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HINTERGRUNDTEXT
Periphere neuropathische Schmerzen:
Eine schwerwiegende chronische Störung
Wien, 30. September 2010
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Neuropathische Schmerzen sind eine komplexe Störung, die durch verschiedene Erkrankungen, Verletzungen und auch durch einige Medikamente ausgelöst werden kann.
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Neuropathische Schmerzen können chronifizieren und lebenslang bestehen bleiben; sie
beeinträchtigen nicht nur das Familien- und Sozialleben des Patienten außerordentlich stark,
sondern schränken seine Funktionsfähigkeit im Alltag auch deutlich ein.
•
Schätzungen zufolge bewirken die bisher verfügbaren Therapien nur bei einem Drittel der
Menschen mit neuropathischen Schmerzen eine ausreichende Schmerzlinderung. Es besteht
ein dringender Bedarf an neuen therapeutischen Optionen, um diesen Patienten effektiv zu
helfen.
Was versteht man unter neuropathischen Schmerzen?
Neuropathische Schmerzen sind die Folge von Nervenschäden. Die Fachgesellschaft „International
Association for the Study of Pain“ (IASP) definiert neuropathische Schmerzen als „Schmerzen, die
von einer Primärläsion, Dysfunktion oder vorübergehenden Störung des peripheren oder zentralen
Nervensystems ausgehen oder verursacht werden“. Neuerdings wird eine breitere Definition
propagiert: „Schmerzen, die als direkte Folge einer Läsion oder Erkrankung des somatosensorischen Systems entstehen“.1
Neuropathische Schmerzen lassen sich in zwei Kategorien einteilen: Periphere neuropathische
Schmerzen (PNP) resultieren aus einer Schädigung oder Dysfunktion des peripheren Nervensystems.
Die weniger häufigen zentralen neuropathischen Schmerzen (CNP) werden durch Schädigungen
oder Dysfunktion des zentralen Nervensystems ausgelöst.
Periphere neuropathische Schmerzen werden durch Nozizeptoren vermittelt. Dies sind spezialisierte,
kleinere Endigungen der sensorischen Nerven, die in vielen Körperregionen vorkommen, wie z.B.
in der Haut. Nozizeptoren reagieren normalerweise auf chemische, mechanische oder thermale
Stimuli. Sie können jedoch infolge einer Herabsetzung der Aktivierungsschwelle nach einer Verletzung
oder Erkrankung spontan aktiv (hyperaktiv) oder überempfindlich werden, so dass es zu einer übermäßigen Schmerzempfindung kommt.2, 3, 4
1
2
3
4
Jensen T. et al. Pharmacology and treatment of neuropathic pains. Current Opinion in Neurology
2009;22:467-474
Caterina MJ & Julius D. The Vanilloid Receptor: A molecular gateway to the pain pathway. Annu Rev
Neurosci 2001;24:487–517
Campbell JN, Meyer RA. Mechanisms of Neuropathic Pain. Neuron 2006;52(1):77–92
Woolf CJ, Mannion RJ. Neuropathic pain: aetiology, symptoms, mechanisms and management. Lancet
1999;353(9168):1959–64
Die verschiedenen Arten von peripheren neuropathischen Schmerzen
Periphere neuropathische Schmerzen können durch ein breites Spektrum von Erkrankungen, Verletzungen und Medikamenten ausgelöst werden. Hier einige Beispiele:
•
Die Reaktivierung des Herpes-Zoster-Virus (Windpocken-Virus) manifestiert sich in Form eines
extrem schmerzhaften Hautausschlags, den man als Gürtelrose bezeichnet. Die durch das
Virus verursachten Nervenschädigungen können postherpetische Neuralgien nach sich ziehen.
Diese Schmerzen können nach Abheilen der eigentlichen Erkrankung noch monate- oder sogar
jahrelang anhalten.
•
Diabetes mellitus kann eine diabetische Neuropathie auslösen, die mit lang anhaltenden neuropathischen Schmerzen meist im Bereich der Hände oder Füße einhergeht.
•
HIV-Infizierte können infolge der Erkrankung selbst oder durch manche medikamentöse Therapieansätze eine Neuropathie entwickeln (HIV-assoziierte Neuropathie). Auch diese Form von
neuropathischen Schmerzen äußert sich meist im Bereich der Hände oder Füße.
•
Auch Erkrankungen wie das Komplexe Regionale Schmerz-Syndrom (CRSP) oder die Fibromyalgie sind häufig mit neuropathischen Schmerzen verbunden.
Periphere neuropathische Schmerzen: Die Symptome
Neuropathische Schmerzen können sich durch eine ganze Reihe unangenehmer und schmerzhafter
Empfindungen bemerkbar machen. Oft werden sie als stechend, elektrisierend, brennend oder
einschießend beschrieben. Nachstehend einige Beispiele:5
•
Allodynie: Schmerzen, die durch eine Stimulation ausgelöst werden, die normalerweise nicht
als schmerzhaft empfunden wird, wie z.B. eine leichte Berührung
•
Hyperästhesie: eine übertrieben schmerzhafte Reaktion auf einen Reiz, der normalerweise
als schmerzhaft empfunden wird
•
Hypästhesie: eine verminderte Reaktion auf einen Reiz, der normalerweise als schmerzhaft
empfunden wird
•
Hyperalgesie: erhöhte Schmerzempfindlichkeit
•
Hypoalgesie: verminderte Schmerzempfindlichkeit
•
Hyperpathie: Schmerzen, die bestehen bleiben, nachdem die Ursache des Schmerzes behoben
wurde
•
Parästhesie und Dysästhesie: abnorme und unangenehme Empfindungen, die als Kribbeln
oder nadelstichähnliches Gefühl beschrieben werden
Manchmal sind die Patienten aufgrund der chronischen Schmerzen in ihrer Mobilität deutlich eingeschränkt. Sie sind oft auch nicht mehr in der Lage, ihrer Arbeit nachzugehen oder Kleidung zu
tragen, da der Hautkontakt ein unerträgliches Brennen auslöst. Neben den mit der Schmerzstörung
verbundenen Symptomen leiden Patienten mit neuropathischen Schmerzen häufig unter Depressionen, Angst- und Schlafstörungen.5
5
Neuropathic Pain Factsheet. Neuropathic Pain Network. Abrufbar unter:
http://www.neuropathicpainnetwork.org/english/members/index.asp. Letzer Zugriff: 9. Januar 2010
2
Neuropathische Schmerzen beeinträchtigen die Funktionsfähigkeit und überlagern das
ganze Leben der Patienten
Neuropathische Schmerzen können lebenslang bestehen bleiben und verschlimmern sich häufig
im Laufe der Zeit noch weiter. Der Schmerz beeinträchtigt nachweislich die allgemeine Lebensqualität. Betroffen sind auch wichtige Aspekte der körperlichen und geistigen Funktionalität wie
z.B. die Mobilität und Arbeitsfähigkeit der Betroffenen.6 Neuropathische Schmerzen können das
gesamte Familien- und Sozialleben eines Patienten und seine Fähigkeit, am Alltagsleben teilzunehmen, schwer beeinträchtigen.7 Es wurde gezeigt, dass der Schmerz tatsächlich in alle Bereiche
des täglichen Lebens eingreift.9 Die gesundheitliche und allgemeine Beeinträchtigung ist bei
Patienten mit neuropathischen Schmerzen noch stärker ausgeprägt als bei Menschen mit anderen
chronischen Schmerzzuständen.9
Alle Bevölkerungsschichten betroffen
Es liegen keine definitiven Zahlen zur weltweiten Prävalenz von neuropathischen Schmerzen vor.
Man geht jedoch davon aus, dass diese Schmerzstörungen häufiger sind als allgemein angenommen.8
Nach Schätzungen des Neuropathic Pain Network liegt die Prävalenz von neuropathischem
Schmerz in Deutschland bei 6,0 %, in Frankreich bei 6,4 %, in Großbritannien bei 7,5 % und in
Spanien bei 7,7 %.6 In Österreich leiden mindestens 262.000 Menschen (3,3% der
Gesamtbevölkerung) an so genannten peripheren neuropathischen Schmerzen.10
Erhebliche Belastung des Gesundheitssystems und der Gesellschaft durch neuropathische
Schmerzen
Durch höhere Ausgaben für gesundheitliche Belange der Betroffenen und durch Fehlzeiten am
Arbeitsplatz stellen neuropathische Schmerzen eine ganz erhebliche finanzielle Belastung für die
Gesellschaft dar.8 Eine in den USA durchgeführte Studie zeigte, dass die Krankheitskosten bei
Patienten mit schmerzhaften neuropathischen Störungen dreimal so hoch sind wie bei Personen
ohne solche Störungen. Die Autoren der Studie stellten fest, dass Patienten mit neuropathischen
Schmerzen auch häufiger an chronischen Begleiterkrankungen wie Arthrose, Depression oder
koronarer Herzkrankheit leiden.5
Eine klinische Herausforderung
Neuropathische Schmerzen gelten als schwer behandelbare komplexe Störung (Syndrom).7 Nach
aktuellen Forschungsergebnissen geben Patienten mit neuropathischen Schmerzen im Vergleich
zu Patienten mit nicht-neuropathischen chronischen Schmerzzuständen im Schnitt höhere Schmerzwerte und eine geringere Lebensqualität an. Weiterhin benötigen sie mehr Arzneimittel und erzielen
bei der Behandlung dennoch eine geringere Schmerzlinderung.8
Bei chronischen Schmerzzuständen wie neuropathischen Schmerzen ist es in der Regel nicht möglich,
die zugrunde liegende Ursache der Schmerzen abzustellen.1 Daher konzentriert sich die Therapie
auf die Schmerzlinderung. Weitere Behandlungsziele können die Verbesserung oder Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit und eine Minimierung der Belastung durch die Medikation sein.
6
7
8
O’Connor A and Dworkin R. Treatment of neuropathic pain: An overview of recent guidelines. American
Journal of Medicine 2009;122:S22–S32
Gálvez R et al. Cross-sectional evaluation of patient functioning and health-related quality of life in
patients with neuropathic pain under standard care conditions. European Journal of Pain 2007;3:244–55
Smith B et al. Clinical Journal of Pain 2007;23:143–9
3
Welche Therapieoptionen gibt es bisher bei neuropathischen Schmerzen?
Die Arbeitsgruppe „Neuropathische Schmerzen” der International Association for the Study of Pain
hat evidenzbasierte Leitlinien für das pharmakologische Management neuropathischer Schmerzen
herausgegeben.8 Diese empfehlen bestimmte Antidepressiva (z.B. trizyklische Antidepressiva und
duale Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer), Antikonvulsiva (z.B. Gabapentin
und Pregabalin) und topisch angewandtes Lidocain als First-Line-Therapien. Second Line werden
Schmerzmittel auf Opioidbasis und Tramadol empfohlen, die in bestimmten klinischen Situationen
auch als First-Line-Behandlung in Frage kommen. Weitere Arzneimittel, die im Allgemeinen nur als
Third-Line-Therapien angeraten werden, hier jedoch unter gewissen Umständen als Second-LineBehandlung eingesetzt werden können, sind bestimmte Antiepileptika und Antidepressiva,
N-Methyl-D-Aspartat-Rezeptorantagonisten und topisch angewandtes niedrig dosiertes Capsaicin.
In den Leitlinien wird betont, dass die Auswahl der Medikamente individuell auf den Patienten abgestimmt werden muss. Hierbei sind die Nebenwirkungen und der potenzielle Nutzen in Relation zum
Risiko angesichts der Begleiterkrankungen sorgfältig abzuwägen, ebenso wie die Frage, ob ein
rasches Einsetzen der Schmerzlinderung erforderlich ist.8 Faktoren, die die Einsatzmöglichkeiten
der bisher verfügbaren Arzneimittel einschränken, sind z.B. die Nebenwirkungen, mögliche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, ein (zu) langsamer Wirkungseintritt, die Notwendigkeit einer
aufwändigen Titration und mehrfach tägliche Anwendung.9
Neben medikamentösen Therapien werden bei neuropathischen Schmerzen sehr häufig auch andere
Optionen des Therapiemanagements eingesetzt, wie z.B. Bewältigungsstrategien, Linderung der
Angst, Besserung der Schlafprobleme, Behandlung der Depression, Physiotherapie und psychosoziale Hilfen.1
Spezialisten gehen davon aus, dass trotz Fortschritte im Verständnis der neuropathischen Schmerzen
und gewissen Vorstößen bei ihrer Behandlung bei zwei Drittel der Patienten mit neuropathischen
Schmerzen mit den bisher verfügbaren Arzneimitteln keine ausreichende Schmerzlinderung erzielt
werde.1 Es besteht daher ein dringender Bedarf an neuen therapeutischen Optionen, die diesen
Patienten eine anhaltende und effektive Linderung ihrer Schmerzen ermöglichen.
9
Backonja M et al. NGX-4010, a high-concentration capsaicin patch, for the treatment of postherpetic neuralgia: a randomised, doubleblind study. Lancet Neurology 2008:7(12):1106–12
10
Gustorff B et al. Prevalence of self-reported neuropathic pain and impact on quality of life: a prospective
representative survey; 52: 132-36; Acta Anaesthesiol Scand 2008
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