Hochschule Luzern – Wirtschaft Bachelor of Science in Business Administration W.SRMET06.05 Empirische Studie über die Auswirkungen eines Wechselkursziels auf die Schweizer Volkswirtschaft Bachelorarbeit Juni 2012 Abgabedatum Autor 25. Juni 2012 Reinli Stefan Titelblatt Schule Hochschule Luzern – Wirtschaft Studiengang Bachelor of Science in Business Administration W.SRMET06.05 Modul Art der Arbeit Bachelorarbeit Abgabedatum 25. Juni 2012 Empirische Studie über die Auswirkungen eines Wechselkursziels auf die Schweizer Volkswirtschaft Titel der Arbeit Stefan Reinli Obere Rebbergstrasse 10 4800 Zofingen Tel. +41 (0)76 594 42 77 [email protected] Autor Roger Disch Höh-Rohnenweg 8 8832 Wilen b. Wollerau [email protected] Auftraggeber Dr. Martin Spillmann Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ Grafenauweg 10 6304 Zug Tel. +41 (0)41 724 65 73 [email protected] Referent II Bachelorarbeit Stefan Reinli Management Summary Ausgangslage, Fragestellung und Ziel der Arbeit Aufgrund der bereits über Jahre dauernden Finanz- und Wirtschaftskrise dient der Schweizerfranken wieder vermehrt als sicherer Hafen für ausländische Anleger. Diese Geldzuflüsse lassen den Franken in für die Schweiz ungesundem Masse aufwerten. Als extreme Reaktion auf diese Entwicklung beschliesst die Schweizerische Nationalbank die Einführung einer Kursuntergrenze von CHF 1,20 zum Euro. Die vorliegende Arbeit geht der Frage nach, welches die mittel- und langfristigen Auswirkungen eines Wechselkursziels für die Schweizerische Volkswirtschaft sind. Die Volkswirtschaft wird hierbei definiert durch die fünf Subjekte private Haushalte, Banken, Unternehmen, SNB und Staat. Ziel der Arbeit ist es, einen Ausblick auf die zukünftigen Entwicklungen in der Schweizer Volkswirtschaft abzugeben. Methodik In einem ersten Schritt werden die Bedeutung des Euro für die Schweiz erörtert und die Ereignisse der letzten Jahre aufgearbeitet. Im Anschluss wird die Schweizerische Nationalbank (SNB) als zentraler Akteur rund um das Kursziel im Detail vorgestellt. Danach werden die Ereignisse rund um das Kursziel von 1978 sowie die theoretischen Grundlagen zu Kurszielen vorgestellt. Als Ergänzung zu all diesen Erkenntnissen werden sechs leitfadengestützte Experteninterviews geführt mit Personen von Banken, der SNB und den Medien. Alle erarbeiteten Grundlagen und erhaltenen Meinungsäusserungen dienen am Ende dazu, einen Ausblick auf die kommende Entwicklung der Schweizerischen Volkswirtschaft zu geben. Ergebnisse Die privaten Haushalte sehen sich längerfristig aufgrund des durch die Ausweitung der Geldmenge sehr tiefen Zinsumfeldes mit Schwierigkeiten in den Bereichen Altersvorsorge und Immobilien konfrontiert. Für die Banken wird es schwieriger, Erträge zu generieren, denn die tiefen Zinsen führen zu einer Margenerosion. Den Unternehmen kommt die Kursuntergrenze insofern entgegen, als dass die Planung und Budgetierung einfacher wird und sich Absicherungsgeschäfte für Wechselkursschwankungen erübrigen. Die SNB muss auf den Druck aus dem Ausland reagieren und somit je nach Entwicklung im Euro-Raum weitere teure Devisenmarktinterventionen vornehmen. Falls sich diese Aufwände massiv erhöhen, ist die Kursuntergrenze längerfristig gefährdet. Der Staat profitiert kurzfristig vom Kursziel, da einige Probleme gelöst sind. Längerfristig muss mit sinkenden Steuereinnahmen und mit Problemen in der Finanzierung der Sozialsysteme gerechnet werden. Alles in allem kann die SNB nur auf Signale aus dem Ausland reagieren und muss hoffen, dass sich die Lage insbesondere in Europa entschärft. Sollte dies nicht passieren, steht als weitere Massnahme zur Abwertung des Frankens unter anderem das Instrument der Negativzinsen zur Verfügung. III Bachelorarbeit Stefan Reinli Vorwort Zum Abschluss des Bachelorstudiums an der Hochschule Luzern – Wirtschaft haben alle Studierenden eine umfangreiche Arbeit zu verfassen. Die Themenwahl ist frei, es besteht auch die Möglichkeit, sich für ein Thema aus dem Themenpool der Schule zu bewerben. Ich habe mich für das Pool-Thema „Rolle der Nationalbanken in (Währungs-)Krisenzeiten“ beworben und den Zuschlag erhalten. Dieses Thema hat mich insbesondere aufgrund der Aktualität und der Präsenz in den Medien angesprochen. Die Thematik wurde später auf das aktuelle Wechselkursziel und dessen Folgen für die Schweiz eingeschränkt. Dank der ausführlichen Bearbeitung dieses Themas habe ich einen tiefen Einblick in die Welt der Nationalbank erhalten. Zudem hat es mein Verständnis für die nationalen und globalen Finanzmärkte gestärkt und meinen Blick auf das weltweite Wirtschaftsgeschehen geschärft. Ich bedanke mich herzlich bei allen Personen, die mich während dem Verfassen der Arbeit mit Ideen inspirierten oder mir das Schreiben erleichterten. Ein besonderer Dank geht an Herrn Martin Spillmann, der mich stets mit hilfreichen Inputs unterstützt hat und an Herrn Roger Disch, der mir die Themeneingrenzung offen liess, um so meine eigenen Ideen verwirklichen zu können. IV Bachelorarbeit Stefan Reinli Inhaltsverzeichnis Titelblatt ................................................................................................................................. II Management Summary ......................................................................................................... III Vorwort ................................................................................................................................. IV Inhaltsverzeichnis .................................................................................................................. V Abbildungsverzeichnis .......................................................................................................... VI Abkürzungsverzeichnis........................................................................................................ VII I 1 2 3 4 II 5 6 Grundlagen Einleitung ........................................................................................................................ 1 1.1 Ausgangslage......................................................................................................... 1 1.2 Problemstellung...................................................................................................... 1 1.3 Zielsetzung ............................................................................................................. 2 1.4 Methodik................................................................................................................. 2 Die Bedeutung des Euro für die Schweiz ......................................................................... 5 Historische Aufarbeitung................................................................................................ 10 Die Schweizerische Nationalbank .................................................................................. 14 4.1 Die Schweizerische Nationalbank als Gesellschaft ............................................... 14 4.2 Die Organisation der Schweizerischen Nationalbank............................................ 15 4.3 Die Aufträge und Aufgaben der Schweizerischen Nationalbank ........................... 17 4.4 Die Mittel zur Umsetzung der Aufträge und Aufgaben .......................................... 18 Rückblick und Theorie Die Situation von 1978 .................................................................................................. 20 5.1 Die Aufwertung des Schweizerfrankens ............................................................... 20 5.2 Massnahmen der SNB ......................................................................................... 22 5.3 Negative Folgen der Massnahmen ....................................................................... 23 Geldmenge und Wechselkurs in der Theorie ................................................................. 25 6.1 Historische Entstehung des Systems der flexiblen Wechselkurse ........................ 25 6.2 Das Devisen- und Geldmarkt-Modell nach Krugman/Obstfeld .............................. 26 6.3 Anwendung auf die Schweiz und deren Wechselkursziel ..................................... 34 6.4 Auswirkung der Kommunikation der Schweizerischen Nationalbank .................... 39 III Interviews, Auswertung und Schlussfolgerung 7 Die Interviews ................................................................................................................ 40 7.1 Die Experten ........................................................................................................ 40 7.2 Aussagen und Meinungen der Experten ............................................................... 41 8 Fazit .............................................................................................................................. 60 8.1 Zusammenfassung aller Erkenntnisse .................................................................. 60 8.2 Ausblick ................................................................................................................ 61 8.3 Aussagekraft und Bedeutung der Ergebnisse ....................................................... 64 Literaturverzeichnis .............................................................................................................. 65 Anhang ................................................................................................................................. 70 Selbstständigkeitserklärung ................................................................................................ 131 V Bachelorarbeit Stefan Reinli Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Ausfuhr in der Schweiz produzierter Güter ........................................................... 5 Abb. 2: Einfuhr im Ausland produzierter Güter ................................................................. 6 Abb. 3: Importüberschuss bei EUR 12-Länder ................................................................. 7 Abb. 4: Bruttoinlandprodukt nach Verwendungsarten ....................................................... 7 Abb. 5: Ein- und Ausfuhr Schweiz nach Verwendungszweck ........................................... 8 Abb. 6: CHF/EUR-Kurs, 01.01.2007–18.05.2012 ........................................................... 10 Abb. 7: SNB-Zinszielband, 01.01.2007–18.05.2012 ....................................................... 12 Abb. 8: Leitzinsen des Fed. und der EZB, 01.01.2007–18.05.2012 ................................ 13 Abb. 9: Der Bankrat der SNB.......................................................................................... 15 Abb. 10: Das Direktorium der SNB ................................................................................... 16 Abb. 11: Das Organigramm der SNB, vereinfacht ............................................................ 17 Abb. 12: Entwicklung des Wechselkurses und der Kaufkraftparität Schweiz/Deutschland, 1953 bis 2006 ................................................................. 21 Abb. 13: CHF/DEM-Kurs, 02.01.1975–31.12.1985 ........................................................... 22 Abb. 14: Jährliche durchschnittliche Veränderung LIK gegenüber Vorjahr, 1976 bis 1985 .................................................................................................... 24 Abb. 15: Stilisierte Bilanz einer Zentralbank ..................................................................... 28 Abb. 16: Geldmarkt als untere Hälfte des Devisen- und Geldmarkt-Modells ..................... 30 Abb. 17: Devisenmarkt als obere Hälfte des Devisen- und Geldmarkt-Modells ................ 32 Abb. 18: Devisen- und Geldmarktmodell nach Krugman/Obstfeld .................................... 33 VI Bachelorarbeit Stefan Reinli Abkürzungsverzeichnis Abkürzung Bedeutung Abs. Absatz AHV Alters- und Hinterlassenenversicherung Art. Artikel BAK BAK Basel Economics AG BFS Bundesamt für Statistik BIP Bruttoinlandprodukt BRIC Brasilien, Russland, Indien, China BSP Bruttosozialprodukt BV Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft CHF Schweizerfranken CS Credit Suisse AG DEM Deutsche Mark ETH Eidgenössische Technische Hochschule Zürich EUR Euro EZB Europäische Zentralbank Fed. Federal Reserve System, Zentralbank der USA FX Foreign exchange, Fremdwährung IWF/IMF Internationaler Währungsfonds / International Monetary Fund KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich KPI Konsumentenpreisindex Libor London Interbank Offered Rate LIK Landesindex für Konsumentenpreise Mio. Millionen MIT Massachusetts Institute of Technology Mrd. Milliarden NBG Bundesgesetz über die Schweizerische Nationalbank NBV Verordnung zum Bundesgesetz über die Schweizerische Nationalbank OdSNB Organisationsreglement der Schweizerischen Nationalbank [eigene Abkürzung] OECD Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OR Schweizerisches Obligationenrecht Repo Sale and Repurchase Agreement, Rückkaufvereinbarung SECO Staatssekretariat für Wirtschaft SNB Schweizerische Nationalbank UBS UBS AG USD US-Dollar WZG Bundesgesetz über die Währung und die Zahlungsmittel VII Bachelorarbeit I Grundlagen 1 Einleitung 1.1 Ausgangslage Stefan Reinli Im Jahr 2008 entwickelt sich, ausgelöst durch die Immobilienkrise in den USA von 2007, eine globale Finanzkrise, die auch die Schweiz trifft. Anfang 2009, inmitten der Finanzkrise, bewegt sich der Schweizerfranken (CHF) zum Euro (EUR) bei einem Kurs von rund 1,50, nachdem er in den Jahren zuvor bei rund CHF 1,60 notierte. Ein Jahr später hat der Franken-Euro-Kurs hauptsächlich seitwärts tendiert und liegt noch immer bei knapp 1,50. Ausgelöst durch die negativen Signale aus dem Euro-Raum, insbesondere Griechenland, gilt der Schweizerfranken mehr denn je als sicherer Hafen für Anleger aller Art. So beginnt die stetige Aufwertung des Schweizerfrankens im Vergleich zum Euro. Am 1. Juli 2010 notiert der Euro bei CHF 1,33, am 3. Januar 2011 ist der Euro bei CHF 1,25 angekommen und beim Höchststand des Frankens am 10. August 2011 wird der Euro gerade noch für CHF 1.0299 gehandelt. Ähnlich verhält sich der Franken gegenüber dem US-Dollar (USD). Dieser Kurs sinkt von CHF 1,11 zu Beginn des Jahres 2009 bis auf CHF 0,72 beim Höchststand des Frankens gegenüber dem US-Dollar am 9. August 2011. Dieser starke Schweizerfranken stellt eine grosse Gefahr dar für die exportlastige Schweizer Wirtschaft und zwingt die Schweizerische Nationalbank (SNB) zum Handeln. Diverse teure Interventionen der SNB auf dem Devisenmarkt zeigen nur mässig Wirkung. So beschliesst die SNB am 6. September 2011 unter der Leitung von Philipp M. Hildebrand die Einführung eines Mindestkursziels zum Euro von CHF 1,20. 1.2 Problemstellung Die Problemstellung der aktuellen Situation auf den Finanzmärkten und in der gesamten Schweizerischen Volkswirtschaft ergibt sich aus dem Mangel an Erfahrungen mit Wechselkurszielen. In der Vergangenheit konnte dieses Instrument lediglich im Jahr 1978 erfolgreich eingesetzt werden. Aufgrund der anhaltenden negativen Signale aus dem Ausland, insbesondere dem EuroRaum, sieht sich die SNB mit dem Wechselkursziel momentan gefangen in einer scheinbar ausweglosen Situation. Eine Aufhebung der Kursuntergrenze ginge mit einer erneuten starken Aufwertung des Frankens einher, worunter beispielsweise die Exportwirtschaft leiden 1 Bachelorarbeit Stefan Reinli würde. Eine unveränderte Verteidigung des Kursziels, wie die Nationalbank es immer wieder betont, könnte die SNB bei anhaltendem oder sogar noch steigendem Druck auf den Schweizerfranken teuer zu stehen kommen. Ein ständiges Begleitthema dieser Kursuntergrenze und des daraus resultierenden gesteigerten Geldangebots der SNB ist die drohende Inflation. Je länger die Untergrenze von CHF 1,20 zum Euro mit Devisenmarktinterventionen verteidigt werden muss, desto realistischer und ausgeprägter scheint die kommende Inflation, so die geläufige Meinung. 1.3 Zielsetzung Genau bei der in Kapitel 1.2 dargestellten Situation setzt diese Arbeit ein. Kernziel der Forschung ist es, die theoretische Grundlage zum Wechselkursziel darzulegen und auf die aktuelle Situation in der Schweiz zu adaptieren sowie die Vergleichbarkeit der heutigen Situation mit jener im Jahr 1978 zu überprüfen. Mithilfe mehrerer Experteninterviews als Ergänzung soll die der Arbeit zugrunde liegende Forschungsfrage beantwortet werden: „Welches sind die Auswirkungen eines Euro-Mindestkurses auf die Schweizer Volkswirtschaft in mittel- und langfristiger Sicht?“. Der Begriff Volkswirtschaft wird in dieser Arbeit in die fünf Wirtschaftssubjekte private Haushalte, Banken, Unternehmen, SNB und Staat aufgeteilt. 1.4 Methodik Nachfolgend wird erörtert, wie die Arbeit Schritt für Schritt alle wichtigen Aspekte rund um das Thema Wechselkursziel beleuchtet und im Anschluss mithilfe von Experteninterviews die Forschungsfrage beantwortet. Als erstes untersucht die Arbeit, weshalb der Euro als Währung für die Schweiz eine derart grosse Bedeutung hat und weshalb das Kursziel gegenüber dem Euro festgelegt wurde. Basis für diese Analyse sind diverse Datensätze vom Bundesamt für Statistik (BFS). Da nicht nur die aktuelle Situation mit dem Wechselkursziel von Bedeutung ist, sondern auch die Entstehung dieser angespannten Wirtschaftslage, werden die Ereignisse rund um die US-amerikanische Immobilien- und spätere globale Finanzkrise chronologisch aufgearbeitet. Hierzu dienen vor allem die Recherche von Medienberichterstattungen sowie die geld- und währungspolitische Chronik der SNB als Informationsbasis. Die Schweizerische Nationalbank spielt im ganzen Geschehen rund um das Wechselkursziel die zentrale Rolle. Aus diesem Grund wird diese Institution genauer betrachtet. Hierbei inte2 Bachelorarbeit Stefan Reinli ressieren insbesondere der Auftrag der SNB und die zur Verfügung stehenden Mittel, um diesen Auftrag zu erfüllen. Auch die Rechtsform und Organisation der Nationalbank mitsamt deren wichtigsten Leitfiguren werden im Detail aufgezeigt. Um die Rolle der SNB eindeutig und abschliessend definieren zu können, basieren die Angaben in diesem Kapitel fast ausschliesslich auf gesetzlicher Grundlage. Wie bereits in der Problemstellung und der Zielsetzung angetönt, wurde das Instrument des Kursziels bereits einmal eingesetzt. Im ersten Moment scheinen die Ereignisse von 1978 als Exempel für die aktuelle Ausgangslage dienen zu können. Wie es zur Notwendigkeit des Kursziels kam, wie die SNB reagierte und was die Folgen waren, wird wiederum anhand von Medienberichterstattungen sowie der geld- und währungspolitischen Chronik der SNB erforscht. In einem weiteren Kapitel werden in einem ersten Schritt die theoretischen Grundlagen rund um das Wechselkursziel erarbeitet und im Anschluss die Folgen der Interventionen seitens der SNB für die Schweizer Volkswirtschaft abgeleitet. Die Theorie basiert auf Fachliteratur namhafter Autoren. Für die Interviews äussern sich sechs Experten mit unterschiedlichen Hintergründen zur aktuellen Thematik. Vorbereitung, Durchführung und Analyse basieren auf dem Lehrbuch „Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse“ von Jochen Gläser und Grit Laudel (2010) sowie den im zweiten Semester des Wirtschaftsstudiums an der Hochschule Luzern – Wirtschaft erlernten Grundlagen für qualitative Interviews. Die Form des Experteninterviews wird der quantitativen Erhebung vorgezogen, da für letzteres die benötigte Anzahl Befragungen nicht realisierbar wäre und die Resultate nur unter grossem Informationsverlust quantifizierbar wären. Jedes Interview wird mit dem selben, unveränderten Leitfaden durchgeführt, um die Aussagen bestmöglich vergleichen zu können. Bei Zustimmung des Experten wird eine Tonaufzeichnung erstellt, woraus später eine vollständige Transkription des Interviews resultiert. Ohne diese Zustimmung wird im Anschluss an das Gespräch ein Gedächtnisprotokoll erstellt. Die Transkription erfolgt sinngemäss und nicht wörtlich, trotzdem bleibt der InterviewCharakter in der Formulierung der Fragen und Antworten erhalten. Diese Art der Transkription wurde gewählt, da in erster Linie der Inhalt der Antworten interessiert und nicht die Art, wie sie formuliert werden. Die Analyse der Interviews erfolgt im Textreduktionsverfahren. Anhand eines Auswertungskatalogs, der dieser Arbeit in leicht abgeänderter Form als Index der Interviewauswertung angehängt ist, werden einzelne Antworten aus den Interviews extrahiert und verschiedenen Themen zugeordnet. Die einzelnen Themen mit den gesammelten Antworten dienen als Basis für die Interviewresultate in Kapitel 7.2. Da es unmöglich ist, das Wechselkursziel und die Schweizer Volkswirtschaft vom Ausland isoliert zu betrachten, wird in den Experteninterviews ein breites Themenband besprochen. Die daraus resultierende Informationsbasis ist wesentlich umfangreicher als für die Beant3 Bachelorarbeit Stefan Reinli wortung der Forschungsfrage notwendig. Trotzdem werden einige dieser zusätzlichen Aspekte der Befragungen in diese Arbeit übernommen, da sie dem generellen Verständnis der aktuellen nationalen und globalen Situation zuträglich sind. Unter Einbezug aller gesammelten Informationen während des Forschungsprozesses werden am Ende der Arbeit die mittel- und langfristigen Folgen des Wechselkursziels für die Schweizer Volkswirtschaft abgeschätzt. Zudem gibt der Autor eine persönliche Empfehlung ab, wie mit der Situation des Kursziels längerfristig umgegangen werden soll. 4 Bachelorarbeit 2 Stefan Reinli Die Bedeutung des Euro für die Schweiz Am 6. September 2011 legt die Schweizerische Nationalbank ein Wechselkursziel des Schweizerfrankens zum Euro fest. Sie verkündet, ab sofort keinen Kurs mehr unter CHF 1,20 zu tolerieren und dieses Ziel mit allen Mitteln zu verfolgen. Der Euro muss also eine besonders grosse Bedeutung haben für den Schweizer Wirtschaftsstandort. Dieses Kapitel zeigt anhand einiger Zahlen und Fakten auf, weshalb gerade der Euro immer wieder unter so grosser Beobachtung steht. Ein erster bedeutender Grund für die Fokussierung auf den Euro ist der Euro-Raum als Ziel Schweizerischer Exporte. Abbildung 1 zeigt die Entwicklung der Ausfuhr von in der Schweiz produzierten Gütern in absoluten Zahlen (unter dem Begriff Güter werden im Folgenden sowohl Waren als auch Dienstleistungen zusammengefasst): 250'000 in Mio. CHF 200'000 Andere 150'000 USA Japan 100'000 China UK 50'000 EUR 12 0 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 Jahr Abb. 1: Ausfuhr in der Schweiz produzierter Güter (BFS (a),online, eigene Darstellung) Es ist unschwer zu erkennen, dass im gesamten Beobachtungszeitraum von 1990 bis 2010 die Exporte in die ursprünglichen zwölf Euro-Länder (Einführung Bargeld am 1 Januar 2012) rund 50% der gesamten Ausfuhr ausmachen. Die drei Kleinststaaten Monaco, San Marino und Vatikan, welche den Euro ebenfalls am 1. Januar 2002 einführten, sowie die späteren Euro-Staaten Slowenien, Zypern, Malta, Slowakei und Estland werden hier nicht berücksichtigt. In den Jahren 2009 und 2010 fällt der Anteil der Euro-Länder knapp unter 50%. Mit Einbezug der neuen Euro-Staaten läge dieser Wert höchstwahrscheinlich wieder über 50%. Für Vergleichszahlen bieten sich Staaten wie zum Beispiel Ungarn oder Tschechien an, deren 5 Bachelorarbeit Stefan Reinli Daten verfügbar sind. Auffällig ist zudem, dass die in der Statistik unter „Andere“ zusammengefassten Staaten wie beispielsweise Indien, Hong Kong oder die Arabischen Emirate ein schnell wachsendes Interesse an Schweizer Gütern haben. Der Exportstatistik steht die Importstatistik gegenüber. In der Abbildung 2 werden wieder absolute Zahlen angegeben: 250'000 in Mio. CHF 200'000 Andere 150'000 USA Japan 100'000 China UK 50'000 EUR 12 0 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 Jahr Abb. 2: Einfuhr im Ausland produzierter Güter (BFS (b),online, eigene Darstellung) Hier fällt auf, dass der Anteil an aus den zwölf Euro-Ländern importierten Gütern noch höher ist als beim Export. Relativ betrachtet schwankt die Zahl in den Jahren 1990 bis 2010 um 70%. Hier sind für den Zuwachs der „anderen“ Staaten nicht nur Länder in den östlichen Wachstumsmärkten verantwortlich, sondern Staaten rund um den Globus. China, bekannt als produzierende und exportierende Nation, spielt in der Importstatistik der Schweiz nur eine untergeordnete Rolle. Betrachtet man nun die Differenz der Zahlen der Euro-Länder aus den beiden obigen Statistiken, fällt auf, dass der Import nicht nur relativ, sondern auch absolut höher ist als der Export. Die Aussenhandelsbilanz der Schweiz ist zwar positiv, also mit einem Exportüberschuss, aber auf die betrachteten Euro-Staaten reduziert zeigt sich ein umgekehrtes Bild. Abbildung 3 zeigt den Importüberschuss bei den zwölf Euro-Ländern. Dieser schwankt im beobachteten Zeitraum zwischen CHF 12‘339 Mio. (1993) und CHF 31‘357 Mio. (2008). 6 Bachelorarbeit Stefan Reinli 35'000 30'000 in Mio. CHF 25'000 20'000 15'000 10'000 5'000 0 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 Jahr Abb. 3: Importüberschuss bei EUR 12-Länder (BFS (a & b),online, eigene Darstellung) Diese Aussenhandelsbilanz ist ein Teil des Bruttoinlandprodukts (BIP). Das BIP (Y) setzt sich zusammen aus dem Konsum (C), den Investitionen (I), den Staatsausgaben (G) und der Differenz zwischen Import (Im) und Export (X) (= Aussenhandelsbilanz) und widerspiegelt den Wert der ökonomischen Aktivitäten einer Volkswirtschaft (Mankiw, 2003, S. 19-29): Y = C + I + G + (X – Im) Abbildung 4 stellt die Aufteilung des Schweizer BIP über den Beobachtungszeitraum 1990 bis 2010 dar, wobei für die Jahre 2009 und 2010 nur prognostizierte Werte erhältlich sind: 100% 90% in % des BIP 80% 70% 60% Konsumausgaben 50% Bruttoinvestitionen 40% Staatsausgaben 30% Aussenhandel 20% 10% 0% 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09p 10p Jahr Abb. 4: Bruttoinlandprodukt nach Verwendungsarten (BFS (c),online, eigene Darstellung) 7 Bachelorarbeit Stefan Reinli Auch wenn der Aussenhandel stetig an Bedeutung gewinnt, so ist der Exportüberschuss heute mit knapp über 10% doch nur ein kleiner Teil des gesamten BIP. Es ist deutlich erkennbar, dass über die Hälfte des BIP auf Konsumausgaben zurückzuführen ist. Somit ist im Prinzip erwiesen, dass der im Vergleich zum Schweizerfranken günstige Euro kein Hindernis für die Exportwirtschaft darstellt und diese Exportwirtschaft am gesamten BIP nur einen kleinen Anteil hat. Aber auch wenn es auf den ersten Blick scheint, als ob die Schweiz so vom starken Schweizerfranken profitieren kann, so gilt es doch folgende Punkte zu beachten (alle Angaben abgeleitet aus den Statistiken des BFS): - Ein grosser Teil der Importe ist privater Konsum. Diese Einfuhren helfen den inländischen Unternehmen nicht, den ungünstigen Euro-Wechselkurs auszugleichen. Im Jahr 2010 beträgt der Anteil der Konsumgüter am gesamten Import 41,6%. Dahinter folgen Rohstoffe und Halbfabrikate mit 23,1% und Investitionsgüter mit 22,9%. - Bei den exportierten Gütern hingegen ist davon auszugehen, dass fast die gesamte Ausfuhr in der Schweiz produzierte oder weiterverarbeitete Güter darstellt. Hier machen Konsum- und Investitionsgüter, Rohstoffe und Halbfabrikate im Jahr 2010 zusammen 92,3% des Exportes aus. Abbildung 5 zeigt die unterschiedliche Aufteilung von Ein- und Ausfuhr nach Verwendungszweck: Ausfuhr Einfuhr Rohstoffe, Halbfabrikate Energieträger Investitionsgüter Konsumgüter Edelmetalle, Edel- und Schmucksteine Kunstgegenstände und Antiquitäten Abb. 5: Ein- und Ausfuhr Schweiz nach Verwendungszweck (BFS (d),online, eigene Darstellung) - In den meisten Gütern, welche in der Schweiz hergestellt oder produziert werden, sind zudem noch Know-how und Arbeitsleistung in Form von Löhnen miteinberechnet. Gemäss einer Lohnniveau-Erhebung des BFS aus dem Jahr 2009 (BFS (e), online) hat die Schweiz im europäischen Vergleich den vierthöchsten mittleren jährlichen Bruttolohn. Vor der Schweiz liegen Dänemark (1.), Norwegen (2.) und Luxemburg (3.). Beim Kauf eines Schweizer Produktes im Ausland müssen also diese höheren Löhne mitbezahlt werden. Mit einem ungünstigen Wechselkurs wird diese Prob8 Bachelorarbeit Stefan Reinli lematik noch grösser und Schweizer Güter haben schlussendlich Mühe, neben der günstigeren ausländischen Konkurrenz bestehen zu können. Neben all den Berechnungen rund um den Euro darf nicht vergessen gehen, dass die Schweiz knapp die Hälfte aller Güter in Nicht-Euro-Länder exportiert. Mit ganz wenigen Ausnahmen hat sich der Schweizerfranken in den Monaten und Jahren vor der Festlegung der Kursuntergrenze zum Euro gegenüber allen anderen Währungen verteuert und stellt somit ein Problem für den gesamten Export dar. Alle diese Fakten zeigen, dass die Bedeutung des Euro für die Schweizer Volkswirtschaft nicht unterschätzt werden darf. Zudem stellt der starke Schweizerfranken für die gesamte Exportbranche ein ernstzunehmendes Problem dar. Am stärksten leiden diejenigen Unternehmen, welche komplett in der Schweiz produzieren und im Ausland verkaufen. Die einzigen Profiteure sind Unternehmen, die für den Schweizer Markt produzieren und im Ausland einkaufen sowie Firmen, welche komplett in Fremdwährung rechnen. So zum Beispiel die Firma Inficon aus Bad Ragaz. Sie produziert Präzisionswerkzeuge, exportiert weltweit und rechnet in Dollar ab (Suedostschweiz.ch, online). 9 Bachelorarbeit 3 Stefan Reinli Historische Aufarbeitung Wie im obigen Kapitel hergeleitet, ist der Euro für die Schweiz und deren Volkswirtschaft von zentraler Bedeutung. Die Schweizerische Nationalbank hat sich deshalb im September 2011 nach einer langen Aufwertungsphase des Schweizerfrankens für ein sofortiges Kursziel entschieden. In diesem Kapitel werden die Ereignisse rund um das Wechselkursziel in chronologischer Reihenfolge aufgearbeitet. Die Abbildung 6 zeigt den Verlauf des Euro-Franken-Wechselkurses von Anfang 2007, als die Hypothekenkrise in den USA ihren Lauf nahm, bis zum Frühling 2012. Einzelne Zeitpunkte aus nachfolgender Chronik sind dabei speziell eingezeichnet. 1.7 15.09.2008 1.6 Juni 2007 CHF/EUR 1.5 08.12.2009 1.4 06.09.2011 1.3 1.2 1.1 1.0 2007 10.08.2011 2008 2009 2010 2011 2012 Jahr Abb. 6: CHF/EUR-Kurs, 01.01.2007–18.05.2012 (Finanzen.ch, online, eigene Darstellung) Im Folgenden werden die wichtigsten Ereignisse rund um die SNB, den Schweizerfranken und die Weltwirtschaft chronologisch aufgezeigt (wo nichts anderes erwähnt, dient die geldund währungspolitische Chronik der SNB als Informationsbasis [SNB (a), online]). Juni 2007 Erste Hedge Funds in den USA haben grosse Abschreiber auf diversen Immobilien-Assets. 16.08.2008 Die SNB informiert einerseits über die Gründung eines Stabilisierungsfonds zur Übernahme illiquider Vermögenswerte der UBS und andererseits über die Zeichnung einer Pflichtwandelanleihe in der Höhe von CHF 6 Mrd. durch den Bund zur Stärkung der Eigenkapitalbasis der UBS. Mit diesem Betrag beteiligt sich die UBS wiederum am Stabilisierungsfonds (SNB Quartalsheft 4/2008, S. 32). 10 Bachelorarbeit 15.09.2008 Stefan Reinli Schwarzer Montag: Die US-amerikanische Investmentbank Lehman Brothers muss Insolvenz beantragen (Handelsblatt, online). Diverse andere Banken müssen zu dieser Zeit finanziell gestützt werden. 26.11.2008 Die SNB gründet in Bern die SNB StabFund Kommanditgesellschaft für kollektive Kapitalanlagen, kurz Stabilisierungsfonds genannt. 16.12.2008 Der SNB StabFund übernimmt eine erste Tranche illiquider Aktiven der UBS in der Höhe von USD 16,4 Mrd. März und Der SNB StabFund übernimmt zwei weitere Tranchen an UBS-Aktiva über April 2009 insgesamt USD 22,3 Mrd. Somit beläuft sich der Fonds auf Total USD 38,7 Mrd. 20.08.2009 Der Bund wandelt seine UBS-Anleihe in 332,2 Millionen Aktien um und platziert sie zu CHF 16,50 bei institutionellen Anlegern. Zusätzlich zum Verkaufserlös von CHF 5,48 Mrd. erhält der Bund für die investierten CHF 6 Mrd. einen Zins von CHF 1,8 Mrd. Unter dem Strich bleibt ihm damit ein Gewinn von CHF 1,2 Mrd. aus seinem direkten Engagement bei der UBS (Passardi/Jans, 14.04.2010, Finanz & Wirtschaft, S. 25). 08.12.2009 Die Ratingagentur Fitch stuft den Staat Griechenland zum ersten Mal herab, von A- auf BBB+. Zu Beginn des Jahres 2012 wird Griechenland zwischenzeitlich von mehreren Ratingagenturen als teilweise zahlungsunfähig bezeichnet (Benders, 15.09.2009, Handelsblatt, online / Spiegel, online). 1. Q. 2010 Aufgrund der verschärften Finanzlage des griechischen Staates im Frühjahr 2010 und der damit verbundenen Euro-Krise bedeutet der Schweizerfranken wieder ein sicherer Hafen für viele Anleger. Der Franken steigt durch diese grosse Nachfrage im Wert. Die SNB entschliesst sich, massive Devisenkäufe zu tätigen. Im ersten Quartal 2010 umfassen diese Käufe Fremdwährungen für umgerechnet rund CHF 31 Mrd. (SNB Geschäftsbericht 2010,S. 196). 2. Q. 2010 Im zweiten Quartal 2010 gehen die Devisenkäufe der SNB weiter. Es wird Fremdwährung im Wert von insgesamt rund CHF 113 Mrd. gekauft. Aufgrund der Devisenkäufe über nun insgesamt rund CHF 144 Mrd. verlängert sich die Bilanz der SNB massiv. Allerdings werden diese Interventionen teilweise steril getätigt, also ohne Veränderung der inländischen Geldmenge. Dies bewirkt eine insgesamt eingeschränkte Geldmengenveränderung beim Schweizerfranken (SNB Geschäftsbericht 2010, S. 196). 3.-17.08.2011 Die SNB erhöht die Sichtguthaben der Geschäftsbanken innert 14 Tagen schrittweise von CHF 30 Mrd. auf CHF 200 Mrd. (SNB Geschäftsbericht 2011, S. 200-201). Durch diese Erhöhung steigt gleichzeitig auch die Notenbankgeldmenge und somit wird der Schweizerfranken geschwächt. Sichtguthaben sind unverzinsliche Giroguthaben von Geschäftsbanken bei der SNB. Durch Kontrolle dieses Angebots wird die Liquidität gesteuert (SNB (b), online). 11 Bachelorarbeit 10.08.2011 Stefan Reinli Der CHF/EUR-Kurs erreicht seinen vorläufigen Tiefpunkt bei einem Schlusskurs von 1,0299. 06.09.2011 Nach einer weiteren ausgeprägten Aufwertung des Schweizerfrankens im Sommer 2011 einschliesst sich die SNB um Philipp M. Hildebrand, ein Wechselkursziel von CHF 1,20 zum Euro auszusprechen. In der Pressemitteilung der SNB vom 6. September 2011 (SNB (c), online) heisst es auszugsweise: „Die Nationalbank strebt (…) eine deutliche und dauerhafte Abschwächung des Frankens an. Sie toleriert ab sofort keinen Euro-Franken-Kurs unter Eins Zwanzig. Die Nationalbank wird diesen Mindestkurs mit aller Konsequenz durchsetzen. Sie ist bereit, unbeschränkt Devisen zu kaufen.“ Diese Massnahme ist nötig, nachdem sowohl die Senkung des Leitzinses auf nahezu 0% als auch die Devisenkäufe im ersten Halbjahr 2010 keine oder wenig Wirkung zeigten. Die Kosten für die SNB im August und September 2011 werden rund ein halbes Jahr später von der Handelszeitung mit CHF 17.8 Mrd. beziffert, nachdem die Interventionen 2010 über CHF 100 Mrd. betrugen (Müller, 12.04.2012, S. 25). Grund für diese Differenz ist die Wirkung der Androhung eines Kursziels. Während all dieser Geschehnisse verändert die SNB den Leitzins als weitere Massnahme zur Geldmengensteuerung in unregelmässigen Abständen. Im Jahr 2007 wird der Leitzins aufgrund positiver Wirtschaftsdaten noch erhöht, später wieder gesenkt. Am 11. Dezember 2008 erreicht das Zielband des Dreimonats-Libor mit 0%-1% zum ersten Mal die untere Grenze von 0%. Am 12. März 2009 wird das Zielband auf 0%-0,75% verengt, ab dem 3. August 2011 liegt es bei 0%-0,25%. Die Abbildung 7 zeigt den Verlauf des Libor-Zielbands ab dem 1. Januar 2007 (UBL bezeichnet die obere Grenze [upper borderline], LBL die untere Grenze [lower borderline] des Zielbands): 3.5% 3.0% Zinssatz 2.5% 2.0% UBL 1.5% LBL 1.0% 0.5% 0.0% 2007 Abb. 7: 2008 2009 Jahr 2010 2011 2012 SNB-Zinszielband, 01.01.2007–18.05.2012 (Leitzinsen.info, online, eigene Darstellung) 12 Bachelorarbeit Stefan Reinli Abbildung 8 zeigt im gleichen Zeitraum die Leitzinsen des Federal Reserve (Fed.), der Nationalbank der USA, in rot und der Europäischen Zentralbank (EZB) in blau. Während die EZB wie auch die SNB im Jahr 2007 noch Leitzinserhöhungen vorgenommen hat, musste das Fed. Ende 2007 den Leitzins von einem sehr hohen Niveau innert kurzer Zeit auf fast 0% senken. Die EZB führte 2011 zwei Mal eine Leitzinserhöhung durch, machte diese Schritte dann aber gegen Ende des Jahres wieder rückgängig. Abb. 8: Leitzinsen des Fed. und der EZB, 01.01.2007–18.05.2012 (Leitzinsen.info, online, leicht abgeändert) Eine Besonderheit der EZB ist, dass sie seit dem 8. November 2001 nur noch in den Monatssitzungen über Zinssatzänderungen entscheidet (Ragaz, 2008, S. 43). Dies vermittelt den Märkten Stabilität. Bei der SNB ist keine ähnliche Praktik ersichtlich. 13 Bachelorarbeit 4 Stefan Reinli Die Schweizerische Nationalbank Die Schweizerische Nationalbank ist in den Vorgängen rund um die Einführung des Wechselkursziels des Schweizer Frankens zum Euro die zentrale Figur. Um die Rolle der SNB genauer zu verstehen, werden in diesem Kapitel die SNB, deren Rechtsform, die Aufträge sowie die zur Ausführung der Aufträge zur Verfügung stehenden Mittel genauer vorgestellt. Hierzu dienen in erster Linie die Gesetzesgrundlagen als Quelle. Für die SNB relevante Grundlagen sind das Nationalbankgesetz (NBG) und die Verordnung zum NBG (NBV) sowie das Organisationsreglement der Schweizerischen Nationalbank (OdSNB) und das Bundesgesetz über die Währung und die Zahlungsmittel (WZG). Die aus gesetzlicher Sicht wichtigste Regulierung findet sich aber in der Bundesverfassung (BV). Hier ist festgeschrieben, dass die Schweizerische Nationalbank als unabhängige Zentralbank eine Geld- und Währungspolitik führt, die dem Gesamtinteresse des Landes dient und unter Mitwirkung und Aufsicht des Bundes verwaltet wird (BV Art. 99, Abs. 2). Die Unabhängigkeit ist das wichtigste Gut der SNB. Gemäss NBG Art. 6 dürfen die SNB und die Mitglieder deren Organe weder vom Bundesrat noch von der Bundesversammlung Weisungen einholen oder entgegennehmen. Für die economiesuisse (2012) bedeutet die Unabhängigkeit ebenfalls, dass die SNB keine Weisungen von der Politik entgegennehmen darf und in Eigenverantwortung diejenige Geldpolitik betreiben soll, welche für das Land langfristig optimal ist (S. 6). Zudem ist nach dem aktuellsten geldpolitischen Forschungsstand erwiesen, dass Länder mit einer von der Politik unabhängigen Zentralbank generell tiefere Inflationsraten aufweisen (S. 11). Die Unabhängigkeit der SNB im Speziellen umfasst drei Bereiche; die funktionelle, finanzielle und personelle Unabhängigkeit (SNB (d), online). Die funktionelle Unabhängigkeit legt eine Trennung zwischen der SNB und dem Bund, der Bundesversammlung und anderen Stellen fest. Die finanzielle Unabhängigkeit beinhaltet die Budgetautonomie sowie das Verbot der Kreditgewährung an den Bund. Die personelle Unabhängigkeit besagt, dass Mitglieder des Direktoriums nur abberufen werden können, wenn sie ihr Amt nicht mehr ausüben können oder sie eine schwere Verfehlung begangen haben. 4.1 Die Schweizerische Nationalbank als Gesellschaft Die SNB ist eine spezialgesetzliche Aktiengesellschaft (NBG Art. 1, Abs. 1), womit einige Erlasse vom gesetzlichen Rahmen für Aktiengesellschaften im Schweizerischen Obligationenrecht (OR) abweichen dürfen (NBG Art. 2). Sie betreibt zwei Hauptsitze, einen in Zürich und einen in Bern, sowie einige Zweigniederlassungen und Agenturen in der ganzen 14 Bachelorarbeit Stefan Reinli Schweiz (NBG Art. 3, Abs. 1 & 2). Die SNB ist von direkten Bundessteuern befreit und darf auch von Kantonen nicht besteuert werden (NBG Art. 8, Abs. 1 & 2). Das Aktienkapital beträgt CHF 25 Mio. und ist in 100‘000 Aktien zu einem Nennwert von je CHF 250,00 aufgeteilt (NBG Art. 25, Abs. 1). Per 31. Dezember 2011 sind die eingetragenen Aktien zu 62,97% in öffentlich-rechtlichem Besitz (Kantone und Kantonalbanken) und zu 37,03% im Besitz von Privataktionären (SNB Geschäftsbericht 2011, S. 145). Die SNB hat gemäss NBG (Art. 30, Abs. 1) Rückstellungen zu bilden, um Währungsreserven auf der geld- und währungspolitisch erforderlichen Höhe zu halten. Sie soll sich dabei an der Entwicklung der Schweizerischen Volkswirtschaft orientieren. Überschüsse bei den Rückstellungen gelten als Gewinne (NBG Art. 30, Abs. 2). Bei der Gewinnverteilung darf die SNB eine Dividende von maximal 6% des Aktienkapitals ausschütten (NBG Art. 31, Abs. 1). Der Rest geht zu einem Drittel an den Bund und zu zwei Dritteln an die Kantone (NBG Art. 31, Abs. 2). 4.2 Die Organisation der Schweizerischen Nationalbank Die SNB umfasst die Organe Bankrat, Direktion, Revisionsstelle und allen voran die Generalversammlung der Aktionärinnen und Aktionäre (NBG Art. 33). Der Bankrat besteht aus elf Mitgliedern, wovon sechs durch den Bundesrat und fünf durch die Generalversammlung gewählt werden (NBG Art. 39, Abs. 1 & 2). Die zentrale Aufgabe des Bankrats ist es, die Geschäftsführung der SNB im Hinblick auf die Einhaltung von Gesetzen, Reglementen und Weisungen zu beaufsichtigen und zu kontrollieren (NBG Art. 42, Abs. 1). Dazu gehört es unter anderem, die Grundzüge der Organisation der SNB festzulegen, die Höhe der Rückstellungen zu genehmigen sowie das Management von Kredit- und Marktrisiken zu beurteilen und dessen Umsetzung zu überwachen (OdSNB Art. 10, Abs. 2). Abbildung 9 zeigt die elf Personen des Bankrats (Stand 01.05.2012): Jean Studer, Präsident des Bankrats Olivier Steimer, Vizepräsident des Bankrats Gerold Bührer Dr. Daniel Lampart Ernst Stocker Abb. 9: Prof. Dr. Monika Bütler Laura Sadis Prof. Dr. Christoph Lengwiler Der Bankrat der SNB (SNB (e), online, eigene Darstellung) 15 Dr. Alfredo Gysi Shelby R. du Pasquier Prof. Dr. Cédric Tille Bachelorarbeit Stefan Reinli Das Direktorium besteht aus drei Mitgliedern sowie je einer Stellvertretung (NBG Art. 43, Abs. 1). Es ist das oberste geschäftsleitende und ausführende Organ und vertritt die SNB in der Öffentlichkeit (NBG Art. 46, Abs. 1). Geldpolitische Entscheide treffen, die Zusammensetzung der Währungsreserven bestimmen und über die Anlage der Aktiven entscheiden zählen unter anderem zu den Aufgaben des Direktoriums (NBG Art. 46, Abs. 2 und OdSNB Art. 18, Abs. 2). Die SNB ist unterhalb des Direktoriums in drei Departemente beziehungsweise Geschäftskreise unterteilt. Das erste Departement beinhaltet die internationalen Währungskooperationen, die Volkswirtschaft sowie Recht und Dienste. Das zweite Departement umfasst das Bargeld, die Finanzen und Risiken sowie die Finanzstabilität. Im dritten Departement werden die Finanzmärkte, das operative Bankgeschäft und die Informatik zusammengefasst (OdSNB Art. 4). Jedem Departement steht ein Mitglied des Direktoriums vor (OdSNB Art. 3, Abs. 2). Unter den drei Mitgliedern des Direktoriums befindet sich auch die Präsidentin/der Präsident sowie die Vizepräsidentin/der Vizepräsident des Direktoriums (OdSNB Art. 25, Abs. 1). Abbildung 10 zeigt die Zusammensetzung des Direktoriums (Stand 29.05.2012): Prof. Dr. Thomas J. Jordan Präsident des Direktoriums (1. Departement) Prof. Dr. Jean-Pierre Danthine Vizepräsident des Direktoriums (2. Departement) Fritz Zurbrügg (ab 01.08.2012) Mitglied des Direktoriums (3. Departement) Dr. Thomas Moser, Stv. Abb. 10: Dr. Thomas Wiedmer, Stv. Dewet Moser, Stv. Das Direktorium der SNB (SNB (f), online, eigene Darstellung) Das Organigramm der SNB als Ganzes ist auf der folgenden Seite in Abbildung 11 vereinfacht dargestellt: 16 Bachelorarbeit Stefan Reinli Generalversammlung Revisionsstelle Bankrat Interne Revision Direktorium Erweitertes Direktorium 1. Departement Abb. 11: 4.3 2. Departement 3. Departement Das Organigramm der SNB, vereinfacht (SNB (g), online, eigene Darstellung) Die Aufträge und Aufgaben der Schweizerischen Nationalbank Die SNB hat die Preisstabilität zu gewährleisten und dabei der konjunkturellen Entwicklung Rechnung zu tragen. In diesem Rahmen hat sie einen durch das NBG klar abgegrenzten Aufgabenkatalog (NBG Art. 5, Abs. 1 & 2): - Schweizerfranken-Geldmarkt mit Liquidität versorgen. - Bargeldversorgung gewährleisten (nach NBG Art. 4 hat die SNB das ausschliessliche Recht zur Ausgabe von Schweizerischen Banknoten). Zudem sind die Banknoten nach den Bedürfnissen des Zahlungsverkehrs auszugeben, die SNB bestimmt Nennwert und Gestaltung (WZG Art. 7, Abs. 1). - Funktionieren bargeldloser Zahlungssysteme erleichtern und sichern. - Währungsreserven verwalten. - Zur Stabilität des Finanzsystems beitragen. Darüber hinaus wirkt die SNB bei internationalen Währungskooperationen mit (NBG Art. 5, Abs. 3) und kann mit ausländischen Zentralbanken und mit internationalen Organisationen Beziehungen aufnehmen und mit ihnen alle Arten von Bankgeschäften tätigen (NBG Art. 10). Zudem erbringt die SNB dem Bund diverse Bankdienstleistungen (NBG Art. 5, Abs. 4), darf ihm aber keine Kredite gewähren (NBG Art. 11, Abs. 2). 17 Bachelorarbeit Stefan Reinli Da die SNB autonom arbeitet und vom Bund keine Weisungen annehmen darf, hat sie der Bundesversammlung einen jährlichen Rechenschaftsbericht über die Erfüllung ihrer Aufgaben vorzulegen (NBG Art. 7, Abs. 2). Darüber hinaus erstellt die SNB regelmässig Statistiken über die Banken und Finanzmärkte, die Zahlungsbilanz, die Direktinvestitionen, das Auslandvermögen und die Finanzierungsrechnung der Schweiz (SNB (h), online). 4.4 Die Mittel zur Umsetzung der Aufträge und Aufgaben Die Schweizerische Nationalbank hat insgesamt drei Instrumente zur Verfügung, um die im vorherigen Kapitel 4.3 genannten geldpolitischen Ziele wie zum Beispiel Preisstabilität, Liquidität des Geldmarktes und Stabilität des Finanzsystems zu erreichen. Die SNB kann das Geldangebot erhöhen oder senken, sie kann den Leitzins erhöhen oder senken und sie kann aktiv in den Wechselkurs eingreifen (Vischer, 2010, S. 108-109). Gemäss Nationalbankgesetz (Art. 9, Abs. 1) hat die SNB unter anderem folgende Möglichkeiten zur Erfüllung der geld- und währungspolitischen Aufgaben: - Für Banken und andere Finanzmarktteilnehmer verzinsliche und unverzinsliche Konten führen. - Bei Banken und anderen Finanzmarktteilnehmern Konten eröffnen. - Auf Finanzmärkten Forderungen, Effekten, Edelmetalle und Edelmetallforderungen in Schweizerfranken und Fremdwährungen kaufen und verkaufen. - Eigene verzinsliche Schuldverschreibungen ausgeben und zurückkaufen. - Kreditgeschäfte mit Banken und anderen Finanzmarktteilnehmern abschliessen. An dieser Stelle ist insbesondere das Repo-Geschäft zu erwähnen. Hier werden verbriefte Forderungen von Geschäftsbanken an die Nationalbank verkauft mit der Verpflichtung zum Rückkauf auf einen bestimmten, meist sehr kurzen Termin. Die SNB legt das zur Verfügung stehende Geldvolumen sowie den Repo-Zins fest und nimmt so Einfluss auf die Geldpolitik. Repo-Transaktionen regeln somit die Liquidität und Geldversorgung der Banken (Brunetti, 2009, S. 331). Das Repo-Geschäft ist Teil der Offenmarktpolitik, wobei sich diese im Allgemeinen nicht nur auf die Geschäftsbanken beschränkt und auch nicht zwingend nur in – wie bei Repo-Geschäften üblich – sehr kurzen Fristen bewegt. So gehört gemäss Brunetti zum Beispiel auch der Kauf und Verkauf von Gold zur Offenmarktpolitik (2009, S. 315-317). Eine weitere Regelung besagt, dass Geschäftsbanken bei der SNB Mindestreserven bestehend aus Münzen, Banknoten und Giroguthaben halten müssen (NBG Art. 17, Abs. 1 und 18 Bachelorarbeit Stefan Reinli Art. 18, Abs. 1). Diese Reserven erleichtern das reibungslose Funktionieren des Geldmarktes. Die Reserven bestehen aus einem von der SNB festgelegten Prozentsatz der Verbindlichkeiten, welche die Geschäftsbanken insgesamt bei der SNB halten (SNB (b), online). Aktuell liegt der Satz bei 2,5% (SNB Statistisches Monatsheft 5/2012, S. 29). Falls nötig kann sich die SNB direkt am Kapital von Gesellschaften beteiligen und Mitgliedschaftsrechte an solchen erwerben (NBG Art. 12). Exkurs SNB und UBS in den Jahren 2008 und 2009: Die Schweizerische Nationalbank hätte gemäss diesem Gesetzesartikel also Aktionärin der UBS werden können, um so die Geschicke rund um die kriselnde Grossbank zumindest teilweise selbst in die Hand zu nehmen. Die SNB entschied sich aber dafür, sich nicht an der UBS zu beteiligen und richtete dafür Ende 2008 einen Stabilisierungsfonds ein. Dieser Fonds sollte für einen Betrag von maximal CHF 60 Mrd. illiquide Wertpapiere übernehmen. Der Fonds wurde über Eigen- und Fremdkapital finanziert. Als Eigenkapital gilt der Verkauf einer Call-Option auf die Anteile des Stabilisierungsfonds von der SNB an die UBS. Die UBS finanzierte diesen Optionen-Kauf durch eine vom Bund übernommene Pflichtwandelanleihe über CHF 6 Mrd. Als Fremdkapital erhält der Fonds von der SNB ein Darlehen über 90% der übernommenen Vermögenswerte (Passardi/Jans, 14.04.2010, Finanz & Wirtschaft, S. 25). Im Zusammenhang mit den Geschehnissen rund um die Stützung der UBS wird die SNB oft als „Lender of last resort“ genannt, also als Kreditgeberin letzter Instanz. Gemäss Vischer (2010) sollte sich eine Nationalbank aber darauf beschränken, den Geschäftsbanken falls nötig kurzfristige Liquiditätshilfe zu gewähren, sollte es zum Beispiel aufgrund von Zweifeln an der Bonität einer Bank zu einem Ansturm von Einlegern kommen, welche ihr Geld zurückfordern (S. 114). Eine weitere Möglichkeit der kurzfristigen Liquiditätshilfe sieht Vischer bei einer stockenden Interbanken-Ausleihe1. Auch hier kann eine Nationalbank als „Lender of last resort“ auftreten. Eine Beteiligung an der Stärkung von Eigenkapital sollte wenn überhaupt durch den Staat erfolgen. Auch eine komplette Verstaatlichung ist in besonders schweren Fällen eine Option. Da solche Interventionen auf politischen Entscheiden des Staates beruhen, sollten sie gemäss Vischer nicht Sache einer Nationalbank sein (S. 115). Als Ergänzung sagt Ragaz (2008) aus, dass Nationalbanken sich davor hüten, den Banken eine Rückendeckung in Notsituationen zu signalisieren (S. 25). Dies würde zu einem „moral hazard“ führen, also zu einem lascheren Umgang der Banken mit Risiken. 1 Geschäftsbanken vergeben Kredite an andere Geschäftsbanken. So wird die Liquidität zwischen den Banken bedarfsgerecht umverteilt (Vischer, 2010, S. 119). 19 Bachelorarbeit Stefan Reinli II Rückblick und Theorie 5 Die Situation von 1978 Die Situation des massiv aufwertenden Schweizerfrankens ist für die Schweiz und deren Nationalbank kein Neuland. Bereits in den 1970er-Jahren hat sich der Franken, damals gegenüber der D-Mark (DEM), über längere Zeit aufgewertet und machte ein Wechselkursziel nötig. Die SNB verteidigte das Kursziel auch damals mit Interventionen auf dem Devisenmarkt. Dieses Kapitel gibt einen Überblick über die Ereignisse in den 1970er- und frühen 1980er-Jahren, die Massnahmen der SNB sowie deren Folgen. 5.1 Die Aufwertung des Schweizerfrankens Die Schweiz ist bis 1973 dem Bretton-Woods-System angeschlossen. Der Einsturz dieses Systems wird in Kapitel 6.1 genauer beschrieben. Am 23. Januar 1973 stellt die Nationalbank im Einvernehmen mit dem Bundesrat die Dollarkäufe zur Stützung des Wechselkurses ein (SNB (a), online). Bereits am 12. Februar 1973 zeigt der Dollar eine Abwertung von 10%. Am 12. März 1973 beschliessen auch die führenden Industrieländer Europas, darunter Deutschland, den Kurs ihrer Währungen gegenüber dem Dollar floaten zu lassen. Für verschiedene Länder, besonders aber für die Schweiz, hat diese Massnahme einen Konjunktureinbruch zur Folge, denn die Zentralbankgeldmenge wächst aufgrund der ausbleibenden Interventionen am Devisenmarkt kaum noch (SNB, 2007, S. 185). Diese Tatsache führt von einer anfangs noch herrschenden Inflation zu einem Rückgang des Bruttosozialprodukts (BSP) und der Industrieproduktion. Allein im Jahr 1975 nimmt die Industrieproduktion um 12,6% ab. Aus diesem Grund beschliesst die SNB, fortan eine Geldmengenpolitik zu betreiben und löst sich von der bisherigen Orientierung am Wechselkurs (SNB. 2007, S. 188). Teil der Geldmengenpolitik ist das Ziel, die Geldmenge M12 stetig auszuweiten. 1975 und 1976 soll die Ausweitung 6% betragen, für 1977 und 1978 sind noch 5% geplant. Während dieser Zeit nimmt die Überbewertung des Schweizerfrankens stetig zu. Diese Überbewertung zeigt sich unter anderem anhand des Franken-D-Mark-Kurses. Abbildung 12 ist von der SNB übernommen und zeigt den Wechselkurs des Schweizerfrankens zur D2 Als Geldmenge M0 wird die Notenbankgeldmenge bezeichnet, auch monetäre Basis oder Geldbasis genannt (SNB (b), online). Zur Geldmenge M1 zählen Bargeld, Sichteinlagen sowie Transaktionskonten. Die Geldmenge M2 beinhaltet zusätzlich zu M1 die Spareinlagen. Bei der Geldmenge M3 werden noch die Termineinlagen addiert (Brunetti, 2009, S. 313-314). 20 Bachelorarbeit Stefan Reinli Mark sowie die Veränderung des Kaufkraftparitäten-Verhältnisses zwischen der Schweiz und Deutschland von 1953 bis 2006: Abb. 12: Entwicklung des Wechselkurses und der Kaufkraftparität Schweiz/Deutschland, 1953 bis 2006 (SNB, 2007, S. 191) Der schwarze Rahmen soll auf die Jahre 1973 bis 1983 fokussieren. In dieser Zeit fällt der Wechselkurs um rund 35%, die D-Mark liegt teilweise unterhalb von 80 Rappen. Gemessen an der Entwicklung der relativen Lebenshaltungskosten ist der Franken zunächst noch unterbewertet, dreht dann aber in Richtung Überbewertung. Dieses Verhalten eines flexiblen Wechselkurses gegenüber der Kaufkraftparität nennt sich Überschiessen und ist nicht unüblich (SNB, 2007, S. 191). Überraschend ist aber, dass sich auch längerfristig keine Korrektur dieser Tendenz abzeichnet. Gründe für diese Überbewertung werden verschiedene genannt. Gemäss Professor Urs Birchler3 könnte die Ursache einmal mehr in der Betrachtung des Schweizerfrankens als sicherer Hafen liegen, aber auch die steigende Produktivität wird als Ursprung genannt (Birchler, 25.07.2011, Die Zeit, online). Jean-Pierre Roth, ehemaliger Präsident der SNB, geht in einem Referat aus dem Jahre 2009 über die Internationalisierung der Geldpolitik (SNB (i), online, S. 7) davon aus, dass hauptsächlich der Glaube an die Ernsthaftigkeit der Schweizerischen Stabilitätspolitik zur Aufwertung führt. Neben der Deutschen Mark als zentrale Exportwährung findet die Aufwertung auch gegenüber vielen anderen europäischen Währungen statt. Dies setzt der Schweizer Exportwirtschaft zu und zwingt die Schweizerische Nationalbank zum Handeln. 3 Urs Birchler, Professor am Institut für Banking und Finance der Uni Zürich, vorher bei der SNB tätig. 21 Bachelorarbeit 5.2 Stefan Reinli Massnahmen der SNB Der politische Druck auf die SNB wird mit der Zeit immer grösser. Die Sorgen der Exportwirtschaft werden 1978 im Nationalrat thematisiert. Als Antwort auf die von allen Seiten geäusserten Forderungen zu einer Reaktion experimentiert die SNB mit drei Instrumenten. Diese Abwehrmassnahmen umfassen Anlageverbote und Negativzinsen sowie die Einschränkung der Kreditaufnahme im Ausland zur Begrenzung des Kapitalzuflusses aus dem Ausland (SNB, 2007, S. 123). Die Politik der Kapitalzufluss-Begrenzung wird auch DevisenbannWirtschaft genannt, geht es doch schlussendlich darum, die ausländischen Devisen aus dem eigenen Land zu halten. Neben diesem administrativen Abwehrdispositiv wird gemäss Roth (2009) der Leitzins auf den damals historischen Tiefpunkt von 1% gesenkt (SNB (i), online, S. 7). Im Sommer 1978 setzt sich die Meinung durch, dass die Aufwertung gegenüber der D-Mark nur mit einer unlimitierten Devisenmarktintervention in Kombination mit einem öffentlich geäusserten Wechselkursziel gebremst werden kann (Straumann, 14.01.2011, TagesAnzeiger, online). Das Direktorium der SNB um den damaligen Präsidenten Fritz Leutwiler beschliesst am 1. Oktober 1978 die Festlegung des Wechselkursziels auf „deutlich über 80 Rappen“ pro D-Mark (SNB, 2007, S. 193). Der Erfolg stellt sich schnell ein, der Kurs steigt deutlich bis auf über 90 Rappen im Jahr 1980. Das Kurschart in Abbildung 13 zeigt den Verlauf des CHF-DEM-Wechselkurses von Anfang 1975 bis Ende 1985: 1.20 CHF/DEM 1.10 1.00 0.90 0.80 26.09.1978 0.70 0.60 1975 Abb. 13: 1976 1977 1978 1979 1980 1981 Jahr 1982 1983 1984 1985 CHF/DEM-Kurs, 02.01.1975–31.12.1985 (Deutsche Bundesbank, online, eigene Darstellung) Wie der Abbildung 13 zu entnehmen ist, ist das Wechselkursziel erfolgreich. Nach der Negativspitze vom 26. September 1978 mit einem Tagesschlusskurs von 75 Rappen pro D-Mark zeigt sich eine rasche Erholung mit längerfristigen Kursen um 90 Rappen. Schlussendlich pendelt sich der Kurs bei etwas über 80 Rappen ein und unterschreitet diese Marke nur noch 22 Bachelorarbeit Stefan Reinli wenige Male ganz knapp. Dieses Bild verändert sich bis kurz vor Einführung des Euro im Jahr 2002 nicht mehr sonderlich. Die Kosten für die Devisenmarktinterventionen zur Stützung des Kurses belaufen sich gemäss Hildebrand (2004) auf CHF 10,6 Mrd. und entsprechen zu dieser Zeit 40% der monetären Basis (SNB (j), online, S. 10). Die gesamte Geldmenge steigt dadurch um 17% und nicht wie weiter oben erwähnt um die erwarteten 5%. Nach erfolgreicher Umsetzung des Wechselkursziels wird laut Hildebrand (2009) ein grosser Teil des Geldmengenüberhangs in der ersten Jahreshälfte 1979 wieder abgebaut (SNB (j), online, S. 11). Trotz dieses Schrittes treten keine neuen Wechselkursturbulenzen auf, wie der Abbildung 13 zu entnehmen ist. Aufgrund der niedrigen Zinssätze und des deutlich gesunkenen realen Frankenkurses kann sich die Konjunktur erholen. Bereits ab dem Jahr 1980 kann die SNB wieder mit Geldmengenzielen arbeiten, verfolgt also das Wechselkursziel nicht weiter und ist aufgrund des stabilisierten Wechselkurses auch zu keinen weiteren Massnahmen gezwungen (Baltensperger, 11.07.2007, SECO, S. 7). Allerdings liegt der Fokus neu nicht mehr auf der Geldmenge M1, sondern auf der bereinigten Notenbankgeldmenge M0. Begründet wird dies mit der zunehmend schwierig zu prognostizierenden Nachfrage nach M1. 5.3 Negative Folgen der Massnahmen Auf den ersten Blick hat die einschneidende Massnahme des Wechselkursziels seinen Zweck erfüllt. Der Schweizerfranken konnte abgewertet werden, der Kurs zur D-Mark wurde stabilisiert und die Exportwirtschaft zusammen mit der gesamten Konjunktur zeigten erholende Tendenzen. Blickt man aber etwas weiter, genauer gesagt in die erste Hälfte der 1980er-Jahre, zeigt sich die aufgrund der Geldmengenausdehnung zu erwartende Inflation. Gemäss BFS wird die Inflation in der Schweiz an der Erhöhung des Jahresdurchschnittswerts des Landesindex für Konsumentenpreise (LIK) gemessen (BFS (f), online). Abbildung 14 auf der nächsten Seite zeigt die jährliche Veränderung des LIK gegenüber Vorjahr im Zeitraum von 1976 bis 1985: 23 Bachelorarbeit Stefan Reinli Veränderung LIK zum Vorjahr +7% +6% +5% +4% +3% +2% +1% +0% 1976 Abb. 14: 1977 1978 1979 1980 1981 Jahr 1982 1983 1984 1985 Jährliche durchschnittliche Veränderung LIK gegenüber Vorjahr, 1976 bis 1985 (BFS (g), online, eigene Darstellung) Anhand des Anstiegs des LIK ab dem Jahr 1979 ist zu erkennen, wie sich die Geldmengenausdehnung der Nationalbank auf die Inflation auswirkt. Die Inflation nimmt deutlich zu, reagiert aber wie üblich mit einer Verzögerung von rund zwei bis drei Jahren (Bischofsberger, 21.09.2011, Avenir Suisse, online). Im hier betrachteten Zeitraum steigt die Inflation während drei Jahren von 1,1% im Jahr 1978 auf den Höchstwert von 6,5% im Jahre 1981. Ab dieser Zeit nimmt die Inflation wieder ab und kommt vorläufig bei rund 3% ab dem Jahr 1983 zu liegen. Später fällt die Inflation sogar auf ein Niveau von rund 1%. Zu dieser erhöhten Inflation während mehrerer Jahre muss angemerkt werden, dass in dieser Zeit ein zusätzlicher Preisschock stattfindet, welcher mit der Notenbankgeldmenge nichts zu tun hat – der zweite Erdölpreisschock von 1979/1980. Gemäss Baltensperger hat diese Entwicklung zusammen mit dem Liquiditätsüberhang der SNB einen Einfluss auf die Inflationsentwicklung (11.07.2007, SECO, S. 8). Diese Tatsache relativiert den Einfluss der Geldmengenausdehnung auf die Inflation. 24 Bachelorarbeit 6 Stefan Reinli Geldmenge und Wechselkurs in der Theorie Dieses Kapitel befasst sich mit dem theoretischen Ansatz eines Wechselkursziels. Zuerst wird die historische Entstehung des bis vor kurzem geltenden Systems der flexiblen Wechselkurse aufgezeigt. Danach wird ein Modell vorgestellt, welches die aktuelle Situation zwischen dem Schweizerfranken und dem Euro sowie die Interventionen der SNB abbildet. Anhand mehrerer Modell-Variablen werden daraufhin die Folgen dieser Interventionen dargestellt. Der letzte Abschnitt dieses Kapitels ist der Kommunikation der SNB gewidmet. 6.1 Historische Entstehung des Systems der flexiblen Wechselkurse Gemäss Krugman/Obstfeld ist die Geschichte des internationalen Währungssystems in insgesamt vier Epochen zu unterteilen (2009, S. 654). Die Zeit von 1870 bis 1914, also bis zum Beginn des ersten Weltkrieges, wird als das Zeitalter des Goldstandards bezeichnet und geht im Prinzip sogar auf das Jahr 1819 zurück (Krugman/Obstfeld, 2009, S. 660). Damals hob das britische Parlament die Exportbeschränkungen für Goldmünzen und -barren auf. Dieser „Resumption Act“, also das Gesetz zur Wiederaufnahme des Handels mit Gold, gilt als die Geburt des Goldstandards. Gold diente damals als Tauschmittel und war Recheneinheit und Wertaufbewahrungsmittel. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts führten weitere wichtige Handelsnationen ebenfalls diesen Goldstandard ein und so basierte schon bald ein grosser Teil des internationalen Währungssystems auf Gold. Vorrangige Aufgabe der Zentralbanken war es damals, die Parität zwischen der inländischen Währung und dem Gold zu wahren. Die immensen Militärausgaben während und nach dem ersten Weltkrieg wurden mithilfe der Notenpresse finanziert (Krugman/Obstfeld, 2009, S. 668). Dies war nur möglich, weil der Goldstandard durch die Staaten aufgehoben wurde. Die inflationären Folgen dieser Politik prägten die zweite Epoche, die Zwischenkriegsjahre von 1918 bis 1939. In der dritten Epoche, der Zeit des Bretton-Woods-Systems von 1944 bis 1973, wurden die Währungen aller am System beteiligten Nationen an den Dollar gebunden. Dieser wiederum wurde fix an das Gold gebunden (Krugman/Obstfeld, 2009, S. 671). Zur Überwachung dieses Systems wurde der Internationale Währungsfonds (IWF) gegründet. Die Schweiz trat dem IWF erst am 29. Mai 1992 bei (IMF (a), online), denn sie stand den Institutionen zur Überwachung von Bretton-Woods4 von Anfang an kritisch gegenüber (SNB, 2007, S. 146). 4 Hierzu gehört neben dem IWF auch die Weltbank. 25 Bachelorarbeit Stefan Reinli Am Bretton-Woods-System selbst nahm die Schweiz aber teil, und so verfolgte die SNB von 1945 bis 1973 ein Wechselkursziel (Brunetti, 2009, S. 326). Zahlungsbilanzkrisen diverser Länder während der 1960er- und zu Beginn der 1970er-Jahre brachten das Bretton-Woods-System der festen Wechselkurse 1973 zum Einsturz. Alle Nationen, die ihre Währung fix an den US-Dollar koppelten, importierten die Inflation der USA. Dieser Effekt erhöhte die Preisniveaus der jeweiligen Länder. Um die Preisniveaus zu stabilisieren und ein binnenwirtschaftliches Gleichgewicht wiederherzustellen, mussten Wechselkurse flexibel gestaltet werden (Krugman/Obstfeld, 2009, S. 684). Dies war der Beginn der vierten Epoche ab 1973. Gemäss Angaben des IWF vom 31. Juli 2006 (IMF (b), online) haben von den insgesamt 187 dem IWF angeschlossenen Nationen deren 41 keine eigene Währung5. 52 Nationen haben einen fixen Wechselkurs, einen sogenannten „fixed peg“. Überraschenderweise haben trotz der Lehren aus dem Kollaps des Bretton-Woods-Systems nur 25 Nationen einen völlig unabhängigen flexiblen Wechselkurs. Aber insgesamt 62 Nationen betreiben eine von drei Wechselkurs-Politiken, die als Mischform aus fixen und flexiblen Wechselkursen zu bezeichnen sind. Zu diesen Mischformen zählen der „Crawling Peg“, das „Managed Floating“ und die Zielzone (Gärtner/Lutz, 2004, S. 297-298). Beim „Crawling Peg“ wird der Wechselkurs mit Vorankündigung in regelmässigen Abständen verändert. „Managed Floating“ bezeichnet einen im Prinzip flexiblen Wechselkurs, der jedoch von Zeit zu Zeit durch Interventionen der Notenbanken beeinflusst wird. Bei der Zielzone werden für den Wechselkurs eine untere und eine obere Bandgrenze festgelegt, die wie beim „Managed Floating“ durch Interventionen der Notenbanken eingehalten werden. Der IWF zählte Mitte 2006 den Schweizerfranken noch zu den komplett flexiblen Wechselkursen. Nach der Festlegung eines Kursziels zum Euro muss die Währungspolitik der SNB nun aber als adaptierte Form der Zielzone bezeichnet werden. Die SNB hat nur eine untere Grenze zum Euro festgelegt und verteidigt diese mittels „Managed Floating“. 6.2 Das Devisen- und Geldmarkt-Modell nach Krugman/Obstfeld Bevor das Devisen- und Geldmarkt-Modell von Paul R. Krugman6 und Maurice Obstfeld7 vorgestellt wird, gilt es eine wichtige Bemerkung zu machen. Im Kapitel 4.4 über die Mittel zur Umsetzung der Aufträge und Aufgaben der SNB werden drei Instrumente aufgeführt: 5 Zu diesen 41 Nationen gehören unter anderem auch die damals zwölf EU-Mitgliedsländer. Paul R. Krugman lehrt unter anderem in Yale, Stanford, Princeton und am MIT und ist Träger des Wirtschaftsnobelpreises (Krugman/Obstfeld, 2009, S. 916). 7 Maurice Obstfeld lehrt als Professor für Wirtschaftswissenschaften in Berkeley (Krugman/Obstfeld, 2009, S. 916). 6 26 Bachelorarbeit Stefan Reinli Veränderung des Geldangebots, Veränderung des Leitzinses und Beeinflussung des Wechselkurses. Diese drei Instrumente sind im Prinzip alle voneinander abhängig, denn mit der Erhöhung oder Senkung des Angebots an Zentralbankgeld über die Offenmarktpolitik verändert die Zentralbank die kurzfristigen Zinsen (Brunetti, 2009, S. 319). Wenn also die SNB eine Senkung der Zinsen kommuniziert, so verfolgt sie so lange eine expansive Offenmarktpolitik, bis der Leitzins das gewünschte Niveau erreicht hat. Genau umgekehrt funktioniert es bei einer Erhöhung des Leitzinses. Hier wird eine restriktive Offenmarktpolitik betrieben. Gemäss Brunetti (2009, S. 319) nutzt die SNB den Leitzins zur Kommunikation der Geldpolitik. Denn diese Grösse ist einfacher messbar und für Aussenstehende besser zu erfassen, als es die riesigen Beträge der Offenmarktpolitik wären. Eine ähnliche Aussage macht Vischer (2010, S. 109). Er sagt, dass die „Zins- und Geldmengenpolitik nur die zwei Seiten der gleichen Münze darstellen“. Da mit dieser Zins- und Geldmengenpolitik schlussendlich aktiv der Wechselkurs beeinflusst wird, kann man sagen, dass die drei Instrumente miteinander verschmelzen. Basis des Modells Basis des Modells ist das Geldmarktgleichgewicht. Dieses Gleichgewicht besteht, wenn das Geldangebot einer Zentralbank (MS) gleich gross ist wie die aggregierte Geldnachfrage (Md)8 (Krugman/Obstfeld, 2009, S. 471). Somit ergibt sich folgende Gleichung: MS = Md Um von der aggregierten Geldnachfrage zur im Modell benötigten realen aggregierten Geldnachfrage zu kommen, werden beide Seiten der Gleichung durch das Preisniveau (P) dividiert. Die reale aggregierte Geldnachfrage stellt sich nun als Funktion (L) mit den variablen Grössen Zinssatz (R) und dem realen Bruttonationaleinkommen (Y) dar. Die erweiterte Gleichung sieht folgendermassen aus: MS / P = L (R,Y) Zusätzlich ist zu erwähnen, dass das im Folgenden aufgezeigte Modell nur auf der kurzen Frist basiert. Zu diesem Zweck werden einige Parameter als gegeben betrachtet. Die Analyse in der langen Frist folgt im Anschluss an das Modell in Kapitel 6.3. Nachfolgend werden die einzelnen Parameter des Modells vorgestellt. 8 Die aggregierte Geldnachfrage ist die Gesamtgeldnachfrage aller Privathaushalte und Unternehmen einer Volkswirtschaft (Krugman/Obstfeld, 2009, S. 469). 27 Bachelorarbeit Stefan Reinli Parameter des Modells Geldangebot der SNB (MS) Das Geldangebot der SNB verändert sich mit den von ihr getätigten Käufen und Verkäufen. Eine stark vereinfachte Bilanz einer Zentralbank stellt sich nach Brunetti gemäss Abbildung 15 dar: Aktiva Passiva Gold - - Notenumlauf Inländische Wertpapiere - - Girokonten der Geschäftsbanken Ausländische Wertpapiere (Devisen) - - Reserven Andere Aktiva (Gebäude, Land, etc.) Abb. 15: Stilisierte Bilanz einer Zentralbank (Brunetti, 2009, S. 316, eigene Darstellung) Mit dem Notenumlauf und den Girokonten der Geschäftsbanken stehen die liquiden Mittel auf der Passiv-Seite, welche in der engsten Definition der Geldmenge M0 enthalten sind. Dieses sich im Umlauf befindliche Geld steht auf der Passiv-Seite, da es zur Finanzierung der auf der Aktiv-Seite stehenden Wertpapiere, Devisen und Goldbestände dient. Will die SNB die Geldmenge mittels Offenmarktpolitik erhöhen, so kauft sie auf dem Kapitalmarkt Wertpapiere, zum Beispiel Staatsobligationen. Diese Obligationen bezahlt sie mit Geld, das es noch gar nicht gibt. Sie druckt also im Prinzip neues Geld. Dieses Geld fliesst durch den Kauf in den Kapitalmarkt. So wird die im Umlauf befindliche Geldmenge erhöht, da auf der Aktiv-Seite die inländischen Wertpapiere zunehmen und auf der Passiv-Seite der Notenumlauf zunimmt (Brunetti, 2009, S. 315-316). Eine weitere Möglichkeit zur Erhöhung der sich im Umlauf befindlichen Geldmenge ist der Kauf anderer Aktiva wie zum Beispiel Gold, Devisen oder Gebäude. Somit vergrössert sich dieser Posten auf der Aktiv-Seite der Bilanz und entsprechend dehnt sich der Notenumlauf auf der Passiv-Seite um denselben Betrag aus (Brunetti, 2009, S. 317). Will die SNB die Geldmenge reduzieren, verkauft sie die Obligation an eine Geschäftsbank. Der von der Geschäftsbank bezahlte Betrag fliesst nun wieder aus dem Kapitalmarkt (Brunetti, 2009, S. 316). Auch die anderen Aktiva kann sie veräussern, womit sich der Notenumlauf auf der Passiv-Seite wieder reduziert (Brunetti, 2009, S. 317). Bei Transaktionen mit ausländischen Vermögenswerten besteht die Möglichkeit, diese mit entgegengesetzten Transaktionen zu neutralisieren. Wenn also die SNB ausländische Vermögenswerte verkauft, senkt sie die Geldmenge. Um die Geldmengenveränderung aufzuheben, muss sie gleichzeitig inländische Vermögenswerte kaufen (Krugman/Obstfeld, 2009, S. 605). Dieser Vorgang nennt sich Sterilisieren. 28 Bachelorarbeit Stefan Reinli Das gesamte Geldangebot der SNB ist gemäss oben aufgeführter Bilanz also die Summe aus dem Notenumlauf und den Girokonten der Geschäftsbanken (Brunetti, 2009, S. 316). An dieser Stelle darf der Geldschöpfungsmultiplikator nicht ausser Acht gelassen werden. Dieser besagt, dass das von der Nationalbank ausgegebene Geld im Bankensystem vervielfacht wird (Brunetti, 2009, 312). Erhält eine Geschäftsbank beispielsweise von der SNB einen Kredit über eine Million Franken, so muss die Geschäftsbank nur die Mindestreserve halten. Den Rest des Kredits kann sie weitervergeben an eine weitere Geschäftsbank oder an einen privaten oder institutionellen Abnehmer. Tätigt beispielsweise eine Firma einen Kauf eines Investitionsgutes mit dem von der Bank erhaltenen Kredit, so überweist sie dem Verkäufer des Gutes den fälligen Betrag. Dieser wiederum bringt den Verkaufserlös zur Bank und erhöht so weiter die Geldsumme. Angenommen, der Mindestreservesatz ist 10%, dann beträgt der Geldschöpfungsmultiplikator 10. Aus der anfänglichen Million können also maximal 10 Millionen Franken werden. Basis der Geldschöpfung ist aber nach wie vor der von der SNB zur Verfügung gestellte Betrag. Somit ist auch die gesamte neugeschaffene Geldmenge von den Aktionen der SNB abhängig (Brunetti, 2009, S. 313). Preisniveau (P) Das Preisniveau einer Volkswirtschaft wird definiert durch einen repräsentativen Warenkorb von Gütern und Dienstleistungen in der jeweiligen Landeswährung. Mit dem Vergleich von Warenkörben aus verschiedenen Ländern kann der Preisniveau-Unterschied dieser Länder berechnet werden (Krugman/Obstfeld, 2009, S. 469). In der kurzfristigen Betrachtungsweise des Modells wird das Preisniveau als gegeben betrachtet, da es nicht von monetären Veränderungen betroffen ist (Krugman/Obstfeld, 2009, S. 471). Zinssatz (R) Die Geldnachfrage ist eng mit dem Zinssatz verknüpft. Steigt der Zinssatz, sinkt die aggregierte Geldnachfrage, denn eine Zinssatzerhöhung steigert gemäss Krugman/Obstfeld die Rendite auf weniger liquiden Vermögenswerten im Verhältnis zur Rendite auf Geld (2009, S. 468). Der Zinssatz als Resultat der Geldmengenveränderung wird später im Modell ersichtlich. Reales Bruttonationaleinkommen (Y) Das reale Bruttonationaleinkommen setzt sich hauptsächlich aus den Einkommen der Produktionsfaktoren eines Landes zusammen, egal ob sich die Produktion im Inland oder im 29 Bachelorarbeit Stefan Reinli Ausland befindet (Krugman/Obstfeld, 2009, S. 392). Dazu kommen Abschreibungen sowie Produktions- und Importabgaben abzüglich Subventionen. Bei gegebenem Preisniveau hebt ein gesteigertes reales Bruttonationaleinkommen die Geldnachfrage, da mehr Güter und Dienstleistungen verkauft werden. Auch das reale Bruttonationaleinkommen wird kurzfristig als gegeben betrachtet, da es nicht von monetären Veränderungen betroffen ist. Das Geldmarkt-Modell Der Geldmarkt stellt die untere Hälfte des kompletten Devisen- und Geldmarkt-Modells dar. Wie in Abbildung 16 ersichtlich werden der Zinssatz (R) und die reale Kassenhaltung (M/P) einander gegenübergestellt: Zinssatz R 2 R 1 R 3 Reales Geldangebot 2 1 3 L (R,Y) 2 M P Abb. 16: 1 3 M P M P Reale Kassenhaltung Geldmarkt als untere Hälfte des Devisen- und Geldmarkt-Modells (Krugman/Obstfeld, 2009, S. 472, eigene Darstellung) In dieser Abbildung ist das reale Geldangebot durch eine senkrechte rote Linie auf der Höhe M1/P dargestellt. Diese Linie ist senkrecht, da M1 von der Zentralbank festgelegt ist und P hier als gegeben betrachtet wird. Das reale Geldangebot schneidet die rote Kurve der aggregierten realen Geldnachfrage (L) in Punkt 1. Somit befindet sich der Geldmarkt im Gleichgewicht: Die aggregierte reale Geldnachfrage ist gleich dem realen Geldangebot. Daraus ergibt sich der Gleichgewichtszinssatz R1. Weshalb sich der Zinssatz bei R1 einpendelt, zeigt das folgende Beispiel: Falls sich der Markt ursprünglich bei Punkt 2 befindet, liegt der Zinssatz R2 über R1 und die aggregierte reale Geldnachfrage bleibt hinter dem Angebot zurück (M2/P < M1/P). Dies entspricht einem Über30 Bachelorarbeit Stefan Reinli angebot an Geld. Da nun die Individuen mehr Geld halten, als sie bei einem Zinssatz von R2 möchten, werden sie versuchen, ihre Liquidität zu vermindern. Dies machen sie, indem sie einen Teil des Geldes in verzinslichen Vermögenswerten anlegen. Sie versuchen also, das überschüssige Geld an andere zu verleihen. Bei einem herrschenden Überangebot ist das aber schwierig. Aus diesem Grund wird ein zusätzlicher Anreiz geschaffen, indem die Zinsen gesenkt werden. Dies erhöht den Druck auf den Zinssatz so lange, bis dieser von R2 auf R1 gefallen ist. Das Geldangebot entspricht jetzt wieder der Geldnachfrage (Krugman/Obstfeld, 2009, S. 471-472). Genau das Umgekehrte passiert, wenn sich der Markt bei Punkt 3 befindet. Hier herrscht ein Nachfrageüberschuss (M3/P > M1/P). Die Individuen versuchen, verzinsliche Vermögenswerte zu verkaufen, um den Geldbestand zu erhöhen. Aufgrund des Nachfrageüberschusses bieten die Geldnachfragenden höhere Zinsen an, um an Liquidität zu kommen. Dies geschieht so lange, bis der Zinssatz von R3 auf R1 gestiegen ist (Krugman/Obstfeld, 2009, S. 472). Zusammenfassend kann man sagen, dass der Markt selbst immer das Gleichgewicht von realem Geldangebot und aggregierter realer Geldnachfrage anstrebt. Das Devisenmarkt-Modell Der Devisenmarkt entspricht der oberen Hälfte des Devisen- und Geldmarktmodells (Krugman/Obstfeld, 2009, S. 451). In diesem Modell wird der Wechselkurs der Rendite beziehungsweise der Verzinsung von Schweizerfranken-Einlagen gegenübergestellt. In Abbildung 17 sind die Währungen Schweizerfranken und Euro eingetragen, da diese für die Arbeit relevant sind: 31 Bachelorarbeit Stefan Reinli Wechselkurs (ECHF/EUR) FrankenRendite 1 1 E 2 2 E Erwartete Rendite auf Euroeinlagen R Abb. 17: 1 R 2 Rendite in CHF Devisenmarkt als obere Hälfte des Devisen- und Geldmarkt-Modells (Krugman/Obstfeld, 2009, S. 451, eigene Darstellung) Die Verzinsung von Schweizerfranken-Einlagen wird in Abbildung 17 als senkrechte rote Linie auf der Höhe R1 beziehungsweise R2 dargestellt. Bei der Ausgangssituation liegt in Punkt 1 der Gleichgewichts-Wechselkurs. In diesem Punkt schneidet die Linie der Rendite auf Schweizerfranken-Einlagen die erwartete Rendite auf Euroeinlagen. Der Zusammenhang zwischen erwarteter Rendite auf Euroeinlagen und dem Franken-Euro-Wechselkurs kann mit einer mathematischen Formel aufgezeigt werden, auf die hier nicht genauer eingegangen wird. Wichtig zu wissen ist, dass eine Aufwertung des Schweizerfrankens die erwartete Rendite auf Euroeinlagen steigert. Umgekehrt senkt eine Abwertung des Schweizerfrankens die erwartete Rendite auf Euroeinlagen (Krugman/Obstfeld, 2009, S. 448). Somit ergibt sich die in der Abbildung 17 schwarz eingezeichnete Kurve. Steigt nun die Verzinsung von Franken-Einlagen von R1 auf R2, folgt das WechselkursGleichgewicht der schwarzen Kurve nach unten und liegt neu im Punkt 2. Dies bewegt gleichzeitig den Wechselkurs von E1 auf E2. Somit führt also ein Anstieg der Verzinsung von Franken-Einlagen zu einer Aufwertung des Schweizerfrankens gegenüber dem Euro (Krugman/Obstfeld, 2009, S. 451). Wiederum genau das Umgekehrte passiert, wenn die Verzinsung der Franken-Einlagen sinkt. In diesem Fall bedeutet dies eine Abwertung des Schweizerfrankens gegenüber dem Euro. 32 Bachelorarbeit Stefan Reinli Das Devisen- und Geldmarktmodell Fügt man nun das Devisenmarktmodell und das Geldmarktmarktmodell zusammen, erhält man das Devisen- und Geldmarktmodell nach Krugman/Obstfeld (2009, S. 478). Zu diesem Zweck wurde die untere Hälfte des Modells, der Geldmarkt, um 90 Grad im Uhrzeigersinn gedreht. So entspricht der Zinssatz R neu der Rendite in Schweizerfranken aus dem Devisenmarkt. Abbildung 18 zeigt das komplette Devisen- und Geldmarktmodell: Wechselkurs (ECHF/EUR) FrankenRendite 2' 2 E 1' 1 E Erwartete Rendite auf Euroeinlagen 0 R 2 R 1 Rendite in CHF L (R,Y) 1 M P 1 Erhöhung der realen Geldmenge in der Schweiz 2 M P 2 Reale Kassenhaltung Abb. 18: Devisen- und Geldmarktmodell nach Krugman/Obstfeld (2009, S. 478, eigene Darstellung) Wie in der Abbildung 18 ersichtlich, zeigt sich der Devisenmarkt nun abhängig vom Geldmarkt. Eine Veränderung der realen Geldmenge im Inland wirkt sich auf die Verzinsung auf Einlagen in Inlandwährung aus, was wiederum einen Effekt auf den Wert der Inlandwährung im Vergleich zur Auslandwährung hat. 33 Bachelorarbeit 6.3 Stefan Reinli Anwendung auf die Schweiz und deren Wechselkursziel Anhand des Modells in Abbildung 18 kann nun aufgezeigt werden, wie die Schweizerische Nationalbank den Wechselkurs beeinflussen kann. Ihr Ziel ist es, keinen Wechselkurs unter CHF 1,20 zuzulassen. Somit muss sie bei jeder Aufwertung des Schweizerfrankens durch den Markt die eigene Währung wieder schwächen. Dies geschieht in erster Linie durch die Erhöhung der realen Geldmenge in der Schweiz, welche wiederum durch die Devisenmarktinterventionen wie in Kapitel 4.4 beschrieben zustande kommt. In Abbildung 18 ist das dargestellt durch die Verschiebung der horizontalen roten Linie von M1/P nach M2/P. Die Instrumente zur Erhöhung der realen Geldmenge wurden weiter oben bereits beschrieben. Durch das höhere Geldangebot an Schweizerfranken folgt das Geldmarktgleichgewicht der Kurve der aggregierten realen Geldnachfrage und verschiebt sich so von Punkt 1 zu Punkt 2. Mit dem neu geschaffenen Überangebot an Schweizerfranken wird der Zinssatz von R1 auf R2 gesenkt. Da dieser Zinssatz nun der Verzinsung von Schweizerfranken-Einlagen entspricht, verschiebt sich die vertikale rote Linie der Franken-Rendite im Devisenmarkt ebenfalls von R1 nach R2. Diese Verschiebung bewirkt wiederum, dass das Wechselkurs-Gleichgewicht von Punkt 1' der Kurve der erwarteten Rendite auf Euroeinlagen folgt und neu bei Punkt 2' landet. Als letzte Auswirkung der Geldmengenerhöhung wertet sich der Schweizerfranken gegenüber dem Euro von E1 auf E2 ab, der Kurs CHF/EUR steigt (Krugman/Obstfeld, 2009, S. 479). Mittels dieses Mechanismus kann die SNB also den Wechselkurs steuern und so Kurse von unter CHF 1,20 verhindern. Wie teuer diese Massnahme für die SNB ausfällt, ist davon abhängig, wie stark die Märkte auf einen Kurs von unter CHF 1,20 tendieren und wie sehr die SNB das Geldangebot erhöhen muss. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass eine Erhöhung der nationalen Geldmenge zu einer Abwertung des Schweizerfrankens im Devisenmarkt führt. Eine Reduzierung der nationalen Geldmenge würde umgekehrt zu einer Aufwertung des Schweizerfrankens führen. Dies gilt wie bereits zu Beginn der Modellerklärung erwähnt in der kurzen Frist und unter Annahme gewisser gegebener Parameter. Langfristige Auswirkungen der Geldmengenerhöhung Preisniveau (P) Der Geldmarkt bewegt sich wie weiter oben bereits beschrieben immer in Richtung Gleichgewicht. Gemäss Krugman/Obstfeld (2009, S. 481) gilt dies auch in der langen Frist, selbst wenn das reale Bruttonationaleinkommen nicht mehr als gegeben betrachtet wird. 34 Bachelorarbeit Stefan Reinli Um zu zeigen, welche Auswirkungen die Geldmengenerhöhung auf das Preisniveau hat, muss die Formel des Geldmarktgleichgewichtes umformuliert werden. Die neue Formel zeigt die Abhängigkeit des Preisniveaus von der Geldmengenerhöhung: P = MS / L (R,Y) Gemäss dieser Formel führt eine Erhöhung der Geldmenge eines Landes zu einem Anstieg des Preisniveaus (Krugman/Obstfeld, 2009, S. 481). Im Prinzip müssten nun die langfristigen Auswirkungen der Geldmengenerhöhung auf den Zinssatz und das reale Bruttonationaleinkommen untersucht werden, um die langfristige Veränderung des Preisniveaus bestimmen zu können. Krugman/Obstfeld vertreten aber den Standpunkt, dass eine Veränderung der Geldmenge langfristig keine Auswirkung hat auf die Zinssätze oder das reale Bruttonationaleinkommen (2009, S. 482). Sie erklären dies anhand der Währungsreform in der Türkei Anfangs 2005. Die türkische Regierung hat beschlossen, alle Lirapreise auf einen Millionstel des alten Lirawertes zu reduzieren. Einfach gesagt hat man auf der 1-Million-Lira-Note sechs Nullen gestrichen. Dieser Eingriff der türkischen Regierung hatte keinerlei Auswirkungen auf die reale Produktion, den Zinssatz oder die relativen Güterpreise. Zudem ist zu beachten, dass das Produktionsniveau, welches schlussendlich das Bruttonationaleinkommen bestimmt, durch die Ausstattung der Volkswirtschaft mit Arbeit und Kapital bestimmt wird und somit nicht von der Geldmenge abhängig ist. Somit ist nochmals festzuhalten, dass einer Erhöhung der Geldmenge einer Volkswirtschaft in der kurzen und langen Frist ein proportionaler Anstieg des Preisniveaus folgt (Krugman/Obstfeld, 2009, S. 483). Bruttonationaleinkommen (Y) Mit einem gesteigerten Preisniveau erhöht sich auch das Bruttonationaleinkommen, denn es setzt sich unter anderem aus den Einkommen der Produktionsfaktoren zusammen. Diese Einkommen sind beeinflusst durch die Höhe der Güter- und Dienstleistungspreise, welche ihrerseits durch ein erhöhtes Preisniveau steigen. Wechselkurs (E) Der Wechselkurs verhält sich in der langen Frist ähnlich wie das oben beschriebene Preisniveau. Durch die Erhöhung der Geldmenge steigen gemäss Krugman/Obstfeld (2009, S. 485) auch langfristig die Preise der Auslandwährungen, was einer Abwertung entspricht. Bei einer 35 Bachelorarbeit Stefan Reinli Senkung der Geldmenge würden die Preise der Auslandwährungen langfristig sinken, die inländische Währung würde somit aufgewertet. Inflation/Deflation Um die Begriffe Inflation und Deflation genau einordnen zu können, werden diese in den folgenden Abschnitten kurz erklärt. Eine Inflation liegt vor, wenn das Preisniveau über eine längere Zeit einen Wachstumstrend aufweist, ausgelöst durch eine laufende Geldentwertung (Brunetti, 2009, S. 276). Diese Geldentwertung kennt zwei Ursachen: Eine starke Ausweitung der Nachfrage oder ein starker Rückgang des Angebots. Die Schweizerische Nationalbank verfolgt in erster Linie die Preisstabilität und gibt sich deshalb eine Inflation von 0-2% als Ziel (SNB, 2011, S. 6). Das Gegenteil der Inflation ist die Deflation, auch negative Inflation genannt. Hierbei handelt es sich um einen konstanten Preisrückgang über eine längere Zeit. Gemäss Brunetti (2009, S. 297) können ein Nachfragerückgang oder ein Angebotserhöhung für eine Deflation verantwortlich sein, wobei nur ersteres schädlich ist. Dann nämlich wird bei jedem Preisniveau weniger nachgefragt und das reale BIP reduziert sich (Brunetti, 2009, S. 299). Eine Deflation wird als viel problematischer eingestuft als eine Inflation. Die Inflation kann mit einer restriktiven Geldpolitik bekämpft werden. Die Deflation lässt sich mit Hilfe der konventionellen Geldpolitik kaum mehr aus der Welt schaffen. Problematisch ist zudem, dass die Deflation eine selbstverstärkende Wirkung hat: Sinkende Preise lassen die Konsumenten abwarten, was sich negativ auf die Nachfrage auswirkt und somit wiederum die Preise sinken lässt (Brunetti, 2009, S. 299). Um nun die längerfristigen Auswirkungen der Geldmengenerhöhung gemäss Abbildung 18 auf die Inflation/Deflation abschätzen zu können, muss davon ausgegangen werden, dass die erhöhte Geldmenge nicht gleich wieder abgebaut wird. Zudem wird angenommen, dass es sich nicht um eine einmalige Geldmengenerhöhung handelt, sondern wie das aktuelle Beispiel der SNB zeigt um eine regelmässige Geldmengenausdehnung aufgrund immer wiederkehrenden Drucks auf das Wechselkursziel von CHF 1,20. Dieses anhaltende Geldmengenwachstum führt zu einem ständigen Anstieg des Preisniveaus, was schlussendlich einer laufenden Inflation gleichkommt (Krugman/Obstfeld, 2009, S. 509). Unternehmen und Arbeitnehmende könnten nun auf die Idee kommen, dies auszunützen. Die Firmen heben die Preise regelmässig entsprechend dem Preisniveauanstieg an, Arbeitnehmende verlangen ebenfalls im Verhältnis zum Preisniveauanstieg mehr Lohn. In der Theorie geht man davon aus, dass die Preis– beziehungsweise Lohnerhöhungen um den gleichen Faktor steigen wie die Geldmenge. Diese Entwicklung hat gemäss Krug36 Bachelorarbeit Stefan Reinli man/Obstfeld aber keinen Einfluss auf die relativen Preise von Gütern und Dienstleistungen (2009, S. 510). Den Einfluss der Inflation auf die Zinssätze beschreibt der Fisher-Effekt (Krugman/Obstfeld, 2009, S. 511). Dieser besagt, dass ein Anstieg der erwarteten Inflationsrate den Zinssatz auf Einlagen in der Inland-Währung langfristig im gleichen Verhältnis wachsen lässt. Umgekehrt resultiert aus einem Rückgang der erwarteten Inflationsrate langfristig eine Senkung der Zinsen. Der Fisher-Effekt zeigt also auf, dass rein monetäre Entwicklungen in langer Frist keinen Einfluss auf die relativen Preise der Volkswirtschaft haben. Diese Entwicklung ist auch im Devisen- und Geldmarktmodell (Abb. 18) zu beobachten. Steigt im Anschluss an die Geldmengenerhöhung von M1/P auf M2/P das Preisniveau P im Punkt M2/P, findet also eine Inflation statt, so nähert sich das Geldmarkt-Gleichgewicht entlang der Kurve der aggregierten realen Geldnachfrage wieder dem ursprünglichen Gleichgewicht in Punkt 1 und lässt somit die Zinsen von R2 in Richtung R1 steigen. Dass hier ein Paradoxon vorliegt ist offensichtlich, denn die steigenden Zinsen bedeuten gemäss dem Devisen- und Geldmarktmodell eine Aufwertung des Schweizerfrankens. Fisher9 erklärt das indem er sagt, dass sich in der langfristigen Betrachtung nur dann die Differenz zwischen inländischen und ausländischen Zinssätzen vergrössert (was laut Fischer gleichbedeutend mit einer Abwertung der inländischen Währung ist), wenn die erwartete Inlandsinflation im Verhältnis zur erwarteten Auslandsinflation steigt. Zusammengefasst lässt sich folgendes sagen: Geht man davon aus, dass der Geldmengenausdehnung eine Inflation folgen wird, so bedeutet dies längerfristig steigende Zinsen. Damit dieser Zinssteigerung aber keine Aufwertung des Schweizerfrankens folgen wird, muss die inländische Inflation gegenüber der ausländischen Inflation steigen. Daraus lassen sich nun zwei Szenarien ableiten: Szenario 1 Die Inflation in der Schweiz steigt zwar, aber nicht im Vergleich mit der Inflation im Euro-Raum. Dies ist gemäss Fisher gleichbedeutend mit einer Aufwertung des Schweizerfrankens. Die Wirkung der Geldmengenausdehnung der SNB würde also längerfristig verpuffen. Szenario 2 Die Inflation in der Schweiz steigt sowohl absolut als auch im Vergleich mit der Inflation im Euro-Raum. Somit wertet sich der Schweizerfranken auch längerfristig ab, ganz im Sinne der SNB. So oder so ist gemäss Modell aufgrund der Geldmengenerhöhung mit einer Inflation zu rechnen. Kommt es zu dieser erwarteten Inflation, wird die Schweiz mit verschiedenen Kos- 9 Irving Fisher, amerikanischer Ökonom anfangs des 20. Jahrhunderts, Begründer des Fisher-Effekts (Krugman/Obstfeld, 2009, S. 511). 37 Bachelorarbeit Stefan Reinli ten konfrontiert. Die Kosten der Inflation werden in fünf Kategorien unterteilt (Brunetti, 2009, S. 287): 1. Transaktionskosten, 2. Kosten der Unsicherheit, 3. Kosten aufgrund der Verzerrung der relativen Preise, 4. Kosten für die Kreditgeber und 5. Kosten aufgrund der kalten Progression der Steuern. Die Transaktionskosten werden auch „Schuhsolen-Kosten“ genannt (Mankiw/Taylor, 2008, S. 749). Die Leute gehen häufiger zur Bank, da sie aufgrund der Inflation ihre Kassenhaltung verringern. Selbstverständlich beschränken sich die Kosten nicht auf die abgenutzten Schuhsohlen. Es geht vielmehr um die Zeit und die Annehmlichkeiten, die für diesen Aufwand geopfert werden. Zu den Transaktionskosten gehören auch die „Speisekarten-Kosten“. Diese besagen, dass bei ständig steigenden Preisen Restaurants und auch alle anderen Anbieter von Gütern oder Dienstleistungen ihre Preislisten anpassen müssen. Dies verursacht ständige Zusatzkosten (Mankiw/Taylor, 2008, S. 751). Die Transaktionskosten sind im Vergleich zu den Kosten der Unsicherheit aber eher unbedeutend. Da Inflationsraten selten konstant sind, müssen Kreditgeber in zweifacher Hinsicht höhere Zinsen verlangen. Zum einen aufgrund der herrschenden Inflation und zum anderen aufgrund der Unsicherheit über die tatsächliche Höhe der Inflation (Brunetti, 2009, S. 288). Die Kosten aufgrund der Verzerrung der relativen Preise entstehen durch unterschiedlich schnelle Preisanpassungen. Flexible Güter wie Erdöl oder Zucker werden ständig gehandelt, so dass sich die Preise auch laufend verändern. Bei anderen Preisen, zum Beispiel von in Katalogen abgedruckten Gütern oder auch von Löhnen, kann es deutlich länger dauern, bis sie angepasst werden. Güter, deren Preise nun sehr schnell angepasst werden, werden durch das Preissignal als zu knapp bewertet, was deren Produktion steigert ohne den Konsum zu erhöhen. Diese Ineffizienz ist ein nur schwer erkennbarer Kostenfaktor der Inflation (Brunetti, 2009, S. 289). Die Kreditgeber werden durch die Inflation ebenfalls geschädigt (Brunetti, 2009, S. 289). Die einzelnen Zinszahlungen werden jeweils um die Inflation reduziert und verlieren so an Wert. Auch der Kreditbetrag selber hat bei der Rückzahlung nach einer inflationären Periode weniger Wert als bei der Vergabe. Die kalte Progression der Steuern bezeichnet das Aufrücken in eine höhere Steuerklasse aufgrund eines nur nominell höheren Einkommens (Brunetti, 2009, S. 289). Erhalten Arbeitnehmende eine Lohnerhöhung und kommen deshalb in eine höhere Steuerklasse, so haben sie bei einer progressiven Einkommenssteuer einen höheren Steuersatz zu bezahlen. Falls aber die Lohnerhöhung geringer ausfällt als die Inflation, so reduziert sich sogar der reale Lohn bei höheren Steuerausgaben. 38 Bachelorarbeit Stefan Reinli Welche dieser Kosten schlussendlich für die Schweiz anfallen, und vor allem wie hoch diese Kosten ausfallen werden, hängt von der Höhe der Inflation ab, und die ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht abzuschätzen. Wie weiter oben bereits erwähnt gelten diese Auswirkungen für eine längerfristige Geldmengenerhöhung sowie für ein stetiges Wachstum der Geldmenge, wie es bei der SNB aufgrund des Wechselkursziels momentan anzunehmen ist. Man muss aber davon ausgehen, dass die Geldmenge früher oder später – je nach konjunktureller und politischer Entwicklung im In- und Ausland – wieder reduziert wird, die SNB also ihre Bilanz wieder zu kürzen versucht. Welche Auswirkungen die Schweiz treffen und in welchem Ausmass die oben genannten Folgen ausfallen werden, hängt vom Zeitpunkt der Geldmengenreduzierung, der bis dahin angehäuften Geldmenge und der Rückzugsstrategie der SNB ab. Auch dies ist zum jetzigen Zeitpunkt kaum abschätzbar. 6.4 Auswirkung der Kommunikation der Schweizerischen Nationalbank Nebst der ganzen Theorieaufarbeitung über die Auswirkungen der geldpolitischen Massnahmen der SNB darf das Instrument der Kommunikation nicht ausser Acht gelassen werden. Brunetti (2009, S. 322) sieht in der Kommunikation einer Zentralbank eine konkrete Umsetzungsmöglichkeit eines Wechselkursziels. Indem sie ihre geldpolitischen Absichten ankündigt, wissen die Marktteilnehmer, dass die Zentralbank die Geldmenge in der Regel mit Offenmarktpositionen so ausdehnen oder verknappen wird, dass der Wechselkurs oberhalb oder unterhalb des Kursziels bleibt. Mit ihrem Statement am 6. September 2011 hat die SNB den Marktteilnehmern mitgeteilt, dass sie keinen Kurs unter CHF 1,20 dulden und diese Grenze mit allen Mitteln verteidigen wird. Wie stark alleine diese Mitteilung isoliert von effektiven geldpolitischen Massnahmen gewirkt hat, lässt sich nicht messen. Man kann die Wirkung aber abschätzen anhand der überraschend geringen Kosten, die das Wechselkursziel der SNB bis anhin verursacht hat. Diese Kosten sind unter anderem deshalb so tief, weil die Nationalbank mit eher geringem Mitteleinsatz viel bewirken kann (Krugman/Obstfeld, 2009, S. 429). Das ist auf die Tatsache zurückzuführen, dass die Marktteilnehmer das Verhalten der SNB sehr genau beobachten. Aus diesem Verhalten können sie Rückschlüsse ziehen auf die zukünftige makroökonomische Politik, welche sich wiederum auf den Wechselkurs auswirken kann. Die Konjunkturforschungsstelle (KOF) der eidgenössischen technischen Hochschule Zürich (ETH) gibt monatlich einen Monetary Policy Communicator heraus, in dem sie die Kommunikation der EZB quantitativ misst (KOF, online). Anhand der Statements der EZB in Bezug auf Risiken für die Preisstabilität erstellt die KOF einen Index und versucht, Änderungen der Hauptrefinanzierungssätze mit einem Vorlauf von zwei bis drei Monaten zu antizipieren. Ein ähnliches Messinstrument für die Kommunikation der SNB ist nicht bekannt. 39 Bachelorarbeit Stefan Reinli III Interviews, Auswertung und Schlussfolgerung 7 Die Interviews In diesem Kapitel werden als Ergänzung zur Analyse der Ereignisse rund um 1978 und der Theorie verschiedene Meinungen von Experten aufgezeigt. Zu diesem Zweck wurden Interviews mit insgesamt sechs Personen durchgeführt, die in ihrer aktuellen oder ehemaligen beruflichen Tätigkeit direkt oder indirekt mit dem Wechselkursziel der SNB oder dessen Auswirkungen konfrontiert sind. Die vollständigen Transkriptionen und Gedächtnisprotokolle sind im Anhang dieser Arbeit zu finden. Es wurden ausschliesslich leitfadengestützte Experteninterviews durchgeführt. Der Leitfaden befindet sich ebenfalls im Anhang. 7.1 Die Experten Um den nachfolgenden Aussagen und Meinungen ein Gewicht zu geben, werden die sechs Interviewpartner und deren Tätigkeiten kurz vorgestellt. Zwei der Interviewpartner möchten anonym bleiben. Christian Honegger arbeitet im Group Treasury im Bereich Structural FX der UBS AG. Zu den Hauptaufgaben dieser Abteilung zählt die Absicherung der in Fremdwährung erzielten Gewinne und Verluste der Bank. Die Abteilung wird zudem bei Investitionen in fremden Ländern oder in fremde Gesellschaften involviert, sofern ein Wechselkurs gebraucht wird. Auch das Eigenkapital der UBS, welches teilweise in Fremdwährungen ist, wird durch diese Abteilung angelegt. Mathias Zurlinden ist bei der Schweizerischen Nationalbank angestellt in der Gruppe „geldpolitische Analysen“, welche dem Bereich Volkswirtschaft angeschlossen ist. Diese Gruppe analysiert die monetären Indikatoren Zinssätze, Wechselkurse, Inflationserwartungen sowie Geld- und Kreditaggregate. Diese Analysen leisten einen Beitrag zu den Entscheidungsgrundlagen des Direktoriums der SNB. Nebenbei arbeitet Herr Zurlinden an diversen Projekten und Dokumentationen. 40 Bachelorarbeit Stefan Reinli Ein weiterer Interviewpartner ist ehemaliger Leiter des Risk Management Group Treasury der UBS. Er war zum einen verantwortlich für die Zinsrisiken, welche sich aus der Bewirtschaftung der Bankbilanz weltweit und in allen Währungen ergeben. Zum anderen war er verantwortlich für die Bewirtschaftung von Fremdwährungsrisiken, die sich aus den Aktivitäten der Bank ergeben. Werner Vontobel ist Wirtschaftsjournalist, unter anderem beim „Blick“, bei der Gewerkschaftszeitung „Work“, der „Tageswoche“ in Basel und dem „Freitag“ in Berlin. Der Leiter Finanzen einer Regionalbank hat sich ebenfalls für ein Interview zur Verfügung gestellt. Er leitet das finanzielle Rechnungswesen inklusive dem regulatorischen Reporting, das Controlling, die Tresorerie und das Risikomanagement. Ralph Peter ist Berater der Tresorerie in der Zuger Kantonalbank. Seine Aufgaben umfassen unter anderem den Devisenhandel mit FX-, Termin- und Optionsgeschäften. Zudem ist er in sämtlichen Aufgabengebieten rund um die Tresorerie tätig. Wichtig ist hervorzuheben, dass sämtliche Interviewpartner ihre persönliche Meinung Preis gaben, welche sich nicht unbedingt mit der ihres aktuellen oder ehemaligen Arbeitgebers deckt. 7.2 Aussagen und Meinungen der Experten Auf den folgenden Seiten werden zu den einzelnen Fragen des Interviews die Antworten der Experten zusammengezogen. Im Anschluss an jedes Unterkapitel werden die wichtigsten Aussagen nochmals zusammengefasst. Der Vergleich zu 1978 Nicht alle Experten konnten sich fundiert zu den Ereignissen rund um das Wechselkursziel von 1978 äussern. Einige Parallelen zu heute konnten die Interviewpartner allerdings finden. Herr Zurlinden sieht die Parallele vor allem in der massiven Überbewertung des Schweizerfrankens. Der ehemalige Leiter des Risk Management der UBS verweist auf die negativen 41 Bachelorarbeit Stefan Reinli Zinsen, die man eine Zeit lang am Geldmarkt beobachten konnte. Dies war bereits Ende der 1970er-Jahre der Fall. Die meisten Gesprächspartner betonen aber, dass die aktuelle Situation mit der von 1978 zu wenig vergleichbar ist, um irgendwelche Lehren für heute ziehen zu können. Der Hauptunterschied besteht darin, dass 1978 der Franken nur gerade an die DMark gekoppelt wurde. Heute besteht eine Anbindung an einen ganzen Korb von Ländern. Diese Länder seien viel heterogener als es damals Deutschland war, betont der ehemalige UBS-Mitarbeiter. Er sagt weiter, dass die Deutsche Bundesbank damals ebenfalls eine glaubwürdige Inflationsbekämpfungspolitik betrieb, dies sei heute bei der EZB nicht mehr so sicher. Auf die damals resultierende Inflation angesprochen meint Herr Zurlinden, dass dies von vielen Ökonomen nicht auf den Mindestkurs, sondern auf die bereits vor der Einführung des Wechselkursziels stark erhöhte Geldmenge begründet wird. Er gibt zu, dass die SNB sich damals getäuscht hätte und die Liquidität zwar ziemlich bald, aber viel zu wenig stark zurückgefahren hat. Der Wirtschaftsjournalist Werner Vontobel sieht heute eine ganz andere realwirtschaftliche Situation. Man hatte damals starke Gewerkschaften, was zu einer LohnPreis-Spirale führte, welche wiederum die Inflation antrieb. Diese Spirale existiert zwar immer noch, aber ohne steigende Löhne führt sie nicht zu Inflation. Auch der Leiter Finanzen der Regionalbank verweist auf die damalige Lohn-Preis-Spirale und meint, dass diese heute aufgrund stagnierender Löhne und sinkender Güterpreise nicht zu einer Inflation führen kann. Die Experten, welche sich zu den Ereignissen Ende der 1970er- und Anfang der 1980erJahre äusserten, sind sich zusammengefasst einig, dass zu wenige Parallelen zur heutigen Situation bestehen, um irgendwelche Lehren ziehen zu können. Das Verhalten der SNB Bei der Frage, wie die einzelnen Experten das Verhalten der Schweizerischen Nationalbank in den letzten Jahren beurteilen, gehen die Meinungen nicht sehr weit auseinander. Trotzdem ist man sich nicht in jedem Punkt einig. Herr Honegger kritisiert vor allem das erste Eingreifen der SNB bei einem Franken-Kurs von rund CHF 1,50 gegenüber dem Euro. Diese Aufwände waren zu dem Zeitpunkt unnötig, da die Aussichten nicht besonders gut waren. Seiner Meinung nach hätte die Nationalbank mit mehr Preisdruck auf dem Euro beziehungsweise mehr „Save Haven Flows“, also einer steigenden Beliebtheit des Frankens rechnen müssen. Die Massnahme des Wechselkursziels bilanziert Herr Honegger aber als sehr positiv. Sogar besser, als er erwartet hat. Den Erfolg 42 Bachelorarbeit Stefan Reinli des Wechselkursziels führt er auf die einwandfreie Kommunikation der SNB und die daraus resultierende Glaubwürdigkeit zurück. Nur dank dieser Kredibilität am Markt konnte sich die SNB durchsetzen und wurde das Kursziel bis anhin nie richtig getestet. Trotz der lobenden Worte zum Erfolg des Wechselkursziels ist sich Herr Honegger nicht sicher, ob dieser Eingriff in den freien Markt wirklich das Richtige war. Seiner Meinung nach sollten die Devisenmärkte freie Märkte bleiben, er selber hätte deshalb diesen Eingriff nicht gewagt. Herr Zurlinden betrachtet den aktuellen Zeitpunkt für eine Beurteilung des Verhaltens seines Arbeitgebers als etwas zu früh. Er fügt hinzu, dass sich die SNB in einer ausserordentlich schwierigen Situation befindet, und deshalb teilweise unkonventionelle Massnahmen treffen muss. In den Augen des ehemaligen UBS-Mitarbeiters hat die Nationalbank eine sehr gute Politik gemacht. Er verweist vor allem auf die aktive und glaubwürdige Kommunikation, welche das Wechselkursziel erst möglich macht. Auch auf der Zinsseite, so betont er, hat die SNB alles richtig gemacht. Der Wirtschaftsjournalist Werner Vontobel betrachtet den Zeitpunkt des Eingreifens seitens der Nationalbank als zu spät und bringt einen nationalen Fonds zur Sprache, welcher vor dem Wechselkursziel eventuell ein geeignetes Instrument zur Schwächung des Frankens gewesen wäre. Bei ihm hat die SNB sonst aber einen sehr guten Eindruck hinterlassen, besonders aufgrund der sachlichen und guten Kommunikation. Zur Kommunikation ist ein konsequentes Handeln notwendig. Das hat die Nationalbank auch gemacht, konstatiert Herr Vontobel. Herr Peter von der Zuger Kantonalbank sieht das Mindestkursziel als einen guten Schritt und ist überzeugt, dass die Einführung des Kursziels mit dem Informationsstand, den man letzten Herbst hatte, die richtige Entscheidung war. Der Leiter der Finanzabteilung einer Regionalbank sagt über sich selbst, dass er nicht besonders risikofreudig ist und deshalb den Schritt der Nationalbank hin zum Wechselkursziel eher kritisch betrachtet. Trotzdem muss er hinzufügen, dass nichts zu machen an dieser Stelle keine Option gewesen wäre. Auch er ist überzeugt, dass man mit dem Informationsstand, den man hatte, die beste Entscheidung traf. Die Kopplung des Frankens an den Euro „auf Gedeih und Verderb“ ist eine riskante Verzweiflungstat und ein Experiment, dessen Auswirkungen man nicht kennt. Der taktische Erfolg ist offensichtlich. Ob es längerfristig in strategischer Hinsicht der richtige Weg ist, kann er nicht abschätzen. Den kurzfristigen Erfolg sieht er vor allem in der Stützung der Exportindustrie und der gesamten Konjunktur. Der Leiter Finanzen betont, dass das Kursziel bis anhin mit überraschend bescheidenem Mitteleinsatz verteidigt werden konnte und gibt zu, dass er zu Beginn des Mindestkurses mit einer massiveren Flut von Euro in die Schweiz rechnete. Zudem verweist auch er auf die professionelle Kommunikation der SNB und spürt, dass hinter der Kommunikation Substanz ist. 43 Bachelorarbeit Stefan Reinli Fasst man diese Aussagen zum Verhalten der Schweizerischen Nationalbank zusammen, stellt man fest, dass nicht alle restlos überzeugt sind vom Eingriff in Form eines Wechselkursziels. Der Erfolg gibt der SNB aber recht. Zudem betonen fast alle Experten, wie wichtig die Kommunikation ist und wie gut die Nationalbank diese Aufgabe bis anhin gemeistert hat. Die Kommunikation als Instrument nutzen Nachdem fast alle Interviewpartner die Kommunikation der SNB und deren Glaubwürdigkeit betonten, ist es nun interessant zu erfahren, ob die Nationalbank ausschliesslich mittels Kommunikation den Wechselkurs steuern könnte. Nachfolgend sind einige Aussagen dazu aufgeführt. Herr Zurlinden von der SNB sagt dazu, dass die blosse Ankündigung eines Mindestkurses aufgrund der Glaubwürdigkeit der Nationalbank sofort Wirkung zeigt. Denn die Märkte wissen, dass die SNB mit unlimitierten Devisenkäufen den Mindestkurs verteidigen kann. Wenn die Märkte aber daran zweifeln, dass eine Zentralbank ihre Drohungen wahrmacht, werden sie eine spekulative Attacke lancieren. Eine allein auf Worte abgestellte Politik ist deshalb auf Dauer kaum möglich. Der ehemalige Leiter des UBS-Risk Managements meint, dass im Devisen- und Interbankenhandel sehr viel über Psychologie und Erwartungen läuft. Deshalb ist die Kommunikation auch ein derart starkes Instrument der SNB. Allerdings betrachtet er die Möglichkeiten dieses Instruments momentan als ausgeschöpft, weshalb eine Kursveränderung alleine mittels Kommunikation zurzeit nicht in Frage kommt. Auch Herr Honegger glaubt nicht, dass in Zukunft die Kommunikation stärker eingesetzt wird und dadurch die effektiven Interventionen an Bedeutung verlieren. Eine andere Meinung vertritt der Finanzleiter der Regionalbank. Er glaubt durchaus, dass eine Erhöhung des Kursziels von CHF 1,20 auf beispielsweise CHF 1,25 nur durch gezielte Kommunikation möglich wäre. Allerdings sei das momentan in den Hintergrund gerückt aufgrund der verschärften Situation im Euro-Raum und den Wirren um die Leitung der Nationalbank. Die Meinungen gehen hier klar auseinander. Falls eine derartige Beeinflussung des Kursziels möglich wäre beziehungsweise möglich gewesen wäre, dann wohl am ehesten zu Beginn des Wechselkursziels. 44 Bachelorarbeit Stefan Reinli Auswirkungen des Wechselkursziels auf die privaten Haushalte Um die Folgen des Wechselkursziels abschätzen zu können, wurde den Experten die Frage gestellt, welche Auswirkungen auf die verschiedenen Wirtschaftssubjekte private Haushalte, Banken, Unternehmen, SNB und den Staat bereits jetzt erkennbar sind. Zuerst folgen die Antworten zu den privaten Haushalten. Herr Peter sieht dank den günstigen Wechselkursen natürlich günstige Auslandeinkäufe sowie Ferien im Ausland. Dieser Vorteil ist nach dem Kursziel zwar kleiner, aber immer noch vorhanden. Da der Schweizerfranken nicht direkt zum Euro, sondern via Dollar an den Euro gekoppelt ist, nimmt das Kursziel den privaten Haushalten die Opportunität bei DollarProdukten wie zum Beispiel Öl. Zudem wäre ohne den Mindestkurs die Deflation in der Schweiz wesentlich grösser. Darunter würde der Arbeitsmarkt und somit unter anderem die privaten Haushalte leiden. Er erwähnt zudem die Gewinnverteilung der SNB an die Kantone. Falls diese Gewinne kleiner ausfallen, sind die Kantone zum Sparen gezwungen. Gleichzeitig würden sie wohl die Steuern erhöhen, was wiederum die privaten Haushalte trifft. Der ehemalige UBS-Mitarbeiter sieht vor allem eine Abwanderung des Konsums ins Ausland. Für Herrn Zurlinden von der SNB wären heute ohne Wechselkursziel die Arbeitslosigkeit viel höher und die Einkommens- und Beschäftigungsaussichten schlechter. Anhand von Umfragen sei zu erkennen, dass die Stimmung in den privaten Haushalten besser geworden ist. Er sagt weiter, dass der Mindestkurs keinen direkten Einfluss auf das Zinsniveau hat und somit die Mieten unverändert sind. Herr Vontobel bemerkt ebenfalls, dass sich das Kursziel positiv auf die Arbeitsplatzsicherung auswirkt. Somit sei vor allem die Einnahmenseite der privaten Haushalte positiv betroffen, die Einbussen auf der Ausgabenseite fallen demgegenüber nicht stark ins Gewicht. Herr Honegger von der UBS sieht im Gegensatz zu Herrn Zurlinden die tiefen Zinsen in direktem Zusammenhang mit dem Wechselkursziel. Durch dieses Zinsumfeld können sich die Leute günstig finanzieren, insbesondere bei Hypotheken. Zusammengefasst profitieren die privaten Haushalte trotz des Wechselkursziels nach wie vor von günstigen Auslandeinkäufen. Mehrmals erwähnt wurde der Arbeitsmarkt, wobei ohne Kursziel mit deutlich ungünstigeren Beschäftigungsaussichten zu rechnen wäre. Zu all diesen Aussagen wurde von den meisten Experten noch das ganze Rentensystem angesprochen, welches zurzeit sehr schwierig zu finanzieren ist. Diese Thematik wird zusammen mit dem Leitzinsniveau weiter unten erfasst. 45 Bachelorarbeit Stefan Reinli Auswirkungen des Wechselkursziels auf die Banken Es stellt sich die Frage, welche Folgen das Kursziel für die Banken hat. Die nachfolgenden Statements sollen einen Überblick geben. Fast einstimmig erwähnen die befragten Interviewpartner, dass aufgrund der tiefen Zinsen eine Margenerosion zu sehen ist. Dies bewegt die Banken zu mehr Fristentransformationsund Zinstransformationsrisiken, was gemäss dem ehemaligen Leiter des UBS-Risk Managements bereits seit 2010 zu beobachten ist. Er meint, für die Banken stelle sich generell die Frage, wie die kurzfristigen Kundengelder noch gewinnbringend bewirtschaftet werden können. Da zudem die Wechselkurse mit dem Kursziel abschätzbar sind, haben die Unternehmer weniger den Drang, ihre Geschäfte abzusichern. Somit fällt ein Teil der Umsätze der Banken weg, wie Herr Peter das erklärt. Herr Zurlinden geht etwas weiter und meint, dass ohne das Kursziel die Zahl der Kreditausfälle gestiegen wäre. Die Verhinderung dieses Effekts ist eine positive Auswirkung des Kursziels. Für den Leiter Finanzen der Regionalbank haben sich zwei Probleme akzentuiert: Zum einen hat sich der Anlagenotstand noch mehr verschärft. Es ist also noch schwieriger geworden, das der Bank anvertraute Geld anzulegen. Zum anderen musste er ein teures Projekt starten, um mögliche künftige Negativzinsen abwickeln zu können, falls die Nationalbank diesen Schritt wagen würde. Man ist sich hier also grösstenteils einig, dass den Banken Erträge aufgrund der rückläufigen Absicherungsgeschäfte und der durch die tiefen Zinsen ausgelösten Margenerosion entgehen. Zudem müssen sich wohl sämtliche Banken, nicht nur die eine Regionalbank, mit Investitionen auf mögliche künftige Gegebenheiten vorbereiten. Auswirkungen des Wechselkursziels auf die Unternehmen Was die befragen Experten für eine Meinung zu den Auswirkungen auf die Unternehmen haben, zeigen die folgenden Aussagen. Wie bereits bei den Auswirkungen für Banken beschrieben, sind WechselkursAbsicherungen nur noch in viel kleinerem Masse nötig. Zudem ist die ganze Planung und Budgetierung einfacher geworden, fasst Herr Peter zusammen. Die Reaktion auf das Wechselkursziel ist aber natürlich branchenabhängig. Die Importbranche könnte ohne das Kursziel dank des stärkeren Schweizerfrankens noch mehr profitieren. 46 Bachelorarbeit Stefan Reinli Aus Sicht von Mathias Zurlinden profitieren natürlich vor allem die Exporteure vom Wechselkursziel. Indirekt haben aber fast alle Teile der Wirtschaft profitiert, da ohne Mindestkurs neben der Beschäftigung auch die Produktion leiden würde. Unter den generell tiefen Kursen leidet laut dem ehemaligen UBS-Mitarbeiter vor allem der Export. Die Unternehmen müssen sich fragen, wie man die Kosten in der Schweiz reduzieren beziehungsweise ins Ausland verlagern kann. All dies relativiert sich etwas unter dem Wechselkursziel. Zudem ist er überrascht, dass bis jetzt nicht mehr Arbeitsplätze ins Ausland verlagert wurden. Auch der Wirtschaftsjournalist Werner Vontobel sieht dank des Kursziels für die Unternehmen eine bessere Berechenbarkeit der Austauschkurse. Zudem erhöht sich die internationale Wettbewerbsfähigkeit. Herr Honegger rät den Unternehmen, die Kostenstruktur längerfristig anzupassen, um notfalls auch bei einer Kursparität des Frankens zum Euro noch überleben zu können. Ansonsten sieht er die Vorteile des Wechselkursziels ebenfalls in der vereinfachten Budgetierung. Die Experten sind sich einig, die Planung und Budgetierung ist wesentlich einfacher geworden. Zudem verringern sich die Kosten für Währungsabsicherungen. Auswirkungen des Wechselkursziels auf die SNB Die folgenden Antworten sollen darüber Aufschluss geben, ob sich auch für die Schweizerische Nationalbank selbst Folgen des Kursziels abzeichnen. Je nach Entwicklung der Krise könnten auf die SNB noch grössere Kosten zukommen, was gleichbedeutend wäre mit sinkenden Gewinnen, konstatiert Herr Peter. Er meint, dass die SNB zum Ausgleich dieser Aufwände viel Gold in der Bilanz hat. Das geht aber nur solange gut, wie der Kurs stabil bleibt. Der ehemalige leitende Angestellte der UBS sieht bei der SNB als Folge des Kursziels eine Bilanzsummenausweitung. Teilweise gab es sogar negatives Eigenkapital, so stellt sich längerfristig die Frage der Stabilität der Nationalbank. Christian Honegger sieht ebenfalls ein Ungleichgewicht in der Bilanz der SNB, hauptsächlich aufgrund der massiv gestiegenen Investments in Devisen. Er meint, dass die SNB nun auch im Vergleich zum internationalen Standard überproportional in Fremdwährungen investiert ist. Dadurch haben auch kurzfristige Wechselkursschwankungen einen grossen Einfluss auf die Bilanz. Somit wird die Wahrscheinlichkeit für beträchtliche Verluste grösser, falls weiterhin Druck auf den Franken ausgeübt wird. 47 Bachelorarbeit Stefan Reinli Eine Verbesserung der Seigniorage sieht Herr Vontobel als Folge der Bilanzsummenausweitung. In diesem Punkt rechnet er also mit einem positiven Ergebnis für die SNB. Die Aussagen decken sich hier nicht unbedingt, die Folgen werden aber grösstenteils als negativ eingeschätzt. Die längerfristige Stabilität der SNB wird in Frage gestellt und man rechnet mit weiteren grösseren Verlusten beziehungsweise volatileren Ergebnissen. Auswirkungen des Wechselkursziels auf den Staat Als letztes Wirtschaftssubjekt werden hier noch die Folgen des Kursziels auf den Staat eruiert. Wie bereits weiter oben erwähnt, sieht Ralph Peter von der Zuger Kantonalbank mögliche sinkende Einnahmen der Kantone aufgrund ausbleibender Gewinne der SNB. Herr Zurlinden von der SNB betrachtet das Ganze von der anderen Seite. Hätte die Nationalbank das Kursziel nicht eingeführt, so wären im Falle einer Rezession die Steuereinnahmen gesunken. Ein Rückgang von Steuererträgen aufgrund sinkender Gewinne der Unternehmen konnte durch das Kursziel reduziert werden, so der ehemalige Leiter Risk Management der UBS. Allerdings hat der Staat schon Konjunkturförderungsmassnahmen vorgenommen. Zudem wurden Hunderte von Millionen Franken an Investitionen vorgezogen und Zahlungen für Teilzeitarbeitslose wurden verlängert. Somit hat der Staat deutlich höhere Kosten bei tieferen Einnahmen. Herr Vontobel konstatiert kurz, dass sich die tiefen Zinsen insgesamt positiv auf den Schuldendienst des Staates auswirken. Der Leiter der Finanzabteilung einer Regionalbank sieht im Wechselkursziel eine kurzfristige Lösung für viele Probleme des Staates, zum Beispiel für die Exportwirtschaft und die Arbeitslosigkeit. Er schlägt zudem vor, zum jetzigen Zeitpunkt anstatt in europäische Staatspapiere in inländische Projekte zu investieren. Man könnte zum Beispiel teure Infrastrukturprojekte durch europäische Unternehmen durchführen lassen und so vom aktuellen Kurs profitieren. Seiner Meinung nach müsste der Staat diese Handlungsoptionen jetzt wahrnehmen. Durch die Kosten des Wechselkursziels sinken die Gewinne der Nationalbank und somit auch ein Teil der Mittelzuflüsse des Staates. Der Staat hat zudem diverse andere Kosten, die sich durch die aktuelle Krise akzentuieren. Auf der anderen Seite verhindert das Kursziel eine noch kritischere Gesamtsituation in der Schweiz, was dem Staat nur zugutekommen kann. 48 Bachelorarbeit Stefan Reinli Eine Veränderung des Wechselkursziels Nachdem sich die Experten zu den Folgen des Wechselkursziels auf die verschiedenen Wirtschaftssubjekte geäussert haben ist es interessant zu erfahren, was die Interviewpartner zu einer möglichen Anpassung des Kursziels sagen. Herr Peter von der Zuger Kantonalbank erwartet momentan keine Anpassung des Kursziels, weder nach oben noch nach unten. Eine Verschiebung der Untergrenze nach oben sieht er höchstens, wenn sich deutliche deflationäre Tendenzen zeigen oder wenn die Wirtschaft nochmals massiv unter Druck gerät. Er erklärt zudem, dass die Zeit für die SNB läuft. Aufgrund der deutlich höheren Inflation im Euro-Raum gegenüber der Schweiz sinkt die Kaufkraftparität stetig. Das heisst, die Differenz vom aktuellen Kurs von CHF 1,20 zur Kaufkraftparität – die schätzt Herr Peter Mitte Mai 2012 bei einem Kurs von rund CHF 1,35 – wird immer kleiner. Setzt sich das fort, erübrigt sich der Mindestkurs früher oder später. Eine Veränderung des Kursziels nach unten kommt für ihn erst recht nicht in Frage. Dies würde der Glaubwürdigkeit schaden, was zu einer Verunsicherung auf den Märkten führen würde. Zusammengefasst sieht er die Chance auf eine baldige Veränderung des Kursziels nahe bei null, da die Wirtschaftsdaten nicht rosig, aber auch nicht katastrophal sind. Herr Zurlinden von der SNB lässt sich wie erwartet nicht zu einer genauen Aussage zu diesem Thema verleiten. Er verweist auf die Tatsache, dass das Instrument Wechselkursziel für Extremsituationen und nicht zur Feinsteuerung des Kurses gedacht ist. Das Kursziel ist irgendwo zwischen dem im August 2011 registrierten Kurs und dem geschätzten Gleichgewichtskurs festgelegt, um die negativen Folgen des noch immer stark überbewerteten Frankens zu mildern. Der ehemalige UBS-Mitarbeiter schätzt die Chancen auf eine Erhöhung des Kursziels aufgrund der ausbleibenden wirtschaftlichen Erholung in Europa als sehr klein ein. Da die Spannungen besonders in den südeuropäischen Ländern anhalten, wird der Druck auf den Schweizerfranken nach wie vor gross bleiben. Auch er rechnet vor, dass die Kaufkraftparität aufgrund der höheren Inflation im Euro-Raum stetig sinkt und der Kurs von CHF 1,20 schon heute nicht mehr so falsch ist wie noch zum Zeitpunkt der Einführung des Kursziels. Für ihn kommt eine tiefere Ansetzung des Kursziels nicht in Frage, solange keine grossen Kunden aggressive Attacken gegen die SNB reiten. Christian Honegger rechnet damit, dass früher oder später mehr Druck auf den Kurs kommen wird und die SNB deshalb vom aktuellen Mindestkurs abweichen muss. Er spricht davon, dass man das Ziel auflösen oder tiefer ansetzen wird. Besonders die Rolle des Frankens als sicherer Hafen wird seiner Meinung nach nochmals verstärkt zum Tragen kommen. Eine Korrektur des Zielkurses nach oben für ihn somit ausgeschlossen. 49 Bachelorarbeit Stefan Reinli Herr Vontobel fasst kurz zusammen, dass der Kurs von CHF 1,20 aus rein volkswirtschaftlicher Sicht zu hoch ist, aus betriebswirtschaftlicher Sicht ein Kurs von CHF 1,30 aber natürlich angenehmer wäre. Mit einem Leistungsbilanzüberschuss von 14% des BIP betrachtet er die Schweiz mit den Wechselkursen, die wir haben und hatten, als durchaus wettbewerbsfähig. Bei einem Kursziel von deutlich über CHF 1,20 befürchtet Herr Vontobel Retorsionsmassnahmen. So könnten Schweizer Produkte plötzlich mit einem gewissen Zoll belegt werden, oder man bezeichnet Produktionsanlagen in der Schweiz als nicht mehr den Standards entsprechend. Dies wurde von den USA teilweise bereits gemacht. Generell fügt der Wirtschaftsjournalist an, dass die Wechselkurse international geregelt werden und so unter Kontrolle gebracht werden sollten. Er verweist auf die Louvre- und Plaza-Abkommen Mitte der 1980er-Jahre und das es an der neutralen Schweiz mit wichtigem Finanzplatz ist, dies in die Hand zu nehmen. Für den Leiter Finanzen der Regionalbank stellt sich die Frage, ob die SNB die Untergrenze immer noch verteidigen kann, wenn sich die Krise in Europa noch verschärft. Seiner Meinung nach könnte das Kursziel auch an einer anderen Stelle sein, zum Beispiel bei CHF 1,25. An der Ausgangslage der Nationalbank würde das seiner Meinung nach nicht viel ändern. Auch er fügt die Rechnung an, dass man aufgrund der Inflationsdifferenz zum EuroRaum früher oder später sowieso bei CHF 1,20 landen würde. Der Finanzleiter sieht es als realistisch, dass nochmals massive Zuflüsse in den Schweizerfranken stattfinden, falls rund um den Euro alles zusammenbricht. Somit würde das Kursziel nochmals massiv getestet. Bei der Befragung zu diesem Thema sticht vor allem die Antwort heraus, dass sich aufgrund der Differenz der ausländischen zur inländischen Inflation der Franken laufend abwertet und so ein Gleichgewichtskurs von CHF 1,20 zum Euro früher oder später sowieso Tatsache wird. Eine Veränderung des Kursziels nach oben scheint in den Augen der Befragten eher unrealistisch, Herr Honegger tendiert als einziger stark in Richtung eines tiefer angesetzten Kursziels, Herr Peter warnt bei einem tieferen Kursziel vor dem Verlust der Glaubwürdigkeit der SNB. Eine Erhöhung des Kursziels könnte wirtschaftspolitische Folgen haben für die Schweiz, so die Meinung von Herrn Vontobel. Zudem sind sich die meisten Experten einig, dass der Druck auf den Franken nach wie vor hoch bleibt. Das Ende des Wechselkursziels Die Experten wurden gefragt, wie sie ein mögliches Ende des Kursziels der SNB sehen. Es stellt sich die Frage, ob die SNB dies aktiv verkünden wird oder das Kursziel einfach an Bedeutung verliert. Die folgenden Antworten geben Aufschluss darüber. 50 Bachelorarbeit Stefan Reinli Viele Interviewpartner gehen wie im vorherigen Kapitel bereits beschrieben davon aus, dass der Franken aufgrund der Inflationsdifferenz zum Ausland an Attraktivität verliert. Mathias Zurlinden skizziert den Idealfall für das Ende des Wechselkursziels: Falls die Gründe für die Flucht in den Schweizerfranken nachlassen, hätte dies einen schwächeren Franken zur Folge und der Wechselkurs würde steigen. Gleichzeitig müsste die Nationalbank die Liquidität wieder abbauen, dafür stehen verschiedene Instrumente wie Devisenverkäufe, SNB-Bills, Repo- und Swapgeschäfte zur Verfügung. Wichtig ist hier vor allem die rechtzeitige Abschöpfung der Liquidität, da ansonsten die Inflationsgefahr gross wäre. Der ehemalige Leiter des UBS-Risk Managements sieht die Sache pessimistisch und geht nicht von einer baldigen Erholung der internationalen Konjunktur aus. Somit rechnet er längerfristig mit dem Wechselkursziel und für die Nationalbank sieht er momentan keine Chance, von diesem Kursziel wieder wegzukommen. Auch für Herrn Honegger ist das einzige mögliche Ende des Kursziels eine Erholung der internationalen Märkte. Als realistisch betrachtet er das aber momentan nicht. Würde die SNB jetzt vom Kursziel absehen, möglicherweise aufgrund der sehr teuren Kursverteidigung, sähe Herr Honegger eine Stabilisierung des Franken-Euro-Kurses bei der Parität. Auch für ihn sieht die Wunschvorstellung so aus, dass wieder vermehrt Kapital in den Euro-Raum fliesst, zum Beispiel weil die SNB die Zinsen erhöht. Mit diesem Szenario wäre aus Sicht von Herrn Honegger das Kursziel hinfällig. Werner Vontobel würde einen Zielkorridor für den Franken-Euro-Kurs einrichten mit einer Ober- und einer Untergrenze, wobei die Grenzen dann allmählich erweitert werden. So könnte die SNB seiner Meinung nach längerfristig vom Kursziel absehen. Oder aber man bindet den Wechselkurs an ein neues Plaza-Abkommen, wie das bereits weiter oben erwähnt wurde. Ein derartiges Abkommen ist momentan aber schwierig, da gerade China auch mitmachen müsste. Dies ist für Herrn Vontobel zum jetzigen Zeitpunkt eher unrealistisch. Alles in allem sieht er aber in absehbarer Frist keine Möglichkeit für einen völlig freien Wechselkurs, da das aktuell einfach zu riskant wäre. Der Leiter Finanzen der Regionalbank sagt, dass der Schweizerfranken an dem Tag explodiert, an dem die SNB das Kursziel aufgibt. Der Euro würde ins Bodenlose fallen, da eine Flut an angestautem Geld kommt. Die daraus entstehende Volatilität wäre sehr schädlich für unsere Wirtschaft. Deshalb rechnet er eher mit einer stufenweisen Freigabe des Kursziels, das ist aber zum jetzigen Zeitpunkt noch kein Thema. Würde die Schweiz schlimmstenfalls in eine schwere Rezession geraten, würden ausländische Investoren bemerken, dass es der Schweiz noch viel schlechter geht als dem Ausland. So könnte der Kurs steigen. Aber das ist das schlimmste mögliche Szenario. 51 Bachelorarbeit Stefan Reinli Ein Ausstieg aus dem Wechselkursziel ist für viele Experten momentan nicht möglich. Es zeichnet sich wohl eher ab, dass die SNB längerfristig darin gefangen ist und auf die stetige Abwertung des Frankens hoffen muss. Wichtig wird sein, dass bei einer möglichen Abwertung des Schweizerfrankens die überschüssige Liquidität schnell abgebaut wird, da sich ansonsten eine Inflation zeigen könnte. Eine stufenweise Aufhebung des Kursziels wurde erwähnt, auch das Einrichten eines Zielkorridors für den Wechselkurs oder ein internationales Abkommen ist eine mögliche Lösung. Negativzinsen als weitere Massnahme der SNB Von diversen Experten wurde während der Interviews das Thema Negativzinsen angesprochen. Hier sind die wichtigsten Aussagen dazu. Ralph Peter schliesst nicht ganz aus, dass Negativzinsen als weiteres Instrument zur Schwächung des Schweizerfrankens eingesetzt würden, auch wenn Herr Jordan von der SNB dies immer wieder verneint. Möglicherweise würden nicht direkt negative Zinsen eingeführt, sondern wohl eher Commissions, welche nur für ausländische Banken und nicht für inländische Sparer gelten. Auch der ehemalige UBS-Mitarbeiter bezeichnet die Negativzinsen als letzten Ausweg der SNB als nicht ganz ausgeschlossen. Die Konsequenz daraus wäre, dass die Sparer ihre Gelder bei der Bank abziehen, was sich wiederum sehr schlecht auf die Geschäfte der Banken auswirken würde. Der Finanzleiter der Regionalbank meint, es könnte der Tag kommen, an dem die SNB gezwungen sein wird, Negativzinsen einzuführen, wenn sie die Grenze weiter verteidigen will. Diese Massnahme würde nur dann ergriffen, wenn sie nur mit Geld drucken nicht mehr Herr der Euro-Flut wird. Eine Bank kann aber kein Interesse daran haben, Negativzinsen auf Gelder zu akzeptieren, die sie anlegt. Zudem würden die Sparer ihr Geld vom Konto nehmen und möglicherweise in einen Safe legen. Solange die Safemiete günstiger ist als die Negativzinsen, würde das sicher gemacht. Die Bank müsste daraufhin mit grossem logistischem Aufwand diese Bargeldbestände bewirtschaften, was wiederum mit hohen Kosten verbunden wäre. Die Einführung von Negativzinsen scheint also gemäss Aussage dieser drei Experten nicht ganz ausgeschlossen. Es ist davon abhängig, wie sich die Situation im Euro-Raum und der Geldfluss in die Schweiz entwickeln. Die Folgen dieser Negativzinsen würden unter anderem auch die privaten Sparer treffen. 52 Bachelorarbeit Stefan Reinli Inflation und Deflation Wie bereits in der Theorie zu erkennen ist, spielen die Inflation beziehungsweise die Deflation eine tragende Rolle rund um die Thematik Wechselkursziel. Die zentralen Aussagen sind im folgenden Abschnitt zusammengefasst. Herr Peter sagt, dass die Deflation in der Schweiz ohne das Kursziel wesentlich grösser wäre. Darunter würde schlussendlich der Arbeitsmarkt leiden. Die Geldmenge ist zwar gestiegen, landete aber nur teilweise in der Realwirtschaft. Da das meiste Geld noch bei der SNB liegt, hat es keinen Einfluss auf die Inflation. Mathias Zurlinden von der SNB stellt ebenfalls fest, dass die Ausdehnung des Geldangebots als Reaktion auf die Ausdehnung der Geldnachfrage alleine noch keine Inflation ergibt. Erst wenn die Geldmenge nicht rechtzeitig zurückgezogen würde, müsste man mit einer erhöhten Inflationsgefahr rechnen. Auch ein Vertrauensverlust in die Geldpolitik der SNB würde die Wahrscheinlichkeit einer Inflation steigern. Falls es letztendlich doch zu einer Inflation kommen sollte, würden beispielsweise diejenigen verlieren, welche in Obligationen investiert sind und die Obligationsschuldner würden gewinnen. Ausserdem wäre die Wiederherstellung der Preisstabilität in der Regel mit temporären Produktions- und Beschäftigungsverlusten verbunden. Für eine Deflation bräuchte es einen negativen Schock wie beispielsweise eine Rezession in Europa. Das könnte dazu führen, dass Teuerungsraten in den negativen Bereich rutschen. Herr Zurlinden sieht zurzeit sowohl Inflations- als auch Deflationsrisiken, momentane Prognosen erwarten aber keines der beiden Szenarien. Herr Honegger von der UBS sieht momentan ausser bei den Hypotheken keinen grossen Preisanstieg. Für ihn ist es schwer abzuschätzen, ob eine Inflation kommt und wie stark diese ausfallen würde. In den nächsten ein bis zwei Jahren sollte eine direkte Inflation noch kein Thema sein, allerdings spricht er die importierte Inflation, beispielsweise aus den USA, an. Auch Herr Honegger erwähnt die möglichen deflationären Tendenzen, was aber nicht mit der Politik der SNB direkt zusammenhängt, sondern mit den Ereignissen im Euro-Raum und in der globalen Wirtschaft. Auf die gemäss Lehrbuch zu erwartende Inflation meint Herr Vontobel, dass man diese Lehrbücher einstampfen sollte. Obwohl die Geldmenge schon lange steigt, ist keine Inflation erkennbar. Denn die Inflation, so erklärt er weiter, kommt von grosser Nachfrage, ausgelasteten Kapazitäten und grossem Lohndruck. Eine negative Inflation beziehungsweise Deflation ist seiner Meinung nach realistischer. Er rechnet mit Depressions-Szenarien analog Griechenland und Portugal, falls die Leute den Konsum weiter bremsen. Definitiv mit einer Deflation rechnet der ehemalige Leiter des Risk Managements der UBS. Je länger der Franken stark bleibt und die Nationalbank nicht von diesem Kursziel von 53 Bachelorarbeit Stefan Reinli CHF 1,20 weg kann, kann seiner Meinung nach die negative Inflation mehr und mehr zum Problem werden. Eine Gegenmassnahme wäre eigentlich ein Tiefzinsumfeld, allerdings haben wir das bereits. Der nächste Schritt wäre die Einführung von Negativzinsen oder ein Anreiz für Investitionen. Steuersubventionen nennt er hier als erstes, allerdings erfolgt dies durch den Staat und nicht durch die SNB. Den Schlüssel zum Erfolg sieht er eindeutig im Motto „Aufschwung beginnt im Kopf“. Jeder Einzelne sollte den Konsum beibehalten und stärken. Er verweist zudem auf Japan als Negativbeispiel. Japan versucht seit 20 Jahren krampfhaft, mit einer Nullzinspolitik eine Inflation zu generieren – erfolglos. Für die Schweiz wäre dies das Horrorszenario; Eine Deflation, aus der man einfach nicht mehr herauskommt. Die Konsequenz dieser Deflation wäre ein Konsum- und Investitionsrückgang mit negativen Folgen für den Arbeitsmarkt. Alles in allem rechnet der ehemalige UBS-Mitarbeiter mit einer leichten Deflation in der Schweiz. Eine Inflation schliesst er aus, solange das gestiegene Geldangebot nicht in den Wirtschaftskreislauf fliesst. Auch der Finanzleiter der Regionalbank konstatiert, dass die gesteigerte Geldmenge nicht zur Inflation führt, solange das Geld nicht in den Wirtschaftskreislauf fliesst. Nur bei einer längerfristigen Koppelung des Frankens an den Euro wird eine Inflation realistischer. Gefährlicher als die direkte Inflation ist die Inflationserwartung, welche sich in den Köpfen der Leute etablieren könnte. Dies könnte eine Inflationsspirale lostreten. Das Dilemma für die Nationalbank ist, dass sie den Wechselkurs verteidigen und gleichzeitig die Inflation im Griff behalten muss. Als Mittel gegen die Inflation müsste sie die Zinsen erhöhen, was aber mit der Kursuntergrenze nicht vereinbar ist. Gegen eine Inflation spricht auch die fehlende Nachfrage, weshalb keine Kredite mehr vergeben werden und so das Geld bei der SNB bleibt. Der Leiter Finanzen fügt an, dass wir gemäss Lehrbuch schon lange eine massive Inflation haben müssten, allerdings hat der Preisdruck aus dem Billiglohnland China die ganze Inflation „wegproduziert“. Eine leichte Deflation ist auch für ihn das realistischere Zukunftsszenario. Er verweist ebenfalls auf das Beispiel Japan und befürchtet eine ähnliche Entwicklung in der Schweiz. Eine allzu starke Deflation muss man aber nicht erwarten, da der Konsum in der Schweiz nach wie vor relativ stark ist. Hier verweist er auf die stabilen Autokäufe der Schweizerinnen und Schweizer. Die deflationäre Tendenz ist für die Nationalbank sehr unkomfortabel, da sie nur wenige Möglichkeiten hat, um Gegensteuer zu geben. Als Summe all dieser Erkenntnisse muss man feststellen, dass eine leicht negative Inflation – oder eben Deflation – zumindest in der kurzen Frist viel realistischer ist als eine Teuerung. Eine Inflation kann sich erst akzentuieren, wenn die von der Notenbank zur Verfügung gestellte Geldmenge auch effektiv in den Wirtschaftskreislauf gerät. Aufgrund der eher schwachen Konjunktur und der mässigen Investitionstätigkeit der Unternehmen ist diese Entwicklung aber nicht absehbar. Mehrere Experten verweisen auf Japan als Negativbeispiel und 54 Bachelorarbeit Stefan Reinli betrachten eine ähnliche Entwicklung in der Schweiz als Horrorszenario, da eine Nationalbank bei deflationären Tendenzen weniger reagieren kann als bei einer Teuerung. Vieles ist nun von der Entwicklung im Ausland abhängig und der Auswirkung auf die Stimmung in der Schweiz. Spätestens bei einer notwendigen Bekämpfung der Deflation kämen die Negativzinsen zum Zug mit all ihren weiter oben genannten Folgen. Das aktuelle Zinsniveau Einen direkten Zusammenhang mit der inflationären oder deflationären Entwicklung in der Schweiz hat das Zinsniveau. Wie sich die Experten dazu äussern, zeigen die nachfolgenden Meinungen. Herr Peter sieht im aktuellen Tiefzinsumfeld sowohl Vor- als auch Nachteile für die Wirtschaft. Die Konjunktur wird durch die tiefen Zinsen angekurbelt, sofern eine Nachfrage besteht. Allerdings gibt es beträchtliche Nachteile für den Immobilienmarkt, für das Geschäft der Banken und für das Rentensystem der Schweiz. Die notwendige Rendite der Pensionskassen und Versicherungen von rund 4,5% ist im Moment schwierig zu erwirtschaften. Obligationen sind nicht rentabel und bei Immobilien ist das Absturzrisiko gross. Zusammengefasst ist die Finanzierung des Sozialsystems aktuell sehr problematisch. Die Folgen werden wir alle bezahlen müssen, entweder mit mehr Beitragszahlungen, mit tieferen Renten oder mit einem höheren Pensionsalter. Eine Zinserhöhung, wie weiter unten von einem anderen Experten vorgeschlagen, hält Herr Peter für unrealistisch und abwegig. Dies hätte negative Folgen für die gesamte Wirtschaft und längerfristig insbesondere für den Immobilienmarkt. Für eine nachhaltige Zinserhöhung wäre ein bedeutendes Ereignis nötig wie zum Beispiel eine Mindestkursverteidigung im grossen Stil. Gemäss Herr Peter wird das aber in den nächsten zwei Jahren nicht der Fall sein. Die historischen Zinssätze sind Spiegelbild der starken Ausdehnung der Geldmenge, so Herr Zurlinden von der SNB. Die tiefen Zinssätze sind ein Ausgleich für die Überbewertung des Frankens. Auch er sieht dabei Probleme für die Finanzierung der zweiten Säule der Altersvorsorge. Ausserdem steigt mit den tiefen Zinssätzen das Risiko einer Preisblase am Immobilienmarkt. Das Wachstum der Hypothekarkredite ist bereits seit längerer Zeit sehr hoch. Daraus ergeben sich gewisse Sorgen um die Finanzstabilität. Die im März publizierte Inflationsprognose der Nationalbank zeigt, dass die Inflation bei einem bei null gehaltenen Zinssatz nur leicht ansteigen dürfte. Diese bedingte Inflationsprognose impliziert somit die Erwartung, dass der Leitzins noch eine Weile tief bleiben wird. 55 Bachelorarbeit Stefan Reinli Gemäss Herrn Honegger von der UBS muss die SNB die Zinsen momentan tief halten, um den Schweizerfranken nicht noch attraktiver zu machen. Auch er erwartet einen Impact der tiefen Zinsen sowohl auf den Immobilienmarkt als auch auf die Pensionskassen. Herr Honegger rechnet längerfristig mit tiefbleibenden Zinsen, denn das Fed. hat dies bereits bis Mitte 2014 bekräftigt und auch der Euro-Raum wird dem folgen. Werner Vontobel sieht die tiefen Zinsen als der aktuellen wirtschaftlichen Lage angemessen, erkennt aber auch die Folgen für den Immobilienmarkt. Seiner Meinung nach geht das Rentensystem kaputt, weil es schlecht konstruiert ist und auf zu hohen Zinsen beziehungsweise Inflationsraten beruht. Dies macht sich jetzt bemerkbar, weil eine stetige Rendite in der notwendigen Höhe nicht realisierbar ist. Herr Vontobel rechnet längerfristig nicht mit einer Veränderung des Zinsniveaus, da das Zinsniveau dem realen Wachstum entsprechen sollte. Dieses setzt sich aus mittelfristigem Wachstum plus Inflation zusammen, was beides aktuell als sehr gering eingeschätzt wird. Der Finanzleiter der Regionalbank sieht eine Reduktion der Geldmenge aufgrund der internationalen Vernetzung als unmöglich. Dieser Schritt würde die Zinsen massiv nach oben treiben, was die Massnahmen der SNB gleich zunichtemachen würde. Das Problem der tiefen Zinsen sieht er aktuell in den massiven Hauspreissteigerungen. Der ehemalige UBS-Mitarbeiter, welcher sich in seiner Tätigkeit sehr stark mit dem Thema Zinsen befasste, sieht in erster Linie enorme Probleme auf die Sozialsysteme zukommen. Auch er befürchtet längerfristig ein erhöhtes Rentenalter oder sinkende Renten. Für Schuldner sind die tiefen Zinsen interessant, dies führt aber zu einer Immobilienblase, wie wir sie in der Schweiz haben. Banken und Versicherungen leiden dafür unter Renditerückgang. Und für die Nationalbank ist es extrem unangenehm, weil sie keine Handlungsmöglichkeit mehr hat. Besonders interessant ist die Erwartung, dass die Nationalbank eher früher als später eine experimentelle Zinserhöhung durchführen wird. Im Gegensatz zum Euro-Raum könnte das in der Schweiz funktionieren, da die Konjunktur und die Arbeitslosigkeit in der Schweiz wesentlich besser sind. Mit dieser Massnahme könnte die Nationalbank der Immobilienblase entgegenwirken und würde dennoch keinen grossen Schaden anrichten. Mit diesem Schritt rechnet der frühere Leiter des UBS-Risk Managements im Jahr 2013. Das Tiefzinsumfeld helfe niemandem, begründet er. Diesen Schritt erhofft er sich inständig, da damit alle profitieren ausser derer, die sich mit Immobilien hoch verschuldet haben. Alle sind sich einig, dass das gesamte Sozialsystem stark unter den tiefen Zinsen leidet und längerfristig Probleme bereiten wird. Dies fällt schlussendlich auf alle zurück und kann nicht im von der SNB verfolgen „Gesamtinteresse des Landes“ sein. Eine Erhöhung des Leitzinses wird deshalb von einem der Experten verlangt, andere halten dies aufgrund der dadurch steigenden Attraktivität des Schweizerfrankens für abwegig. Unbestritten ist hingegen, dass 56 Bachelorarbeit Stefan Reinli ohne weitere Eingriffe das Zinsumfeld auf diesem tiefen Niveau verharren wird. Mit dem tiefen Zins wird also zusammengefasst die Geldflut aus dem Ausland einigermassen im Zaum gehalten, was die Überbewertung des Schweizerfrankens mindert, allerdings steigt dadurch das Risiko einer Immobilienblase und die Sozialsysteme leiden. Die Motivation der SNB Im Nationalbankgesetz ist festgehalten, dass die SNB das Ziel der Preisstabilität unabhängig verfolgt. Nun stellt sich die Frage, ob die Nationalbank tatsächlich unabhängig gehandelt hat, beziehungsweise wie gross der Einfluss von aussen ist. Die Nationalbank hat stets gemäss ihrem Auftrag gehandelt, unabhängig und zum Wohle der Schweiz, so Herr Zurlinden, der selber bei der SNB angestellt ist. Auch Ralph Peter von der Zuger Kantonalbank sieht hinter dem Handeln der SNB keinen Druck von aussen. Die Nationalbank wisse aber, dass die politischen Parteien hinter ihrem Handeln stehen. Die Frage, ob die SNB ihren Auftrag erweitert hat, zum Beispiel in Richtung der US-amerikanischen Fed. mit einem Einfluss auf den Arbeitsmarkt, verneint Herr Peter. Man hätte in diesem Fall noch viel mehr Massnahmen der SNB gesehen. Eine Veränderung der Rolle der Nationalbank sieht auch Christian Honegger nicht, allerdings glaubt er, dass die SNB unter anderem aufgrund des Drucks aus Politik und Wirtschaft gehandelt hat. Die Unternehmen müssten sich langfristig anders organisieren und dürften nicht auf ein Handeln der SNB hoffen, so Herr Honegger weiter. Er ist sich nicht sicher, ob die Nationalbank auch ohne den Druck von aussen mit einem Kursziel reagiert hätte. Herr Vontobel bezeichnet die Schweizerische Nationalbank generell nicht als unabhängig, werden doch einige Mitglieder der SNB-Führung vom Bundesrat gewählt und müssen der Politik Rede und Antwort stehen. Ein Doppelmandat wie in den USA sieht er aber nicht. Das Ziel der Preisstabilität sei durch das Erfordernis begrenzt, eine Politik im Gesamtinteresse des Landes zu führen. Damit stehe die SNB näher beim Fed. als bei der EZB, welche nur der Preisstabilität verpflichtet sei. Im Gegensatz zur EZB lasse die SNB eine vornehme Zurückhaltung walten. Nur einmal hatte sich Herr Jordan im Stile der EZB zu Lohnerhöhungen geäussert, den Fehler hat er aber eingesehen und nicht mehr wiederholt. Somit sieht Herr Vontobel keine Neuinterpretation der Rolle der SNB. Die SNB sollte auf die Politik hören, aber keine Befehle entgegennehmen, fasst er zusammen. Auch der Leiter Finanzen der Regionalbank erkennt keine Neuinterpretation der Rolle der SNB. Die Nationalbank hat jederzeit das alleinige Ziel Preisstabilität verfolgt und glaubhaft vertreten. Dem politischen Druck gewisser Parteien konnte sie bislang sehr gut widerstehen. 57 Bachelorarbeit Stefan Reinli Generell sieht er die unabhängige SNB als äusserst wertvolle Institution, dies dürfe man nie aufs Spiel setzen. Der ehemalige UBS-Angestellte sieht die SNB von einer zurückhaltenden in eine sehr aktive Rolle gezwungen, was den Aussagen der anderen Experten widerspricht. Seiner Meinung nach betreibt die Nationalbank heute viel mehr Politik, die eigentlich ausserhalb ihres Fokus liegt. Das heisst, sie macht heute eine vielfältigere Politik, bei der sie mehr Aspekte des Wirtschaftssystems optimieren muss als früher. Er sieht deutliche Parallelen zur USamerikanischen Fed. Die sehr aktive Rolle der SNB wurde zu Recht gewählt. Das gibt der SNB heute eine viel grössere Rolle, als sie noch vor zwei bis drei Jahren hatte. Besonders unter Herrn Hildebrand habe sich die SNB zu einem „Katalysator für ein gesundes und vernünftiges Wirtschaftswachstum“ entwickelt, so der frühere Leiter des UBS-Risk Managements. Sie sei momentan bereit, zwecks Stützung der Konjunktur ihre Inflationsziele in den Hintergrund zu stellen, um eine aktivere Wirtschaftspolitik zu betreiben als in der Vergangenheit. Dies ist ein Resultat der grossen Einflussnahme der Stakeholder von aussen. Eine äusserst spannende Aussage vom ehemaligen UBS-Mitarbeiter. Ist diese Entwicklung tatsächlich vorhanden, kommt das einem Paradigmenwechsel der SNB gleich. Allerdings muss diese Aussage relativiert werden, da sie nur gerade von einem der sechs Experten stammt. Alle anderen sind sich grösstenteils einig, dass die SNB nach wie vor die gleichen Ziele verfolgt. Nur bei der Frage, wie sehr sich die Nationalbank von aussen hat leiten lassen, gehen die Meinungen auseinander. Weitere Aspekte aus den Interviews Während den Gesprächen kamen noch viele andere sehr interessante Aspekte zur Sprache. Einige davon werden im folgenden Abschnitt wiedergegeben. Herr Peter hält fest, dass man die Wachstumsmärkte wie China nicht aus den Augen lassen darf. Deren Wachstumsdynamik ist in den letzten Jahren zurückgekommen. Sollte China mittels Protektionismus versuchen, die eigene Wirtschaft zu stärken, könnte uns das in Europa zusätzlich bremsen. Der ehemalige Leiter des Risk Management Group Treasury der UBS sieht für Europa ganz allgemein eine düstere Zukunft, solange man sich nicht politisch zusammenrauft und endlich die schon lange angepeilte Transferunion darstellt. Deshalb werden uns die Themen Wechselkurspolitik, Wechselkursziel, tiefe Inflation und Deflation wohl noch lange Zeit beschäftigen. Zudem müsste die Schweiz die Zeit, die sie sich mit dem Kursziel gekauft hat, sinnvoll 58 Bachelorarbeit Stefan Reinli nutzen, um Prozesse zu optimieren durch Technologievorsprung und Kostenreduktion. Die Schlüssel dazu sind Innovation, stärkere Ausbildung sowie Forschung und Entwicklung. Herr Honegger hat wohl etwas übertreibend erwähnt, dass er die Spekulanten rund um den Schweizerfranken gerne einmal ausbremsen würde. So könnte man den Kurs einmal auf unter CHF 1,20 fallen lassen, um ihn dann wieder auf die 1,20 zu erhöhen. So würden sie es sich das nächste Mal vielleicht nochmals gut überlegen. Aber das kostet Geld, zudem hat Herr Honegger hier ethische Bedenken. Der Wirtschaftsjournalist Werner Vontobel rechnet für die Schweiz im schlimmsten Fall mit einer wirtschaftlichen Implosion wie sie momentan in Griechenland stattfindet. Da rund 50% des Konsums von Verschwendung lebt, wäre die Wirtschaft schnell kaputt, falls die Konsumenten aus Angst vor einer ungewissen Zukunft nur noch das Nötigste konsumieren. Diese Gefahr ist seiner Meinung nach latent vorhanden. Das Gegengift sieht er in der Konsumlust der Jugend, für die die Zukunftsangst kleiner ist als der Wille, Geld auszugeben. Eine längerfristige Wirtschaftsstabilisierung erreicht der Staat seiner Meinung nach durch einen Sozialstaat, der den Leuten Sicherheit vermittelt. Zudem braucht es eine Reduktion der Arbeitszeit, da es ansonsten einen Kampf um Jobs und Lohnverzicht gibt. Der Finanzleiter der Regionalbank kritisiert eine unglückliche Aussenpolitik. In den letzten 20 bis 25 Jahren wurden viele strategische Fehler gemacht. Eine Auswirkung davon sei nun, dass wir in der Krise mitgefangen sind ohne mitgestalten zu können. Mit der Koppelung an den Euro muss man sich jetzt fragen, ob man nicht einfach alle Nachteile des Euro übernommen hat und keine Vorteile. Zur Immobilienpreissteigerung äussert er sich dahingehend, dass man von einer Blase nicht sprechen könne. Die Schweiz sei noch weit davon entfernt, eine Korrektur zu erleben wie sie die USA, England oder Spanien hatten. Auslöser der Preissteigerung sei unter anderem auch die Zuwanderung. Somit unterscheidet sich seine Meinung zur Immobilienblase von derjenigen der anderen Interviewpartner. Abschliessend bemerkt er zu Griechenland, dass er keine andere Option als den Ausstieg aus dem Euro sieht. Dies könne aber für den verbleibenden Euro-Raum von Vorteil sein, der Euro könnte gestärkt aus dieser Krise gehen. 59 Bachelorarbeit Stefan Reinli 8 Fazit 8.1 Zusammenfassung aller Erkenntnisse Die europäische Gemeinschaftswährung – der Euro – ist für die Schweizer Wirtschaft zentral. Die Schweiz befindet sich nicht nur geografisch inmitten des Euro-Raums, sie ist auch wirtschaftlich stark von diesem Raum abhängig. Die in den Interviews befragten Experten sind sich mehrheitlich einig, dass das Mindestkursziel des Schweizerfrankens zum Euro unter Einbezug sämtlicher damals verfügbaren Informationen der richtige Schritt gewesen ist. Diese extreme Massnahme wird dem überbewerteten Franken und den Signalen aus der Exportwirtschaft gerecht. Den bisherigen Verlauf des Kursziels kann man als Erfolg bezeichnen. Der Kurs von CHF 1,20 konnte auch unter grossem Druck von aussen gehalten werden, die Kosten halten sich – sofern bekannt – zum aktuellen Zeitpunkt in Grenzen. Verantwortlich für diesen Erfolg ist die Schweizerische Nationalbank. Sie geniesst eine grosse Glaubwürdigkeit auf den Märkten, welche sie sich mit gezielter Kommunikation und konsequenter Umsetzung aller angekündigten Massnahmen erarbeitet hat. Die Ziele der SNB sind es, die Preisstabilität zu gewähren sowie unabhängig und im Gesamtinteresse des Landes zu handeln. Bis auf einen Interviewpartner sind sich die Experten einig, dass die Ziele nach wie vor zum grössten Teil eingehalten werden. „Klar ist ein gewisser Druck der Politik da und der Begriff Unabhängigkeit sehr unterschiedlich interpretierbar, aber ein grosser Wandel in der Art und Weise, wie die SNB handelt, ist nicht erkennbar“, so die fast einstimmige Aussage der Experten. Die abweichende Stimme meint hier, dass die SNB in einer viel aktiveren Rolle ist als früher. Der Interviewpartner bezeichnet die SNB heute als Katalysator für ein gesundes und vernünftiges Wirtschaftswachstum, wobei die Inflationsziele in den Hintergrund gerückt wurden. Die Folgen des zum Zeitpunkt der Fertigstellung dieser Arbeit noch immer geltenden Wechselkursziels sind nur schwer abzuschätzen. Ein Blick in das Jahr 1978 bietet sich zwar an, zumal sich die Presse zum Zeitpunkt der Festlegung des Kursziels im September 2011 diesem Thema angenommen hat und viele Vergleiche der damaligen Situation mit den heutigen Ereignissen gezogen hat. Allerdings haben die befragten Experten hier eine andere Meinung. So ist der Franken heute im Gegensatz zu früher an die Währung eines viel grösseren Wirtschaftsraums gekoppelt. Auch eine Inflation, wie sie zu Beginn der 1980er-Jahre zu beobachten war, muss sich heute nicht zwingend wiederholen, denn vor gut 30 Jahren war die Geldmenge schon vor dem Einsatz des Kursziels massiv erhöht und wurde anschliessend zu 60 Bachelorarbeit Stefan Reinli wenig konsequent reduziert. Somit können aus den Folgen des Kursziels vom Oktober 1978 keine Lehren gezogen werden für die aktuelle Kursuntergrenze zum Euro. Auf das weitere Fazit dieser Arbeit werden die Ereignisse von 1978 keinen Einfluss mehr haben. Die Aufarbeitung der theoretischen Grundlagen zum Wechselkursziel zeigt aufgrund des erhöhten Geldangebots eindeutig eine steigende Inflation. Inwiefern sich diese Inflation auf das Zinsniveau und die Stärke des Schweizerfrankens auswirkt, ist gemäss Irving Fisher von der Inflationsentwicklung im Ausland abhängig. Eine Erkenntnis aus den Forschungen zu dieser Arbeit ist aber, dass die aktuelle Situation auf den globalen Finanzmärkten weitaus komplizierter ist als viele vergangene Krisen. Aus diesem Grund wird für die Prognose der Marktentwicklung den Aussagen aus den Interviews mehr Gewicht gegeben als die vergangenheitsorientierte Theorie aus Standardlehrbüchern. Die Aussagen aus den Interviews gehen denn auch in eine komplett andere Richtung. Da die von der SNB zur Verfügung gestellte Geldmenge momentan aufgrund der stockenden Konjunktur gar nicht in den Wirtschaftskreislauf gerät, ist eine Inflation nicht realistisch. Man rechnet viel eher mit einer negativen Inflation beziehungsweise Deflation, welche sich zum jetzigen Zeitpunkt bereits zeigt. Dass die negative Inflation längerfristig als grosses Problem betrachtet wird, liegt daran, dass die Nationalbank nicht mit gewohnten Mitteln darauf reagieren kann. Bestes Gegenmittel zur Bekämpfung der Deflation sind tiefe Zinsen, diese sind aber bereits jetzt Realität. Als weitere Massnahme erwähnen diverse Experten die Einführung von Negativzinsen seitens der SNB. Wie lange eine Deflation anhalten kann, illustrieren mehrere Interviewpartner anhand des Beispiels von Japan. Dieses Land kämpft seit rund 20 Jahren gegen die Deflation und versucht mit allen Mitteln, eine Inflation zu erzwingen. 8.2 Ausblick Prognose zukünftige Entwicklung In diesem Unterkapitel soll die Frage beantwortet werden, welches die erwarteten Auswirkungen des Wechselkursziels auf die fünf Wirtschaftssubjekte der Schweizer Volkswirtschaft sind. Das Wechselkursziel stellt sich in erster Linie als Gewinn für die privaten Haushalte heraus. Zwar ist der Vorteil der günstigen Auslandeinkäufe etwas reduziert worden, allerdings wären ohne das Kursziel mit grösseren Turbulenzen auf dem Arbeitsmarkt zu rechnen, was schlussendlich einen Einfluss auf die Einkommen der Haushalte hat. Längerfristig muss, falls 61 Bachelorarbeit Stefan Reinli sich die Situation auf europäischer und globaler Ebene nicht bald bessert, mit massiven finanziellen Schwierigkeiten bei Versicherungen und Renten gerechnet werden. Besonders in der Altersvorsorge sind Einbussen zu erwarten. Auch auf dem Immobilienmarkt zeigen sich bereits Entwicklungen, die längerfristig zahlreiche Haushalte vor grössere finanzielle Probleme stellen könnten. Dies sind sehr langfristige Annahmen, die, falls sie sich tatsächlich akzentuieren, einen sehr negativen Einfluss auf die Einkommen und Vermögen der privaten Haushalte haben. Mit dem Wechselkursziel und mit den tiefen Zinsen bekämpft die SNB zur Förderung der Schweizer Wirtschaft die Frankenstärke, riskiert so aber längerfristig die oben beschriebenen Folgen. Die Banken kämpfen vor allem mit den tiefen Zinsen. Sie haben Mühe, das ihnen anvertraute Geld gewinnbringend anzulegen. Insbesondere das Wechselkursziel bewirkt eine rückläufige Zahl von Absicherungsgeschäften, was sich negativ auf die Erträge der Banken auswirkt. Bereits seit einiger Zeit ist von den Banken zu hören, dass sie mit diesen Schwierigkeiten zu kämpfen haben. So ist es nicht verwunderlich, dass Stellenabbau in der ganzen Branche mehr und mehr zum Thema wird. Den Unternehmen kommt die Kursuntergrenze sehr entgegen. Die Planung und Budgetierung ist wesentlich einfacher, sofern man davon ausgeht, dass der Mindestkurs von CHF 1,20 auch längerfristig beibehalten wird. Die Beträge für Absicherungsgeschäfte, welche den Banken als Erträge fehlen, sparen die Unternehmen bei den Aufwänden ein. Auf die Schweizerische Nationalbank können längerfristig schwierige Zeiten zukommen. Je länger die Kursuntergrenze mit Devisenmarktinterventionen aktiv verteidigt werden muss, desto höher fallen schlussendlich die Kosten aus. Auch wenn sich die Verluste momentan noch im Rahmen halten, so könnte sich der Mindestkurs auf Dauer als nicht mehr tragbar herausstellen. Hier ist die SNB den Signalen aus dem Ausland ohnmächtig ausgeliefert und kann höchstens weitere Massnahmen oder das Ende der Kursuntergrenze beschliessen. Negative Ergebnisse der SNB können sich längerfristig negativ auf die Steuereinkommen der Kantone auswirken, was wiederum viele andere Wirtschaftssubjekte mit höheren Steueraufwänden belasten könnte. Dank der Aktionen der SNB kann der Staat einige akute Probleme als vorübergehend gelöst betrachten. So sollten zum Beispiel die allermeisten Exportunternehmen bei einem Kurs von CHF 1,20 zum Euro überlebensfähig sein. Mit Problemen in der längerfristigen Finanzierung der Sozialsysteme sowie reduzierten Steuererträgen wird aber auch der Staat auf Dauer mit einigen massiven Schwierigkeiten konfrontiert sein, sofern die internationale wirtschaftliche 62 Bachelorarbeit Stefan Reinli und politische Lage weiterhin angespannt bleibt und ein ständiges Eingreifen der SNB erfordert. Alles in allem muss sich die SNB eingestehen, dass sie trotz aller richtigen Massnahmen zur Schwächung des Schweizerfrankens die Entwicklungen im Ausland nicht steuern kann. Es bleibt ihr nur abzuwarten, ob sich die heikle Lage besonders im Euro-Raum langsam entspannt oder weiter verschärft. Eine Massnahme, die sie noch im Köcher hat, ist die Einführung von Negativzinsen oder einem ähnlichen Instrument. Dies würde die Attraktivität des Schweizerfrankens reduzieren und so – nach Ansicht der Experten – den Geldfluss in die Schweiz reduzieren. Je nach Ausgestaltung dieser Massnahme würden die Sparer ihre Gelder bei den Banken abziehen, da sie nicht bereit sind, diese Negativzinsen zu bezahlen. Dieser Geldabfluss würde die Banken in weitere Schwierigkeiten bringen. Eine Lösung des Problems ist die Einführung der Negativzinsen nur auf Gelder ausländischer Banken, womit aber der Effekt als Ganzes geringer ausfallen würde. Sollte sich entgegen der aktuellen Erwartungen die Lage in Europa entspannen und der Franken seine Bedeutung als Fluchtwährung allmählich verlieren, so könnte sich die Schweizerische Nationalbank auf ein Ende der Kursuntergrenze vorbereiten. Dieses Ende wäre, so der „best case“, ein Wegbewegen des Franken-Euro-Kurses in Richtung 1,30 oder noch höher, wobei der Markt dies aufgrund eines unattraktiveren Frankens ohne Eingreifen der SNB regeln würde. Persönliche Empfehlung des Autors In diesem Abschnitt gibt der Autor eine persönliche Empfehlung zum weiteren Vorgehen der Schweizerischen Nationalbank ab. Die Aussagen sind gestützt auf alle zusammengetragenen Erfahrungen und Daten der Forschung zu dieser Arbeit. Zum aktuellen Zeitpunkt sollte die SNB ihre bisherige Politik weiterführen, in der Hoffnung unveränderter oder sich bessernder Umstände im europäischen Ausland. Die SNB kann nach wie vor mit gezielter und standfester Kommunikation bezüglich der Untergrenze klare Signale an die Märkte geben. Wichtig ist es hier, die Glaubwürdigkeit nicht zu verlieren. Diese Strategie des Abwartens kann sich über mehrere Jahre hinwegziehen, sofern die SNB nicht massive Verluste schreiben muss. Im Verlauf dieser Zeit wertet sich der Franken gegenüber dem Euro stetig ab, da in der Schweiz die Inflation wesentlich tiefer ist als im EuroRaum. Gleichzeitig sollte es der inländischen Exportwirtschaft in dieser Zeit gelingen, mittels Prozessoptimierungen die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen zu können. Bleiben zudem der 63 Bachelorarbeit Stefan Reinli Konsum und die Beschäftigung einigermassen konstant, so steht der langsamen Entspannung rund um den starken Schweizerfranken nichts mehr im Weg. Der Autor sieht dieses sehr positive Szenario als nicht unrealistisch, zumal einige aktuelle Wirtschaftszahlen des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) für Konsumausgaben und BIP für Optimismus sorgen. Nach wie vor ist die grösste Unbekannte aber die finanziell und politisch angespannte Lage in Euro-Ländern wie Griechenland, Spanien oder Portugal. Falls weitere negative Signale aus dem Ausland folgen, so könnte der Schweizerfranken noch mehr an Attraktivität gewinnen, was wiederum massive Interventionen der SNB erfordert. Lässt sich dieser Ansturm auf den Franken nur noch mit weitergehenden Massnahmen wie Negativzinsen bremsen, dann sollte dieses Instrument nach Meinung des Autors eingesetzt werden, sofern die inländischen Sparer davon nicht betroffen sind. Als nicht auszuschliessen betrachtet der Autor die Massnahme einer Reduktion des Kursziels. Diese Massnahme könnte je länger je attraktiver werden, da sich die Differenz des Wechselkurses zur eigentlichen geschätzten Kaufkraftparität mit der Zeit reduziert. Auch die Exportwirtschaft müsste fähig sein, sich längerfristig auf solch tiefe Wechselkurse einstellen zu können, schliesslich sollte jedes Unternehmen im „worst case“-Szenario die Wechselkursparität zum Euro miteinbeziehen. Das grösste Fragezeichen stünde bei diesem Vorgehen hinter der Glaubwürdigkeit der SNB. Diese könnte Schaden nehmen, da man zuvor über längere Zeit standfest die Grenze von CHF 1,20 verteidigt hat. 8.3 Aussagekraft und Bedeutung der Ergebnisse Die Thematik rund um das Wechselkursziel der Schweizerischen Nationalbank ist äusserst komplex. Dies ist auch der Grund, weshalb in der Führung der SNB nur die erfahrensten Spezialisten Platz finden und die Wahl der Leitung der SNB teilweise durch den Bundesrat erfolgt. Die Einschätzung der aktuellen Lage und der zukünftigen Entwicklungen wird zudem durch die politisch und finanziell heikle Lage im Euro-Raum und in der globalen Wirtschaft erschwert. Es kursieren viele Meinungen und Einschätzungen zur aktuellen Lage, jedoch müssen sich momentan die meisten, wenn nicht alle Experten eingestehen, dass die künftigen Entwicklungen nicht absehbar sind. Dem Autor ist durchaus bewusst, dass auch in dieser Arbeit nicht der Schlüssel zur Lösung der akutesten Probleme liegt. Allerdings bildet die Summe der vorliegenden Forschung einen grossen Teil des aktuellen Wissensstandes ab und wird durch diverse Aussagen von Experten aus der Privatwirtschaft, der SNB und den Medien ergänzt. 64 Bachelorarbeit Stefan Reinli Literaturverzeichnis Baltensperger, E. (2007, 11. Juli). Die Geldpolitik der Schweiz seit den sechziger Jahren. SECO. Online (15.04.2012): http://www.google.ch/url?sa=t&rct=j&q=kfk%202007&source=web&cd=3&ved=0CFEQ FjAC&url=http%3A%2F%2Fwww.seco.admin.ch%2Fdokumentation%2Fpublikation%2 F02640%2F02642%2Findex.html%3Flang%3Dfr%26download%3DNHzLpZeg7t%2Cln p6I0NTU042l2Z6ln1ae2IZn4Z2qZpnO2Yuq2Z6gpJCEeYB3gmym162epYbg2c_JjKbNo KSn6A--&ei=8KXDT6exEJGcOpOfsPMJ&usg=AFQjCNGQ3nsyLl7kiGzfUwkiFkeDWLz ygg Benders, R. (2008, 15. September). Lehman Brothers muss Konkurs beantragen. Handelsblatt. Online (09.04.2012): http://www.handelsblatt.com/unternehmen/banken/us-bankensektor-im-umbruchlehman-brothers-muss-konkurs-beantragen/3021126.html Birchler, U. (2011, 25. Juli). Fluch des Segens. Die Zeit. Online (15.04.2012): http://www.zeit.de/2011/30/CH-Schweizer-Franken Bischofsberger, A. (2011, 21. September). Wie kann die SNB langfristig Inflation vermeiden? Die Aussichten für den Schweizer Franken 3. Avenir Suisse. Online (15.04.2012): http://www.avenir-suisse.ch/10307/wie-kann-die-snb-langfristig-inflation-vermeiden/ Brunetti, A. (2009). Volkswirtschaftslehre: Eine Einführung für die Schweiz (2. Aufl.). Bern: hep-Verlag. Bundesamt für Statistik (a). Themen. Industrie, Dienstleistungen. Aussenhandel. Detaillierte Daten. Ausfuhr nach Wirtschaftsräumen und Bestimmungsländern. Online (23.03.2012): http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/06/05/blank/data.Document.20975. xls Bundesamt für Statistik (b). Themen. Industrie, Dienstleistungen. Aussenhandel. Detaillierte Daten. Einfuhr nach Wirtschaftsräumen und Herkunftsländern. Online (23.03.2012): http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/06/05/blank/data.Document.20973. xls 65 Bachelorarbeit Stefan Reinli Bundesamt für Statistik (c). Themen. Volkswirtschaft. Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung. Bruttoinlandprodukt. Daten, Indikatoren. BIP nach Verwendungsarten. Online (23.03.2012): http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/04/02/01/key/bip_nach_verwendun gsarten.Document.64627.xls Bundesamt für Statistik (d). Themen. Industrie, Dienstleistungen. Aussenhandel. Detaillierte Daten. Aussenhandel nach Verwendungszweck. Online (24.03.2012): http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/06/05/blank/data.Document.20971. xls Bundesamt für Statistik (e). Themen. Arbeit und Erwerb. Löhne, Erwerbseinkommen. Indikatoren. Übersicht. Lohnniveau im internationalen Vergleich. Online (24.03.2012): http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/03/04/blank/key/lohnstruktur/interlo ehne.html Bundesamt für Statistik (f). Themen. Preise. Statistische Grundlagen. Definitionen. Online (15.04.2012): http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/05/11/def.html Bundesamt für Statistik (g). Themen. Preise. Landesindex der Konsumentenpreise. Indikatoren. Indexreihen. Online (15.04.2012): http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/05/02/blank/key/basis_aktuell.html Bundesgesetz über die Schweizerische Nationalbank [NBG] vom 3. Oktober 2003, SR 951.11. Bundesgesetz über die Währung und die Zahlungsmittel [WZG] vom 22. Dezember 1999, SR 941.10. Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft [BV] vom 18. April 1999, SR 101. Deutsche Bundesbank. Statistik. Zeitreihen. CHF/DEM. Online (15.04.2012): http://www.bundesbank.de/statistik/statistik_zeitreihen.php?open=devisen&func=row&t r=WT5016&year=1975 Economiesuisse. (2012). Kein Spiel mit dem Feuer – SNB muss unabhängig bleiben. Zürich. Finanzen.ch. Börse. Devisen. CHF/EUR. Historisch. Online (29.05.2012): http://www.finanzen.ch/devisen/historisch/eurokurs 66 Bachelorarbeit Stefan Reinli Gärtner, M., Lutz, M. (2004). Makroökonomik flexibler und fester Wechselkurse (3. überarbeitete Aufl.). Berlin: Springer-Verlag. Gläser, J., Laudel, G. (2010). Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse als Instrumente rekonstruierender Untersuchungen (4. Aufl.). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Handelsblatt (2012, 28. Februar). Griechenland ist teilweise zahlungsunfähig. Online (09.04.2012): http://www.handelsblatt.com/finanzen/boerse-maerkte/anleihen/standard-und-poorsgriechenland-ist-teilweise-zahlungsunfaehig/6262242.html IMF (a). About the IMF. Who we are. Members’ Date of Entry. Online (22.04.2012): http://www.imf.org/external/np/sec/memdir/memdate.htm IMF (b). Data and Statistics. De Facto Classification of Exchange Rate Regimes and Monetary Policy Framework. Online (22.04.2012): http://www.imf.org/external/np/mfd/er/2006/eng/0706.htm KOF. Indikatoren. Monetary Policy Communicator. Online (20.05.2012): http://www.kof.ethz.ch/indikatoren/monetary-policy-communicator/ Krugman, P. R., Obstfeld, M. (2009). Internationale Wirtschaft. Theorie und Politik der Aussenwirtschaft (8. aktualisierte Aufl.). München: Pearson Studium. Leitzinsen.info. Zinsvergleich Eurozone / USA. Online (09.04.2012): http://www.leitzinsen.info Mankiw N. G. (2003). Makroökonomik (5. überarbeitete Aufl.). Stuttgart: Schäffer-Poeschel Verlag. Mankiw, N. G., Taylor, M. P. (2008). Grundzüge der Volkswirtschaftslehre (4. Aufl.). Stuttgart: Schäffer-Poeschel Verlag. Müller, A. (2012, 12. April). Flucht in den Franken. Handelszeitung, S. 25. Organisationsreglement der Schweizerischen Nationalbank vom 14. Mai 2004, SR 951.153. Passardi, M., Jans, A. (2010, 14. April). Der Stabfund in Zahlen. Finanz & Wirtschaft, S. 25. Ragaz, J. (2008). Nationalbank Interventionen: Unter dem Aspekt der aktuellen Immobilienkrise in den USA. Bern: Haupt Verlag. 67 Bachelorarbeit Stefan Reinli Schweizerische Nationalbank (a). Die SNB. Geschichte. Geld- und Währungspolitische Chronik. Online (15.04.2012): http://www.snb.ch/de/iabout/snb/hist/id/hist_wpc Schweizerische Nationalbank (b). Glossar. Online (07.04.2012): http://www.snb.ch/de/system/glossary Schweizerische Nationalbank (c). Publikationen. Referate. 06.09.2011: Einführung eines Mindestkurses des Frankens gegenüber dem Euro. Online (09.04.2012): http://www.snb.ch/de/mmr/speeches/id/ref_20110906_pmh Schweizerische Nationalbank (d). Die SNB. Aufbau und Organisation. Unabhängigkeit, Rechenschaftspflicht und Verhältnis zum Bund. Online (07.04.2012): http://www.snb.ch/de/iabout/snb/org/id/snb_org_indep Schweizerische Nationalbank (e). Die SNB. Aufsichts- und Leitungsorgane. Bankrat. Online (29.05.2012): http://www.snb.ch/de/iabout/snb/bodies/id/snb_bodies_council Schweizerische Nationalbank (f). Die SNB. Aufsichts- und Leitungsorgane. Erweitertes Direktorium. Online (29.05.2012): http://www.snb.ch/de/iabout/snb/bodies/id/snb_bodies_enlarg Schweizerische Nationalbank (g). Die SNB. Aufbau und Organisation. Organigramm. Online (07.04.2012): http://www.snb.ch/de/mmr/reference/organigramm/source Schweizerische Nationalbank (h). Die SNB. Ziele und Aufgaben der Nationalbank (Kurzübersicht). Online (07.04.2012): http://www.snb.ch/de/iabout/snb/id/snb_tasks Schweizerische Nationalbank (i). Publikationen. Referate. 06.05.2009: Geldpolitik ohne Grenzen – Vom Kampf gegen die Internationalisierung des Frankens zur Internationalisierung der Geldpolitik. Online (15.04.2012): http://www.snb.ch/de/mmr/speeches/id/ref_20090506_jpr Schweizerische Nationalbank (j). Publikationen. Referate. 23.11.2004: Vom Monetarismus zur Inflationsprognose: Dreissig Jahre Schweizerische Geldpolitik. Online (15.04.2012): http://www.snb.ch/de/mmr/speeches/id/ref_20041123_pmh 68 Bachelorarbeit Stefan Reinli Schweizerische Nationalbank (Hrsg.). (2007). Die Schweizerische Nationalbank 1907-2007. Zürich: Verlag Neue Zürcher Zeitung. Schweizerische Nationalbank. (2008). 100. Geschäftsbericht 2007. Zürich. Schweizerische Nationalbank. (2008). Quartalsheft 4/2008. Zürich. Schweizerische Nationalbank. (2009). 101. Geschäftsbericht 2008. Zürich. Schweizerische Nationalbank. (2010). 102. Geschäftsbericht 2009. Zürich. Schweizerische Nationalbank. (2011). 103. Geschäftsbericht 2010. Zürich. Schweizerische Nationalbank. (2011). Ein Kurzportrait. Zürich. Schweizerische Nationalbank. (2012). 104. Geschäftsbericht 2011. Zürich. Schweizerische Nationalbank. (2012). Quartalsheft 1/2012. Zürich/Bern. Schweizerische Nationalbank. (2012). Statistisches Monatsheft 5/2012. Zürich. Spiegel Online (2009, 08. Dezember). Rating-Agentur Fitch. Griechenland büßt an Kreditwürdigkeit ein. Online (09.04.2012): http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,665890,00.html Straumann, T. (2011, 14. Januar). Der Coup von 1978. Tages-Anzeiger. Online (15.04.2012): http://blog.tagesanzeiger.ch/nevermindthemarkets/index.php/2304/der-coup-von-1978/ Suedostschweiz.ch (2012, 08. März). Inficon profitiert vom starken Franken. Online (09.04.2012): http://www.suedostschweiz.ch/wirtschaft/inficon-profitiert-vom-starken-franken Verordnung zum Bundesgesetz über die Schweizerische Nationalbank [NBV] vom 18. März 2004, SR 951.131. Vischer, F. (2010). Geld- und Währungsrecht im nationalen und internationalen Kontext. Basel: Helbing Lichtenhahn. 69 Bachelorarbeit Stefan Reinli Anhang Anhang 1: Interviewleitfaden................................................................................................ 71 Anhang 2: Transkription Interview Christian Honegger, UBS ............................................... 73 Anhang 3: Transkription Interview Mathias Zurlinden, SNB ................................................. 82 Anhang 4: Transkription Interview ehemaliger Leiter Risk Management Group Treasury, UBS ......................................................................................... 88 Anhang 5: Transkription Interview Werner Vontobel, Wirtschaftsjournalist........................... 99 Anhang 6: Transkription Interview Leiter Finanzen einer Regionalbank ............................. 110 Anhang 7: Gedächtnisprotokoll Interview Ralph Peter, Zuger Kantonalbank ..................... 125 Anhang 8: Index der Interviewauswertung ......................................................................... 129 70 Bachelorarbeit Stefan Reinli Interviewleitfaden Forschungsfrage Welches sind die Auswirkungen eines Euro-Mindestkurses auf die Schweizer Volkswirtschaft in mittel- und langfristiger Sicht? Ziel der Untersuchung Eine Abschätzung der volkswirtschaftlichen Folgen der aktuellen SNB-Währungspolitik. Ziel des Interviews Eine Erhebung von Einschätzungen diverser Experten rund um das Thema Wechselkursziel. Leitfaden - Welches sind kurz zusammengefasst Ihre aktuellen Aufgaben an Ihrem Arbeitsplatz? - Wie haben sich diese Aufgaben verändert nach dem Wechselkursziel der SNB vom 6. September 2011? - Was sind Ihrer Meinung nach bereits sichtbare Auswirkungen des Mindestkursziels… - …auf private Haushalte? - …auf Banken? - …auf andere Unternehmen? - …auf die SNB? - …auf den Staat? - Aus dem Vorgehen der SNB resultiert eine massive Geldmengenerhöhung, welche die Inflationsgefahr steigen lässt. Wie wahrscheinlich ist Ihrer Meinung nach eine kommende Inflation? - Wie stark würde diese Inflation ausfallen? - Welches wären die Folgen einer Inflation für die verschiedenen Subjekte der Volkswirtschaft? - Mit welchen Massnahmen könnte man einer kommenden Inflation entgegenwirken? - Was wären neben dem Einfluss auf die Inflation weitere Folgen dieser Massnahmen? - Zurück zur Geldmengenerhöhung. Sehen Sie neben einer (möglichen) Inflation weitere direkte und indirekte Folgen? 71 Bachelorarbeit Stefan Reinli - Sollte Ihrer Meinung nach das Wechselkursziel verändert werden? - Weshalb? - Wie stehen die Chancen auf eine baldige Anpassung des Wechselkursziels? - Wie sieht ein Ende des Wechselkursziels aus? - Wie beurteilen Sie das aktuelle Leitzins-Niveau? - Wie wird sich der Leitzins über kurze und lange Zeit verändern? - Was wären die Folgen dieser allfälligen Veränderung? - Ist die Situation rund um das Wechselkursziel von 1978 vergleichbar mit heute? - Können aus diesen vergangenen Ereignissen Lehren für die jetzige Situation gezogen werden? - Wie beurteilen Sie das Verhalten der SNB rund um den starken Franken? - Inwiefern kann die SNB allein mittels gezielter Kommunikation die Märkte beeinflussen? - Hat sich die volkswirtschaftliche Rolle der SNB oder deren Interpretation in den letzten Jahren gewandelt? - Wie beurteilen Sie einen möglichen Wandel? - Gibt es aus Ihrer Sicht wichtige Aspekte zum Thema, die noch nicht angesprochen wurden? 72 Bachelorarbeit Stefan Reinli Transkription Interview Christian Honegger, UBS, vom 1. Mai 2012 1 Was sind Ihre Aufgaben am Arbeitsplatz, ganz grob zusammengefasst? 2 Ich arbeite im Group Treasury und dort im Structural FX, das heisst bei uns dreht sich al- 3 les um Fremdwährungspositionen. Wir sichern Gewinne und Verluste der Bank ab, also 4 alles was fürs Bankenbuch ist und nicht Trading-bezogen. Wir sind bei Investitionen in- 5 volviert, die in fremden Ländern oder fremden Gesellschaften getätigt werden, bei denen 6 ein Wechselkurs gebraucht wird. Wir sichern die Gewinne und Verluste der Bank auch 7 für die Zukunft ab mittels Devisenoptionen. Zudem machen wir das Investment of Equity. 8 Das hat nichts mit Equities zu tun, es handelt sich hier um das Equity der Bank, welches 9 strukturell in anderen Währungen ist und durch uns angelegt wird. Wir machen das gan- 10 ze FCT [Foreign Currency Translation], also wir sichern die Investments der Bank ge- 11 genüber Wechselkursschwankungen ab. Das heisst, Investments in anderen Tochterge- 12 sellschaften im Ausland. Ja das sind so in etwa die Aufgaben, die wir machen. 13 Jetzt hat ja die SNB am 6. September das Mindestkursziel von Fr. 1,20 zum Euro festgelegt. 14 Ich nehme an, das hatte einen Einfluss auf Ihre Arbeit? 15 Ja, das hat insbesondere einen Einfluss auf das Future Profit Hedge. Da kann man sa- 16 gen, alles was in Euro-Schweiz ist, da kann man sich die Optionsprämie sparen, um das 17 abzusichern. 18 Weil es im Prinzip alles voraussehbar ist? 19 Ja genau. Seit dem 6. September hat man ja keine grossen Kursschwankungen mehr 20 erwartet im Euro-Schweiz. Von daher mussten wir erwartete zukünftige Gewinne in Euro 21 nicht mehr absichern. 22 Dadurch, dass der Kurs jetzt bei 1,20 fixiert ist, bewegen sich die weiteren Währungen 23 zum Franken teilweise anders. Euro-Dollar zum Beispiel ist sicher ein starkes Paar, das 24 gehandelt wird. Das hat dann auch zur Folge, dass man Kursmeinungen revidieren 25 musste. Wenn man jetzt zum Beispiel ein Dollar-Bär war und erwartet hat, dass der Dol- 26 lar nicht unbedingt gut dasteht gegenüber dem Schweizerfranken, aber dann gegenüber 27 dem Euro gestiegen ist, dann ging auch der Dollar-Schweiz rauf und nicht runter. Das 28 sind sicher auch Impacts, die aufgrund der Koppelung zum Tragen kommen. 29 Wenn wir jetzt auf die ganze Schweizer Volkswirtschaft schwenken, was erwarten Sie für 30 Auswirkungen des Mindestkurses auf die privaten Haushalte? 31 Bei privaten Haushalten ist der absolute Level vom Euro-Schweiz für Leute, die an der 32 Grenze wohnen attraktiv, um nach Deutschland, Italien, Frankreich einkaufen zu gehen. 33 Auch in der Schweiz haben sich Unternehmen etwas einfallen lassen müssen. Man hört 34 ja immer von Euro-Rabatt bei Autos, Möbel und so weiter. Das andere ist natürlich, mit 73 Bachelorarbeit Stefan Reinli 35 einem Mindestkurs bei 1,20 – wir haben ja ein tiefes Zinsumfeld, da sind wir praktisch 36 bei null – muss die SNB die Zinsen tief halten, sonst wird der Schweizerfranken attrakti- 37 ver, wenn die Frankenzinsen steigen würden. Das heisst, die Leute können sich günstig 38 finanzieren, vor allem Häuser, die werden ja mit Hypotheken fremdverschuldet. Dort hat- 39 te man sicher auch einen Impact dadurch, dass die Zinsen relativ tief sind. Viele Leute 40 überlegen sich dann, sich ein Eigenheim zu leisten. Ich denke, dass sind sicher Auswir- 41 kungen. Vielleicht auf der anderen Seite auch Pensionskassen, die haben es momentan 42 auch schwer, im tiefen Zinsumfeld eine ansprechende Rendite zu erzielen. Und das geht 43 ja dann auch wieder ins Private rein. 44 Die Unternehmen haben Sie schon angesprochen, da muss man die Kunden locken, damit 45 die noch in der Schweiz einkaufen, weil sie sonst ins Ausland gingen. Gibt es da noch weite- 46 re Sachen, die auf die Unternehmen zukommen, eher jetzt vom Abschluss, vom Finanziellen 47 her? 48 Bei Unternehmen denke ich im Moment, dass der stabile Euro-Schweiz in der Budgetie- 49 rung hilft. Ich denke auch, als der Mindestkurs festgelegt wurde, handelte der Euro- 50 Schweiz noch einiges tiefer – wir waren ja praktisch bei Parität und im Vorfeld hat die 51 SNB den Euro gestützt und danach mit dem Mindestkursziel – jetzt können gewisse Un- 52 ternehmen wieder etwas mehr Gewinn schreiben, dadurch dass der Euro bei 1,20 ist. 53 Es ist also hauptsächlich positiv? 54 Ja klar, aber wir sind ehrlicherweise immer noch auf einem tiefen Niveau – wenn die 55 SNB nicht eingegriffen hätte, dann wären wir jetzt irgendwo rund um die Parität 56 Was sind die Einflüsse dieses Mindestkurses auf die SNB selber? 57 Mit dem Mindestkurs und auch den Aktionen im Vorfeld, das hat ein Ungleichgewicht in 58 Ihre Bilanz gebracht. Die Investments in Fremdwährungen sind massiv gestiegen. Auch 59 im Vergleich zum internationalen Standard kann man sagen, dass die SNB jetzt über- 60 proportional in Fremdwährungen investiert ist. Ich denke, das ist ein Level, der in etwa 61 China hat, oder sonst irgendwelche Ölexport-Staaten, die praktisch zu 100% in anderen 62 Währungen sind. Das hat sicher dort irgendwelche Auswirkungen auf die SNB. Dadurch, 63 dass sie jetzt relativ stark in Fremdwährungen investiert ist, haben natürlich auch kurz- 64 fristige Wechselkursschwankungen einen Einfluss auf ihre Bilanz. Es kann sein, dass sie 65 dort noch weitere Verluste schreiben wird und noch mehr Druck aufkommen wird, was 66 weitere Eingriffe nötig macht. 67 Gibt es besondere Sachen, welche die Banken schon machen mussten, wie zum Beispiel 68 Anpassungen aufgrund des Wechselkursziels? 69 Bei Banken haben sicher die tiefen Zinsen einen Einfluss. Es ist schwierig, die tiefen 70 Zinsen auf der Passivseite weiterzugeben, da kann man ja nicht unter null gehen. Und 74 Bachelorarbeit Stefan Reinli 71 auf der Aktivseite versuchen sie, etwas zu verkaufen. Die Zinsmarge ist natürlich durch 72 den tiefen Zins massiv geschrumpft. 73 74 75 Also wird es schwieriger, im Zinsdifferenzgeschäft Geld zu verdienen? Auf jeden Fall. Gibt es bereits Sachen, die auf den Staat zugekommen sind, wegen dem Wechselkursziel? 76 Ich denke, am Schluss hat alles einen Einfluss auf den Staat, aber so genau habe ich 77 mir das jetzt nicht überlegt 78 Aber wenn die ganze Volkswirtschaft in Bewegung ist, spürt der Staat das auch? 79 Ja genau. Meistens hat es dann auf die eine oder andere Seite einen Einfluss auf den 80 Staat. 81 Die SNB hat ja schlussendlich eine massive Geldmengenerhöhung betrieben. Und, ich glau- 82 be das kann man vorwegnehmen, die Inflationsgefahr steigt dadurch. Wie wahrscheinlich ist 83 das Ihrer Meinung nach? 84 Es ist grundsätzlich schwierig abzuschätzen, was da alles noch auf uns zukommt. Ich 85 denke, am Schluss hängt es ja nicht nur von der SNB selber ab. Es ist ja eine Weltwirt- 86 schaftskrise. Und wie viel Geld die SNB drucken muss, um den Euro zu stützen, ist ab- 87 hängig von der Euro-Schuldenkrise sowie von der Konjunktur in den USA. Am Schluss 88 kommt es drauf an, mit wie viel Geld die SNB intervenieren muss. Und danach natürlich 89 auch, wie es ihr gelingt, die Geldmenge wieder zu reduzieren. Das wird dann vermutlich 90 auch nicht einfach. 91 Darauf komme ich dann gerne nochmals zurück. Das heisst also, die Inflation wird kommen? 92 Ich denke, im Moment ist es noch etwas früh. Man sieht ja noch keinen grossen Preis- 93 anstieg, ausser jetzt gerade im Hypothekarmarkt. Aber der ist ja glaub ich ausgeschlos- 94 sen von der Preisstabilitätsrechnung. Ich habe aber nicht das Gefühl, dass die Preise in 95 einem massiven Teuerungsdruck sind und ich denke, das wird noch einen Moment 96 brauchen, bis das kommen wird. Es ist schwer abzuschätzen, ob und wie hoch die Infla- 97 tion kommen wird. Ich denke, in den nächsten ein bis zwei Jahren wird das noch nicht 98 der Fall sein. 99 Die importierte Inflation ist sicher auch ein Thema, was zum Beispiel von den USA im- 100 101 portiert wird. Das heisst, bestenfalls hätten wir gar keine Inflation. Was passiert schlimmstenfalls? 102 Schlussendlich kann es auch zu einem deflationären Environment kommen. Das Ganze 103 ist wohl nicht abhängig davon, was die Schweiz und die SNB mit dem Wechselkurs 104 macht, sondern was im Euro-Raum und im Rest der Welt passiert. Wenn ich ganz ehr- 105 lich bin, denke ich da kommt nochmals ein relativ grosser Druck aus der Euro-Zone auf 106 uns zu. Und dann stellt sich die Frage, ob die SNB dem standhalten kann oder nicht. 107 Was denken Sie, kann sie das? 75 Bachelorarbeit Stefan Reinli 108 Grundsätzlich habe ich das Gefühl, dass früher oder später mehr Druck auf den Kurs 109 kommen wird und dass man dann von diesem Mindestkurs absehen muss. Man wird 110 das Ziel auflösen oder tiefer ansetzen müssen. 111 Der Schweizerfranken profitiert am Schluss auch von „Save Haven Flows“ und ich den- 112 ke, wenn sich das nochmals verschärft, dann kann hier nochmals Druck aufkommen. Bis 113 jetzt hat das die SNB sehr gut gemacht und mit wenig Geld halten können. Sagen wir 114 mal, zumindest in dem Zeitraum, indem sie die 1,20 verteidigt hat. 115 Dann war es nicht besonders teuer bis jetzt? 116 Nein, ich denke, was es braucht ist die Kredibilität, dass sie das machen, und das haben 117 sie dazumal auch sehr gut kommuniziert, dass sie das mit unlimitierten Geldmengen 118 verteidigen werden. Da war die Kommunikation relativ stark. Man hat gesehen, an die- 119 sem Tag ist der Kurs von 1,12 – wenn ich es recht in Erinnerung habe – sprunghaft auf 120 1,24 gestiegen. Was es auch braucht sind tiefbleibende Zinsen, nicht dass da Erwartun- 121 gen steigender Zinsen aufkommen. Das würde dann den Schweizerfranken auch wieder 122 attraktiver machen. Zudem ist der Level des Euro-Schweiz auch massgeblich. Der 123 Schweizerfranken muss quasi überbewertet sein, um diese Kredibilität zu haben. Das 124 heisst, als die SNB beim Level von 1,45 das Ganze gemacht hat, da war sie eine Spur 125 zu früh. Sie haben es auch nicht mit derselben Determination gemacht. Das Ganze ist 126 auf einem Level von 1,20 wesentlich erfolgreicher als es dazumal war, als sie bei 1,45 127 Geld in die Hände nahmen. 128 Ich habe gelesen, die Kaufkraftparität wäre bei rund 1,40, soweit man das abschätzen kann. 129 Aber Ihrer Meinung nach müsste man gar nicht versuchen, diesen Level zu erreichen? 130 Wir können ja die Frage vorneweg nehmen, ob das Wechselkursziel verändert werden 131 soll. Ich nehme an, da meinen Sie hauptsächlich nach oben? 132 133 134 Nun ja, Sie haben vorhin gesagt, es werde wohl eher nach unten korrigiert. Ich rechne nicht damit, dass die SNB den Level nach oben korrigieren wird. Aus welchem Grund? 135 In der Schweiz haben wir momentan ein solides Umfeld. Wir haben noch keine grosse 136 Arbeitslosigkeit. Der Impact auf die ganze Wirtschaft, so denke ich, ist nicht besonders 137 gross. Es hat sicher einen Impact auf die Exportwirtschaft. Aber die Schweiz ist auch 138 sehr stark vertreten im Dienstleistungssektor, zum Beispiel mit Banken, im Manufac- 139 turing usw. Das andere ist der nachhaltige Druck der Euro-Zone, wenn die SNB höher 140 geht als die 1,20, dann wird sie wohl angegriffen von anderen Leuten, seien das Hedge 141 Funds oder andere Spekulanten. Viele Leute werden dieses Niveau sicher sofort aus- 142 nützen, um Absicherungen zu machen. Da wird ein relativ starker Druck aufkommen. Ich 143 habe das Gefühl, die Kaufkraftparität, alle die Kennzahlen, die geben eine Zahl an, aber 144 ich habe intuitiv nicht das Gefühl, dass der Euro bei 1,40 gegenüber dem Schweizer76 Bachelorarbeit Stefan Reinli 145 franken im aktuellen Umfeld erfolgreich sein kann. Das würde dann die SNB und die 146 Schweiz relativ viel Geld kosten. 147 Knüpfen wir doch gleich hier an. Irgendwann muss man ja das Wechselkursziel wieder auf- 148 heben. Oder nicht? Kann man das über längere Zeit stehen lassen? 149 Grundsätzlich ist es abhängig davon, was in der Weltwirtschaft läuft. Persönlich habe ich 150 das Gefühl, der Druck wird bleiben. Im Moment habe ich nicht das Gefühl, dass eine 151 nachhaltige Erholung da ist, weder irgendwo im Euro-Raum, noch in Amerika, in Gross- 152 britannien oder in Japan. Ich denke, da wird der Druck gross bleiben. Ich persönlich ha- 153 be im Moment das Gefühl, dass die SNB früher oder später – ich würde sagen nicht ge- 154 rade früher, aber sicher mittelfristig – nochmals massiv Geld in die Finger nehmen muss, 155 um den Level zu verteidigen. Und dann wird sich die Frage stellen, ob sie das machen 156 will oder nicht. Beziehungsweise wie viel Geld sie in die Finger nehmen will, um das zu 157 verteidigen. 158 Was ist, wenn die SNB den Level nicht verteidigen will? Was wären da die Folgen? 159 Auf den Wechselkurs bezogen ist es klar, da wird der Euro gegen den Franken noch- 160 mals eine Einbusse haben. Ich rechne damit, dass es nochmals zur Parität kommen 161 würde und sich dort irgendwo stabilisieren wird. 162 Rein hypothetisch: Nehmen wir an, die Wirtschaft erholt sich, die ganze Situation sieht wie- 163 der etwas besser aus. Und der eigentliche Euro-Franken-Kurs ist irgendwo bei 1,20 bis 1,25, 164 dann könnte man dieses Wechselkursziel ja aufheben? 165 Ja dann grundsätzlich schon. 166 Wie würde die SNB das machen? 167 Wenn es so ist, dass sich die Weltwirtschaft erholt, dann würden automatisch wieder 168 Flüsse in den Euro-Raum gehen. Sei es, weil die SNB wieder mit den Zinsen steigt, oder 169 aus Gründen zunehmender Investitionen im Euro-Raum. Aus diesen Gründen würde die 170 Nachfrage nach mehr Euro automatisch steigen und dies würde den Kurs wieder anhe- 171 ben. In einem Umfeld, in dem wieder alles rosig ist, da bräuchte es nicht einmal eine 172 ausgeprägte Kommunikation. Man könnte dann einfach sagen, das Ziel sei erreicht, al- 173 les ist wieder stabilisiert und von jetzt an kann man den Markt wieder spielen lassen. 174 175 Dann könnte man das als Wunschvorstellung betrachten? Ja auf jeden Fall. Aber im Moment denke ich nicht, dass es so kommen wird. 176 Sie haben bereits den Leitzins und das allgemeine Zinsniveau angesprochen. Das ist mo- 177 mentan bei null. Wird sich das also nicht verändern, wenn Sie denken, dass die ganze Lage 178 angespannt bleibt? 179 Ja, also grundsätzlich rechne ich schon damit, dass der Leitzins für längere Zeit tief blei- 180 ben wird. Dies vor allem wieder in Abhängigkeit zu anderen Märkten. Erst letzte Woche 181 wurde vom Fed. bekräftigt, dass man die Zinsen bis Mitte 2014 tief halten wird. Das wird 77 Bachelorarbeit Stefan Reinli 182 auch im Euro-Raum der Fall sein. Da wird kein grosser Anstieg kommen. Gewisse Ar- 183 beitsmarkt-Zahlen aus den USA haben sich nach einem kurzfristigen Hoch wieder etwas 184 verschlechtert. Nachdem man für ein bis zwei Monate annahm, dass das Fed. mit dem 185 Quantitative Easing nicht weitermachen wird, kommen jetzt bereits wieder Stimmen auf, 186 dass sie dort etwas machen müssen. Aufgrund dieser Entwicklungen rechne ich nicht 187 damit, dass der Leitzins demnächst ansteigen wird. 188 Jetzt mache ich nochmal einen Sprung nach vorne zur Inflation. Falls wir eine Inflation hät- 189 ten, was für Massnahmen könnte man ergreifen, um die Inflation möglichst im Rahmen zu 190 halten? 191 Grundsätzlich bin ich ja nicht ökonomischer Spezialist, aber ich denke das wären dann 192 Massnahmen aus dem ökonomischen Lehrbuch. Inflation herrscht ja grundsätzlich dann, 193 wenn mehr Geld vorhanden ist als Güter und sich dadurch der Preis der Güter verteuert. 194 Logische Konsequenz daraus wäre, dass man versucht, den Umlauf der Geldmenge 195 wieder zu reduzieren. 196 Also Geld wieder aus dem Kapitalmarkt abschöpfen. 197 Genau. Das Problem ist, es ist nicht unbedingt einfach. Es kann dann schnell zu einer 198 Deflation kommen. Mit der Inflation verlieren dann die Sparer ihr Geld. Es wird auch eine 199 Senkung der Reallöhne zur Folge haben, dadurch dass die Güter teuer werden. Die 200 Schere zwischen reich und arm kann sich dann ausweiten. Ich denke, dass wäre dann 201 der Fall, denn die Reichen haben sicher ein besser diversifiziertes Portfolio. Die haben 202 Assets, die sicher weniger unter Inflation leiden würden, also quasi im Wert steigen wür- 203 den. 204 205 206 207 Dann wären auch die Eigenheimbesitzer im Vorteil? Auf jeden Fall… …und das in einer sonst schon angespannten Immobilienphase? Genau. Und wer sich verschuldet hat, ist dann generell in einer vorteilhafteren Situation. 208 Dann möchte ich noch ein bis zwei Fragen stellen zum Jahr 1978. Da weiss ich natürlich 209 nicht, wie gut Sie sich da auskennen, was da so alles passiert ist. 210 Ja das hält sich etwas im Rahmen. So wie ich das vernommen habe, hat der Schweizer- 211 franken relativ schnell – innerhalb von etwa 3 Wochen – rund 20% verloren. Im ersten 212 Moment, so denke ich, hat es relativ gut ausgesehen, aber etwa 3 Jahre später ging 213 dann die Inflation relativ stark in die Höhe. Das hat dann die SNB zu einem schärferen 214 Bremsmanöver mit steigenden Zinsen veranlasst. Dadurch kamen dann viele Hausbe- 215 sitzer unter Druck, die steigenden Hypothekarzinsen aufzubringen. 216 Im jetzigen Umfeld sind wir wahrscheinlich noch entfernt von einer Überhitzung es Hypo- 217 thekarmarktes. Ich denke nicht, dass es in den nächsten Jahren zu einer Überhitzung 218 kommen wird. Ich denke schon, dass hier noch Potenzial herrscht, dass sich die Preise 78 Bachelorarbeit Stefan Reinli 219 etwas mehr nach oben entwickeln. Sicher auch mit der Aussicht, die ich vorhin gab, 220 dass die Zinsen vermutlich nicht so schnell ansteigen werden. 221 Kann man generell etwas lernen aus den Ereignissen Ende der 1970er- und Anfang der 222 1980er-Jahre? 223 Wie gesagt, ich habe das etwas zu wenig verfolgt, von daher kann ich nicht gross Aus- 224 kunft geben. 225 Das Verhalten der SNB rund um die ganze Thematik, ganz allgemein, wie beurteilen Sie 226 das? Hat sie in jeder Situation richtig gehandelt? 227 Das ist schwer zu sagen. Wie vorhin schon erwähnt denke ich, im ersten Moment, als 228 die Krise begann bei einem Level von rund 1,50, da sind sie zu früh gekommen – haben 229 unnötig Geld in die Hände genommen, denn die Aussichten waren relativ schlecht. Man 230 hätte mit mehr Preisdruck auf dem Euro beziehungsweise mit mehr „Save Haven Flows“ 231 rechnen müssen. Ich denke, der Level damals war relativ hoch. Sie waren sicher auch 232 zu wenig konsequent, in dem Sinne, dass es nicht funktioniert hat. Sie wurden von ver- 233 schiedenen Seiten angegriffen. Sie hatten das damals nicht so gut gemacht. Auf der an- 234 deren Seite, mit dem Mindestkursziel von 1,20, da ist eigentlich alles gut verlaufen. Ich 235 muss sagen, das ist besser verlaufen, als ich das erwartete. Sie haben das konsequent 236 durchgesetzt, konsequent kommuniziert. Eine Zeit lang wurde der Euro-Schweiz sogar 237 um 1,24 gehandelt, also über dem Kursziel. Da mussten sie also ziemlich relaxt gar 238 nichts machen. Zu Zeiten von Herrn Hildebrand. Der hat sich immer pro Mindestkursziel 239 oder sogar für eine Erhöhung dieses Ziels verhalten. Das Risiko war damals sogar 240 asymmetrisch nach oben – die Leute hatten darauf spekuliert, dass noch etwas kommen 241 wird. Dadurch wurden spekulative Long-Positionen auf dem Euro-Schweiz aufgebaut. 242 Seit Herr Hildebrand weg ist, ist das nicht mehr gross der Fall. Die SNB ist dann An- 243 fangs April beim Level von 1,20 getestet worden. 244 Am Anfang hat ja vieles nur über die Kommunikation und über Personen funktioniert. Also je 245 nachdem, wer gerade Präsident war, konnte man mit gewissen Massnahmen rechnen. Dass 246 waren ja dann alles nicht Aktionen der SNB im eigentlichen Sinne, sondern eher das Verhal- 247 ten gegenüber der Öffentlichkeit. Konnte sie so die Märkte bereits steuern? 248 Ja eben, mit dem Mindestkursziel von 1,20 haben sie das sehr gut gemacht. Sie hatten 249 auch viel Kredibilität vom Markt, deshalb wurde die SNB auch nie richtig getestet. 250 Die Grenze von 1,20 wurde ja jetzt wieder getestet. Man ist wieder sehr nahe am Wechsel- 251 kursziel. Müsste man hier nicht mehr auf die Kommunikation setzen als auf eigentliche Mas- 252 snahmen? 253 Die Kommunikation ist ja eigentlich seit eh und je dieselbe. Wenn es mir recht ist, dann 254 hat sie sogar etwas abgenommen. Früher hatte man kommuniziert, dass der Schweizer- 255 franken massiv überbewertet ist. Im letzten Communiqué war dann der Franken „nur“ 79 Bachelorarbeit Stefan Reinli 256 noch überbewertet. Von daher denke ich, dass man mit dem Level nicht rauf gehen wird. 257 Ich denke nicht, dass es von jetzt an nur über die Kommunikation laufen wird. Denn weil 258 man zwischenzeitlich auf oder sogar unter diesen 1,20 war… Das war ja ein technisches 259 Problem, ich weiss nicht inwiefern Sie das mitverfolgten. Grundsätzlich waren ja diese 260 1,20 nicht unterschritten. Die SNB steht da mit einem Bid von 1,20 und unlimitierten 261 Quantities. Von daher waren wir nicht darunter. Ich finde es aber schade, dass man 262 technisch dann doch irgendwie darunter war, und da ist ein bitterer Nachgeschmack 263 entstanden. Ich weiss jetzt halt auch nicht, wie sie das machen wollen. Ob man vielleicht 264 schon etwas früher hätte dagegen halten sollen, um zu zeigen, dass man da ist. Es hät- 265 te ja gereicht, wenn es bei 1,2020 oder bei 1,2015 gewesen wäre, damit dieses techni- 266 sche Problem nicht stattgefunden hätte. 267 Also müsste man vielleicht inoffiziell sogar versuchen, den Kurs etwas über den 1,20 zu hal- 268 ten, auch wenn man 1,20 kommuniziert? 269 270 Ja nein, es ist halt ein schwieriges Thema. So hätte man ja noch einen gewissen Puffer? 271 Also ich hätte da schon vorher mal etwas gemacht. Aber wie gesagt, es ist schwer. Auf 272 der anderen Seite könnte man es ja mal durchrasseln lassen und dann wieder auf 1,20 273 nehmen, damit all die Spekulanten ausgebremst werden und sich die Finger verbren- 274 nen. So überlegen sie es sich das nächste Mal vielleicht zwei Mal, ob sie wieder kom- 275 men sollen. Aber das kostet dann wieder Geld. Und ich weiss auch nicht, ob das ethisch 276 korrekt ist oder nicht. Ich weiss nicht, wie da die Regeln sind, die sich die SNB macht, 277 also wie man sich bewegt in diesem Umfeld. 278 Das ist aber ein interessanter Ansatz. Hat sich die volkswirtschaftliche Rolle der SNB verän- 279 dert in der letzten Zeit? 280 Grundsätzlich ist ihr Ziel ja die Erhaltung der Preisstabilität, und das haben wir ja. Von 281 daher denke ich nicht, dass sich die Rolle verändert hat. Ich habe mich allerdings ge- 282 fragt, ob die SNB das machen soll oder nicht. Unter dem Strich finde ich, jede Art der In- 283 tervention in einem freien Markt widerspricht sich etwas. Ich dachte, die Devisenmärkte 284 wären freie Märkte, deshalb hätte ich nicht gross etwas gemacht. Aber ich kann verste- 285 hen, dass der politische Druck gross geworden ist sowie auch der Druck der Unterneh- 286 men gestiegen ist. Ein weiterer Grund ist sicher, gerade für die 1,20, falls sich das Gan- 287 ze strukturell verändert und der Druck weiterhin gross bleiben wird, müssen sich wohl 288 die Unternehmen anpassen. Sie müssen schauen, dass sie mit der neuen Situation, mit 289 diesen Wechselkursschwankungen umgehen können und so auch ihre Kostenstruktur 290 anpassen. Dies, um notfalls auch mit einem Kurs Euro-Schweiz von 1,00 leben zu kön- 291 nen. 80 Bachelorarbeit Stefan Reinli 292 Also, auch wenn jetzt eine Art Lobbyismus entbrannt ist und man versucht, die SNB für sich 293 zu instrumentalisieren – um das etwas überspitzt zu sagen – ist es doch so, dass die SNB im 294 Zentrum steht und sich alle anderen anpassen müssen und nicht umgekehrt. Kann man das 295 so zusammenfassen? 296 Wie meinen Sie, dass die SNB im Zentrum steht? 297 Also die SNB macht, was sie für richtig hält, und alle anderen, Politik und Unternehmen, 298 müssen damit klar kommen. 299 Nein ich denke schon, dass die SNB das auf Druck der Politik gemacht hat und nicht 300 aus Eigenregie. Sie haben sicher auch das Wohl der Schweiz im Hinterkopf. Aber ich 301 weiss nicht, ob sie ohne den politischen Druck etwas gemacht hätten oder ob es viel- 302 leicht länger gedauert hätte, bis sie etwas gemacht hätten. 303 Kann das auch mit Personen zu tun haben, die in der SNB sind? Dass vielleicht andere Per- 304 sonen an der Spitze anders reagiert hätten? 305 Das ist schwierig zu sagen. Ich habe das zu wenig verfolgt. Aber es ist sicher so, seit 306 Herr Hildebrand ging, hatte der Euro-Schweiz nie wieder die 1,24 gesehen. Und als er 307 noch da war, waren wir mehrere Male in Richtung 1,25 gegangen, auch im Hinblick da- 308 rauf, dass die SNB den Level auf 1,25 erhöhen wird. So wie ich es aus den Medien ver- 309 standen habe, war Herr Hildebrand die treibende Kraft. Und als er nicht mehr da war, 310 hatten die Leute der SNB etwas anders reagiert. Also seit damals ist die Spekulation um 311 einen Increase dieses Levels abgeflaut. 312 Wie beurteilen Sie die Tatsache, dass die SNB auf Druck der Politik reagierte? 313 Wie gesagt, bei einem freien Markt müsste man sich so wenig wie möglich einmischen. 314 Und die Unternehmen müssen sich langfristig anders organisieren können. Nicht, dass 315 man abhängig ist von einer SNB, die den Kurs stützt. 316 Also hätte die SNB dem Druck standhalten sollten und eher nicht reagieren, rein nach dem 317 Prinzip des freien Marktes? 318 Ja das sind natürlich ganz unterschiedliche Faktoren, die hier reinspielen. Ich kann es 319 nachvollziehen, ich war bei dieser Entscheidung etwa 50:50. Von daher, ich kann nach- 320 vollziehen, dass das gemacht wurde. Aber ich hätte auch nichts dagegen gehabt, wenn 321 nach dem Prinzip des freien Marktes nichts passiert wäre. 322 Also wäre auch das Ihrer Meinung nach in Ordnung gewesen? 323 Ja es ist halt eine Intervention, und dass wäre meiner Meinung nach nicht unbedingt nö- 324 tig gewesen. 325 Dann bin ich mit meinen Fragen durch. Gibt es von Ihnen aus noch etwas zum Thema, das 326 wir noch nicht angesprochen haben, wovon Sie denken, es wäre noch wichtig? 327 Nein, ich denke das ist so weit ok. Wie gesagt, wenn Sie noch Fragen haben, dürfen Sie 328 gerne auf mich zukommen. 329 Sehr gerne. Gut, dann beende ich hier das Interview. 81 Bachelorarbeit Stefan Reinli Transkription Interview Mathias Zurlinden, SNB, vom 3. Mai 2012 1 Als erstes, was ist Ihre Funktion hier in der SNB? 2 Ich arbeite in der Gruppe „Geldpolitische Analysen“ im Bereich Volkswirtschaft. Wir be- 3 schäftigen uns mit Indikatoren wie Zinssätzen, Wechselkursen, Inflationserwartungen 4 sowie Geld- und Kreditaggregaten. Das sind im Wesentlichen die monetären Indikato- 5 ren. 6 Dann habe ich das Gefühl, ich bin genau richtig bei Ihnen für die Thematik meiner Arbeit. 7 Meine Einstiegsfrage: Was sind Ihre Aufgaben hier bei der SNB? 8 Wir leisten mit der Analyse der monetären Indikatoren einen Beitrag zu den Entschei- 9 dungsgrundlagen des Direktoriums. Dazu kommen verschiedene weitere Aufgaben und 10 Projekte. Zurzeit schreibe ich zusammen mit einer Kollegin an der Dokumentation eines 11 kleinen DSGE [dynamic stochastic general equilibrium] Modells der Schweizer Volks- 12 wirtschaft. 13 Hat sich irgendetwas geändert seit dem 6. September? 14 Die grundsätzlichen Aufgaben bleiben dieselben, auch wenn sich die Fragestellungen 15 natürlich fortlaufend verändern. Eher grössere Veränderungen als bei uns haben sich 16 bei der Implementierung der Geldpolitik ergeben, das heisst im Bereich „Geldmarkt und 17 Devisenhandel“. 18 Das Mindestkursziel, welches wir seit rund einem halben Jahr haben, was sehen Sie jetzt 19 schon für Auswirkungen generell in der Volkswirtschaft? 20 Der Mindestkurs hat die massive Überbewertung des Schweizerfrankens reduziert. Zu- 21 dem hat er die vorher sehr starken Wechselkursschwankungen verringert. Beides hat 22 der Schweizer Wirtschaft geholfen. Wenn wir die Zahlen für das Wirtschaftswachstum 23 anschauen, so sehen wir, dass sich das BIP besser entwickelt hat als man damals be- 24 fürchten musste. Die ersten Schätzungen des SECO für das Wirtschaftswachstum im 4. 25 Quartal 2011 liegen zwar mit 0,4% recht tief. Vor dem Hintergrund des Gesamtbilds der 26 Konjunkturindikatoren möchte ich aber nicht ausschliessen, dass diese Schätzung nach 27 oben korrigiert werden wird. Wir gehen zudem davon aus, dass das Wachstum auch im 28 1. Quartal 2012 positiv war. 29 In welcher Höhe? 30 Das wird davon abhängen, ob gleichzeitig die Schätzung für das 4. Quartal korrigiert 31 wird. Werden die 0,4% für das 4. Quartal unverändert gelassen, so dürfte das Wachs- 32 tum im 1. Quartal gestiegen sein. Für das Jahr 2012 insgesamt erwarten wir zurzeit ein 33 BIP-Wachstum von gegen 1%. Das ist die Zahl, die Nationalbankpräsident Thomas Jor- 34 dan im April an der Generalversammlung der Aktionäre genannt hat. 82 Bachelorarbeit Stefan Reinli 35 Wie sehen Sie die Auswirkungen auf die verschiedenen Branchen der Volkswirtschaft, auf 36 die Banken und den Staat? 37 Die Exportwirtschaft hat vom Mindestkurs den grössten Nutzen gezogen. Indirekt haben 38 aber fast alle Teile der Wirtschaft profitiert. Ohne die Korrektur der Überbewertung des 39 Frankens hätten Produktion und Beschäftigung sicher stärker gelitten als dies effektiv 40 der Fall gewesen ist, zumal mehrere europäische Länder in den letzten beiden Quarta- 41 len einen Rückgang des BIP registrierten. Was die Banken betrifft, so wären im Falle ei- 42 ner Rezession die Kreditausfälle gestiegen. Beim Staat wiederum wären die Steuerein- 43 nahmen gesunken. 44 Können Sie noch etwas zu den privaten Haushalten sagen, was sich dort geändert hat nach 45 dem Mindestkursziel? 46 Umfragen zeigen, dass die Stimmung der privaten Haushalte besser geworden ist. Unter 47 Annahme eines seit August unveränderten Wechselkurses wäre die Arbeitslosigkeit 48 heute wohl höher und die Einkommens- und Beschäftigungsaussichten wären schlech- 49 ter. Keinen Einfluss hatte der Mindestkurs auf das Zinsniveau und damit die Mieten. 50 Beim ganzen Vorgehen der SNB, das Wechselkursziel selber und auch vorher, das kann ich 51 sicher vorne wegnehmen, da resultiert eine massive Geldmengenerhöhung, und das Ganze 52 erhöht dann die Inflationsgefahr. Ist das korrekt soweit? 53 Die Nationalbank hat auf eine Ausdehnung der Geldnachfrage mit einer Ausdehnung 54 des Geldangebots reagiert. Grundsätzlich gibt das noch keine Inflation. Anders ist es, 55 sollte die SNB den Zeitpunkt der rechtzeitigen Abschöpfung der zusätzlichen Liquidität 56 verpassen. Wenn die Geldnachfrage wieder zurückgeht und die Notenbankgeldmenge 57 unverändert hoch bleibt, würde die Inflationsgefahr zunehmen. Auch wenn das Vertrau- 58 en in die Geldpolitik der Nationalbank leidet und die Inflationserwartungen deutlich stei- 59 gen, hätten wir eine Inflationsgefahr. 60 Wenn die SNB das Geldangebot zurücknehmen möchte, weil die Nachfrage nicht mehr so 61 gross ist, wäre das dann das Ende des Wechselkursziels? Wäre das dann in dem Sinne 62 nicht mehr nötig? 63 Der Idealfall wäre natürlich, dass die Gründe, die zur Flucht in den Schweizerfranken ge- 64 führt haben, verschwinden. Dies hätte einen schwächeren Schweizerfranken zur Folge, 65 das heisst der Wechselkurs würde steigen. Der Wechselkurs würde sich vom Mindest- 66 kurs wegbewegen und der Mindestkurs würde an Bedeutung verlieren. Für den Abbau 67 der Liquidität stehen verschiedene Instrumente zur Verfügung. Die Nationalbank kann 68 Devisen verkaufen und SNB-Bills ausgeben. Sie kann auch Repo- und Swapgeschäfte 69 einsetzen. Technisch ist es kein Problem, die Liquidität abzuschöpfen. 70 Was würde bei einer Inflation passieren? Vielleicht je nachdem wie hoch die Inflation ausfal- 71 len würde? 83 Bachelorarbeit Stefan Reinli 72 Die Folgen wären die bekannten Kosten der Inflation. Bei einer Inflation, die nicht antizi- 73 piert ist, verlieren beispielsweise die Anleger mit Obligationen, während die Obligatio- 74 nenschuldner gewinnen. Ausserdem ist die Wiederherstellung der Preisstabilität in der 75 Regel mit temporären Produktions- und Beschäftigungsverlusten verbunden. 76 Wie hoch könnte die Inflation ausfallen? 77 Das hängt sehr stark von den Umständen ab. Man darf zudem nicht vergessen, dass es 78 nicht nur Inflations- sondern auch Deflationsrisiken gibt. Die beiden halten sich zurzeit 79 ungefähr die Waage. Die von KOF, BAK, SECO, IWF, OECD, UBS und CS publizierten 80 Inflationsprognosen für die Schweiz betragen im Durchschnitt -0,3% für das Jahr 2012 81 und 0,8% für das Jahr 2013. Das deckt sich weitgehend mit unseren Erwartungen. 82 Sie haben die Deflation angesprochen. Was müsste passieren, damit es eine Deflation gibt? 83 Negative Shocks, das heisst zum Beispiel eine Rezession in Europa, können dazu füh- 84 ren, dass die Teuerungsraten in den negativen Bereich rutschen. Die Prognosen deuten 85 zurzeit jedoch auf weitgehend stabile Preise hin. 86 Also ist in Zukunft weder eine Inflation noch eine Deflation zu erwarten? 87 Das ist, was die Prognosen zurzeit sagen. Die Unsicherheit ist allerdings sehr gross. Sie 88 ist nach wie vor grösser als vor Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise. 89 Bei dieser Geldangebotserhöhung, was gäbe es da für andere Folgen, wenn eine Inflation 90 nicht zu erwarten ist? Was könnte die Geldangebotserhöhung auf die Volkswirtschaft sonst 91 für Auswirkungen haben? 92 Das Spiegelbild der starken Ausdehnung der Geldmenge sind die historisch tiefen 93 Zinssätze. Daraus ergeben sich Schwierigkeiten bei der Finanzierung der zweiten Säule 94 der Altersvorsorge. Es ist schwierig geworden, mit Obligationenanlagen eine zufrieden- 95 stellende Rendite zu erzielen. Ausserdem steigt mit den tiefen Zinssätzen das Risiko ei- 96 ner Preisblase am Immobilienmarkt. Das Wachstum der Hypothekarkredite ist bereits 97 seit längerer Zeit sehr hoch. Daraus ergeben sich gewisse Sorgen um die Finanzstabili- 98 tät. 99 Wie beurteilen Sie ganz generell das aktuelle Zinsniveau? 100 Die tiefen Zinssätze am Geldmarkt sind zum Teil ein Ausgleich für die Überbewertung 101 des Frankens. Ohne die tiefen Zinssätze wären die monetären Bedingungen bei der ak- 102 tuellen Überbewertung des Frankens zu restriktiv. Natürlich ist die Situation nicht ideal. 103 Im Idealfall hätte man den Wechselkurs nahe bei seinem langfristigen Gleichgewichts- 104 pfad und die Zinssätze auf ihrem normalen Niveau. 105 Wird sich der Leitzins in Zukunft verändern? 106 Gewisse Hinweise ergeben sich aus der Inflationsprognose der Nationalbank, die jeweils 107 im Anschluss an die vierteljährliche geldpolitische Lagebeurteilung publiziert wird. Diese 108 Inflationsprognose basiert auf der Annahme eines über die nächsten zwölf Quartale 84 Bachelorarbeit Stefan Reinli 109 konstanten kurzfristigen Zinssatzes. Die im März publizierte Prognose zeigt, dass die In- 110 flation bei einem bei null gehaltenen Zinssatz nur leicht ansteigen dürfte. Sie liegt am 111 Ende des Prognosehorizonts leicht unter 1% und damit im Bereich der Preisstabilität. 112 Diese bedingte Inflationsprognose impliziert somit die Erwartung, dass der Leitzins noch 113 eine Weile tief bleiben wird. 114 Wenn wir irgendwann wieder einen deutlich höheren Zinssatz haben, was sind dann wiede- 115 rum die Folgen für die Schweizer Volkswirtschaft im generellen? 116 Man versucht, den Zinssatz letztlich so festzulegen, dass die Inflation mittelfristig zwi- 117 schen 0% und 2% liegt und das BIP dem Produktionspotenzial entspricht. Die Zinssätze 118 werden mit anderen Worten gerade soweit angepasst, als dies notwendig ist, um das 119 Schiff auf Kurs zu halten. Idealerweise greift die Geldpolitik mit ihren Zinsanpassungen 120 so ein, dass die Preisstabilität erhalten und die Produktionslücke geschlossen bleibt. 121 Also ist der Zinssatz mehr eine Reaktion auf die Marktverhältnisse und nicht umgekehrt? 122 Der Zins reagiert auf die Wirtschaftslage und beeinflusst seinerseits die Wirtschaftslage. 123 Die Taylor-Regel illustriert dies schön. Der geldpolitische Zinssatz aus der Taylor-Regel 124 reagiert auf Abweichungen vom Inflationsziel und vom Produktionspotenzial. Er wird so 125 gesetzt, dass diese Abweichungen wieder korrigiert werden. 126 Nochmals zum Wechselkursziel. Verstehe ich Sie richtig, dass das Kursziel im Prinzip Ihrer 127 Meinung nach nicht geändert werden müsste? 128 Der Mindestkurs ist ein Instrument für eine Extremsituation, das heisst eine extreme, mit 129 einer Deflationsgefahr verbundene Überbewertung der eigenen Währung. Das war auch 130 1978 so. Es geht nicht um eine Feinsteuerung des Wechselkurses zum Beispiel entlang 131 eines Kaufkraftparitätenpfads. Das wäre zu riskant. Man versucht deshalb nicht, den 132 Mindestkurs beim vermuteten, die makroökonomischen Fundamentalfaktoren wider- 133 spiegelnden Gleichgewichtsniveau festzulegen… 134 …sondern einfach, das schlimmste zu verhindern? 135 Genau. Der Mindestkurs liegt höher als der im August registrierte Wechselkurs, aber tie- 136 fer als der geschätzte Gleichgewichtskurs. Man trägt damit der Unsicherheit über den 137 geschätzten Gleichgewichtskurs Rechnung. Zudem ist damit die Ankündigung, den Min- 138 destkurs mit Interventionen zu verteidigen, glaubwürdiger und die Wahrscheinlichkeit 139 von spekulativen Attacken geringer. 140 Wie steht die Chance auf eine baldige Anpassung des Wechselkurses? 141 Der Schweizerfranken ist nach wie vor deutlich überbewertet. Von daher gibt es sicher 142 Spielraum, dass er sich abschwächt, falls sich die Situation in der Eurozone wieder nor- 143 malisiert und sich eine Lösung der Probleme abzeichnet, die zur Flucht in den Franken 144 geführt haben. 85 Bachelorarbeit Stefan Reinli 145 Und eine Anpassung des Wechselkursziels der SNB, ist es realistisch in näherer Zukunft, 146 dass man von diesen 1,20 nach oben oder unten korrigiert? 147 Darüber muss das Direktorium der Nationalbank entscheiden. 148 Sie haben bereits das Jahr 1978 angesprochen, da hat es eine ähnliche Situation gegeben. 149 Inwiefern ist die heutige Situation damit vergleichbar? 150 Wir hatten auch damals eine massive Überbewertung des Schweizerfrankens. Das Ver- 151 trauen der Märkte in die amerikanische Geldpolitik stand auf einem Tiefpunkt und der 152 Franken gewann sowohl gegenüber dem US-Dollar als auch der Deutschen Mark stark 153 an Wert. Ausserdem legte die Nationalbank die Wechselkursuntergrenze auch damals 154 unter dem vermuteten Gleichgewichtskurs fest. Das sind sicher die Hauptparallelen zu 155 heute. 156 Anfang der 1980er-Jahre hatte man ja dann eine Inflation gespürt, und Sie erwarten jetzt 157 keine Inflation. Wo ist der Unterschied von heute zu damals? 158 Damals war die Situation so, dass die Nationalbank Anfang Oktober 1978 eine Wech- 159 selkursuntergrenze gegenüber der Deutschen Mark ankündigte. Sie musste diesen Min- 160 destkurs zunächst mit umfangreichen Devisenkäufen verteidigen. Die Situation beruhig- 161 te sich aber relativ rasch und der Franken stieg deutlich über den Mindestkurs. Bereits 162 im Verlauf des 1. Quartals 1979 begann man, die Liquidität wieder abzubauen. Im Mai 163 oder Juni lag die Notenbankgeldmenge bereits wieder ungefähr auf dem Niveau vom 164 September 1978. Die zusätzlich geschaffene Liquidität war also nur wenige Monate im 165 Markt. Verschiedene Ökonomen begründen den Anstieg der Inflation zu Beginn der 166 1980er-Jahre deshalb nicht mit dem Mindestkurs, sondern damit, dass die Geldmenge 167 schon vor dessen Ankündigung zu hoch war. Man hat sich damals letztlich einfach ge- 168 täuscht und die Liquidität im Jahr 1979 zu wenig stark zurückgefahren. Wir hoffen natür- 169 lich, wir täuschen uns heute nicht. 170 Hat die SNB gewisse Lehren gezogen aus diesen Ereignissen? 171 Die Wechselkursuntergrenze von 1978 wurde im Allgemeinen positiv beurteilt. Interes- 172 santerweise bezeichnete der damalige Nationalbankpräsident den Mindestkurs im 173 Nachhinein in einem Interview jedoch als Fehler. Er machte damit deutlich, dass ein 174 Mindestkurs kein Allheilmittel ist und mit Risiken verbunden ist. Es fällt zudem auf, dass 175 die Nationalbank in den folgenden drei Jahrzehnten, das heisst praktisch bis 2009 nur 176 sehr selten und zumeist in relativ kleinen Beträgen am Devisenmarkt interveniert hat. 177 Diesen Fragebogen stelle ich auch Leuten, die zum Beispiel von einer Geschäftsbank sind. 178 Da habe ich ja jetzt einen interessanten Vergleich. Die nächsten Fragen sind zur SNB selbst. 179 Ich stelle die Fragen gerne genau gleich auch Ihnen: Wie beurteilen Sie das Verhalten rund 180 um das Wechselkursziel und auch vorher? 86 Bachelorarbeit Stefan Reinli 181 Die Nationalbank hat in einer ausserordentlich schwierigen Situation teilweise unkonven- 182 tionelle Massnahmen getroffen. Der Grund für die unkonventionellen Massnahmen lag 183 unter anderem darin, dass die Geldmarktzinsen bereits nahe null lagen und damit kaum 184 mehr viel weiter gesenkt werden konnten. Im August 2011 war der Franken massiv 185 überbewertet. Gleichzeitig hatte sich die konjunkturelle Lage eingetrübt. Daraus ergab 186 sich eine Bedrohung für unsere Wirtschaft und das Risiko einer deflationären Entwick- 187 lung. Die Nationalbank reagierte damit, dass sie die Frankenliquidität in mehreren Schrit- 188 ten stark ausweitete, um die Zinssätze so weit wie möglich zu senken und den Franken 189 zu schwächen. Der Franken gab zunächst nach, gewann aber unter dem Einfluss anhal- 190 tend negativer Meldungen aus dem Ausland erneut an Stärke. Die Nationalbank sah 191 sich deshalb am 6. September veranlasst, den Mindestkurs von 1,20 gegenüber dem 192 Euro anzukündigen. Aus meiner Sicht ist es für eine abschliessende Beurteilung dieser 193 Massnahmen zurzeit noch zu früh. Dies gilt insbesondere für den Mindestkurs, der ja 194 nach wie vor volle Gültigkeit hat. 195 Es ist ja spannend, dass die SNB alleine mittels Kommunikation auf den Märkten schon eini- 196 ges bewirken kann. Was sagen Sie hierzu? Ist das korrekt? 197 Die Nationalbank kann die monetären Rahmenbedingungen verändern, weshalb die Fi- 198 nanzmärkte genau hinhören, wenn die Nationalbank sich zur Geldpolitik äussert. Der 199 Mindestkurs liefert ein Beispiel. Die Nationalbank kann einen Mindestkurs verteidigen, 200 indem sie unlimitiert Devisen kauft. Die Märkte wissen dies, weshalb die blosse Ankün- 201 digung eines Mindestkurses sofort Wirkung zeigt. 202 Jetzt ganz naiv gefragt: Könnte man dann nicht versuchen, den Wechselkurs alleine mit 203 Kommunikationsmassnahmen auf ein gesundes Niveau zu bringen? 204 Ankündigungen müssen glaubwürdig sein, damit sie wirksam sind. Eine Zentralbank 205 muss bereit sein, ihren Ankündigungen Taten folgen zu lassen. Wenn die Märkte daran 206 zweifeln, dass eine Zentralbank ihre Drohungen wahrmacht, werden sie eine spekulative 207 Attacke lancieren. Eine allein auf Worten abstellende Politik ist deshalb auf die Dauer 208 kaum möglich. 209 Zur Rolle der Schweizerischen Nationalbank: Die ist ja gesetzlich festgelegt. Unter anderem 210 die Wahrung der Preisstabilität, und das immer unabhängig. Jetzt frage ich etwas frech: Hat 211 die SNB mit diesem Wechselkursziel nun doch auf Druck der Politik gehandelt? 212 Die Nationalbank hat gemäss ihrem Auftrag gehandelt. Dieser bestimmt, dass sie ihre 213 Geldpolitik so zu gestalten hat, dass die Preisstabilität erhalten bleibt und die Wirtschaft 214 sich angemessen entwickelt. 215 216 217 Also hat die SNB nach wie vor völlig unabhängig reagiert zum Wohle der Schweiz? Ja, das sehe ich so. Ich danke Ihnen für das Gespräch. 87 Bachelorarbeit Stefan Reinli Transkription Interview ehemaliger Leiter Risk Management Group Treasury, UBS, vom 8. Mai 2012 1 Welche Aufgaben hattest du an deinem letzten Arbeitsplatz? 2 Meine Aufgabe bei der UBS war es, vielfältig zu sein. Als relevant für diese Arbeit be- 3 trachte ich die folgenden beiden Aspekte: Zum einen war ich verantwortlich für die Zins- 4 risiken, welche sich aus der Bewirtschaftung der Bankbilanz ergaben, und zwar weltweit 5 und in allen Währungen. In diesem Zusammenhang haben das Wechselkursziel und die 6 damit verbundene Zinspolitik einen Einfluss auf die Art und Weise, wie wir gewirtschaftet 7 haben, aber auch, wie wir die Zinsrisiken modelliert haben. Der andere Aspekt ist fol- 8 gender: Wir sind verantwortlich für die Bewirtschaftung von Fremdwährungsrisiken, die 9 sich aus den betrieblichen Aktivitäten der Bank ergeben. Ein Beispiel: Inwiefern hat die 10 Bank FX-Risiken aus Euro-Erträgen, die sie in der Schweiz generiert, abgesichert, auf- 11 grund der Tatsache, dass sie die Kosten in der Schweiz in Schweizerfranken hatte? Es 12 ist offensichtlich, dass 100 Euro bei einem Kurs von 1,50 mehr Schweizerfranken erga- 13 ben, um unsere in Franken angefallenen Kosten zu decken, als bei einem Euro von 14 1,20. Es hat sich also die Frage gestellt: Soll das Unternehmen in einem aktiveren Aus- 15 mass, in einem proaktiveren Ausmass – also in der Vergangenheit – sich gegen zukünf- 16 tige FX-Schwankungen antizyklisch absichern? Also nochmals zusammengefasst, die 17 Zinsrisiken-Bewirtschaftung einerseits und die Absicherung von Devisenrisiken aus dem 18 bankeigenen Geschäft andererseits. 19 Ob sich das verändert hat? Offensichtlich, als der Euro bei 1,20 fixiert wurde, sind keine 20 grossen Aktivitäten mehr relevant geworden für die Absicherung auf Devisen-Seite. 21 Denn, man geht heute davon aus, dass der Kurs im Moment bei 1,20 verharren wird. 22 Das Potenzial nach oben ist eher schlecht beziehungsweise bescheiden. Das hat man in 23 den letzten paar Wochen gesehen. Aber auch mit Attacken nach unten, als die Natio- 24 nalbank bei 1,1917 erwischt wurde, auch nach unten ist es limitiert. Von daher ist es e- 25 her statischer geworden, was die FX-Risiken anbelangt. Auf der Zinsseite ist die Konse- 26 quenz, dass mit dem Wechselkursziel und dem starken Schweizerfranken insgesamt die 27 Zinsen am kurzen Ende ins Negative rutschten. So hat man sich die Frage gestellt, wie 28 man die Kundengelder, die uns kurzfristig anvertraut werden, wie werden die so bewirt- 29 schaftet, dass der Zins dem Kunden bezahlt werden kann und wir dabei noch etwas 30 verdienen können. Das waren die beiden grossen Fragestellungen, die uns beschäftig- 31 ten. 32 Was denkst du, was gibt es jetzt schon für Auswirkungen des Wechselkursziels auf die priva- 33 ten Haushalte? 88 Bachelorarbeit Stefan Reinli 34 Es ist ganz klar, was man überall sieht. Der Euro-Schweiz ist sehr günstig, Das heisst, 35 ein Teil des Konsums wird sich ins Ausland verlagern. Ob das jetzt der grenznahe Ein- 36 kaufstourismus ist oder der vermehrte Einkauf übers Internet im Ausland, im Euro- 37 Raum, das ist sicher ein Treiber. Ich glaube, vor allem die grenznahen Haushalte profi- 38 tieren massiv und verschieben den Konsum ins Ausland. 39 Was gibt es bei den Banken bereits für Auswirkungen? 40 Die Konsequenz dieses Euro-Schweiz ist an und für sich, dass die Zinsen mit der Aus- 41 weitung der Geldmenge ins Negative rutschten. Da hat sich die Frage gestellt, wie die 42 Banken die Zinsmarge, welche sie verdient, halten können oder allenfalls sogar auswei- 43 ten können. Meine persönliche Einschätzung ist, dass die Banken aufgrund des tiefen 44 Zinsumfeldes in der nächsten Reporting-Periode – das sind mehrere Quartale oder so- 45 gar Jahre – mit rückläufigen Zinsen rechnen muss. Ausser die Banken sind bereit, eine 46 vermehrte Fristentransformation einzugehen, und – in der Erwartung eines weiterhin 47 starken Schweizerfrankens und als Konsequenz dieser tiefen Zinsen – vermehrt Zins- 48 transformationsrisiken einzugehen. Das sieht man auch in den verschiedenen Reports 49 der Nationalbank. Im Financial Stability Report hat man schon im Jahr 2010 gesehen, 50 dass dort das Ausmass an Risiken, welche die Banken eingehen – und zwar in allen 51 Bankensegmenten – deutlich grösser wurden. 52 Was hatte das Mindestkursziel in den letzten rund sechs Monaten in den Unternehmen für 53 Auswirkungen? 54 Ich denke, die Unternehmen haben vielfältige Probleme, mit denen sie sich auseinan- 55 dersetzen müssen. Eine Frage war sicher: Inwiefern kann ich meine Kosten in der 56 Schweiz reduzieren? Kann ich einen Teil der Kosten ins Ausland verschieben? Ich hätte 57 erwartet, dass in der Schweiz mehr Arbeitsplätze verloren gehen und im grenznahen 58 Ausland produziert wird. Erstaunlicherweise scheint das nicht gross der Fall zu sein. Für 59 mich ist dann die Konsequenz, dass die Exportindustrie – ähnlich wie Banken – mit tiefe- 60 ren Margen rechnen muss. Das heisst, die Rendite in den Unternehmen ist wohl im 61 Moment tiefer als noch vor zwei Jahren, als der Euro irgendwo bei 1,40, 1,45 war. 62 Hat sich bei der SNB schon etwas verändert in den letzten sechs Monaten, vor allem auf 63 finanzieller Seite? 64 Ich nehmen an, alle Aspekte betreffend Bilanzsummenausweitung und negativem Ei- 65 genkapital, das sind Fragen, die du in der Zeitung auch gelesen hast. Ich glaube, die 66 Nationalbank hat sich primär aus einer eher zurückhaltenden Rolle in eine sehr aktive 67 Rolle gezwungen gesehen. Das heisst, die Nationalbank muss heute viel mehr Politik 68 betreiben, die ausserhalb ihres Fokus ist, der ja eigentlich die tiefe Inflation war. Das 69 heisst, sie macht heute eine vielfältigere Politik, bei der sie mehr Aspekte des Wirt- 70 schaftssystems optimieren muss als früher. Es ist eine viel proaktivere Politik geworden. 89 Bachelorarbeit Stefan Reinli 71 Das ist dem Fed. sehr ähnlich. Die haben ja nicht nur eine stabile Inflation als Ziel, son- 72 dern die wollen primär das Wirtschaftswachstum fördern. Da ist eine sehr aktive SNB- 73 Politik relevant. Die wurde auch zu Recht gewählt. Das gibt der SNB heute eine viel 74 grössere Rolle, als sie noch vor zwei bis drei Jahren hatte. 75 Was hat das Mindestkursziel für Auswirkungen auf den Staat gezeigt? 76 Ich glaube, die Konsequenz aus den tieferen Gewinnen der Unternehmen werden sicher 77 tiefere Steuererträge sein. Man hat diese Konjunkturförderungsmassnahmen diskutiert, 78 die der Bundesrat in Erwägung zog. Da hat man ja hunderte von Millionen Franken an 79 Investitionen vorgezogen. Man hat Zahlungen für Teilzeitarbeitslose verlängert. Der 80 Staat hat deutlich höhere Kosten bei tieferen Erträgen. Das ist sicher die direkte Konse- 81 quenz dieses Wechselkursziels beziehungsweise vom starken Schweizerfranken insge- 82 samt. 83 Alles, was die SNB bis jetzt schon gemacht hat – das Wechselkursziel und auch die Eingriffe 84 vorher – hat das Geldangebot erhöht. Lässt das die Inflationsgefahr steigen? 85 Das ist eine sehr interessante Aussage. Das ist mehrheitsfähig, man liest das überall. 86 Ich habe hier eine etwas andere Einschätzung und möchte an dieser Stelle auf das Bei- 87 spiel der Bank of Japan hinweisen. Die versuchen seit 20 Jahren krampfhaft, mit einer 88 Nullzinspolitik eine Inflation zu generieren. Ich glaube nicht, dass es kurzfristig zu einem 89 deutlichen Anstieg der Inflation kommen wird, denn der starke Schweizerfranken führt zu 90 einer negativen importierten Inflation. Ich glaube, solange die gestiegene Geldmenge – 91 die geschaffen wurde durch die Massnahmen der Nationalbank – nicht in den Wirt- 92 schaftskreislauf fliesst, sei es in Form von vermehrter Kreditnachfrage der Unternehmen 93 oder in Form der Ausweitung der Bankbilanzen, in dem die Banken mehr Hypotheken 94 und Kredite gewähren, dann sehe ich das Risiko einer massiv erhöhten Inflation nicht. 95 Ich denke, wir gehen eher durch eine deflationäre Phase. Das ist für mich das Horror- 96 szenario für die Volkswirtschaft, eine Deflation, wie es in Japan zu sehen ist, aus der 97 man einfach nicht mehr herauskommt. Von daher bin ich kein Anhänger des Glaubens, 98 dass die Inflation in kurzer oder mittelfristiger Zeit massiv anziehen wird. 99 100 Gut, dann passe ich die kommenden Fragen am besten etwas an. Falls es eine Deflation gibt – was du ja eher erwartest als eine Inflation – wie stark würde diese ausfallen? 101 Im Moment haben wir ja schon fast eine negative Inflation – sprich Deflation. Das Prob- 102 lem ist, das Wort Deflation wird bewusst nicht in den Mund genommen. Dieses Wort hört 103 eigentlich niemand gerne. Die Konsequenz der Deflation ist klar: Wenn ich heute etwas 104 kaufe, dann bezahle ich mehr als wenn ich es morgen kaufe. Das heisst, der Konsum 105 wird zurückgehen, die Investitionsneigung der Industrie wird rückläufig sein, es werden 106 keine neuen Arbeitsplätze geschaffen. Wie gross kann die Deflation ausfallen? Das ist 107 extrem schwer zu beurteilen. Wir sind bereits bei einer negativen Inflation. Ich habe hier 90 Bachelorarbeit Stefan Reinli 108 gar keine Erfahrung, aber ich glaube, wir werden sehr lange mit einer leicht negativen 109 oder zumindest mit einer Null-Inflation konfrontiert sein in der Schweiz. 110 Das ist deiner Meinung nach realistisch in Zukunft? 111 Ja, das ist realistisch. Das ist auch bereits die Realität heute. Wir haben diese negativen 112 Inflationszahlen. 113 Und es ist realistisch, dass das längerfristig so bleibt? 114 Das Beispiel von Japan zeigt, dass die keine Inflation haben. Und gerade mit diesem 115 Problemen, die wir im europäischen Umfeld haben – wo wir einerseits diese Autoritäts- 116 anhänger haben, die sagen, man müsse den Staat entschulden, um zu sparen und den 117 Leuten, die heute nach Konjunkturförderungsprogrammen schreien – wird der Schwei- 118 zerfranken sehr stark bleiben. Je länger der Franken stark bleibt und die Nationalbank 119 nicht von diesem 1,20-Ziel weg kann, kann meiner Meinung nach die negative Inflation 120 je länger je mehr zum Problem werden. 121 Wie könnte man dieser negativen Inflation entgegenwirken? 122 Eigentlich mit tiefen Zinsen, aber die haben wir schon. Das Problem ist folgendes: Nega- 123 tivzinsen einzuführen ist etwas, wo sich die Nationalbank sehr gut überlegen muss, ob 124 sie das will. Es könnte dazu führen, dass die Kunden das Geld von der Bank zurückzie- 125 hen, was bei den Banken zu Refinanzierungsproblemen führen könnte. Es gab in 126 Schweden bereits eine Phase mit negativen Staatszinsen und negativen Zentralbank- 127 zinsen – die waren glaub ich ein halbes Prozent negativ. Dort konnte man nicht be- 128 obachten, dass die Kunden das Geld zurückziehen und unter die Matratze legen. Aber 129 als eine der Konsequenzen sehe ich wirklich, dass die Refinanzierung der Banken nega- 130 tiv tangiert werden könnte, wenn die Zinsen nachhaltig negativ bleiben. Also eben, es ist 131 das Tiefzinsumfeld, und das andere ist der Konjunkturanreiz für Investitionen. Man 132 müsste quasi durch den Staat Steuersubventionen geben, falls man heute investiert. 133 Das wäre noch eine Möglichkeit. Und das andere ist: Aufschwung beginnt im Kopf. Es 134 liegt an jedem Einzelnen von uns, den Aufschwung durch Stärkung des Konsums oder 135 durch Beibehalten des Konsums zu unterstützen. 136 Wie kann man die Leute dazu zwingen? 137 Zwingen kann man sie nicht. In Amerika werden immer wieder Steuersenkungen vorge- 138 nommen, das wäre sicher ein Thema. 139 Aber sparen die Leute dann nicht einfach mehr? 140 Meine persönliche Einschätzung ist, wenn die Leute Geld haben, dann geben sie es 141 auch aus. Viele Leute geben heute das Geld aus und sparen weniger. Ich glaube, das 142 ist ein Generationen-Phänomen. Vor 20 bis 30 Jahren haben die Leute das Geld ge- 143 spart, auf die hohe Kante gelegt. Heute wird das Geld viel eher ausgegeben. Von daher 144 wäre das effektiv ein Anreiz, welcher den Konsum positiv unterstützen würde. 91 Bachelorarbeit 145 Stefan Reinli Hat die Geldangebotserhöhung noch andere Auswirkungen als die negative Inflation? 146 Auf der SNB-Seite, das haben wir ja besprochen, gab es teilweise sogar negatives Kapi- 147 tal. Es stellte sich die Frage der Stabilität der Nationalbank. Man musste sich auch fra- 148 gen, inwiefern die Nationalbank diese Politik alleine betreiben kann. Die Politik ist ja 149 schlussendlich zentral für das ganze Wirtschaftssystem. Wie stark wird die Nationalbank 150 in Zukunft reglementiert? Was war die Frage nochmals? 151 Was die Geldmengenerhöhung neben der Deflation noch für Auswirkungen haben könnte. 152 Bei Banken und Unternehmen gibt es sicher schrumpfende Erträge, vor allem bei Ban- 153 ken und Versicherungen. Ich habe mir noch die Frage notiert, was die Konsequenzen für 154 die 3. Säule sind, für die AHV, für Versicherungen, welche letztendlich einen Anlageer- 155 trag generieren müssen, um ihre Rentabilität zu halten. Da sehe ich enorme Probleme 156 auf uns zukommen. Wenn wir ein Tiefzins-Niveau haben, wie wird sich das letztendlich 157 auf unser Sozialsystem niederschlagen? Wir werden älter und die Renditen sinken. Da 158 wird sich entweder das Rentenalter erhöhen, oder aber die Rentenhöhe wird sinken. 159 Das sind sicher Fragestellungen, die auf uns zukommen. Das ist etwa das, was mir 160 gleich so ad hoc in den Sinn kommt, was ich als extrem kritisch betrachte. 161 Eine Frage zum Wechselkursziel: Ist das momentan an der richtigen Stelle bei 1,20, oder 162 sollte es eher höher oder tiefer angesetzt werden? 163 Ich glaube, es gab eine Phase, kurz nachdem das im September eingeführt wurde, da 164 hoffte man, auf 1,25 oder sogar 1,30 erhöhen zu können. Die Nationalbank hatte da eine 165 sehr grosse Glaubwürdigkeit. Unterdessen, mit der ausbleibenden wirtschaftlichen Erho- 166 lung in Europa und den Spannungen, die sich in den südeuropäischen Ländern ergeben 167 – die müssen ja jetzt die Staatsausgaben reduzieren, zum Beispiel Spanien und Grie- 168 chenland, da hat man Jugendarbeitslosigkeit von bis zu 50% – da wird der Druck auf 169 den Schweizerfranken weiterhin stark bleiben. Daher betrachte ich im Moment, nach der 170 Opportunity im 3. und 4. Quartal 2011, die Chance auf eine Erhöhung des Ziels als sehr 171 sehr klein. Man hat gesehen, dass die Märkte ausprobieren, ob die Nationalbank „Ge- 172 wehr bei Fuss“ ist, damals über die Feiertage vor ein paar Wochen. Da hatte man ja die 173 1,20 getestet. Im Moment sehe ich keine Chance, dass die Nationalbank signifikant von 174 den 1,20 abrücken kann, denn es ist am Markt momentan einfach nicht realistisch. Dazu 175 kommt, dass die Inflation in Europa eher zunimmt. Deutschland hat eine Inflation von 3 176 bis 3,5%. Das heisst, je länger wir die 1,20 haben, je länger die Zeit fortschreitet, desto 177 korrekter werden die 1,20. Das ist jetzt gar nicht mehr so falsch, wie es vor gut sechs 178 Monaten war. 179 Eine Anpassung nach unten zu 1,15 oder 1,10, weil die Intervention einfach so teuer ist, das 180 ist auch nicht realistisch? 92 Bachelorarbeit Stefan Reinli 181 Nein. Ich glaube, solange keine grossen Kunden aggressive Attacken reiten gegen die 182 SNB, wird die Nationalbank keinen Grund haben, das Ziel nach unten zu korrigieren. Es 183 gäbe nur Verlierer, zum Beispiel in der Exportindustrie. Profiteur wäre wieder der Kon- 184 sument, welcher im Ausland einkaufen geht. Für mich ist das jetzt nichts, was im Vor- 185 dergrund steht. 186 Dieses Wechselkursziel ist ja wahrscheinlich nichts, was über Jahre oder Jahrzehnte beste- 187 hen bleibt. Wie sieht das Ende des Wechselkursziels aus? 188 Das ist eine sehr gute Frage. Wie sieht das Ende aus? Schön wäre natürlich, wenn sich 189 das europäische Umfeld normalisieren würde, sich die europäische Schuldenkrise in 190 Luft auflösen würde. Das wird sie aber natürlich nicht, vor allem jetzt mit diesen Konjunk- 191 turmassnahmen, die in Frankreich gefordert werden, die auch in Griechenland und Spa- 192 nien gefordert werden. Das Problem in Europa wird so sicher nicht verschwinden. Das 193 heisst, ein Ende des Wechselkursziels in kurzer Zeit sehe ich als unrealistisch an. Ich 194 glaube, man kauft sich hier einfach Zeit und hofft, dass sich die Konjunktur – vielleicht 195 getrieben durch die BRIC-Länder, also Brasilien, Russland, Indien und China – noch- 196 mals anzieht. Ich bin hier leider kein Optimist sondern viel eher ein Pessimist. Ich sehe 197 diese Erholung nicht, von daher werden wir das Wechselkursziel noch länger haben und 198 die Nationalbank wird keine Chance haben, da kurz und mittelfristig raus zu kommen. 199 Also zusammengefasst, solange wir diese schlechten Zahlen aus dem Ausland haben, bleibt 200 auch das Wechselkursziel? 201 Korrekt, ja. 202 Das Leitzinsniveau hast du ja schon angesprochen. Das ist extrem tief, praktisch bei null. 203 Wie beurteilst du diese Situation? 204 Es ist natürlich einerseits für den Schuldner interessant. Er hat eine billige Möglichkeit, 205 sich zu verschulden. Die Konsequenz daraus lesen wir jeden Tag in der Zeitung: Die 206 Immobilienblase, die in der Schweiz vorhanden ist. Also der Konsument profitiert davon. 207 Für Banken und Versicherungen, die eine Rendite erzielen wollen auf dem Zinsgeschäft, 208 wird es extrem schwierig. Die Bankenerträge werden leiden, die Versicherungserträge 209 werden leiden. Und ich denke es ist extrem unangenehm für die Nationalbank, keine 210 Handlungsmöglichkeiten mehr zu haben mit Zinsen, die bereits bei null sind. Die Natio- 211 nalbank wäre sicher sehr dankbar, wenn sie die Zinsen erhöhen könnte. Ich bin gespal- 212 ten, ob es nicht vielleicht möglich wäre, die Zinsen mal ein halbes Prozent zu erhöhen, 213 ohne dass viel passieren würde auf der FX-Seite. Das wäre sicher etwas, dass sich der 214 Herr Jordan und seine Kollegen mal überlegen müssten. Also die Zinsen mal ein Vier- 215 telprozent oder ein halbes Prozent zu erhöhen und zu schauen, was passiert. 216 Die EZB hat das ja ausprobiert. 93 Bachelorarbeit Stefan Reinli 217 Die EZB hat es ausprobiert, wobei das war noch unter Trichet. Trichet hatte gehofft, 218 dass das dann schon noch gut herauskommt. Das war aber absehbar, dass es nicht 219 funktionieren wird. Das war viel eher ein psychologischer Move, den ihm niemand so 220 recht abgekauft hat, weil die Konjunktur in Europa schlecht war. Demgegenüber steht 221 eine starke Konjunktur in der Schweiz mit einer Arbeitslosigkeit von 3,2%. Von daher ist 222 die Schweiz in einer besseren Situation, um den Versuch zu wagen. Sie läuft nicht Ge- 223 fahr, die Konjunktur abzuwürgen. 224 Ist dieser Schritt realistisch? Wird die SNB das wagen in Zukunft? 225 Ich denke, sie wird diesen Schritt schneller wagen als die Leute glauben, weil sie es ein- 226 fach ausprobieren muss. Sie hat diese Glaubwürdigkeit und sie hat kein Risiko. Sie hat 227 ja zwei Probleme. Das eine ist der Wechselkurs und das andere ist die Immobilienkrise. 228 Und dermassen intensiv, wie die SNB immer auf diese Krise hinweist, müsste sie die 229 Zinsen am kurzen Ende mal erhöhen. Das würde wahrscheinlich keinen grossen Scha- 230 den verursachen. Ich glaube, das wird ein Schritt sein, den sie sich für 2013 überlegen 231 muss. Dieses Tiefzinsumfeld im Moment hilft an und für sich gar niemandem. Die Ban- 232 ken und Versicherungen profitieren nicht. Es unterstützt die Verschuldung der Haushalte 233 im Immobilienbereich, was sie nicht will. Deshalb glaube ich, am kurzen Ende die Zinsen 234 ein halbes Prozent zu erhöhen, das erachte ich als realistisch. Die Frage ist dann ein- 235 fach: Was passiert auf den Kapitalmärkten? Würde die Rendite am langen Ende noch- 236 mals sinken, was wiederum schlecht wäre für die Versicherungen? Aber das wäre et- 237 was, was ich als Nationalbank testen würde. 238 Die Folgen dieser Zinserhöhung wären also nicht nur positiv? 239 Nein, es wäre zu erwarten, dass ein Teil der Markterwartungen zu einer Abflachung der 240 Zinskurve tendiert, weil man in Zukunft eine noch tiefere Inflation erwarten würde als 241 dies heute bereits der Fall ist. Das wäre also eine Verflachung der Zinskurve. 242 Bei meiner Recherche habe ich festgestellt, dass die SNB bereits im Jahr 1978 ein Wechsel- 243 kursziel ausgesprochen hatte. Inwiefern kannst du dazu Auskunft geben? 244 Das war vor meiner Zeit, habe ich selber nicht miterlebt. Ich habe mich mit dieser Frage 245 aber auch auseinandergesetzt im Zusammenhang mit den negativen Zinsen, welche 246 man eine Zeit lang am Geldmarkt beobachten konnte. Man hatte damals Libor-Zinsen 247 für eine Woche, die negativ waren. Das Problem ist heute aber ein anderes. Früher hat- 248 te man eine Anbindung gemacht an die D-Mark, also an nur eine Währung. Heute hat 249 man eine Anbindung an einen ganzen Korb von Ländern. Diese Länder sind sehr viel 250 heterogener als es damals Deutschland war. Dazu kommt, dass früher die BuBa, die 251 Deutsche Bundesbank, ebenfalls eine glaubwürdige Inflationsbekämpfungspolitik be- 252 trieb. Da ist man heute bei der EZB nicht mehr ganz so sicher. Von daher ist es heute 94 Bachelorarbeit Stefan Reinli 253 viel komplexer, das Wechselkursziel gegenüber dem Euro zu machen, als in den 254 1970er-Jahren Schweizerfranken und D-Mark miteinander zu korrelieren. 255 Das heisst, man kann die Situation nicht wirklich vergleichen mit heute, und deshalb kann 256 man auch keine Lehren daraus ziehen? 257 Einverstanden, diese Aussage würde ich so gelten lassen. Es ist heute viel komplexer, 258 weil der Basket, welcher dem Euro zugrunde liegt, viel heterogener ist als früher. Früher 259 was die D-Mark die einzige Währung, an die der Franken gebunden wurde, und da ist 260 uns auch eine glaubwürdige Zentralbank gegenübergestanden. Von daher kann man 261 meiner Meinung nach nicht viele Lehren daraus ziehen. 262 Du hast jetzt schon mehrmals erwähnt, dass die EZB nicht wirklich glaubwürdig ist im Ver- 263 gleich zur SNB. Weshalb? 264 Die EZB hat jahrelang versucht, sich aus der Politik rauszuhalten. Wenn man aber sieht, 265 wie stark sie heute über verschiedenste Systeme, Modelle und Transaktionen die Ban- 266 ken unterstützt und finanziert, und so quasi eine Politik betreibt, die gegen ihren Primat 267 der Inflationsbekämpfung spricht, dann hat sie einen Teil der Kredibilität verloren. Die 268 Nationalbank geht auch etwas in diese Richtung, aber ich glaube, die Nationalbank ist 269 noch konservativer als die EZB. Von daher gibt es schon diesen Unterschied der Kredi- 270 bilität zwischen der EZB und der SNB. 271 Du würdest das Verhalten der SNB in den letzten zwei bis drei Jahren als richtig bezeich- 272 nen? 273 Ich glaube, die SNB hat eine sehr gute Politik gemacht. Das sieht man daran, dass der 274 Markt ihr immer noch glaubt mit dem 1,20-Target. Ich glaube, sie hat eine aktive Kom- 275 munikation, welche glaubwürdig ist. Sie hat sehr gute Fachleute in ihren Reihen. Herrn 276 Hildebrand habe ich als Zentralbankpräsidenten sehr geschätzt, er hat sicher einen su- 277 per Job gemacht. Lassen wir das ganze Private, was da ein Problem darstellte, mal auf 278 der Seite. Er hat für mich eine sehr gute Politik betrieben. Auch auf der Zinsseite haben 279 sie das gemacht, was angezeigt wurde. An der SNB-Politik kann ich deshalb heute we- 280 nig kritisieren. 281 Du hast die Kommunikation angesprochen. Man hat bereits angenommen, dass die SNB nur 282 mittels Kommunikation sehr viel bewegen kann. Wahrscheinlich auch, weil sie das Mindest- 283 kursziel von 1,20 ausgesprochen hat. Da ist ja der Kurs alleine aufgrund dieses Communi- 284 qués auf diese 1,20 gestiegen. Kann die SNB wirklich nur mittels Kommunikation so viel be- 285 einflussen? 286 Man geht davon aus, dass sie nicht nur kommuniziert hat, sie hat auch aktiv interveniert 287 am Markt. Allerdings nicht mit wahnsinnigen Beträgen. Von daher glaube ich, dass die 288 Kommunikation und die Kredibilität der Zentralbank schon sehr wichtige Faktoren sind. 289 Du darfst nicht vergessen, im Devisenhandel und Interbankenhandel läuft heute viel 95 Bachelorarbeit Stefan Reinli 290 über Psychologie, Erwartungen, Glaubwürdigkeit. Von daher glaube ich, hat sie mit der 291 guten Kommunikation, die sie in der Vergangenheit hatte und auch heute noch hat, sehr 292 viel erreicht. Es liegt sicher vieles in der Kommunikation. Ich muss nicht immer den 293 Knüppel nehmen und aktiv intervenieren – zum Glück nicht. 294 Also könnten sie noch mehr erreichen mit der Kommunikation, wenn man zum Beispiel wie- 295 der schlechte Signale aus dem Ausland erwartet? 296 Ja gut, im Moment ist sie damit beschäftigt, die 1,20 zu verteidigen. Deshalb glaube ich 297 nicht, dass sie den Spielraum hätte, durch noch mehr Kommunikation von 1,20 auf 1,25 298 zu gehen. Ich glaube, das hat sie im Moment ausgeschöpft. Aber sie hat sicher kommu- 299 nikativ gemacht, was sie konnte. Und was sie gemacht hat, hat sie gut gemacht. 300 Sie hat also das Instrument ausgereizt? 301 Im Moment hat sie es ausgereizt. Alles andere, was sie machen könnte, wie zum Bei- 302 spiel Negativzinsen, das ist dann nicht mehr Kommunikation. Das wäre dann wirklich die 303 Einführung der Negativzinsen mit allen Konsequenzen, die ich vorher antönte. Was ist 304 das Verhalten des Sparers? Zieht er seine Gelder bei der Bank ab, wenn eine Bank ne- 305 ben den Gebühren auch noch Negativzinsen belasten würde auf dem Konto? Ich glau- 306 be, das sind Sachen, die sich die Nationalbank sehr gut überlegen wird, ob sie solche 307 Sachen macht. 308 Ist zusätzlich zur Kommunikation auch die Person ein Thema? Also hat es ein Signal auf die 309 Märkte, wer an der Spitze der Nationalbank ist? 310 Herr Hildebrand hat sicher sehr viel erreicht mit seiner Kommunikation, mit seinem Be- 311 ziehungsnetz und mit seinem Fachwissen. Mit Herrn Jordan haben wir sicher auch einen 312 Spezialisten an der Spitze der Nationalbank, der vielleicht kommunikativ nicht ganz so 313 stark und so smart ist wie Herr Hildebrand. Aber trotzdem, mit seinem Wissen und sei- 314 ner Arbeit, die er damals schrieb – er wies ja schon früh auf die Probleme des Euro hin – 315 geniesst er im Markt sicher auch ein grosses Vertrauen. 316 Hat die Nationalbank selbst ihre volkswirtschaftliche Rolle in den letzten Jahren neu interpre- 317 tiert? 318 Ich glaube, Herr Hildebrand hat sich etwas leiten lassen von den Aufgaben, die bei- 319 spielsweise ein Fed. hat, welche nicht nur ein Inflationsziel hat, sondern sich eigentlich 320 primär als Katalysator für ein gesundes und vernünftiges Wirtschaftswachstum sieht. Die 321 Nationalbank, genau wie auch die EZB und die Bank of England, gehen vermehrt in die- 322 se Rolle, in der sie bereit ist, vorübergehend zwecks Stützung der Konjunktur ihre Infla- 323 tionsziele in den Hintergrund zu stellen, um eine aktivere Wirtschaftspolitik zu betreiben 324 als in der Vergangenheit. 325 Werden diese Entscheidungen und die ganze Politik nach wie vor unabhängig gemacht, so 326 wie es verlangt wird, oder kam da auch ein gewisser Druck von aussen? 96 Bachelorarbeit Stefan Reinli 327 In einem Umfeld wie das, welches wir seit rund zwei Jahren haben, sind die Stakeholder 328 der Nationalbank – egal ob Gewerbe, Banken, Konsumenten, Gewerkschaften, Arbeit- 329 geber, Arbeitnehmer – diese Ansprüche sind vielfältiger geworden. Zum Teil widerspre- 330 chen sie sich natürlich auch. Ich glaube, die Einflussnahme von aussen, also von den 331 anderen Marktsubjekten der Nationalbank, ist deutlich grösser geworden. Und man hat 332 ja auch gesehen, dass der politische Druck auf die Nationalbanken aufgrund der Atta- 333 cken der Medien immer grösser wird. Im Moment verhält sich die Nationalbank noch 334 losgelöst von der Politik. Aber ich habe Angst, dass in Zukunft die politischen Stakehol- 335 der vermehrt Einfluss nehmen wollen. Ob das gut oder schlecht ist, kann ich nicht beur- 336 teilen. 337 Das wäre meine nächste Frage gewesen. 338 Die persönliche Meinung ist: Zu viele Köche verderben den Brei. Ich denke, man sollte 339 einen vernünftigen Bankrat haben, wo alle Interessenvertreter vorhanden sind. Wir ha- 340 ben dort Vertreter der Gewerkschaften, Politiker verschiedener Parteien usw. Ich glaube, 341 die sollten versuchen, die Stakeholder, welche sie repräsentieren, adäquat zu vertreten, 342 entsprechend ihrer Rolle als Aufsichtsorgan oder Bankrat der Nationalbank. Ich fände es 343 schlecht, wenn man im Parlament diskutieren würde, was die Nationalbank in Bezug auf 344 Zins- oder Wechselkurspolitik als nächstes machen sollte. Man sollte hier die Spezialis- 345 ten wirklich machen lassen. Eine Geldmengen- und Währungspolitik ist dermassen 346 komplex, dass das durchschnittliche Individuum, ob in der Politik oder in der Wirtschaft, 347 das nicht abdecken kann. 348 Dann bin ich eigentlich mit meinen Fragen bereits am Ende. Hast du noch irgendwelche As- 349 pekte zum Thema, die vielleicht noch interessant wären? 350 Also ich hatte das vorher angetönt. Ich vertrete sehr intensiv vor allem die Zinsseite, die 351 Konsequenzen, welche die Währungspolitik auf die Zinsen hat. Ich betrachte das Tief- 352 zinsumfeld als ein grosses Problem für unsere Alterssysteme – also AHV, zweite und 353 dritte Säule. Aber auch für Renditen, welche die Versicherungen erwirtschaften. Da hat 354 keiner ein Interesse an einem Tiefzinsumfeld. Ich hätte Interesse daran, dass die Natio- 355 nalbank einen Schritt wagen würde, trotzdem die Zinsen etwas zu erhöhen, um zu se- 356 hen, was passiert. Das Tiefzinsumfeld ist für uns alle schlecht. Diesen Mut erhoffe ich 357 mir von der Nationalbank, hier bereit zu sein, diesen Schritt zu machen oder zumindest 358 kommunikativ in Aussicht zu stellen. Es wird immer wieder von Herrn Hildebrand und 359 Herrn Jordan angetönt, dass sie dann schon schnell genug reagieren würden. Ich hoffe, 360 sie werden den Worten auch Taten folgen lassen. 361 Was würde auf den Märkten passieren, alleine schon mit dieser Ankündigung? 362 Für den Markt wäre es eine Beruhigung, eine Erleichterung. Alle würden davon profitie- 363 ren, mit Ausnahme derer, die sich im Immobilienbereich hoch verschulden. Aber auch 97 Bachelorarbeit Stefan Reinli 364 dort, ich finde es nicht gut, wenn Leute sich heute eine Libor-Hypothek mit einem Pro- 365 zent geben lassen und dann die Tragbarkeit bei einem Zins von vier bis fünf Prozent 366 nicht mehr gegeben ist. Von daher wäre es ein Signal, welches man dem Markt geben 367 könnte, dass die Immobilienkrise aktiver angegangen wird als bis anhin. 368 Liegt hier der Ursprung nicht auch bei den Banken, welche die Hypotheken so vergeben, 369 auch wenn die Tragbarkeit nicht gegeben ist? 370 Da fragt sich natürlich, ob die Banken Selbstmörder sind oder nicht. In der Öffentlichkeit 371 werden die Banken ja als nicht intelligente Subjekte angeschaut. Ich glaube, Banken 372 sind nicht dumm, die schauen das durchaus an. Aber wie vorhin bereits angesprochen, 373 die Ertragserosion, welche die Banken haben – denn ich muss ja bei Zinsen im Nullbe- 374 reich dem sparenden Kunden immer noch einen Zins von einem halben Prozent bezah- 375 len – müssen die Banken irgendwo noch einen Ertrag generieren. Daher sind sie viel- 376 leicht auch bereit, solche Hypotheken zu machen. Irgendwo müssen sie ja ihre Kosten 377 decken und ihre Erträge generieren. 378 Also ob jetzt die Banken Selbstmörder sind und heute die eine oder andere Hypothek 379 vergeben, die nicht tragbar ist? Es mag die eine oder andere Bankensparte geben, die 380 das macht, aber ich glaube viele Banken sind sich der Risiken durchaus bewusst und 381 betreiben durchaus eine vernünftige Kreditpolitik. 382 Ansonsten denke ich, es ginge uns allen besser, wenn der Schweizerfranken schwächer 383 würde. Ich bin pessimistisch. Ich sehe das als einen sehr langfristigen Trend an, der 384 Franken wird stark bleiben. Das europäische Umfeld hat wirklich ein Problem. Solange 385 sich Europa politisch nicht mehr zusammenrauft und diese Transferunion nicht darstellt, 386 die sie eigentlich werden muss, sehe ich eine düstere Zukunft für Europa und auch die 387 Schweiz. Und deshalb werden uns die Themen Wechselkurspolitik, Wechselkursziel, tie- 388 fe Inflation und Deflation noch lange Zeit beschäftigen. 389 Also sind wir zu gewissen Teilen auch machtlos und müssen zusehen, was Europa macht. 390 Wir können etwas mitlenken und reagieren, aber wir können nicht alles machen? 391 Aktiv bewirtschaften und aktiv beeinflussen kann man nicht alles. Letztendlich hat das 392 Wechselkursziel auch Zeit gekauft für die Industrie, um Prozesse zu optimieren und 393 Kosten zu optimieren durch Technologievorsprung und Kostenreduktion. Das Wechsel- 394 kursziel ist schlussendlich ein Instrument, um sich Zeit zu kaufen. Wir müssen diese Zeit 395 nutzen, um durch Innovation, stärkere Ausbildung, Forschung und Entwicklung den 396 Nachteil des starken Frankens in der Wirtschaft zumindest teilweise zu kompensieren. 397 398 Gut, besten Dank. Ich danke auch. 98 Bachelorarbeit Stefan Reinli Transkription Interview Werner Vontobel, Wirtschaftsjournalist, vom 9. Mai 2012 1 Was genau ist Ihre Berufsbezeichnung? Sie sind ja beim Blick angestellt als Wirtschaftsex- 2 perte. 3 4 Ja, Wirtschaftsjournalist. Sind Sie auch woanders noch tätig? 5 Ich bin offiziell pensioniert, hier aber noch 30%. Ich schreibe noch einigermassen regel- 6 mässig für „Work“, eine Gewerkschaftszeitung, also rund fünf bis sechs Mal im Jahr, für 7 die „Tageswoche“ in Basel und für den „Freitag“ in Berlin. 8 9 Hat sich bei Ihren Tätigkeiten etwas verändert seit dem Wechselkursziel vom 6. September? Nein, ausser dass man öfters mal darüber schreibt. 10 Sie sehen sicher schon, ich habe den Fragebogen eher für Leute von Banken gestellt. Aber 11 ich möchte es eins zu eins übernehmen, um im Nachhinein gute Vergleiche machen zu kön- 12 nen. Sehen Sie Auswirkungen des Wechselkursziels auf die privaten Haushalte? 13 Nicht viele, also die Üblichen. Preisveränderungen bei Exporten und Importen. Die Im- 14 porte werden etwas günstiger, wenn es mir recht ist. Aber ich denke nicht, dass das es- 15 sentiell ist. 16 Schlussendlich gibt es also keinen grossen Einfluss auf die privaten Haushalte? 17 Nein, von der Ausgabenseite her nicht. Bei den Einnahmen kommt es natürlich drauf an, 18 ob man von einer Beschäftigungsveränderung betroffen ist oder nicht. Für eine Arbeits- 19 platzsicherung ist das sicher positiv. 20 Was sehen Sie für einen Einfluss auf die Banken? 21 Wahrscheinlich weniger Einnahmen im Devisengeschäft. Es gibt aber offenbar bis jetzt 22 keine grösseren Spekulationen. Insofern gibt es wahrscheinlich kleinere Opportunitäts- 23 verluste im Devisengeschäft. 24 Sehen Sie bei den Unternehmen einen Einfluss des Wechselkursziels? 25 Es gibt sicher eine bessere Berechenbarkeit der Austauschkurse. Auch der Dollar zum 26 Beispiel ist ja stabiler. Man kann also besser kalkulieren und die Wettbewerbsfähigkeit 27 wird leicht verbessert gegenüber dem Wechselkurs, den man ohne den Eingriff hätte. 28 Wobei, das ist natürlich Spekulation. Aber wären wir bei 1,10 geblieben, wären das 29 knapp 10% Verbesserung der eigenen Wertschöpfung – immerhin 10%. 30 Was sehen Sie für einen Einfluss auf die SNB, jetzt vor allem auf der finanziellen Seite? 31 Ausweitung der Bilanzsumme, Verbesserung der sogenannten Seigniorage, also Zins- 32 gewinn durch Ausweitung der Bilanzsumme. Wir haben ja gesehen, es hat jetzt wieder 99 Bachelorarbeit Stefan Reinli 33 einen kleinen Verlust gegeben. Zwischendurch konnte die SNB ja mal mit 1,24 oder 1,25 34 bilanzieren, jetzt wieder mit 1,20. 35 Ja, kurz nach der Festlegung des Wechselkursziels. 36 Ja, Ende Jahr, da war es mal 1,24. Deshalb gibt es im ersten Jahr wieder einen Verlust, 37 aber es stärkt natürlich die Ertragskraft des Unternehmens wesentlich. 38 Das alles zusammengefasst, was sehen Sie für einen Einfluss auf den Staat? 39 Das ist insgesamt positiv. Wir haben tiefe Zinsen, wobei sich da die Frage stellt, inwie- 40 weit dies mit der Stabilisierung des Kurses zusammenhängt. Das habe ich mir gar noch 41 nicht im Detail überlegt. Wir sind ja jetzt rund einen Prozentpunkt unter dem Bund. 42 Das kann ich nicht genau sagen, aber der Leitzins ist bei etwa 0,1%. 43 Die 4-jährigen sind sogar negativ. Aber bei einer Staatsverschuldung von 50%, die wir 44 haben, hat man einen Prozentpunkt gespart oder mehr. Aber das ist eher die Folge der 45 ganzen Eurokrise. Das hängt ja damit zusammen. Unter dem Strich ist das sehr positiv. 46 Die 10-jähringen sind bei 1,56% [in der Zeitung nachgeschaut], bei den 2- 47 jährigen -0,2%. Das ist gewaltig, fast keine Inflation. Aber ja, jedenfalls grosse Vorteile 48 bei den Zinsen, zumindest für die Schuldner. Für die Rentner etwas weniger. 49 Sie meinen, das könnte noch Probleme geben? 50 Es gibt jetzt schon massive Probleme. Aber das hat mit der Untergrenze nur beschränkt 51 zu tun, viel eher mit der Zinssituation. 52 Durch das ganze Vorgehen der SNB, die Festlegung der Untergrenze und auch die Geld- 53 mengenerhöhung vorher, steigt die Inflationsgefahr, jedenfalls gemäss Lehrbuch. Was mei- 54 nen Sie dazu? 55 56 Dass man die Lehrbücher endlich einstampfen muss. Sie haben hier eine ganz andere Meinung? 57 Ja schauen Sie sich an, was passiert. Die Geldmenge – je nach Definition – steigt schon 58 lange. Die Inflation kommt von grosser Nachfrage, wenn die Kapazitäten zu fest ausge- 59 lastet sind und grosser Lohndruck vorhanden ist. Zum Lohndruck: Wissen Sie, wann es 60 bei Ringier die letzte Lohnerhöhung gegeben hat? 61 Für alle? Das kann ich nicht sagen. 62 Eben, man kann sich nicht daran erinnern. Es gab einmal ein Prozent, damals hatten wir 63 auch ein Prozent Inflation. 64 Das war dann einfach der Teuerungsausgleich, keine wirkliche Lohnerhöhung. 65 Nein. Also die Medienbranche und auch generell, man kennt ja die Lohnentwicklung, es 66 gibt… Man kann sich darüber unterhalten, ob später einmal eine Inflationsgefahr von der 67 Tatsache ausgeht, dass sehr viel Geld vorhanden ist. Aber das sehe ich eigentlich auch 68 nicht. Und wenn, dann wäre es erwünscht. 69 Ist eine negative Inflation realistischer? 100 Bachelorarbeit Stefan Reinli 70 Ja, also einfach Depressions-Szenarien. Die Leute geben kein Geld mehr aus. Grie- 71 chenland hat die Deflation erzwungen, jetzt stehen alle Läden still. Wir würden uns jetzt 72 irgendwo draussen auf einer Parkbank treffen, weil Kaffee und Kuchen nicht mehr im 73 Budget lägen. Diejenigen, welche hier im Café bedienen, wären auch arbeitslos. Diese 74 Gefahr ist wesentlich höher und auch realistisch. In Griechenland, Portugal und so wei- 75 ter hat man das. 76 Bei uns in der Schweiz? 77 Heute habe ich gehört, dass der IWF davor warnt, dass die Krise uns auch runter zieht. 78 Ich betrachte das als realistisch. 79 Was wären die Folgen für die Schweizer Volkswirtschaft, wenn das wirklich eintrifft? 80 Im schlimmsten Fall gibt es wie in Griechenland eine Implosion. Sie müssen sich vorstel- 81 len; wir sind eine Wirtschaft, die von Verschwendung und vom Kauf unnötiger Dinge 82 lebt. Rund 50% von dem, was man ausgibt, ist kurzfristig verzichtbar. Wenn jetzt plötz- 83 lich alle Angst haben vor einer unsicheren Zukunft wie in Griechenland, dann werden 84 diese Ausgaben nicht getätigt. Dann ist die Wirtschaft kaputt. Griechenland macht es 85 vor, aber das ist nicht eine Frage der Korruption, das ist eine Frage des schlechten Wirt- 86 schaftsmanagements. Wird der Konsum gestoppt, ist die Wirtschaft kaputt. Diese Gefahr 87 ist natürlich latent vorhanden. 88 Sie schätzen das als sehr realistisch ein? 89 Griechenland hat bewiesen, dass das geht. Ich höre, dass wir jetzt eine Jugend haben, 90 die nicht mehr arbeiten, sondern sich nur noch vergnügen will. Das könnte zum Gegen- 91 gift werden gegen diese Gefahr. Die Angst vor der Zukunft ist weniger stark als der Wil- 92 le, etwas auszugeben. Wenn das überwiegt, und das ist denkbar, dann ist diese Gefahr 93 relativ klein. Aber wenn die Ängste zum Sparen zwingen beziehungsweise zum Rückzug 94 auf das Notwendigste, dann sind 40% der Nachfrage weg. Das ist so in etwa der Groo- 95 ve, in dem man sich momentan befindet. Sparen, sparen, sparen, Zukunftsängste, Sozi- 96 alstaat abbauen, Sicherheitsnetze zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit, und dann 97 kann alles bachab gehen. 98 Was gäbe es für Massnahmen, um das zu verhindern oder abzuschwächen? 99 Es braucht sicher einen starken Sozialstaat, der den Leuten eine gewisse Sicherheit 100 gibt. Es braucht eine Reduktion der Arbeitszeit, damit der Kampf um die Arbeit nicht zu- 101 nimmt. Das statistische Bundesamt von Deutschland hat gestern eine Statistik über Pro- 102 duktivität veröffentlicht. Da stand unter anderem drin, dass die Arbeit in Stunden pro Be- 103 schäftigten um 9% im Vergleich zum Jahr 1991 abgenommen hat. Dieser Prozess ist er- 104 zwungen durch Produktivitätsfortschritte. Also die Produktivität steigt schneller als der 105 Konsum, das bedeutet, es gibt weniger Arbeit. Dieser Prozess ist in allen Statistiken zu 106 lesen. Das ändert sich langfristig oder kurzfristig, und diesen Prozess muss man akku101 Bachelorarbeit Stefan Reinli 107 mulieren, also anpassen mit kürzeren Arbeitszeiten, sonst gibt es einen Kampf um Jobs 108 und Lohnverzicht. Das wird von den Gewerkschaften leider noch nicht eingesehen, von 109 den Arbeitgebern sowieso nicht, die haben lieber Lohndruck. 110 111 112 Also wäre das schlussendlich hilfreich… ….um die Wirtschaft längerfristig zu stabilisieren. Gäbe es auch negative Folgen? 113 Der Wettbewerb zwischen den Ländern findet ja statt. Es wird zwar übertrieben, aber es 114 gibt ihn. Wenn ein Land das alleine macht… In den letzten 15 Jahren haben die Deut- 115 schen Löhne gespart und gesenkt, und die anderen leiden fast so sehr darunter wie die 116 Deutschen. Wenn man das also alleine macht, ist es etwas schwierig aufgrund des glo- 117 balen Wettbewerbs. 118 Also müsste sich die EU zusammenschliessen, und sich vielleicht auch die Schweiz an- 119 schliessen und dann könnte das funktionieren? 120 Für die Schweiz heisst das vor allem, kein Steuerdumping zu betreiben, wie wir das ja 121 ständig machen. Dann hat Deutschland kein Geld mehr, muss Sozialleistungen kürzen, 122 es gibt Lohndruck und dann haben wir 20% Deutsche. Es fällt ja auf, wenn man herum- 123 läuft. Die Schweizer sind alle verdrängt worden. Also wenn man die Zahlen anschaut ist 124 es noch nicht ganz klar, dass es Lohndruck gibt, aber das kommt schon. Und damit 125 schneiden wir uns eigentlich ins eigene Fleisch. 126 Ist das dann auch ein Teufelskreis, den man da anstachelt? 127 Abgesehen davon, dass wir dann so Leute haben wie zum Beispiel Michael Schuma- 128 cher. Der hat am Genfersee eine Villa mit 100‘000 Quadratmeter Umschwung. Das sieht 129 aus wie beim König von Versailles. Dass sich die Leute so breit machen, das ist irgend- 130 wie undemokratisch. 131 Somit ist es nicht nur von Vorteil, wenn diese Leute ihr Geld in die Schweiz bringen und hier 132 auch den Konsum ankurbeln? 133 Nun, man kann sich letztlich auch eine Schweiz vorstellen mit 30 Millionen Einwohnern, 134 die würden den Konsum auch ankurbeln. Aber letztlich beschäftigen die sich selber. Von 135 Vorteil ist es für diejenigen, welche das Land teuer verkaufen konnten. Für den Rest der 136 Schweizer bringt das nichts. Ich habe übrigens ein Buch darüber geschrieben, welches 137 noch im Verkauf ist. 138 Wie heisst es? 139 „Aufruhr im Paradies“ mit Philipp Löpfe. Es ist ein Auseinandernehmen von Vor- und 140 Nachteilen der Einwanderung beziehungsweise der Politik, die darauf abzielt, reiche 141 Leute anzuziehen. Man muss das aber immer zusammen mit dem Druck sehen, welcher 142 unter anderem aus Deutschland kommt, um ihre Leute aus dem Land zu vertreiben. 143 Das ist eigentlich der Auslöser? 102 Bachelorarbeit Stefan Reinli 144 Ja, und wir verstärken das noch mit unserer Politik, die Reichen anzuziehen. Aber das 145 Hauptproblem ist eher in der EU, in der Politik, wie sie die Nachfrage vernichtet. 146 Zurück zum Wechselkursziel. Ist das momentan an der richtigen Stelle bei 1,20, oder müsste 147 man das ändern? 148 Das ist schwer zu sagen. Die Nationalbank selber sagt ja, 1,30 wäre realistischer. Auf 149 der anderen Seite muss man sehen, dass die Schweiz einen Leistungsbilanzüberschuss 150 von 14% vom BIP hat. Das heisst, wir sind mit den Wechselkursen, die wir hatten und 151 haben, mehr als wettbewerbsfähig. Insofern ist mehr als 1,20 beziehungsweise ein 152 schwächerer Franken eine Frechheit gegenüber anderen Handelspartnern. Aber rein 153 von der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie her wäre 1,30 wahrscheinlich besser. 154 Aber das ist noch immer nicht die Kaufkraftparität? 155 Es fragt sich, wie man die misst. Es gibt immer noch einen Exportüberschuss, im Wa- 156 renhandel und in den Dienstleistungen. Eigentlich müssten wir ja eine ausgeglichene 157 Leistungsbilanz haben, was ein Defizit bei Waren und Dienstleistungen bedeutet, denn 158 wir haben ja noch Kapitaleinkommen, die das ausgleichen. Somit muss man sagen, aus 159 rein volkswirtschaftlicher Betrachtung sind die 1,20 zu hoch. Aus betriebswirtschaftlicher 160 Sicht höre ich eher 1,30. Als Unternehmer wäre es mir wohler bei 1,30, aber das führt 161 dann vielleicht schnell mal zu einem Krieg, also zu Retorsionsmassnahmen gegenei- 162 nander. Das ist glaube ich auch die Meinung der Nationalbank, dass sie das nicht will – 163 wenn man weiter hoch geht, schlagen die anderen zurück. 164 In welcher Form? 165 Indem sie sagen, Schweizer Produkte haben einen speziellen Zoll oder die Amerikaner 166 haben begonnen zu sagen, dass gewisse Produktionsanlagen nicht ihren Standards 167 entsprechen, und deshalb die Exporte nicht mehr zugelassen sind. 168 169 170 Solche Sachen könnten folgen? Ja. Wo sehen Sie die Chancen auf eine Änderung des Wechselkursziels? 171 Ich versuchte ja schon Herrn Hildebrand indirekt klar zu machen, dass man versuchen 172 müsste, die Sache international zu regeln. Früher gab es Abkommen wie Louvre und 173 Plaza, das war in den 1980er-Jahren. Da sagte man, die Wechselkurse müssen irgend- 174 wie unter Kontrolle gebracht werden, damit die Handelsströme einigermassen funktio- 175 nieren. Eigentlich hätte es an der Schweiz gelegen, als neutrales Land mit relativ wichti- 176 gem Finanzplatz, das in die Hand zu nehmen. Wichtig ist, dass man in Zukunft eine ge- 177 wisse Verlässlichkeit hat im Warenaustausch. Momentan kämpfen alle; Deutschland mit 178 der indirekten Abwertung – kompetitive Abwertung heisst das – China sowieso. Die 179 Amerikaner sind auf der Gegenseite. Die profitieren davon, dass sie sich in Dollar ver- 180 schulden können. Somit sind sie die grössten Profiteure. Aber es ist ein unguter Zu103 Bachelorarbeit Stefan Reinli 181 stand, dass die Währungen derart schwanken und von überall beeinflusst werden. Die 182 Südamerikaner haben ja auch solche Massnahmen eingerichtet. Brasilien, die Chilenen 183 schon lange, die haben eine Einfuhrkontrolle. Die Philippinen glaub ich ebenfalls. Es gibt 184 jedenfalls schon viele, die zu Recht sagen, wenn wir das Geld, welches zu viel gespart 185 wird einfach rein lassen, dann haben wir wie Spanien einen riesen Boom, zum Beispiel 186 bei Immobilien. Danach fällt alles in sich zusammen, das können wir nicht zulassen. 187 Somit gibt es eine Kapitalverkehrskontrolle. Das wäre dann zumindest das kleinere 188 Übel, wenn auch nicht generell intelligent. 189 Beim Wechselkursziel, wie sehen Sie da ein mögliches Ende? Das wird ja nicht bis in die 190 Unendlichkeit weitergeführt. 191 Wir haben ja eine tiefere Inflation als andere, somit wertet sich der Schweizerfranken re- 192 al laufend ab. Das kann man nachschauen. Die SNB gibt immer Grafiken heraus mit den 193 realen gewichteten Kursen, und die bewegen sich im Sinne unserer Exporteure. Irgend- 194 wann einmal wird die Nationalbank die Untergrenze fallen lassen müssen. Ja es ist noch 195 schwierig, wie man das technisch macht. Wenn man sagt, man lasse los, dann gibt es 196 wahrscheinlich Spekulationen. Man fragt sich, wohin sich der Franken entwickelt. 197 Somit würde der Franken sofort wieder von Spekulanten angegriffen? 198 Ich nehme an, man müsste einen Zielkorridor errichten. Also in der einen Richtung ist es 199 ja einfach. Es ist einfach, die eigene Währung zu schwächen. Das was wir jetzt machen 200 ist immer möglich, bis zum Gehtnichtmehr. Auf die andere Seite ist es etwas schwieri- 201 ger, aber da gibt es ja keine Befürchtungen. Ich denke, das müsste man mit einer Unter- 202 und einer Obergrenze lösen, wobei die Untergrenze wahrscheinlich relevanter ist als die 203 Obergrenze. 204 Sie denken, das wird irgendwann in der Form kommen? 205 Ja, also entweder man bindet es ein in ein neues Plaza-Abkommen, indem man sagt, 206 wir sitzen alle zusammen und schauen das an – da müsste man vor allem die Chinesen 207 davon überzeugen können. Und innerhalb des Euro ist es etwas schwieriger, da es dort 208 nicht um nominelle Wechselkurse geht, sondern um Inflationsdumping à la Deutschland. 209 Oder man macht es unilateral mit einem allmählichen Ausstieg mit Grenzen, die sich er- 210 weitern. 211 Somit ist ein völlig freier Wechselkurs längerfristig unrealistisch, in der Form wie wir es bis 212 zum 6. September hatten? 213 Wir hatten ja vorher bedingt erfolgreich versucht, das einzudämmen. Von daher ist er ja 214 eigentlich nie ganz frei. 215 Managed floating nennt sich das ja. 216 Ja. Er war vorher natürlich schon mehr oder weniger frei. Aber dass man jetzt einfach 217 sagt, man mache nichts mehr, geschehe was wolle, das dünkt mich etwas zu riskant, bei 104 Bachelorarbeit Stefan Reinli 218 diesen Mengen, die hier gehandelt werden. Dann kommt plötzlich wieder einer, auf den 219 man spekulieren kann. Also ich würde es nicht machen an der Stelle von Herrn Jordan. 220 Das hängt sicher auch davon ab, was für Signale aus dem Ausland kommen? 221 Ja, wobei ich mir nicht vorstellen kann, dass vorher so beruhigende Signale kommen, 222 dass man sagen könnte, wir lassen das völlig frei. Aber man kann vielleicht mit der EZB 223 reden und sagen, wir halten den Kurs gemeinsam in einem gewissen Rahmen. Wenn 224 man das will – das ist natürlich wieder eine Frage der Abhängigkeit und Unabhängigkeit. 225 Es wäre wohl etwas glaubwürdiger dem Markt gegenüber. Eine eigene Währung schwä- 226 chen kann man schlussendlich immer. Daher gibt es auch wenige Spekulationen. 227 Das Zinsniveau haben Sie zu Beginn bereits angesprochen. Wie beurteilen Sie das aktuelle 228 Leinzinsniveau? 229 Es ist der wirtschaftlichen Lage angemessen, zumindest welt- und europaweit. In der 230 Schweiz haben wir natürlich das Immobilienproblem wegen der Zinsen und wegen der 231 Einwanderung. Das ist etwas heikler, wobei man das auch mit anderen Möglichkeiten 232 lösen kann als über den Zins. 233 Was wären das für Möglichkeiten? 234 Es ist das, was die Nationalbank versucht. Man schreibt den Banken vor, die Hypothe- 235 ken so zu berechnen, dass sie auch bei einem Zins von 5% bezahlt werden können, und 236 dass die Belehnung nicht höher als 60% oder 80% des Marktwertes ist. Das nennt sich 237 mikroprudentiell. Eigentlich kann die Aufsicht die Banken dazu zwingen, das zu machen. 238 Die sagen auch alle, sie würden das einhalten. Aber wenn man die Immobilienpreise 239 sieht, kann man das nicht glauben. 240 Also sind die Banken etwas fahrlässig? 241 Ja es sieht so aus. Oder es gibt so viele Leute, die das Geld bar hinlegen können. Das 242 hört man ja manchmal auch, dass die ganz teuren Objekte einfach so bar bezahlt wer- 243 den. Zum Beispiel Deutsche, die Ihr Vermögen bis zum Stichtag reduzieren müssen. 244 Beim Immobilienkauf geht das natürlich problemlos. Angenommen, Sie haben 100 Milli- 245 onen bei einer Schweizer Bank, die Sie eigentlich versteuern müssten, und jetzt kommt 246 dieses Abkommen. Dann müssen Sie vorher noch einige Villen kaufen da und dort, 247 dann haben Sie die Immobilien und bezahlen dann noch auf den vielleicht 20 Millionen, 248 die dann noch bleiben, die Steuern, welche fällig werden. 249 Also sind die Probleme der Immobilien-Krise verknüpft mit der Steuerthematik? 250 Ja. Ich habe zwar noch nicht herausgefunden, wie viel das ausmacht – ich habe bereits 251 recherchiert. Man hört Beispiele von Leuten, die ihre Töchter in ein Studium schicken 252 und ihr hier ein Häuschen oder eine Wohnung kaufen. Es ist natürlich naheliegend vom 253 Problem her. Man weiss, wie viel Geld vorhanden ist und man weiss, wie die Leute die 105 Bachelorarbeit Stefan Reinli 254 Immobilienpreise einschätzen, die kennen die Entwicklung. Deshalb ist das ziemlich na- 255 heliegend. 256 Sehen Sie neben dem Immobilienproblem noch andere Auswirkungen dieses Zinses? 257 Ja Ihre Pension zum Beispiel. Meine nicht, die ist schon auf sicher. Die Pensionskasse 258 rechnet im Durchschnitt mit 6,5% Umwandlungssatz, das braucht etwa 4,5% Rendite – 259 2% hatte man in den letzten zwölf Jahren. Jetzt ist es wahrscheinlich noch weniger. So- 260 mit geht das Rentensystem kaputt, weil es schlecht und teuer ist. 261 Ist eine Anpassung des Zinsniveaus in Zukunft realistisch? 262 Nein, ich glaube nicht. Längerfristig sagt man immer, das Zinsniveau entspreche unge- 263 fähr dem realen Wachstum. Also das mittelfristige Wachstum plus Inflation. Aber eine In- 264 flation haben wir nicht. Als ich studiert hatte, war die Preis-Lohn-Spirale immer die Infla- 265 tion. Das stimmt eigentlich immer noch. Es gibt aber einfach keinen Lohndruck, weil die 266 Unternehmen zu stark sind und die Märkte keine Inflation haben. Und viel mehr Wachs- 267 tum liegt auch nicht drin. Wir haben 1,5% Wachstum, das ist ja längerfristig schon gut, 268 gemessen an dem, was man konsumieren kann. Und 1% Inflation, das ist etwa der 269 Schnitt der letzten Jahre. Unter dem Strich macht das 2,5%. Ich glaube, mehr liegt nicht 270 drin. Damit ist die Pensionskasse nicht mehr finanzierbar. 271 Zusammengefasst sind das die beiden Hauptprobleme, welche entstehen: Die Immobilien- 272 krise und das Rentensystem? 273 Ja. Wobei man das Rentensystem natürlich intelligenter finanzieren kann. Rein volks- 274 wirtschaftlich betrachtet hängt die Finanzierung vom realen Wachstum ab. Da reicht 1% 275 jährlich längstens, um das zu machen. Es ist volkswirtschaftlich gesehen finanzierbar, 276 aber mit dem System, welches von 3% Inflation und 3% realem Lohnwachstum ausgeht, 277 geht das nicht. 278 Also nicht mehr realistisch? 279 Falsch konstruiert, aber volkswirtschaftlich nicht untragbar. Die Rente, welche ich be- 280 komme, ist überrissen, weil sie falsch kalkuliert ist, aber das heisst nicht, dass Renten- 281 senkungen generell nötig wären. Man muss es intelligenter finanzieren. 282 Jetzt möchte ich gerne einen Themensprung machen und einen Sprung ins Jahr 1978. Wir 283 hatten ja damals auch schon ein Wechselkursziel. Ist das mit heute vergleichbar? 284 285 Ja, stimmt. Was hatten wir damals für ein Ziel? 80 Rappen pro D-Mark. Es gab seit Anfang der 1970er-Jahre eine starke Aufwertung. 286 Ja man hat ja lange Zeit gesagt, das könne man nicht vergleichen, denn damals waren 287 die Devisenmärkte noch relativ bescheiden. Man sagte, das ginge nicht. Und jetzt sehen 288 wir, es funktioniert problemlos. Eine eigene Währung kann man bis zum Gehtnichtmehr 289 schwächen. Man kann einfach Geld drucken. Und wenn der Druck plötzlich von der an- 290 deren Seite kommt, kann man Gewinne realisieren. Insofern hat sich nichts geändert. 106 Bachelorarbeit Stefan Reinli 291 Damals hatte man ja dann Anfang der 1980er-Jahre eine starke Inflation, und jetzt rechnet 292 man ja anscheinend nicht damit. Also gibt es nicht nur Parallelen zur Situation von damals? 293 Man hatte damals vor allem realwirtschaftlich eine ganz andere Situation. Zwar haben 294 sich auch heute steigende Ölpreise durchgesetzt. Man hatte aber relativ starke Gewerk- 295 schaften. Das hat dann zu einer Lohn-Preis-Spirale geführt mit einer Inflation. Das hat 296 die Wirtschaft angekurbelt. Damals waren die Zinsen ja teilweise sogar negativ, und das 297 war gut für die Wirtschaft. Ja zum Teil gab es schon eine grosse Inflation. Es gab da- 298 mals eine inverse Zinskurve. Die kurzfristigen Zinsen waren höher als die langfristigen. 299 Das war schon eine etwas seltsame Situation. Das war aber eigentlich kein grosser 300 Schaden für die Wirtschaft. 301 302 303 Konnte man trotz der Unterschiede Lehren aus dieser Situation ziehen? Im Sinne von Inflationsbekämpfung? Beispielsweise. 304 Nein ich glaube, man konnte die Lehre ziehen, dass es damals funktioniert hatte und 305 man es wieder gemacht hat. In den USA kam danach Paul Volcker, der machte 20% 306 Zinsen. Und in der Schweiz kam Markus Lusser. Also man hat dann überreagiert, um 307 die Zinsen zu senken. Die Nationalbank hat dann später sogar zugegeben, dass man 308 dort Fehler gemacht hat. Ich weiss nicht, ob man Lehren ziehen kann – also auch von 309 1929 – ob man das dann beherzigt? Aber man hat damals stark gebremst. 310 Ganz allgemein, haben Sie das Gefühl, die SNB habe richtig reagiert in den letzten ein bis 311 zwei Jahren? 312 Ja sie haben für meinen Geschmack etwas zu spät reagiert. Viele Journalisten – auch 313 ich – haben schon länger gefordert, man solle endlich handeln. Ein nationaler Fonds wä- 314 re vielleicht noch intelligent gewesen. Aber von aussen ist das natürlich immer einfacher 315 zu beurteilen. Insgesamt haben sie bei mir einen sehr guten Eindruck hinterlassen. Sie 316 haben diese ganze Krise auch sachlich gut erklärt und gut kommuniziert. Herr Jordan 317 war ja auch Professor. Für meinen Geschmack ist er etwas zu neoliberal, aber die ha- 318 ben das gut gemacht. 319 Man hat ja schon gehört, dass die SNB alleine mittels Kommunikation auf den Märkten sehr 320 viel bewirken kann. Was halten Sie davon? 321 Nun, wenn es eine Untergrenze gibt, muss man nicht viel kommunizieren. Man weiss, 322 dass eine Nationalbank das machen kann. Aber es ist schon wichtig, dass sie einen gu- 323 ten Eindruck hinterlässt. Also sicher nicht alleine durch gute Kommunikation, aber es ist 324 sehr wichtig, dass man verlässlich kommuniziert und einen soliden Eindruck hinterlässt. 325 Man muss dazu aber auch konsequent handeln. 326 Man muss den Märkten Glaubwürdigkeit vermitteln? 107 Bachelorarbeit Stefan Reinli 327 Ja in erster Linie kommt das schon vom konsequenten Handeln, das „schwätzen“ ist 328 dann die Zugabe. Es ist unter Akademikern etwas in Mode gekommen – das KOF hat ja 329 auch einen Indikator zur Kommunikation. Für mich ist das Messen der Kommunikation 330 eher ein akademischer Gag. 331 Die SNB hat ja die Preisstabilität als oberstes Ziel, und das will sie unabhängig verfolgen. 332 Haben Sie das Gefühl, sie ist immer noch unabhängig, oder interpretiert sie ihre Rolle in letz- 333 ter Zeit neu? 334 Die SNB hat ein doppeltes Ziel: Preisstabilität im Gesamtinteresse des Landes. In den 335 1990er-Jahren gab es eine Auseinandersetzung, ob das Mandat geändert werden soll. 336 Die Amerikaner haben das Doppelmandat „Beschäftigung und Preisstabilität“. Und Eu- 337 ropa hat Preisstabilität und sonst nichts. Die Schweiz hat eher das amerikanische Mo- 338 dell, hat aber nicht die Beschäftigung in der Verfassung, sondern das Gesamtinteresse 339 des Landes. Das ist hilfreich. Und diese Verfassungsänderung wurde dann abgelehnt. In 340 diesem Sinne ist die Nationalbank natürlich nie unabhängig. Die Leute werden ja vom 341 Bundesrat eingesetzt und müssen der Politik regelmässig Rede und Antwort stehen. In 342 Amerika gibt es regelmässige Hearings, die dafür sorgen, dass das Gesamtinteresse 343 des Landes sich Geltung verschaffen kann. Ihre Fragestellung ist eigentlich falsch. Die 344 totale Unabhängigkeit ist nicht realistisch. Indem man „Gesamtinteresse des Landes“ 345 sagt, ist es klar, dass die Zentralbank nicht einfach mechanisch die Preisstabilität ver- 346 folgt und sonst nichts. Und dies installiert eigentlich schon eine gewisse Abhängigkeit 347 von der Politik. 348 Hat sie ihre Rolle anders interpretiert in den letzten ein bis zwei Jahren? 349 Es gab einmal eine Äusserung von Herrn Jordan gegen Lohnerhöhungen. Das hat er 350 aber nie wiederholt. Im Gegenteil. Wenn sie verfolgten, was Herr Trichet machte; der hat 351 sich ständig in Lohnverhandlungen eingemischt. Die Inflation ist Preis-Lohn-Spirale – 352 noch immer. Im Sinne dieses einseitigen Mandates hat man dann ständig gegen Lohn- 353 erhöhungen gesprochen. In der Schweiz herrscht vornehme Zurückhaltung. Ich glaube, 354 Herr Jordan hat gelernt, dass man das in der Schweiz nicht machen darf. Er hat das 355 nicht mehr gemacht. Also ich finde, sie verhalten sich ok. 356 Die Festlegung des Wechselkursziels als solches. Haben Sie das Gefühl, die SNB hat das 357 gemacht, weil es nötig war, oder vielleicht auch etwas aufgrund des Drucks der Politik? 358 Ich denke, sie hat im Gesamtinteresse des Landes gehandelt. Die Politik hat ja eigent- 359 lich auch das Gesamtinteresse des Landes im Kopf. Man kann nicht sagen, es war auf 360 Druck der Politik, aber das gehört irgendwie zusammen. Trichet hat gesagt: „Je vous en- 361 tende, mais je ne vous écoute pas“. Also wenn in der Politik etwas gesagt wurde, dann 362 meine er, er höre es zwar, aber er höre nicht zu. So hat er die Unabhängigkeit demons- 363 triert. Aber eben, die Nationalbank ist eine Institution des Staates und dient staatlichen 108 Bachelorarbeit Stefan Reinli 364 Interessen, zusammen mit der Politik. Sie hat die grössere Unabhängigkeit – zu Recht, 365 damit das nicht hin und her geht – aber sie ist selbstverständlich in die Politik eingebun- 366 den. Sie hat dem Land und dessen Gesamtinteresse zu dienen. Insofern muss sie auf 367 die Politik hören aber keine Befehle entgegennehmen. Unsere Nationalbank macht das, 368 im Gegensatz zu der in Brüssel. 369 370 Ich höre heraus, dass das für Sie so in Ordnung ist? Ja, so muss es sein. 371 Gut, dann bin ich im Prinzip am Ende meines Fragebogens angelangt. Haben Sie noch ei- 372 nen wichtigen Aspekt zum Thema, den ich vergessen habe? 373 Nein, ich glaube das Wesentliche wurde gesagt. Das Währungssystem ist eine internati- 374 onale Aufgabe, die jetzt niemand wahrnimmt. Die Schweiz wäre hier berufen, etwas zu 375 machen, im Gesamtinteresse des globalen Wirtschaftssystems. Stephen Cecchetti, 376 Chefökonom der EZB, hat einmal einen guten Aufsatz geschrieben, in dem er die Un- 377 gleichgewichte beschrieben hat. Diese entstehen letztendlich durch die Unfähigkeit, ei- 378 nen Wechselkurs zu Stande zu bringen, welcher der Warenströme entspricht. Früher 379 war das noch der Fall. Jetzt ist das völlig losgelöst – nicht nur aus politischen Gründen, 380 sondern weil die Massen an Geld so riesig sind und die Spannungen auch so gross 381 sind. Das ist natürlich grässlich und steht im Zentrum der Probleme, die wir momentan 382 haben. Diese Euro-Krise ist letztlich eine Krise des Ungleichgewichts. Im Prinzip sind die 383 Banken aufgrund dieser Ungleichgewichte jetzt faktisch verstaatlicht. Früher konnte das 384 alles mit Devisenschwankungen und Anpassungen einigermassen ausgeglichen wer- 385 den. Man müsste das jetzt global lösen, da nützt auch eine gute Nationalbankpolitik 386 nichts. 387 388 Dann bedanke ich mich für dieses Interview. Bitte, gern geschehen. 109 Bachelorarbeit Stefan Reinli Transkription Interview Leiter Finanzen einer Regionalbank, vom 16. Mai 2012 1 Als Einstiegsfrage nimmt es mich Wunder, was hier genau Ihre Aufgaben sind. 2 Ich leite das finanzielle Rechnungswesen, inklusive dem regulatorischen Reporting. Ich 3 habe die Leitung des Controllings, der Tresorerie und des Risiko-Managements. 4 Das ist ein breites Gebiet. 5 Ja, aber wir sind eine kleine Bank. Da hat man einerseits den Überblick und anderer- 6 seits breitere Aufgabengebiete als in anderen Banken. Wobei man sagen muss, mein 7 Pendant bei der Zürcher Kantonalbank, das gibt es mehr oder weniger auch. Es ist dann 8 einfach grösser, man kann weniger in die Details gehen. Aber von der Funktion her gibt 9 es das auch in anderen Banken. 10 Der hat dann einfach mehr delegiert. 11 Oder er arbeitet mehr. Nein das ist klar, man hat dann etwas mehr delegiert. Aber von 12 den Funktionen her ist es in etwa das, was ein Leiter Finanzen in einer Regional- oder 13 Kantonalbank abdeckt. 14 Was hat sich an ihrer Tätigkeit explizit verändert seit dem Wechselkursziel der SNB? 15 Wir hatten einen Anlagenotstand, der sich dann noch mehr verschärft hat. Wir haben 16 Mühe, das Geld, welches uns anvertraut wird, anzulegen. Das war schon vorher, schon 17 seit der Finanzkrise schwierig, ist aber seit dem Wechselkursziel noch markant schwie- 18 riger geworden. Die grosse Auswirkung für mich war die Vorbereitung auf mögliche Ne- 19 gativzinsen. Das war ein Projekt, nicht nur eine theoretische Abklärung. Wir haben auf- 20 wändige und sehr teure Projekte starten müssen, um uns vorzubereiten auf den Fall, 21 dass Negativzinsen eingeführt werden. 22 Also teuer im Sinn von Personal- und Zeitaufwand? 23 Wir mussten externe Firmen beauftragen für die Umsetzung dieses Informatikprojekts. 24 Das hatte sehr teure Informatikprojekte zur Folge. Wir könnten heute Negativzinsen ab- 25 wickeln. Ob und in welcher Form wir das dann machen würden, ist noch offen. Für mich 26 ist es aber klar, dass man das vorbereiten muss. Das muss man, auch wenn die Natio- 27 nalbank uns versichert, dieses Instrument nicht einführen zu wollen. Es kann trotzdem 28 der Tag kommen, an dem sie gezwungen sein wird, das einzuführen, wenn sie die 29 Grenze weiter verteidigen wird. 30 Aber sie versucht es zu verhindern? 31 Ja klar. Negativzinsen haben gravierende Nachteile, es gibt massive Verzerrungen. Sie 32 wird das nur als äusserste Massnahme ergreifen, nämlich dann, wenn sie nur mit Geld 33 drucken dieser Flut von Euro nicht mehr Herr wird. Dann muss sie vielleicht im äussers110 Bachelorarbeit Stefan Reinli 34 ten Fall noch Negativzinsen einführen. Aber wir als Bank haben eine lange Vorlaufzeit, 35 um so etwas umzusetzen, deshalb mussten wir das jetzt schon vorbereiten. Jetzt könn- 36 ten wir wie auf Knopfdruck Negativzinsen abrechnen. 37 Somit musste man in den vergangenen Jahren nie damit rechnen? 38 Nicht in den letzten 20 Jahren. Es hat es auch schon gegeben, aber nicht in diesem 39 breiten Ausmass. Damals waren es Spezialfälle. Das ist schon länger her, ich glaube in 40 den 1970er-Jahren. Da war ich noch in der Schule. In den letzten paar Jahren waren 41 Negativzinsen nie ein Diskussionspunkt. Eine Bank hat kein Interesse, Negativzinsen 42 auf Gelder zu akzeptieren, die sie anlegt. Und ein Kunde hat schon gar kein Interesse 43 daran, Negativzinsen zu akzeptieren. Dann würde er Bargeld vom Konto abheben. 44 Also sicher nicht bei Kunden in der Schweiz, welche ihr Geld in Schweizerfranken halten? 45 Ja, sicher nicht Kunden in der Schweiz. Bei ausländischen Kunden und teilweise auch 46 Investoren hat man gesehen, da wurden Negativzinsen implizit oder sogar explizit ak- 47 zeptiert – bei Geldmarktbuchforderungen etc. 48 Da muss man einfach akzeptieren, dass es der Preis für eine sichere Anlage ist? 49 Zum Teil musste ich staunen, wie hoch diese Negativzinsen sind, und dass die Investo- 50 ren trotzdem relativ schnell bereit sind, die zu akzeptieren. Und das, obwohl es für aus- 51 ländische Investoren andere Möglichkeiten gegeben hätte, das Geld anzulegen. Das 52 zeigt einerseits die Zeitnot. Man sagt sich dann vielleicht, ich bezahle dieses Prozent, 53 das ist mir egal. Hauptsache ich habe dieses Problem vom Tisch. Diese Investoren 54 mussten in letzter Zeit so viele Probleme lösen, da hat man irgendwann einfach die Zeit 55 nicht mehr, um eine optimale Lösung zu suchen. Das ist dann einfach der Preis, den sie 56 zahlen. Aber einen Schweizer Kunden, welcher über längere Zeit Negativzinsen akzep- 57 tiert, das glaube ich nicht. Privatkunden könnten Bargeld abheben und in einen Safe le- 58 gen. Solange die Safemiete günstiger ist als der Negativzins wird das sicher gemacht. 59 60 61 Das wäre ja dann für das Geschäft einer Bank gar nicht gut? Safes sind nicht kostendeckend. Das wäre sehr unattraktiv für die Bank. Und es ist ja nicht abhängig von der Geldmenge, die im Safe liegt. 62 Ja einerseits. Und andererseits ist da der administrative Aspekt. Sie müssen ja dann ei- 63 ne riesige Logistik aufbauen, um diese Bargeldbestände zu bewirtschaften. Sie müssen 64 bei der Nationalbank bestellen und in die Filialen ausliefern. Das ist sehr teuer. Als Bank 65 hat man daran überhaupt kein Interesse. Wir sind vorbereitet, aber wir hoffen natürlich 66 auch, dass dieser Fall nie eintrifft. Als Bank darf man einfach nicht so naiv auf einen gu- 67 ten Verlauf hoffen. Sie müssen vorbereitet sein, auch wenn es mal nicht in ihrem Sinn 68 läuft. 69 Das war der Hauptpunkt, der Sie beschäftigt hat, das Thema mit den Negativzinsen. 111 Bachelorarbeit Stefan Reinli 70 Ja eben, Anlagenotstand und negative Zinsen, welche uns gezwungen haben, substan- 71 zielle Investitionen in unsere Systeme zu tätigen. 72 Was sehen Sie bei der SNB für Auswirkungen dieses Mindestkursziels? 73 Die SNB ist natürlich ein enormes Risiko eingegangen. Es ist taktisch – das kann man 74 sagen – sehr gut aufgegangen. Die SNB hat mit aus unserer Sicht bescheidenem Mitte- 75 leinsatz das Kursziel verteidigen können. Zu Beginn musste man befürchten, dass es zu 76 einer massiven Flut von Euro führt, welche der SNB angedient werden. Es hat sich dann 77 gezeigt, dass es gar nicht so viel war – zumindest bis jetzt. Aber es gibt nach wie vor 78 zwei Risiken, die enorm sind: Die eine Frage ist, was mit der Untergrenze passiert, wenn 79 sich die Krise in Europa irgendwann einmal akzentuiert. Kann die SNB dann die Unter- 80 grenze immer noch verteidigen? Die wurde ja noch nie richtig getestet. Und das zweite 81 ist das Ausstiegsszenario. Wie kommt die SNB je wieder von dieser Untergrenze weg? 82 An dem Tag, an dem die SNB das Ziel aufgibt, explodiert der Schweizerfranken. Der Eu- 83 ro fällt ins Bodenlose, einfach weil zu Beginn diese Flut an angestauten Geldern kommt. 84 Das gibt eine enorme Volatilität, die extrem schädlich wäre für die Volkswirtschaft. Even- 85 tuell gibt es eine stufenweise Freigabe, das ist heute noch offen. Es spricht ja auch nie- 86 mand davon. Momentan kann man die Grenze nicht aufgeben. Da drin ist man gefan- 87 gen. Das längerfristige Beibehalten dieser Koppelung an den Euro könnte irgendwann 88 einmal eine Inflation auslösen. Wie will die Nationalbank den Wechselkurs verteidigen 89 und gleichzeitig die Inflation im Griff behalten? Da müsste sie die Zinsen anheben. Das 90 kann sie aber nicht, da sie ja die Untergrenze verteidigen muss. Das ist ein strategi- 91 sches Risiko, welches die Nationalbank hoffentlich in der Planung bedacht hat. Ich gehe 92 davon aus, dass dort Leute sind, die genau dafür geschult sind. Es ist sicher dieses stra- 93 tegische Risiko, welches für die Schweiz durchaus auch als existenziell bezeichnet wer- 94 den kann. Die Schweiz hat sich hier aus Sicht der Nationalbank auf Gedeih und Verderb 95 an den Euro koppeln müssen. Ob das strategisch richtig war, das kann man heute gar 96 nicht beantworten. 97 Das kann man erst im Nachhinein sagen. 98 Ja. Und das ist natürlich immer unschön, wenn man ein strategisches Risiko eingehen 99 muss, bei dem man keine Ahnung hat, wie es sich auswirken wird. 100 War es Ihrer persönlichen Meinung nach richtig, dieses Risiko einzugehen? Also ist die SNB 101 mit ihrer momentanen Politik auf dem richtigen Weg? 102 Das ist ganz schwierig zu beantworten. Es gibt ein paar sehr gute Leute bei der SNB, 103 die das viel besser beurteilen können. Ich habe Vertrauen in die Leute. Ich denke, die 104 überlegen sich sehr viele Dinge, die ich nur oberflächlich beachte, sehr gründlich. Des- 105 halb gehe ich davon aus, dass die sich den Risiken bewusst sind. Aus Sicht der Schweiz 106 haben wir meiner Meinung nach eine sehr unglückliche Aussenpolitik beziehungsweise 112 Bachelorarbeit Stefan Reinli 107 Europapolitik. Eine dieser Auswirkungen ist, dass wir mitgefangen sind ohne mitgestal- 108 ten zu können. Wir können uns der europäischen Politik, Konjunktur und Wirtschaftspoli- 109 tik nicht entziehen. Wir sind, auch wenn man die Landkarte betrachtet, de facto mitten in 110 Europa, haben aber sehr wenig Mitgestaltungsrecht. Das ist jetzt der Preis, den man 111 zahlt. Man muss mitgehen, ohne mitgestalten zu können. Von daher muss man nicht 112 fragen, ob die SNB alles richtig gemacht hat. Man müsste eher fragen, ob unsere Aus- 113 senpolitik gut ist. Und da muss ich sagen, da hat man in den letzten 20 bis 25 Jahren 114 strategische Fehler gemacht. Das kann man nicht der SNB ankreiden. 115 Da höre ich irgendwie das Thema EU-Beitritt heraus. 116 Nein, nicht EU-Beitritt. Das wäre für die Schweiz nicht denkbar gewesen in dieser politi- 117 schen Konstellation. Aber wie gesagt, Entscheidungen sind emotional und nicht rational 118 gefällt worden. Deshalb kann man nicht sagen, ob die SNB etwas richtig oder falsch 119 gemacht hat. Ich kann mir vorstellen, dass falls ich hätte entscheiden müssen mit allen 120 Informationen, welche die SNB damals hatte, dass ich auch so entschieden hätte. Aber 121 man muss schon sagen, eine Anbindung einer Währung an eine andere Währung ist ei- 122 ne absolute Verzweiflungstat. Wir haben den Franken angebunden, um die Aufwertung 123 zu verhindern. Andere Länder machen das teilweise, um eine Abwertung zu verhindern. 124 Das ist katastrophal. Wie sich das auf uns auswirken wird, das ist ein Experiment, bei 125 dem man nicht weiss, wie es ausgehen wird. Als Staat ein solches Risiko einzugehen ist 126 enorm. Von daher hat man kurzfristig einen Nutzen, man hat unsere Exportindustrie ge- 127 schützt. Das ist heute deutlich sichtbar. Wir hätten ansonsten einen massiven Konjunk- 128 tureinbruch. Wir haben einen, aber nicht einen massiven. 129 Und es gäbe wahrscheinlich Stellenabbau? 130 Höhere Arbeitslosigkeit, Stellenverlust, welcher vielleicht sogar strukturell wäre. Also 131 Stellen, die nie wieder zurückkämen. Aber eben, der Preis kann sehr hoch sein, und ich 132 glaube, den Preis kennt niemand. Deshalb hat die SNB meiner Meinung nach ein sehr 133 riskantes Manöver unternommen. Ich kann nicht sagen, dass ich das gutheisse. Ich 134 möchte es nicht der SNB anlasten, aber ich finde es schon sehr riskant. 135 Wie hätte es ausgesehen, wenn man dieses Risiko nicht eingegangen wäre? Hätte die SNB 136 mit etwas Geld versucht, den Franken zu lenken? 137 Ja das wäre auch eine Möglichkeit gewesen, punktuell immer wieder etwas zu stützen. 138 Versuchen, eine geordnete Kursentwicklung mit weniger Volatilität herbeizuführen. 139 Das wäre dann der Zwischenweg gewesen zwischen den Extremvarianten gar nichts ma- 140 chen und dem Wechselkursziel? 141 142 Ja. Das wäre Ihrer Meinung nach etwas schlauer gewesen? 113 Bachelorarbeit Stefan Reinli 143 Ja ich bin halt dieser Typ. Ich bin kein Anhänger von Radikallösungen. Und das ist eine 144 Radikallösung. Aber deshalb zu sagen, die SNB hätte einen Fehler gemacht, wäre von 145 mir aus nicht gerechtfertigt. Zum einen haben sie sich das – da bin ich überzeugt – sehr 146 gründlich überlegt. Sie haben sicher noch mehr Informationen, als mir vorliegen. Und 147 zum anderen mussten sie einfach etwas machen. Nicht zu machen war keine Option, 148 das wäre das schlimmste gewesen, einfach zu sagen man wisse nicht was machen und 149 deshalb nichts zu machen. Manchmal muss man auch etwas riskieren. 150 Wobei ich auch schon das Argument hörte, es wäre ein Eingriff in den freien Markt, und das 151 alleine schon problematisch wäre. 152 Ja das ist an sich schon problematisch. Aber wenn sie eine Notsituation haben, müssen 153 sie manchmal auch gegen die reine Lehre verstossen. Die reine Lehre – dessen sind wir 154 uns auch bewusst – ist keineswegs so eindeutig und klar. Es gibt nicht den einen richti- 155 gen Weg in der Steuerung der Volkswirtschaft. Es gibt nur die Optimierung von ver- 156 schiedenen Dimensionen. 157 Vor allem, wenn es von so vielen Faktoren abhängt. 158 Richtig. Und wie gesagt, man darf nicht unterschätzen, eine hohe Arbeitslosigkeit hat 159 auch hohe Kosten. Struktureller Arbeitsplatzverlust ist langfristig auch ein Risiko für die 160 Schweiz. Wenn wir zu einem reinen Dienstleistungsland werden, wird das auch Konse- 161 quenzen haben. Also egal was sie machen, es gibt Risiken. Man muss sich bewusst 162 sein, wir werden mitgerissen von den Problemen anderer Staaten. Die haben abgese- 163 hen davon noch viel grössere Probleme als die Schweiz. Wir werden einfach mitgeris- 164 sen, ob es uns passt oder nicht. Lamentieren nützt nichts. Handeln ist sicher eine gute 165 Option und die SNB hat hier gehandelt. Das will ich wie gesagt nicht in Frage stellen. Ich 166 sage einfach, es ist nicht davon auszugehen, dass die SNB es leicht haben wird. 167 168 Mit den Informationen, die man hatte, hat man also die beste Lösung getroffen? Ja, genau. 169 Das sind also die direkten Auswirkungen für die SNB. Wie sieht es beim Staat aus? Der ist ja 170 unabhängig von der SNB. 171 Ja und nein. Wie gesagt, unsere Aussenpolitik ist sehr unglücklich. Die Probleme kom- 172 men teilweise auch daher, dass wir isoliert sind, dass wir de facto an den Euro gekoppelt 173 sind, obwohl wir nie dem Euro beitreten würden. Jetzt muss man sich fragen, ob man 174 nicht einfach alle Nachteile des Euro übernommen hat und keine Vorteile. Kurzfristig be- 175 trachtet hat das Wechselkursziel für den Staat viele Probleme gelöst. Er muss das KMU- 176 und Exportwirtschaftsproblem nicht angehen und er muss keine Arbeitslosigkeit abfan- 177 gen. Für den Staat ist die Rechnung kurzfristig sehr gut aufgegangen. 178 Kurzfristig? 114 Bachelorarbeit Stefan Reinli 179 Ja wie es langfristig sein wird, das werden wir sehen. Sicher kurzfristig für unsere Politik. 180 Die muss momentan nichts machen. Man sieht das ja auch. Einige Politiker mäkeln 181 manchmal etwas an der SNB herum, andere kommen mit Durchhalteparolen. Aber ma- 182 chen müssen sie eigentlich nichts, sie sind nicht gefordert. Das hat ihnen Zeit erkauft. 183 Man muss sich jetzt fragen, ob die Zeit genutzt werden kann und was man hier machen 184 kann. Es ist schwierig zu sagen. Ich sage einfach, bevor man allzu viel Geld in europäi- 185 sche Staatspapiere – die ja eigentlich nichts anderes als Papier sind – investiert, würde 186 ich mir als Staat überlegen, ob ich jetzt europäische Güter einkaufen kann zu günstigen 187 Preisen. Man könnten zum Beispiel teure Infrastrukturprojekte ausführen lassen durch 188 europäische Unternehmen. Das wäre eine Variante gewesen, anstatt zig Milliarden in ir- 189 gendwelche Staatsobligationen zu investieren. Das sind Handlungsoptionen, die der 190 Staat momentan nicht wahrnimmt. 191 Da höre ich jetzt schon den Aufschrei aus der eigenen Wirtschaft. 192 Ja wissen Sie, die grossen Infrastrukturprojekte wie zum Beispiel der Gotthard- 193 Basistunnel, das sind ja auch internationale Konsortien. Da haben wir die Kapazität gar 194 nicht. Das heisst ja nicht, dass unsere Schweizer Unternehmen ausgeschlossen wären. 195 Die profitieren ja auch vom Bau dieses Basistunnels, die sind ja im Konsortium auch be- 196 teiligt. Aber sie können die Hauptlast nicht tragen. Der Gotthardtunnel wird von Österrei- 197 chern gebaut. Rund herum gibt es dann schon Schweizer Firmen. Aber es gäbe andere 198 Infrastrukturprojekte, bei denen man sich überlegen könnte, diese Leistungen günstig 199 aus dem Ausland zu beziehen. Das wäre eine Variante. Aber es ist klar, momentan ist 200 für den Staat ein dringendes Problem gelöst. 201 Man hat wieder mal etwas Luft. Jetzt zur nächsten Frage: Das Handeln der SNB hat eine 202 grosse Geldmengenerhöhung bewirkt – oder sagen wir eine Geldangebotserhöhung. 203 Nein, wenn man der Statistik der SNB glaubt, war die Geldmenge bereits vorher hoch 204 und ist seither nicht mehr angestiegen. 205 Aber man hat jedenfalls das Geldangebot erhöht, oder ist das auch nicht richtig? 206 So wie ich die von der SNB publizierten Zahlen verstehe, hat sie die Geldmenge seit 207 Einführung dieser Massnahme sogar leicht reduziert gegenüber vorher. Da musste sie ja 208 auch schon den Franken schwächen mittels Interventionen. Von daher war es wie be- 209 reits erwähnt ein taktischer Erfolg. Sie musste die Geldmenge gar nicht in dem Ausmass 210 erhöhen, welches man zu Beginn befürchtete. Wenn Sie die Presse verfolgten, als diese 211 Massnahme eingeführt wurde, hat man polemische Ausdrücke wie „Ozeane austrinken“ 212 oder „Hunderte von Milliarden, wenn nicht mehr“ gehört. Alles Schlagwörter, die Profes- 213 soren der Presse lieferten. Das ist ja alles nicht eingetroffen. Deshalb sage ich, es war 214 taktisch ein voller Erfolg. Dass es ihnen in dieser wirtschaftlichen Situation, in welcher 215 sich Europa und die USA befinden – wobei beide die Geldmenge stark ausweiten – nicht 115 Bachelorarbeit Stefan Reinli 216 gelingt, die Geldmenge zu reduzieren, ist auch logisch. Wir sind international so ver- 217 netzt, wir können die Geldmenge jetzt nicht reduzieren. Das würde die Zinsen massiv 218 nach oben treiben. Dadurch würden wir zu einem Anlageland, was die Massnahmen der 219 SNB gleich wieder zunichtemachen würde. 220 Wieso ist diese grosse Geldflut nicht eingetreten? 221 Weil alleine die Drohung der SNB, jeden Kurs unter 1,20 abzufangen, die Spekulationen 222 massiv reduziert hat. 223 Es hängt also mit der Glaubwürdigkeit der SNB zusammen? 224 Sie hat sich diese Glaubwürdigkeit erworben, das ist taktisch sehr gut aufgegangen. 225 Auch wenn der Kurs mal kurz unterschritten wurde – das war eine sehr unschöne Pan- 226 ne. Aber grundsätzlich hatte sie einen vollen Erfolg auf der taktischen Ebene. Dass aber 227 die Geldmenge gegenüber den Standardlehrbüchern massiv überhöht ist, das ist klar. 228 Da befinden wir uns immer noch in einer Phase der Behebung der Schäden, welche die 229 Rezession ausgelöst hat. Da können wir uns der hohen Vernetzung mit anderen Volks- 230 wirtschaften einfach nicht entziehen, auch wenn bei uns die Rezession nie sehr stark 231 war und schon längst überwunden ist. Wenn die Amerikaner und Europäer die Geld- 232 menge derart ausweiten, dann müssen wir automatisch auch ausweiten, das ist sehr 233 hoch korreliert. Und dass dies zumindest in der Theorie ein gesteigertes Inflationsrisiko 234 darstellen kann ist klar. Aber da gehen die Meinungen weit auseinander. Es ist keines- 235 wegs bewiesen, dass diese Geldmenge zur Inflation führen muss. Der Kreislauf, in dem 236 sich diese hohe Geldmenge bewegt, ist im Prinzip dieser Giro-Guthaben-Kreis, und der 237 ist sehr eng. Sie hatten durch die tiefen Zinsen sicher ein starkes Kreditwachstum, aber 238 das ist nur indirekt. Diese Geldmenge liegt bei der SNB, das ist nicht das Problem. Prob- 239 lematisch sind die tiefen Zinsen, welche zu dieser Kreditausweitung und zur Hauspreis- 240 steigerung führten. Es ist eine sogenannte Asset Inflation. Güter wie Häuser und Boden 241 wurden teurer. Aber die Geldmenge selber ging gar nie in die Volkswirtschaft. Wenn 242 man Banken wie unsere als Beispiel nimmt, wir könnten Hunderte von Millionen mehr an 243 Kredite vergeben, wenn die Nachfrage da wäre. Aber die Nachfrage ist gar nicht mehr 244 da. Dieses Geld bleibt also liegen und ist somit nicht inflationär. Inflationär hingegen sind 245 die tiefen Zinsen, speziell in der Schweiz über Boden- und Immobilienpreise. 246 Das heisst, aufgrund der momentanen Zustände erwarten Sie eine Inflation? 247 Nicht zwingend. Wir haben wohl eine Immobilienpreissteigerung, die aber international 248 betrachtet mit hedonisch gewichteten Preisen nicht sehr stark ist. Daher befinden wir 249 uns in einer Preisentwicklung noch nicht an einem Zeitpunkt, an dem es bei anderen 250 Volkswirtschaften bereits eine Korrektur gab. Wenn Sie unsere Preisentwicklung ver- 251 gleichen mit den USA, England oder Spanien, als dann die Korrektur kam, davon sind 252 wir noch relativ weit entfernt. Wir hatten bis anhin sicher eine starke Preissteigerung, die 116 Bachelorarbeit Stefan Reinli 253 zu einem grossen Teil erst durch diese tiefen Zinsen möglich wurde. Aber wir haben 254 auch eine massive Zuwanderung, welche überhaupt erst diese Nachfrage generiert hat. 255 Also hält sich das momentan die Waage? 256 Im Moment muss man sagen, ist die Nachfrage so hoch, dass selbst hochpreisige Ob- 257 jekte in guten Lagen sehr rasch verkauft werden. 258 Deshalb haben wir die Immobilienblase? 259 Ich weiss nicht, ob es eine ist. Ich habe noch keinen Beweis für eine Blase gesehen. Ich 260 sage, es gab eine deutliche Preissteigerung in den letzten paar Jahren, aber von einer 261 Blase möchte ich nicht sprechen. Wenn ich uns international vergleiche, ist es keine. 262 Und wenn ich das von der Tragbarkeit her anschaue… Das ist ja das nachhaltige Krite- 263 rium: Können die Leute mit ihrem Einkommen die Hypothek tragen; amortisieren und die 264 Zinsen bezahlen… 265 …auch bei steigenden Zinsen. 266 Auch wenn die Zinsen einmal steigen. Da gibt es sicher Anzeichen, dass langsam eine 267 Obergrenze erreicht ist. Aber die Feststellung, dass Leute bei einem Zinsanstieg in 268 Schwierigkeiten kommen, das ist noch nicht gegeben. Deshalb würde ich hier nicht das 269 Wort Blase verwenden. 270 Das ist sehr interessant. 271 Ja das ist ja nicht eine Meinung, die nur ich habe. Man muss den Markt beobachten, und 272 das ist unter anderem die Aufgabe eine Bank. Besonders bei Banken mit dem Marktan- 273 teil, wie wir ihn haben – zumindest in unserer Region. In der aktuellen Entwicklung ist 274 das eine Pflichtaufgabe, man muss das noch vermehrt machen. Aber es sind keine ech- 275 ten Alarmzeichen sichtbar. Es gibt Warnzeichen, die uns dazu veranlassen, nicht mehr 276 jedes Objekt zu finanzieren. Da hätte man vor drei bis vier Jahren vielleicht noch an- 277 standslos einer Finanzierung zugestimmt. Da ist man heute sicher zurückhaltender. Da 278 sind wir auch nicht die einzige Bank. 279 Offiziell machen das ja alle. 280 Ich weiss nicht, ob das alle so machen. Aber bei unseren direkten Konkurrenten sehen 281 wir folgendes: Hätten wir vor rund vier Jahren einen Kunden abgelehnt, hätte dieser 282 noch am selben Tag bei einer anderen Bank eine Hypothek abschliessen können. Das 283 ist heute nicht mehr so. Besonders bei den Luxusobjekten, die nicht mehr so einfach zu 284 verkaufen sind, da findet ein Interessent nicht mehr so einfach eine Alternative, wenn wir 285 erst einmal abgelehnt haben. Das wirkt sicher dämpfend auf die ganze Preisentwick- 286 lung. Ich glaube nicht, dass die Entwicklung in diesem Masse weitergeht. Es hat sich 287 schon jetzt etwas abgeflacht. 288 Muss man trotzdem längerfristig betrachtet – nicht nur bei Immobilien – eine Inflation erwar- 289 ten? 117 Bachelorarbeit Stefan Reinli 290 Eine Inflation hängt von so vielen Faktoren ab. Und in der globalen Wirtschaft, in der wir 291 uns heute befinden, kann man gar nicht mehr klar sagen, welche das sind. Man hatte 292 diese Situation noch gar nie. Man hätte ja schon in den letzten 20 Jahren eine massive 293 Inflation haben müssen, wenn es nach der klassischen Volkswirtschaftslehre ginge. 294 Aber dann hat die Industrieproduktion in China jede Inflation wegproduziert. Sonst hät- 295 ten wir eine Güterpreisinflation, dass uns Hören und Sehen verginge. Der Konsum ist ja 296 massiv gestiegen. Aber alles wurde geliefert aus Billiglohnländern wie China. Andere 297 auch, aber vor allem China. Das hat die Preise massiv gedrückt. Was jetzt die Inflation 298 auslösen soll, zum Beispiel eine massive Verteuerung der Energie – und das ist sicher 299 eine der Gefahren – das wissen wir heute nicht. Aber rein von der Geldmenge her muss 300 es nicht zwingend zu einer Inflation kommen. Das ist meiner Meinung nach eine Fixie- 301 rung auf eine Grösse, welche in der Vergangenheit zu Inflation geführt hat. Aber da ging 302 das Geld in die Wirtschaft hinaus. Heute kann es sein, dass wir wie in Japan – die ha- 303 ben ja auch keine Inflation, sondern seit Jahren eine Deflation – eine riesige Geldmenge 304 haben. Das führt zu tiefsten Zinsen, aber trotzdem gibt es keine Inflation. Ich sehe in den 305 nächsten Jahren eher dieses Szenario, als ein Szenario mit Hyperinflation. 306 307 308 Also eher eine leichte Deflation? Eine leichte Deflation in der Schweiz. Was wären dann die Konsequenzen? 309 Da bin ich zu wenig Spezialist. Ich habe Japan immer etwas beiseitegeschoben, weil die 310 meiner Meinung nach von der Mentalität her so weit von uns entfernt sind. Ich habe im- 311 mer gesagt, wir werden nie ein Japan-Szenario haben. Da lag ich völlig falsch. Wir ha- 312 ben heute tiefere Zinsen als Japan je hatte, das muss man sich mal vorstellen. Ich kann 313 es nicht genau sagen. Ich sage einfach, es hängt von so vielen anderen Faktoren ab. 314 Wenn Sie eine Zuwanderung haben von kaufkräftigen, konsumorientierten Leuten, wie 315 wir das jetzt haben… Ein junger Deutscher, der zu uns kommt um zu arbeiten und gut 316 verdient, konsumiert. Dann wird die Deflation nicht so stark ausfallen. Falls die Zuwan- 317 derung abflacht, und die alternde Bevölkerung ihre Konsumbedürfnisse reduziert, dann 318 gäbe es eine höhere Inflation. Das ist das Phänomen von Japan. Wenn ich wüsste, wie 319 sich die Zuwanderung entwickelt, dann könnte ich das eventuell beantworten. Aber das 320 ist nur ein Faktor von vielen. Ich glaube aber nicht, dass wir abgesehen von steigenden 321 Energiepreisen, die aber aus anderen Gründen steigen, eine grosse Inflation haben 322 werden. Ich glaube, wir werden in den nächsten paar Jahren eher deflationäre Tenden- 323 zen haben, ohne dass sich das Verhalten der Konsumenten dramatisch ändert. Grosse 324 Anschaffungen auf Jahre hinauszögern, in der Erwartung weiter sinkender Preise – so 325 stark wird die Deflation nicht sein. Man sieht es auch beim Autokonsum. Obwohl man 326 erwarten könnte, dass die Preise noch mehr unter Druck geraten, sind die Verkaufszah118 Bachelorarbeit Stefan Reinli 327 len sehr robust. Die Schweizer schieben den Autokauf noch nicht auf. Von daher denke 328 ich nicht, dass es zu einer dramatischen Verhaltensänderung beim Konsum kommt. 329 Sie betrachten also diese mögliche leichte Deflation nicht als besonders schlimm? 330 Eine Deflation ist immer ein Risiko. Der Grund, weshalb die Nationalbank ein Inflations- 331 ziel von 2% herausgibt ist der, dass sie die 0% verhindern will. Sie kann es ja nicht fein- 332 steuern. Da gibt es eine extreme Verzögerung. Dazu kommen Transmissionsmecha- 333 nismen, die nicht zu 100% greifen. Wenn man bei einem Inflationsziel von 0% erst ein- 334 mal darunter ist, ist man in einer Deflation und dann kann eine Zentralbank mit den klas- 335 sischen Instrumenten nicht mehr sehr viel bewirken. Sie will also um jeden Preis nicht 336 unter 0% geraten. Für eine Zentralbank wäre das sehr unkomfortabel. Von daher ist eine 337 Deflation für die Nationalbank ein hohes Risiko, obwohl die aktuellen Auswirkungen viel- 338 leicht gar nicht dramatisch sind. Es erhöht längerfristig einfach die Risiken. Und Risiken 339 sind immer schlecht. Für dieses Risiko werden sie nicht entschädigt. 340 Sie haben die Mittel der SNB bereits angesprochen. Mit welchen Mitteln könnte sie die Defla- 341 tion verhindern? 342 Wenn ein Land in einer Deflation ist, hat die Zentralbank nur noch sehr wenige Möglich- 343 keiten. Negativzinsen würden kaum etwas bewirken. Konsumenten kann man nicht zum 344 Konsum zwingen. Das ist auch das Dilemma der japanischen Zentralbank, welches sie 345 seit 20 Jahren hat. Sie kann die Geldmenge erhöhen und die Zinsen senken, die Leute 346 konsumieren trotzdem nicht. Deshalb ist es für die Zentralbank sehr unkomfortabel, 347 wenn ein Land in der Deflation ist. 348 Deshalb versucht man es, im Vornhinein zu verhindern. 349 Das Ziel wäre es eigentlich, das von Vornherein zu verhindern, damit man das gar nie 350 bekämpfen muss. Für eine Inflation hat sie Instrumente, da weiss man auch, dass die 351 greifen. Es gibt auch da enorme Kosten und die Zeitverzögerung kann enorm sein. Die 352 Schweiz weiss das. Wir hatten für sehr lange Zeit – in der zweiten Hälfte des letzten 353 Jahrhunderts – die Inflation bekämpft. Das hatte enorme volkswirtschaftliche Kosten zur 354 Folge. Aber die SNB kann es bekämpfen. Es ist ja immer die Frage: Kann man oder 355 kann man nicht? Da muss ich sagen, da habe ich vertrauen, bei einer kommenden Infla- 356 tion würde die Nationalbank entschlossen dagegen treten. 357 Ist das Wechselkursziel bei 1,20 an der richtigen Stelle? 358 Ich glaube, es spielt gar keine grosse Rolle. Es könnte auch bei 1,25 sein, das würde die 359 Ausgangslage der Nationalbank nicht gross ändern. Wo es sein sollte, falls man ein 360 Kaufkraftparitäten-Modell unterstellt, da gehen die Meinungen auseinander. Es gibt Leu- 361 te, die sagen 1,30, andere sagen 1,40. Ich sage, der Wechselkurs ist ja nicht konstant. 362 Über die Zeit entwickelt der sich ja. Der Trend ist ja nach wie vor, dass die grossen 363 Währungen abwerten, und Währungen wie der Schweizerfranken eher aufwerten. Des119 Bachelorarbeit Stefan Reinli 364 halb wären wir früher oder später eh bei 1,20, einfach über einen längeren Zeithorizont. 365 Von daher ist es für mich eine taktische Frage, ob die 1,20 geschickt waren oder nicht, 366 aber sicher keine strategische Frage. Weil eben, wenn man rückblickend gewusst hätte, 367 wie erfolgreich die Nationalbank ist, hätte sie es vermutlich riskieren können, auf 1,25 zu 368 fixieren. Aber Sie müssen wissen, als das Ziel damals beschlossen wurde, war der Kurs 369 weit unterhalb – etwa bei 1,10, kurzfristig sogar nahe der Parität. So betrachtet waren 370 die 1,20 ein sehr grosser Schritt. Der Schritt war ja dann von 1,11 auf 1,20 gestiegen. 371 Sogar noch etwas mehr. 372 Sogar noch mehr. Ein riesiger Sprung. Rückblickend kann man sagen, ein noch grösse- 373 rer Schritt wäre möglich gewesen, das hätte auch funktioniert. Aber das weiss man halt 374 nicht. 375 Sie haben vorhin bereits das Ende des Wechselkursziels angesprochen, hauptsächlich was 376 die Reaktion darauf wäre. Aber wie sähe dieses Ende genau aus? Was müsste die SNB 377 machen, um von dem Wechselkursziel wegzukommen? 378 Ich kenne sehr viele Leute bei der SNB, die übrigens genau dafür zuständig sind. Ich 379 weiss, die planen das sehr seriös. Ich konnte bei Referaten auch schon sehen, wie die- 380 se Planung funktioniert. Wie die konkrete Planung für die Aufhebung dieses Wechsel- 381 kursziels aussieht, kann ich Ihnen nicht sagen. Das ist sicher streng geheim. Da darf si- 382 cher nichts durchsickern. Ich kann Ihnen nur sagen, die SNB hat sicher Vorkehrungen 383 getroffen. Sie wird sicher nicht sagen, welche das sind, aber es ist nicht denkbar, dass 384 die SNB hier einfach blind in dieses Abenteuer ging. Die Leute, welche ich da kenne, 385 von denen weiss ich, die gehen nicht auf gut Glück in eine solche Situation. Aber wissen 386 Sie, die haben sicher auch einen Köcher an Instrumentarien und Massnahmen. Da wer- 387 den sie dann situativ einzelne Elemente herausgreifen und einsetzen. Andere werden 388 dann vielleicht in der Hinterhand gehalten. Aber das sind dann vorbehaltene Beschlüs- 389 se, die werden nicht kommuniziert. Sie sagen vielleicht, welche Möglichkeiten sie für die 390 Aufhebung des Ziels haben, aber welche gewählt wird, das wird nicht kommuniziert. 391 Denken Sie, es wird eher eine bewusste Aktion der SNB geben oder regelt das der Markt so, 392 dass das Ziel nicht mehr nötig ist? 393 Optimal aus Sicht der SNB ist ein Wechselkurs, der sich einfach sukzessive höher be- 394 wegt und die SNB irgendwann sagen kann, dass die Untergrenze zwar noch existiert, 395 aber kein Mensch denkt mehr daran, diese zu testen. Das ist dann der Fall, wenn der 396 Kurs bei 1,32 oder 1,35 ist. Irgendwann einmal wird die SNB einfach nichts mehr sagen. 397 Falls dann mal ein Journalist fragt: „Gibt es die Untergrenze noch?“, dann heisst es, es 398 wäre eine theoretische Frage. 399 …gar nicht mehr wichtig. 120 Bachelorarbeit Stefan Reinli 400 Ja genau. Das wäre die Idealvorstellung. Davon träumt Herr Jordan sicher. Aber ich 401 glaube nicht, dass das sehr rasch der Fall sein wird. 402 Es läuft also eher auf eine Aktion der SNB hinaus? 403 Wir wissen einfach nicht, wie sich der Euro weiterentwickeln wird. Ich gehe davon aus, 404 dass Griechenland ausscheiden muss. Das ist bitter für dieses Land, die Leute werden 405 einen hohen Preis bezahlen müssen. Ich persönlich sehe da keinen Ausweg mehr. Ob 406 das zu einem Zusammenbruch des Euro führt weiss ich nicht. Es ist möglich, dass er 407 gestärkt aus dieser Krise geht. Man muss halt auch die historische Dimension im Auge 408 behalten. Langfristig braucht Europa einen geschlossenen Wirtschaftsraum – nur einen. 409 Ansonsten kann Europa geostrategisch nicht überleben. Dass dieser Weg holprig ist, ist 410 klar. Die Frage ist jetzt, ob das ein Weg in den Abgrund ist oder ein holpriger Weg in die 411 Zukunft. Ist dieser Dämpfer der Beginn vom Totalabsturz oder ist es einfach das norma- 412 le Holpern, welches man auf so einem Weg hat? Davon hängt ab, wie sich dieses 413 Wechselkursziel verhalten wird. Es ist durchaus möglich, dass das Ziel nochmals massiv 414 getestet wird, weil rund um den Euro alles zusammenbricht. Wenn Deutsche das Ver- 415 trauen in den Euro verlieren würden und ihr Geld in Schweizerfranken in Sicherheit brin- 416 gen, dann hätte man einen riesigen Zufluss. Wir sind ein kleines Land und Deutschland 417 ist ein sehr grosses Land. Das können wir einfach nicht vorhersagen. Aber ich glaube, 418 kurzfristig wird Herr Jordans Traum, dass sich das Ziel als irrelevant herausstellt, nicht 419 so schnell einstellen. Also es ist natürlich nicht komplett ausgeschlossen. Ich nehme an, 420 eines der Szenarien zeigt eine schwere Rezession der Schweiz mit hoher Arbeitslosig- 421 keit. Dann würden die ausländischen Investoren merken, dass die Schweiz eigentlich 422 noch viel schlechter dran ist als der Euro-Raum. Das ist nicht ausgeschlossen. Und in 423 diesem sehr engen Markt hat man dann plötzlich einen Kurs von 1,35. 424 Dafür andere Probleme. 425 Und dafür andere Probleme. Aber es ist ja nicht die Aufgabe der Nationalbank, Arbeits- 426 losigkeit zu bekämpfen. Das kann nicht ihre Aufgabe sein. In den USA ist das eines der 427 Ziele. Und man sieht, wie schwierig es für das Fed. ist, dieses Ziel zu verfolgen. 428 Jetzt möchte ich gerne noch auf das Jahr 1978 schwenken. Ich nehme an, das ist das, was 429 Sie bereits angesprochen haben, was sich während Ihrer Schulzeit ereignete. 430 431 Ja das ist lange her. Trotzdem, haben Sie einen Überblick über die damaligen Geschehnisse? 432 Ich muss Ihnen sagen, das war damals kein Thema. Da hat keiner darüber gesprochen. 433 Gut wir hatten auch noch keine Wirtschaftskunde. Das wurde in der Schule nie themati- 434 siert und auch im privaten Umfeld nicht. Damals hatte man andere Ängste. Die Inflation 435 zum Beispiel war ein grösseres Thema und die Angst vor Japan. Das waren die beiden 436 Themen, die ich als Schüler wahrgenommen habe, die Angst davor, dass Japan die 121 Bachelorarbeit Stefan Reinli 437 Welt übernimmt mit der unglaublichen Produktivität. Dass die Schweiz ein Wechselkurs- 438 problem hat, habe ich später einmal wahrgenommen, aber nicht zu der damaligen Zeit. 439 Nicht so wie heute. 440 Kann man für die heutige Situation Lehren ziehen aus den Ereignissen von 1978? 441 Ich glaube, die Umstände sind dermassen unterschiedlich, ich wüsste nicht, welche Leh- 442 ren man daraus ziehen könnte. Ich sehe da nichts. 443 Auch die grosse Inflation, die man dann drei bis fünf Jahre später hatte, das kann man nicht 444 eins zu eins übernehmen? 445 Nein. Damals hatte man die Lohn-Preis-Spirale. Das haben wir heute nicht. Die Löhne in 446 der Schweiz stagnieren eher, die Güterpreise sinken. Das müsste sich dann erst noch 447 materialisieren. 448 Gut, dann gehe ich wieder weg vom Jahr 1978. Das Verhalten der SNB haben Sie ja bereits 449 angesprochen, das bezeichnen Sie als eher riskant, aber sicher nicht falsch mit den Informa- 450 tionen, die sie hatten. Was sagen Sie zur Kommunikation der SNB? Man hört ja, dass sie 451 sehr viel nur durch Kommunikation bewegen kann. 452 Sehr unglücklich waren natürlich die Informationslecks, die es gab im Zusammenhang 453 mit dem Rücktritt von Herrn Hildebrand. Da kam heraus, dass er gegen den Willen der 454 beiden anderen Direktionsmitglieder das Wechselkursziel beschlossen hat. Das gab 455 Diskussionen im Bankrat, das war sehr unglücklich. Solche Schäden sind schwierig zu 456 quantifizieren. Da war die Kommunikation sicher nicht optimal. Aber insgesamt, das 457 Durchsetzen der Massnahmen, die taktische Kommunikation, das war gut. Ich muss sa- 458 gen, das wurde sehr professionell gemacht. Man hat der Kommunikation auch Taten 459 folgen lassen. Man hatte nicht das Gefühl, da ist ein Pressesprecher, der irgendetwas 460 sagt. Man hat gespürt, dass hinter der Kommunikation Substanz ist. 461 462 463 464 465 Man konnte ja einiges bewegen auf den Märkten, alleine mit der Kommunikation. Alleine mit der Kommunikation, ja. Könnte man das nicht nutzen, um den Kurs in Richtung 1,25 zu bewegen? Das wäre sicher möglich. Eine Zeit lang wurde das ja auch gemacht. Das war noch unter Herr Hildebrand. 466 Ja. Aber dann hat sich die Situation im Euro-Raum verschärft. Und auch die Wirren um 467 die Leitung der Nationalbank haben dazu geführt, dass dieses Ziel in den Hintergrund 468 gerückt ist. Ich spüre im Moment nicht, dass das kommunikativ vorbereitet wird. Ich 469 weiss es nicht. Aber insgesamt muss ich sagen, die Kommunikation war nicht das Prob- 470 lem dieser Aktion, das war alles sehr professionell. Und dass es Kommunikationslecks 471 gibt bei einer derart grossen institutionellen Krise, das ist auch klar. Das ist ein Kollate- 472 ralschaden. 122 Bachelorarbeit Stefan Reinli 473 Die SNB hat ja die Preisstabilität als Ziel und verfolgt dies unabhängig. Haben Sie das Ge- 474 fühl, sie hat diese Rolle neu interpretiert? 475 Nein, habe ich nicht das Gefühl. 476 Sie haben ja gesagt, dass das Fed. in Richtung Arbeitslosigkeitsbekämpfung geht. 477 Ja gut, das Fed. hat es als institutionellen Auftrag. Die SNB hat das explizit nicht als Auf- 478 trag. 479 Aber Sie denken nicht, dass es trotzdem etwas in diese Richtung geht? 480 Nein, im Gegenteil. Die Preisstabilität ist nach wie vor das oberste Ziel der SNB, und das 481 gilt auch nach unten, nicht nur gegen oben. Und das hat die SNB eigentlich jederzeit 482 sehr glaubhaft vertreten. Da muss ich sagen, obwohl der politische Druck gewisser Par- 483 teien, die Unabhängigkeit der SNB einzuschränken, massiv ist, konnte sie das bisher 484 sehr glaubwürdig umsetzen. 485 Das heisst, alle Aktionen und Massnahmen, welche die SNB getroffen hat, waren unabhän- 486 gig und nicht beeinflusst durch Parteien? 487 Der politische Druck ist sicher da. Aber das ist nicht die Schuld der SNB. Die Schweiz 488 als Land muss sich überlegen, ob sie diese wertvolle Institution – die nicht nur im Aus- 489 land, sondern vor allem auch bei den Bürgern ein hohes Vertrauen geniesst – aufs Spiel 490 setzen will mit irgendwelchen taktischen oder politischen Spielchen. Das 491 das Gefährliche. Die greifen teilweise Themen auf, bei denen es nur um Polemik geht, 492 um schlussendlich Wähleranteile zu gewinnen. So riskiert man, dass die Institution ge- 493 schwächt wird und diese dann die gesetzlich vorgegebenen Ziele nicht mehr verfolgen 494 kann. Man kann eine Institution so schwächen, dass diese nicht mehr glaubwürdig wirkt. 495 Das ist sicher eine Gefahr, aber das ist nicht der Fehler der Nationalbank. Das ist der 496 Fehler gewisser Politiker, denen jedes Mittel recht ist, um sich einen Vorteil gegenüber 497 ihrem Mitbewerber zu verschaffen. 498 499 500 ist eigentlich Um sich zu profilieren. Ja. Also hat das gar nichts zu tun mit dem Inhalt der SNB? 501 Die SNB konnte sich bis jetzt sehr geschickt aus den Diskussionen heraushalten. Ich 502 hoffe, das bleibt weiterhin so. Denn ein Land muss so lange wie möglich eine unabhän- 503 gige starke Zentralbank bewahren. Wenn man das opfern muss, dann musste man 504 schon sehr viel anderes opfern. Wenn sie mal in einer solchen Krise sind, dass man sa- 505 gen muss, die Zentralbank solle jetzt noch andere Ziele verfolgen, das kann kurzfristig 506 funktionieren. Aber längerfristig hat man den grössten Nutzen, wenn eine Zentralbank 507 glaubwürdig die Preisstabilität verfolgen kann. Die Preisstabilität kommt zu einem gros- 508 sen Teil aus der Erwartungshaltung der Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Konsumenten. 509 Wenn sie einmal sagen, man wisse ja genau, bei einer steigenden Arbeitslosigkeit senkt 123 Bachelorarbeit Stefan Reinli 510 die SNB die Zinsen, weil sie das ja immer machen, dann wissen sie auch, was passiert. 511 Dann steigt die Inflation und man weiss, dass man von Vornherein schon nach einer 512 Lohnerhöhung fragen kann. Die Inflation käme ja dann schneller, als man denkt. Wenn 513 das mal in den Köpfen der Leute ist, bis diese Inflationserwartung in den Köpfen wieder 514 abgebaut ist, das dauert sehr lange, das weiss man. Deshalb auch diese Verzögerung. 515 Es ist ja nicht nur die effektive gemessene Inflation, es ist auch die Inflationserwartung, 516 die ein Problem darstellt, sobald sie etabliert ist. 517 518 Weil das alleine schon Aktionen auslöst. Ja. 519 Gut, dann bin ich mit meinen Fragen am Ende. Haben Sie noch einen zentralen Aspekt, den 520 ich noch nicht angesprochen habe? 521 522 523 Nein, ich glaube, wir haben ziemlich breit diskutiert. Dann beende ich das Interview. Besten Dank! Ich danke Ihnen. 124 Bachelorarbeit Stefan Reinli Gedächtnisprotokoll Interview Ralph Peter, Zuger Kantonalbank, vom 16. Mai 2012 1 Was sind kurz zusammengefasst Ihre aktuellen Aufgaben an Ihrem Arbeitsplatz? 2 Meine Aufgaben umfassen unter anderem den Devisenhandel (FX-, Termin- und Opti- 3 onsgeschäfte). Nur den Handel für Kunden. Die Zuger Kantonalbank betreibt keinen Ei- 4 genhandel. Zudem bin ich in allen Aufgabengebieten rund um die Tresorerie tätig. 5 Wie haben sich diese Aufgaben verändert nach dem Wechselkursziel der SNB vom 6. Sep- 6 tember? 7 Die Unternehmer erstellen ja jeweils ein Budget für ihre Geschäftstätigkeit. International 8 tätige Unternehmen stellen Rechnungen oftmals in Euro oder in anderen Fremdwährun- 9 gen aus. Hier fragt sich, mit welchem Kurs der Unternehmer rechnen darf/soll. Neben 10 den Erträgen in Fremdwährungen fallen die Kosten oftmals in Schweizerfranken an. Der 11 Unternehmer muss nun erst recht abschätzen können, bei welchem Kurs er gerade 12 noch Gewinn erzielt und ab welchem Kurs die Gewinnmarge bei null ist. Um sich davor 13 zu schützen, sichert der Unternehmer seine Erträge in Fremdwährungen beziehungs- 14 weise den Fremdwährungskurs ab. Instrumente dafür sind Termingeschäfte und Optio- 15 nen. Bei einem Termingeschäft ist meist ein Abschlag fällig, bei der Option ist eine Prä- 16 mie zu bezahlen. Mit dem Mindestwechselkurs im CHF/EUR der SNB fällt ein grosser 17 Teil des Wechselkursrisikos für die Unternehmer weg. Die Wechselkurse sind abschätz- 18 bar. Somit müssen sich die Unternehmer viel weniger absichern und der Bank entgehen 19 Geschäfte. Dies führt schlussendlich zu Umsatzeinbussen. 20 Was sind Ihrer Meinung nach bereits sichtbare Auswirkungen des Mindestkursziels auf pri- 21 vate Haushalte? 22 Die Konsumenten können nach wie vor sehr günstige Auslandkäufe tätigen. Darunter 23 fallen auch günstige Ferien in zahlreichen Destinationen. Es ist aber nicht mehr ganz so 24 günstig wie vor dem Wechselkursziel, als der Kurs bei rund 1,10 war. Das Wechselkurs- 25 ziel nimmt den privaten Haushalten auch die Opportunität bei Dollar-Produkten wie zum 26 Beispiel Öl. Ohne das Kursziel wäre die Deflation in der Schweiz wesentlich grösser. 27 Darunter würde der Arbeitsmarkt leiden. 28 Was sind die Auswirkungen des Wechselkursziels auf Banken? 29 Das ist wie bereits erwähnt hauptsächlich die Umsatzeinbusse durch ausbleibende Ge- 30 schäfte. Aufgrund der tiefen Zinssätze leiden die Banken zudem unter einer Margenero- 31 sion. 32 Wie sehen die Auswirkungen auf andere Unternehmen aus? 125 Bachelorarbeit Stefan Reinli 33 Die Planung und Budgetierung ist einfacher geworden. Zudem haben die Absicherungs- 34 kosten abgenommen. Man muss aber beachten, dass das sehr branchenabhängig ist. 35 Bei der Export- und Tourismusbranche sieht es ganz anders aus als bei der Importbran- 36 che. Diese profitiert von den tiefen Kursen und könnte natürlich ohne das Kursziel wohl 37 noch mehr profitieren. 38 Welche weiteren Folgen des Wechselkursziels sehen Sie momentan? 39 Je nachdem, wie sich die Lage entwickelt, könnten auf die SNB noch grössere Kosten 40 zukommen. Dies wäre gleichbedeutend mit sinkenden Gewinnen. Der Gewinn der SNB 41 wird jeweils zu einem gewissen Teil an die Kantone verteilt. Wenn dieser Teil wegfällt 42 oder bedeutend kleiner wird, sind die Kantone zum Sparen gezwungen. Und ob das 43 möglich ist, da bin ich mir nicht sicher. Höchstwahrscheinlich fällt das dann auf Sie und 44 mich zurück, indem die Steuern erhöht werden. 45 Als Ausgleich zu diesen Aufwänden der SNB hat sie eine Menge Gold. Das ist bis jetzt 46 ganz gut gelaufen. Allerdings geht das auch nur so lange gut, wie der Kurs stabil bleibt. 47 Sollte Ihrer Meinung nach das Wechselkursziel verändert werden? 48 Momentan sicher nicht. Es steht im Moment alles etwas unter Druck. Die SNB kauft alle 49 möglichen Währung zur Erhaltung des Kursziels. Wichtig für die SNB ist ja vor allem die 50 Preisstabilität. Deshalb wird sie wohl erst bei deutlichen deflationären Tendenzen han- 51 deln, oder wenn die Wirtschaft nochmals massiv unter Druck gerät. 52 Hinzu kommt, dass die Zeit für die SNB läuft und nicht gegen sie. In der Schweiz liegt 53 die Teuerung momentan etwa bei 0%. Im Euro-Raum liegt sie bei 2,6%. Aufgrund dieser 54 Teuerung im Ausland senkt sich die Kaufkraftparität stetig. Das heisst, die Differenz vom 55 aktuellen Kurs von 1,20 zur Kaufkraftparität – die liegt etwa bei 1,35 – wird immer klei- 56 ner. 57 Das war jetzt eine Einschätzung zur Kurszielveränderung nach oben. Ist eine Veränderung 58 nach unten auch in Betracht zu ziehen? 59 Nein. Die Glaubwürdigkeit der SNB ist sehr wichtig. Sie steht momentan sehr stramm 60 hin und beharrt auf diesem Kurs von 1,20. Wenn sie sich jetzt dafür entscheidet, den 61 Mindestkurs bei 1,15 oder 1,10 festzulegen, ist die Glaubwürdigkeit nicht mehr gegeben. 62 Dann werden sich die Märkte fragen, ob es bald wieder eine Veränderung des Wechsel- 63 kursziels geben wird. Deshalb ist eine Veränderung des Kursziels nach unten für mich 64 ausgeschlossen. 65 Wie stehen die Chancen auf eine baldige Anpassung des Wechselkursziels? 66 Die sind meiner Meinung nach bei null. Die Wirtschaftsdaten sind zwar nicht rosig, aber 67 auch nicht katastrophal, zudem ist die deflationäre Tendenz abnehmend. Auf der ande- 68 ren Seite eskaliert gerade wieder die Schuldenkrise, angeführt von Griechenland und 69 Spanien. 126 Bachelorarbeit 70 Stefan Reinli Wie sieht ein mögliches Ende des Wechselkursziels aus? 71 Das wird der Markt alleine regeln, unter anderem wegen der oben bereits erwähnten 72 Teuerungsdifferenz. Der Schweizerfranken wird so irgendwann nicht mehr attraktiv sein 73 als Fluchtwährung. Der Franken ist ja eigentlich auch keine risikolose Anlage, denn ir- 74 gendwann muss das in Schweizerfranken angelegte Geld wieder in Euro getauscht wer- 75 den. Da fragt sich dann, zu welchem Kurs. 76 Wie beurteilen Sie das aktuelle Leitzinsniveau? 77 Ich persönlich denke, dass es sehr gut ist für die Immobilienbesitzer. Für die Immobili- 78 enkäufer ist es momentan nicht so vorteilhaft. Bei den Banken muss man sehen, dass 79 die Marge kleiner wird und sie somit weniger Erträge generieren kann. Bei den Pensi- 80 onskassen muss man sich fragen, wie lange das noch gut gehen kann. Eine stabile 81 Rendite ist momentan schwierig zu erwirtschaften. Obligationen sind nicht rentabel und 82 bei Immobilien ist das Absturzrisiko gross. Also eine Rendite von 4,5% wäre ja nötig für 83 die Finanzierung der Renten. Zusammengefasst ist die Finanzierung des Sozialsystems 84 im Moment sehr schwierig. Die Folgen werden wir bezahlen müssen; entweder mit mehr 85 Beitragszahlungen, mit tieferen Renten oder mit einem höheren Pensionsalter. Ein tiefer 86 Zins kann gut sein für die Wirtschaft, er hat aber genau gleich viele Nachteile. 87 88 89 Was halten Sie vom Experiment einer Zinserhöhung von beispielsweise 0,5%? Das halte ich für unrealistisch wenn nicht sogar abwegig. Wie wird sich der Leitzins über kurze und lange Zeit verändern? 90 Gegenbewegungen sind immer möglich. Für eine nachhaltige Zinserhöhung wäre ein 91 bedeutendes Ereignis nötig. Wenn die Wirtschaftsdaten wieder positiver aussehen, 92 könnten die Zinsen auch wieder angehoben werden. Ich glaube aber nicht, dass das in 93 den nächsten zwei Jahren der Fall sein wird. Ausser durch ein Ereignis wie die Mindest- 94 kursverteidigung im ganz grossen Stil, was die Inflationsgefahr schnell zu einem Prob- 95 lem machen könnte. 96 Was wären die Folgen dieser Zinserhöhung? 97 Die Hypotheken würden teurer. Das wäre sicher eine spürbare Folge steigender Zinsen. 98 Je nachdem, wie gut die aktuellen Tragbarkeitsrechnungen sind oder eben nicht, könnte 99 das gravierende Folgen haben für viele Eigenheimbesitzer. Durch die lange Zinsanbin- 100 dung der Hypothekarnehmer dürfte sich diese Auswirkung aber um mehrere Jahre ver- 101 zögern. Ich glaube, für weitere Folgen einer Zinserhöhung könnte man hier sicher die 102 Schulbuchmeinung anfügen. 103 Wie beurteilen Sie das Verhalten der SNB rund um den starken Franken? 104 Das Mindestkursziel war sicher ein guter Schritt. Mit dem Informationsstand, den man 105 letzten Herbst hatte, war das bestimmt die richtige Entscheidung. 106 Inwiefern kann die SNB allein mittels gezielter Kommunikation die Märkte beeinflussen? 127 Bachelorarbeit Stefan Reinli 107 Die Glaubwürdigkeit ist das wichtigste Gut der SNB. Momentan weiss man genau, dass 108 die SNB das, was sie sagt, auch ernst meint. 109 Könnte die SNB allein mit der Kommunikation einen Kurs von 1,25 versuchen anzustreben? 110 Unter Herr Hildebrand war noch alles neu, deshalb war auch ein Kurs von 1,25 über- 111 haupt erst ein Thema. Aber ernsthaft gerechnet hat man mit einer Erhöhung auf 1,25 ei- 112 gentlich nie. 113 Zudem sagt Herr Jordan klar, dass es keine Negativzinsen geben wird, da das ein zu 114 massiver Schritt wäre. Falls es trotzdem soweit käme, dann würde man nicht von Nega- 115 tivzinsen, sondern eher von Commissions sprechen. Und die würden dann nur für aus- 116 ländische Banken gelten, sicher nicht für die inländischen Sparer. 117 Hat sich die volkswirtschaftliche Rolle der SNB oder deren Interpretation in den letzten Jah- 118 ren gewandelt? Hat sie auf Druck gewisser Subjekte gehandelt? 119 Ich denke, die SNB hat ohne Druck gehandelt, aber stets mit dem Wissen, dass die poli- 120 tischen Parteien hinter ihrem Handeln stehen. Sie hat hauptsächlich wenn nicht aus- 121 schliesslich im Sinne der Preisstabilität und aufgrund der deflationären Tendenzen ge- 122 handelt. 123 Sie denken also nicht, dass die SNB in letzter Zeit ähnlich wie das Fed. handelt, indem sie 124 zum Beispiel die Beschäftigung beeinflusst? 125 Nein, die SNB geht sicher nicht in Richtung des Fed., sonst hätte man nicht einen Kurs 126 von 1,20 gemacht. Zudem hätte man viel mehr Massnahmen gesehen. Die SNB hat den 127 Blick nach wie vor auf die Preisstabilität gerichtet und nur in zweiter Linie auf die Ge- 128 samtwirtschaft. 129 Somit bin ich mit meinen Fragen durch. Haben Sie noch wichtige Aspekte zum Thema, die 130 noch nicht angesprochen wurden? 131 Wichtig zu beachten ist sicher, dass der Mindestkurs Euro-Schweiz eigentlich eine 132 Cross-Rate ist. Es gibt einen Kurs EUR-USD und einen Kurs USD-CHF. Da die Krise im 133 Euro-Raum auf den EUR-USD-Kurs drückt, verteuert sich wegen der Kopplung des 134 Frankens an den Euro der USD zum CHF. Somit haben wir einen teureren US-Dollar mit 135 allen Konsequenzen für den Import. 136 Es gilt auch zu beachten, dass die Geldmenge zwar gestiegen ist, aber die Realwirt- 137 schaft ist entscheidend. Solange das Geld nur bei der SNB liegt, hat es keinen Einfluss 138 auf die Inflation. 139 Zudem sollte man ab und zu einen Blick auf Wachstumsmärkte wie China werfen. Deren 140 Wachstumsdynamik ist in letzter Zeit auch zurückgekommen. Sollte China mittels Pro- 141 tektionismus versuchen, die eigene Wirtschaft zu stärken, könnte uns das in Europa zu- 142 sätzlich bremsen. 128 Bachelorarbeit Stefan Reinli Index der Interviewauswertung Dieser Index zeigt für jedes Unterkapitel der Interviewauswertung, welche Aussagen von welchem Experten verwendet wurden. Um ein Nachlesen der Textpassagen zu erleichtern, stellen die Zahlen die Zeilennummern der jeweiligen Transkription beziehungsweise des Gedächtnisprotokolls dar. Der Vergleich zu 1978 Zurlinden 149-167 // Ehem. UBS-MA 247-254 // Vontobel 293-297 // Finanzleiter Regiobank 441-442 / 445-447 Das Verhalten der SNB Honegger 116-120 / 227-236 / 248-249 / 281-284 // Zurlinden 191-193 // Ehem. UBS-MA 273-280 // Vontobel 312-316 / 321-325 // Finanzleiter Regiobank 73-76 / 94-96 / 120-128 / 147-149 / 206-210 / 226-233 / 456-460 // Peter 104-105 Die Kommunikation als Instrument nutzen Honegger 257 // Zurlinden 57-59 / 196-200 / 204-207 // Ehem. UBS-MA 286-298 // Finanzleiter Regiobank 221-224 / 456-460 / 462-468 // Peter 107-108 Auswirkungen des Wechselkursziels auf die privaten Haushalte Honegger 37-43 // Zurlinden 46-49 // Ehem. UBS-MA 34-35 // Vontobel 17-19 // Peter 22-27 / 40-44 Auswirkungen des Wechselkursziels auf die Banken Honegger 69-72 // Zurlinden 41-42 // Ehem. UBS-MA 27-30 / 43-51 / 152-153 // Vontobel 21-23 // Finanzleiter Regiobank 15-21 / 26-27 // Peter 17-19 Auswirkungen des Wechselkursziels auf die Unternehmen Honegger 48-52 / 287-291 // Zurlinden 37-40 // Ehem. UBS-MA 55-60 / 152-153 // Vontobel 25-29 // Peter 16-18 / 33-37 Auswirkungen des Wechselkursziels auf die SNB Honegger 57-66 // Ehem. UBS-MA 64-65 / 146-147 // Vontobel 31-34 // Peter 39-40 / 4546 Auswirkungen des Wechselkursziels auf den Staat Zurlinden 42-43 // Ehem. UBS-MA 76-80 // Vontobel 39 // Finanzleiter Regiobank 175177 / 179-190 // Peter 40-44 129 Bachelorarbeit Stefan Reinli Eine Veränderung des Wechselkursziels Honegger 108-113 / 133-142 // Zurlinden 102-103 / 127-136 / 140-143 // Ehem. UBS-MA 163-171 / 173-178 / 181-185 // Vontobel 148-153 / 158-160 / 160-167 / 171-177 // Finanzleiter Regiobank 78-80 / 358-359 / 362-368 / 410-416 // Peter 48-56 / 59-64 / 66-69 / 110112 Das Ende des Wechselkursziels Honegger 149-156 / 167-172 // Zurlinden 54-57 / 63-69 // Ehem. UBS-MA 188-198 // Vontobel 191-193 / 195-203 / 205-210 / 216-219 // Finanzleiter Regiobank 82-87 / 378-383 / 393-396 / 400-401 / 417-423 // Peter 71-73 Negativzinsen als weitere Massnahme der SNB Ehem. UBS-MA 301-307 // Finanzleiter Regiobank 27-29 / 31-34 / 41-43 / 56-58 / 62-64 // Peter 113-116 Inflation und Deflation Honegger 92-100 / 102-106 // Zurlinden 53-59 / 72-75 / 77-81 / 83-85 / 87 // Ehem. UBSMA 87-98 / 103-109 / 114-120 / 122-135 // Vontobel 55-59 / 70-75 // Finanzleiter Regiobank 87-88 / 88-91 / 231-245 / 247 / 290-305 / 320-325 / 342-347 / 507-516 // Peter 2627 / 136-138 Das aktuelle Zinsniveau Honegger 34-37 / 37-43 / 120-122 / 179-182 / 197-203 // Zurlinden 49 / 92-97 / 99-101 / 108-112 // Ehem. UBS-MA 153-159 / 204-215 / 220-223 / 225-237 / 239-241 / 352-358 / 362-363 // Vontobel 229-235 / 257-260 / 262-270 // Finanzleiter Regiobank 88-91 / 214219 / 237-245 // Peter 77-86 / 88 / 90-95 / 97-101 Die Motivation der SNB Honegger 280-281 / 284-286 / 299-302 / 313-315 / 318-321 // Zurlinden 211-215 // Ehem. UBS-MA 65-74 / 318-324 / 327-336 / 340-345 // Vontobel 334-347 / 349-355 / 358-368 // Finanzleiter Regiobank 475 / 477-484 / 487-490 / 501-503 // Peter 119-122 / 125-128 Weitere Aspekte aus den Interviews Honegger 271-276 // Ehem. UBS-MA 384-388 / 394-396 // Vontobel 77-87 / 89-97 / 99111 // Finanzleiter Regiobank 105-114 / 116-118 / 173-174 / 247-254 / 259 / 403-407 // Peter 131-135 / 139-142 130 Bachelorarbeit Stefan Reinli Selbstständigkeitserklärung Ich erkläre hiermit, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne Mithilfe Dritter verfasst habe, dass ich alle verwendeten Quellen sowie alle verwendete Literatur angegeben habe, dass ich das Vertraulichkeitsinteresse der Auftraggebenden wahren und die Urheberrechtsbestimmungen der Hochschule Luzern respektieren werde. Zofingen, 25. Juni 2012 Stefan Reinli 131