
Veränderung LIK zum Vorjahr
+7%
+6%
+5%
+4%
+3%
+2%
+1%
+0%
1976
Abb. 14:
1977
1978
1979
1980
1981
Jahr
1982
1983
1984
1985
Jährliche durchschnittliche Veränderung LIK gegenüber Vorjahr, 1976 bis 1985 (BFS (g), online, eigene Darstellung)
Anhand des Anstiegs des LIK ab dem Jahr 1979 ist zu erkennen, wie sich die Geldmengenausdehnung der Nationalbank auf die Inflation auswirkt. Die Inflation nimmt deutlich zu, reagiert aber wie üblich mit einer Verzögerung von rund zwei bis drei Jahren (Bischofsberger,
21.09.2011, Avenir Suisse, online). Im hier betrachteten Zeitraum steigt die Inflation während
drei Jahren von 1,1% im Jahr 1978 auf den Höchstwert von 6,5% im Jahre 1981. Ab dieser
Zeit nimmt die Inflation wieder ab und kommt vorläufig bei rund 3% ab dem Jahr 1983 zu
liegen. Später fällt die Inflation sogar auf ein Niveau von rund 1%.
Zu dieser erhöhten Inflation während mehrerer Jahre muss angemerkt werden, dass in dieser Zeit ein zusätzlicher Preisschock stattfindet, welcher mit der Notenbankgeldmenge nichts
zu tun hat – der zweite Erdölpreisschock von 1979/1980. Gemäss Baltensperger hat diese
Entwicklung zusammen mit dem Liquiditätsüberhang der SNB einen Einfluss auf die Inflationsentwicklung (11.07.2007, SECO, S. 8). Diese Tatsache relativiert den Einfluss der Geldmengenausdehnung auf die Inflation.
24
Bachelorarbeit
6
Stefan Reinli
Geldmenge und Wechselkurs in der Theorie
Dieses Kapitel befasst sich mit dem theoretischen Ansatz eines Wechselkursziels. Zuerst
wird die historische Entstehung des bis vor kurzem geltenden Systems der flexiblen Wechselkurse aufgezeigt. Danach wird ein Modell vorgestellt, welches die aktuelle Situation zwischen dem Schweizerfranken und dem Euro sowie die Interventionen der SNB abbildet. Anhand mehrerer Modell-Variablen werden daraufhin die Folgen dieser Interventionen dargestellt. Der letzte Abschnitt dieses Kapitels ist der Kommunikation der SNB gewidmet.
6.1
Historische Entstehung des Systems der flexiblen Wechselkurse
Gemäss Krugman/Obstfeld ist die Geschichte des internationalen Währungssystems in insgesamt vier Epochen zu unterteilen (2009, S. 654). Die Zeit von 1870 bis 1914, also bis zum
Beginn des ersten Weltkrieges, wird als das Zeitalter des Goldstandards bezeichnet und
geht im Prinzip sogar auf das Jahr 1819 zurück (Krugman/Obstfeld, 2009, S. 660). Damals
hob das britische Parlament die Exportbeschränkungen für Goldmünzen und -barren auf.
Dieser „Resumption Act“, also das Gesetz zur Wiederaufnahme des Handels mit Gold, gilt
als die Geburt des Goldstandards. Gold diente damals als Tauschmittel und war Recheneinheit und Wertaufbewahrungsmittel. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts führten weitere wichtige Handelsnationen ebenfalls diesen Goldstandard ein und so basierte schon bald ein
grosser Teil des internationalen Währungssystems auf Gold. Vorrangige Aufgabe der Zentralbanken war es damals, die Parität zwischen der inländischen Währung und dem Gold zu
wahren.
Die immensen Militärausgaben während und nach dem ersten Weltkrieg wurden mithilfe der
Notenpresse finanziert (Krugman/Obstfeld, 2009, S. 668). Dies war nur möglich, weil der
Goldstandard durch die Staaten aufgehoben wurde. Die inflationären Folgen dieser Politik
prägten die zweite Epoche, die Zwischenkriegsjahre von 1918 bis 1939.
In der dritten Epoche, der Zeit des Bretton-Woods-Systems von 1944 bis 1973, wurden die
Währungen aller am System beteiligten Nationen an den Dollar gebunden. Dieser wiederum
wurde fix an das Gold gebunden (Krugman/Obstfeld, 2009, S. 671). Zur Überwachung dieses Systems wurde der Internationale Währungsfonds (IWF) gegründet. Die Schweiz trat
dem IWF erst am 29. Mai 1992 bei (IMF (a), online), denn sie stand den Institutionen zur
Überwachung von Bretton-Woods4 von Anfang an kritisch gegenüber (SNB, 2007, S. 146).
4
Hierzu gehört neben dem IWF auch die Weltbank.
25
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
Am Bretton-Woods-System selbst nahm die Schweiz aber teil, und so verfolgte die SNB von
1945 bis 1973 ein Wechselkursziel (Brunetti, 2009, S. 326).
Zahlungsbilanzkrisen diverser Länder während der 1960er- und zu Beginn der 1970er-Jahre
brachten das Bretton-Woods-System der festen Wechselkurse 1973 zum Einsturz. Alle Nationen, die ihre Währung fix an den US-Dollar koppelten, importierten die Inflation der USA.
Dieser Effekt erhöhte die Preisniveaus der jeweiligen Länder. Um die Preisniveaus zu stabilisieren und ein binnenwirtschaftliches Gleichgewicht wiederherzustellen, mussten Wechselkurse flexibel gestaltet werden (Krugman/Obstfeld, 2009, S. 684). Dies war der Beginn der
vierten Epoche ab 1973.
Gemäss Angaben des IWF vom 31. Juli 2006 (IMF (b), online) haben von den insgesamt 187
dem IWF angeschlossenen Nationen deren 41 keine eigene Währung5. 52 Nationen haben
einen fixen Wechselkurs, einen sogenannten „fixed peg“. Überraschenderweise haben trotz
der Lehren aus dem Kollaps des Bretton-Woods-Systems nur 25 Nationen einen völlig unabhängigen flexiblen Wechselkurs. Aber insgesamt 62 Nationen betreiben eine von drei
Wechselkurs-Politiken, die als Mischform aus fixen und flexiblen Wechselkursen zu bezeichnen sind. Zu diesen Mischformen zählen der „Crawling Peg“, das „Managed Floating“ und
die Zielzone (Gärtner/Lutz, 2004, S. 297-298). Beim „Crawling Peg“ wird der Wechselkurs
mit Vorankündigung in regelmässigen Abständen verändert. „Managed Floating“ bezeichnet
einen im Prinzip flexiblen Wechselkurs, der jedoch von Zeit zu Zeit durch Interventionen der
Notenbanken beeinflusst wird. Bei der Zielzone werden für den Wechselkurs eine untere und
eine obere Bandgrenze festgelegt, die wie beim „Managed Floating“ durch Interventionen der
Notenbanken eingehalten werden.
Der IWF zählte Mitte 2006 den Schweizerfranken noch zu den komplett flexiblen Wechselkursen. Nach der Festlegung eines Kursziels zum Euro muss die Währungspolitik der SNB
nun aber als adaptierte Form der Zielzone bezeichnet werden. Die SNB hat nur eine untere
Grenze zum Euro festgelegt und verteidigt diese mittels „Managed Floating“.
6.2
Das Devisen- und Geldmarkt-Modell nach Krugman/Obstfeld
Bevor das Devisen- und Geldmarkt-Modell von Paul R. Krugman6 und Maurice Obstfeld7
vorgestellt wird, gilt es eine wichtige Bemerkung zu machen. Im Kapitel 4.4 über die Mittel
zur Umsetzung der Aufträge und Aufgaben der SNB werden drei Instrumente aufgeführt:
5
Zu diesen 41 Nationen gehören unter anderem auch die damals zwölf EU-Mitgliedsländer.
Paul R. Krugman lehrt unter anderem in Yale, Stanford, Princeton und am MIT und ist Träger des Wirtschaftsnobelpreises (Krugman/Obstfeld, 2009, S. 916).
7
Maurice Obstfeld lehrt als Professor für Wirtschaftswissenschaften in Berkeley (Krugman/Obstfeld, 2009, S.
916).
6
26
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
Veränderung des Geldangebots, Veränderung des Leitzinses und Beeinflussung des Wechselkurses. Diese drei Instrumente sind im Prinzip alle voneinander abhängig, denn mit der
Erhöhung oder Senkung des Angebots an Zentralbankgeld über die Offenmarktpolitik verändert die Zentralbank die kurzfristigen Zinsen (Brunetti, 2009, S. 319). Wenn also die SNB
eine Senkung der Zinsen kommuniziert, so verfolgt sie so lange eine expansive Offenmarktpolitik, bis der Leitzins das gewünschte Niveau erreicht hat. Genau umgekehrt funktioniert es
bei einer Erhöhung des Leitzinses. Hier wird eine restriktive Offenmarktpolitik betrieben.
Gemäss Brunetti (2009, S. 319) nutzt die SNB den Leitzins zur Kommunikation der Geldpolitik. Denn diese Grösse ist einfacher messbar und für Aussenstehende besser zu erfassen,
als es die riesigen Beträge der Offenmarktpolitik wären. Eine ähnliche Aussage macht Vischer (2010, S. 109). Er sagt, dass die „Zins- und Geldmengenpolitik nur die zwei Seiten der
gleichen Münze darstellen“. Da mit dieser Zins- und Geldmengenpolitik schlussendlich aktiv
der Wechselkurs beeinflusst wird, kann man sagen, dass die drei Instrumente miteinander
verschmelzen.
Basis des Modells
Basis des Modells ist das Geldmarktgleichgewicht. Dieses Gleichgewicht besteht, wenn das
Geldangebot einer Zentralbank (MS) gleich gross ist wie die aggregierte Geldnachfrage (Md)8
(Krugman/Obstfeld, 2009, S. 471). Somit ergibt sich folgende Gleichung:
MS = Md
Um von der aggregierten Geldnachfrage zur im Modell benötigten realen aggregierten Geldnachfrage zu kommen, werden beide Seiten der Gleichung durch das Preisniveau (P) dividiert. Die reale aggregierte Geldnachfrage stellt sich nun als Funktion (L) mit den variablen
Grössen Zinssatz (R) und dem realen Bruttonationaleinkommen (Y) dar. Die erweiterte Gleichung sieht folgendermassen aus:
MS / P = L (R,Y)
Zusätzlich ist zu erwähnen, dass das im Folgenden aufgezeigte Modell nur auf der kurzen
Frist basiert. Zu diesem Zweck werden einige Parameter als gegeben betrachtet. Die Analyse in der langen Frist folgt im Anschluss an das Modell in Kapitel 6.3. Nachfolgend werden
die einzelnen Parameter des Modells vorgestellt.
8
Die aggregierte Geldnachfrage ist die Gesamtgeldnachfrage aller Privathaushalte und Unternehmen einer
Volkswirtschaft (Krugman/Obstfeld, 2009, S. 469).
27
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
Parameter des Modells
Geldangebot der SNB (MS)
Das Geldangebot der SNB verändert sich mit den von ihr getätigten Käufen und Verkäufen.
Eine stark vereinfachte Bilanz einer Zentralbank stellt sich nach Brunetti gemäss Abbildung
15 dar:
Aktiva
Passiva
Gold -
- Notenumlauf
Inländische Wertpapiere -
- Girokonten der Geschäftsbanken
Ausländische Wertpapiere (Devisen) -
- Reserven
Andere Aktiva (Gebäude, Land, etc.) Abb. 15:
Stilisierte Bilanz einer Zentralbank (Brunetti, 2009, S. 316, eigene Darstellung)
Mit dem Notenumlauf und den Girokonten der Geschäftsbanken stehen die liquiden Mittel
auf der Passiv-Seite, welche in der engsten Definition der Geldmenge M0 enthalten sind.
Dieses sich im Umlauf befindliche Geld steht auf der Passiv-Seite, da es zur Finanzierung
der auf der Aktiv-Seite stehenden Wertpapiere, Devisen und Goldbestände dient. Will die
SNB die Geldmenge mittels Offenmarktpolitik erhöhen, so kauft sie auf dem Kapitalmarkt
Wertpapiere, zum Beispiel Staatsobligationen. Diese Obligationen bezahlt sie mit Geld, das
es noch gar nicht gibt. Sie druckt also im Prinzip neues Geld. Dieses Geld fliesst durch den
Kauf in den Kapitalmarkt. So wird die im Umlauf befindliche Geldmenge erhöht, da auf der
Aktiv-Seite die inländischen Wertpapiere zunehmen und auf der Passiv-Seite der Notenumlauf zunimmt (Brunetti, 2009, S. 315-316). Eine weitere Möglichkeit zur Erhöhung der sich im
Umlauf befindlichen Geldmenge ist der Kauf anderer Aktiva wie zum Beispiel Gold, Devisen
oder Gebäude. Somit vergrössert sich dieser Posten auf der Aktiv-Seite der Bilanz und entsprechend dehnt sich der Notenumlauf auf der Passiv-Seite um denselben Betrag aus
(Brunetti, 2009, S. 317).
Will die SNB die Geldmenge reduzieren, verkauft sie die Obligation an eine Geschäftsbank.
Der von der Geschäftsbank bezahlte Betrag fliesst nun wieder aus dem Kapitalmarkt
(Brunetti, 2009, S. 316). Auch die anderen Aktiva kann sie veräussern, womit sich der Notenumlauf auf der Passiv-Seite wieder reduziert (Brunetti, 2009, S. 317).
Bei Transaktionen mit ausländischen Vermögenswerten besteht die Möglichkeit, diese mit
entgegengesetzten Transaktionen zu neutralisieren. Wenn also die SNB ausländische Vermögenswerte verkauft, senkt sie die Geldmenge. Um die Geldmengenveränderung aufzuheben, muss sie gleichzeitig inländische Vermögenswerte kaufen (Krugman/Obstfeld, 2009,
S. 605). Dieser Vorgang nennt sich Sterilisieren.
28
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
Das gesamte Geldangebot der SNB ist gemäss oben aufgeführter Bilanz also die Summe
aus dem Notenumlauf und den Girokonten der Geschäftsbanken (Brunetti, 2009, S. 316).
An dieser Stelle darf der Geldschöpfungsmultiplikator nicht ausser Acht gelassen werden.
Dieser besagt, dass das von der Nationalbank ausgegebene Geld im Bankensystem vervielfacht wird (Brunetti, 2009, 312). Erhält eine Geschäftsbank beispielsweise von der SNB einen Kredit über eine Million Franken, so muss die Geschäftsbank nur die Mindestreserve
halten. Den Rest des Kredits kann sie weitervergeben an eine weitere Geschäftsbank oder
an einen privaten oder institutionellen Abnehmer. Tätigt beispielsweise eine Firma einen
Kauf eines Investitionsgutes mit dem von der Bank erhaltenen Kredit, so überweist sie dem
Verkäufer des Gutes den fälligen Betrag. Dieser wiederum bringt den Verkaufserlös zur Bank
und erhöht so weiter die Geldsumme. Angenommen, der Mindestreservesatz ist 10%, dann
beträgt der Geldschöpfungsmultiplikator 10. Aus der anfänglichen Million können also maximal 10 Millionen Franken werden. Basis der Geldschöpfung ist aber nach wie vor der von
der SNB zur Verfügung gestellte Betrag. Somit ist auch die gesamte neugeschaffene Geldmenge von den Aktionen der SNB abhängig (Brunetti, 2009, S. 313).
Preisniveau (P)
Das Preisniveau einer Volkswirtschaft wird definiert durch einen repräsentativen Warenkorb
von Gütern und Dienstleistungen in der jeweiligen Landeswährung. Mit dem Vergleich von
Warenkörben aus verschiedenen Ländern kann der Preisniveau-Unterschied dieser Länder
berechnet werden (Krugman/Obstfeld, 2009, S. 469). In der kurzfristigen Betrachtungsweise
des Modells wird das Preisniveau als gegeben betrachtet, da es nicht von monetären Veränderungen betroffen ist (Krugman/Obstfeld, 2009, S. 471).
Zinssatz (R)
Die Geldnachfrage ist eng mit dem Zinssatz verknüpft. Steigt der Zinssatz, sinkt die aggregierte Geldnachfrage, denn eine Zinssatzerhöhung steigert gemäss Krugman/Obstfeld die
Rendite auf weniger liquiden Vermögenswerten im Verhältnis zur Rendite auf Geld (2009,
S. 468). Der Zinssatz als Resultat der Geldmengenveränderung wird später im Modell ersichtlich.
Reales Bruttonationaleinkommen (Y)
Das reale Bruttonationaleinkommen setzt sich hauptsächlich aus den Einkommen der Produktionsfaktoren eines Landes zusammen, egal ob sich die Produktion im Inland oder im
29
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
Ausland befindet (Krugman/Obstfeld, 2009, S. 392). Dazu kommen Abschreibungen sowie
Produktions- und Importabgaben abzüglich Subventionen. Bei gegebenem Preisniveau hebt
ein gesteigertes reales Bruttonationaleinkommen die Geldnachfrage, da mehr Güter und
Dienstleistungen verkauft werden. Auch das reale Bruttonationaleinkommen wird kurzfristig
als gegeben betrachtet, da es nicht von monetären Veränderungen betroffen ist.
Das Geldmarkt-Modell
Der Geldmarkt stellt die untere Hälfte des kompletten Devisen- und Geldmarkt-Modells dar.
Wie in Abbildung 16 ersichtlich werden der Zinssatz (R) und die reale Kassenhaltung (M/P)
einander gegenübergestellt:
Zinssatz
R
2
R
1
R
3
Reales
Geldangebot
2
1
3
L (R,Y)
2
M
P
Abb. 16:
1
3
M
P
M
P
Reale
Kassenhaltung
Geldmarkt als untere Hälfte des Devisen- und Geldmarkt-Modells (Krugman/Obstfeld, 2009, S. 472,
eigene Darstellung)
In dieser Abbildung ist das reale Geldangebot durch eine senkrechte rote Linie auf der Höhe
M1/P dargestellt. Diese Linie ist senkrecht, da M1 von der Zentralbank festgelegt ist und P
hier als gegeben betrachtet wird. Das reale Geldangebot schneidet die rote Kurve der aggregierten realen Geldnachfrage (L) in Punkt 1. Somit befindet sich der Geldmarkt im
Gleichgewicht: Die aggregierte reale Geldnachfrage ist gleich dem realen Geldangebot. Daraus ergibt sich der Gleichgewichtszinssatz R1.
Weshalb sich der Zinssatz bei R1 einpendelt, zeigt das folgende Beispiel: Falls sich der Markt
ursprünglich bei Punkt 2 befindet, liegt der Zinssatz R2 über R1 und die aggregierte reale
Geldnachfrage bleibt hinter dem Angebot zurück (M2/P < M1/P). Dies entspricht einem Über30
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
angebot an Geld. Da nun die Individuen mehr Geld halten, als sie bei einem Zinssatz von R2
möchten, werden sie versuchen, ihre Liquidität zu vermindern. Dies machen sie, indem sie
einen Teil des Geldes in verzinslichen Vermögenswerten anlegen. Sie versuchen also, das
überschüssige Geld an andere zu verleihen. Bei einem herrschenden Überangebot ist das
aber schwierig. Aus diesem Grund wird ein zusätzlicher Anreiz geschaffen, indem die Zinsen
gesenkt werden. Dies erhöht den Druck auf den Zinssatz so lange, bis dieser von R2 auf R1
gefallen ist. Das Geldangebot entspricht jetzt wieder der Geldnachfrage (Krugman/Obstfeld,
2009, S. 471-472).
Genau das Umgekehrte passiert, wenn sich der Markt bei Punkt 3 befindet. Hier herrscht ein
Nachfrageüberschuss (M3/P > M1/P). Die Individuen versuchen, verzinsliche Vermögenswerte zu verkaufen, um den Geldbestand zu erhöhen. Aufgrund des Nachfrageüberschusses
bieten die Geldnachfragenden höhere Zinsen an, um an Liquidität zu kommen. Dies geschieht so lange, bis der Zinssatz von R3 auf R1 gestiegen ist (Krugman/Obstfeld, 2009,
S. 472).
Zusammenfassend kann man sagen, dass der Markt selbst immer das Gleichgewicht von
realem Geldangebot und aggregierter realer Geldnachfrage anstrebt.
Das Devisenmarkt-Modell
Der Devisenmarkt entspricht der oberen Hälfte des Devisen- und Geldmarktmodells (Krugman/Obstfeld, 2009, S. 451). In diesem Modell wird der Wechselkurs der Rendite beziehungsweise der Verzinsung von Schweizerfranken-Einlagen gegenübergestellt. In Abbildung
17 sind die Währungen Schweizerfranken und Euro eingetragen, da diese für die Arbeit relevant sind:
31
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
Wechselkurs
(ECHF/EUR)
FrankenRendite
1
1
E
2
2
E
Erwartete Rendite
auf Euroeinlagen
R
Abb. 17:
1
R
2
Rendite
in CHF
Devisenmarkt als obere Hälfte des Devisen- und Geldmarkt-Modells (Krugman/Obstfeld, 2009, S. 451,
eigene Darstellung)
Die Verzinsung von Schweizerfranken-Einlagen wird in Abbildung 17 als senkrechte rote
Linie auf der Höhe R1 beziehungsweise R2 dargestellt. Bei der Ausgangssituation liegt in
Punkt 1 der Gleichgewichts-Wechselkurs. In diesem Punkt schneidet die Linie der Rendite
auf Schweizerfranken-Einlagen die erwartete Rendite auf Euroeinlagen. Der Zusammenhang
zwischen erwarteter Rendite auf Euroeinlagen und dem Franken-Euro-Wechselkurs kann mit
einer mathematischen Formel aufgezeigt werden, auf die hier nicht genauer eingegangen
wird. Wichtig zu wissen ist, dass eine Aufwertung des Schweizerfrankens die erwartete Rendite auf Euroeinlagen steigert. Umgekehrt senkt eine Abwertung des Schweizerfrankens die
erwartete Rendite auf Euroeinlagen (Krugman/Obstfeld, 2009, S. 448). Somit ergibt sich die
in der Abbildung 17 schwarz eingezeichnete Kurve.
Steigt nun die Verzinsung von Franken-Einlagen von R1 auf R2, folgt das WechselkursGleichgewicht der schwarzen Kurve nach unten und liegt neu im Punkt 2. Dies bewegt
gleichzeitig den Wechselkurs von E1 auf E2. Somit führt also ein Anstieg der Verzinsung von
Franken-Einlagen zu einer Aufwertung des Schweizerfrankens gegenüber dem Euro (Krugman/Obstfeld, 2009, S. 451).
Wiederum genau das Umgekehrte passiert, wenn die Verzinsung der Franken-Einlagen
sinkt. In diesem Fall bedeutet dies eine Abwertung des Schweizerfrankens gegenüber dem
Euro.
32
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
Das Devisen- und Geldmarktmodell
Fügt man nun das Devisenmarktmodell und das Geldmarktmarktmodell zusammen, erhält
man das Devisen- und Geldmarktmodell nach Krugman/Obstfeld (2009, S. 478). Zu diesem
Zweck wurde die untere Hälfte des Modells, der Geldmarkt, um 90 Grad im Uhrzeigersinn
gedreht. So entspricht der Zinssatz R neu der Rendite in Schweizerfranken aus dem Devisenmarkt. Abbildung 18 zeigt das komplette Devisen- und Geldmarktmodell:
Wechselkurs
(ECHF/EUR)
FrankenRendite
2'
2
E
1'
1
E
Erwartete Rendite auf Euroeinlagen
0
R
2
R
1
Rendite in CHF
L (R,Y)
1
M
P
1
Erhöhung der realen Geldmenge
in der Schweiz
2
M
P
2
Reale
Kassenhaltung
Abb. 18:
Devisen- und Geldmarktmodell nach Krugman/Obstfeld (2009, S. 478, eigene Darstellung)
Wie in der Abbildung 18 ersichtlich, zeigt sich der Devisenmarkt nun abhängig vom Geldmarkt. Eine Veränderung der realen Geldmenge im Inland wirkt sich auf die Verzinsung auf
Einlagen in Inlandwährung aus, was wiederum einen Effekt auf den Wert der Inlandwährung
im Vergleich zur Auslandwährung hat.
33
Bachelorarbeit
6.3
Stefan Reinli
Anwendung auf die Schweiz und deren Wechselkursziel
Anhand des Modells in Abbildung 18 kann nun aufgezeigt werden, wie die Schweizerische
Nationalbank den Wechselkurs beeinflussen kann. Ihr Ziel ist es, keinen Wechselkurs unter
CHF 1,20 zuzulassen. Somit muss sie bei jeder Aufwertung des Schweizerfrankens durch
den Markt die eigene Währung wieder schwächen. Dies geschieht in erster Linie durch die
Erhöhung der realen Geldmenge in der Schweiz, welche wiederum durch die Devisenmarktinterventionen wie in Kapitel 4.4 beschrieben zustande kommt. In Abbildung 18 ist das dargestellt durch die Verschiebung der horizontalen roten Linie von M1/P nach M2/P. Die Instrumente zur Erhöhung der realen Geldmenge wurden weiter oben bereits beschrieben. Durch
das höhere Geldangebot an Schweizerfranken folgt das Geldmarktgleichgewicht der Kurve
der aggregierten realen Geldnachfrage und verschiebt sich so von Punkt 1 zu Punkt 2. Mit
dem neu geschaffenen Überangebot an Schweizerfranken wird der Zinssatz von R1 auf R2
gesenkt. Da dieser Zinssatz nun der Verzinsung von Schweizerfranken-Einlagen entspricht,
verschiebt sich die vertikale rote Linie der Franken-Rendite im Devisenmarkt ebenfalls von
R1 nach R2. Diese Verschiebung bewirkt wiederum, dass das Wechselkurs-Gleichgewicht
von Punkt 1' der Kurve der erwarteten Rendite auf Euroeinlagen folgt und neu bei Punkt 2'
landet. Als letzte Auswirkung der Geldmengenerhöhung wertet sich der Schweizerfranken
gegenüber dem Euro von E1 auf E2 ab, der Kurs CHF/EUR steigt (Krugman/Obstfeld, 2009,
S. 479).
Mittels dieses Mechanismus kann die SNB also den Wechselkurs steuern und so Kurse von
unter CHF 1,20 verhindern. Wie teuer diese Massnahme für die SNB ausfällt, ist davon abhängig, wie stark die Märkte auf einen Kurs von unter CHF 1,20 tendieren und wie sehr die
SNB das Geldangebot erhöhen muss.
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass eine Erhöhung der nationalen Geldmenge zu einer
Abwertung des Schweizerfrankens im Devisenmarkt führt. Eine Reduzierung der nationalen
Geldmenge würde umgekehrt zu einer Aufwertung des Schweizerfrankens führen. Dies gilt
wie bereits zu Beginn der Modellerklärung erwähnt in der kurzen Frist und unter Annahme
gewisser gegebener Parameter.
Langfristige Auswirkungen der Geldmengenerhöhung
Preisniveau (P)
Der Geldmarkt bewegt sich wie weiter oben bereits beschrieben immer in Richtung Gleichgewicht. Gemäss Krugman/Obstfeld (2009, S. 481) gilt dies auch in der langen Frist, selbst
wenn das reale Bruttonationaleinkommen nicht mehr als gegeben betrachtet wird.
34
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
Um zu zeigen, welche Auswirkungen die Geldmengenerhöhung auf das Preisniveau hat,
muss die Formel des Geldmarktgleichgewichtes umformuliert werden. Die neue Formel zeigt
die Abhängigkeit des Preisniveaus von der Geldmengenerhöhung:
P = MS / L (R,Y)
Gemäss dieser Formel führt eine Erhöhung der Geldmenge eines Landes zu einem Anstieg
des Preisniveaus (Krugman/Obstfeld, 2009, S. 481).
Im Prinzip müssten nun die langfristigen Auswirkungen der Geldmengenerhöhung auf den
Zinssatz und das reale Bruttonationaleinkommen untersucht werden, um die langfristige
Veränderung des Preisniveaus bestimmen zu können. Krugman/Obstfeld vertreten aber den
Standpunkt, dass eine Veränderung der Geldmenge langfristig keine Auswirkung hat auf die
Zinssätze oder das reale Bruttonationaleinkommen (2009, S. 482). Sie erklären dies anhand
der Währungsreform in der Türkei Anfangs 2005. Die türkische Regierung hat beschlossen,
alle Lirapreise auf einen Millionstel des alten Lirawertes zu reduzieren. Einfach gesagt hat
man auf der 1-Million-Lira-Note sechs Nullen gestrichen. Dieser Eingriff der türkischen Regierung hatte keinerlei Auswirkungen auf die reale Produktion, den Zinssatz oder die relativen Güterpreise. Zudem ist zu beachten, dass das Produktionsniveau, welches schlussendlich das Bruttonationaleinkommen bestimmt, durch die Ausstattung der Volkswirtschaft mit
Arbeit und Kapital bestimmt wird und somit nicht von der Geldmenge abhängig ist.
Somit ist nochmals festzuhalten, dass einer Erhöhung der Geldmenge einer Volkswirtschaft
in der kurzen und langen Frist ein proportionaler Anstieg des Preisniveaus folgt (Krugman/Obstfeld, 2009, S. 483).
Bruttonationaleinkommen (Y)
Mit einem gesteigerten Preisniveau erhöht sich auch das Bruttonationaleinkommen, denn es
setzt sich unter anderem aus den Einkommen der Produktionsfaktoren zusammen. Diese
Einkommen sind beeinflusst durch die Höhe der Güter- und Dienstleistungspreise, welche
ihrerseits durch ein erhöhtes Preisniveau steigen.
Wechselkurs (E)
Der Wechselkurs verhält sich in der langen Frist ähnlich wie das oben beschriebene Preisniveau. Durch die Erhöhung der Geldmenge steigen gemäss Krugman/Obstfeld (2009, S. 485)
auch langfristig die Preise der Auslandwährungen, was einer Abwertung entspricht. Bei einer
35
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
Senkung der Geldmenge würden die Preise der Auslandwährungen langfristig sinken, die
inländische Währung würde somit aufgewertet.
Inflation/Deflation
Um die Begriffe Inflation und Deflation genau einordnen zu können, werden diese in den
folgenden Abschnitten kurz erklärt.
Eine Inflation liegt vor, wenn das Preisniveau über eine längere Zeit einen Wachstumstrend
aufweist, ausgelöst durch eine laufende Geldentwertung (Brunetti, 2009, S. 276). Diese
Geldentwertung kennt zwei Ursachen: Eine starke Ausweitung der Nachfrage oder ein starker Rückgang des Angebots. Die Schweizerische Nationalbank verfolgt in erster Linie die
Preisstabilität und gibt sich deshalb eine Inflation von 0-2% als Ziel (SNB, 2011, S. 6).
Das Gegenteil der Inflation ist die Deflation, auch negative Inflation genannt. Hierbei handelt
es sich um einen konstanten Preisrückgang über eine längere Zeit. Gemäss Brunetti (2009,
S. 297) können ein Nachfragerückgang oder ein Angebotserhöhung für eine Deflation verantwortlich sein, wobei nur ersteres schädlich ist. Dann nämlich wird bei jedem Preisniveau
weniger nachgefragt und das reale BIP reduziert sich (Brunetti, 2009, S. 299).
Eine Deflation wird als viel problematischer eingestuft als eine Inflation. Die Inflation kann mit
einer restriktiven Geldpolitik bekämpft werden. Die Deflation lässt sich mit Hilfe der konventionellen Geldpolitik kaum mehr aus der Welt schaffen. Problematisch ist zudem, dass die
Deflation eine selbstverstärkende Wirkung hat: Sinkende Preise lassen die Konsumenten
abwarten, was sich negativ auf die Nachfrage auswirkt und somit wiederum die Preise sinken lässt (Brunetti, 2009, S. 299).
Um nun die längerfristigen Auswirkungen der Geldmengenerhöhung gemäss Abbildung 18
auf die Inflation/Deflation abschätzen zu können, muss davon ausgegangen werden, dass
die erhöhte Geldmenge nicht gleich wieder abgebaut wird. Zudem wird angenommen, dass
es sich nicht um eine einmalige Geldmengenerhöhung handelt, sondern wie das aktuelle
Beispiel der SNB zeigt um eine regelmässige Geldmengenausdehnung aufgrund immer wiederkehrenden Drucks auf das Wechselkursziel von CHF 1,20. Dieses anhaltende Geldmengenwachstum führt zu einem ständigen Anstieg des Preisniveaus, was schlussendlich einer
laufenden Inflation gleichkommt (Krugman/Obstfeld, 2009, S. 509).
Unternehmen und Arbeitnehmende könnten nun auf die Idee kommen, dies auszunützen.
Die Firmen heben die Preise regelmässig entsprechend dem Preisniveauanstieg an, Arbeitnehmende verlangen ebenfalls im Verhältnis zum Preisniveauanstieg mehr Lohn. In der
Theorie geht man davon aus, dass die Preis– beziehungsweise Lohnerhöhungen um den
gleichen Faktor steigen wie die Geldmenge. Diese Entwicklung hat gemäss Krug36
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
man/Obstfeld aber keinen Einfluss auf die relativen Preise von Gütern und Dienstleistungen
(2009, S. 510).
Den Einfluss der Inflation auf die Zinssätze beschreibt der Fisher-Effekt (Krugman/Obstfeld,
2009, S. 511). Dieser besagt, dass ein Anstieg der erwarteten Inflationsrate den Zinssatz auf
Einlagen in der Inland-Währung langfristig im gleichen Verhältnis wachsen lässt. Umgekehrt
resultiert aus einem Rückgang der erwarteten Inflationsrate langfristig eine Senkung der Zinsen. Der Fisher-Effekt zeigt also auf, dass rein monetäre Entwicklungen in langer Frist keinen Einfluss auf die relativen Preise der Volkswirtschaft haben. Diese Entwicklung ist auch
im Devisen- und Geldmarktmodell (Abb. 18) zu beobachten. Steigt im Anschluss an die
Geldmengenerhöhung von M1/P auf M2/P das Preisniveau P im Punkt M2/P, findet also eine
Inflation statt, so nähert sich das Geldmarkt-Gleichgewicht entlang der Kurve der aggregierten realen Geldnachfrage wieder dem ursprünglichen Gleichgewicht in Punkt 1 und lässt
somit die Zinsen von R2 in Richtung R1 steigen. Dass hier ein Paradoxon vorliegt ist offensichtlich, denn die steigenden Zinsen bedeuten gemäss dem Devisen- und Geldmarktmodell
eine Aufwertung des Schweizerfrankens. Fisher9 erklärt das indem er sagt, dass sich in der
langfristigen Betrachtung nur dann die Differenz zwischen inländischen und ausländischen
Zinssätzen vergrössert (was laut Fischer gleichbedeutend mit einer Abwertung der inländischen Währung ist), wenn die erwartete Inlandsinflation im Verhältnis zur erwarteten Auslandsinflation steigt.
Zusammengefasst lässt sich folgendes sagen: Geht man davon aus, dass der Geldmengenausdehnung eine Inflation folgen wird, so bedeutet dies längerfristig steigende Zinsen. Damit
dieser Zinssteigerung aber keine Aufwertung des Schweizerfrankens folgen wird, muss die
inländische Inflation gegenüber der ausländischen Inflation steigen. Daraus lassen sich nun
zwei Szenarien ableiten:
Szenario 1 Die Inflation in der Schweiz steigt zwar, aber nicht im Vergleich mit der Inflation
im Euro-Raum. Dies ist gemäss Fisher gleichbedeutend mit einer Aufwertung
des Schweizerfrankens. Die Wirkung der Geldmengenausdehnung der SNB
würde also längerfristig verpuffen.
Szenario 2 Die Inflation in der Schweiz steigt sowohl absolut als auch im Vergleich mit der
Inflation im Euro-Raum. Somit wertet sich der Schweizerfranken auch längerfristig ab, ganz im Sinne der SNB.
So oder so ist gemäss Modell aufgrund der Geldmengenerhöhung mit einer Inflation zu
rechnen. Kommt es zu dieser erwarteten Inflation, wird die Schweiz mit verschiedenen Kos-
9
Irving Fisher, amerikanischer Ökonom anfangs des 20. Jahrhunderts, Begründer des Fisher-Effekts (Krugman/Obstfeld, 2009, S. 511).
37
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
ten konfrontiert. Die Kosten der Inflation werden in fünf Kategorien unterteilt (Brunetti, 2009,
S. 287):
1.
Transaktionskosten,
2.
Kosten der Unsicherheit,
3.
Kosten aufgrund der Verzerrung der relativen Preise,
4.
Kosten für die Kreditgeber und
5.
Kosten aufgrund der kalten Progression der Steuern.
Die Transaktionskosten werden auch „Schuhsolen-Kosten“ genannt (Mankiw/Taylor, 2008,
S. 749). Die Leute gehen häufiger zur Bank, da sie aufgrund der Inflation ihre Kassenhaltung
verringern. Selbstverständlich beschränken sich die Kosten nicht auf die abgenutzten
Schuhsohlen. Es geht vielmehr um die Zeit und die Annehmlichkeiten, die für diesen Aufwand geopfert werden. Zu den Transaktionskosten gehören auch die „Speisekarten-Kosten“.
Diese besagen, dass bei ständig steigenden Preisen Restaurants und auch alle anderen
Anbieter von Gütern oder Dienstleistungen ihre Preislisten anpassen müssen. Dies verursacht ständige Zusatzkosten (Mankiw/Taylor, 2008, S. 751).
Die Transaktionskosten sind im Vergleich zu den Kosten der Unsicherheit aber eher unbedeutend. Da Inflationsraten selten konstant sind, müssen Kreditgeber in zweifacher Hinsicht
höhere Zinsen verlangen. Zum einen aufgrund der herrschenden Inflation und zum anderen
aufgrund der Unsicherheit über die tatsächliche Höhe der Inflation (Brunetti, 2009, S. 288).
Die Kosten aufgrund der Verzerrung der relativen Preise entstehen durch unterschiedlich
schnelle Preisanpassungen. Flexible Güter wie Erdöl oder Zucker werden ständig gehandelt,
so dass sich die Preise auch laufend verändern. Bei anderen Preisen, zum Beispiel von in
Katalogen abgedruckten Gütern oder auch von Löhnen, kann es deutlich länger dauern, bis
sie angepasst werden. Güter, deren Preise nun sehr schnell angepasst werden, werden
durch das Preissignal als zu knapp bewertet, was deren Produktion steigert ohne den Konsum zu erhöhen. Diese Ineffizienz ist ein nur schwer erkennbarer Kostenfaktor der Inflation
(Brunetti, 2009, S. 289).
Die Kreditgeber werden durch die Inflation ebenfalls geschädigt (Brunetti, 2009, S. 289). Die
einzelnen Zinszahlungen werden jeweils um die Inflation reduziert und verlieren so an Wert.
Auch der Kreditbetrag selber hat bei der Rückzahlung nach einer inflationären Periode weniger Wert als bei der Vergabe.
Die kalte Progression der Steuern bezeichnet das Aufrücken in eine höhere Steuerklasse
aufgrund eines nur nominell höheren Einkommens (Brunetti, 2009, S. 289). Erhalten Arbeitnehmende eine Lohnerhöhung und kommen deshalb in eine höhere Steuerklasse, so haben
sie bei einer progressiven Einkommenssteuer einen höheren Steuersatz zu bezahlen. Falls
aber die Lohnerhöhung geringer ausfällt als die Inflation, so reduziert sich sogar der reale
Lohn bei höheren Steuerausgaben.
38
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
Welche dieser Kosten schlussendlich für die Schweiz anfallen, und vor allem wie hoch diese
Kosten ausfallen werden, hängt von der Höhe der Inflation ab, und die ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht abzuschätzen.
Wie weiter oben bereits erwähnt gelten diese Auswirkungen für eine längerfristige Geldmengenerhöhung sowie für ein stetiges Wachstum der Geldmenge, wie es bei der SNB aufgrund
des Wechselkursziels momentan anzunehmen ist. Man muss aber davon ausgehen, dass
die Geldmenge früher oder später – je nach konjunktureller und politischer Entwicklung im
In- und Ausland – wieder reduziert wird, die SNB also ihre Bilanz wieder zu kürzen versucht.
Welche Auswirkungen die Schweiz treffen und in welchem Ausmass die oben genannten
Folgen ausfallen werden, hängt vom Zeitpunkt der Geldmengenreduzierung, der bis dahin
angehäuften Geldmenge und der Rückzugsstrategie der SNB ab. Auch dies ist zum jetzigen
Zeitpunkt kaum abschätzbar.
6.4
Auswirkung der Kommunikation der Schweizerischen Nationalbank
Nebst der ganzen Theorieaufarbeitung über die Auswirkungen der geldpolitischen Massnahmen der SNB darf das Instrument der Kommunikation nicht ausser Acht gelassen werden. Brunetti (2009, S. 322) sieht in der Kommunikation einer Zentralbank eine konkrete
Umsetzungsmöglichkeit eines Wechselkursziels. Indem sie ihre geldpolitischen Absichten
ankündigt, wissen die Marktteilnehmer, dass die Zentralbank die Geldmenge in der Regel mit
Offenmarktpositionen so ausdehnen oder verknappen wird, dass der Wechselkurs oberhalb
oder unterhalb des Kursziels bleibt.
Mit ihrem Statement am 6. September 2011 hat die SNB den Marktteilnehmern mitgeteilt,
dass sie keinen Kurs unter CHF 1,20 dulden und diese Grenze mit allen Mitteln verteidigen
wird. Wie stark alleine diese Mitteilung isoliert von effektiven geldpolitischen Massnahmen
gewirkt hat, lässt sich nicht messen. Man kann die Wirkung aber abschätzen anhand der
überraschend geringen Kosten, die das Wechselkursziel der SNB bis anhin verursacht hat.
Diese Kosten sind unter anderem deshalb so tief, weil die Nationalbank mit eher geringem
Mitteleinsatz viel bewirken kann (Krugman/Obstfeld, 2009, S. 429). Das ist auf die Tatsache
zurückzuführen, dass die Marktteilnehmer das Verhalten der SNB sehr genau beobachten.
Aus diesem Verhalten können sie Rückschlüsse ziehen auf die zukünftige makroökonomische Politik, welche sich wiederum auf den Wechselkurs auswirken kann.
Die Konjunkturforschungsstelle (KOF) der eidgenössischen technischen Hochschule Zürich
(ETH) gibt monatlich einen Monetary Policy Communicator heraus, in dem sie die Kommunikation der EZB quantitativ misst (KOF, online). Anhand der Statements der EZB in Bezug auf
Risiken für die Preisstabilität erstellt die KOF einen Index und versucht, Änderungen der
Hauptrefinanzierungssätze mit einem Vorlauf von zwei bis drei Monaten zu antizipieren. Ein
ähnliches Messinstrument für die Kommunikation der SNB ist nicht bekannt.
39
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
III Interviews, Auswertung und Schlussfolgerung
7
Die Interviews
In diesem Kapitel werden als Ergänzung zur Analyse der Ereignisse rund um 1978 und der
Theorie verschiedene Meinungen von Experten aufgezeigt. Zu diesem Zweck wurden Interviews mit insgesamt sechs Personen durchgeführt, die in ihrer aktuellen oder ehemaligen
beruflichen Tätigkeit direkt oder indirekt mit dem Wechselkursziel der SNB oder dessen
Auswirkungen konfrontiert sind. Die vollständigen Transkriptionen und Gedächtnisprotokolle
sind im Anhang dieser Arbeit zu finden. Es wurden ausschliesslich leitfadengestützte Experteninterviews durchgeführt. Der Leitfaden befindet sich ebenfalls im Anhang.
7.1
Die Experten
Um den nachfolgenden Aussagen und Meinungen ein Gewicht zu geben, werden die sechs
Interviewpartner und deren Tätigkeiten kurz vorgestellt. Zwei der Interviewpartner möchten
anonym bleiben.
Christian Honegger arbeitet im Group Treasury im Bereich Structural FX der UBS AG. Zu
den Hauptaufgaben dieser Abteilung zählt die Absicherung der in Fremdwährung erzielten
Gewinne und Verluste der Bank. Die Abteilung wird zudem bei Investitionen in fremden Ländern oder in fremde Gesellschaften involviert, sofern ein Wechselkurs gebraucht wird. Auch
das Eigenkapital der UBS, welches teilweise in Fremdwährungen ist, wird durch diese Abteilung angelegt.
Mathias Zurlinden ist bei der Schweizerischen Nationalbank angestellt in der Gruppe „geldpolitische Analysen“, welche dem Bereich Volkswirtschaft angeschlossen ist. Diese Gruppe
analysiert die monetären Indikatoren Zinssätze, Wechselkurse, Inflationserwartungen sowie
Geld- und Kreditaggregate. Diese Analysen leisten einen Beitrag zu den Entscheidungsgrundlagen des Direktoriums der SNB. Nebenbei arbeitet Herr Zurlinden an diversen Projekten und Dokumentationen.
40
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
Ein weiterer Interviewpartner ist ehemaliger Leiter des Risk Management Group Treasury
der UBS. Er war zum einen verantwortlich für die Zinsrisiken, welche sich aus der Bewirtschaftung der Bankbilanz weltweit und in allen Währungen ergeben. Zum anderen war er
verantwortlich für die Bewirtschaftung von Fremdwährungsrisiken, die sich aus den Aktivitäten der Bank ergeben.
Werner Vontobel ist Wirtschaftsjournalist, unter anderem beim „Blick“, bei der Gewerkschaftszeitung „Work“, der „Tageswoche“ in Basel und dem „Freitag“ in Berlin.
Der Leiter Finanzen einer Regionalbank hat sich ebenfalls für ein Interview zur Verfügung
gestellt. Er leitet das finanzielle Rechnungswesen inklusive dem regulatorischen Reporting,
das Controlling, die Tresorerie und das Risikomanagement.
Ralph Peter ist Berater der Tresorerie in der Zuger Kantonalbank. Seine Aufgaben umfassen unter anderem den Devisenhandel mit FX-, Termin- und Optionsgeschäften. Zudem ist
er in sämtlichen Aufgabengebieten rund um die Tresorerie tätig.
Wichtig ist hervorzuheben, dass sämtliche Interviewpartner ihre persönliche Meinung Preis
gaben, welche sich nicht unbedingt mit der ihres aktuellen oder ehemaligen Arbeitgebers
deckt.
7.2
Aussagen und Meinungen der Experten
Auf den folgenden Seiten werden zu den einzelnen Fragen des Interviews die Antworten der
Experten zusammengezogen. Im Anschluss an jedes Unterkapitel werden die wichtigsten
Aussagen nochmals zusammengefasst.
Der Vergleich zu 1978
Nicht alle Experten konnten sich fundiert zu den Ereignissen rund um das Wechselkursziel
von 1978 äussern. Einige Parallelen zu heute konnten die Interviewpartner allerdings finden.
Herr Zurlinden sieht die Parallele vor allem in der massiven Überbewertung des Schweizerfrankens. Der ehemalige Leiter des Risk Management der UBS verweist auf die negativen
41
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
Zinsen, die man eine Zeit lang am Geldmarkt beobachten konnte. Dies war bereits Ende der
1970er-Jahre der Fall. Die meisten Gesprächspartner betonen aber, dass die aktuelle Situation mit der von 1978 zu wenig vergleichbar ist, um irgendwelche Lehren für heute ziehen zu
können. Der Hauptunterschied besteht darin, dass 1978 der Franken nur gerade an die DMark gekoppelt wurde. Heute besteht eine Anbindung an einen ganzen Korb von Ländern.
Diese Länder seien viel heterogener als es damals Deutschland war, betont der ehemalige
UBS-Mitarbeiter. Er sagt weiter, dass die Deutsche Bundesbank damals ebenfalls eine
glaubwürdige Inflationsbekämpfungspolitik betrieb, dies sei heute bei der EZB nicht mehr so
sicher. Auf die damals resultierende Inflation angesprochen meint Herr Zurlinden, dass dies
von vielen Ökonomen nicht auf den Mindestkurs, sondern auf die bereits vor der Einführung
des Wechselkursziels stark erhöhte Geldmenge begründet wird. Er gibt zu, dass die SNB
sich damals getäuscht hätte und die Liquidität zwar ziemlich bald, aber viel zu wenig stark
zurückgefahren hat. Der Wirtschaftsjournalist Werner Vontobel sieht heute eine ganz andere
realwirtschaftliche Situation. Man hatte damals starke Gewerkschaften, was zu einer LohnPreis-Spirale führte, welche wiederum die Inflation antrieb. Diese Spirale existiert zwar immer noch, aber ohne steigende Löhne führt sie nicht zu Inflation. Auch der Leiter Finanzen
der Regionalbank verweist auf die damalige Lohn-Preis-Spirale und meint, dass diese heute
aufgrund stagnierender Löhne und sinkender Güterpreise nicht zu einer Inflation führen
kann.
Die Experten, welche sich zu den Ereignissen Ende der 1970er- und Anfang der 1980erJahre äusserten, sind sich zusammengefasst einig, dass zu wenige Parallelen zur heutigen
Situation bestehen, um irgendwelche Lehren ziehen zu können.
Das Verhalten der SNB
Bei der Frage, wie die einzelnen Experten das Verhalten der Schweizerischen Nationalbank
in den letzten Jahren beurteilen, gehen die Meinungen nicht sehr weit auseinander. Trotzdem ist man sich nicht in jedem Punkt einig.
Herr Honegger kritisiert vor allem das erste Eingreifen der SNB bei einem Franken-Kurs von
rund CHF 1,50 gegenüber dem Euro. Diese Aufwände waren zu dem Zeitpunkt unnötig, da
die Aussichten nicht besonders gut waren. Seiner Meinung nach hätte die Nationalbank mit
mehr Preisdruck auf dem Euro beziehungsweise mehr „Save Haven Flows“, also einer steigenden Beliebtheit des Frankens rechnen müssen. Die Massnahme des Wechselkursziels
bilanziert Herr Honegger aber als sehr positiv. Sogar besser, als er erwartet hat. Den Erfolg
42
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
des Wechselkursziels führt er auf die einwandfreie Kommunikation der SNB und die daraus
resultierende Glaubwürdigkeit zurück. Nur dank dieser Kredibilität am Markt konnte sich die
SNB durchsetzen und wurde das Kursziel bis anhin nie richtig getestet. Trotz der lobenden
Worte zum Erfolg des Wechselkursziels ist sich Herr Honegger nicht sicher, ob dieser Eingriff in den freien Markt wirklich das Richtige war. Seiner Meinung nach sollten die Devisenmärkte freie Märkte bleiben, er selber hätte deshalb diesen Eingriff nicht gewagt.
Herr Zurlinden betrachtet den aktuellen Zeitpunkt für eine Beurteilung des Verhaltens seines
Arbeitgebers als etwas zu früh. Er fügt hinzu, dass sich die SNB in einer ausserordentlich
schwierigen Situation befindet, und deshalb teilweise unkonventionelle Massnahmen treffen
muss.
In den Augen des ehemaligen UBS-Mitarbeiters hat die Nationalbank eine sehr gute Politik
gemacht. Er verweist vor allem auf die aktive und glaubwürdige Kommunikation, welche das
Wechselkursziel erst möglich macht. Auch auf der Zinsseite, so betont er, hat die SNB alles
richtig gemacht.
Der Wirtschaftsjournalist Werner Vontobel betrachtet den Zeitpunkt des Eingreifens seitens
der Nationalbank als zu spät und bringt einen nationalen Fonds zur Sprache, welcher vor
dem Wechselkursziel eventuell ein geeignetes Instrument zur Schwächung des Frankens
gewesen wäre. Bei ihm hat die SNB sonst aber einen sehr guten Eindruck hinterlassen, besonders aufgrund der sachlichen und guten Kommunikation. Zur Kommunikation ist ein konsequentes Handeln notwendig. Das hat die Nationalbank auch gemacht, konstatiert Herr
Vontobel.
Herr Peter von der Zuger Kantonalbank sieht das Mindestkursziel als einen guten Schritt und
ist überzeugt, dass die Einführung des Kursziels mit dem Informationsstand, den man letzten
Herbst hatte, die richtige Entscheidung war.
Der Leiter der Finanzabteilung einer Regionalbank sagt über sich selbst, dass er nicht besonders risikofreudig ist und deshalb den Schritt der Nationalbank hin zum Wechselkursziel
eher kritisch betrachtet. Trotzdem muss er hinzufügen, dass nichts zu machen an dieser
Stelle keine Option gewesen wäre. Auch er ist überzeugt, dass man mit dem Informationsstand, den man hatte, die beste Entscheidung traf. Die Kopplung des Frankens an den Euro
„auf Gedeih und Verderb“ ist eine riskante Verzweiflungstat und ein Experiment, dessen
Auswirkungen man nicht kennt. Der taktische Erfolg ist offensichtlich. Ob es längerfristig in
strategischer Hinsicht der richtige Weg ist, kann er nicht abschätzen. Den kurzfristigen Erfolg
sieht er vor allem in der Stützung der Exportindustrie und der gesamten Konjunktur. Der Leiter Finanzen betont, dass das Kursziel bis anhin mit überraschend bescheidenem Mitteleinsatz verteidigt werden konnte und gibt zu, dass er zu Beginn des Mindestkurses mit einer
massiveren Flut von Euro in die Schweiz rechnete. Zudem verweist auch er auf die professionelle Kommunikation der SNB und spürt, dass hinter der Kommunikation Substanz ist.
43
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
Fasst man diese Aussagen zum Verhalten der Schweizerischen Nationalbank zusammen,
stellt man fest, dass nicht alle restlos überzeugt sind vom Eingriff in Form eines Wechselkursziels. Der Erfolg gibt der SNB aber recht. Zudem betonen fast alle Experten, wie wichtig
die Kommunikation ist und wie gut die Nationalbank diese Aufgabe bis anhin gemeistert hat.
Die Kommunikation als Instrument nutzen
Nachdem fast alle Interviewpartner die Kommunikation der SNB und deren Glaubwürdigkeit
betonten, ist es nun interessant zu erfahren, ob die Nationalbank ausschliesslich mittels
Kommunikation den Wechselkurs steuern könnte. Nachfolgend sind einige Aussagen dazu
aufgeführt.
Herr Zurlinden von der SNB sagt dazu, dass die blosse Ankündigung eines Mindestkurses
aufgrund der Glaubwürdigkeit der Nationalbank sofort Wirkung zeigt. Denn die Märkte wissen, dass die SNB mit unlimitierten Devisenkäufen den Mindestkurs verteidigen kann. Wenn
die Märkte aber daran zweifeln, dass eine Zentralbank ihre Drohungen wahrmacht, werden
sie eine spekulative Attacke lancieren. Eine allein auf Worte abgestellte Politik ist deshalb
auf Dauer kaum möglich.
Der ehemalige Leiter des UBS-Risk Managements meint, dass im Devisen- und Interbankenhandel sehr viel über Psychologie und Erwartungen läuft. Deshalb ist die Kommunikation
auch ein derart starkes Instrument der SNB. Allerdings betrachtet er die Möglichkeiten dieses Instruments momentan als ausgeschöpft, weshalb eine Kursveränderung alleine mittels
Kommunikation zurzeit nicht in Frage kommt.
Auch Herr Honegger glaubt nicht, dass in Zukunft die Kommunikation stärker eingesetzt wird
und dadurch die effektiven Interventionen an Bedeutung verlieren.
Eine andere Meinung vertritt der Finanzleiter der Regionalbank. Er glaubt durchaus, dass
eine Erhöhung des Kursziels von CHF 1,20 auf beispielsweise CHF 1,25 nur durch gezielte
Kommunikation möglich wäre. Allerdings sei das momentan in den Hintergrund gerückt aufgrund der verschärften Situation im Euro-Raum und den Wirren um die Leitung der Nationalbank.
Die Meinungen gehen hier klar auseinander. Falls eine derartige Beeinflussung des Kursziels möglich wäre beziehungsweise möglich gewesen wäre, dann wohl am ehesten zu Beginn des Wechselkursziels.
44
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
Auswirkungen des Wechselkursziels auf die privaten Haushalte
Um die Folgen des Wechselkursziels abschätzen zu können, wurde den Experten die Frage
gestellt, welche Auswirkungen auf die verschiedenen Wirtschaftssubjekte private Haushalte,
Banken, Unternehmen, SNB und den Staat bereits jetzt erkennbar sind. Zuerst folgen die
Antworten zu den privaten Haushalten.
Herr Peter sieht dank den günstigen Wechselkursen natürlich günstige Auslandeinkäufe sowie Ferien im Ausland. Dieser Vorteil ist nach dem Kursziel zwar kleiner, aber immer noch
vorhanden. Da der Schweizerfranken nicht direkt zum Euro, sondern via Dollar an den Euro
gekoppelt ist, nimmt das Kursziel den privaten Haushalten die Opportunität bei DollarProdukten wie zum Beispiel Öl. Zudem wäre ohne den Mindestkurs die Deflation in der
Schweiz wesentlich grösser. Darunter würde der Arbeitsmarkt und somit unter anderem die
privaten Haushalte leiden. Er erwähnt zudem die Gewinnverteilung der SNB an die Kantone.
Falls diese Gewinne kleiner ausfallen, sind die Kantone zum Sparen gezwungen. Gleichzeitig würden sie wohl die Steuern erhöhen, was wiederum die privaten Haushalte trifft.
Der ehemalige UBS-Mitarbeiter sieht vor allem eine Abwanderung des Konsums ins Ausland.
Für Herrn Zurlinden von der SNB wären heute ohne Wechselkursziel die Arbeitslosigkeit viel
höher und die Einkommens- und Beschäftigungsaussichten schlechter. Anhand von Umfragen sei zu erkennen, dass die Stimmung in den privaten Haushalten besser geworden ist. Er
sagt weiter, dass der Mindestkurs keinen direkten Einfluss auf das Zinsniveau hat und somit
die Mieten unverändert sind.
Herr Vontobel bemerkt ebenfalls, dass sich das Kursziel positiv auf die Arbeitsplatzsicherung
auswirkt. Somit sei vor allem die Einnahmenseite der privaten Haushalte positiv betroffen,
die Einbussen auf der Ausgabenseite fallen demgegenüber nicht stark ins Gewicht.
Herr Honegger von der UBS sieht im Gegensatz zu Herrn Zurlinden die tiefen Zinsen in direktem Zusammenhang mit dem Wechselkursziel. Durch dieses Zinsumfeld können sich die
Leute günstig finanzieren, insbesondere bei Hypotheken.
Zusammengefasst profitieren die privaten Haushalte trotz des Wechselkursziels nach wie vor
von günstigen Auslandeinkäufen. Mehrmals erwähnt wurde der Arbeitsmarkt, wobei ohne
Kursziel mit deutlich ungünstigeren Beschäftigungsaussichten zu rechnen wäre.
Zu all diesen Aussagen wurde von den meisten Experten noch das ganze Rentensystem
angesprochen, welches zurzeit sehr schwierig zu finanzieren ist. Diese Thematik wird zusammen mit dem Leitzinsniveau weiter unten erfasst.
45
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
Auswirkungen des Wechselkursziels auf die Banken
Es stellt sich die Frage, welche Folgen das Kursziel für die Banken hat. Die nachfolgenden
Statements sollen einen Überblick geben.
Fast einstimmig erwähnen die befragten Interviewpartner, dass aufgrund der tiefen Zinsen
eine Margenerosion zu sehen ist. Dies bewegt die Banken zu mehr Fristentransformationsund Zinstransformationsrisiken, was gemäss dem ehemaligen Leiter des UBS-Risk Managements bereits seit 2010 zu beobachten ist. Er meint, für die Banken stelle sich generell die
Frage, wie die kurzfristigen Kundengelder noch gewinnbringend bewirtschaftet werden können. Da zudem die Wechselkurse mit dem Kursziel abschätzbar sind, haben die Unternehmer weniger den Drang, ihre Geschäfte abzusichern. Somit fällt ein Teil der Umsätze der
Banken weg, wie Herr Peter das erklärt. Herr Zurlinden geht etwas weiter und meint, dass
ohne das Kursziel die Zahl der Kreditausfälle gestiegen wäre. Die Verhinderung dieses Effekts ist eine positive Auswirkung des Kursziels.
Für den Leiter Finanzen der Regionalbank haben sich zwei Probleme akzentuiert: Zum einen
hat sich der Anlagenotstand noch mehr verschärft. Es ist also noch schwieriger geworden,
das der Bank anvertraute Geld anzulegen. Zum anderen musste er ein teures Projekt starten, um mögliche künftige Negativzinsen abwickeln zu können, falls die Nationalbank diesen
Schritt wagen würde.
Man ist sich hier also grösstenteils einig, dass den Banken Erträge aufgrund der rückläufigen
Absicherungsgeschäfte und der durch die tiefen Zinsen ausgelösten Margenerosion entgehen. Zudem müssen sich wohl sämtliche Banken, nicht nur die eine Regionalbank, mit Investitionen auf mögliche künftige Gegebenheiten vorbereiten.
Auswirkungen des Wechselkursziels auf die Unternehmen
Was die befragen Experten für eine Meinung zu den Auswirkungen auf die Unternehmen
haben, zeigen die folgenden Aussagen.
Wie bereits bei den Auswirkungen für Banken beschrieben, sind WechselkursAbsicherungen nur noch in viel kleinerem Masse nötig. Zudem ist die ganze Planung und
Budgetierung einfacher geworden, fasst Herr Peter zusammen. Die Reaktion auf das Wechselkursziel ist aber natürlich branchenabhängig. Die Importbranche könnte ohne das Kursziel
dank des stärkeren Schweizerfrankens noch mehr profitieren.
46
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
Aus Sicht von Mathias Zurlinden profitieren natürlich vor allem die Exporteure vom Wechselkursziel. Indirekt haben aber fast alle Teile der Wirtschaft profitiert, da ohne Mindestkurs neben der Beschäftigung auch die Produktion leiden würde.
Unter den generell tiefen Kursen leidet laut dem ehemaligen UBS-Mitarbeiter vor allem der
Export. Die Unternehmen müssen sich fragen, wie man die Kosten in der Schweiz reduzieren beziehungsweise ins Ausland verlagern kann. All dies relativiert sich etwas unter dem
Wechselkursziel. Zudem ist er überrascht, dass bis jetzt nicht mehr Arbeitsplätze ins Ausland
verlagert wurden.
Auch der Wirtschaftsjournalist Werner Vontobel sieht dank des Kursziels für die Unternehmen eine bessere Berechenbarkeit der Austauschkurse. Zudem erhöht sich die internationale Wettbewerbsfähigkeit.
Herr Honegger rät den Unternehmen, die Kostenstruktur längerfristig anzupassen, um notfalls auch bei einer Kursparität des Frankens zum Euro noch überleben zu können. Ansonsten sieht er die Vorteile des Wechselkursziels ebenfalls in der vereinfachten Budgetierung.
Die Experten sind sich einig, die Planung und Budgetierung ist wesentlich einfacher geworden. Zudem verringern sich die Kosten für Währungsabsicherungen.
Auswirkungen des Wechselkursziels auf die SNB
Die folgenden Antworten sollen darüber Aufschluss geben, ob sich auch für die Schweizerische Nationalbank selbst Folgen des Kursziels abzeichnen.
Je nach Entwicklung der Krise könnten auf die SNB noch grössere Kosten zukommen, was
gleichbedeutend wäre mit sinkenden Gewinnen, konstatiert Herr Peter. Er meint, dass die
SNB zum Ausgleich dieser Aufwände viel Gold in der Bilanz hat. Das geht aber nur solange
gut, wie der Kurs stabil bleibt.
Der ehemalige leitende Angestellte der UBS sieht bei der SNB als Folge des Kursziels eine
Bilanzsummenausweitung. Teilweise gab es sogar negatives Eigenkapital, so stellt sich längerfristig die Frage der Stabilität der Nationalbank.
Christian Honegger sieht ebenfalls ein Ungleichgewicht in der Bilanz der SNB, hauptsächlich
aufgrund der massiv gestiegenen Investments in Devisen. Er meint, dass die SNB nun auch
im Vergleich zum internationalen Standard überproportional in Fremdwährungen investiert
ist. Dadurch haben auch kurzfristige Wechselkursschwankungen einen grossen Einfluss auf
die Bilanz. Somit wird die Wahrscheinlichkeit für beträchtliche Verluste grösser, falls weiterhin Druck auf den Franken ausgeübt wird.
47
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
Eine Verbesserung der Seigniorage sieht Herr Vontobel als Folge der Bilanzsummenausweitung. In diesem Punkt rechnet er also mit einem positiven Ergebnis für die SNB.
Die Aussagen decken sich hier nicht unbedingt, die Folgen werden aber grösstenteils als
negativ eingeschätzt. Die längerfristige Stabilität der SNB wird in Frage gestellt und man
rechnet mit weiteren grösseren Verlusten beziehungsweise volatileren Ergebnissen.
Auswirkungen des Wechselkursziels auf den Staat
Als letztes Wirtschaftssubjekt werden hier noch die Folgen des Kursziels auf den Staat eruiert.
Wie bereits weiter oben erwähnt, sieht Ralph Peter von der Zuger Kantonalbank mögliche
sinkende Einnahmen der Kantone aufgrund ausbleibender Gewinne der SNB.
Herr Zurlinden von der SNB betrachtet das Ganze von der anderen Seite. Hätte die Nationalbank das Kursziel nicht eingeführt, so wären im Falle einer Rezession die Steuereinnahmen gesunken.
Ein Rückgang von Steuererträgen aufgrund sinkender Gewinne der Unternehmen konnte
durch das Kursziel reduziert werden, so der ehemalige Leiter Risk Management der UBS.
Allerdings hat der Staat schon Konjunkturförderungsmassnahmen vorgenommen. Zudem
wurden Hunderte von Millionen Franken an Investitionen vorgezogen und Zahlungen für
Teilzeitarbeitslose wurden verlängert. Somit hat der Staat deutlich höhere Kosten bei tieferen
Einnahmen.
Herr Vontobel konstatiert kurz, dass sich die tiefen Zinsen insgesamt positiv auf den Schuldendienst des Staates auswirken.
Der Leiter der Finanzabteilung einer Regionalbank sieht im Wechselkursziel eine kurzfristige
Lösung für viele Probleme des Staates, zum Beispiel für die Exportwirtschaft und die Arbeitslosigkeit. Er schlägt zudem vor, zum jetzigen Zeitpunkt anstatt in europäische Staatspapiere
in inländische Projekte zu investieren. Man könnte zum Beispiel teure Infrastrukturprojekte
durch europäische Unternehmen durchführen lassen und so vom aktuellen Kurs profitieren.
Seiner Meinung nach müsste der Staat diese Handlungsoptionen jetzt wahrnehmen.
Durch die Kosten des Wechselkursziels sinken die Gewinne der Nationalbank und somit
auch ein Teil der Mittelzuflüsse des Staates. Der Staat hat zudem diverse andere Kosten, die
sich durch die aktuelle Krise akzentuieren. Auf der anderen Seite verhindert das Kursziel
eine noch kritischere Gesamtsituation in der Schweiz, was dem Staat nur zugutekommen
kann.
48
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
Eine Veränderung des Wechselkursziels
Nachdem sich die Experten zu den Folgen des Wechselkursziels auf die verschiedenen
Wirtschaftssubjekte geäussert haben ist es interessant zu erfahren, was die Interviewpartner
zu einer möglichen Anpassung des Kursziels sagen.
Herr Peter von der Zuger Kantonalbank erwartet momentan keine Anpassung des Kursziels,
weder nach oben noch nach unten. Eine Verschiebung der Untergrenze nach oben sieht er
höchstens, wenn sich deutliche deflationäre Tendenzen zeigen oder wenn die Wirtschaft
nochmals massiv unter Druck gerät. Er erklärt zudem, dass die Zeit für die SNB läuft. Aufgrund der deutlich höheren Inflation im Euro-Raum gegenüber der Schweiz sinkt die Kaufkraftparität stetig. Das heisst, die Differenz vom aktuellen Kurs von CHF 1,20 zur Kaufkraftparität – die schätzt Herr Peter Mitte Mai 2012 bei einem Kurs von rund CHF 1,35 – wird immer kleiner. Setzt sich das fort, erübrigt sich der Mindestkurs früher oder später. Eine Veränderung des Kursziels nach unten kommt für ihn erst recht nicht in Frage. Dies würde der
Glaubwürdigkeit schaden, was zu einer Verunsicherung auf den Märkten führen würde. Zusammengefasst sieht er die Chance auf eine baldige Veränderung des Kursziels nahe bei
null, da die Wirtschaftsdaten nicht rosig, aber auch nicht katastrophal sind.
Herr Zurlinden von der SNB lässt sich wie erwartet nicht zu einer genauen Aussage zu diesem Thema verleiten. Er verweist auf die Tatsache, dass das Instrument Wechselkursziel für
Extremsituationen und nicht zur Feinsteuerung des Kurses gedacht ist. Das Kursziel ist irgendwo zwischen dem im August 2011 registrierten Kurs und dem geschätzten Gleichgewichtskurs festgelegt, um die negativen Folgen des noch immer stark überbewerteten Frankens zu mildern.
Der ehemalige UBS-Mitarbeiter schätzt die Chancen auf eine Erhöhung des Kursziels aufgrund der ausbleibenden wirtschaftlichen Erholung in Europa als sehr klein ein. Da die
Spannungen besonders in den südeuropäischen Ländern anhalten, wird der Druck auf den
Schweizerfranken nach wie vor gross bleiben. Auch er rechnet vor, dass die Kaufkraftparität
aufgrund der höheren Inflation im Euro-Raum stetig sinkt und der Kurs von CHF 1,20 schon
heute nicht mehr so falsch ist wie noch zum Zeitpunkt der Einführung des Kursziels. Für ihn
kommt eine tiefere Ansetzung des Kursziels nicht in Frage, solange keine grossen Kunden
aggressive Attacken gegen die SNB reiten.
Christian Honegger rechnet damit, dass früher oder später mehr Druck auf den Kurs kommen wird und die SNB deshalb vom aktuellen Mindestkurs abweichen muss. Er spricht davon, dass man das Ziel auflösen oder tiefer ansetzen wird. Besonders die Rolle des Frankens als sicherer Hafen wird seiner Meinung nach nochmals verstärkt zum Tragen kommen.
Eine Korrektur des Zielkurses nach oben für ihn somit ausgeschlossen.
49
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
Herr Vontobel fasst kurz zusammen, dass der Kurs von CHF 1,20 aus rein volkswirtschaftlicher Sicht zu hoch ist, aus betriebswirtschaftlicher Sicht ein Kurs von CHF 1,30 aber natürlich angenehmer wäre. Mit einem Leistungsbilanzüberschuss von 14% des BIP betrachtet er
die Schweiz mit den Wechselkursen, die wir haben und hatten, als durchaus wettbewerbsfähig. Bei einem Kursziel von deutlich über CHF 1,20 befürchtet Herr Vontobel Retorsionsmassnahmen. So könnten Schweizer Produkte plötzlich mit einem gewissen Zoll belegt werden, oder man bezeichnet Produktionsanlagen in der Schweiz als nicht mehr den Standards
entsprechend. Dies wurde von den USA teilweise bereits gemacht. Generell fügt der Wirtschaftsjournalist an, dass die Wechselkurse international geregelt werden und so unter Kontrolle gebracht werden sollten. Er verweist auf die Louvre- und Plaza-Abkommen Mitte der
1980er-Jahre und das es an der neutralen Schweiz mit wichtigem Finanzplatz ist, dies in die
Hand zu nehmen.
Für den Leiter Finanzen der Regionalbank stellt sich die Frage, ob die SNB die Untergrenze
immer noch verteidigen kann, wenn sich die Krise in Europa noch verschärft. Seiner Meinung nach könnte das Kursziel auch an einer anderen Stelle sein, zum Beispiel bei CHF
1,25. An der Ausgangslage der Nationalbank würde das seiner Meinung nach nicht viel ändern. Auch er fügt die Rechnung an, dass man aufgrund der Inflationsdifferenz zum EuroRaum früher oder später sowieso bei CHF 1,20 landen würde. Der Finanzleiter sieht es als
realistisch, dass nochmals massive Zuflüsse in den Schweizerfranken stattfinden, falls rund
um den Euro alles zusammenbricht. Somit würde das Kursziel nochmals massiv getestet.
Bei der Befragung zu diesem Thema sticht vor allem die Antwort heraus, dass sich aufgrund
der Differenz der ausländischen zur inländischen Inflation der Franken laufend abwertet und
so ein Gleichgewichtskurs von CHF 1,20 zum Euro früher oder später sowieso Tatsache
wird. Eine Veränderung des Kursziels nach oben scheint in den Augen der Befragten eher
unrealistisch, Herr Honegger tendiert als einziger stark in Richtung eines tiefer angesetzten
Kursziels, Herr Peter warnt bei einem tieferen Kursziel vor dem Verlust der Glaubwürdigkeit
der SNB. Eine Erhöhung des Kursziels könnte wirtschaftspolitische Folgen haben für die
Schweiz, so die Meinung von Herrn Vontobel. Zudem sind sich die meisten Experten einig,
dass der Druck auf den Franken nach wie vor hoch bleibt.
Das Ende des Wechselkursziels
Die Experten wurden gefragt, wie sie ein mögliches Ende des Kursziels der SNB sehen. Es
stellt sich die Frage, ob die SNB dies aktiv verkünden wird oder das Kursziel einfach an Bedeutung verliert. Die folgenden Antworten geben Aufschluss darüber.
50
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
Viele Interviewpartner gehen wie im vorherigen Kapitel bereits beschrieben davon aus, dass
der Franken aufgrund der Inflationsdifferenz zum Ausland an Attraktivität verliert. Mathias
Zurlinden skizziert den Idealfall für das Ende des Wechselkursziels: Falls die Gründe für die
Flucht in den Schweizerfranken nachlassen, hätte dies einen schwächeren Franken zur Folge und der Wechselkurs würde steigen. Gleichzeitig müsste die Nationalbank die Liquidität
wieder abbauen, dafür stehen verschiedene Instrumente wie Devisenverkäufe, SNB-Bills,
Repo- und Swapgeschäfte zur Verfügung. Wichtig ist hier vor allem die rechtzeitige Abschöpfung der Liquidität, da ansonsten die Inflationsgefahr gross wäre.
Der ehemalige Leiter des UBS-Risk Managements sieht die Sache pessimistisch und geht
nicht von einer baldigen Erholung der internationalen Konjunktur aus. Somit rechnet er längerfristig mit dem Wechselkursziel und für die Nationalbank sieht er momentan keine Chance, von diesem Kursziel wieder wegzukommen.
Auch für Herrn Honegger ist das einzige mögliche Ende des Kursziels eine Erholung der
internationalen Märkte. Als realistisch betrachtet er das aber momentan nicht. Würde die
SNB jetzt vom Kursziel absehen, möglicherweise aufgrund der sehr teuren Kursverteidigung,
sähe Herr Honegger eine Stabilisierung des Franken-Euro-Kurses bei der Parität. Auch für
ihn sieht die Wunschvorstellung so aus, dass wieder vermehrt Kapital in den Euro-Raum
fliesst, zum Beispiel weil die SNB die Zinsen erhöht. Mit diesem Szenario wäre aus Sicht von
Herrn Honegger das Kursziel hinfällig.
Werner Vontobel würde einen Zielkorridor für den Franken-Euro-Kurs einrichten mit einer
Ober- und einer Untergrenze, wobei die Grenzen dann allmählich erweitert werden. So könnte die SNB seiner Meinung nach längerfristig vom Kursziel absehen. Oder aber man bindet
den Wechselkurs an ein neues Plaza-Abkommen, wie das bereits weiter oben erwähnt wurde. Ein derartiges Abkommen ist momentan aber schwierig, da gerade China auch mitmachen müsste. Dies ist für Herrn Vontobel zum jetzigen Zeitpunkt eher unrealistisch. Alles in
allem sieht er aber in absehbarer Frist keine Möglichkeit für einen völlig freien Wechselkurs,
da das aktuell einfach zu riskant wäre.
Der Leiter Finanzen der Regionalbank sagt, dass der Schweizerfranken an dem Tag explodiert, an dem die SNB das Kursziel aufgibt. Der Euro würde ins Bodenlose fallen, da eine
Flut an angestautem Geld kommt. Die daraus entstehende Volatilität wäre sehr schädlich für
unsere Wirtschaft. Deshalb rechnet er eher mit einer stufenweisen Freigabe des Kursziels,
das ist aber zum jetzigen Zeitpunkt noch kein Thema. Würde die Schweiz schlimmstenfalls in
eine schwere Rezession geraten, würden ausländische Investoren bemerken, dass es der
Schweiz noch viel schlechter geht als dem Ausland. So könnte der Kurs steigen. Aber das ist
das schlimmste mögliche Szenario.
51
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
Ein Ausstieg aus dem Wechselkursziel ist für viele Experten momentan nicht möglich. Es
zeichnet sich wohl eher ab, dass die SNB längerfristig darin gefangen ist und auf die stetige
Abwertung des Frankens hoffen muss. Wichtig wird sein, dass bei einer möglichen Abwertung des Schweizerfrankens die überschüssige Liquidität schnell abgebaut wird, da sich ansonsten eine Inflation zeigen könnte. Eine stufenweise Aufhebung des Kursziels wurde erwähnt, auch das Einrichten eines Zielkorridors für den Wechselkurs oder ein internationales
Abkommen ist eine mögliche Lösung.
Negativzinsen als weitere Massnahme der SNB
Von diversen Experten wurde während der Interviews das Thema Negativzinsen angesprochen. Hier sind die wichtigsten Aussagen dazu.
Ralph Peter schliesst nicht ganz aus, dass Negativzinsen als weiteres Instrument zur
Schwächung des Schweizerfrankens eingesetzt würden, auch wenn Herr Jordan von der
SNB dies immer wieder verneint. Möglicherweise würden nicht direkt negative Zinsen eingeführt, sondern wohl eher Commissions, welche nur für ausländische Banken und nicht für
inländische Sparer gelten.
Auch der ehemalige UBS-Mitarbeiter bezeichnet die Negativzinsen als letzten Ausweg der
SNB als nicht ganz ausgeschlossen. Die Konsequenz daraus wäre, dass die Sparer ihre
Gelder bei der Bank abziehen, was sich wiederum sehr schlecht auf die Geschäfte der Banken auswirken würde.
Der Finanzleiter der Regionalbank meint, es könnte der Tag kommen, an dem die SNB gezwungen sein wird, Negativzinsen einzuführen, wenn sie die Grenze weiter verteidigen will.
Diese Massnahme würde nur dann ergriffen, wenn sie nur mit Geld drucken nicht mehr Herr
der Euro-Flut wird. Eine Bank kann aber kein Interesse daran haben, Negativzinsen auf Gelder zu akzeptieren, die sie anlegt. Zudem würden die Sparer ihr Geld vom Konto nehmen
und möglicherweise in einen Safe legen. Solange die Safemiete günstiger ist als die Negativzinsen, würde das sicher gemacht. Die Bank müsste daraufhin mit grossem logistischem
Aufwand diese Bargeldbestände bewirtschaften, was wiederum mit hohen Kosten verbunden
wäre.
Die Einführung von Negativzinsen scheint also gemäss Aussage dieser drei Experten nicht
ganz ausgeschlossen. Es ist davon abhängig, wie sich die Situation im Euro-Raum und der
Geldfluss in die Schweiz entwickeln. Die Folgen dieser Negativzinsen würden unter anderem
auch die privaten Sparer treffen.
52
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
Inflation und Deflation
Wie bereits in der Theorie zu erkennen ist, spielen die Inflation beziehungsweise die Deflation eine tragende Rolle rund um die Thematik Wechselkursziel. Die zentralen Aussagen sind
im folgenden Abschnitt zusammengefasst.
Herr Peter sagt, dass die Deflation in der Schweiz ohne das Kursziel wesentlich grösser wäre. Darunter würde schlussendlich der Arbeitsmarkt leiden. Die Geldmenge ist zwar gestiegen, landete aber nur teilweise in der Realwirtschaft. Da das meiste Geld noch bei der SNB
liegt, hat es keinen Einfluss auf die Inflation.
Mathias Zurlinden von der SNB stellt ebenfalls fest, dass die Ausdehnung des Geldangebots
als Reaktion auf die Ausdehnung der Geldnachfrage alleine noch keine Inflation ergibt. Erst
wenn die Geldmenge nicht rechtzeitig zurückgezogen würde, müsste man mit einer erhöhten
Inflationsgefahr rechnen. Auch ein Vertrauensverlust in die Geldpolitik der SNB würde die
Wahrscheinlichkeit einer Inflation steigern. Falls es letztendlich doch zu einer Inflation kommen sollte, würden beispielsweise diejenigen verlieren, welche in Obligationen investiert sind
und die Obligationsschuldner würden gewinnen. Ausserdem wäre die Wiederherstellung der
Preisstabilität in der Regel mit temporären Produktions- und Beschäftigungsverlusten verbunden. Für eine Deflation bräuchte es einen negativen Schock wie beispielsweise eine Rezession in Europa. Das könnte dazu führen, dass Teuerungsraten in den negativen Bereich
rutschen. Herr Zurlinden sieht zurzeit sowohl Inflations- als auch Deflationsrisiken, momentane Prognosen erwarten aber keines der beiden Szenarien.
Herr Honegger von der UBS sieht momentan ausser bei den Hypotheken keinen grossen
Preisanstieg. Für ihn ist es schwer abzuschätzen, ob eine Inflation kommt und wie stark diese ausfallen würde. In den nächsten ein bis zwei Jahren sollte eine direkte Inflation noch kein
Thema sein, allerdings spricht er die importierte Inflation, beispielsweise aus den USA, an.
Auch Herr Honegger erwähnt die möglichen deflationären Tendenzen, was aber nicht mit der
Politik der SNB direkt zusammenhängt, sondern mit den Ereignissen im Euro-Raum und in
der globalen Wirtschaft.
Auf die gemäss Lehrbuch zu erwartende Inflation meint Herr Vontobel, dass man diese
Lehrbücher einstampfen sollte. Obwohl die Geldmenge schon lange steigt, ist keine Inflation
erkennbar. Denn die Inflation, so erklärt er weiter, kommt von grosser Nachfrage, ausgelasteten Kapazitäten und grossem Lohndruck. Eine negative Inflation beziehungsweise Deflation ist seiner Meinung nach realistischer. Er rechnet mit Depressions-Szenarien analog Griechenland und Portugal, falls die Leute den Konsum weiter bremsen.
Definitiv mit einer Deflation rechnet der ehemalige Leiter des Risk Managements der UBS.
Je länger der Franken stark bleibt und die Nationalbank nicht von diesem Kursziel von
53
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
CHF 1,20 weg kann, kann seiner Meinung nach die negative Inflation mehr und mehr zum
Problem werden. Eine Gegenmassnahme wäre eigentlich ein Tiefzinsumfeld, allerdings haben wir das bereits. Der nächste Schritt wäre die Einführung von Negativzinsen oder ein Anreiz für Investitionen. Steuersubventionen nennt er hier als erstes, allerdings erfolgt dies
durch den Staat und nicht durch die SNB. Den Schlüssel zum Erfolg sieht er eindeutig im
Motto „Aufschwung beginnt im Kopf“. Jeder Einzelne sollte den Konsum beibehalten und
stärken. Er verweist zudem auf Japan als Negativbeispiel. Japan versucht seit 20 Jahren
krampfhaft, mit einer Nullzinspolitik eine Inflation zu generieren – erfolglos. Für die Schweiz
wäre dies das Horrorszenario; Eine Deflation, aus der man einfach nicht mehr herauskommt.
Die Konsequenz dieser Deflation wäre ein Konsum- und Investitionsrückgang mit negativen
Folgen für den Arbeitsmarkt. Alles in allem rechnet der ehemalige UBS-Mitarbeiter mit einer
leichten Deflation in der Schweiz. Eine Inflation schliesst er aus, solange das gestiegene
Geldangebot nicht in den Wirtschaftskreislauf fliesst.
Auch der Finanzleiter der Regionalbank konstatiert, dass die gesteigerte Geldmenge nicht
zur Inflation führt, solange das Geld nicht in den Wirtschaftskreislauf fliesst. Nur bei einer
längerfristigen Koppelung des Frankens an den Euro wird eine Inflation realistischer. Gefährlicher als die direkte Inflation ist die Inflationserwartung, welche sich in den Köpfen der Leute
etablieren könnte. Dies könnte eine Inflationsspirale lostreten. Das Dilemma für die Nationalbank ist, dass sie den Wechselkurs verteidigen und gleichzeitig die Inflation im Griff behalten
muss. Als Mittel gegen die Inflation müsste sie die Zinsen erhöhen, was aber mit der Kursuntergrenze nicht vereinbar ist. Gegen eine Inflation spricht auch die fehlende Nachfrage, weshalb keine Kredite mehr vergeben werden und so das Geld bei der SNB bleibt. Der Leiter
Finanzen fügt an, dass wir gemäss Lehrbuch schon lange eine massive Inflation haben
müssten, allerdings hat der Preisdruck aus dem Billiglohnland China die ganze Inflation
„wegproduziert“. Eine leichte Deflation ist auch für ihn das realistischere Zukunftsszenario. Er
verweist ebenfalls auf das Beispiel Japan und befürchtet eine ähnliche Entwicklung in der
Schweiz. Eine allzu starke Deflation muss man aber nicht erwarten, da der Konsum in der
Schweiz nach wie vor relativ stark ist. Hier verweist er auf die stabilen Autokäufe der
Schweizerinnen und Schweizer. Die deflationäre Tendenz ist für die Nationalbank sehr unkomfortabel, da sie nur wenige Möglichkeiten hat, um Gegensteuer zu geben.
Als Summe all dieser Erkenntnisse muss man feststellen, dass eine leicht negative Inflation
– oder eben Deflation – zumindest in der kurzen Frist viel realistischer ist als eine Teuerung.
Eine Inflation kann sich erst akzentuieren, wenn die von der Notenbank zur Verfügung gestellte Geldmenge auch effektiv in den Wirtschaftskreislauf gerät. Aufgrund der eher schwachen Konjunktur und der mässigen Investitionstätigkeit der Unternehmen ist diese Entwicklung aber nicht absehbar. Mehrere Experten verweisen auf Japan als Negativbeispiel und
54
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
betrachten eine ähnliche Entwicklung in der Schweiz als Horrorszenario, da eine Nationalbank bei deflationären Tendenzen weniger reagieren kann als bei einer Teuerung. Vieles ist
nun von der Entwicklung im Ausland abhängig und der Auswirkung auf die Stimmung in der
Schweiz. Spätestens bei einer notwendigen Bekämpfung der Deflation kämen die Negativzinsen zum Zug mit all ihren weiter oben genannten Folgen.
Das aktuelle Zinsniveau
Einen direkten Zusammenhang mit der inflationären oder deflationären Entwicklung in der
Schweiz hat das Zinsniveau. Wie sich die Experten dazu äussern, zeigen die nachfolgenden
Meinungen.
Herr Peter sieht im aktuellen Tiefzinsumfeld sowohl Vor- als auch Nachteile für die Wirtschaft. Die Konjunktur wird durch die tiefen Zinsen angekurbelt, sofern eine Nachfrage besteht. Allerdings gibt es beträchtliche Nachteile für den Immobilienmarkt, für das Geschäft
der Banken und für das Rentensystem der Schweiz. Die notwendige Rendite der Pensionskassen und Versicherungen von rund 4,5% ist im Moment schwierig zu erwirtschaften. Obligationen sind nicht rentabel und bei Immobilien ist das Absturzrisiko gross. Zusammengefasst ist die Finanzierung des Sozialsystems aktuell sehr problematisch. Die Folgen werden
wir alle bezahlen müssen, entweder mit mehr Beitragszahlungen, mit tieferen Renten oder
mit einem höheren Pensionsalter. Eine Zinserhöhung, wie weiter unten von einem anderen
Experten vorgeschlagen, hält Herr Peter für unrealistisch und abwegig. Dies hätte negative
Folgen für die gesamte Wirtschaft und längerfristig insbesondere für den Immobilienmarkt.
Für eine nachhaltige Zinserhöhung wäre ein bedeutendes Ereignis nötig wie zum Beispiel
eine Mindestkursverteidigung im grossen Stil. Gemäss Herr Peter wird das aber in den
nächsten zwei Jahren nicht der Fall sein.
Die historischen Zinssätze sind Spiegelbild der starken Ausdehnung der Geldmenge, so Herr
Zurlinden von der SNB. Die tiefen Zinssätze sind ein Ausgleich für die Überbewertung des
Frankens. Auch er sieht dabei Probleme für die Finanzierung der zweiten Säule der Altersvorsorge. Ausserdem steigt mit den tiefen Zinssätzen das Risiko einer Preisblase am Immobilienmarkt. Das Wachstum der Hypothekarkredite ist bereits seit längerer Zeit sehr hoch.
Daraus ergeben sich gewisse Sorgen um die Finanzstabilität. Die im März publizierte Inflationsprognose der Nationalbank zeigt, dass die Inflation bei einem bei null gehaltenen Zinssatz nur leicht ansteigen dürfte. Diese bedingte Inflationsprognose impliziert somit die Erwartung, dass der Leitzins noch eine Weile tief bleiben wird.
55
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
Gemäss Herrn Honegger von der UBS muss die SNB die Zinsen momentan tief halten, um
den Schweizerfranken nicht noch attraktiver zu machen. Auch er erwartet einen Impact der
tiefen Zinsen sowohl auf den Immobilienmarkt als auch auf die Pensionskassen. Herr Honegger rechnet längerfristig mit tiefbleibenden Zinsen, denn das Fed. hat dies bereits bis
Mitte 2014 bekräftigt und auch der Euro-Raum wird dem folgen.
Werner Vontobel sieht die tiefen Zinsen als der aktuellen wirtschaftlichen Lage angemessen,
erkennt aber auch die Folgen für den Immobilienmarkt. Seiner Meinung nach geht das Rentensystem kaputt, weil es schlecht konstruiert ist und auf zu hohen Zinsen beziehungsweise
Inflationsraten beruht. Dies macht sich jetzt bemerkbar, weil eine stetige Rendite in der notwendigen Höhe nicht realisierbar ist. Herr Vontobel rechnet längerfristig nicht mit einer Veränderung des Zinsniveaus, da das Zinsniveau dem realen Wachstum entsprechen sollte.
Dieses setzt sich aus mittelfristigem Wachstum plus Inflation zusammen, was beides aktuell
als sehr gering eingeschätzt wird.
Der Finanzleiter der Regionalbank sieht eine Reduktion der Geldmenge aufgrund der internationalen Vernetzung als unmöglich. Dieser Schritt würde die Zinsen massiv nach oben
treiben, was die Massnahmen der SNB gleich zunichtemachen würde. Das Problem der tiefen Zinsen sieht er aktuell in den massiven Hauspreissteigerungen.
Der ehemalige UBS-Mitarbeiter, welcher sich in seiner Tätigkeit sehr stark mit dem Thema
Zinsen befasste, sieht in erster Linie enorme Probleme auf die Sozialsysteme zukommen.
Auch er befürchtet längerfristig ein erhöhtes Rentenalter oder sinkende Renten. Für Schuldner sind die tiefen Zinsen interessant, dies führt aber zu einer Immobilienblase, wie wir sie in
der Schweiz haben. Banken und Versicherungen leiden dafür unter Renditerückgang. Und
für die Nationalbank ist es extrem unangenehm, weil sie keine Handlungsmöglichkeit mehr
hat. Besonders interessant ist die Erwartung, dass die Nationalbank eher früher als später
eine experimentelle Zinserhöhung durchführen wird. Im Gegensatz zum Euro-Raum könnte
das in der Schweiz funktionieren, da die Konjunktur und die Arbeitslosigkeit in der Schweiz
wesentlich besser sind. Mit dieser Massnahme könnte die Nationalbank der Immobilienblase
entgegenwirken und würde dennoch keinen grossen Schaden anrichten. Mit diesem Schritt
rechnet der frühere Leiter des UBS-Risk Managements im Jahr 2013. Das Tiefzinsumfeld
helfe niemandem, begründet er. Diesen Schritt erhofft er sich inständig, da damit alle profitieren ausser derer, die sich mit Immobilien hoch verschuldet haben.
Alle sind sich einig, dass das gesamte Sozialsystem stark unter den tiefen Zinsen leidet und
längerfristig Probleme bereiten wird. Dies fällt schlussendlich auf alle zurück und kann nicht
im von der SNB verfolgen „Gesamtinteresse des Landes“ sein. Eine Erhöhung des Leitzinses wird deshalb von einem der Experten verlangt, andere halten dies aufgrund der dadurch
steigenden Attraktivität des Schweizerfrankens für abwegig. Unbestritten ist hingegen, dass
56
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
ohne weitere Eingriffe das Zinsumfeld auf diesem tiefen Niveau verharren wird. Mit dem tiefen Zins wird also zusammengefasst die Geldflut aus dem Ausland einigermassen im Zaum
gehalten, was die Überbewertung des Schweizerfrankens mindert, allerdings steigt dadurch
das Risiko einer Immobilienblase und die Sozialsysteme leiden.
Die Motivation der SNB
Im Nationalbankgesetz ist festgehalten, dass die SNB das Ziel der Preisstabilität unabhängig
verfolgt. Nun stellt sich die Frage, ob die Nationalbank tatsächlich unabhängig gehandelt hat,
beziehungsweise wie gross der Einfluss von aussen ist.
Die Nationalbank hat stets gemäss ihrem Auftrag gehandelt, unabhängig und zum Wohle der
Schweiz, so Herr Zurlinden, der selber bei der SNB angestellt ist.
Auch Ralph Peter von der Zuger Kantonalbank sieht hinter dem Handeln der SNB keinen
Druck von aussen. Die Nationalbank wisse aber, dass die politischen Parteien hinter ihrem
Handeln stehen. Die Frage, ob die SNB ihren Auftrag erweitert hat, zum Beispiel in Richtung
der US-amerikanischen Fed. mit einem Einfluss auf den Arbeitsmarkt, verneint Herr Peter.
Man hätte in diesem Fall noch viel mehr Massnahmen der SNB gesehen.
Eine Veränderung der Rolle der Nationalbank sieht auch Christian Honegger nicht, allerdings
glaubt er, dass die SNB unter anderem aufgrund des Drucks aus Politik und Wirtschaft gehandelt hat. Die Unternehmen müssten sich langfristig anders organisieren und dürften nicht
auf ein Handeln der SNB hoffen, so Herr Honegger weiter. Er ist sich nicht sicher, ob die
Nationalbank auch ohne den Druck von aussen mit einem Kursziel reagiert hätte.
Herr Vontobel bezeichnet die Schweizerische Nationalbank generell nicht als unabhängig,
werden doch einige Mitglieder der SNB-Führung vom Bundesrat gewählt und müssen der
Politik Rede und Antwort stehen. Ein Doppelmandat wie in den USA sieht er aber nicht. Das
Ziel der Preisstabilität sei durch das Erfordernis begrenzt, eine Politik im Gesamtinteresse
des Landes zu führen. Damit stehe die SNB näher beim Fed. als bei der EZB, welche nur
der Preisstabilität verpflichtet sei. Im Gegensatz zur EZB lasse die SNB eine vornehme Zurückhaltung walten. Nur einmal hatte sich Herr Jordan im Stile der EZB zu Lohnerhöhungen
geäussert, den Fehler hat er aber eingesehen und nicht mehr wiederholt. Somit sieht Herr
Vontobel keine Neuinterpretation der Rolle der SNB. Die SNB sollte auf die Politik hören,
aber keine Befehle entgegennehmen, fasst er zusammen.
Auch der Leiter Finanzen der Regionalbank erkennt keine Neuinterpretation der Rolle der
SNB. Die Nationalbank hat jederzeit das alleinige Ziel Preisstabilität verfolgt und glaubhaft
vertreten. Dem politischen Druck gewisser Parteien konnte sie bislang sehr gut widerstehen.
57
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
Generell sieht er die unabhängige SNB als äusserst wertvolle Institution, dies dürfe man nie
aufs Spiel setzen.
Der ehemalige UBS-Angestellte sieht die SNB von einer zurückhaltenden in eine sehr aktive
Rolle gezwungen, was den Aussagen der anderen Experten widerspricht. Seiner Meinung
nach betreibt die Nationalbank heute viel mehr Politik, die eigentlich ausserhalb ihres Fokus
liegt. Das heisst, sie macht heute eine vielfältigere Politik, bei der sie mehr Aspekte des Wirtschaftssystems optimieren muss als früher. Er sieht deutliche Parallelen zur USamerikanischen Fed. Die sehr aktive Rolle der SNB wurde zu Recht gewählt. Das gibt der
SNB heute eine viel grössere Rolle, als sie noch vor zwei bis drei Jahren hatte. Besonders
unter Herrn Hildebrand habe sich die SNB zu einem „Katalysator für ein gesundes und vernünftiges Wirtschaftswachstum“ entwickelt, so der frühere Leiter des UBS-Risk Managements. Sie sei momentan bereit, zwecks Stützung der Konjunktur ihre Inflationsziele in den
Hintergrund zu stellen, um eine aktivere Wirtschaftspolitik zu betreiben als in der Vergangenheit. Dies ist ein Resultat der grossen Einflussnahme der Stakeholder von aussen.
Eine äusserst spannende Aussage vom ehemaligen UBS-Mitarbeiter. Ist diese Entwicklung
tatsächlich vorhanden, kommt das einem Paradigmenwechsel der SNB gleich. Allerdings
muss diese Aussage relativiert werden, da sie nur gerade von einem der sechs Experten
stammt. Alle anderen sind sich grösstenteils einig, dass die SNB nach wie vor die gleichen
Ziele verfolgt. Nur bei der Frage, wie sehr sich die Nationalbank von aussen hat leiten lassen, gehen die Meinungen auseinander.
Weitere Aspekte aus den Interviews
Während den Gesprächen kamen noch viele andere sehr interessante Aspekte zur Sprache.
Einige davon werden im folgenden Abschnitt wiedergegeben.
Herr Peter hält fest, dass man die Wachstumsmärkte wie China nicht aus den Augen lassen
darf. Deren Wachstumsdynamik ist in den letzten Jahren zurückgekommen. Sollte China
mittels Protektionismus versuchen, die eigene Wirtschaft zu stärken, könnte uns das in Europa zusätzlich bremsen.
Der ehemalige Leiter des Risk Management Group Treasury der UBS sieht für Europa ganz
allgemein eine düstere Zukunft, solange man sich nicht politisch zusammenrauft und endlich
die schon lange angepeilte Transferunion darstellt. Deshalb werden uns die Themen Wechselkurspolitik, Wechselkursziel, tiefe Inflation und Deflation wohl noch lange Zeit beschäftigen. Zudem müsste die Schweiz die Zeit, die sie sich mit dem Kursziel gekauft hat, sinnvoll
58
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
nutzen, um Prozesse zu optimieren durch Technologievorsprung und Kostenreduktion. Die
Schlüssel dazu sind Innovation, stärkere Ausbildung sowie Forschung und Entwicklung.
Herr Honegger hat wohl etwas übertreibend erwähnt, dass er die Spekulanten rund um den
Schweizerfranken gerne einmal ausbremsen würde. So könnte man den Kurs einmal auf
unter CHF 1,20 fallen lassen, um ihn dann wieder auf die 1,20 zu erhöhen. So würden sie es
sich das nächste Mal vielleicht nochmals gut überlegen. Aber das kostet Geld, zudem hat
Herr Honegger hier ethische Bedenken.
Der Wirtschaftsjournalist Werner Vontobel rechnet für die Schweiz im schlimmsten Fall mit
einer wirtschaftlichen Implosion wie sie momentan in Griechenland stattfindet. Da rund 50%
des Konsums von Verschwendung lebt, wäre die Wirtschaft schnell kaputt, falls die Konsumenten aus Angst vor einer ungewissen Zukunft nur noch das Nötigste konsumieren. Diese
Gefahr ist seiner Meinung nach latent vorhanden. Das Gegengift sieht er in der Konsumlust
der Jugend, für die die Zukunftsangst kleiner ist als der Wille, Geld auszugeben. Eine längerfristige Wirtschaftsstabilisierung erreicht der Staat seiner Meinung nach durch einen Sozialstaat, der den Leuten Sicherheit vermittelt. Zudem braucht es eine Reduktion der Arbeitszeit,
da es ansonsten einen Kampf um Jobs und Lohnverzicht gibt.
Der Finanzleiter der Regionalbank kritisiert eine unglückliche Aussenpolitik. In den letzten 20
bis 25 Jahren wurden viele strategische Fehler gemacht. Eine Auswirkung davon sei nun,
dass wir in der Krise mitgefangen sind ohne mitgestalten zu können. Mit der Koppelung an
den Euro muss man sich jetzt fragen, ob man nicht einfach alle Nachteile des Euro übernommen hat und keine Vorteile. Zur Immobilienpreissteigerung äussert er sich dahingehend,
dass man von einer Blase nicht sprechen könne. Die Schweiz sei noch weit davon entfernt,
eine Korrektur zu erleben wie sie die USA, England oder Spanien hatten. Auslöser der
Preissteigerung sei unter anderem auch die Zuwanderung. Somit unterscheidet sich seine
Meinung zur Immobilienblase von derjenigen der anderen Interviewpartner. Abschliessend
bemerkt er zu Griechenland, dass er keine andere Option als den Ausstieg aus dem Euro
sieht. Dies könne aber für den verbleibenden Euro-Raum von Vorteil sein, der Euro könnte
gestärkt aus dieser Krise gehen.
59
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
8
Fazit
8.1
Zusammenfassung aller Erkenntnisse
Die europäische Gemeinschaftswährung – der Euro – ist für die Schweizer Wirtschaft zentral. Die Schweiz befindet sich nicht nur geografisch inmitten des Euro-Raums, sie ist auch
wirtschaftlich stark von diesem Raum abhängig. Die in den Interviews befragten Experten
sind sich mehrheitlich einig, dass das Mindestkursziel des Schweizerfrankens zum Euro unter Einbezug sämtlicher damals verfügbaren Informationen der richtige Schritt gewesen ist.
Diese extreme Massnahme wird dem überbewerteten Franken und den Signalen aus der
Exportwirtschaft gerecht.
Den bisherigen Verlauf des Kursziels kann man als Erfolg bezeichnen. Der Kurs von CHF
1,20 konnte auch unter grossem Druck von aussen gehalten werden, die Kosten halten sich
– sofern bekannt – zum aktuellen Zeitpunkt in Grenzen. Verantwortlich für diesen Erfolg ist
die Schweizerische Nationalbank. Sie geniesst eine grosse Glaubwürdigkeit auf den Märkten, welche sie sich mit gezielter Kommunikation und konsequenter Umsetzung aller angekündigten Massnahmen erarbeitet hat. Die Ziele der SNB sind es, die Preisstabilität zu gewähren sowie unabhängig und im Gesamtinteresse des Landes zu handeln. Bis auf einen
Interviewpartner sind sich die Experten einig, dass die Ziele nach wie vor zum grössten Teil
eingehalten werden. „Klar ist ein gewisser Druck der Politik da und der Begriff Unabhängigkeit sehr unterschiedlich interpretierbar, aber ein grosser Wandel in der Art und Weise, wie
die SNB handelt, ist nicht erkennbar“, so die fast einstimmige Aussage der Experten. Die
abweichende Stimme meint hier, dass die SNB in einer viel aktiveren Rolle ist als früher. Der
Interviewpartner bezeichnet die SNB heute als Katalysator für ein gesundes und vernünftiges
Wirtschaftswachstum, wobei die Inflationsziele in den Hintergrund gerückt wurden.
Die Folgen des zum Zeitpunkt der Fertigstellung dieser Arbeit noch immer geltenden Wechselkursziels sind nur schwer abzuschätzen. Ein Blick in das Jahr 1978 bietet sich zwar an,
zumal sich die Presse zum Zeitpunkt der Festlegung des Kursziels im September 2011 diesem Thema angenommen hat und viele Vergleiche der damaligen Situation mit den heutigen
Ereignissen gezogen hat. Allerdings haben die befragten Experten hier eine andere Meinung. So ist der Franken heute im Gegensatz zu früher an die Währung eines viel grösseren
Wirtschaftsraums gekoppelt. Auch eine Inflation, wie sie zu Beginn der 1980er-Jahre zu beobachten war, muss sich heute nicht zwingend wiederholen, denn vor gut 30 Jahren war die
Geldmenge schon vor dem Einsatz des Kursziels massiv erhöht und wurde anschliessend zu
60
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
wenig konsequent reduziert. Somit können aus den Folgen des Kursziels vom Oktober 1978
keine Lehren gezogen werden für die aktuelle Kursuntergrenze zum Euro. Auf das weitere
Fazit dieser Arbeit werden die Ereignisse von 1978 keinen Einfluss mehr haben.
Die Aufarbeitung der theoretischen Grundlagen zum Wechselkursziel zeigt aufgrund des
erhöhten Geldangebots eindeutig eine steigende Inflation. Inwiefern sich diese Inflation auf
das Zinsniveau und die Stärke des Schweizerfrankens auswirkt, ist gemäss Irving Fisher von
der Inflationsentwicklung im Ausland abhängig. Eine Erkenntnis aus den Forschungen zu
dieser Arbeit ist aber, dass die aktuelle Situation auf den globalen Finanzmärkten weitaus
komplizierter ist als viele vergangene Krisen. Aus diesem Grund wird für die Prognose der
Marktentwicklung den Aussagen aus den Interviews mehr Gewicht gegeben als die vergangenheitsorientierte Theorie aus Standardlehrbüchern. Die Aussagen aus den Interviews gehen denn auch in eine komplett andere Richtung. Da die von der SNB zur Verfügung gestellte Geldmenge momentan aufgrund der stockenden Konjunktur gar nicht in den Wirtschaftskreislauf gerät, ist eine Inflation nicht realistisch. Man rechnet viel eher mit einer negativen
Inflation beziehungsweise Deflation, welche sich zum jetzigen Zeitpunkt bereits zeigt. Dass
die negative Inflation längerfristig als grosses Problem betrachtet wird, liegt daran, dass die
Nationalbank nicht mit gewohnten Mitteln darauf reagieren kann. Bestes Gegenmittel zur
Bekämpfung der Deflation sind tiefe Zinsen, diese sind aber bereits jetzt Realität. Als weitere
Massnahme erwähnen diverse Experten die Einführung von Negativzinsen seitens der SNB.
Wie lange eine Deflation anhalten kann, illustrieren mehrere Interviewpartner anhand des
Beispiels von Japan. Dieses Land kämpft seit rund 20 Jahren gegen die Deflation und versucht mit allen Mitteln, eine Inflation zu erzwingen.
8.2
Ausblick
Prognose zukünftige Entwicklung
In diesem Unterkapitel soll die Frage beantwortet werden, welches die erwarteten Auswirkungen des Wechselkursziels auf die fünf Wirtschaftssubjekte der Schweizer Volkswirtschaft
sind.
Das Wechselkursziel stellt sich in erster Linie als Gewinn für die privaten Haushalte heraus.
Zwar ist der Vorteil der günstigen Auslandeinkäufe etwas reduziert worden, allerdings wären
ohne das Kursziel mit grösseren Turbulenzen auf dem Arbeitsmarkt zu rechnen, was
schlussendlich einen Einfluss auf die Einkommen der Haushalte hat. Längerfristig muss, falls
61
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
sich die Situation auf europäischer und globaler Ebene nicht bald bessert, mit massiven finanziellen Schwierigkeiten bei Versicherungen und Renten gerechnet werden. Besonders in
der Altersvorsorge sind Einbussen zu erwarten. Auch auf dem Immobilienmarkt zeigen sich
bereits Entwicklungen, die längerfristig zahlreiche Haushalte vor grössere finanzielle Probleme stellen könnten. Dies sind sehr langfristige Annahmen, die, falls sie sich tatsächlich
akzentuieren, einen sehr negativen Einfluss auf die Einkommen und Vermögen der privaten
Haushalte haben. Mit dem Wechselkursziel und mit den tiefen Zinsen bekämpft die SNB zur
Förderung der Schweizer Wirtschaft die Frankenstärke, riskiert so aber längerfristig die oben
beschriebenen Folgen.
Die Banken kämpfen vor allem mit den tiefen Zinsen. Sie haben Mühe, das ihnen anvertraute Geld gewinnbringend anzulegen. Insbesondere das Wechselkursziel bewirkt eine rückläufige Zahl von Absicherungsgeschäften, was sich negativ auf die Erträge der Banken auswirkt. Bereits seit einiger Zeit ist von den Banken zu hören, dass sie mit diesen Schwierigkeiten zu kämpfen haben. So ist es nicht verwunderlich, dass Stellenabbau in der ganzen Branche mehr und mehr zum Thema wird.
Den Unternehmen kommt die Kursuntergrenze sehr entgegen. Die Planung und Budgetierung ist wesentlich einfacher, sofern man davon ausgeht, dass der Mindestkurs von CHF
1,20 auch längerfristig beibehalten wird. Die Beträge für Absicherungsgeschäfte, welche den
Banken als Erträge fehlen, sparen die Unternehmen bei den Aufwänden ein.
Auf die Schweizerische Nationalbank können längerfristig schwierige Zeiten zukommen. Je
länger die Kursuntergrenze mit Devisenmarktinterventionen aktiv verteidigt werden muss,
desto höher fallen schlussendlich die Kosten aus. Auch wenn sich die Verluste momentan
noch im Rahmen halten, so könnte sich der Mindestkurs auf Dauer als nicht mehr tragbar
herausstellen. Hier ist die SNB den Signalen aus dem Ausland ohnmächtig ausgeliefert und
kann höchstens weitere Massnahmen oder das Ende der Kursuntergrenze beschliessen.
Negative Ergebnisse der SNB können sich längerfristig negativ auf die Steuereinkommen
der Kantone auswirken, was wiederum viele andere Wirtschaftssubjekte mit höheren Steueraufwänden belasten könnte.
Dank der Aktionen der SNB kann der Staat einige akute Probleme als vorübergehend gelöst
betrachten. So sollten zum Beispiel die allermeisten Exportunternehmen bei einem Kurs von
CHF 1,20 zum Euro überlebensfähig sein. Mit Problemen in der längerfristigen Finanzierung
der Sozialsysteme sowie reduzierten Steuererträgen wird aber auch der Staat auf Dauer mit
einigen massiven Schwierigkeiten konfrontiert sein, sofern die internationale wirtschaftliche
62
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
und politische Lage weiterhin angespannt bleibt und ein ständiges Eingreifen der SNB erfordert.
Alles in allem muss sich die SNB eingestehen, dass sie trotz aller richtigen Massnahmen zur
Schwächung des Schweizerfrankens die Entwicklungen im Ausland nicht steuern kann. Es
bleibt ihr nur abzuwarten, ob sich die heikle Lage besonders im Euro-Raum langsam entspannt oder weiter verschärft. Eine Massnahme, die sie noch im Köcher hat, ist die Einführung von Negativzinsen oder einem ähnlichen Instrument. Dies würde die Attraktivität des
Schweizerfrankens reduzieren und so – nach Ansicht der Experten – den Geldfluss in die
Schweiz reduzieren. Je nach Ausgestaltung dieser Massnahme würden die Sparer ihre Gelder bei den Banken abziehen, da sie nicht bereit sind, diese Negativzinsen zu bezahlen.
Dieser Geldabfluss würde die Banken in weitere Schwierigkeiten bringen. Eine Lösung des
Problems ist die Einführung der Negativzinsen nur auf Gelder ausländischer Banken, womit
aber der Effekt als Ganzes geringer ausfallen würde.
Sollte sich entgegen der aktuellen Erwartungen die Lage in Europa entspannen und der
Franken seine Bedeutung als Fluchtwährung allmählich verlieren, so könnte sich die
Schweizerische Nationalbank auf ein Ende der Kursuntergrenze vorbereiten. Dieses Ende
wäre, so der „best case“, ein Wegbewegen des Franken-Euro-Kurses in Richtung 1,30 oder
noch höher, wobei der Markt dies aufgrund eines unattraktiveren Frankens ohne Eingreifen
der SNB regeln würde.
Persönliche Empfehlung des Autors
In diesem Abschnitt gibt der Autor eine persönliche Empfehlung zum weiteren Vorgehen der
Schweizerischen Nationalbank ab. Die Aussagen sind gestützt auf alle zusammengetragenen Erfahrungen und Daten der Forschung zu dieser Arbeit.
Zum aktuellen Zeitpunkt sollte die SNB ihre bisherige Politik weiterführen, in der Hoffnung
unveränderter oder sich bessernder Umstände im europäischen Ausland. Die SNB kann
nach wie vor mit gezielter und standfester Kommunikation bezüglich der Untergrenze klare
Signale an die Märkte geben. Wichtig ist es hier, die Glaubwürdigkeit nicht zu verlieren. Diese Strategie des Abwartens kann sich über mehrere Jahre hinwegziehen, sofern die SNB
nicht massive Verluste schreiben muss. Im Verlauf dieser Zeit wertet sich der Franken gegenüber dem Euro stetig ab, da in der Schweiz die Inflation wesentlich tiefer ist als im EuroRaum. Gleichzeitig sollte es der inländischen Exportwirtschaft in dieser Zeit gelingen, mittels
Prozessoptimierungen die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen zu können. Bleiben zudem der
63
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
Konsum und die Beschäftigung einigermassen konstant, so steht der langsamen Entspannung rund um den starken Schweizerfranken nichts mehr im Weg. Der Autor sieht dieses
sehr positive Szenario als nicht unrealistisch, zumal einige aktuelle Wirtschaftszahlen des
Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) für Konsumausgaben und BIP für Optimismus sorgen.
Nach wie vor ist die grösste Unbekannte aber die finanziell und politisch angespannte Lage
in Euro-Ländern wie Griechenland, Spanien oder Portugal. Falls weitere negative Signale
aus dem Ausland folgen, so könnte der Schweizerfranken noch mehr an Attraktivität gewinnen, was wiederum massive Interventionen der SNB erfordert. Lässt sich dieser Ansturm auf
den Franken nur noch mit weitergehenden Massnahmen wie Negativzinsen bremsen, dann
sollte dieses Instrument nach Meinung des Autors eingesetzt werden, sofern die inländischen Sparer davon nicht betroffen sind. Als nicht auszuschliessen betrachtet der Autor die
Massnahme einer Reduktion des Kursziels. Diese Massnahme könnte je länger je attraktiver
werden, da sich die Differenz des Wechselkurses zur eigentlichen geschätzten Kaufkraftparität mit der Zeit reduziert. Auch die Exportwirtschaft müsste fähig sein, sich längerfristig auf
solch tiefe Wechselkurse einstellen zu können, schliesslich sollte jedes Unternehmen im
„worst case“-Szenario die Wechselkursparität zum Euro miteinbeziehen. Das grösste Fragezeichen stünde bei diesem Vorgehen hinter der Glaubwürdigkeit der SNB. Diese könnte
Schaden nehmen, da man zuvor über längere Zeit standfest die Grenze von CHF 1,20 verteidigt hat.
8.3
Aussagekraft und Bedeutung der Ergebnisse
Die Thematik rund um das Wechselkursziel der Schweizerischen Nationalbank ist äusserst
komplex. Dies ist auch der Grund, weshalb in der Führung der SNB nur die erfahrensten
Spezialisten Platz finden und die Wahl der Leitung der SNB teilweise durch den Bundesrat
erfolgt. Die Einschätzung der aktuellen Lage und der zukünftigen Entwicklungen wird zudem
durch die politisch und finanziell heikle Lage im Euro-Raum und in der globalen Wirtschaft
erschwert. Es kursieren viele Meinungen und Einschätzungen zur aktuellen Lage, jedoch
müssen sich momentan die meisten, wenn nicht alle Experten eingestehen, dass die künftigen Entwicklungen nicht absehbar sind. Dem Autor ist durchaus bewusst, dass auch in dieser Arbeit nicht der Schlüssel zur Lösung der akutesten Probleme liegt. Allerdings bildet die
Summe der vorliegenden Forschung einen grossen Teil des aktuellen Wissensstandes ab
und wird durch diverse Aussagen von Experten aus der Privatwirtschaft, der SNB und den
Medien ergänzt.
64
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
Literaturverzeichnis
Baltensperger, E. (2007, 11. Juli). Die Geldpolitik der Schweiz seit den sechziger Jahren.
SECO. Online (15.04.2012):
http://www.google.ch/url?sa=t&rct=j&q=kfk%202007&source=web&cd=3&ved=0CFEQ
FjAC&url=http%3A%2F%2Fwww.seco.admin.ch%2Fdokumentation%2Fpublikation%2
F02640%2F02642%2Findex.html%3Flang%3Dfr%26download%3DNHzLpZeg7t%2Cln
p6I0NTU042l2Z6ln1ae2IZn4Z2qZpnO2Yuq2Z6gpJCEeYB3gmym162epYbg2c_JjKbNo
KSn6A--&ei=8KXDT6exEJGcOpOfsPMJ&usg=AFQjCNGQ3nsyLl7kiGzfUwkiFkeDWLz
ygg
Benders, R. (2008, 15. September). Lehman Brothers muss Konkurs beantragen. Handelsblatt. Online (09.04.2012):
http://www.handelsblatt.com/unternehmen/banken/us-bankensektor-im-umbruchlehman-brothers-muss-konkurs-beantragen/3021126.html
Birchler, U. (2011, 25. Juli). Fluch des Segens. Die Zeit. Online (15.04.2012):
http://www.zeit.de/2011/30/CH-Schweizer-Franken
Bischofsberger, A. (2011, 21. September). Wie kann die SNB langfristig Inflation vermeiden?
Die Aussichten für den Schweizer Franken 3. Avenir Suisse. Online (15.04.2012):
http://www.avenir-suisse.ch/10307/wie-kann-die-snb-langfristig-inflation-vermeiden/
Brunetti, A. (2009). Volkswirtschaftslehre: Eine Einführung für die Schweiz (2. Aufl.). Bern:
hep-Verlag.
Bundesamt für Statistik (a). Themen. Industrie, Dienstleistungen. Aussenhandel. Detaillierte
Daten. Ausfuhr nach Wirtschaftsräumen und Bestimmungsländern. Online
(23.03.2012):
http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/06/05/blank/data.Document.20975.
xls
Bundesamt für Statistik (b). Themen. Industrie, Dienstleistungen. Aussenhandel. Detaillierte
Daten. Einfuhr nach Wirtschaftsräumen und Herkunftsländern. Online (23.03.2012):
http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/06/05/blank/data.Document.20973.
xls
65
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
Bundesamt für Statistik (c). Themen. Volkswirtschaft. Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung.
Bruttoinlandprodukt. Daten, Indikatoren. BIP nach Verwendungsarten. Online
(23.03.2012):
http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/04/02/01/key/bip_nach_verwendun
gsarten.Document.64627.xls
Bundesamt für Statistik (d). Themen. Industrie, Dienstleistungen. Aussenhandel. Detaillierte
Daten. Aussenhandel nach Verwendungszweck. Online (24.03.2012):
http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/06/05/blank/data.Document.20971.
xls
Bundesamt für Statistik (e). Themen. Arbeit und Erwerb. Löhne, Erwerbseinkommen. Indikatoren. Übersicht. Lohnniveau im internationalen Vergleich. Online (24.03.2012):
http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/03/04/blank/key/lohnstruktur/interlo
ehne.html
Bundesamt für Statistik (f). Themen. Preise. Statistische Grundlagen. Definitionen. Online
(15.04.2012):
http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/05/11/def.html
Bundesamt für Statistik (g). Themen. Preise. Landesindex der Konsumentenpreise. Indikatoren. Indexreihen. Online (15.04.2012):
http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/05/02/blank/key/basis_aktuell.html
Bundesgesetz über die Schweizerische Nationalbank [NBG] vom 3. Oktober 2003, SR
951.11.
Bundesgesetz über die Währung und die Zahlungsmittel [WZG] vom 22. Dezember 1999,
SR 941.10.
Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft [BV] vom 18. April 1999, SR
101.
Deutsche Bundesbank. Statistik. Zeitreihen. CHF/DEM. Online (15.04.2012):
http://www.bundesbank.de/statistik/statistik_zeitreihen.php?open=devisen&func=row&t
r=WT5016&year=1975
Economiesuisse. (2012). Kein Spiel mit dem Feuer – SNB muss unabhängig bleiben. Zürich.
Finanzen.ch. Börse. Devisen. CHF/EUR. Historisch. Online (29.05.2012):
http://www.finanzen.ch/devisen/historisch/eurokurs
66
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
Gärtner, M., Lutz, M. (2004). Makroökonomik flexibler und fester Wechselkurse (3. überarbeitete Aufl.). Berlin: Springer-Verlag.
Gläser, J., Laudel, G. (2010). Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse als Instrumente rekonstruierender Untersuchungen (4. Aufl.). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Handelsblatt (2012, 28. Februar). Griechenland ist teilweise zahlungsunfähig. Online
(09.04.2012):
http://www.handelsblatt.com/finanzen/boerse-maerkte/anleihen/standard-und-poorsgriechenland-ist-teilweise-zahlungsunfaehig/6262242.html
IMF (a). About the IMF. Who we are. Members’ Date of Entry. Online (22.04.2012):
http://www.imf.org/external/np/sec/memdir/memdate.htm
IMF (b). Data and Statistics. De Facto Classification of Exchange Rate Regimes and Monetary Policy Framework. Online (22.04.2012):
http://www.imf.org/external/np/mfd/er/2006/eng/0706.htm
KOF. Indikatoren. Monetary Policy Communicator. Online (20.05.2012):
http://www.kof.ethz.ch/indikatoren/monetary-policy-communicator/
Krugman, P. R., Obstfeld, M. (2009). Internationale Wirtschaft. Theorie und Politik der Aussenwirtschaft (8. aktualisierte Aufl.). München: Pearson Studium.
Leitzinsen.info. Zinsvergleich Eurozone / USA. Online (09.04.2012):
http://www.leitzinsen.info
Mankiw N. G. (2003). Makroökonomik (5. überarbeitete Aufl.). Stuttgart: Schäffer-Poeschel
Verlag.
Mankiw, N. G., Taylor, M. P. (2008). Grundzüge der Volkswirtschaftslehre (4. Aufl.). Stuttgart: Schäffer-Poeschel Verlag.
Müller, A. (2012, 12. April). Flucht in den Franken. Handelszeitung, S. 25.
Organisationsreglement der Schweizerischen Nationalbank vom 14. Mai 2004, SR 951.153.
Passardi, M., Jans, A. (2010, 14. April). Der Stabfund in Zahlen. Finanz & Wirtschaft, S. 25.
Ragaz, J. (2008). Nationalbank Interventionen: Unter dem Aspekt der aktuellen Immobilienkrise in den USA. Bern: Haupt Verlag.
67
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
Schweizerische Nationalbank (a). Die SNB. Geschichte. Geld- und Währungspolitische
Chronik. Online (15.04.2012):
http://www.snb.ch/de/iabout/snb/hist/id/hist_wpc
Schweizerische Nationalbank (b). Glossar. Online (07.04.2012):
http://www.snb.ch/de/system/glossary
Schweizerische Nationalbank (c). Publikationen. Referate. 06.09.2011: Einführung eines
Mindestkurses des Frankens gegenüber dem Euro. Online (09.04.2012):
http://www.snb.ch/de/mmr/speeches/id/ref_20110906_pmh
Schweizerische Nationalbank (d). Die SNB. Aufbau und Organisation. Unabhängigkeit, Rechenschaftspflicht und Verhältnis zum Bund. Online (07.04.2012):
http://www.snb.ch/de/iabout/snb/org/id/snb_org_indep
Schweizerische Nationalbank (e). Die SNB. Aufsichts- und Leitungsorgane. Bankrat. Online
(29.05.2012):
http://www.snb.ch/de/iabout/snb/bodies/id/snb_bodies_council
Schweizerische Nationalbank (f). Die SNB. Aufsichts- und Leitungsorgane. Erweitertes Direktorium. Online (29.05.2012):
http://www.snb.ch/de/iabout/snb/bodies/id/snb_bodies_enlarg
Schweizerische Nationalbank (g). Die SNB. Aufbau und Organisation. Organigramm. Online
(07.04.2012):
http://www.snb.ch/de/mmr/reference/organigramm/source
Schweizerische Nationalbank (h). Die SNB. Ziele und Aufgaben der Nationalbank (Kurzübersicht). Online (07.04.2012):
http://www.snb.ch/de/iabout/snb/id/snb_tasks
Schweizerische Nationalbank (i). Publikationen. Referate. 06.05.2009: Geldpolitik ohne
Grenzen – Vom Kampf gegen die Internationalisierung des Frankens zur Internationalisierung der Geldpolitik. Online (15.04.2012):
http://www.snb.ch/de/mmr/speeches/id/ref_20090506_jpr
Schweizerische Nationalbank (j). Publikationen. Referate. 23.11.2004: Vom Monetarismus
zur Inflationsprognose: Dreissig Jahre Schweizerische Geldpolitik. Online (15.04.2012):
http://www.snb.ch/de/mmr/speeches/id/ref_20041123_pmh
68
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
Schweizerische Nationalbank (Hrsg.). (2007). Die Schweizerische Nationalbank 1907-2007.
Zürich: Verlag Neue Zürcher Zeitung.
Schweizerische Nationalbank. (2008). 100. Geschäftsbericht 2007. Zürich.
Schweizerische Nationalbank. (2008). Quartalsheft 4/2008. Zürich.
Schweizerische Nationalbank. (2009). 101. Geschäftsbericht 2008. Zürich.
Schweizerische Nationalbank. (2010). 102. Geschäftsbericht 2009. Zürich.
Schweizerische Nationalbank. (2011). 103. Geschäftsbericht 2010. Zürich.
Schweizerische Nationalbank. (2011). Ein Kurzportrait. Zürich.
Schweizerische Nationalbank. (2012). 104. Geschäftsbericht 2011. Zürich.
Schweizerische Nationalbank. (2012). Quartalsheft 1/2012. Zürich/Bern.
Schweizerische Nationalbank. (2012). Statistisches Monatsheft 5/2012. Zürich.
Spiegel Online (2009, 08. Dezember). Rating-Agentur Fitch. Griechenland büßt an Kreditwürdigkeit ein. Online (09.04.2012):
http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,665890,00.html
Straumann, T. (2011, 14. Januar). Der Coup von 1978. Tages-Anzeiger. Online
(15.04.2012):
http://blog.tagesanzeiger.ch/nevermindthemarkets/index.php/2304/der-coup-von-1978/
Suedostschweiz.ch (2012, 08. März). Inficon profitiert vom starken Franken. Online
(09.04.2012):
http://www.suedostschweiz.ch/wirtschaft/inficon-profitiert-vom-starken-franken
Verordnung zum Bundesgesetz über die Schweizerische Nationalbank [NBV] vom
18. März 2004, SR 951.131.
Vischer, F. (2010). Geld- und Währungsrecht im nationalen und internationalen Kontext. Basel: Helbing Lichtenhahn.
69
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
Anhang
Anhang 1: Interviewleitfaden................................................................................................ 71
Anhang 2: Transkription Interview Christian Honegger, UBS ............................................... 73
Anhang 3: Transkription Interview Mathias Zurlinden, SNB ................................................. 82
Anhang 4: Transkription Interview ehemaliger Leiter Risk Management
Group Treasury, UBS ......................................................................................... 88
Anhang 5: Transkription Interview Werner Vontobel, Wirtschaftsjournalist........................... 99
Anhang 6: Transkription Interview Leiter Finanzen einer Regionalbank ............................. 110
Anhang 7: Gedächtnisprotokoll Interview Ralph Peter, Zuger Kantonalbank ..................... 125
Anhang 8: Index der Interviewauswertung ......................................................................... 129
70
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
Interviewleitfaden
Forschungsfrage
Welches sind die Auswirkungen eines Euro-Mindestkurses auf die Schweizer Volkswirtschaft
in mittel- und langfristiger Sicht?
Ziel der Untersuchung
Eine Abschätzung der volkswirtschaftlichen Folgen der aktuellen SNB-Währungspolitik.
Ziel des Interviews
Eine Erhebung von Einschätzungen diverser Experten rund um das Thema Wechselkursziel.
Leitfaden
- Welches sind kurz zusammengefasst Ihre aktuellen Aufgaben an Ihrem Arbeitsplatz?
- Wie haben sich diese Aufgaben verändert nach dem Wechselkursziel der SNB vom
6. September 2011?
- Was sind Ihrer Meinung nach bereits sichtbare Auswirkungen des Mindestkursziels…
- …auf private Haushalte?
- …auf Banken?
- …auf andere Unternehmen?
- …auf die SNB?
- …auf den Staat?
- Aus dem Vorgehen der SNB resultiert eine massive Geldmengenerhöhung, welche die
Inflationsgefahr steigen lässt. Wie wahrscheinlich ist Ihrer Meinung nach eine kommende
Inflation?
- Wie stark würde diese Inflation ausfallen?
- Welches wären die Folgen einer Inflation für die verschiedenen Subjekte der Volkswirtschaft?
- Mit welchen Massnahmen könnte man einer kommenden Inflation entgegenwirken?
- Was wären neben dem Einfluss auf die Inflation weitere Folgen dieser Massnahmen?
- Zurück zur Geldmengenerhöhung. Sehen Sie neben einer (möglichen) Inflation weitere
direkte und indirekte Folgen?
71
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
- Sollte Ihrer Meinung nach das Wechselkursziel verändert werden?
- Weshalb?
- Wie stehen die Chancen auf eine baldige Anpassung des Wechselkursziels?
- Wie sieht ein Ende des Wechselkursziels aus?
- Wie beurteilen Sie das aktuelle Leitzins-Niveau?
- Wie wird sich der Leitzins über kurze und lange Zeit verändern?
- Was wären die Folgen dieser allfälligen Veränderung?
- Ist die Situation rund um das Wechselkursziel von 1978 vergleichbar mit heute?
- Können aus diesen vergangenen Ereignissen Lehren für die jetzige Situation gezogen werden?
- Wie beurteilen Sie das Verhalten der SNB rund um den starken Franken?
- Inwiefern kann die SNB allein mittels gezielter Kommunikation die Märkte beeinflussen?
- Hat sich die volkswirtschaftliche Rolle der SNB oder deren Interpretation in den letzten Jahren gewandelt?
- Wie beurteilen Sie einen möglichen Wandel?
- Gibt es aus Ihrer Sicht wichtige Aspekte zum Thema, die noch nicht angesprochen wurden?
72
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
Transkription Interview Christian Honegger, UBS, vom 1. Mai 2012
1
Was sind Ihre Aufgaben am Arbeitsplatz, ganz grob zusammengefasst?
2
Ich arbeite im Group Treasury und dort im Structural FX, das heisst bei uns dreht sich al-
3
les um Fremdwährungspositionen. Wir sichern Gewinne und Verluste der Bank ab, also
4
alles was fürs Bankenbuch ist und nicht Trading-bezogen. Wir sind bei Investitionen in-
5
volviert, die in fremden Ländern oder fremden Gesellschaften getätigt werden, bei denen
6
ein Wechselkurs gebraucht wird. Wir sichern die Gewinne und Verluste der Bank auch
7
für die Zukunft ab mittels Devisenoptionen. Zudem machen wir das Investment of Equity.
8
Das hat nichts mit Equities zu tun, es handelt sich hier um das Equity der Bank, welches
9
strukturell in anderen Währungen ist und durch uns angelegt wird. Wir machen das gan-
10
ze FCT [Foreign Currency Translation], also wir sichern die Investments der Bank ge-
11
genüber Wechselkursschwankungen ab. Das heisst, Investments in anderen Tochterge-
12
sellschaften im Ausland. Ja das sind so in etwa die Aufgaben, die wir machen.
13
Jetzt hat ja die SNB am 6. September das Mindestkursziel von Fr. 1,20 zum Euro festgelegt.
14
Ich nehme an, das hatte einen Einfluss auf Ihre Arbeit?
15
Ja, das hat insbesondere einen Einfluss auf das Future Profit Hedge. Da kann man sa-
16
gen, alles was in Euro-Schweiz ist, da kann man sich die Optionsprämie sparen, um das
17
abzusichern.
18
Weil es im Prinzip alles voraussehbar ist?
19
Ja genau. Seit dem 6. September hat man ja keine grossen Kursschwankungen mehr
20
erwartet im Euro-Schweiz. Von daher mussten wir erwartete zukünftige Gewinne in Euro
21
nicht mehr absichern.
22
Dadurch, dass der Kurs jetzt bei 1,20 fixiert ist, bewegen sich die weiteren Währungen
23
zum Franken teilweise anders. Euro-Dollar zum Beispiel ist sicher ein starkes Paar, das
24
gehandelt wird. Das hat dann auch zur Folge, dass man Kursmeinungen revidieren
25
musste. Wenn man jetzt zum Beispiel ein Dollar-Bär war und erwartet hat, dass der Dol-
26
lar nicht unbedingt gut dasteht gegenüber dem Schweizerfranken, aber dann gegenüber
27
dem Euro gestiegen ist, dann ging auch der Dollar-Schweiz rauf und nicht runter. Das
28
sind sicher auch Impacts, die aufgrund der Koppelung zum Tragen kommen.
29
Wenn wir jetzt auf die ganze Schweizer Volkswirtschaft schwenken, was erwarten Sie für
30
Auswirkungen des Mindestkurses auf die privaten Haushalte?
31
Bei privaten Haushalten ist der absolute Level vom Euro-Schweiz für Leute, die an der
32
Grenze wohnen attraktiv, um nach Deutschland, Italien, Frankreich einkaufen zu gehen.
33
Auch in der Schweiz haben sich Unternehmen etwas einfallen lassen müssen. Man hört
34
ja immer von Euro-Rabatt bei Autos, Möbel und so weiter. Das andere ist natürlich, mit
73
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
35
einem Mindestkurs bei 1,20 – wir haben ja ein tiefes Zinsumfeld, da sind wir praktisch
36
bei null – muss die SNB die Zinsen tief halten, sonst wird der Schweizerfranken attrakti-
37
ver, wenn die Frankenzinsen steigen würden. Das heisst, die Leute können sich günstig
38
finanzieren, vor allem Häuser, die werden ja mit Hypotheken fremdverschuldet. Dort hat-
39
te man sicher auch einen Impact dadurch, dass die Zinsen relativ tief sind. Viele Leute
40
überlegen sich dann, sich ein Eigenheim zu leisten. Ich denke, dass sind sicher Auswir-
41
kungen. Vielleicht auf der anderen Seite auch Pensionskassen, die haben es momentan
42
auch schwer, im tiefen Zinsumfeld eine ansprechende Rendite zu erzielen. Und das geht
43
ja dann auch wieder ins Private rein.
44
Die Unternehmen haben Sie schon angesprochen, da muss man die Kunden locken, damit
45
die noch in der Schweiz einkaufen, weil sie sonst ins Ausland gingen. Gibt es da noch weite-
46
re Sachen, die auf die Unternehmen zukommen, eher jetzt vom Abschluss, vom Finanziellen
47
her?
48
Bei Unternehmen denke ich im Moment, dass der stabile Euro-Schweiz in der Budgetie-
49
rung hilft. Ich denke auch, als der Mindestkurs festgelegt wurde, handelte der Euro-
50
Schweiz noch einiges tiefer – wir waren ja praktisch bei Parität und im Vorfeld hat die
51
SNB den Euro gestützt und danach mit dem Mindestkursziel – jetzt können gewisse Un-
52
ternehmen wieder etwas mehr Gewinn schreiben, dadurch dass der Euro bei 1,20 ist.
53
Es ist also hauptsächlich positiv?
54
Ja klar, aber wir sind ehrlicherweise immer noch auf einem tiefen Niveau – wenn die
55
SNB nicht eingegriffen hätte, dann wären wir jetzt irgendwo rund um die Parität
56
Was sind die Einflüsse dieses Mindestkurses auf die SNB selber?
57
Mit dem Mindestkurs und auch den Aktionen im Vorfeld, das hat ein Ungleichgewicht in
58
Ihre Bilanz gebracht. Die Investments in Fremdwährungen sind massiv gestiegen. Auch
59
im Vergleich zum internationalen Standard kann man sagen, dass die SNB jetzt über-
60
proportional in Fremdwährungen investiert ist. Ich denke, das ist ein Level, der in etwa
61
China hat, oder sonst irgendwelche Ölexport-Staaten, die praktisch zu 100% in anderen
62
Währungen sind. Das hat sicher dort irgendwelche Auswirkungen auf die SNB. Dadurch,
63
dass sie jetzt relativ stark in Fremdwährungen investiert ist, haben natürlich auch kurz-
64
fristige Wechselkursschwankungen einen Einfluss auf ihre Bilanz. Es kann sein, dass sie
65
dort noch weitere Verluste schreiben wird und noch mehr Druck aufkommen wird, was
66
weitere Eingriffe nötig macht.
67
Gibt es besondere Sachen, welche die Banken schon machen mussten, wie zum Beispiel
68
Anpassungen aufgrund des Wechselkursziels?
69
Bei Banken haben sicher die tiefen Zinsen einen Einfluss. Es ist schwierig, die tiefen
70
Zinsen auf der Passivseite weiterzugeben, da kann man ja nicht unter null gehen. Und
74
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
71
auf der Aktivseite versuchen sie, etwas zu verkaufen. Die Zinsmarge ist natürlich durch
72
den tiefen Zins massiv geschrumpft.
73
74
75
Also wird es schwieriger, im Zinsdifferenzgeschäft Geld zu verdienen?
Auf jeden Fall.
Gibt es bereits Sachen, die auf den Staat zugekommen sind, wegen dem Wechselkursziel?
76
Ich denke, am Schluss hat alles einen Einfluss auf den Staat, aber so genau habe ich
77
mir das jetzt nicht überlegt
78
Aber wenn die ganze Volkswirtschaft in Bewegung ist, spürt der Staat das auch?
79
Ja genau. Meistens hat es dann auf die eine oder andere Seite einen Einfluss auf den
80
Staat.
81
Die SNB hat ja schlussendlich eine massive Geldmengenerhöhung betrieben. Und, ich glau-
82
be das kann man vorwegnehmen, die Inflationsgefahr steigt dadurch. Wie wahrscheinlich ist
83
das Ihrer Meinung nach?
84
Es ist grundsätzlich schwierig abzuschätzen, was da alles noch auf uns zukommt. Ich
85
denke, am Schluss hängt es ja nicht nur von der SNB selber ab. Es ist ja eine Weltwirt-
86
schaftskrise. Und wie viel Geld die SNB drucken muss, um den Euro zu stützen, ist ab-
87
hängig von der Euro-Schuldenkrise sowie von der Konjunktur in den USA. Am Schluss
88
kommt es drauf an, mit wie viel Geld die SNB intervenieren muss. Und danach natürlich
89
auch, wie es ihr gelingt, die Geldmenge wieder zu reduzieren. Das wird dann vermutlich
90
auch nicht einfach.
91
Darauf komme ich dann gerne nochmals zurück. Das heisst also, die Inflation wird kommen?
92
Ich denke, im Moment ist es noch etwas früh. Man sieht ja noch keinen grossen Preis-
93
anstieg, ausser jetzt gerade im Hypothekarmarkt. Aber der ist ja glaub ich ausgeschlos-
94
sen von der Preisstabilitätsrechnung. Ich habe aber nicht das Gefühl, dass die Preise in
95
einem massiven Teuerungsdruck sind und ich denke, das wird noch einen Moment
96
brauchen, bis das kommen wird. Es ist schwer abzuschätzen, ob und wie hoch die Infla-
97
tion kommen wird. Ich denke, in den nächsten ein bis zwei Jahren wird das noch nicht
98
der Fall sein.
99
Die importierte Inflation ist sicher auch ein Thema, was zum Beispiel von den USA im-
100
101
portiert wird.
Das heisst, bestenfalls hätten wir gar keine Inflation. Was passiert schlimmstenfalls?
102
Schlussendlich kann es auch zu einem deflationären Environment kommen. Das Ganze
103
ist wohl nicht abhängig davon, was die Schweiz und die SNB mit dem Wechselkurs
104
macht, sondern was im Euro-Raum und im Rest der Welt passiert. Wenn ich ganz ehr-
105
lich bin, denke ich da kommt nochmals ein relativ grosser Druck aus der Euro-Zone auf
106
uns zu. Und dann stellt sich die Frage, ob die SNB dem standhalten kann oder nicht.
107
Was denken Sie, kann sie das?
75
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
108
Grundsätzlich habe ich das Gefühl, dass früher oder später mehr Druck auf den Kurs
109
kommen wird und dass man dann von diesem Mindestkurs absehen muss. Man wird
110
das Ziel auflösen oder tiefer ansetzen müssen.
111
Der Schweizerfranken profitiert am Schluss auch von „Save Haven Flows“ und ich den-
112
ke, wenn sich das nochmals verschärft, dann kann hier nochmals Druck aufkommen. Bis
113
jetzt hat das die SNB sehr gut gemacht und mit wenig Geld halten können. Sagen wir
114
mal, zumindest in dem Zeitraum, indem sie die 1,20 verteidigt hat.
115
Dann war es nicht besonders teuer bis jetzt?
116
Nein, ich denke, was es braucht ist die Kredibilität, dass sie das machen, und das haben
117
sie dazumal auch sehr gut kommuniziert, dass sie das mit unlimitierten Geldmengen
118
verteidigen werden. Da war die Kommunikation relativ stark. Man hat gesehen, an die-
119
sem Tag ist der Kurs von 1,12 – wenn ich es recht in Erinnerung habe – sprunghaft auf
120
1,24 gestiegen. Was es auch braucht sind tiefbleibende Zinsen, nicht dass da Erwartun-
121
gen steigender Zinsen aufkommen. Das würde dann den Schweizerfranken auch wieder
122
attraktiver machen. Zudem ist der Level des Euro-Schweiz auch massgeblich. Der
123
Schweizerfranken muss quasi überbewertet sein, um diese Kredibilität zu haben. Das
124
heisst, als die SNB beim Level von 1,45 das Ganze gemacht hat, da war sie eine Spur
125
zu früh. Sie haben es auch nicht mit derselben Determination gemacht. Das Ganze ist
126
auf einem Level von 1,20 wesentlich erfolgreicher als es dazumal war, als sie bei 1,45
127
Geld in die Hände nahmen.
128
Ich habe gelesen, die Kaufkraftparität wäre bei rund 1,40, soweit man das abschätzen kann.
129
Aber Ihrer Meinung nach müsste man gar nicht versuchen, diesen Level zu erreichen?
130
Wir können ja die Frage vorneweg nehmen, ob das Wechselkursziel verändert werden
131
soll. Ich nehme an, da meinen Sie hauptsächlich nach oben?
132
133
134
Nun ja, Sie haben vorhin gesagt, es werde wohl eher nach unten korrigiert.
Ich rechne nicht damit, dass die SNB den Level nach oben korrigieren wird.
Aus welchem Grund?
135
In der Schweiz haben wir momentan ein solides Umfeld. Wir haben noch keine grosse
136
Arbeitslosigkeit. Der Impact auf die ganze Wirtschaft, so denke ich, ist nicht besonders
137
gross. Es hat sicher einen Impact auf die Exportwirtschaft. Aber die Schweiz ist auch
138
sehr stark vertreten im Dienstleistungssektor, zum Beispiel mit Banken, im Manufac-
139
turing usw. Das andere ist der nachhaltige Druck der Euro-Zone, wenn die SNB höher
140
geht als die 1,20, dann wird sie wohl angegriffen von anderen Leuten, seien das Hedge
141
Funds oder andere Spekulanten. Viele Leute werden dieses Niveau sicher sofort aus-
142
nützen, um Absicherungen zu machen. Da wird ein relativ starker Druck aufkommen. Ich
143
habe das Gefühl, die Kaufkraftparität, alle die Kennzahlen, die geben eine Zahl an, aber
144
ich habe intuitiv nicht das Gefühl, dass der Euro bei 1,40 gegenüber dem Schweizer76
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
145
franken im aktuellen Umfeld erfolgreich sein kann. Das würde dann die SNB und die
146
Schweiz relativ viel Geld kosten.
147
Knüpfen wir doch gleich hier an. Irgendwann muss man ja das Wechselkursziel wieder auf-
148
heben. Oder nicht? Kann man das über längere Zeit stehen lassen?
149
Grundsätzlich ist es abhängig davon, was in der Weltwirtschaft läuft. Persönlich habe ich
150
das Gefühl, der Druck wird bleiben. Im Moment habe ich nicht das Gefühl, dass eine
151
nachhaltige Erholung da ist, weder irgendwo im Euro-Raum, noch in Amerika, in Gross-
152
britannien oder in Japan. Ich denke, da wird der Druck gross bleiben. Ich persönlich ha-
153
be im Moment das Gefühl, dass die SNB früher oder später – ich würde sagen nicht ge-
154
rade früher, aber sicher mittelfristig – nochmals massiv Geld in die Finger nehmen muss,
155
um den Level zu verteidigen. Und dann wird sich die Frage stellen, ob sie das machen
156
will oder nicht. Beziehungsweise wie viel Geld sie in die Finger nehmen will, um das zu
157
verteidigen.
158
Was ist, wenn die SNB den Level nicht verteidigen will? Was wären da die Folgen?
159
Auf den Wechselkurs bezogen ist es klar, da wird der Euro gegen den Franken noch-
160
mals eine Einbusse haben. Ich rechne damit, dass es nochmals zur Parität kommen
161
würde und sich dort irgendwo stabilisieren wird.
162
Rein hypothetisch: Nehmen wir an, die Wirtschaft erholt sich, die ganze Situation sieht wie-
163
der etwas besser aus. Und der eigentliche Euro-Franken-Kurs ist irgendwo bei 1,20 bis 1,25,
164
dann könnte man dieses Wechselkursziel ja aufheben?
165
Ja dann grundsätzlich schon.
166
Wie würde die SNB das machen?
167
Wenn es so ist, dass sich die Weltwirtschaft erholt, dann würden automatisch wieder
168
Flüsse in den Euro-Raum gehen. Sei es, weil die SNB wieder mit den Zinsen steigt, oder
169
aus Gründen zunehmender Investitionen im Euro-Raum. Aus diesen Gründen würde die
170
Nachfrage nach mehr Euro automatisch steigen und dies würde den Kurs wieder anhe-
171
ben. In einem Umfeld, in dem wieder alles rosig ist, da bräuchte es nicht einmal eine
172
ausgeprägte Kommunikation. Man könnte dann einfach sagen, das Ziel sei erreicht, al-
173
les ist wieder stabilisiert und von jetzt an kann man den Markt wieder spielen lassen.
174
175
Dann könnte man das als Wunschvorstellung betrachten?
Ja auf jeden Fall. Aber im Moment denke ich nicht, dass es so kommen wird.
176
Sie haben bereits den Leitzins und das allgemeine Zinsniveau angesprochen. Das ist mo-
177
mentan bei null. Wird sich das also nicht verändern, wenn Sie denken, dass die ganze Lage
178
angespannt bleibt?
179
Ja, also grundsätzlich rechne ich schon damit, dass der Leitzins für längere Zeit tief blei-
180
ben wird. Dies vor allem wieder in Abhängigkeit zu anderen Märkten. Erst letzte Woche
181
wurde vom Fed. bekräftigt, dass man die Zinsen bis Mitte 2014 tief halten wird. Das wird
77
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
182
auch im Euro-Raum der Fall sein. Da wird kein grosser Anstieg kommen. Gewisse Ar-
183
beitsmarkt-Zahlen aus den USA haben sich nach einem kurzfristigen Hoch wieder etwas
184
verschlechtert. Nachdem man für ein bis zwei Monate annahm, dass das Fed. mit dem
185
Quantitative Easing nicht weitermachen wird, kommen jetzt bereits wieder Stimmen auf,
186
dass sie dort etwas machen müssen. Aufgrund dieser Entwicklungen rechne ich nicht
187
damit, dass der Leitzins demnächst ansteigen wird.
188
Jetzt mache ich nochmal einen Sprung nach vorne zur Inflation. Falls wir eine Inflation hät-
189
ten, was für Massnahmen könnte man ergreifen, um die Inflation möglichst im Rahmen zu
190
halten?
191
Grundsätzlich bin ich ja nicht ökonomischer Spezialist, aber ich denke das wären dann
192
Massnahmen aus dem ökonomischen Lehrbuch. Inflation herrscht ja grundsätzlich dann,
193
wenn mehr Geld vorhanden ist als Güter und sich dadurch der Preis der Güter verteuert.
194
Logische Konsequenz daraus wäre, dass man versucht, den Umlauf der Geldmenge
195
wieder zu reduzieren.
196
Also Geld wieder aus dem Kapitalmarkt abschöpfen.
197
Genau. Das Problem ist, es ist nicht unbedingt einfach. Es kann dann schnell zu einer
198
Deflation kommen. Mit der Inflation verlieren dann die Sparer ihr Geld. Es wird auch eine
199
Senkung der Reallöhne zur Folge haben, dadurch dass die Güter teuer werden. Die
200
Schere zwischen reich und arm kann sich dann ausweiten. Ich denke, dass wäre dann
201
der Fall, denn die Reichen haben sicher ein besser diversifiziertes Portfolio. Die haben
202
Assets, die sicher weniger unter Inflation leiden würden, also quasi im Wert steigen wür-
203
den.
204
205
206
207
Dann wären auch die Eigenheimbesitzer im Vorteil?
Auf jeden Fall…
…und das in einer sonst schon angespannten Immobilienphase?
Genau. Und wer sich verschuldet hat, ist dann generell in einer vorteilhafteren Situation.
208
Dann möchte ich noch ein bis zwei Fragen stellen zum Jahr 1978. Da weiss ich natürlich
209
nicht, wie gut Sie sich da auskennen, was da so alles passiert ist.
210
Ja das hält sich etwas im Rahmen. So wie ich das vernommen habe, hat der Schweizer-
211
franken relativ schnell – innerhalb von etwa 3 Wochen – rund 20% verloren. Im ersten
212
Moment, so denke ich, hat es relativ gut ausgesehen, aber etwa 3 Jahre später ging
213
dann die Inflation relativ stark in die Höhe. Das hat dann die SNB zu einem schärferen
214
Bremsmanöver mit steigenden Zinsen veranlasst. Dadurch kamen dann viele Hausbe-
215
sitzer unter Druck, die steigenden Hypothekarzinsen aufzubringen.
216
Im jetzigen Umfeld sind wir wahrscheinlich noch entfernt von einer Überhitzung es Hypo-
217
thekarmarktes. Ich denke nicht, dass es in den nächsten Jahren zu einer Überhitzung
218
kommen wird. Ich denke schon, dass hier noch Potenzial herrscht, dass sich die Preise
78
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
219
etwas mehr nach oben entwickeln. Sicher auch mit der Aussicht, die ich vorhin gab,
220
dass die Zinsen vermutlich nicht so schnell ansteigen werden.
221
Kann man generell etwas lernen aus den Ereignissen Ende der 1970er- und Anfang der
222
1980er-Jahre?
223
Wie gesagt, ich habe das etwas zu wenig verfolgt, von daher kann ich nicht gross Aus-
224
kunft geben.
225
Das Verhalten der SNB rund um die ganze Thematik, ganz allgemein, wie beurteilen Sie
226
das? Hat sie in jeder Situation richtig gehandelt?
227
Das ist schwer zu sagen. Wie vorhin schon erwähnt denke ich, im ersten Moment, als
228
die Krise begann bei einem Level von rund 1,50, da sind sie zu früh gekommen – haben
229
unnötig Geld in die Hände genommen, denn die Aussichten waren relativ schlecht. Man
230
hätte mit mehr Preisdruck auf dem Euro beziehungsweise mit mehr „Save Haven Flows“
231
rechnen müssen. Ich denke, der Level damals war relativ hoch. Sie waren sicher auch
232
zu wenig konsequent, in dem Sinne, dass es nicht funktioniert hat. Sie wurden von ver-
233
schiedenen Seiten angegriffen. Sie hatten das damals nicht so gut gemacht. Auf der an-
234
deren Seite, mit dem Mindestkursziel von 1,20, da ist eigentlich alles gut verlaufen. Ich
235
muss sagen, das ist besser verlaufen, als ich das erwartete. Sie haben das konsequent
236
durchgesetzt, konsequent kommuniziert. Eine Zeit lang wurde der Euro-Schweiz sogar
237
um 1,24 gehandelt, also über dem Kursziel. Da mussten sie also ziemlich relaxt gar
238
nichts machen. Zu Zeiten von Herrn Hildebrand. Der hat sich immer pro Mindestkursziel
239
oder sogar für eine Erhöhung dieses Ziels verhalten. Das Risiko war damals sogar
240
asymmetrisch nach oben – die Leute hatten darauf spekuliert, dass noch etwas kommen
241
wird. Dadurch wurden spekulative Long-Positionen auf dem Euro-Schweiz aufgebaut.
242
Seit Herr Hildebrand weg ist, ist das nicht mehr gross der Fall. Die SNB ist dann An-
243
fangs April beim Level von 1,20 getestet worden.
244
Am Anfang hat ja vieles nur über die Kommunikation und über Personen funktioniert. Also je
245
nachdem, wer gerade Präsident war, konnte man mit gewissen Massnahmen rechnen. Dass
246
waren ja dann alles nicht Aktionen der SNB im eigentlichen Sinne, sondern eher das Verhal-
247
ten gegenüber der Öffentlichkeit. Konnte sie so die Märkte bereits steuern?
248
Ja eben, mit dem Mindestkursziel von 1,20 haben sie das sehr gut gemacht. Sie hatten
249
auch viel Kredibilität vom Markt, deshalb wurde die SNB auch nie richtig getestet.
250
Die Grenze von 1,20 wurde ja jetzt wieder getestet. Man ist wieder sehr nahe am Wechsel-
251
kursziel. Müsste man hier nicht mehr auf die Kommunikation setzen als auf eigentliche Mas-
252
snahmen?
253
Die Kommunikation ist ja eigentlich seit eh und je dieselbe. Wenn es mir recht ist, dann
254
hat sie sogar etwas abgenommen. Früher hatte man kommuniziert, dass der Schweizer-
255
franken massiv überbewertet ist. Im letzten Communiqué war dann der Franken „nur“
79
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
256
noch überbewertet. Von daher denke ich, dass man mit dem Level nicht rauf gehen wird.
257
Ich denke nicht, dass es von jetzt an nur über die Kommunikation laufen wird. Denn weil
258
man zwischenzeitlich auf oder sogar unter diesen 1,20 war… Das war ja ein technisches
259
Problem, ich weiss nicht inwiefern Sie das mitverfolgten. Grundsätzlich waren ja diese
260
1,20 nicht unterschritten. Die SNB steht da mit einem Bid von 1,20 und unlimitierten
261
Quantities. Von daher waren wir nicht darunter. Ich finde es aber schade, dass man
262
technisch dann doch irgendwie darunter war, und da ist ein bitterer Nachgeschmack
263
entstanden. Ich weiss jetzt halt auch nicht, wie sie das machen wollen. Ob man vielleicht
264
schon etwas früher hätte dagegen halten sollen, um zu zeigen, dass man da ist. Es hät-
265
te ja gereicht, wenn es bei 1,2020 oder bei 1,2015 gewesen wäre, damit dieses techni-
266
sche Problem nicht stattgefunden hätte.
267
Also müsste man vielleicht inoffiziell sogar versuchen, den Kurs etwas über den 1,20 zu hal-
268
ten, auch wenn man 1,20 kommuniziert?
269
270
Ja nein, es ist halt ein schwieriges Thema.
So hätte man ja noch einen gewissen Puffer?
271
Also ich hätte da schon vorher mal etwas gemacht. Aber wie gesagt, es ist schwer. Auf
272
der anderen Seite könnte man es ja mal durchrasseln lassen und dann wieder auf 1,20
273
nehmen, damit all die Spekulanten ausgebremst werden und sich die Finger verbren-
274
nen. So überlegen sie es sich das nächste Mal vielleicht zwei Mal, ob sie wieder kom-
275
men sollen. Aber das kostet dann wieder Geld. Und ich weiss auch nicht, ob das ethisch
276
korrekt ist oder nicht. Ich weiss nicht, wie da die Regeln sind, die sich die SNB macht,
277
also wie man sich bewegt in diesem Umfeld.
278
Das ist aber ein interessanter Ansatz. Hat sich die volkswirtschaftliche Rolle der SNB verän-
279
dert in der letzten Zeit?
280
Grundsätzlich ist ihr Ziel ja die Erhaltung der Preisstabilität, und das haben wir ja. Von
281
daher denke ich nicht, dass sich die Rolle verändert hat. Ich habe mich allerdings ge-
282
fragt, ob die SNB das machen soll oder nicht. Unter dem Strich finde ich, jede Art der In-
283
tervention in einem freien Markt widerspricht sich etwas. Ich dachte, die Devisenmärkte
284
wären freie Märkte, deshalb hätte ich nicht gross etwas gemacht. Aber ich kann verste-
285
hen, dass der politische Druck gross geworden ist sowie auch der Druck der Unterneh-
286
men gestiegen ist. Ein weiterer Grund ist sicher, gerade für die 1,20, falls sich das Gan-
287
ze strukturell verändert und der Druck weiterhin gross bleiben wird, müssen sich wohl
288
die Unternehmen anpassen. Sie müssen schauen, dass sie mit der neuen Situation, mit
289
diesen Wechselkursschwankungen umgehen können und so auch ihre Kostenstruktur
290
anpassen. Dies, um notfalls auch mit einem Kurs Euro-Schweiz von 1,00 leben zu kön-
291
nen.
80
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
292
Also, auch wenn jetzt eine Art Lobbyismus entbrannt ist und man versucht, die SNB für sich
293
zu instrumentalisieren – um das etwas überspitzt zu sagen – ist es doch so, dass die SNB im
294
Zentrum steht und sich alle anderen anpassen müssen und nicht umgekehrt. Kann man das
295
so zusammenfassen?
296
Wie meinen Sie, dass die SNB im Zentrum steht?
297
Also die SNB macht, was sie für richtig hält, und alle anderen, Politik und Unternehmen,
298
müssen damit klar kommen.
299
Nein ich denke schon, dass die SNB das auf Druck der Politik gemacht hat und nicht
300
aus Eigenregie. Sie haben sicher auch das Wohl der Schweiz im Hinterkopf. Aber ich
301
weiss nicht, ob sie ohne den politischen Druck etwas gemacht hätten oder ob es viel-
302
leicht länger gedauert hätte, bis sie etwas gemacht hätten.
303
Kann das auch mit Personen zu tun haben, die in der SNB sind? Dass vielleicht andere Per-
304
sonen an der Spitze anders reagiert hätten?
305
Das ist schwierig zu sagen. Ich habe das zu wenig verfolgt. Aber es ist sicher so, seit
306
Herr Hildebrand ging, hatte der Euro-Schweiz nie wieder die 1,24 gesehen. Und als er
307
noch da war, waren wir mehrere Male in Richtung 1,25 gegangen, auch im Hinblick da-
308
rauf, dass die SNB den Level auf 1,25 erhöhen wird. So wie ich es aus den Medien ver-
309
standen habe, war Herr Hildebrand die treibende Kraft. Und als er nicht mehr da war,
310
hatten die Leute der SNB etwas anders reagiert. Also seit damals ist die Spekulation um
311
einen Increase dieses Levels abgeflaut.
312
Wie beurteilen Sie die Tatsache, dass die SNB auf Druck der Politik reagierte?
313
Wie gesagt, bei einem freien Markt müsste man sich so wenig wie möglich einmischen.
314
Und die Unternehmen müssen sich langfristig anders organisieren können. Nicht, dass
315
man abhängig ist von einer SNB, die den Kurs stützt.
316
Also hätte die SNB dem Druck standhalten sollten und eher nicht reagieren, rein nach dem
317
Prinzip des freien Marktes?
318
Ja das sind natürlich ganz unterschiedliche Faktoren, die hier reinspielen. Ich kann es
319
nachvollziehen, ich war bei dieser Entscheidung etwa 50:50. Von daher, ich kann nach-
320
vollziehen, dass das gemacht wurde. Aber ich hätte auch nichts dagegen gehabt, wenn
321
nach dem Prinzip des freien Marktes nichts passiert wäre.
322
Also wäre auch das Ihrer Meinung nach in Ordnung gewesen?
323
Ja es ist halt eine Intervention, und dass wäre meiner Meinung nach nicht unbedingt nö-
324
tig gewesen.
325
Dann bin ich mit meinen Fragen durch. Gibt es von Ihnen aus noch etwas zum Thema, das
326
wir noch nicht angesprochen haben, wovon Sie denken, es wäre noch wichtig?
327
Nein, ich denke das ist so weit ok. Wie gesagt, wenn Sie noch Fragen haben, dürfen Sie
328
gerne auf mich zukommen.
329
Sehr gerne. Gut, dann beende ich hier das Interview.
81
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
Transkription Interview Mathias Zurlinden, SNB, vom 3. Mai 2012
1
Als erstes, was ist Ihre Funktion hier in der SNB?
2
Ich arbeite in der Gruppe „Geldpolitische Analysen“ im Bereich Volkswirtschaft. Wir be-
3
schäftigen uns mit Indikatoren wie Zinssätzen, Wechselkursen, Inflationserwartungen
4
sowie Geld- und Kreditaggregaten. Das sind im Wesentlichen die monetären Indikato-
5
ren.
6
Dann habe ich das Gefühl, ich bin genau richtig bei Ihnen für die Thematik meiner Arbeit.
7
Meine Einstiegsfrage: Was sind Ihre Aufgaben hier bei der SNB?
8
Wir leisten mit der Analyse der monetären Indikatoren einen Beitrag zu den Entschei-
9
dungsgrundlagen des Direktoriums. Dazu kommen verschiedene weitere Aufgaben und
10
Projekte. Zurzeit schreibe ich zusammen mit einer Kollegin an der Dokumentation eines
11
kleinen DSGE [dynamic stochastic general equilibrium] Modells der Schweizer Volks-
12
wirtschaft.
13
Hat sich irgendetwas geändert seit dem 6. September?
14
Die grundsätzlichen Aufgaben bleiben dieselben, auch wenn sich die Fragestellungen
15
natürlich fortlaufend verändern. Eher grössere Veränderungen als bei uns haben sich
16
bei der Implementierung der Geldpolitik ergeben, das heisst im Bereich „Geldmarkt und
17
Devisenhandel“.
18
Das Mindestkursziel, welches wir seit rund einem halben Jahr haben, was sehen Sie jetzt
19
schon für Auswirkungen generell in der Volkswirtschaft?
20
Der Mindestkurs hat die massive Überbewertung des Schweizerfrankens reduziert. Zu-
21
dem hat er die vorher sehr starken Wechselkursschwankungen verringert. Beides hat
22
der Schweizer Wirtschaft geholfen. Wenn wir die Zahlen für das Wirtschaftswachstum
23
anschauen, so sehen wir, dass sich das BIP besser entwickelt hat als man damals be-
24
fürchten musste. Die ersten Schätzungen des SECO für das Wirtschaftswachstum im 4.
25
Quartal 2011 liegen zwar mit 0,4% recht tief. Vor dem Hintergrund des Gesamtbilds der
26
Konjunkturindikatoren möchte ich aber nicht ausschliessen, dass diese Schätzung nach
27
oben korrigiert werden wird. Wir gehen zudem davon aus, dass das Wachstum auch im
28
1. Quartal 2012 positiv war.
29
In welcher Höhe?
30
Das wird davon abhängen, ob gleichzeitig die Schätzung für das 4. Quartal korrigiert
31
wird. Werden die 0,4% für das 4. Quartal unverändert gelassen, so dürfte das Wachs-
32
tum im 1. Quartal gestiegen sein. Für das Jahr 2012 insgesamt erwarten wir zurzeit ein
33
BIP-Wachstum von gegen 1%. Das ist die Zahl, die Nationalbankpräsident Thomas Jor-
34
dan im April an der Generalversammlung der Aktionäre genannt hat.
82
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
35
Wie sehen Sie die Auswirkungen auf die verschiedenen Branchen der Volkswirtschaft, auf
36
die Banken und den Staat?
37
Die Exportwirtschaft hat vom Mindestkurs den grössten Nutzen gezogen. Indirekt haben
38
aber fast alle Teile der Wirtschaft profitiert. Ohne die Korrektur der Überbewertung des
39
Frankens hätten Produktion und Beschäftigung sicher stärker gelitten als dies effektiv
40
der Fall gewesen ist, zumal mehrere europäische Länder in den letzten beiden Quarta-
41
len einen Rückgang des BIP registrierten. Was die Banken betrifft, so wären im Falle ei-
42
ner Rezession die Kreditausfälle gestiegen. Beim Staat wiederum wären die Steuerein-
43
nahmen gesunken.
44
Können Sie noch etwas zu den privaten Haushalten sagen, was sich dort geändert hat nach
45
dem Mindestkursziel?
46
Umfragen zeigen, dass die Stimmung der privaten Haushalte besser geworden ist. Unter
47
Annahme eines seit August unveränderten Wechselkurses wäre die Arbeitslosigkeit
48
heute wohl höher und die Einkommens- und Beschäftigungsaussichten wären schlech-
49
ter. Keinen Einfluss hatte der Mindestkurs auf das Zinsniveau und damit die Mieten.
50
Beim ganzen Vorgehen der SNB, das Wechselkursziel selber und auch vorher, das kann ich
51
sicher vorne wegnehmen, da resultiert eine massive Geldmengenerhöhung, und das Ganze
52
erhöht dann die Inflationsgefahr. Ist das korrekt soweit?
53
Die Nationalbank hat auf eine Ausdehnung der Geldnachfrage mit einer Ausdehnung
54
des Geldangebots reagiert. Grundsätzlich gibt das noch keine Inflation. Anders ist es,
55
sollte die SNB den Zeitpunkt der rechtzeitigen Abschöpfung der zusätzlichen Liquidität
56
verpassen. Wenn die Geldnachfrage wieder zurückgeht und die Notenbankgeldmenge
57
unverändert hoch bleibt, würde die Inflationsgefahr zunehmen. Auch wenn das Vertrau-
58
en in die Geldpolitik der Nationalbank leidet und die Inflationserwartungen deutlich stei-
59
gen, hätten wir eine Inflationsgefahr.
60
Wenn die SNB das Geldangebot zurücknehmen möchte, weil die Nachfrage nicht mehr so
61
gross ist, wäre das dann das Ende des Wechselkursziels? Wäre das dann in dem Sinne
62
nicht mehr nötig?
63
Der Idealfall wäre natürlich, dass die Gründe, die zur Flucht in den Schweizerfranken ge-
64
führt haben, verschwinden. Dies hätte einen schwächeren Schweizerfranken zur Folge,
65
das heisst der Wechselkurs würde steigen. Der Wechselkurs würde sich vom Mindest-
66
kurs wegbewegen und der Mindestkurs würde an Bedeutung verlieren. Für den Abbau
67
der Liquidität stehen verschiedene Instrumente zur Verfügung. Die Nationalbank kann
68
Devisen verkaufen und SNB-Bills ausgeben. Sie kann auch Repo- und Swapgeschäfte
69
einsetzen. Technisch ist es kein Problem, die Liquidität abzuschöpfen.
70
Was würde bei einer Inflation passieren? Vielleicht je nachdem wie hoch die Inflation ausfal-
71
len würde?
83
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
72
Die Folgen wären die bekannten Kosten der Inflation. Bei einer Inflation, die nicht antizi-
73
piert ist, verlieren beispielsweise die Anleger mit Obligationen, während die Obligatio-
74
nenschuldner gewinnen. Ausserdem ist die Wiederherstellung der Preisstabilität in der
75
Regel mit temporären Produktions- und Beschäftigungsverlusten verbunden.
76
Wie hoch könnte die Inflation ausfallen?
77
Das hängt sehr stark von den Umständen ab. Man darf zudem nicht vergessen, dass es
78
nicht nur Inflations- sondern auch Deflationsrisiken gibt. Die beiden halten sich zurzeit
79
ungefähr die Waage. Die von KOF, BAK, SECO, IWF, OECD, UBS und CS publizierten
80
Inflationsprognosen für die Schweiz betragen im Durchschnitt -0,3% für das Jahr 2012
81
und 0,8% für das Jahr 2013. Das deckt sich weitgehend mit unseren Erwartungen.
82
Sie haben die Deflation angesprochen. Was müsste passieren, damit es eine Deflation gibt?
83
Negative Shocks, das heisst zum Beispiel eine Rezession in Europa, können dazu füh-
84
ren, dass die Teuerungsraten in den negativen Bereich rutschen. Die Prognosen deuten
85
zurzeit jedoch auf weitgehend stabile Preise hin.
86
Also ist in Zukunft weder eine Inflation noch eine Deflation zu erwarten?
87
Das ist, was die Prognosen zurzeit sagen. Die Unsicherheit ist allerdings sehr gross. Sie
88
ist nach wie vor grösser als vor Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise.
89
Bei dieser Geldangebotserhöhung, was gäbe es da für andere Folgen, wenn eine Inflation
90
nicht zu erwarten ist? Was könnte die Geldangebotserhöhung auf die Volkswirtschaft sonst
91
für Auswirkungen haben?
92
Das Spiegelbild der starken Ausdehnung der Geldmenge sind die historisch tiefen
93
Zinssätze. Daraus ergeben sich Schwierigkeiten bei der Finanzierung der zweiten Säule
94
der Altersvorsorge. Es ist schwierig geworden, mit Obligationenanlagen eine zufrieden-
95
stellende Rendite zu erzielen. Ausserdem steigt mit den tiefen Zinssätzen das Risiko ei-
96
ner Preisblase am Immobilienmarkt. Das Wachstum der Hypothekarkredite ist bereits
97
seit längerer Zeit sehr hoch. Daraus ergeben sich gewisse Sorgen um die Finanzstabili-
98
tät.
99
Wie beurteilen Sie ganz generell das aktuelle Zinsniveau?
100
Die tiefen Zinssätze am Geldmarkt sind zum Teil ein Ausgleich für die Überbewertung
101
des Frankens. Ohne die tiefen Zinssätze wären die monetären Bedingungen bei der ak-
102
tuellen Überbewertung des Frankens zu restriktiv. Natürlich ist die Situation nicht ideal.
103
Im Idealfall hätte man den Wechselkurs nahe bei seinem langfristigen Gleichgewichts-
104
pfad und die Zinssätze auf ihrem normalen Niveau.
105
Wird sich der Leitzins in Zukunft verändern?
106
Gewisse Hinweise ergeben sich aus der Inflationsprognose der Nationalbank, die jeweils
107
im Anschluss an die vierteljährliche geldpolitische Lagebeurteilung publiziert wird. Diese
108
Inflationsprognose basiert auf der Annahme eines über die nächsten zwölf Quartale
84
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
109
konstanten kurzfristigen Zinssatzes. Die im März publizierte Prognose zeigt, dass die In-
110
flation bei einem bei null gehaltenen Zinssatz nur leicht ansteigen dürfte. Sie liegt am
111
Ende des Prognosehorizonts leicht unter 1% und damit im Bereich der Preisstabilität.
112
Diese bedingte Inflationsprognose impliziert somit die Erwartung, dass der Leitzins noch
113
eine Weile tief bleiben wird.
114
Wenn wir irgendwann wieder einen deutlich höheren Zinssatz haben, was sind dann wiede-
115
rum die Folgen für die Schweizer Volkswirtschaft im generellen?
116
Man versucht, den Zinssatz letztlich so festzulegen, dass die Inflation mittelfristig zwi-
117
schen 0% und 2% liegt und das BIP dem Produktionspotenzial entspricht. Die Zinssätze
118
werden mit anderen Worten gerade soweit angepasst, als dies notwendig ist, um das
119
Schiff auf Kurs zu halten. Idealerweise greift die Geldpolitik mit ihren Zinsanpassungen
120
so ein, dass die Preisstabilität erhalten und die Produktionslücke geschlossen bleibt.
121
Also ist der Zinssatz mehr eine Reaktion auf die Marktverhältnisse und nicht umgekehrt?
122
Der Zins reagiert auf die Wirtschaftslage und beeinflusst seinerseits die Wirtschaftslage.
123
Die Taylor-Regel illustriert dies schön. Der geldpolitische Zinssatz aus der Taylor-Regel
124
reagiert auf Abweichungen vom Inflationsziel und vom Produktionspotenzial. Er wird so
125
gesetzt, dass diese Abweichungen wieder korrigiert werden.
126
Nochmals zum Wechselkursziel. Verstehe ich Sie richtig, dass das Kursziel im Prinzip Ihrer
127
Meinung nach nicht geändert werden müsste?
128
Der Mindestkurs ist ein Instrument für eine Extremsituation, das heisst eine extreme, mit
129
einer Deflationsgefahr verbundene Überbewertung der eigenen Währung. Das war auch
130
1978 so. Es geht nicht um eine Feinsteuerung des Wechselkurses zum Beispiel entlang
131
eines Kaufkraftparitätenpfads. Das wäre zu riskant. Man versucht deshalb nicht, den
132
Mindestkurs beim vermuteten, die makroökonomischen Fundamentalfaktoren wider-
133
spiegelnden Gleichgewichtsniveau festzulegen…
134
…sondern einfach, das schlimmste zu verhindern?
135
Genau. Der Mindestkurs liegt höher als der im August registrierte Wechselkurs, aber tie-
136
fer als der geschätzte Gleichgewichtskurs. Man trägt damit der Unsicherheit über den
137
geschätzten Gleichgewichtskurs Rechnung. Zudem ist damit die Ankündigung, den Min-
138
destkurs mit Interventionen zu verteidigen, glaubwürdiger und die Wahrscheinlichkeit
139
von spekulativen Attacken geringer.
140
Wie steht die Chance auf eine baldige Anpassung des Wechselkurses?
141
Der Schweizerfranken ist nach wie vor deutlich überbewertet. Von daher gibt es sicher
142
Spielraum, dass er sich abschwächt, falls sich die Situation in der Eurozone wieder nor-
143
malisiert und sich eine Lösung der Probleme abzeichnet, die zur Flucht in den Franken
144
geführt haben.
85
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
145
Und eine Anpassung des Wechselkursziels der SNB, ist es realistisch in näherer Zukunft,
146
dass man von diesen 1,20 nach oben oder unten korrigiert?
147
Darüber muss das Direktorium der Nationalbank entscheiden.
148
Sie haben bereits das Jahr 1978 angesprochen, da hat es eine ähnliche Situation gegeben.
149
Inwiefern ist die heutige Situation damit vergleichbar?
150
Wir hatten auch damals eine massive Überbewertung des Schweizerfrankens. Das Ver-
151
trauen der Märkte in die amerikanische Geldpolitik stand auf einem Tiefpunkt und der
152
Franken gewann sowohl gegenüber dem US-Dollar als auch der Deutschen Mark stark
153
an Wert. Ausserdem legte die Nationalbank die Wechselkursuntergrenze auch damals
154
unter dem vermuteten Gleichgewichtskurs fest. Das sind sicher die Hauptparallelen zu
155
heute.
156
Anfang der 1980er-Jahre hatte man ja dann eine Inflation gespürt, und Sie erwarten jetzt
157
keine Inflation. Wo ist der Unterschied von heute zu damals?
158
Damals war die Situation so, dass die Nationalbank Anfang Oktober 1978 eine Wech-
159
selkursuntergrenze gegenüber der Deutschen Mark ankündigte. Sie musste diesen Min-
160
destkurs zunächst mit umfangreichen Devisenkäufen verteidigen. Die Situation beruhig-
161
te sich aber relativ rasch und der Franken stieg deutlich über den Mindestkurs. Bereits
162
im Verlauf des 1. Quartals 1979 begann man, die Liquidität wieder abzubauen. Im Mai
163
oder Juni lag die Notenbankgeldmenge bereits wieder ungefähr auf dem Niveau vom
164
September 1978. Die zusätzlich geschaffene Liquidität war also nur wenige Monate im
165
Markt. Verschiedene Ökonomen begründen den Anstieg der Inflation zu Beginn der
166
1980er-Jahre deshalb nicht mit dem Mindestkurs, sondern damit, dass die Geldmenge
167
schon vor dessen Ankündigung zu hoch war. Man hat sich damals letztlich einfach ge-
168
täuscht und die Liquidität im Jahr 1979 zu wenig stark zurückgefahren. Wir hoffen natür-
169
lich, wir täuschen uns heute nicht.
170
Hat die SNB gewisse Lehren gezogen aus diesen Ereignissen?
171
Die Wechselkursuntergrenze von 1978 wurde im Allgemeinen positiv beurteilt. Interes-
172
santerweise bezeichnete der damalige Nationalbankpräsident den Mindestkurs im
173
Nachhinein in einem Interview jedoch als Fehler. Er machte damit deutlich, dass ein
174
Mindestkurs kein Allheilmittel ist und mit Risiken verbunden ist. Es fällt zudem auf, dass
175
die Nationalbank in den folgenden drei Jahrzehnten, das heisst praktisch bis 2009 nur
176
sehr selten und zumeist in relativ kleinen Beträgen am Devisenmarkt interveniert hat.
177
Diesen Fragebogen stelle ich auch Leuten, die zum Beispiel von einer Geschäftsbank sind.
178
Da habe ich ja jetzt einen interessanten Vergleich. Die nächsten Fragen sind zur SNB selbst.
179
Ich stelle die Fragen gerne genau gleich auch Ihnen: Wie beurteilen Sie das Verhalten rund
180
um das Wechselkursziel und auch vorher?
86
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
181
Die Nationalbank hat in einer ausserordentlich schwierigen Situation teilweise unkonven-
182
tionelle Massnahmen getroffen. Der Grund für die unkonventionellen Massnahmen lag
183
unter anderem darin, dass die Geldmarktzinsen bereits nahe null lagen und damit kaum
184
mehr viel weiter gesenkt werden konnten. Im August 2011 war der Franken massiv
185
überbewertet. Gleichzeitig hatte sich die konjunkturelle Lage eingetrübt. Daraus ergab
186
sich eine Bedrohung für unsere Wirtschaft und das Risiko einer deflationären Entwick-
187
lung. Die Nationalbank reagierte damit, dass sie die Frankenliquidität in mehreren Schrit-
188
ten stark ausweitete, um die Zinssätze so weit wie möglich zu senken und den Franken
189
zu schwächen. Der Franken gab zunächst nach, gewann aber unter dem Einfluss anhal-
190
tend negativer Meldungen aus dem Ausland erneut an Stärke. Die Nationalbank sah
191
sich deshalb am 6. September veranlasst, den Mindestkurs von 1,20 gegenüber dem
192
Euro anzukündigen. Aus meiner Sicht ist es für eine abschliessende Beurteilung dieser
193
Massnahmen zurzeit noch zu früh. Dies gilt insbesondere für den Mindestkurs, der ja
194
nach wie vor volle Gültigkeit hat.
195
Es ist ja spannend, dass die SNB alleine mittels Kommunikation auf den Märkten schon eini-
196
ges bewirken kann. Was sagen Sie hierzu? Ist das korrekt?
197
Die Nationalbank kann die monetären Rahmenbedingungen verändern, weshalb die Fi-
198
nanzmärkte genau hinhören, wenn die Nationalbank sich zur Geldpolitik äussert. Der
199
Mindestkurs liefert ein Beispiel. Die Nationalbank kann einen Mindestkurs verteidigen,
200
indem sie unlimitiert Devisen kauft. Die Märkte wissen dies, weshalb die blosse Ankün-
201
digung eines Mindestkurses sofort Wirkung zeigt.
202
Jetzt ganz naiv gefragt: Könnte man dann nicht versuchen, den Wechselkurs alleine mit
203
Kommunikationsmassnahmen auf ein gesundes Niveau zu bringen?
204
Ankündigungen müssen glaubwürdig sein, damit sie wirksam sind. Eine Zentralbank
205
muss bereit sein, ihren Ankündigungen Taten folgen zu lassen. Wenn die Märkte daran
206
zweifeln, dass eine Zentralbank ihre Drohungen wahrmacht, werden sie eine spekulative
207
Attacke lancieren. Eine allein auf Worten abstellende Politik ist deshalb auf die Dauer
208
kaum möglich.
209
Zur Rolle der Schweizerischen Nationalbank: Die ist ja gesetzlich festgelegt. Unter anderem
210
die Wahrung der Preisstabilität, und das immer unabhängig. Jetzt frage ich etwas frech: Hat
211
die SNB mit diesem Wechselkursziel nun doch auf Druck der Politik gehandelt?
212
Die Nationalbank hat gemäss ihrem Auftrag gehandelt. Dieser bestimmt, dass sie ihre
213
Geldpolitik so zu gestalten hat, dass die Preisstabilität erhalten bleibt und die Wirtschaft
214
sich angemessen entwickelt.
215
216
217
Also hat die SNB nach wie vor völlig unabhängig reagiert zum Wohle der Schweiz?
Ja, das sehe ich so.
Ich danke Ihnen für das Gespräch.
87
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
Transkription Interview ehemaliger Leiter Risk Management Group Treasury, UBS, vom 8. Mai 2012
1
Welche Aufgaben hattest du an deinem letzten Arbeitsplatz?
2
Meine Aufgabe bei der UBS war es, vielfältig zu sein. Als relevant für diese Arbeit be-
3
trachte ich die folgenden beiden Aspekte: Zum einen war ich verantwortlich für die Zins-
4
risiken, welche sich aus der Bewirtschaftung der Bankbilanz ergaben, und zwar weltweit
5
und in allen Währungen. In diesem Zusammenhang haben das Wechselkursziel und die
6
damit verbundene Zinspolitik einen Einfluss auf die Art und Weise, wie wir gewirtschaftet
7
haben, aber auch, wie wir die Zinsrisiken modelliert haben. Der andere Aspekt ist fol-
8
gender: Wir sind verantwortlich für die Bewirtschaftung von Fremdwährungsrisiken, die
9
sich aus den betrieblichen Aktivitäten der Bank ergeben. Ein Beispiel: Inwiefern hat die
10
Bank FX-Risiken aus Euro-Erträgen, die sie in der Schweiz generiert, abgesichert, auf-
11
grund der Tatsache, dass sie die Kosten in der Schweiz in Schweizerfranken hatte? Es
12
ist offensichtlich, dass 100 Euro bei einem Kurs von 1,50 mehr Schweizerfranken erga-
13
ben, um unsere in Franken angefallenen Kosten zu decken, als bei einem Euro von
14
1,20. Es hat sich also die Frage gestellt: Soll das Unternehmen in einem aktiveren Aus-
15
mass, in einem proaktiveren Ausmass – also in der Vergangenheit – sich gegen zukünf-
16
tige FX-Schwankungen antizyklisch absichern? Also nochmals zusammengefasst, die
17
Zinsrisiken-Bewirtschaftung einerseits und die Absicherung von Devisenrisiken aus dem
18
bankeigenen Geschäft andererseits.
19
Ob sich das verändert hat? Offensichtlich, als der Euro bei 1,20 fixiert wurde, sind keine
20
grossen Aktivitäten mehr relevant geworden für die Absicherung auf Devisen-Seite.
21
Denn, man geht heute davon aus, dass der Kurs im Moment bei 1,20 verharren wird.
22
Das Potenzial nach oben ist eher schlecht beziehungsweise bescheiden. Das hat man in
23
den letzten paar Wochen gesehen. Aber auch mit Attacken nach unten, als die Natio-
24
nalbank bei 1,1917 erwischt wurde, auch nach unten ist es limitiert. Von daher ist es e-
25
her statischer geworden, was die FX-Risiken anbelangt. Auf der Zinsseite ist die Konse-
26
quenz, dass mit dem Wechselkursziel und dem starken Schweizerfranken insgesamt die
27
Zinsen am kurzen Ende ins Negative rutschten. So hat man sich die Frage gestellt, wie
28
man die Kundengelder, die uns kurzfristig anvertraut werden, wie werden die so bewirt-
29
schaftet, dass der Zins dem Kunden bezahlt werden kann und wir dabei noch etwas
30
verdienen können. Das waren die beiden grossen Fragestellungen, die uns beschäftig-
31
ten.
32
Was denkst du, was gibt es jetzt schon für Auswirkungen des Wechselkursziels auf die priva-
33
ten Haushalte?
88
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
34
Es ist ganz klar, was man überall sieht. Der Euro-Schweiz ist sehr günstig, Das heisst,
35
ein Teil des Konsums wird sich ins Ausland verlagern. Ob das jetzt der grenznahe Ein-
36
kaufstourismus ist oder der vermehrte Einkauf übers Internet im Ausland, im Euro-
37
Raum, das ist sicher ein Treiber. Ich glaube, vor allem die grenznahen Haushalte profi-
38
tieren massiv und verschieben den Konsum ins Ausland.
39
Was gibt es bei den Banken bereits für Auswirkungen?
40
Die Konsequenz dieses Euro-Schweiz ist an und für sich, dass die Zinsen mit der Aus-
41
weitung der Geldmenge ins Negative rutschten. Da hat sich die Frage gestellt, wie die
42
Banken die Zinsmarge, welche sie verdient, halten können oder allenfalls sogar auswei-
43
ten können. Meine persönliche Einschätzung ist, dass die Banken aufgrund des tiefen
44
Zinsumfeldes in der nächsten Reporting-Periode – das sind mehrere Quartale oder so-
45
gar Jahre – mit rückläufigen Zinsen rechnen muss. Ausser die Banken sind bereit, eine
46
vermehrte Fristentransformation einzugehen, und – in der Erwartung eines weiterhin
47
starken Schweizerfrankens und als Konsequenz dieser tiefen Zinsen – vermehrt Zins-
48
transformationsrisiken einzugehen. Das sieht man auch in den verschiedenen Reports
49
der Nationalbank. Im Financial Stability Report hat man schon im Jahr 2010 gesehen,
50
dass dort das Ausmass an Risiken, welche die Banken eingehen – und zwar in allen
51
Bankensegmenten – deutlich grösser wurden.
52
Was hatte das Mindestkursziel in den letzten rund sechs Monaten in den Unternehmen für
53
Auswirkungen?
54
Ich denke, die Unternehmen haben vielfältige Probleme, mit denen sie sich auseinan-
55
dersetzen müssen. Eine Frage war sicher: Inwiefern kann ich meine Kosten in der
56
Schweiz reduzieren? Kann ich einen Teil der Kosten ins Ausland verschieben? Ich hätte
57
erwartet, dass in der Schweiz mehr Arbeitsplätze verloren gehen und im grenznahen
58
Ausland produziert wird. Erstaunlicherweise scheint das nicht gross der Fall zu sein. Für
59
mich ist dann die Konsequenz, dass die Exportindustrie – ähnlich wie Banken – mit tiefe-
60
ren Margen rechnen muss. Das heisst, die Rendite in den Unternehmen ist wohl im
61
Moment tiefer als noch vor zwei Jahren, als der Euro irgendwo bei 1,40, 1,45 war.
62
Hat sich bei der SNB schon etwas verändert in den letzten sechs Monaten, vor allem auf
63
finanzieller Seite?
64
Ich nehmen an, alle Aspekte betreffend Bilanzsummenausweitung und negativem Ei-
65
genkapital, das sind Fragen, die du in der Zeitung auch gelesen hast. Ich glaube, die
66
Nationalbank hat sich primär aus einer eher zurückhaltenden Rolle in eine sehr aktive
67
Rolle gezwungen gesehen. Das heisst, die Nationalbank muss heute viel mehr Politik
68
betreiben, die ausserhalb ihres Fokus ist, der ja eigentlich die tiefe Inflation war. Das
69
heisst, sie macht heute eine vielfältigere Politik, bei der sie mehr Aspekte des Wirt-
70
schaftssystems optimieren muss als früher. Es ist eine viel proaktivere Politik geworden.
89
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
71
Das ist dem Fed. sehr ähnlich. Die haben ja nicht nur eine stabile Inflation als Ziel, son-
72
dern die wollen primär das Wirtschaftswachstum fördern. Da ist eine sehr aktive SNB-
73
Politik relevant. Die wurde auch zu Recht gewählt. Das gibt der SNB heute eine viel
74
grössere Rolle, als sie noch vor zwei bis drei Jahren hatte.
75
Was hat das Mindestkursziel für Auswirkungen auf den Staat gezeigt?
76
Ich glaube, die Konsequenz aus den tieferen Gewinnen der Unternehmen werden sicher
77
tiefere Steuererträge sein. Man hat diese Konjunkturförderungsmassnahmen diskutiert,
78
die der Bundesrat in Erwägung zog. Da hat man ja hunderte von Millionen Franken an
79
Investitionen vorgezogen. Man hat Zahlungen für Teilzeitarbeitslose verlängert. Der
80
Staat hat deutlich höhere Kosten bei tieferen Erträgen. Das ist sicher die direkte Konse-
81
quenz dieses Wechselkursziels beziehungsweise vom starken Schweizerfranken insge-
82
samt.
83
Alles, was die SNB bis jetzt schon gemacht hat – das Wechselkursziel und auch die Eingriffe
84
vorher – hat das Geldangebot erhöht. Lässt das die Inflationsgefahr steigen?
85
Das ist eine sehr interessante Aussage. Das ist mehrheitsfähig, man liest das überall.
86
Ich habe hier eine etwas andere Einschätzung und möchte an dieser Stelle auf das Bei-
87
spiel der Bank of Japan hinweisen. Die versuchen seit 20 Jahren krampfhaft, mit einer
88
Nullzinspolitik eine Inflation zu generieren. Ich glaube nicht, dass es kurzfristig zu einem
89
deutlichen Anstieg der Inflation kommen wird, denn der starke Schweizerfranken führt zu
90
einer negativen importierten Inflation. Ich glaube, solange die gestiegene Geldmenge –
91
die geschaffen wurde durch die Massnahmen der Nationalbank – nicht in den Wirt-
92
schaftskreislauf fliesst, sei es in Form von vermehrter Kreditnachfrage der Unternehmen
93
oder in Form der Ausweitung der Bankbilanzen, in dem die Banken mehr Hypotheken
94
und Kredite gewähren, dann sehe ich das Risiko einer massiv erhöhten Inflation nicht.
95
Ich denke, wir gehen eher durch eine deflationäre Phase. Das ist für mich das Horror-
96
szenario für die Volkswirtschaft, eine Deflation, wie es in Japan zu sehen ist, aus der
97
man einfach nicht mehr herauskommt. Von daher bin ich kein Anhänger des Glaubens,
98
dass die Inflation in kurzer oder mittelfristiger Zeit massiv anziehen wird.
99
100
Gut, dann passe ich die kommenden Fragen am besten etwas an. Falls es eine Deflation
gibt – was du ja eher erwartest als eine Inflation – wie stark würde diese ausfallen?
101
Im Moment haben wir ja schon fast eine negative Inflation – sprich Deflation. Das Prob-
102
lem ist, das Wort Deflation wird bewusst nicht in den Mund genommen. Dieses Wort hört
103
eigentlich niemand gerne. Die Konsequenz der Deflation ist klar: Wenn ich heute etwas
104
kaufe, dann bezahle ich mehr als wenn ich es morgen kaufe. Das heisst, der Konsum
105
wird zurückgehen, die Investitionsneigung der Industrie wird rückläufig sein, es werden
106
keine neuen Arbeitsplätze geschaffen. Wie gross kann die Deflation ausfallen? Das ist
107
extrem schwer zu beurteilen. Wir sind bereits bei einer negativen Inflation. Ich habe hier
90
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
108
gar keine Erfahrung, aber ich glaube, wir werden sehr lange mit einer leicht negativen
109
oder zumindest mit einer Null-Inflation konfrontiert sein in der Schweiz.
110
Das ist deiner Meinung nach realistisch in Zukunft?
111
Ja, das ist realistisch. Das ist auch bereits die Realität heute. Wir haben diese negativen
112
Inflationszahlen.
113
Und es ist realistisch, dass das längerfristig so bleibt?
114
Das Beispiel von Japan zeigt, dass die keine Inflation haben. Und gerade mit diesem
115
Problemen, die wir im europäischen Umfeld haben – wo wir einerseits diese Autoritäts-
116
anhänger haben, die sagen, man müsse den Staat entschulden, um zu sparen und den
117
Leuten, die heute nach Konjunkturförderungsprogrammen schreien – wird der Schwei-
118
zerfranken sehr stark bleiben. Je länger der Franken stark bleibt und die Nationalbank
119
nicht von diesem 1,20-Ziel weg kann, kann meiner Meinung nach die negative Inflation
120
je länger je mehr zum Problem werden.
121
Wie könnte man dieser negativen Inflation entgegenwirken?
122
Eigentlich mit tiefen Zinsen, aber die haben wir schon. Das Problem ist folgendes: Nega-
123
tivzinsen einzuführen ist etwas, wo sich die Nationalbank sehr gut überlegen muss, ob
124
sie das will. Es könnte dazu führen, dass die Kunden das Geld von der Bank zurückzie-
125
hen, was bei den Banken zu Refinanzierungsproblemen führen könnte. Es gab in
126
Schweden bereits eine Phase mit negativen Staatszinsen und negativen Zentralbank-
127
zinsen – die waren glaub ich ein halbes Prozent negativ. Dort konnte man nicht be-
128
obachten, dass die Kunden das Geld zurückziehen und unter die Matratze legen. Aber
129
als eine der Konsequenzen sehe ich wirklich, dass die Refinanzierung der Banken nega-
130
tiv tangiert werden könnte, wenn die Zinsen nachhaltig negativ bleiben. Also eben, es ist
131
das Tiefzinsumfeld, und das andere ist der Konjunkturanreiz für Investitionen. Man
132
müsste quasi durch den Staat Steuersubventionen geben, falls man heute investiert.
133
Das wäre noch eine Möglichkeit. Und das andere ist: Aufschwung beginnt im Kopf. Es
134
liegt an jedem Einzelnen von uns, den Aufschwung durch Stärkung des Konsums oder
135
durch Beibehalten des Konsums zu unterstützen.
136
Wie kann man die Leute dazu zwingen?
137
Zwingen kann man sie nicht. In Amerika werden immer wieder Steuersenkungen vorge-
138
nommen, das wäre sicher ein Thema.
139
Aber sparen die Leute dann nicht einfach mehr?
140
Meine persönliche Einschätzung ist, wenn die Leute Geld haben, dann geben sie es
141
auch aus. Viele Leute geben heute das Geld aus und sparen weniger. Ich glaube, das
142
ist ein Generationen-Phänomen. Vor 20 bis 30 Jahren haben die Leute das Geld ge-
143
spart, auf die hohe Kante gelegt. Heute wird das Geld viel eher ausgegeben. Von daher
144
wäre das effektiv ein Anreiz, welcher den Konsum positiv unterstützen würde.
91
Bachelorarbeit
145
Stefan Reinli
Hat die Geldangebotserhöhung noch andere Auswirkungen als die negative Inflation?
146
Auf der SNB-Seite, das haben wir ja besprochen, gab es teilweise sogar negatives Kapi-
147
tal. Es stellte sich die Frage der Stabilität der Nationalbank. Man musste sich auch fra-
148
gen, inwiefern die Nationalbank diese Politik alleine betreiben kann. Die Politik ist ja
149
schlussendlich zentral für das ganze Wirtschaftssystem. Wie stark wird die Nationalbank
150
in Zukunft reglementiert? Was war die Frage nochmals?
151
Was die Geldmengenerhöhung neben der Deflation noch für Auswirkungen haben könnte.
152
Bei Banken und Unternehmen gibt es sicher schrumpfende Erträge, vor allem bei Ban-
153
ken und Versicherungen. Ich habe mir noch die Frage notiert, was die Konsequenzen für
154
die 3. Säule sind, für die AHV, für Versicherungen, welche letztendlich einen Anlageer-
155
trag generieren müssen, um ihre Rentabilität zu halten. Da sehe ich enorme Probleme
156
auf uns zukommen. Wenn wir ein Tiefzins-Niveau haben, wie wird sich das letztendlich
157
auf unser Sozialsystem niederschlagen? Wir werden älter und die Renditen sinken. Da
158
wird sich entweder das Rentenalter erhöhen, oder aber die Rentenhöhe wird sinken.
159
Das sind sicher Fragestellungen, die auf uns zukommen. Das ist etwa das, was mir
160
gleich so ad hoc in den Sinn kommt, was ich als extrem kritisch betrachte.
161
Eine Frage zum Wechselkursziel: Ist das momentan an der richtigen Stelle bei 1,20, oder
162
sollte es eher höher oder tiefer angesetzt werden?
163
Ich glaube, es gab eine Phase, kurz nachdem das im September eingeführt wurde, da
164
hoffte man, auf 1,25 oder sogar 1,30 erhöhen zu können. Die Nationalbank hatte da eine
165
sehr grosse Glaubwürdigkeit. Unterdessen, mit der ausbleibenden wirtschaftlichen Erho-
166
lung in Europa und den Spannungen, die sich in den südeuropäischen Ländern ergeben
167
– die müssen ja jetzt die Staatsausgaben reduzieren, zum Beispiel Spanien und Grie-
168
chenland, da hat man Jugendarbeitslosigkeit von bis zu 50% – da wird der Druck auf
169
den Schweizerfranken weiterhin stark bleiben. Daher betrachte ich im Moment, nach der
170
Opportunity im 3. und 4. Quartal 2011, die Chance auf eine Erhöhung des Ziels als sehr
171
sehr klein. Man hat gesehen, dass die Märkte ausprobieren, ob die Nationalbank „Ge-
172
wehr bei Fuss“ ist, damals über die Feiertage vor ein paar Wochen. Da hatte man ja die
173
1,20 getestet. Im Moment sehe ich keine Chance, dass die Nationalbank signifikant von
174
den 1,20 abrücken kann, denn es ist am Markt momentan einfach nicht realistisch. Dazu
175
kommt, dass die Inflation in Europa eher zunimmt. Deutschland hat eine Inflation von 3
176
bis 3,5%. Das heisst, je länger wir die 1,20 haben, je länger die Zeit fortschreitet, desto
177
korrekter werden die 1,20. Das ist jetzt gar nicht mehr so falsch, wie es vor gut sechs
178
Monaten war.
179
Eine Anpassung nach unten zu 1,15 oder 1,10, weil die Intervention einfach so teuer ist, das
180
ist auch nicht realistisch?
92
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
181
Nein. Ich glaube, solange keine grossen Kunden aggressive Attacken reiten gegen die
182
SNB, wird die Nationalbank keinen Grund haben, das Ziel nach unten zu korrigieren. Es
183
gäbe nur Verlierer, zum Beispiel in der Exportindustrie. Profiteur wäre wieder der Kon-
184
sument, welcher im Ausland einkaufen geht. Für mich ist das jetzt nichts, was im Vor-
185
dergrund steht.
186
Dieses Wechselkursziel ist ja wahrscheinlich nichts, was über Jahre oder Jahrzehnte beste-
187
hen bleibt. Wie sieht das Ende des Wechselkursziels aus?
188
Das ist eine sehr gute Frage. Wie sieht das Ende aus? Schön wäre natürlich, wenn sich
189
das europäische Umfeld normalisieren würde, sich die europäische Schuldenkrise in
190
Luft auflösen würde. Das wird sie aber natürlich nicht, vor allem jetzt mit diesen Konjunk-
191
turmassnahmen, die in Frankreich gefordert werden, die auch in Griechenland und Spa-
192
nien gefordert werden. Das Problem in Europa wird so sicher nicht verschwinden. Das
193
heisst, ein Ende des Wechselkursziels in kurzer Zeit sehe ich als unrealistisch an. Ich
194
glaube, man kauft sich hier einfach Zeit und hofft, dass sich die Konjunktur – vielleicht
195
getrieben durch die BRIC-Länder, also Brasilien, Russland, Indien und China – noch-
196
mals anzieht. Ich bin hier leider kein Optimist sondern viel eher ein Pessimist. Ich sehe
197
diese Erholung nicht, von daher werden wir das Wechselkursziel noch länger haben und
198
die Nationalbank wird keine Chance haben, da kurz und mittelfristig raus zu kommen.
199
Also zusammengefasst, solange wir diese schlechten Zahlen aus dem Ausland haben, bleibt
200
auch das Wechselkursziel?
201
Korrekt, ja.
202
Das Leitzinsniveau hast du ja schon angesprochen. Das ist extrem tief, praktisch bei null.
203
Wie beurteilst du diese Situation?
204
Es ist natürlich einerseits für den Schuldner interessant. Er hat eine billige Möglichkeit,
205
sich zu verschulden. Die Konsequenz daraus lesen wir jeden Tag in der Zeitung: Die
206
Immobilienblase, die in der Schweiz vorhanden ist. Also der Konsument profitiert davon.
207
Für Banken und Versicherungen, die eine Rendite erzielen wollen auf dem Zinsgeschäft,
208
wird es extrem schwierig. Die Bankenerträge werden leiden, die Versicherungserträge
209
werden leiden. Und ich denke es ist extrem unangenehm für die Nationalbank, keine
210
Handlungsmöglichkeiten mehr zu haben mit Zinsen, die bereits bei null sind. Die Natio-
211
nalbank wäre sicher sehr dankbar, wenn sie die Zinsen erhöhen könnte. Ich bin gespal-
212
ten, ob es nicht vielleicht möglich wäre, die Zinsen mal ein halbes Prozent zu erhöhen,
213
ohne dass viel passieren würde auf der FX-Seite. Das wäre sicher etwas, dass sich der
214
Herr Jordan und seine Kollegen mal überlegen müssten. Also die Zinsen mal ein Vier-
215
telprozent oder ein halbes Prozent zu erhöhen und zu schauen, was passiert.
216
Die EZB hat das ja ausprobiert.
93
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
217
Die EZB hat es ausprobiert, wobei das war noch unter Trichet. Trichet hatte gehofft,
218
dass das dann schon noch gut herauskommt. Das war aber absehbar, dass es nicht
219
funktionieren wird. Das war viel eher ein psychologischer Move, den ihm niemand so
220
recht abgekauft hat, weil die Konjunktur in Europa schlecht war. Demgegenüber steht
221
eine starke Konjunktur in der Schweiz mit einer Arbeitslosigkeit von 3,2%. Von daher ist
222
die Schweiz in einer besseren Situation, um den Versuch zu wagen. Sie läuft nicht Ge-
223
fahr, die Konjunktur abzuwürgen.
224
Ist dieser Schritt realistisch? Wird die SNB das wagen in Zukunft?
225
Ich denke, sie wird diesen Schritt schneller wagen als die Leute glauben, weil sie es ein-
226
fach ausprobieren muss. Sie hat diese Glaubwürdigkeit und sie hat kein Risiko. Sie hat
227
ja zwei Probleme. Das eine ist der Wechselkurs und das andere ist die Immobilienkrise.
228
Und dermassen intensiv, wie die SNB immer auf diese Krise hinweist, müsste sie die
229
Zinsen am kurzen Ende mal erhöhen. Das würde wahrscheinlich keinen grossen Scha-
230
den verursachen. Ich glaube, das wird ein Schritt sein, den sie sich für 2013 überlegen
231
muss. Dieses Tiefzinsumfeld im Moment hilft an und für sich gar niemandem. Die Ban-
232
ken und Versicherungen profitieren nicht. Es unterstützt die Verschuldung der Haushalte
233
im Immobilienbereich, was sie nicht will. Deshalb glaube ich, am kurzen Ende die Zinsen
234
ein halbes Prozent zu erhöhen, das erachte ich als realistisch. Die Frage ist dann ein-
235
fach: Was passiert auf den Kapitalmärkten? Würde die Rendite am langen Ende noch-
236
mals sinken, was wiederum schlecht wäre für die Versicherungen? Aber das wäre et-
237
was, was ich als Nationalbank testen würde.
238
Die Folgen dieser Zinserhöhung wären also nicht nur positiv?
239
Nein, es wäre zu erwarten, dass ein Teil der Markterwartungen zu einer Abflachung der
240
Zinskurve tendiert, weil man in Zukunft eine noch tiefere Inflation erwarten würde als
241
dies heute bereits der Fall ist. Das wäre also eine Verflachung der Zinskurve.
242
Bei meiner Recherche habe ich festgestellt, dass die SNB bereits im Jahr 1978 ein Wechsel-
243
kursziel ausgesprochen hatte. Inwiefern kannst du dazu Auskunft geben?
244
Das war vor meiner Zeit, habe ich selber nicht miterlebt. Ich habe mich mit dieser Frage
245
aber auch auseinandergesetzt im Zusammenhang mit den negativen Zinsen, welche
246
man eine Zeit lang am Geldmarkt beobachten konnte. Man hatte damals Libor-Zinsen
247
für eine Woche, die negativ waren. Das Problem ist heute aber ein anderes. Früher hat-
248
te man eine Anbindung gemacht an die D-Mark, also an nur eine Währung. Heute hat
249
man eine Anbindung an einen ganzen Korb von Ländern. Diese Länder sind sehr viel
250
heterogener als es damals Deutschland war. Dazu kommt, dass früher die BuBa, die
251
Deutsche Bundesbank, ebenfalls eine glaubwürdige Inflationsbekämpfungspolitik be-
252
trieb. Da ist man heute bei der EZB nicht mehr ganz so sicher. Von daher ist es heute
94
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
253
viel komplexer, das Wechselkursziel gegenüber dem Euro zu machen, als in den
254
1970er-Jahren Schweizerfranken und D-Mark miteinander zu korrelieren.
255
Das heisst, man kann die Situation nicht wirklich vergleichen mit heute, und deshalb kann
256
man auch keine Lehren daraus ziehen?
257
Einverstanden, diese Aussage würde ich so gelten lassen. Es ist heute viel komplexer,
258
weil der Basket, welcher dem Euro zugrunde liegt, viel heterogener ist als früher. Früher
259
was die D-Mark die einzige Währung, an die der Franken gebunden wurde, und da ist
260
uns auch eine glaubwürdige Zentralbank gegenübergestanden. Von daher kann man
261
meiner Meinung nach nicht viele Lehren daraus ziehen.
262
Du hast jetzt schon mehrmals erwähnt, dass die EZB nicht wirklich glaubwürdig ist im Ver-
263
gleich zur SNB. Weshalb?
264
Die EZB hat jahrelang versucht, sich aus der Politik rauszuhalten. Wenn man aber sieht,
265
wie stark sie heute über verschiedenste Systeme, Modelle und Transaktionen die Ban-
266
ken unterstützt und finanziert, und so quasi eine Politik betreibt, die gegen ihren Primat
267
der Inflationsbekämpfung spricht, dann hat sie einen Teil der Kredibilität verloren. Die
268
Nationalbank geht auch etwas in diese Richtung, aber ich glaube, die Nationalbank ist
269
noch konservativer als die EZB. Von daher gibt es schon diesen Unterschied der Kredi-
270
bilität zwischen der EZB und der SNB.
271
Du würdest das Verhalten der SNB in den letzten zwei bis drei Jahren als richtig bezeich-
272
nen?
273
Ich glaube, die SNB hat eine sehr gute Politik gemacht. Das sieht man daran, dass der
274
Markt ihr immer noch glaubt mit dem 1,20-Target. Ich glaube, sie hat eine aktive Kom-
275
munikation, welche glaubwürdig ist. Sie hat sehr gute Fachleute in ihren Reihen. Herrn
276
Hildebrand habe ich als Zentralbankpräsidenten sehr geschätzt, er hat sicher einen su-
277
per Job gemacht. Lassen wir das ganze Private, was da ein Problem darstellte, mal auf
278
der Seite. Er hat für mich eine sehr gute Politik betrieben. Auch auf der Zinsseite haben
279
sie das gemacht, was angezeigt wurde. An der SNB-Politik kann ich deshalb heute we-
280
nig kritisieren.
281
Du hast die Kommunikation angesprochen. Man hat bereits angenommen, dass die SNB nur
282
mittels Kommunikation sehr viel bewegen kann. Wahrscheinlich auch, weil sie das Mindest-
283
kursziel von 1,20 ausgesprochen hat. Da ist ja der Kurs alleine aufgrund dieses Communi-
284
qués auf diese 1,20 gestiegen. Kann die SNB wirklich nur mittels Kommunikation so viel be-
285
einflussen?
286
Man geht davon aus, dass sie nicht nur kommuniziert hat, sie hat auch aktiv interveniert
287
am Markt. Allerdings nicht mit wahnsinnigen Beträgen. Von daher glaube ich, dass die
288
Kommunikation und die Kredibilität der Zentralbank schon sehr wichtige Faktoren sind.
289
Du darfst nicht vergessen, im Devisenhandel und Interbankenhandel läuft heute viel
95
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
290
über Psychologie, Erwartungen, Glaubwürdigkeit. Von daher glaube ich, hat sie mit der
291
guten Kommunikation, die sie in der Vergangenheit hatte und auch heute noch hat, sehr
292
viel erreicht. Es liegt sicher vieles in der Kommunikation. Ich muss nicht immer den
293
Knüppel nehmen und aktiv intervenieren – zum Glück nicht.
294
Also könnten sie noch mehr erreichen mit der Kommunikation, wenn man zum Beispiel wie-
295
der schlechte Signale aus dem Ausland erwartet?
296
Ja gut, im Moment ist sie damit beschäftigt, die 1,20 zu verteidigen. Deshalb glaube ich
297
nicht, dass sie den Spielraum hätte, durch noch mehr Kommunikation von 1,20 auf 1,25
298
zu gehen. Ich glaube, das hat sie im Moment ausgeschöpft. Aber sie hat sicher kommu-
299
nikativ gemacht, was sie konnte. Und was sie gemacht hat, hat sie gut gemacht.
300
Sie hat also das Instrument ausgereizt?
301
Im Moment hat sie es ausgereizt. Alles andere, was sie machen könnte, wie zum Bei-
302
spiel Negativzinsen, das ist dann nicht mehr Kommunikation. Das wäre dann wirklich die
303
Einführung der Negativzinsen mit allen Konsequenzen, die ich vorher antönte. Was ist
304
das Verhalten des Sparers? Zieht er seine Gelder bei der Bank ab, wenn eine Bank ne-
305
ben den Gebühren auch noch Negativzinsen belasten würde auf dem Konto? Ich glau-
306
be, das sind Sachen, die sich die Nationalbank sehr gut überlegen wird, ob sie solche
307
Sachen macht.
308
Ist zusätzlich zur Kommunikation auch die Person ein Thema? Also hat es ein Signal auf die
309
Märkte, wer an der Spitze der Nationalbank ist?
310
Herr Hildebrand hat sicher sehr viel erreicht mit seiner Kommunikation, mit seinem Be-
311
ziehungsnetz und mit seinem Fachwissen. Mit Herrn Jordan haben wir sicher auch einen
312
Spezialisten an der Spitze der Nationalbank, der vielleicht kommunikativ nicht ganz so
313
stark und so smart ist wie Herr Hildebrand. Aber trotzdem, mit seinem Wissen und sei-
314
ner Arbeit, die er damals schrieb – er wies ja schon früh auf die Probleme des Euro hin –
315
geniesst er im Markt sicher auch ein grosses Vertrauen.
316
Hat die Nationalbank selbst ihre volkswirtschaftliche Rolle in den letzten Jahren neu interpre-
317
tiert?
318
Ich glaube, Herr Hildebrand hat sich etwas leiten lassen von den Aufgaben, die bei-
319
spielsweise ein Fed. hat, welche nicht nur ein Inflationsziel hat, sondern sich eigentlich
320
primär als Katalysator für ein gesundes und vernünftiges Wirtschaftswachstum sieht. Die
321
Nationalbank, genau wie auch die EZB und die Bank of England, gehen vermehrt in die-
322
se Rolle, in der sie bereit ist, vorübergehend zwecks Stützung der Konjunktur ihre Infla-
323
tionsziele in den Hintergrund zu stellen, um eine aktivere Wirtschaftspolitik zu betreiben
324
als in der Vergangenheit.
325
Werden diese Entscheidungen und die ganze Politik nach wie vor unabhängig gemacht, so
326
wie es verlangt wird, oder kam da auch ein gewisser Druck von aussen?
96
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
327
In einem Umfeld wie das, welches wir seit rund zwei Jahren haben, sind die Stakeholder
328
der Nationalbank – egal ob Gewerbe, Banken, Konsumenten, Gewerkschaften, Arbeit-
329
geber, Arbeitnehmer – diese Ansprüche sind vielfältiger geworden. Zum Teil widerspre-
330
chen sie sich natürlich auch. Ich glaube, die Einflussnahme von aussen, also von den
331
anderen Marktsubjekten der Nationalbank, ist deutlich grösser geworden. Und man hat
332
ja auch gesehen, dass der politische Druck auf die Nationalbanken aufgrund der Atta-
333
cken der Medien immer grösser wird. Im Moment verhält sich die Nationalbank noch
334
losgelöst von der Politik. Aber ich habe Angst, dass in Zukunft die politischen Stakehol-
335
der vermehrt Einfluss nehmen wollen. Ob das gut oder schlecht ist, kann ich nicht beur-
336
teilen.
337
Das wäre meine nächste Frage gewesen.
338
Die persönliche Meinung ist: Zu viele Köche verderben den Brei. Ich denke, man sollte
339
einen vernünftigen Bankrat haben, wo alle Interessenvertreter vorhanden sind. Wir ha-
340
ben dort Vertreter der Gewerkschaften, Politiker verschiedener Parteien usw. Ich glaube,
341
die sollten versuchen, die Stakeholder, welche sie repräsentieren, adäquat zu vertreten,
342
entsprechend ihrer Rolle als Aufsichtsorgan oder Bankrat der Nationalbank. Ich fände es
343
schlecht, wenn man im Parlament diskutieren würde, was die Nationalbank in Bezug auf
344
Zins- oder Wechselkurspolitik als nächstes machen sollte. Man sollte hier die Spezialis-
345
ten wirklich machen lassen. Eine Geldmengen- und Währungspolitik ist dermassen
346
komplex, dass das durchschnittliche Individuum, ob in der Politik oder in der Wirtschaft,
347
das nicht abdecken kann.
348
Dann bin ich eigentlich mit meinen Fragen bereits am Ende. Hast du noch irgendwelche As-
349
pekte zum Thema, die vielleicht noch interessant wären?
350
Also ich hatte das vorher angetönt. Ich vertrete sehr intensiv vor allem die Zinsseite, die
351
Konsequenzen, welche die Währungspolitik auf die Zinsen hat. Ich betrachte das Tief-
352
zinsumfeld als ein grosses Problem für unsere Alterssysteme – also AHV, zweite und
353
dritte Säule. Aber auch für Renditen, welche die Versicherungen erwirtschaften. Da hat
354
keiner ein Interesse an einem Tiefzinsumfeld. Ich hätte Interesse daran, dass die Natio-
355
nalbank einen Schritt wagen würde, trotzdem die Zinsen etwas zu erhöhen, um zu se-
356
hen, was passiert. Das Tiefzinsumfeld ist für uns alle schlecht. Diesen Mut erhoffe ich
357
mir von der Nationalbank, hier bereit zu sein, diesen Schritt zu machen oder zumindest
358
kommunikativ in Aussicht zu stellen. Es wird immer wieder von Herrn Hildebrand und
359
Herrn Jordan angetönt, dass sie dann schon schnell genug reagieren würden. Ich hoffe,
360
sie werden den Worten auch Taten folgen lassen.
361
Was würde auf den Märkten passieren, alleine schon mit dieser Ankündigung?
362
Für den Markt wäre es eine Beruhigung, eine Erleichterung. Alle würden davon profitie-
363
ren, mit Ausnahme derer, die sich im Immobilienbereich hoch verschulden. Aber auch
97
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
364
dort, ich finde es nicht gut, wenn Leute sich heute eine Libor-Hypothek mit einem Pro-
365
zent geben lassen und dann die Tragbarkeit bei einem Zins von vier bis fünf Prozent
366
nicht mehr gegeben ist. Von daher wäre es ein Signal, welches man dem Markt geben
367
könnte, dass die Immobilienkrise aktiver angegangen wird als bis anhin.
368
Liegt hier der Ursprung nicht auch bei den Banken, welche die Hypotheken so vergeben,
369
auch wenn die Tragbarkeit nicht gegeben ist?
370
Da fragt sich natürlich, ob die Banken Selbstmörder sind oder nicht. In der Öffentlichkeit
371
werden die Banken ja als nicht intelligente Subjekte angeschaut. Ich glaube, Banken
372
sind nicht dumm, die schauen das durchaus an. Aber wie vorhin bereits angesprochen,
373
die Ertragserosion, welche die Banken haben – denn ich muss ja bei Zinsen im Nullbe-
374
reich dem sparenden Kunden immer noch einen Zins von einem halben Prozent bezah-
375
len – müssen die Banken irgendwo noch einen Ertrag generieren. Daher sind sie viel-
376
leicht auch bereit, solche Hypotheken zu machen. Irgendwo müssen sie ja ihre Kosten
377
decken und ihre Erträge generieren.
378
Also ob jetzt die Banken Selbstmörder sind und heute die eine oder andere Hypothek
379
vergeben, die nicht tragbar ist? Es mag die eine oder andere Bankensparte geben, die
380
das macht, aber ich glaube viele Banken sind sich der Risiken durchaus bewusst und
381
betreiben durchaus eine vernünftige Kreditpolitik.
382
Ansonsten denke ich, es ginge uns allen besser, wenn der Schweizerfranken schwächer
383
würde. Ich bin pessimistisch. Ich sehe das als einen sehr langfristigen Trend an, der
384
Franken wird stark bleiben. Das europäische Umfeld hat wirklich ein Problem. Solange
385
sich Europa politisch nicht mehr zusammenrauft und diese Transferunion nicht darstellt,
386
die sie eigentlich werden muss, sehe ich eine düstere Zukunft für Europa und auch die
387
Schweiz. Und deshalb werden uns die Themen Wechselkurspolitik, Wechselkursziel, tie-
388
fe Inflation und Deflation noch lange Zeit beschäftigen.
389
Also sind wir zu gewissen Teilen auch machtlos und müssen zusehen, was Europa macht.
390
Wir können etwas mitlenken und reagieren, aber wir können nicht alles machen?
391
Aktiv bewirtschaften und aktiv beeinflussen kann man nicht alles. Letztendlich hat das
392
Wechselkursziel auch Zeit gekauft für die Industrie, um Prozesse zu optimieren und
393
Kosten zu optimieren durch Technologievorsprung und Kostenreduktion. Das Wechsel-
394
kursziel ist schlussendlich ein Instrument, um sich Zeit zu kaufen. Wir müssen diese Zeit
395
nutzen, um durch Innovation, stärkere Ausbildung, Forschung und Entwicklung den
396
Nachteil des starken Frankens in der Wirtschaft zumindest teilweise zu kompensieren.
397
398
Gut, besten Dank.
Ich danke auch.
98
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
Transkription Interview Werner Vontobel, Wirtschaftsjournalist, vom
9. Mai 2012
1
Was genau ist Ihre Berufsbezeichnung? Sie sind ja beim Blick angestellt als Wirtschaftsex-
2
perte.
3
4
Ja, Wirtschaftsjournalist.
Sind Sie auch woanders noch tätig?
5
Ich bin offiziell pensioniert, hier aber noch 30%. Ich schreibe noch einigermassen regel-
6
mässig für „Work“, eine Gewerkschaftszeitung, also rund fünf bis sechs Mal im Jahr, für
7
die „Tageswoche“ in Basel und für den „Freitag“ in Berlin.
8
9
Hat sich bei Ihren Tätigkeiten etwas verändert seit dem Wechselkursziel vom 6. September?
Nein, ausser dass man öfters mal darüber schreibt.
10
Sie sehen sicher schon, ich habe den Fragebogen eher für Leute von Banken gestellt. Aber
11
ich möchte es eins zu eins übernehmen, um im Nachhinein gute Vergleiche machen zu kön-
12
nen. Sehen Sie Auswirkungen des Wechselkursziels auf die privaten Haushalte?
13
Nicht viele, also die Üblichen. Preisveränderungen bei Exporten und Importen. Die Im-
14
porte werden etwas günstiger, wenn es mir recht ist. Aber ich denke nicht, dass das es-
15
sentiell ist.
16
Schlussendlich gibt es also keinen grossen Einfluss auf die privaten Haushalte?
17
Nein, von der Ausgabenseite her nicht. Bei den Einnahmen kommt es natürlich drauf an,
18
ob man von einer Beschäftigungsveränderung betroffen ist oder nicht. Für eine Arbeits-
19
platzsicherung ist das sicher positiv.
20
Was sehen Sie für einen Einfluss auf die Banken?
21
Wahrscheinlich weniger Einnahmen im Devisengeschäft. Es gibt aber offenbar bis jetzt
22
keine grösseren Spekulationen. Insofern gibt es wahrscheinlich kleinere Opportunitäts-
23
verluste im Devisengeschäft.
24
Sehen Sie bei den Unternehmen einen Einfluss des Wechselkursziels?
25
Es gibt sicher eine bessere Berechenbarkeit der Austauschkurse. Auch der Dollar zum
26
Beispiel ist ja stabiler. Man kann also besser kalkulieren und die Wettbewerbsfähigkeit
27
wird leicht verbessert gegenüber dem Wechselkurs, den man ohne den Eingriff hätte.
28
Wobei, das ist natürlich Spekulation. Aber wären wir bei 1,10 geblieben, wären das
29
knapp 10% Verbesserung der eigenen Wertschöpfung – immerhin 10%.
30
Was sehen Sie für einen Einfluss auf die SNB, jetzt vor allem auf der finanziellen Seite?
31
Ausweitung der Bilanzsumme, Verbesserung der sogenannten Seigniorage, also Zins-
32
gewinn durch Ausweitung der Bilanzsumme. Wir haben ja gesehen, es hat jetzt wieder
99
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
33
einen kleinen Verlust gegeben. Zwischendurch konnte die SNB ja mal mit 1,24 oder 1,25
34
bilanzieren, jetzt wieder mit 1,20.
35
Ja, kurz nach der Festlegung des Wechselkursziels.
36
Ja, Ende Jahr, da war es mal 1,24. Deshalb gibt es im ersten Jahr wieder einen Verlust,
37
aber es stärkt natürlich die Ertragskraft des Unternehmens wesentlich.
38
Das alles zusammengefasst, was sehen Sie für einen Einfluss auf den Staat?
39
Das ist insgesamt positiv. Wir haben tiefe Zinsen, wobei sich da die Frage stellt, inwie-
40
weit dies mit der Stabilisierung des Kurses zusammenhängt. Das habe ich mir gar noch
41
nicht im Detail überlegt. Wir sind ja jetzt rund einen Prozentpunkt unter dem Bund.
42
Das kann ich nicht genau sagen, aber der Leitzins ist bei etwa 0,1%.
43
Die 4-jährigen sind sogar negativ. Aber bei einer Staatsverschuldung von 50%, die wir
44
haben, hat man einen Prozentpunkt gespart oder mehr. Aber das ist eher die Folge der
45
ganzen Eurokrise. Das hängt ja damit zusammen. Unter dem Strich ist das sehr positiv.
46
Die 10-jähringen sind bei 1,56% [in der Zeitung nachgeschaut], bei den 2-
47
jährigen -0,2%. Das ist gewaltig, fast keine Inflation. Aber ja, jedenfalls grosse Vorteile
48
bei den Zinsen, zumindest für die Schuldner. Für die Rentner etwas weniger.
49
Sie meinen, das könnte noch Probleme geben?
50
Es gibt jetzt schon massive Probleme. Aber das hat mit der Untergrenze nur beschränkt
51
zu tun, viel eher mit der Zinssituation.
52
Durch das ganze Vorgehen der SNB, die Festlegung der Untergrenze und auch die Geld-
53
mengenerhöhung vorher, steigt die Inflationsgefahr, jedenfalls gemäss Lehrbuch. Was mei-
54
nen Sie dazu?
55
56
Dass man die Lehrbücher endlich einstampfen muss.
Sie haben hier eine ganz andere Meinung?
57
Ja schauen Sie sich an, was passiert. Die Geldmenge – je nach Definition – steigt schon
58
lange. Die Inflation kommt von grosser Nachfrage, wenn die Kapazitäten zu fest ausge-
59
lastet sind und grosser Lohndruck vorhanden ist. Zum Lohndruck: Wissen Sie, wann es
60
bei Ringier die letzte Lohnerhöhung gegeben hat?
61
Für alle? Das kann ich nicht sagen.
62
Eben, man kann sich nicht daran erinnern. Es gab einmal ein Prozent, damals hatten wir
63
auch ein Prozent Inflation.
64
Das war dann einfach der Teuerungsausgleich, keine wirkliche Lohnerhöhung.
65
Nein. Also die Medienbranche und auch generell, man kennt ja die Lohnentwicklung, es
66
gibt… Man kann sich darüber unterhalten, ob später einmal eine Inflationsgefahr von der
67
Tatsache ausgeht, dass sehr viel Geld vorhanden ist. Aber das sehe ich eigentlich auch
68
nicht. Und wenn, dann wäre es erwünscht.
69
Ist eine negative Inflation realistischer?
100
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
70
Ja, also einfach Depressions-Szenarien. Die Leute geben kein Geld mehr aus. Grie-
71
chenland hat die Deflation erzwungen, jetzt stehen alle Läden still. Wir würden uns jetzt
72
irgendwo draussen auf einer Parkbank treffen, weil Kaffee und Kuchen nicht mehr im
73
Budget lägen. Diejenigen, welche hier im Café bedienen, wären auch arbeitslos. Diese
74
Gefahr ist wesentlich höher und auch realistisch. In Griechenland, Portugal und so wei-
75
ter hat man das.
76
Bei uns in der Schweiz?
77
Heute habe ich gehört, dass der IWF davor warnt, dass die Krise uns auch runter zieht.
78
Ich betrachte das als realistisch.
79
Was wären die Folgen für die Schweizer Volkswirtschaft, wenn das wirklich eintrifft?
80
Im schlimmsten Fall gibt es wie in Griechenland eine Implosion. Sie müssen sich vorstel-
81
len; wir sind eine Wirtschaft, die von Verschwendung und vom Kauf unnötiger Dinge
82
lebt. Rund 50% von dem, was man ausgibt, ist kurzfristig verzichtbar. Wenn jetzt plötz-
83
lich alle Angst haben vor einer unsicheren Zukunft wie in Griechenland, dann werden
84
diese Ausgaben nicht getätigt. Dann ist die Wirtschaft kaputt. Griechenland macht es
85
vor, aber das ist nicht eine Frage der Korruption, das ist eine Frage des schlechten Wirt-
86
schaftsmanagements. Wird der Konsum gestoppt, ist die Wirtschaft kaputt. Diese Gefahr
87
ist natürlich latent vorhanden.
88
Sie schätzen das als sehr realistisch ein?
89
Griechenland hat bewiesen, dass das geht. Ich höre, dass wir jetzt eine Jugend haben,
90
die nicht mehr arbeiten, sondern sich nur noch vergnügen will. Das könnte zum Gegen-
91
gift werden gegen diese Gefahr. Die Angst vor der Zukunft ist weniger stark als der Wil-
92
le, etwas auszugeben. Wenn das überwiegt, und das ist denkbar, dann ist diese Gefahr
93
relativ klein. Aber wenn die Ängste zum Sparen zwingen beziehungsweise zum Rückzug
94
auf das Notwendigste, dann sind 40% der Nachfrage weg. Das ist so in etwa der Groo-
95
ve, in dem man sich momentan befindet. Sparen, sparen, sparen, Zukunftsängste, Sozi-
96
alstaat abbauen, Sicherheitsnetze zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit, und dann
97
kann alles bachab gehen.
98
Was gäbe es für Massnahmen, um das zu verhindern oder abzuschwächen?
99
Es braucht sicher einen starken Sozialstaat, der den Leuten eine gewisse Sicherheit
100
gibt. Es braucht eine Reduktion der Arbeitszeit, damit der Kampf um die Arbeit nicht zu-
101
nimmt. Das statistische Bundesamt von Deutschland hat gestern eine Statistik über Pro-
102
duktivität veröffentlicht. Da stand unter anderem drin, dass die Arbeit in Stunden pro Be-
103
schäftigten um 9% im Vergleich zum Jahr 1991 abgenommen hat. Dieser Prozess ist er-
104
zwungen durch Produktivitätsfortschritte. Also die Produktivität steigt schneller als der
105
Konsum, das bedeutet, es gibt weniger Arbeit. Dieser Prozess ist in allen Statistiken zu
106
lesen. Das ändert sich langfristig oder kurzfristig, und diesen Prozess muss man akku101
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
107
mulieren, also anpassen mit kürzeren Arbeitszeiten, sonst gibt es einen Kampf um Jobs
108
und Lohnverzicht. Das wird von den Gewerkschaften leider noch nicht eingesehen, von
109
den Arbeitgebern sowieso nicht, die haben lieber Lohndruck.
110
111
112
Also wäre das schlussendlich hilfreich…
….um die Wirtschaft längerfristig zu stabilisieren.
Gäbe es auch negative Folgen?
113
Der Wettbewerb zwischen den Ländern findet ja statt. Es wird zwar übertrieben, aber es
114
gibt ihn. Wenn ein Land das alleine macht… In den letzten 15 Jahren haben die Deut-
115
schen Löhne gespart und gesenkt, und die anderen leiden fast so sehr darunter wie die
116
Deutschen. Wenn man das also alleine macht, ist es etwas schwierig aufgrund des glo-
117
balen Wettbewerbs.
118
Also müsste sich die EU zusammenschliessen, und sich vielleicht auch die Schweiz an-
119
schliessen und dann könnte das funktionieren?
120
Für die Schweiz heisst das vor allem, kein Steuerdumping zu betreiben, wie wir das ja
121
ständig machen. Dann hat Deutschland kein Geld mehr, muss Sozialleistungen kürzen,
122
es gibt Lohndruck und dann haben wir 20% Deutsche. Es fällt ja auf, wenn man herum-
123
läuft. Die Schweizer sind alle verdrängt worden. Also wenn man die Zahlen anschaut ist
124
es noch nicht ganz klar, dass es Lohndruck gibt, aber das kommt schon. Und damit
125
schneiden wir uns eigentlich ins eigene Fleisch.
126
Ist das dann auch ein Teufelskreis, den man da anstachelt?
127
Abgesehen davon, dass wir dann so Leute haben wie zum Beispiel Michael Schuma-
128
cher. Der hat am Genfersee eine Villa mit 100‘000 Quadratmeter Umschwung. Das sieht
129
aus wie beim König von Versailles. Dass sich die Leute so breit machen, das ist irgend-
130
wie undemokratisch.
131
Somit ist es nicht nur von Vorteil, wenn diese Leute ihr Geld in die Schweiz bringen und hier
132
auch den Konsum ankurbeln?
133
Nun, man kann sich letztlich auch eine Schweiz vorstellen mit 30 Millionen Einwohnern,
134
die würden den Konsum auch ankurbeln. Aber letztlich beschäftigen die sich selber. Von
135
Vorteil ist es für diejenigen, welche das Land teuer verkaufen konnten. Für den Rest der
136
Schweizer bringt das nichts. Ich habe übrigens ein Buch darüber geschrieben, welches
137
noch im Verkauf ist.
138
Wie heisst es?
139
„Aufruhr im Paradies“ mit Philipp Löpfe. Es ist ein Auseinandernehmen von Vor- und
140
Nachteilen der Einwanderung beziehungsweise der Politik, die darauf abzielt, reiche
141
Leute anzuziehen. Man muss das aber immer zusammen mit dem Druck sehen, welcher
142
unter anderem aus Deutschland kommt, um ihre Leute aus dem Land zu vertreiben.
143
Das ist eigentlich der Auslöser?
102
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
144
Ja, und wir verstärken das noch mit unserer Politik, die Reichen anzuziehen. Aber das
145
Hauptproblem ist eher in der EU, in der Politik, wie sie die Nachfrage vernichtet.
146
Zurück zum Wechselkursziel. Ist das momentan an der richtigen Stelle bei 1,20, oder müsste
147
man das ändern?
148
Das ist schwer zu sagen. Die Nationalbank selber sagt ja, 1,30 wäre realistischer. Auf
149
der anderen Seite muss man sehen, dass die Schweiz einen Leistungsbilanzüberschuss
150
von 14% vom BIP hat. Das heisst, wir sind mit den Wechselkursen, die wir hatten und
151
haben, mehr als wettbewerbsfähig. Insofern ist mehr als 1,20 beziehungsweise ein
152
schwächerer Franken eine Frechheit gegenüber anderen Handelspartnern. Aber rein
153
von der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie her wäre 1,30 wahrscheinlich besser.
154
Aber das ist noch immer nicht die Kaufkraftparität?
155
Es fragt sich, wie man die misst. Es gibt immer noch einen Exportüberschuss, im Wa-
156
renhandel und in den Dienstleistungen. Eigentlich müssten wir ja eine ausgeglichene
157
Leistungsbilanz haben, was ein Defizit bei Waren und Dienstleistungen bedeutet, denn
158
wir haben ja noch Kapitaleinkommen, die das ausgleichen. Somit muss man sagen, aus
159
rein volkswirtschaftlicher Betrachtung sind die 1,20 zu hoch. Aus betriebswirtschaftlicher
160
Sicht höre ich eher 1,30. Als Unternehmer wäre es mir wohler bei 1,30, aber das führt
161
dann vielleicht schnell mal zu einem Krieg, also zu Retorsionsmassnahmen gegenei-
162
nander. Das ist glaube ich auch die Meinung der Nationalbank, dass sie das nicht will –
163
wenn man weiter hoch geht, schlagen die anderen zurück.
164
In welcher Form?
165
Indem sie sagen, Schweizer Produkte haben einen speziellen Zoll oder die Amerikaner
166
haben begonnen zu sagen, dass gewisse Produktionsanlagen nicht ihren Standards
167
entsprechen, und deshalb die Exporte nicht mehr zugelassen sind.
168
169
170
Solche Sachen könnten folgen?
Ja.
Wo sehen Sie die Chancen auf eine Änderung des Wechselkursziels?
171
Ich versuchte ja schon Herrn Hildebrand indirekt klar zu machen, dass man versuchen
172
müsste, die Sache international zu regeln. Früher gab es Abkommen wie Louvre und
173
Plaza, das war in den 1980er-Jahren. Da sagte man, die Wechselkurse müssen irgend-
174
wie unter Kontrolle gebracht werden, damit die Handelsströme einigermassen funktio-
175
nieren. Eigentlich hätte es an der Schweiz gelegen, als neutrales Land mit relativ wichti-
176
gem Finanzplatz, das in die Hand zu nehmen. Wichtig ist, dass man in Zukunft eine ge-
177
wisse Verlässlichkeit hat im Warenaustausch. Momentan kämpfen alle; Deutschland mit
178
der indirekten Abwertung – kompetitive Abwertung heisst das – China sowieso. Die
179
Amerikaner sind auf der Gegenseite. Die profitieren davon, dass sie sich in Dollar ver-
180
schulden können. Somit sind sie die grössten Profiteure. Aber es ist ein unguter Zu103
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
181
stand, dass die Währungen derart schwanken und von überall beeinflusst werden. Die
182
Südamerikaner haben ja auch solche Massnahmen eingerichtet. Brasilien, die Chilenen
183
schon lange, die haben eine Einfuhrkontrolle. Die Philippinen glaub ich ebenfalls. Es gibt
184
jedenfalls schon viele, die zu Recht sagen, wenn wir das Geld, welches zu viel gespart
185
wird einfach rein lassen, dann haben wir wie Spanien einen riesen Boom, zum Beispiel
186
bei Immobilien. Danach fällt alles in sich zusammen, das können wir nicht zulassen.
187
Somit gibt es eine Kapitalverkehrskontrolle. Das wäre dann zumindest das kleinere
188
Übel, wenn auch nicht generell intelligent.
189
Beim Wechselkursziel, wie sehen Sie da ein mögliches Ende? Das wird ja nicht bis in die
190
Unendlichkeit weitergeführt.
191
Wir haben ja eine tiefere Inflation als andere, somit wertet sich der Schweizerfranken re-
192
al laufend ab. Das kann man nachschauen. Die SNB gibt immer Grafiken heraus mit den
193
realen gewichteten Kursen, und die bewegen sich im Sinne unserer Exporteure. Irgend-
194
wann einmal wird die Nationalbank die Untergrenze fallen lassen müssen. Ja es ist noch
195
schwierig, wie man das technisch macht. Wenn man sagt, man lasse los, dann gibt es
196
wahrscheinlich Spekulationen. Man fragt sich, wohin sich der Franken entwickelt.
197
Somit würde der Franken sofort wieder von Spekulanten angegriffen?
198
Ich nehme an, man müsste einen Zielkorridor errichten. Also in der einen Richtung ist es
199
ja einfach. Es ist einfach, die eigene Währung zu schwächen. Das was wir jetzt machen
200
ist immer möglich, bis zum Gehtnichtmehr. Auf die andere Seite ist es etwas schwieri-
201
ger, aber da gibt es ja keine Befürchtungen. Ich denke, das müsste man mit einer Unter-
202
und einer Obergrenze lösen, wobei die Untergrenze wahrscheinlich relevanter ist als die
203
Obergrenze.
204
Sie denken, das wird irgendwann in der Form kommen?
205
Ja, also entweder man bindet es ein in ein neues Plaza-Abkommen, indem man sagt,
206
wir sitzen alle zusammen und schauen das an – da müsste man vor allem die Chinesen
207
davon überzeugen können. Und innerhalb des Euro ist es etwas schwieriger, da es dort
208
nicht um nominelle Wechselkurse geht, sondern um Inflationsdumping à la Deutschland.
209
Oder man macht es unilateral mit einem allmählichen Ausstieg mit Grenzen, die sich er-
210
weitern.
211
Somit ist ein völlig freier Wechselkurs längerfristig unrealistisch, in der Form wie wir es bis
212
zum 6. September hatten?
213
Wir hatten ja vorher bedingt erfolgreich versucht, das einzudämmen. Von daher ist er ja
214
eigentlich nie ganz frei.
215
Managed floating nennt sich das ja.
216
Ja. Er war vorher natürlich schon mehr oder weniger frei. Aber dass man jetzt einfach
217
sagt, man mache nichts mehr, geschehe was wolle, das dünkt mich etwas zu riskant, bei
104
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
218
diesen Mengen, die hier gehandelt werden. Dann kommt plötzlich wieder einer, auf den
219
man spekulieren kann. Also ich würde es nicht machen an der Stelle von Herrn Jordan.
220
Das hängt sicher auch davon ab, was für Signale aus dem Ausland kommen?
221
Ja, wobei ich mir nicht vorstellen kann, dass vorher so beruhigende Signale kommen,
222
dass man sagen könnte, wir lassen das völlig frei. Aber man kann vielleicht mit der EZB
223
reden und sagen, wir halten den Kurs gemeinsam in einem gewissen Rahmen. Wenn
224
man das will – das ist natürlich wieder eine Frage der Abhängigkeit und Unabhängigkeit.
225
Es wäre wohl etwas glaubwürdiger dem Markt gegenüber. Eine eigene Währung schwä-
226
chen kann man schlussendlich immer. Daher gibt es auch wenige Spekulationen.
227
Das Zinsniveau haben Sie zu Beginn bereits angesprochen. Wie beurteilen Sie das aktuelle
228
Leinzinsniveau?
229
Es ist der wirtschaftlichen Lage angemessen, zumindest welt- und europaweit. In der
230
Schweiz haben wir natürlich das Immobilienproblem wegen der Zinsen und wegen der
231
Einwanderung. Das ist etwas heikler, wobei man das auch mit anderen Möglichkeiten
232
lösen kann als über den Zins.
233
Was wären das für Möglichkeiten?
234
Es ist das, was die Nationalbank versucht. Man schreibt den Banken vor, die Hypothe-
235
ken so zu berechnen, dass sie auch bei einem Zins von 5% bezahlt werden können, und
236
dass die Belehnung nicht höher als 60% oder 80% des Marktwertes ist. Das nennt sich
237
mikroprudentiell. Eigentlich kann die Aufsicht die Banken dazu zwingen, das zu machen.
238
Die sagen auch alle, sie würden das einhalten. Aber wenn man die Immobilienpreise
239
sieht, kann man das nicht glauben.
240
Also sind die Banken etwas fahrlässig?
241
Ja es sieht so aus. Oder es gibt so viele Leute, die das Geld bar hinlegen können. Das
242
hört man ja manchmal auch, dass die ganz teuren Objekte einfach so bar bezahlt wer-
243
den. Zum Beispiel Deutsche, die Ihr Vermögen bis zum Stichtag reduzieren müssen.
244
Beim Immobilienkauf geht das natürlich problemlos. Angenommen, Sie haben 100 Milli-
245
onen bei einer Schweizer Bank, die Sie eigentlich versteuern müssten, und jetzt kommt
246
dieses Abkommen. Dann müssen Sie vorher noch einige Villen kaufen da und dort,
247
dann haben Sie die Immobilien und bezahlen dann noch auf den vielleicht 20 Millionen,
248
die dann noch bleiben, die Steuern, welche fällig werden.
249
Also sind die Probleme der Immobilien-Krise verknüpft mit der Steuerthematik?
250
Ja. Ich habe zwar noch nicht herausgefunden, wie viel das ausmacht – ich habe bereits
251
recherchiert. Man hört Beispiele von Leuten, die ihre Töchter in ein Studium schicken
252
und ihr hier ein Häuschen oder eine Wohnung kaufen. Es ist natürlich naheliegend vom
253
Problem her. Man weiss, wie viel Geld vorhanden ist und man weiss, wie die Leute die
105
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
254
Immobilienpreise einschätzen, die kennen die Entwicklung. Deshalb ist das ziemlich na-
255
heliegend.
256
Sehen Sie neben dem Immobilienproblem noch andere Auswirkungen dieses Zinses?
257
Ja Ihre Pension zum Beispiel. Meine nicht, die ist schon auf sicher. Die Pensionskasse
258
rechnet im Durchschnitt mit 6,5% Umwandlungssatz, das braucht etwa 4,5% Rendite –
259
2% hatte man in den letzten zwölf Jahren. Jetzt ist es wahrscheinlich noch weniger. So-
260
mit geht das Rentensystem kaputt, weil es schlecht und teuer ist.
261
Ist eine Anpassung des Zinsniveaus in Zukunft realistisch?
262
Nein, ich glaube nicht. Längerfristig sagt man immer, das Zinsniveau entspreche unge-
263
fähr dem realen Wachstum. Also das mittelfristige Wachstum plus Inflation. Aber eine In-
264
flation haben wir nicht. Als ich studiert hatte, war die Preis-Lohn-Spirale immer die Infla-
265
tion. Das stimmt eigentlich immer noch. Es gibt aber einfach keinen Lohndruck, weil die
266
Unternehmen zu stark sind und die Märkte keine Inflation haben. Und viel mehr Wachs-
267
tum liegt auch nicht drin. Wir haben 1,5% Wachstum, das ist ja längerfristig schon gut,
268
gemessen an dem, was man konsumieren kann. Und 1% Inflation, das ist etwa der
269
Schnitt der letzten Jahre. Unter dem Strich macht das 2,5%. Ich glaube, mehr liegt nicht
270
drin. Damit ist die Pensionskasse nicht mehr finanzierbar.
271
Zusammengefasst sind das die beiden Hauptprobleme, welche entstehen: Die Immobilien-
272
krise und das Rentensystem?
273
Ja. Wobei man das Rentensystem natürlich intelligenter finanzieren kann. Rein volks-
274
wirtschaftlich betrachtet hängt die Finanzierung vom realen Wachstum ab. Da reicht 1%
275
jährlich längstens, um das zu machen. Es ist volkswirtschaftlich gesehen finanzierbar,
276
aber mit dem System, welches von 3% Inflation und 3% realem Lohnwachstum ausgeht,
277
geht das nicht.
278
Also nicht mehr realistisch?
279
Falsch konstruiert, aber volkswirtschaftlich nicht untragbar. Die Rente, welche ich be-
280
komme, ist überrissen, weil sie falsch kalkuliert ist, aber das heisst nicht, dass Renten-
281
senkungen generell nötig wären. Man muss es intelligenter finanzieren.
282
Jetzt möchte ich gerne einen Themensprung machen und einen Sprung ins Jahr 1978. Wir
283
hatten ja damals auch schon ein Wechselkursziel. Ist das mit heute vergleichbar?
284
285
Ja, stimmt. Was hatten wir damals für ein Ziel?
80 Rappen pro D-Mark. Es gab seit Anfang der 1970er-Jahre eine starke Aufwertung.
286
Ja man hat ja lange Zeit gesagt, das könne man nicht vergleichen, denn damals waren
287
die Devisenmärkte noch relativ bescheiden. Man sagte, das ginge nicht. Und jetzt sehen
288
wir, es funktioniert problemlos. Eine eigene Währung kann man bis zum Gehtnichtmehr
289
schwächen. Man kann einfach Geld drucken. Und wenn der Druck plötzlich von der an-
290
deren Seite kommt, kann man Gewinne realisieren. Insofern hat sich nichts geändert.
106
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
291
Damals hatte man ja dann Anfang der 1980er-Jahre eine starke Inflation, und jetzt rechnet
292
man ja anscheinend nicht damit. Also gibt es nicht nur Parallelen zur Situation von damals?
293
Man hatte damals vor allem realwirtschaftlich eine ganz andere Situation. Zwar haben
294
sich auch heute steigende Ölpreise durchgesetzt. Man hatte aber relativ starke Gewerk-
295
schaften. Das hat dann zu einer Lohn-Preis-Spirale geführt mit einer Inflation. Das hat
296
die Wirtschaft angekurbelt. Damals waren die Zinsen ja teilweise sogar negativ, und das
297
war gut für die Wirtschaft. Ja zum Teil gab es schon eine grosse Inflation. Es gab da-
298
mals eine inverse Zinskurve. Die kurzfristigen Zinsen waren höher als die langfristigen.
299
Das war schon eine etwas seltsame Situation. Das war aber eigentlich kein grosser
300
Schaden für die Wirtschaft.
301
302
303
Konnte man trotz der Unterschiede Lehren aus dieser Situation ziehen?
Im Sinne von Inflationsbekämpfung?
Beispielsweise.
304
Nein ich glaube, man konnte die Lehre ziehen, dass es damals funktioniert hatte und
305
man es wieder gemacht hat. In den USA kam danach Paul Volcker, der machte 20%
306
Zinsen. Und in der Schweiz kam Markus Lusser. Also man hat dann überreagiert, um
307
die Zinsen zu senken. Die Nationalbank hat dann später sogar zugegeben, dass man
308
dort Fehler gemacht hat. Ich weiss nicht, ob man Lehren ziehen kann – also auch von
309
1929 – ob man das dann beherzigt? Aber man hat damals stark gebremst.
310
Ganz allgemein, haben Sie das Gefühl, die SNB habe richtig reagiert in den letzten ein bis
311
zwei Jahren?
312
Ja sie haben für meinen Geschmack etwas zu spät reagiert. Viele Journalisten – auch
313
ich – haben schon länger gefordert, man solle endlich handeln. Ein nationaler Fonds wä-
314
re vielleicht noch intelligent gewesen. Aber von aussen ist das natürlich immer einfacher
315
zu beurteilen. Insgesamt haben sie bei mir einen sehr guten Eindruck hinterlassen. Sie
316
haben diese ganze Krise auch sachlich gut erklärt und gut kommuniziert. Herr Jordan
317
war ja auch Professor. Für meinen Geschmack ist er etwas zu neoliberal, aber die ha-
318
ben das gut gemacht.
319
Man hat ja schon gehört, dass die SNB alleine mittels Kommunikation auf den Märkten sehr
320
viel bewirken kann. Was halten Sie davon?
321
Nun, wenn es eine Untergrenze gibt, muss man nicht viel kommunizieren. Man weiss,
322
dass eine Nationalbank das machen kann. Aber es ist schon wichtig, dass sie einen gu-
323
ten Eindruck hinterlässt. Also sicher nicht alleine durch gute Kommunikation, aber es ist
324
sehr wichtig, dass man verlässlich kommuniziert und einen soliden Eindruck hinterlässt.
325
Man muss dazu aber auch konsequent handeln.
326
Man muss den Märkten Glaubwürdigkeit vermitteln?
107
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
327
Ja in erster Linie kommt das schon vom konsequenten Handeln, das „schwätzen“ ist
328
dann die Zugabe. Es ist unter Akademikern etwas in Mode gekommen – das KOF hat ja
329
auch einen Indikator zur Kommunikation. Für mich ist das Messen der Kommunikation
330
eher ein akademischer Gag.
331
Die SNB hat ja die Preisstabilität als oberstes Ziel, und das will sie unabhängig verfolgen.
332
Haben Sie das Gefühl, sie ist immer noch unabhängig, oder interpretiert sie ihre Rolle in letz-
333
ter Zeit neu?
334
Die SNB hat ein doppeltes Ziel: Preisstabilität im Gesamtinteresse des Landes. In den
335
1990er-Jahren gab es eine Auseinandersetzung, ob das Mandat geändert werden soll.
336
Die Amerikaner haben das Doppelmandat „Beschäftigung und Preisstabilität“. Und Eu-
337
ropa hat Preisstabilität und sonst nichts. Die Schweiz hat eher das amerikanische Mo-
338
dell, hat aber nicht die Beschäftigung in der Verfassung, sondern das Gesamtinteresse
339
des Landes. Das ist hilfreich. Und diese Verfassungsänderung wurde dann abgelehnt. In
340
diesem Sinne ist die Nationalbank natürlich nie unabhängig. Die Leute werden ja vom
341
Bundesrat eingesetzt und müssen der Politik regelmässig Rede und Antwort stehen. In
342
Amerika gibt es regelmässige Hearings, die dafür sorgen, dass das Gesamtinteresse
343
des Landes sich Geltung verschaffen kann. Ihre Fragestellung ist eigentlich falsch. Die
344
totale Unabhängigkeit ist nicht realistisch. Indem man „Gesamtinteresse des Landes“
345
sagt, ist es klar, dass die Zentralbank nicht einfach mechanisch die Preisstabilität ver-
346
folgt und sonst nichts. Und dies installiert eigentlich schon eine gewisse Abhängigkeit
347
von der Politik.
348
Hat sie ihre Rolle anders interpretiert in den letzten ein bis zwei Jahren?
349
Es gab einmal eine Äusserung von Herrn Jordan gegen Lohnerhöhungen. Das hat er
350
aber nie wiederholt. Im Gegenteil. Wenn sie verfolgten, was Herr Trichet machte; der hat
351
sich ständig in Lohnverhandlungen eingemischt. Die Inflation ist Preis-Lohn-Spirale –
352
noch immer. Im Sinne dieses einseitigen Mandates hat man dann ständig gegen Lohn-
353
erhöhungen gesprochen. In der Schweiz herrscht vornehme Zurückhaltung. Ich glaube,
354
Herr Jordan hat gelernt, dass man das in der Schweiz nicht machen darf. Er hat das
355
nicht mehr gemacht. Also ich finde, sie verhalten sich ok.
356
Die Festlegung des Wechselkursziels als solches. Haben Sie das Gefühl, die SNB hat das
357
gemacht, weil es nötig war, oder vielleicht auch etwas aufgrund des Drucks der Politik?
358
Ich denke, sie hat im Gesamtinteresse des Landes gehandelt. Die Politik hat ja eigent-
359
lich auch das Gesamtinteresse des Landes im Kopf. Man kann nicht sagen, es war auf
360
Druck der Politik, aber das gehört irgendwie zusammen. Trichet hat gesagt: „Je vous en-
361
tende, mais je ne vous écoute pas“. Also wenn in der Politik etwas gesagt wurde, dann
362
meine er, er höre es zwar, aber er höre nicht zu. So hat er die Unabhängigkeit demons-
363
triert. Aber eben, die Nationalbank ist eine Institution des Staates und dient staatlichen
108
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
364
Interessen, zusammen mit der Politik. Sie hat die grössere Unabhängigkeit – zu Recht,
365
damit das nicht hin und her geht – aber sie ist selbstverständlich in die Politik eingebun-
366
den. Sie hat dem Land und dessen Gesamtinteresse zu dienen. Insofern muss sie auf
367
die Politik hören aber keine Befehle entgegennehmen. Unsere Nationalbank macht das,
368
im Gegensatz zu der in Brüssel.
369
370
Ich höre heraus, dass das für Sie so in Ordnung ist?
Ja, so muss es sein.
371
Gut, dann bin ich im Prinzip am Ende meines Fragebogens angelangt. Haben Sie noch ei-
372
nen wichtigen Aspekt zum Thema, den ich vergessen habe?
373
Nein, ich glaube das Wesentliche wurde gesagt. Das Währungssystem ist eine internati-
374
onale Aufgabe, die jetzt niemand wahrnimmt. Die Schweiz wäre hier berufen, etwas zu
375
machen, im Gesamtinteresse des globalen Wirtschaftssystems. Stephen Cecchetti,
376
Chefökonom der EZB, hat einmal einen guten Aufsatz geschrieben, in dem er die Un-
377
gleichgewichte beschrieben hat. Diese entstehen letztendlich durch die Unfähigkeit, ei-
378
nen Wechselkurs zu Stande zu bringen, welcher der Warenströme entspricht. Früher
379
war das noch der Fall. Jetzt ist das völlig losgelöst – nicht nur aus politischen Gründen,
380
sondern weil die Massen an Geld so riesig sind und die Spannungen auch so gross
381
sind. Das ist natürlich grässlich und steht im Zentrum der Probleme, die wir momentan
382
haben. Diese Euro-Krise ist letztlich eine Krise des Ungleichgewichts. Im Prinzip sind die
383
Banken aufgrund dieser Ungleichgewichte jetzt faktisch verstaatlicht. Früher konnte das
384
alles mit Devisenschwankungen und Anpassungen einigermassen ausgeglichen wer-
385
den. Man müsste das jetzt global lösen, da nützt auch eine gute Nationalbankpolitik
386
nichts.
387
388
Dann bedanke ich mich für dieses Interview.
Bitte, gern geschehen.
109
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
Transkription Interview Leiter Finanzen einer Regionalbank, vom
16. Mai 2012
1
Als Einstiegsfrage nimmt es mich Wunder, was hier genau Ihre Aufgaben sind.
2
Ich leite das finanzielle Rechnungswesen, inklusive dem regulatorischen Reporting. Ich
3
habe die Leitung des Controllings, der Tresorerie und des Risiko-Managements.
4
Das ist ein breites Gebiet.
5
Ja, aber wir sind eine kleine Bank. Da hat man einerseits den Überblick und anderer-
6
seits breitere Aufgabengebiete als in anderen Banken. Wobei man sagen muss, mein
7
Pendant bei der Zürcher Kantonalbank, das gibt es mehr oder weniger auch. Es ist dann
8
einfach grösser, man kann weniger in die Details gehen. Aber von der Funktion her gibt
9
es das auch in anderen Banken.
10
Der hat dann einfach mehr delegiert.
11
Oder er arbeitet mehr. Nein das ist klar, man hat dann etwas mehr delegiert. Aber von
12
den Funktionen her ist es in etwa das, was ein Leiter Finanzen in einer Regional- oder
13
Kantonalbank abdeckt.
14
Was hat sich an ihrer Tätigkeit explizit verändert seit dem Wechselkursziel der SNB?
15
Wir hatten einen Anlagenotstand, der sich dann noch mehr verschärft hat. Wir haben
16
Mühe, das Geld, welches uns anvertraut wird, anzulegen. Das war schon vorher, schon
17
seit der Finanzkrise schwierig, ist aber seit dem Wechselkursziel noch markant schwie-
18
riger geworden. Die grosse Auswirkung für mich war die Vorbereitung auf mögliche Ne-
19
gativzinsen. Das war ein Projekt, nicht nur eine theoretische Abklärung. Wir haben auf-
20
wändige und sehr teure Projekte starten müssen, um uns vorzubereiten auf den Fall,
21
dass Negativzinsen eingeführt werden.
22
Also teuer im Sinn von Personal- und Zeitaufwand?
23
Wir mussten externe Firmen beauftragen für die Umsetzung dieses Informatikprojekts.
24
Das hatte sehr teure Informatikprojekte zur Folge. Wir könnten heute Negativzinsen ab-
25
wickeln. Ob und in welcher Form wir das dann machen würden, ist noch offen. Für mich
26
ist es aber klar, dass man das vorbereiten muss. Das muss man, auch wenn die Natio-
27
nalbank uns versichert, dieses Instrument nicht einführen zu wollen. Es kann trotzdem
28
der Tag kommen, an dem sie gezwungen sein wird, das einzuführen, wenn sie die
29
Grenze weiter verteidigen wird.
30
Aber sie versucht es zu verhindern?
31
Ja klar. Negativzinsen haben gravierende Nachteile, es gibt massive Verzerrungen. Sie
32
wird das nur als äusserste Massnahme ergreifen, nämlich dann, wenn sie nur mit Geld
33
drucken dieser Flut von Euro nicht mehr Herr wird. Dann muss sie vielleicht im äussers110
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
34
ten Fall noch Negativzinsen einführen. Aber wir als Bank haben eine lange Vorlaufzeit,
35
um so etwas umzusetzen, deshalb mussten wir das jetzt schon vorbereiten. Jetzt könn-
36
ten wir wie auf Knopfdruck Negativzinsen abrechnen.
37
Somit musste man in den vergangenen Jahren nie damit rechnen?
38
Nicht in den letzten 20 Jahren. Es hat es auch schon gegeben, aber nicht in diesem
39
breiten Ausmass. Damals waren es Spezialfälle. Das ist schon länger her, ich glaube in
40
den 1970er-Jahren. Da war ich noch in der Schule. In den letzten paar Jahren waren
41
Negativzinsen nie ein Diskussionspunkt. Eine Bank hat kein Interesse, Negativzinsen
42
auf Gelder zu akzeptieren, die sie anlegt. Und ein Kunde hat schon gar kein Interesse
43
daran, Negativzinsen zu akzeptieren. Dann würde er Bargeld vom Konto abheben.
44
Also sicher nicht bei Kunden in der Schweiz, welche ihr Geld in Schweizerfranken halten?
45
Ja, sicher nicht Kunden in der Schweiz. Bei ausländischen Kunden und teilweise auch
46
Investoren hat man gesehen, da wurden Negativzinsen implizit oder sogar explizit ak-
47
zeptiert – bei Geldmarktbuchforderungen etc.
48
Da muss man einfach akzeptieren, dass es der Preis für eine sichere Anlage ist?
49
Zum Teil musste ich staunen, wie hoch diese Negativzinsen sind, und dass die Investo-
50
ren trotzdem relativ schnell bereit sind, die zu akzeptieren. Und das, obwohl es für aus-
51
ländische Investoren andere Möglichkeiten gegeben hätte, das Geld anzulegen. Das
52
zeigt einerseits die Zeitnot. Man sagt sich dann vielleicht, ich bezahle dieses Prozent,
53
das ist mir egal. Hauptsache ich habe dieses Problem vom Tisch. Diese Investoren
54
mussten in letzter Zeit so viele Probleme lösen, da hat man irgendwann einfach die Zeit
55
nicht mehr, um eine optimale Lösung zu suchen. Das ist dann einfach der Preis, den sie
56
zahlen. Aber einen Schweizer Kunden, welcher über längere Zeit Negativzinsen akzep-
57
tiert, das glaube ich nicht. Privatkunden könnten Bargeld abheben und in einen Safe le-
58
gen. Solange die Safemiete günstiger ist als der Negativzins wird das sicher gemacht.
59
60
61
Das wäre ja dann für das Geschäft einer Bank gar nicht gut?
Safes sind nicht kostendeckend. Das wäre sehr unattraktiv für die Bank.
Und es ist ja nicht abhängig von der Geldmenge, die im Safe liegt.
62
Ja einerseits. Und andererseits ist da der administrative Aspekt. Sie müssen ja dann ei-
63
ne riesige Logistik aufbauen, um diese Bargeldbestände zu bewirtschaften. Sie müssen
64
bei der Nationalbank bestellen und in die Filialen ausliefern. Das ist sehr teuer. Als Bank
65
hat man daran überhaupt kein Interesse. Wir sind vorbereitet, aber wir hoffen natürlich
66
auch, dass dieser Fall nie eintrifft. Als Bank darf man einfach nicht so naiv auf einen gu-
67
ten Verlauf hoffen. Sie müssen vorbereitet sein, auch wenn es mal nicht in ihrem Sinn
68
läuft.
69
Das war der Hauptpunkt, der Sie beschäftigt hat, das Thema mit den Negativzinsen.
111
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
70
Ja eben, Anlagenotstand und negative Zinsen, welche uns gezwungen haben, substan-
71
zielle Investitionen in unsere Systeme zu tätigen.
72
Was sehen Sie bei der SNB für Auswirkungen dieses Mindestkursziels?
73
Die SNB ist natürlich ein enormes Risiko eingegangen. Es ist taktisch – das kann man
74
sagen – sehr gut aufgegangen. Die SNB hat mit aus unserer Sicht bescheidenem Mitte-
75
leinsatz das Kursziel verteidigen können. Zu Beginn musste man befürchten, dass es zu
76
einer massiven Flut von Euro führt, welche der SNB angedient werden. Es hat sich dann
77
gezeigt, dass es gar nicht so viel war – zumindest bis jetzt. Aber es gibt nach wie vor
78
zwei Risiken, die enorm sind: Die eine Frage ist, was mit der Untergrenze passiert, wenn
79
sich die Krise in Europa irgendwann einmal akzentuiert. Kann die SNB dann die Unter-
80
grenze immer noch verteidigen? Die wurde ja noch nie richtig getestet. Und das zweite
81
ist das Ausstiegsszenario. Wie kommt die SNB je wieder von dieser Untergrenze weg?
82
An dem Tag, an dem die SNB das Ziel aufgibt, explodiert der Schweizerfranken. Der Eu-
83
ro fällt ins Bodenlose, einfach weil zu Beginn diese Flut an angestauten Geldern kommt.
84
Das gibt eine enorme Volatilität, die extrem schädlich wäre für die Volkswirtschaft. Even-
85
tuell gibt es eine stufenweise Freigabe, das ist heute noch offen. Es spricht ja auch nie-
86
mand davon. Momentan kann man die Grenze nicht aufgeben. Da drin ist man gefan-
87
gen. Das längerfristige Beibehalten dieser Koppelung an den Euro könnte irgendwann
88
einmal eine Inflation auslösen. Wie will die Nationalbank den Wechselkurs verteidigen
89
und gleichzeitig die Inflation im Griff behalten? Da müsste sie die Zinsen anheben. Das
90
kann sie aber nicht, da sie ja die Untergrenze verteidigen muss. Das ist ein strategi-
91
sches Risiko, welches die Nationalbank hoffentlich in der Planung bedacht hat. Ich gehe
92
davon aus, dass dort Leute sind, die genau dafür geschult sind. Es ist sicher dieses stra-
93
tegische Risiko, welches für die Schweiz durchaus auch als existenziell bezeichnet wer-
94
den kann. Die Schweiz hat sich hier aus Sicht der Nationalbank auf Gedeih und Verderb
95
an den Euro koppeln müssen. Ob das strategisch richtig war, das kann man heute gar
96
nicht beantworten.
97
Das kann man erst im Nachhinein sagen.
98
Ja. Und das ist natürlich immer unschön, wenn man ein strategisches Risiko eingehen
99
muss, bei dem man keine Ahnung hat, wie es sich auswirken wird.
100
War es Ihrer persönlichen Meinung nach richtig, dieses Risiko einzugehen? Also ist die SNB
101
mit ihrer momentanen Politik auf dem richtigen Weg?
102
Das ist ganz schwierig zu beantworten. Es gibt ein paar sehr gute Leute bei der SNB,
103
die das viel besser beurteilen können. Ich habe Vertrauen in die Leute. Ich denke, die
104
überlegen sich sehr viele Dinge, die ich nur oberflächlich beachte, sehr gründlich. Des-
105
halb gehe ich davon aus, dass die sich den Risiken bewusst sind. Aus Sicht der Schweiz
106
haben wir meiner Meinung nach eine sehr unglückliche Aussenpolitik beziehungsweise
112
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
107
Europapolitik. Eine dieser Auswirkungen ist, dass wir mitgefangen sind ohne mitgestal-
108
ten zu können. Wir können uns der europäischen Politik, Konjunktur und Wirtschaftspoli-
109
tik nicht entziehen. Wir sind, auch wenn man die Landkarte betrachtet, de facto mitten in
110
Europa, haben aber sehr wenig Mitgestaltungsrecht. Das ist jetzt der Preis, den man
111
zahlt. Man muss mitgehen, ohne mitgestalten zu können. Von daher muss man nicht
112
fragen, ob die SNB alles richtig gemacht hat. Man müsste eher fragen, ob unsere Aus-
113
senpolitik gut ist. Und da muss ich sagen, da hat man in den letzten 20 bis 25 Jahren
114
strategische Fehler gemacht. Das kann man nicht der SNB ankreiden.
115
Da höre ich irgendwie das Thema EU-Beitritt heraus.
116
Nein, nicht EU-Beitritt. Das wäre für die Schweiz nicht denkbar gewesen in dieser politi-
117
schen Konstellation. Aber wie gesagt, Entscheidungen sind emotional und nicht rational
118
gefällt worden. Deshalb kann man nicht sagen, ob die SNB etwas richtig oder falsch
119
gemacht hat. Ich kann mir vorstellen, dass falls ich hätte entscheiden müssen mit allen
120
Informationen, welche die SNB damals hatte, dass ich auch so entschieden hätte. Aber
121
man muss schon sagen, eine Anbindung einer Währung an eine andere Währung ist ei-
122
ne absolute Verzweiflungstat. Wir haben den Franken angebunden, um die Aufwertung
123
zu verhindern. Andere Länder machen das teilweise, um eine Abwertung zu verhindern.
124
Das ist katastrophal. Wie sich das auf uns auswirken wird, das ist ein Experiment, bei
125
dem man nicht weiss, wie es ausgehen wird. Als Staat ein solches Risiko einzugehen ist
126
enorm. Von daher hat man kurzfristig einen Nutzen, man hat unsere Exportindustrie ge-
127
schützt. Das ist heute deutlich sichtbar. Wir hätten ansonsten einen massiven Konjunk-
128
tureinbruch. Wir haben einen, aber nicht einen massiven.
129
Und es gäbe wahrscheinlich Stellenabbau?
130
Höhere Arbeitslosigkeit, Stellenverlust, welcher vielleicht sogar strukturell wäre. Also
131
Stellen, die nie wieder zurückkämen. Aber eben, der Preis kann sehr hoch sein, und ich
132
glaube, den Preis kennt niemand. Deshalb hat die SNB meiner Meinung nach ein sehr
133
riskantes Manöver unternommen. Ich kann nicht sagen, dass ich das gutheisse. Ich
134
möchte es nicht der SNB anlasten, aber ich finde es schon sehr riskant.
135
Wie hätte es ausgesehen, wenn man dieses Risiko nicht eingegangen wäre? Hätte die SNB
136
mit etwas Geld versucht, den Franken zu lenken?
137
Ja das wäre auch eine Möglichkeit gewesen, punktuell immer wieder etwas zu stützen.
138
Versuchen, eine geordnete Kursentwicklung mit weniger Volatilität herbeizuführen.
139
Das wäre dann der Zwischenweg gewesen zwischen den Extremvarianten gar nichts ma-
140
chen und dem Wechselkursziel?
141
142
Ja.
Das wäre Ihrer Meinung nach etwas schlauer gewesen?
113
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
143
Ja ich bin halt dieser Typ. Ich bin kein Anhänger von Radikallösungen. Und das ist eine
144
Radikallösung. Aber deshalb zu sagen, die SNB hätte einen Fehler gemacht, wäre von
145
mir aus nicht gerechtfertigt. Zum einen haben sie sich das – da bin ich überzeugt – sehr
146
gründlich überlegt. Sie haben sicher noch mehr Informationen, als mir vorliegen. Und
147
zum anderen mussten sie einfach etwas machen. Nicht zu machen war keine Option,
148
das wäre das schlimmste gewesen, einfach zu sagen man wisse nicht was machen und
149
deshalb nichts zu machen. Manchmal muss man auch etwas riskieren.
150
Wobei ich auch schon das Argument hörte, es wäre ein Eingriff in den freien Markt, und das
151
alleine schon problematisch wäre.
152
Ja das ist an sich schon problematisch. Aber wenn sie eine Notsituation haben, müssen
153
sie manchmal auch gegen die reine Lehre verstossen. Die reine Lehre – dessen sind wir
154
uns auch bewusst – ist keineswegs so eindeutig und klar. Es gibt nicht den einen richti-
155
gen Weg in der Steuerung der Volkswirtschaft. Es gibt nur die Optimierung von ver-
156
schiedenen Dimensionen.
157
Vor allem, wenn es von so vielen Faktoren abhängt.
158
Richtig. Und wie gesagt, man darf nicht unterschätzen, eine hohe Arbeitslosigkeit hat
159
auch hohe Kosten. Struktureller Arbeitsplatzverlust ist langfristig auch ein Risiko für die
160
Schweiz. Wenn wir zu einem reinen Dienstleistungsland werden, wird das auch Konse-
161
quenzen haben. Also egal was sie machen, es gibt Risiken. Man muss sich bewusst
162
sein, wir werden mitgerissen von den Problemen anderer Staaten. Die haben abgese-
163
hen davon noch viel grössere Probleme als die Schweiz. Wir werden einfach mitgeris-
164
sen, ob es uns passt oder nicht. Lamentieren nützt nichts. Handeln ist sicher eine gute
165
Option und die SNB hat hier gehandelt. Das will ich wie gesagt nicht in Frage stellen. Ich
166
sage einfach, es ist nicht davon auszugehen, dass die SNB es leicht haben wird.
167
168
Mit den Informationen, die man hatte, hat man also die beste Lösung getroffen?
Ja, genau.
169
Das sind also die direkten Auswirkungen für die SNB. Wie sieht es beim Staat aus? Der ist ja
170
unabhängig von der SNB.
171
Ja und nein. Wie gesagt, unsere Aussenpolitik ist sehr unglücklich. Die Probleme kom-
172
men teilweise auch daher, dass wir isoliert sind, dass wir de facto an den Euro gekoppelt
173
sind, obwohl wir nie dem Euro beitreten würden. Jetzt muss man sich fragen, ob man
174
nicht einfach alle Nachteile des Euro übernommen hat und keine Vorteile. Kurzfristig be-
175
trachtet hat das Wechselkursziel für den Staat viele Probleme gelöst. Er muss das KMU-
176
und Exportwirtschaftsproblem nicht angehen und er muss keine Arbeitslosigkeit abfan-
177
gen. Für den Staat ist die Rechnung kurzfristig sehr gut aufgegangen.
178
Kurzfristig?
114
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
179
Ja wie es langfristig sein wird, das werden wir sehen. Sicher kurzfristig für unsere Politik.
180
Die muss momentan nichts machen. Man sieht das ja auch. Einige Politiker mäkeln
181
manchmal etwas an der SNB herum, andere kommen mit Durchhalteparolen. Aber ma-
182
chen müssen sie eigentlich nichts, sie sind nicht gefordert. Das hat ihnen Zeit erkauft.
183
Man muss sich jetzt fragen, ob die Zeit genutzt werden kann und was man hier machen
184
kann. Es ist schwierig zu sagen. Ich sage einfach, bevor man allzu viel Geld in europäi-
185
sche Staatspapiere – die ja eigentlich nichts anderes als Papier sind – investiert, würde
186
ich mir als Staat überlegen, ob ich jetzt europäische Güter einkaufen kann zu günstigen
187
Preisen. Man könnten zum Beispiel teure Infrastrukturprojekte ausführen lassen durch
188
europäische Unternehmen. Das wäre eine Variante gewesen, anstatt zig Milliarden in ir-
189
gendwelche Staatsobligationen zu investieren. Das sind Handlungsoptionen, die der
190
Staat momentan nicht wahrnimmt.
191
Da höre ich jetzt schon den Aufschrei aus der eigenen Wirtschaft.
192
Ja wissen Sie, die grossen Infrastrukturprojekte wie zum Beispiel der Gotthard-
193
Basistunnel, das sind ja auch internationale Konsortien. Da haben wir die Kapazität gar
194
nicht. Das heisst ja nicht, dass unsere Schweizer Unternehmen ausgeschlossen wären.
195
Die profitieren ja auch vom Bau dieses Basistunnels, die sind ja im Konsortium auch be-
196
teiligt. Aber sie können die Hauptlast nicht tragen. Der Gotthardtunnel wird von Österrei-
197
chern gebaut. Rund herum gibt es dann schon Schweizer Firmen. Aber es gäbe andere
198
Infrastrukturprojekte, bei denen man sich überlegen könnte, diese Leistungen günstig
199
aus dem Ausland zu beziehen. Das wäre eine Variante. Aber es ist klar, momentan ist
200
für den Staat ein dringendes Problem gelöst.
201
Man hat wieder mal etwas Luft. Jetzt zur nächsten Frage: Das Handeln der SNB hat eine
202
grosse Geldmengenerhöhung bewirkt – oder sagen wir eine Geldangebotserhöhung.
203
Nein, wenn man der Statistik der SNB glaubt, war die Geldmenge bereits vorher hoch
204
und ist seither nicht mehr angestiegen.
205
Aber man hat jedenfalls das Geldangebot erhöht, oder ist das auch nicht richtig?
206
So wie ich die von der SNB publizierten Zahlen verstehe, hat sie die Geldmenge seit
207
Einführung dieser Massnahme sogar leicht reduziert gegenüber vorher. Da musste sie ja
208
auch schon den Franken schwächen mittels Interventionen. Von daher war es wie be-
209
reits erwähnt ein taktischer Erfolg. Sie musste die Geldmenge gar nicht in dem Ausmass
210
erhöhen, welches man zu Beginn befürchtete. Wenn Sie die Presse verfolgten, als diese
211
Massnahme eingeführt wurde, hat man polemische Ausdrücke wie „Ozeane austrinken“
212
oder „Hunderte von Milliarden, wenn nicht mehr“ gehört. Alles Schlagwörter, die Profes-
213
soren der Presse lieferten. Das ist ja alles nicht eingetroffen. Deshalb sage ich, es war
214
taktisch ein voller Erfolg. Dass es ihnen in dieser wirtschaftlichen Situation, in welcher
215
sich Europa und die USA befinden – wobei beide die Geldmenge stark ausweiten – nicht
115
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
216
gelingt, die Geldmenge zu reduzieren, ist auch logisch. Wir sind international so ver-
217
netzt, wir können die Geldmenge jetzt nicht reduzieren. Das würde die Zinsen massiv
218
nach oben treiben. Dadurch würden wir zu einem Anlageland, was die Massnahmen der
219
SNB gleich wieder zunichtemachen würde.
220
Wieso ist diese grosse Geldflut nicht eingetreten?
221
Weil alleine die Drohung der SNB, jeden Kurs unter 1,20 abzufangen, die Spekulationen
222
massiv reduziert hat.
223
Es hängt also mit der Glaubwürdigkeit der SNB zusammen?
224
Sie hat sich diese Glaubwürdigkeit erworben, das ist taktisch sehr gut aufgegangen.
225
Auch wenn der Kurs mal kurz unterschritten wurde – das war eine sehr unschöne Pan-
226
ne. Aber grundsätzlich hatte sie einen vollen Erfolg auf der taktischen Ebene. Dass aber
227
die Geldmenge gegenüber den Standardlehrbüchern massiv überhöht ist, das ist klar.
228
Da befinden wir uns immer noch in einer Phase der Behebung der Schäden, welche die
229
Rezession ausgelöst hat. Da können wir uns der hohen Vernetzung mit anderen Volks-
230
wirtschaften einfach nicht entziehen, auch wenn bei uns die Rezession nie sehr stark
231
war und schon längst überwunden ist. Wenn die Amerikaner und Europäer die Geld-
232
menge derart ausweiten, dann müssen wir automatisch auch ausweiten, das ist sehr
233
hoch korreliert. Und dass dies zumindest in der Theorie ein gesteigertes Inflationsrisiko
234
darstellen kann ist klar. Aber da gehen die Meinungen weit auseinander. Es ist keines-
235
wegs bewiesen, dass diese Geldmenge zur Inflation führen muss. Der Kreislauf, in dem
236
sich diese hohe Geldmenge bewegt, ist im Prinzip dieser Giro-Guthaben-Kreis, und der
237
ist sehr eng. Sie hatten durch die tiefen Zinsen sicher ein starkes Kreditwachstum, aber
238
das ist nur indirekt. Diese Geldmenge liegt bei der SNB, das ist nicht das Problem. Prob-
239
lematisch sind die tiefen Zinsen, welche zu dieser Kreditausweitung und zur Hauspreis-
240
steigerung führten. Es ist eine sogenannte Asset Inflation. Güter wie Häuser und Boden
241
wurden teurer. Aber die Geldmenge selber ging gar nie in die Volkswirtschaft. Wenn
242
man Banken wie unsere als Beispiel nimmt, wir könnten Hunderte von Millionen mehr an
243
Kredite vergeben, wenn die Nachfrage da wäre. Aber die Nachfrage ist gar nicht mehr
244
da. Dieses Geld bleibt also liegen und ist somit nicht inflationär. Inflationär hingegen sind
245
die tiefen Zinsen, speziell in der Schweiz über Boden- und Immobilienpreise.
246
Das heisst, aufgrund der momentanen Zustände erwarten Sie eine Inflation?
247
Nicht zwingend. Wir haben wohl eine Immobilienpreissteigerung, die aber international
248
betrachtet mit hedonisch gewichteten Preisen nicht sehr stark ist. Daher befinden wir
249
uns in einer Preisentwicklung noch nicht an einem Zeitpunkt, an dem es bei anderen
250
Volkswirtschaften bereits eine Korrektur gab. Wenn Sie unsere Preisentwicklung ver-
251
gleichen mit den USA, England oder Spanien, als dann die Korrektur kam, davon sind
252
wir noch relativ weit entfernt. Wir hatten bis anhin sicher eine starke Preissteigerung, die
116
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
253
zu einem grossen Teil erst durch diese tiefen Zinsen möglich wurde. Aber wir haben
254
auch eine massive Zuwanderung, welche überhaupt erst diese Nachfrage generiert hat.
255
Also hält sich das momentan die Waage?
256
Im Moment muss man sagen, ist die Nachfrage so hoch, dass selbst hochpreisige Ob-
257
jekte in guten Lagen sehr rasch verkauft werden.
258
Deshalb haben wir die Immobilienblase?
259
Ich weiss nicht, ob es eine ist. Ich habe noch keinen Beweis für eine Blase gesehen. Ich
260
sage, es gab eine deutliche Preissteigerung in den letzten paar Jahren, aber von einer
261
Blase möchte ich nicht sprechen. Wenn ich uns international vergleiche, ist es keine.
262
Und wenn ich das von der Tragbarkeit her anschaue… Das ist ja das nachhaltige Krite-
263
rium: Können die Leute mit ihrem Einkommen die Hypothek tragen; amortisieren und die
264
Zinsen bezahlen…
265
…auch bei steigenden Zinsen.
266
Auch wenn die Zinsen einmal steigen. Da gibt es sicher Anzeichen, dass langsam eine
267
Obergrenze erreicht ist. Aber die Feststellung, dass Leute bei einem Zinsanstieg in
268
Schwierigkeiten kommen, das ist noch nicht gegeben. Deshalb würde ich hier nicht das
269
Wort Blase verwenden.
270
Das ist sehr interessant.
271
Ja das ist ja nicht eine Meinung, die nur ich habe. Man muss den Markt beobachten, und
272
das ist unter anderem die Aufgabe eine Bank. Besonders bei Banken mit dem Marktan-
273
teil, wie wir ihn haben – zumindest in unserer Region. In der aktuellen Entwicklung ist
274
das eine Pflichtaufgabe, man muss das noch vermehrt machen. Aber es sind keine ech-
275
ten Alarmzeichen sichtbar. Es gibt Warnzeichen, die uns dazu veranlassen, nicht mehr
276
jedes Objekt zu finanzieren. Da hätte man vor drei bis vier Jahren vielleicht noch an-
277
standslos einer Finanzierung zugestimmt. Da ist man heute sicher zurückhaltender. Da
278
sind wir auch nicht die einzige Bank.
279
Offiziell machen das ja alle.
280
Ich weiss nicht, ob das alle so machen. Aber bei unseren direkten Konkurrenten sehen
281
wir folgendes: Hätten wir vor rund vier Jahren einen Kunden abgelehnt, hätte dieser
282
noch am selben Tag bei einer anderen Bank eine Hypothek abschliessen können. Das
283
ist heute nicht mehr so. Besonders bei den Luxusobjekten, die nicht mehr so einfach zu
284
verkaufen sind, da findet ein Interessent nicht mehr so einfach eine Alternative, wenn wir
285
erst einmal abgelehnt haben. Das wirkt sicher dämpfend auf die ganze Preisentwick-
286
lung. Ich glaube nicht, dass die Entwicklung in diesem Masse weitergeht. Es hat sich
287
schon jetzt etwas abgeflacht.
288
Muss man trotzdem längerfristig betrachtet – nicht nur bei Immobilien – eine Inflation erwar-
289
ten?
117
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
290
Eine Inflation hängt von so vielen Faktoren ab. Und in der globalen Wirtschaft, in der wir
291
uns heute befinden, kann man gar nicht mehr klar sagen, welche das sind. Man hatte
292
diese Situation noch gar nie. Man hätte ja schon in den letzten 20 Jahren eine massive
293
Inflation haben müssen, wenn es nach der klassischen Volkswirtschaftslehre ginge.
294
Aber dann hat die Industrieproduktion in China jede Inflation wegproduziert. Sonst hät-
295
ten wir eine Güterpreisinflation, dass uns Hören und Sehen verginge. Der Konsum ist ja
296
massiv gestiegen. Aber alles wurde geliefert aus Billiglohnländern wie China. Andere
297
auch, aber vor allem China. Das hat die Preise massiv gedrückt. Was jetzt die Inflation
298
auslösen soll, zum Beispiel eine massive Verteuerung der Energie – und das ist sicher
299
eine der Gefahren – das wissen wir heute nicht. Aber rein von der Geldmenge her muss
300
es nicht zwingend zu einer Inflation kommen. Das ist meiner Meinung nach eine Fixie-
301
rung auf eine Grösse, welche in der Vergangenheit zu Inflation geführt hat. Aber da ging
302
das Geld in die Wirtschaft hinaus. Heute kann es sein, dass wir wie in Japan – die ha-
303
ben ja auch keine Inflation, sondern seit Jahren eine Deflation – eine riesige Geldmenge
304
haben. Das führt zu tiefsten Zinsen, aber trotzdem gibt es keine Inflation. Ich sehe in den
305
nächsten Jahren eher dieses Szenario, als ein Szenario mit Hyperinflation.
306
307
308
Also eher eine leichte Deflation?
Eine leichte Deflation in der Schweiz.
Was wären dann die Konsequenzen?
309
Da bin ich zu wenig Spezialist. Ich habe Japan immer etwas beiseitegeschoben, weil die
310
meiner Meinung nach von der Mentalität her so weit von uns entfernt sind. Ich habe im-
311
mer gesagt, wir werden nie ein Japan-Szenario haben. Da lag ich völlig falsch. Wir ha-
312
ben heute tiefere Zinsen als Japan je hatte, das muss man sich mal vorstellen. Ich kann
313
es nicht genau sagen. Ich sage einfach, es hängt von so vielen anderen Faktoren ab.
314
Wenn Sie eine Zuwanderung haben von kaufkräftigen, konsumorientierten Leuten, wie
315
wir das jetzt haben… Ein junger Deutscher, der zu uns kommt um zu arbeiten und gut
316
verdient, konsumiert. Dann wird die Deflation nicht so stark ausfallen. Falls die Zuwan-
317
derung abflacht, und die alternde Bevölkerung ihre Konsumbedürfnisse reduziert, dann
318
gäbe es eine höhere Inflation. Das ist das Phänomen von Japan. Wenn ich wüsste, wie
319
sich die Zuwanderung entwickelt, dann könnte ich das eventuell beantworten. Aber das
320
ist nur ein Faktor von vielen. Ich glaube aber nicht, dass wir abgesehen von steigenden
321
Energiepreisen, die aber aus anderen Gründen steigen, eine grosse Inflation haben
322
werden. Ich glaube, wir werden in den nächsten paar Jahren eher deflationäre Tenden-
323
zen haben, ohne dass sich das Verhalten der Konsumenten dramatisch ändert. Grosse
324
Anschaffungen auf Jahre hinauszögern, in der Erwartung weiter sinkender Preise – so
325
stark wird die Deflation nicht sein. Man sieht es auch beim Autokonsum. Obwohl man
326
erwarten könnte, dass die Preise noch mehr unter Druck geraten, sind die Verkaufszah118
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
327
len sehr robust. Die Schweizer schieben den Autokauf noch nicht auf. Von daher denke
328
ich nicht, dass es zu einer dramatischen Verhaltensänderung beim Konsum kommt.
329
Sie betrachten also diese mögliche leichte Deflation nicht als besonders schlimm?
330
Eine Deflation ist immer ein Risiko. Der Grund, weshalb die Nationalbank ein Inflations-
331
ziel von 2% herausgibt ist der, dass sie die 0% verhindern will. Sie kann es ja nicht fein-
332
steuern. Da gibt es eine extreme Verzögerung. Dazu kommen Transmissionsmecha-
333
nismen, die nicht zu 100% greifen. Wenn man bei einem Inflationsziel von 0% erst ein-
334
mal darunter ist, ist man in einer Deflation und dann kann eine Zentralbank mit den klas-
335
sischen Instrumenten nicht mehr sehr viel bewirken. Sie will also um jeden Preis nicht
336
unter 0% geraten. Für eine Zentralbank wäre das sehr unkomfortabel. Von daher ist eine
337
Deflation für die Nationalbank ein hohes Risiko, obwohl die aktuellen Auswirkungen viel-
338
leicht gar nicht dramatisch sind. Es erhöht längerfristig einfach die Risiken. Und Risiken
339
sind immer schlecht. Für dieses Risiko werden sie nicht entschädigt.
340
Sie haben die Mittel der SNB bereits angesprochen. Mit welchen Mitteln könnte sie die Defla-
341
tion verhindern?
342
Wenn ein Land in einer Deflation ist, hat die Zentralbank nur noch sehr wenige Möglich-
343
keiten. Negativzinsen würden kaum etwas bewirken. Konsumenten kann man nicht zum
344
Konsum zwingen. Das ist auch das Dilemma der japanischen Zentralbank, welches sie
345
seit 20 Jahren hat. Sie kann die Geldmenge erhöhen und die Zinsen senken, die Leute
346
konsumieren trotzdem nicht. Deshalb ist es für die Zentralbank sehr unkomfortabel,
347
wenn ein Land in der Deflation ist.
348
Deshalb versucht man es, im Vornhinein zu verhindern.
349
Das Ziel wäre es eigentlich, das von Vornherein zu verhindern, damit man das gar nie
350
bekämpfen muss. Für eine Inflation hat sie Instrumente, da weiss man auch, dass die
351
greifen. Es gibt auch da enorme Kosten und die Zeitverzögerung kann enorm sein. Die
352
Schweiz weiss das. Wir hatten für sehr lange Zeit – in der zweiten Hälfte des letzten
353
Jahrhunderts – die Inflation bekämpft. Das hatte enorme volkswirtschaftliche Kosten zur
354
Folge. Aber die SNB kann es bekämpfen. Es ist ja immer die Frage: Kann man oder
355
kann man nicht? Da muss ich sagen, da habe ich vertrauen, bei einer kommenden Infla-
356
tion würde die Nationalbank entschlossen dagegen treten.
357
Ist das Wechselkursziel bei 1,20 an der richtigen Stelle?
358
Ich glaube, es spielt gar keine grosse Rolle. Es könnte auch bei 1,25 sein, das würde die
359
Ausgangslage der Nationalbank nicht gross ändern. Wo es sein sollte, falls man ein
360
Kaufkraftparitäten-Modell unterstellt, da gehen die Meinungen auseinander. Es gibt Leu-
361
te, die sagen 1,30, andere sagen 1,40. Ich sage, der Wechselkurs ist ja nicht konstant.
362
Über die Zeit entwickelt der sich ja. Der Trend ist ja nach wie vor, dass die grossen
363
Währungen abwerten, und Währungen wie der Schweizerfranken eher aufwerten. Des119
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
364
halb wären wir früher oder später eh bei 1,20, einfach über einen längeren Zeithorizont.
365
Von daher ist es für mich eine taktische Frage, ob die 1,20 geschickt waren oder nicht,
366
aber sicher keine strategische Frage. Weil eben, wenn man rückblickend gewusst hätte,
367
wie erfolgreich die Nationalbank ist, hätte sie es vermutlich riskieren können, auf 1,25 zu
368
fixieren. Aber Sie müssen wissen, als das Ziel damals beschlossen wurde, war der Kurs
369
weit unterhalb – etwa bei 1,10, kurzfristig sogar nahe der Parität. So betrachtet waren
370
die 1,20 ein sehr grosser Schritt. Der Schritt war ja dann von 1,11 auf 1,20 gestiegen.
371
Sogar noch etwas mehr.
372
Sogar noch mehr. Ein riesiger Sprung. Rückblickend kann man sagen, ein noch grösse-
373
rer Schritt wäre möglich gewesen, das hätte auch funktioniert. Aber das weiss man halt
374
nicht.
375
Sie haben vorhin bereits das Ende des Wechselkursziels angesprochen, hauptsächlich was
376
die Reaktion darauf wäre. Aber wie sähe dieses Ende genau aus? Was müsste die SNB
377
machen, um von dem Wechselkursziel wegzukommen?
378
Ich kenne sehr viele Leute bei der SNB, die übrigens genau dafür zuständig sind. Ich
379
weiss, die planen das sehr seriös. Ich konnte bei Referaten auch schon sehen, wie die-
380
se Planung funktioniert. Wie die konkrete Planung für die Aufhebung dieses Wechsel-
381
kursziels aussieht, kann ich Ihnen nicht sagen. Das ist sicher streng geheim. Da darf si-
382
cher nichts durchsickern. Ich kann Ihnen nur sagen, die SNB hat sicher Vorkehrungen
383
getroffen. Sie wird sicher nicht sagen, welche das sind, aber es ist nicht denkbar, dass
384
die SNB hier einfach blind in dieses Abenteuer ging. Die Leute, welche ich da kenne,
385
von denen weiss ich, die gehen nicht auf gut Glück in eine solche Situation. Aber wissen
386
Sie, die haben sicher auch einen Köcher an Instrumentarien und Massnahmen. Da wer-
387
den sie dann situativ einzelne Elemente herausgreifen und einsetzen. Andere werden
388
dann vielleicht in der Hinterhand gehalten. Aber das sind dann vorbehaltene Beschlüs-
389
se, die werden nicht kommuniziert. Sie sagen vielleicht, welche Möglichkeiten sie für die
390
Aufhebung des Ziels haben, aber welche gewählt wird, das wird nicht kommuniziert.
391
Denken Sie, es wird eher eine bewusste Aktion der SNB geben oder regelt das der Markt so,
392
dass das Ziel nicht mehr nötig ist?
393
Optimal aus Sicht der SNB ist ein Wechselkurs, der sich einfach sukzessive höher be-
394
wegt und die SNB irgendwann sagen kann, dass die Untergrenze zwar noch existiert,
395
aber kein Mensch denkt mehr daran, diese zu testen. Das ist dann der Fall, wenn der
396
Kurs bei 1,32 oder 1,35 ist. Irgendwann einmal wird die SNB einfach nichts mehr sagen.
397
Falls dann mal ein Journalist fragt: „Gibt es die Untergrenze noch?“, dann heisst es, es
398
wäre eine theoretische Frage.
399
…gar nicht mehr wichtig.
120
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
400
Ja genau. Das wäre die Idealvorstellung. Davon träumt Herr Jordan sicher. Aber ich
401
glaube nicht, dass das sehr rasch der Fall sein wird.
402
Es läuft also eher auf eine Aktion der SNB hinaus?
403
Wir wissen einfach nicht, wie sich der Euro weiterentwickeln wird. Ich gehe davon aus,
404
dass Griechenland ausscheiden muss. Das ist bitter für dieses Land, die Leute werden
405
einen hohen Preis bezahlen müssen. Ich persönlich sehe da keinen Ausweg mehr. Ob
406
das zu einem Zusammenbruch des Euro führt weiss ich nicht. Es ist möglich, dass er
407
gestärkt aus dieser Krise geht. Man muss halt auch die historische Dimension im Auge
408
behalten. Langfristig braucht Europa einen geschlossenen Wirtschaftsraum – nur einen.
409
Ansonsten kann Europa geostrategisch nicht überleben. Dass dieser Weg holprig ist, ist
410
klar. Die Frage ist jetzt, ob das ein Weg in den Abgrund ist oder ein holpriger Weg in die
411
Zukunft. Ist dieser Dämpfer der Beginn vom Totalabsturz oder ist es einfach das norma-
412
le Holpern, welches man auf so einem Weg hat? Davon hängt ab, wie sich dieses
413
Wechselkursziel verhalten wird. Es ist durchaus möglich, dass das Ziel nochmals massiv
414
getestet wird, weil rund um den Euro alles zusammenbricht. Wenn Deutsche das Ver-
415
trauen in den Euro verlieren würden und ihr Geld in Schweizerfranken in Sicherheit brin-
416
gen, dann hätte man einen riesigen Zufluss. Wir sind ein kleines Land und Deutschland
417
ist ein sehr grosses Land. Das können wir einfach nicht vorhersagen. Aber ich glaube,
418
kurzfristig wird Herr Jordans Traum, dass sich das Ziel als irrelevant herausstellt, nicht
419
so schnell einstellen. Also es ist natürlich nicht komplett ausgeschlossen. Ich nehme an,
420
eines der Szenarien zeigt eine schwere Rezession der Schweiz mit hoher Arbeitslosig-
421
keit. Dann würden die ausländischen Investoren merken, dass die Schweiz eigentlich
422
noch viel schlechter dran ist als der Euro-Raum. Das ist nicht ausgeschlossen. Und in
423
diesem sehr engen Markt hat man dann plötzlich einen Kurs von 1,35.
424
Dafür andere Probleme.
425
Und dafür andere Probleme. Aber es ist ja nicht die Aufgabe der Nationalbank, Arbeits-
426
losigkeit zu bekämpfen. Das kann nicht ihre Aufgabe sein. In den USA ist das eines der
427
Ziele. Und man sieht, wie schwierig es für das Fed. ist, dieses Ziel zu verfolgen.
428
Jetzt möchte ich gerne noch auf das Jahr 1978 schwenken. Ich nehme an, das ist das, was
429
Sie bereits angesprochen haben, was sich während Ihrer Schulzeit ereignete.
430
431
Ja das ist lange her.
Trotzdem, haben Sie einen Überblick über die damaligen Geschehnisse?
432
Ich muss Ihnen sagen, das war damals kein Thema. Da hat keiner darüber gesprochen.
433
Gut wir hatten auch noch keine Wirtschaftskunde. Das wurde in der Schule nie themati-
434
siert und auch im privaten Umfeld nicht. Damals hatte man andere Ängste. Die Inflation
435
zum Beispiel war ein grösseres Thema und die Angst vor Japan. Das waren die beiden
436
Themen, die ich als Schüler wahrgenommen habe, die Angst davor, dass Japan die
121
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
437
Welt übernimmt mit der unglaublichen Produktivität. Dass die Schweiz ein Wechselkurs-
438
problem hat, habe ich später einmal wahrgenommen, aber nicht zu der damaligen Zeit.
439
Nicht so wie heute.
440
Kann man für die heutige Situation Lehren ziehen aus den Ereignissen von 1978?
441
Ich glaube, die Umstände sind dermassen unterschiedlich, ich wüsste nicht, welche Leh-
442
ren man daraus ziehen könnte. Ich sehe da nichts.
443
Auch die grosse Inflation, die man dann drei bis fünf Jahre später hatte, das kann man nicht
444
eins zu eins übernehmen?
445
Nein. Damals hatte man die Lohn-Preis-Spirale. Das haben wir heute nicht. Die Löhne in
446
der Schweiz stagnieren eher, die Güterpreise sinken. Das müsste sich dann erst noch
447
materialisieren.
448
Gut, dann gehe ich wieder weg vom Jahr 1978. Das Verhalten der SNB haben Sie ja bereits
449
angesprochen, das bezeichnen Sie als eher riskant, aber sicher nicht falsch mit den Informa-
450
tionen, die sie hatten. Was sagen Sie zur Kommunikation der SNB? Man hört ja, dass sie
451
sehr viel nur durch Kommunikation bewegen kann.
452
Sehr unglücklich waren natürlich die Informationslecks, die es gab im Zusammenhang
453
mit dem Rücktritt von Herrn Hildebrand. Da kam heraus, dass er gegen den Willen der
454
beiden anderen Direktionsmitglieder das Wechselkursziel beschlossen hat. Das gab
455
Diskussionen im Bankrat, das war sehr unglücklich. Solche Schäden sind schwierig zu
456
quantifizieren. Da war die Kommunikation sicher nicht optimal. Aber insgesamt, das
457
Durchsetzen der Massnahmen, die taktische Kommunikation, das war gut. Ich muss sa-
458
gen, das wurde sehr professionell gemacht. Man hat der Kommunikation auch Taten
459
folgen lassen. Man hatte nicht das Gefühl, da ist ein Pressesprecher, der irgendetwas
460
sagt. Man hat gespürt, dass hinter der Kommunikation Substanz ist.
461
462
463
464
465
Man konnte ja einiges bewegen auf den Märkten, alleine mit der Kommunikation.
Alleine mit der Kommunikation, ja.
Könnte man das nicht nutzen, um den Kurs in Richtung 1,25 zu bewegen?
Das wäre sicher möglich. Eine Zeit lang wurde das ja auch gemacht.
Das war noch unter Herr Hildebrand.
466
Ja. Aber dann hat sich die Situation im Euro-Raum verschärft. Und auch die Wirren um
467
die Leitung der Nationalbank haben dazu geführt, dass dieses Ziel in den Hintergrund
468
gerückt ist. Ich spüre im Moment nicht, dass das kommunikativ vorbereitet wird. Ich
469
weiss es nicht. Aber insgesamt muss ich sagen, die Kommunikation war nicht das Prob-
470
lem dieser Aktion, das war alles sehr professionell. Und dass es Kommunikationslecks
471
gibt bei einer derart grossen institutionellen Krise, das ist auch klar. Das ist ein Kollate-
472
ralschaden.
122
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
473
Die SNB hat ja die Preisstabilität als Ziel und verfolgt dies unabhängig. Haben Sie das Ge-
474
fühl, sie hat diese Rolle neu interpretiert?
475
Nein, habe ich nicht das Gefühl.
476
Sie haben ja gesagt, dass das Fed. in Richtung Arbeitslosigkeitsbekämpfung geht.
477
Ja gut, das Fed. hat es als institutionellen Auftrag. Die SNB hat das explizit nicht als Auf-
478
trag.
479
Aber Sie denken nicht, dass es trotzdem etwas in diese Richtung geht?
480
Nein, im Gegenteil. Die Preisstabilität ist nach wie vor das oberste Ziel der SNB, und das
481
gilt auch nach unten, nicht nur gegen oben. Und das hat die SNB eigentlich jederzeit
482
sehr glaubhaft vertreten. Da muss ich sagen, obwohl der politische Druck gewisser Par-
483
teien, die Unabhängigkeit der SNB einzuschränken, massiv ist, konnte sie das bisher
484
sehr glaubwürdig umsetzen.
485
Das heisst, alle Aktionen und Massnahmen, welche die SNB getroffen hat, waren unabhän-
486
gig und nicht beeinflusst durch Parteien?
487
Der politische Druck ist sicher da. Aber das ist nicht die Schuld der SNB. Die Schweiz
488
als Land muss sich überlegen, ob sie diese wertvolle Institution – die nicht nur im Aus-
489
land, sondern vor allem auch bei den Bürgern ein hohes Vertrauen geniesst – aufs Spiel
490
setzen will mit irgendwelchen taktischen oder politischen Spielchen. Das
491
das Gefährliche. Die greifen teilweise Themen auf, bei denen es nur um Polemik geht,
492
um schlussendlich Wähleranteile zu gewinnen. So riskiert man, dass die Institution ge-
493
schwächt wird und diese dann die gesetzlich vorgegebenen Ziele nicht mehr verfolgen
494
kann. Man kann eine Institution so schwächen, dass diese nicht mehr glaubwürdig wirkt.
495
Das ist sicher eine Gefahr, aber das ist nicht der Fehler der Nationalbank. Das ist der
496
Fehler gewisser Politiker, denen jedes Mittel recht ist, um sich einen Vorteil gegenüber
497
ihrem Mitbewerber zu verschaffen.
498
499
500
ist
eigentlich
Um sich zu profilieren.
Ja.
Also hat das gar nichts zu tun mit dem Inhalt der SNB?
501
Die SNB konnte sich bis jetzt sehr geschickt aus den Diskussionen heraushalten. Ich
502
hoffe, das bleibt weiterhin so. Denn ein Land muss so lange wie möglich eine unabhän-
503
gige starke Zentralbank bewahren. Wenn man das opfern muss, dann musste man
504
schon sehr viel anderes opfern. Wenn sie mal in einer solchen Krise sind, dass man sa-
505
gen muss, die Zentralbank solle jetzt noch andere Ziele verfolgen, das kann kurzfristig
506
funktionieren. Aber längerfristig hat man den grössten Nutzen, wenn eine Zentralbank
507
glaubwürdig die Preisstabilität verfolgen kann. Die Preisstabilität kommt zu einem gros-
508
sen Teil aus der Erwartungshaltung der Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Konsumenten.
509
Wenn sie einmal sagen, man wisse ja genau, bei einer steigenden Arbeitslosigkeit senkt
123
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
510
die SNB die Zinsen, weil sie das ja immer machen, dann wissen sie auch, was passiert.
511
Dann steigt die Inflation und man weiss, dass man von Vornherein schon nach einer
512
Lohnerhöhung fragen kann. Die Inflation käme ja dann schneller, als man denkt. Wenn
513
das mal in den Köpfen der Leute ist, bis diese Inflationserwartung in den Köpfen wieder
514
abgebaut ist, das dauert sehr lange, das weiss man. Deshalb auch diese Verzögerung.
515
Es ist ja nicht nur die effektive gemessene Inflation, es ist auch die Inflationserwartung,
516
die ein Problem darstellt, sobald sie etabliert ist.
517
518
Weil das alleine schon Aktionen auslöst.
Ja.
519
Gut, dann bin ich mit meinen Fragen am Ende. Haben Sie noch einen zentralen Aspekt, den
520
ich noch nicht angesprochen habe?
521
522
523
Nein, ich glaube, wir haben ziemlich breit diskutiert.
Dann beende ich das Interview. Besten Dank!
Ich danke Ihnen.
124
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
Gedächtnisprotokoll Interview Ralph Peter, Zuger Kantonalbank, vom
16. Mai 2012
1
Was sind kurz zusammengefasst Ihre aktuellen Aufgaben an Ihrem Arbeitsplatz?
2
Meine Aufgaben umfassen unter anderem den Devisenhandel (FX-, Termin- und Opti-
3
onsgeschäfte). Nur den Handel für Kunden. Die Zuger Kantonalbank betreibt keinen Ei-
4
genhandel. Zudem bin ich in allen Aufgabengebieten rund um die Tresorerie tätig.
5
Wie haben sich diese Aufgaben verändert nach dem Wechselkursziel der SNB vom 6. Sep-
6
tember?
7
Die Unternehmer erstellen ja jeweils ein Budget für ihre Geschäftstätigkeit. International
8
tätige Unternehmen stellen Rechnungen oftmals in Euro oder in anderen Fremdwährun-
9
gen aus. Hier fragt sich, mit welchem Kurs der Unternehmer rechnen darf/soll. Neben
10
den Erträgen in Fremdwährungen fallen die Kosten oftmals in Schweizerfranken an. Der
11
Unternehmer muss nun erst recht abschätzen können, bei welchem Kurs er gerade
12
noch Gewinn erzielt und ab welchem Kurs die Gewinnmarge bei null ist. Um sich davor
13
zu schützen, sichert der Unternehmer seine Erträge in Fremdwährungen beziehungs-
14
weise den Fremdwährungskurs ab. Instrumente dafür sind Termingeschäfte und Optio-
15
nen. Bei einem Termingeschäft ist meist ein Abschlag fällig, bei der Option ist eine Prä-
16
mie zu bezahlen. Mit dem Mindestwechselkurs im CHF/EUR der SNB fällt ein grosser
17
Teil des Wechselkursrisikos für die Unternehmer weg. Die Wechselkurse sind abschätz-
18
bar. Somit müssen sich die Unternehmer viel weniger absichern und der Bank entgehen
19
Geschäfte. Dies führt schlussendlich zu Umsatzeinbussen.
20
Was sind Ihrer Meinung nach bereits sichtbare Auswirkungen des Mindestkursziels auf pri-
21
vate Haushalte?
22
Die Konsumenten können nach wie vor sehr günstige Auslandkäufe tätigen. Darunter
23
fallen auch günstige Ferien in zahlreichen Destinationen. Es ist aber nicht mehr ganz so
24
günstig wie vor dem Wechselkursziel, als der Kurs bei rund 1,10 war. Das Wechselkurs-
25
ziel nimmt den privaten Haushalten auch die Opportunität bei Dollar-Produkten wie zum
26
Beispiel Öl. Ohne das Kursziel wäre die Deflation in der Schweiz wesentlich grösser.
27
Darunter würde der Arbeitsmarkt leiden.
28
Was sind die Auswirkungen des Wechselkursziels auf Banken?
29
Das ist wie bereits erwähnt hauptsächlich die Umsatzeinbusse durch ausbleibende Ge-
30
schäfte. Aufgrund der tiefen Zinssätze leiden die Banken zudem unter einer Margenero-
31
sion.
32
Wie sehen die Auswirkungen auf andere Unternehmen aus?
125
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
33
Die Planung und Budgetierung ist einfacher geworden. Zudem haben die Absicherungs-
34
kosten abgenommen. Man muss aber beachten, dass das sehr branchenabhängig ist.
35
Bei der Export- und Tourismusbranche sieht es ganz anders aus als bei der Importbran-
36
che. Diese profitiert von den tiefen Kursen und könnte natürlich ohne das Kursziel wohl
37
noch mehr profitieren.
38
Welche weiteren Folgen des Wechselkursziels sehen Sie momentan?
39
Je nachdem, wie sich die Lage entwickelt, könnten auf die SNB noch grössere Kosten
40
zukommen. Dies wäre gleichbedeutend mit sinkenden Gewinnen. Der Gewinn der SNB
41
wird jeweils zu einem gewissen Teil an die Kantone verteilt. Wenn dieser Teil wegfällt
42
oder bedeutend kleiner wird, sind die Kantone zum Sparen gezwungen. Und ob das
43
möglich ist, da bin ich mir nicht sicher. Höchstwahrscheinlich fällt das dann auf Sie und
44
mich zurück, indem die Steuern erhöht werden.
45
Als Ausgleich zu diesen Aufwänden der SNB hat sie eine Menge Gold. Das ist bis jetzt
46
ganz gut gelaufen. Allerdings geht das auch nur so lange gut, wie der Kurs stabil bleibt.
47
Sollte Ihrer Meinung nach das Wechselkursziel verändert werden?
48
Momentan sicher nicht. Es steht im Moment alles etwas unter Druck. Die SNB kauft alle
49
möglichen Währung zur Erhaltung des Kursziels. Wichtig für die SNB ist ja vor allem die
50
Preisstabilität. Deshalb wird sie wohl erst bei deutlichen deflationären Tendenzen han-
51
deln, oder wenn die Wirtschaft nochmals massiv unter Druck gerät.
52
Hinzu kommt, dass die Zeit für die SNB läuft und nicht gegen sie. In der Schweiz liegt
53
die Teuerung momentan etwa bei 0%. Im Euro-Raum liegt sie bei 2,6%. Aufgrund dieser
54
Teuerung im Ausland senkt sich die Kaufkraftparität stetig. Das heisst, die Differenz vom
55
aktuellen Kurs von 1,20 zur Kaufkraftparität – die liegt etwa bei 1,35 – wird immer klei-
56
ner.
57
Das war jetzt eine Einschätzung zur Kurszielveränderung nach oben. Ist eine Veränderung
58
nach unten auch in Betracht zu ziehen?
59
Nein. Die Glaubwürdigkeit der SNB ist sehr wichtig. Sie steht momentan sehr stramm
60
hin und beharrt auf diesem Kurs von 1,20. Wenn sie sich jetzt dafür entscheidet, den
61
Mindestkurs bei 1,15 oder 1,10 festzulegen, ist die Glaubwürdigkeit nicht mehr gegeben.
62
Dann werden sich die Märkte fragen, ob es bald wieder eine Veränderung des Wechsel-
63
kursziels geben wird. Deshalb ist eine Veränderung des Kursziels nach unten für mich
64
ausgeschlossen.
65
Wie stehen die Chancen auf eine baldige Anpassung des Wechselkursziels?
66
Die sind meiner Meinung nach bei null. Die Wirtschaftsdaten sind zwar nicht rosig, aber
67
auch nicht katastrophal, zudem ist die deflationäre Tendenz abnehmend. Auf der ande-
68
ren Seite eskaliert gerade wieder die Schuldenkrise, angeführt von Griechenland und
69
Spanien.
126
Bachelorarbeit
70
Stefan Reinli
Wie sieht ein mögliches Ende des Wechselkursziels aus?
71
Das wird der Markt alleine regeln, unter anderem wegen der oben bereits erwähnten
72
Teuerungsdifferenz. Der Schweizerfranken wird so irgendwann nicht mehr attraktiv sein
73
als Fluchtwährung. Der Franken ist ja eigentlich auch keine risikolose Anlage, denn ir-
74
gendwann muss das in Schweizerfranken angelegte Geld wieder in Euro getauscht wer-
75
den. Da fragt sich dann, zu welchem Kurs.
76
Wie beurteilen Sie das aktuelle Leitzinsniveau?
77
Ich persönlich denke, dass es sehr gut ist für die Immobilienbesitzer. Für die Immobili-
78
enkäufer ist es momentan nicht so vorteilhaft. Bei den Banken muss man sehen, dass
79
die Marge kleiner wird und sie somit weniger Erträge generieren kann. Bei den Pensi-
80
onskassen muss man sich fragen, wie lange das noch gut gehen kann. Eine stabile
81
Rendite ist momentan schwierig zu erwirtschaften. Obligationen sind nicht rentabel und
82
bei Immobilien ist das Absturzrisiko gross. Also eine Rendite von 4,5% wäre ja nötig für
83
die Finanzierung der Renten. Zusammengefasst ist die Finanzierung des Sozialsystems
84
im Moment sehr schwierig. Die Folgen werden wir bezahlen müssen; entweder mit mehr
85
Beitragszahlungen, mit tieferen Renten oder mit einem höheren Pensionsalter. Ein tiefer
86
Zins kann gut sein für die Wirtschaft, er hat aber genau gleich viele Nachteile.
87
88
89
Was halten Sie vom Experiment einer Zinserhöhung von beispielsweise 0,5%?
Das halte ich für unrealistisch wenn nicht sogar abwegig.
Wie wird sich der Leitzins über kurze und lange Zeit verändern?
90
Gegenbewegungen sind immer möglich. Für eine nachhaltige Zinserhöhung wäre ein
91
bedeutendes Ereignis nötig. Wenn die Wirtschaftsdaten wieder positiver aussehen,
92
könnten die Zinsen auch wieder angehoben werden. Ich glaube aber nicht, dass das in
93
den nächsten zwei Jahren der Fall sein wird. Ausser durch ein Ereignis wie die Mindest-
94
kursverteidigung im ganz grossen Stil, was die Inflationsgefahr schnell zu einem Prob-
95
lem machen könnte.
96
Was wären die Folgen dieser Zinserhöhung?
97
Die Hypotheken würden teurer. Das wäre sicher eine spürbare Folge steigender Zinsen.
98
Je nachdem, wie gut die aktuellen Tragbarkeitsrechnungen sind oder eben nicht, könnte
99
das gravierende Folgen haben für viele Eigenheimbesitzer. Durch die lange Zinsanbin-
100
dung der Hypothekarnehmer dürfte sich diese Auswirkung aber um mehrere Jahre ver-
101
zögern. Ich glaube, für weitere Folgen einer Zinserhöhung könnte man hier sicher die
102
Schulbuchmeinung anfügen.
103
Wie beurteilen Sie das Verhalten der SNB rund um den starken Franken?
104
Das Mindestkursziel war sicher ein guter Schritt. Mit dem Informationsstand, den man
105
letzten Herbst hatte, war das bestimmt die richtige Entscheidung.
106
Inwiefern kann die SNB allein mittels gezielter Kommunikation die Märkte beeinflussen?
127
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
107
Die Glaubwürdigkeit ist das wichtigste Gut der SNB. Momentan weiss man genau, dass
108
die SNB das, was sie sagt, auch ernst meint.
109
Könnte die SNB allein mit der Kommunikation einen Kurs von 1,25 versuchen anzustreben?
110
Unter Herr Hildebrand war noch alles neu, deshalb war auch ein Kurs von 1,25 über-
111
haupt erst ein Thema. Aber ernsthaft gerechnet hat man mit einer Erhöhung auf 1,25 ei-
112
gentlich nie.
113
Zudem sagt Herr Jordan klar, dass es keine Negativzinsen geben wird, da das ein zu
114
massiver Schritt wäre. Falls es trotzdem soweit käme, dann würde man nicht von Nega-
115
tivzinsen, sondern eher von Commissions sprechen. Und die würden dann nur für aus-
116
ländische Banken gelten, sicher nicht für die inländischen Sparer.
117
Hat sich die volkswirtschaftliche Rolle der SNB oder deren Interpretation in den letzten Jah-
118
ren gewandelt? Hat sie auf Druck gewisser Subjekte gehandelt?
119
Ich denke, die SNB hat ohne Druck gehandelt, aber stets mit dem Wissen, dass die poli-
120
tischen Parteien hinter ihrem Handeln stehen. Sie hat hauptsächlich wenn nicht aus-
121
schliesslich im Sinne der Preisstabilität und aufgrund der deflationären Tendenzen ge-
122
handelt.
123
Sie denken also nicht, dass die SNB in letzter Zeit ähnlich wie das Fed. handelt, indem sie
124
zum Beispiel die Beschäftigung beeinflusst?
125
Nein, die SNB geht sicher nicht in Richtung des Fed., sonst hätte man nicht einen Kurs
126
von 1,20 gemacht. Zudem hätte man viel mehr Massnahmen gesehen. Die SNB hat den
127
Blick nach wie vor auf die Preisstabilität gerichtet und nur in zweiter Linie auf die Ge-
128
samtwirtschaft.
129
Somit bin ich mit meinen Fragen durch. Haben Sie noch wichtige Aspekte zum Thema, die
130
noch nicht angesprochen wurden?
131
Wichtig zu beachten ist sicher, dass der Mindestkurs Euro-Schweiz eigentlich eine
132
Cross-Rate ist. Es gibt einen Kurs EUR-USD und einen Kurs USD-CHF. Da die Krise im
133
Euro-Raum auf den EUR-USD-Kurs drückt, verteuert sich wegen der Kopplung des
134
Frankens an den Euro der USD zum CHF. Somit haben wir einen teureren US-Dollar mit
135
allen Konsequenzen für den Import.
136
Es gilt auch zu beachten, dass die Geldmenge zwar gestiegen ist, aber die Realwirt-
137
schaft ist entscheidend. Solange das Geld nur bei der SNB liegt, hat es keinen Einfluss
138
auf die Inflation.
139
Zudem sollte man ab und zu einen Blick auf Wachstumsmärkte wie China werfen. Deren
140
Wachstumsdynamik ist in letzter Zeit auch zurückgekommen. Sollte China mittels Pro-
141
tektionismus versuchen, die eigene Wirtschaft zu stärken, könnte uns das in Europa zu-
142
sätzlich bremsen.
128
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
Index der Interviewauswertung
Dieser Index zeigt für jedes Unterkapitel der Interviewauswertung, welche Aussagen von
welchem Experten verwendet wurden. Um ein Nachlesen der Textpassagen zu erleichtern,
stellen die Zahlen die Zeilennummern der jeweiligen Transkription beziehungsweise des Gedächtnisprotokolls dar.
Der Vergleich zu 1978
Zurlinden 149-167 // Ehem. UBS-MA 247-254 // Vontobel 293-297 // Finanzleiter Regiobank 441-442 / 445-447
Das Verhalten der SNB
Honegger 116-120 / 227-236 / 248-249 / 281-284 // Zurlinden 191-193 // Ehem. UBS-MA
273-280 // Vontobel 312-316 / 321-325 // Finanzleiter Regiobank 73-76 / 94-96 / 120-128 /
147-149 / 206-210 / 226-233 / 456-460 // Peter 104-105
Die Kommunikation als Instrument nutzen
Honegger 257 // Zurlinden 57-59 / 196-200 / 204-207 // Ehem. UBS-MA 286-298 // Finanzleiter Regiobank 221-224 / 456-460 / 462-468 // Peter 107-108
Auswirkungen des Wechselkursziels auf die privaten Haushalte
Honegger 37-43 // Zurlinden 46-49 // Ehem. UBS-MA 34-35 // Vontobel 17-19 // Peter
22-27 / 40-44
Auswirkungen des Wechselkursziels auf die Banken
Honegger 69-72 // Zurlinden 41-42 // Ehem. UBS-MA 27-30 / 43-51 / 152-153 // Vontobel
21-23 // Finanzleiter Regiobank 15-21 / 26-27 // Peter 17-19
Auswirkungen des Wechselkursziels auf die Unternehmen
Honegger 48-52 / 287-291 // Zurlinden 37-40 // Ehem. UBS-MA 55-60 / 152-153 // Vontobel 25-29 // Peter 16-18 / 33-37
Auswirkungen des Wechselkursziels auf die SNB
Honegger 57-66 // Ehem. UBS-MA 64-65 / 146-147 // Vontobel 31-34 // Peter 39-40 / 4546
Auswirkungen des Wechselkursziels auf den Staat
Zurlinden 42-43 // Ehem. UBS-MA 76-80 // Vontobel 39 // Finanzleiter Regiobank 175177 / 179-190 // Peter 40-44
129
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
Eine Veränderung des Wechselkursziels
Honegger 108-113 / 133-142 // Zurlinden 102-103 / 127-136 / 140-143 // Ehem. UBS-MA
163-171 / 173-178 / 181-185 // Vontobel 148-153 / 158-160 / 160-167 / 171-177 // Finanzleiter Regiobank 78-80 / 358-359 / 362-368 / 410-416 // Peter 48-56 / 59-64 / 66-69 / 110112
Das Ende des Wechselkursziels
Honegger 149-156 / 167-172 // Zurlinden 54-57 / 63-69 // Ehem. UBS-MA 188-198 //
Vontobel 191-193 / 195-203 / 205-210 / 216-219 // Finanzleiter Regiobank 82-87 / 378-383 /
393-396 / 400-401 / 417-423 // Peter 71-73
Negativzinsen als weitere Massnahme der SNB
Ehem. UBS-MA 301-307 // Finanzleiter Regiobank 27-29 / 31-34 / 41-43 / 56-58 / 62-64 //
Peter 113-116
Inflation und Deflation
Honegger 92-100 / 102-106 // Zurlinden 53-59 / 72-75 / 77-81 / 83-85 / 87 // Ehem. UBSMA 87-98 / 103-109 / 114-120 / 122-135 // Vontobel 55-59 / 70-75 // Finanzleiter Regiobank 87-88 / 88-91 / 231-245 / 247 / 290-305 / 320-325 / 342-347 / 507-516 // Peter 2627 / 136-138
Das aktuelle Zinsniveau
Honegger 34-37 / 37-43 / 120-122 / 179-182 / 197-203 // Zurlinden 49 / 92-97 / 99-101 /
108-112 // Ehem. UBS-MA 153-159 / 204-215 / 220-223 / 225-237 / 239-241 / 352-358 /
362-363 // Vontobel 229-235 / 257-260 / 262-270 // Finanzleiter Regiobank 88-91 / 214219 / 237-245 // Peter 77-86 / 88 / 90-95 / 97-101
Die Motivation der SNB
Honegger 280-281 / 284-286 / 299-302 / 313-315 / 318-321 // Zurlinden 211-215 // Ehem.
UBS-MA 65-74 / 318-324 / 327-336 / 340-345 // Vontobel 334-347 / 349-355 / 358-368 //
Finanzleiter Regiobank 475 / 477-484 / 487-490 / 501-503 // Peter 119-122 / 125-128
Weitere Aspekte aus den Interviews
Honegger 271-276 // Ehem. UBS-MA 384-388 / 394-396 // Vontobel 77-87 / 89-97 / 99111 // Finanzleiter Regiobank 105-114 / 116-118 / 173-174 / 247-254 / 259 / 403-407 //
Peter 131-135 / 139-142
130
Bachelorarbeit
Stefan Reinli
Selbstständigkeitserklärung
Ich erkläre hiermit, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne Mithilfe Dritter
verfasst habe, dass ich alle verwendeten Quellen sowie alle verwendete Literatur angegeben
habe, dass ich das Vertraulichkeitsinteresse der Auftraggebenden wahren und die Urheberrechtsbestimmungen der Hochschule Luzern respektieren werde.
Zofingen, 25. Juni 2012
Stefan Reinli
131
Herunterladen