Die Seeforelle in der Steinach - Amt für Natur, Jagd und Fischerei

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Die Seeforelle in der Steinach
Charakterisierung und Bestandsentwicklung der Seeforellenpopulation in der Steinach
vor dem Hintergrund der Verlegung der Abwässer der ARA Hofen
2016
Die Seeforelle in der Steinach
Die Seeforelle in der Steinach
Charakterisierung und Bestandsentwicklung der Seeforellenpopulation in der Steinach
vor dem Hintergrund der Verlegung der Abwässer der ARA Hofen
HYDRA AG, Peter Rey und John Hesselschwerdt
Bericht zuhanden des Amtes für Natur, Jagd und Fischerei, St. Gallen
Juni 2017
HYDRA AG
Lukasstr. 29
9008 St. Gallen
www.hydra-institute.com
Die Seeforelle in der Steinach
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Gefährdung der Seeforelle und die Rolle der Steinach
1.2 Die wechselhafte Geschichte des Wassers in der Steinach
1.3 Die Konsequenzen der Abwassersanierung für die Steinach
3
3
4
5
2 Biologie der Seeforelle
2.1 Taxonomie und Beschreibung
2.2 Lebenszyklus der Seeforelle
2.3 Seeforellen und Wassertemperatur
6
6
7
9
3 Methodik
3.1 Hydrologie
3.2 Elektro-Befischungen
3.3 PIT-Tags zur individuellen Markierung von Fischen
3.4 Kontinuumsanalysen
3.5 Laichflächenanalysen
3.6 Brutboxenversuche
3.7 Jungfischabwanderung in den See
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10
10
11
13
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16
4
17
Morphologie und Geschiebe
5 Hydrologie
5.1 Einzugsgebiet und Abflussregime
5.2 Zuleitung von gereinigtem ARA-Wasser
5.3 Wassertemperaturen
18
18
22
23
6 Kontinuumsanalysen
6.1 Querverbauungen
6.2 Wasserführung und Seeforelleneinstieg
28
28
34
7 Bestandsentwicklung der Seeforellen in der Steinach
7.1 Laichfischfang
7.2 Besatz
7.3 Systematische Untersuchung der Einwanderung
7.4 Grössenverteilung
7.5 Geschlechterverhältnis
35
35
36
36
39
41
8 Seeforellen-Reproduktion
8.1 Brutboxenversuche
8.2 Ei-Entwicklungszeiten
8.3 Laichhabitat-Kartierung
8.4 Natürliche Reproduktion
42
42
44
46
47
9 Abwanderung
9.1 Adulte Seeforellen
9.2 Seeforellen-Smolts
9.3 Weitere Bebachtungen
51
51
53
56
10 Catch & Carry-Versuch
60
11 Relevante Fischkrankheiten
61
12 Makrozoobenthos, Nahrungsverfügbarkeit
62
13 Zusammenfassung
65
1
Die Seeforelle in der Steinach
13.1 Fazit
13.2 Empfehlungen
13.3 Offene Fragen und Abklärungsbedarf
65
66
67
14 Literatur
68
2
Die Seeforelle in der Steinach
1 Einleitung
1.1 Gefährdung der Seeforelle und die Rolle der Steinach
Für die Bodensee-Seeforelle spielen die Bodenseezuflüsse eine zentrale Rolle bei der Vermehrung.
Die erwachsenen Forellen steigen im Spätherbst aus dem See in die Bodenseezuflüsse auf, um in
kiesreichen Abschnitten im Flussbett abzulaichen. Dabei legen sie Wanderungen von bis zu 150 km
zurück. Bedeutende Reproduktionsgewässer sind die grossen Bodenseezuflüsse Alpenrhein und Bregenzerach, aber auch die Leiblach, Goldach und Steinach besitzen eine herausragende Bedeutung.
Seit Mitte des 20. Jahrhunderts waren die Bestände der Bodensee-Seeforelle stark rückläufig. Ursächlich waren neben ungenügenden Schonbestimmungen besonders die Querverbauungen in den Bodenseezuflüssen, welche vielerorts die Laichwanderungen verhinderten. Seit den 1950er Jahren verschlechterte sich auch die Wasserqualität des Bodensees und seiner Zuflüsse durch die Einleitung
grosser Abwassermengen und unkontrollierten Nährstoffeintrag erheblich (IGKB 2004), was der
Seeforelle auch im See selbst die Lebensbedingungen erschwerte. Leider fanden in dieser für Seeforellen kritischen Phase vor allem Seeforellen-Besatz aus anderen Einzugsgebieten (Genferseebecken, Walchensee u.a.) statt (RUHLÉ et al. 2005), wodurch die genetische Identität der BodenseeSeeforelle wahrscheinlich verändert wurde. Auch erfolgte der Jungfischbesatz damals zum grossen
Teil in den See selbst. Infolge der genannten Faktoren und Massnahmen waren Seeforellen im
Einzugsgebiet des Bodensees Mitte der 1980er Jahre beinahe ausgestorben (RUHLÉ et al. 2005). Die
letzten Seeforellen-Aufsteiger in den Alpenrhein und die Goldach wurden für den Wiederaufbau einer
autochthonen Population genutzt; intensive Zucht- und Besatzmassnahmen retteten in der Folgezeit
die Bodensee-Population. Heute werden nur noch aus Laichfischfang und autochtonen Elterntierstämmen gewonnenen Brütlinge und Vorsömmerlinge in die Laichgewässer besetzt (IBKF 2013). Ab
Ende der 1990er Jahre wurde sowohl bei den Aufsteigern am Alpenrhein als auch bei den Seefängen
ein deutlicher Aufwärtstrend der Seeforelle festgestellt (RUHLÉ 2005).
In der Steinach wurden 1988 erstmals 6.000 Seeforellen-Vorsömmerlinge von Elterntieren aus der
Goldach besetzt. Anfang der 1990er Jahre wurden erste Laichfische in der Steinach entdeckt (FEHR,
mündl.). Seit 1996 wird von Mitte bis Ende Dezember ein alljährlicher Laichfischfang zur Laichgewinnung durchgeführt (Abb. 1.1). Aus dem erfolgreichen Besatz entwickelte sich in der Steinach ein
Seeforellen-Bestand, der inzwischen zu den bedeutendsten im Bodensee-Einzugsgebiet zählt. In den
Jahren 2010 bis 2012 wurde er auf 300 bis 550 aufsteigende Laichfische abgeschätzt, was nach dem
Alpenrhein der zweithöchsten Anzahl von Seeforellenaufsteigern aller Bodenseezuflüsse entspricht
(WERNER et al. 2014).
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Die Seeforelle in der Steinach
1.2 Die wechselhafte Geschichte des Wassers in der Steinach
Die Wasserversorgung von St. Gallen
Mitte des 19. Jahrhunderts herrschte Wassermangel in der Stadt St. Gallen. Als ausreichende und
zukünftige Ergänzung der bis dahin genutzten Quellen wurde der Bodensee betrachtet. Es dauerte
aber noch ein paar Jahrzehnte, bis 1895 die moderne Wasserversorgung mit der Eröffnung des Seewasserwerks Riet in Goldach stattfand. Nun konnten 17’000 m³ Wasser pro Tag vom See nach St.
Gallen gepumpt werden, das Zehnfache der damals benötigten Tagesmenge. Seit 1993 garantiert die
Regionale Wasserversorgung St. Gallen (RWSG) eine maximale Pumpleistung von 60'000 m³/d bei
einem Spitzenverbrauch der Stadt von 33'000 m³/d. Der durchschnittliche Verbrauch (inkl. Verbrauch
für Industrie und Gewerbe) liegt bei rund 300 l/pro Person und Tag (www.wasser.sg.ch).
Der Weg des Wassers zurück in den See
Im 19. Jahrhundert gab es in der Stadt St. Gallen noch offene Gassenbäche. Sie dienten zur Ableitung
des Regen- und Schmutzwassers und versorgten die Menschen gleichzeitig mit Brauchwasser. Gab es
keine Niederschläge, waren Spülungen mit Wasser aus einem Weiher notwendig, um übel riechende
Ablagerungen in den Wasserläufen zu verhindern. Bereits damals wurde Regen- und Schmutzwasser
aus dem Stadtgebiet von St. Gallen in die Steinach geleitet, was zu einer starken Belastung des Bachs
führte. Die oft übelriechende Brühe wurde im Stadtbereich zwischen 1867 und 1911 unter die Erde
verlegt. Zwar wurde seitdem das Abwasser von der Steinach getrennt abgeleitet, doch kam es bei
Hochwasser stets zu einer Vermischung der Wasserkörper. 1905 wurde mit dem Bau einer zusammenhängenden Kanalisation begonnen, die 1917 an die erste mechanisch-biologische Kläranlage der
Schweiz in Wittenbach angeschlossen wurde. 1991 wurde ein 2,6 km langer Stollen fertiggestellt, der
das saubere Steinachwasser getrennt vom Abwasser in den Tobel leitet (aus: «Geschichte der Kanalisation und der Abwasserreinigung der Stadt St. Gallen»; FRIEDL, 2004).
Zwischen 1991 und 2014 gelangte das vom See stammende Trink- und Brauchwasser nach seiner
Verwendung zunächst in die Einrichtungen der kommunalen Abwasserentsorgung und von dort aus
zu einem bedeutenden Teil (ca. 60 %) in die Steinach und mit ihr zurück in den See. Dadurch
erreichte die Steinach – je nach Basisabfluss – eine bis zu sechsfach erhöhte Wassermenge gegenüber
den ursprünglichen Verhältnissen. Ebenfalls in die Steinach eingeleitet wurden grosse Anteile der
Regenentlastung aus den Siedlungsflächen. Die Einleitung des gereinigten Abwassers hatte also vor
allem durch die grosse relative Menge noch immer starke stoffliche Belastungen des Bachs zur Folge.
Um diesen Einfluss zu reduzieren, wurden von der EAWAG im Auftrag des AFU St. Gallen zwei
Varianten erarbeitet und geprüft (UEHLINGER et al. 2006). Eine erste Möglichkeit beinhaltete Nachrüstungsarbeiten an der ARA Hofen, um die Belastung der Steinach zu verringern, eine zweite sollte
die Abwässer direkt in den Bodensee leiten. Aufgrund des grossen Anteils des ARA-Wassers in
Trockenperioden hätte auch ein Nachrüsten der ARA Hofen noch zu hohen stofflichen Belastungen
geführt (UEHLINGER et al. 2006). Daher folgte der Beschluss, das gereinigte Abwasser künftig direkt
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Die Seeforelle in der Steinach
in den Bodensee zu leiten (ENTSORGUNGSAMT, STADT ST. GALLEN, 2007). Dabei wurde die Verbesserung der Wasserqualität gegenüber anderen ökologischen Bedenken als prioritär gesehen.
Die Ableitung des Wassers aus der ARA Hofen in die tiefer gelegene ARA Morgental wurde im
Sommer 2014 umgesetzt. Das Areal der ARA Morgental schliesst ein Kleinwasserkraftwerk mit ein,
das aufgrund der Höhendifferenz von 195 Metern zwischen den beiden Kläranlagen und mit Hilfe der
Abwärme des gereinigten Abwassers Energie erzeugen kann. Das geklärte Wasser der ARA
Morgental wird danach zusammen mit dem gereinigten und turbinierten Wasser der ARA Hofen
gesammelt und 1000 Meter vom Ufer entfernt in einer Tiefe von 15 Metern direkt in den Bodensee
eingeleitet.
1.3 Die Konsequenzen der Abwassersanierung für die Steinach
Die bis 2014 abgeschlossenen Massnahmen haben die stoffliche Belastung der Steinach deutlich
reduziert. Sie haben aber auch die Hydrologie des Gewässers wieder stark verändert. Mit der Zugabe
gereinigten ARA-Abwassers wurde der Steinach bis 2014 bis zu sechfach mehr Wasser – oft
schwallartig – gegenüber dem zugeführt, was natürlicherweise aus dem Einzugsgebiet abgeflossen
wäre. Im Winter führte diese Zuleitung des wärmeren vorgereinigten Abwassers zu einer
signifikanten Temperaturerhöhung, im Sommer konnte dieses Wasser aber durchaus auch eine
kühlende Wirkung haben.
Offene Fragen
Neben den positiven Auswirkungen auf die Wasserqualität und die diurnale Abflussstabilität (keine
Schwall-Effekte mehr) waren deshalb in im Rahmen der vorliegenden fischbiologischen Studie auch
Auswirkungen der Massnahmen zu untersuchen, die sich möglicherweise negativ auf die Lebensgemeinschaften der Steinach und allen voran auf die regional bedeutenden Seeforellenpopulation
auswirken könnten.
Die nun direkt in den See abgeleitete Wassermenge wird in der Steinach fehlen, was sich besonders
bei niedrigen Abflussmengen negativ auf die Durchwanderbarkeit und das Temperaturregime
auswirken konnte. Des Weiteren war zu klären, ob die Änderung der stofflichen Zusammensetzung
des Steinachwassers nach der Ausleitung des ARA-Wassers Auswirkungen auf die Auffindbarkeit des
Bachs und seiner Laichgründe für laichreife und aufstiegswillige Seeforellen hat. Auch die
Wassertemperatur der Steinach, die unterhalb der ARA Hofen vor dem Bau der neuen Leitung durch
das ARA-Wasser gepuffert wurde, könnte sich nun stark verändert haben. Des Weiteren wurde die
Nährstoffmenge reduziert, deren Auswirkungen auf die Produktivität des Gewässers (Phyto- und
Makrozoobenthos) zu prüfen war.
Diese genannten möglichen Veränderungen durch die Ausleitung wurden im Vorzustand und bis zum
Juli 2015 untersucht und sind Gegenstand dieses Berichts. Dabei erfolgte in erster Linie eine
detaillierte Untersuchung des Seeforellen-Bestandes und der Seeforellenreproduktion in der Steinach.
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Die Seeforelle in der Steinach
Aus den aktuellen Untersuchungen soll der Handlungsbedarf für die fischereiliche Bewirtschaftung
zur Arterhaltung der Seeforelle in der Steinach aufgezeigt werden.
2 Biologie der Seeforelle
2.1 Taxonomie und Beschreibung
Die europäische Forelle (Salmo trutta L.) besitzt eine ausgeprägte Fähigkeit zur lokalen Anpassung.
Diese Vielfalt führt bezüglich der Systematik der Forellen der Gattung Salmo zu kontroversen Diskussionen (Morinville & Rasmussen 2006, Susnik et al. 2006, Jungwirth et al. 2003, Bernatchez 2001,
Elliott 1994, Frost & Brown 1967, Kottelat & Freyhof 2007). Genetische Untersuchungen über das
gesamte Verbreitungsgebiet haben ergeben, dass sich alle in Mitteleuropa existierenden Salmo-truttaPopulationen auf fünf Stämme zurückführen lassen, die sich ursprünglich aus einer glazialen, geographischen Isolation heraus ergaben (Bernatchez 2001). Diese fünf Stämme entsprechen im Wesentlichen den Einzugsgebieten der größten europäischen Flüsse: Po (Adriastamm), Rhein (Atlantikstamm), Donau (Donaustamm), Rhône (Mediterraner Stamm) und Etsch (Marmoratastamm). Durch
Isolation und Erschliessung neuer Gewässer entstanden jeweils stationäre und migrierende Formen.
Die gängigste Einteilung in Bachforelle, Seeforelle und Meerforelle basiert auf drei unterschiedlichen
Verhaltensmustern, die teilweise auch zu morphologischen Unterschieden führen (Kottelat & Freyhof
2007, Crisp 2000, Elliott 1994). Die Seeforelle als grosswüchsige Binnen-Wanderform laicht im
Fliessgewässer und wächst im See zum geschlechtsreifen Tier heran. Sie ist im Laufe der
Wiederbesiedlung des Alpenraums nach der letzten Eiszeit mehrfach unabhängig in den verschiedenen Einzugsgebieten entstanden.
Bei Bach-, See- und Meerforelle handelt es sich um ökologische Varianten derselben Art (Frost &
Brown 1967). Genetische Untersuchungen an migrierenden Forellen und residenten Bachforellen
kamen eventuell auch methodisch bedingt zu unterschiedlichen Ergebnissen. Ein Teil der Untersuchungen fand keine genetischen Unterschiede (Charles et al. 2005, Charles et al. 2006, Hindar et al.
1990), während andere Studien Hinweise darauf liefern, dass es im gleichen Heimatgewässer auf
Populationsebene genetische Unterschiede zwischen wandernden Seeforellen und stationären Bachforellen geben könnte (Behrmann-Godel 2011, unveröffentlicht).
Die Seeforelle bewohnt bevorzugt nährstoffarme, tiefe Seen mit guter Sauerstoffversorgung und Wasserqualität. Sie ernährt sich hauptsächlich von Fischen, aber auch von Plankton. Die ursprüngliche
Verbreitung der Seeforelle erstreckt sich über Nord- und Mitteleuropa von den grossen Alpenrandseen, den Gewässern des Karpatenbogens, Skandinaviens, Grossbritanniens und Islands. Im Alpenraum stieg sie ursprünglich bis in Höhen von über 1.300 m auf (Dußling & Berg 2001). Heute lebt sie
aber als Besatzfisch auch in Seen bis in Höhen über 1900 m.
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Die Seeforelle in der Steinach
Seeforellen können über einen Meter lang werden und bis über 20 kg erreichen. Zwischen verschiedenen Einzugsgebieten und Seen bestehen oft erhebliche Unterschiede in Aussehen und Grösse der jeweiligen Seeforellen-Typen. Zur Reproduktion wandern Seeforellen aus dem See zu ihren Laichgründen, die zumeist im Oberlauf direkter Seezuflüsse liegen. Die Hauptlaichzeit liegt im November und
Dezember. Je nach Wanderdistanz beginnen die Fische ihre Wanderung jedoch bereits im Sommer
oder noch früher (Bsp. Bodensee-Seeforellen im Alpenrheinsystem, Daten AJF Graubünden).
Abb. 2.1: Anpassung der Seeforellen an ihre Laichwanderung: links: Umfärbung vom silbernen Kleid im See
zum Wanderkleid; rechts: ausgeprägte Laichhaken beim Seeforellenmännchen (Milchnern).
2.2 Lebenszyklus der Seeforelle
Die Eiablage der flussauf gewanderten Laichfische erfolgt ab Spätherbst auf gut durchströmten
Kiesflächen. Für eine erfolgreiche Naturverlaichung benötigen sie:
•
uneingeschränkten Zugang zu geeigneten, permanent benetzten Laichgebieten,
•
lockere Kiesflächen als Laichsubstrat; Deckung, um sich bei Störung zurückziehen zu
können,
•
geeignete Wassertemperaturen für die Laich- und Jungfischentwicklung,
•
deckungs- und nahrungsreiche Jungfischhabitate,
•
eine ungehinderte und gefahrlose Abwanderung in den See.
Vor dem Ablaichen werden vom Weibchen bis zu 30 cm tiefe Laichgruben ins Flussbett gegraben;
der dabei entstehende Laichhügel kann über 3 m lang werden. Die Eier entwickeln sich während des
Winters in gut durchströmtem Substrat. Für die Entwicklung benötigt die Seeforelle bis zu 500
Tagesgrade. Bei einer konstanten Wassertemperatur von 5° C bedeutet dies eine Entwicklungsdauer
von rund 100 Tagen. In Gewässern mit natürlichem Temperaturverlauf schlüpfen die Jungfische nach
ca. vier Monaten. Die so genannte Dottersackbrut verbleibt nach dem Schlupf noch im Substrat. Erst
wenn die Larven ihre Nährstoffvorräte im Dotter aufgebraucht haben, verlassen sie das Lückensystem
der Gewässersohle (insgesamt ca. 800 Tagesgrade nach der Befruchtung).
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Die Seeforelle in der Steinach
Abb. 2.2 Lebenszyklus der Seeforelle.
Junge Seeforellen bleiben ein bis zwei Jahre in ihrem Geburtsgewässer, bevor sie in den See abwandern. In diesem Stadium werden sie Smolt genannt – analog zur Bezeichnung junger, abwandernder
Lachse. Die Ursachen, die zur Abwanderung der jungen Forellen führen, sind noch nicht vollständig
geklärt. Als zentraler Punkt wird meist die Wachstumsrate angesehen; eine Übersicht hierzu findet
sich in WERNER et al. (2014).
Nach einem Aufenthalt von meist zwei oder mehr Jahren im See wandern die laichbereiten Fische
erstmals zur Reproduktion wieder in einen Seezufluss (Abb. 2.2). Migrierende Salmoniden kehren
dabei zu einem sehr hohen Prozentsatz in ihre Geburtsgewässer zurück (so genanntes „Homing“).
Wie die Seeforellen ihr Heimatgewässer auffinden, ist noch nicht gänzlich geklärt (Übersicht in
WERNER et al. 2014). Eine zentrale Rolle für Salmoniden spielen der spezifische Geruch des Heimatgewässers und die Anwesenheit von Artgenossen, die Geruchsstoffe abgeben (Pheromone, Hormone).
Ein Teil der Seeforellen wechselt das Reproduktionsgewässer (WERNER et al. 2014, MENDEZ 2007,
CAVIEZEL 2006). Diese Fische werden „Strayer“ genannt; ebenso Individuen, die das Reproduktionsgewässer (scheinbar) zufällig wählen. Die Auswertung der Laichfischfänge an der Steinach und Goldach mit über 1.000 markierten Seeforellen und 173 Wiederfängen ergab dagegen keine diesbezüg-
8
Die Seeforelle in der Steinach
lichen Nachweise (M. KUGLER, pers. Mitt.). Im Rahmen derselben Untersuchungen konnten Seeforellen als Mehrfachlaicher identifiziert werden: es wurden bis zu 32 % Zweitlaicher und etwa 2 %
Drittlaicher festgestellt.
Bei ihren Wanderungen legen Seeforellen, die als Mitteldistanz-Wanderfische betrachtet werden,
Wanderstrecken von bis zu 150 km zurück. Sie sind oftmals die einzige grosse Wanderfischart dieser
Gewässer, was sie zu einem hervorragenden Indikator für die ökologische Funktionsfähigkeit und die
lineare Durchgängigkeit eines Flusssystems macht. Mit der Laichwanderung ins Fliessgewässer verfärben sich Seeforellen von silbern hin zu Braun-, Grün- und Rosatönen. Bei Männchen (Milchnern)
ist diese Umfärbung in der Regel auffälliger. Bei ihnen entwickelt sich ein oft auffälliger Laichhaken
(Abb. 2.1). Bei der Wanderung können sie Abstürze von 1,10 m bis 1,20 m Höhe überwinden (REISER
et al. 2006). Diese extreme Sprunghöhe wird nur ausnahmsweise erreicht; sie ist von hydrau-
lischen Bedingungen des jeweiligen Absturzes abhängig. Auch bei gut überströmten Hindernissen
werden Sprunghöhen von über 70 cm nur selten und von mehr als 1 m nur in Einzelfällen erreicht
(LFU 2005). Ist die Wassertiefe vor dem Hindernis geringer als das 1,2 bis 1,4-fache des Hindernisses, können selbst Stufen von weniger als 40 cm Höhe nicht überwunden werden (vgl. Kap. 3.4).
Jedes Hindernis auf dem Weg zu den Laichgebieten führt für die Seeforelle zu einer Verzögerung und
einem Kraftverlust, hinzu kommt eine Verletzungsgefahr bei den Sprüngen. Aktivitätspausen von
mehreren Tagen vor einem Hindernis und bis zu einer Woche nach Überwindung eines Hindernisses
konnten im Rahmen des INTERREG-Projekts zur Arterhaltung der Bodensee-Seeforelle an der
Goldach festgestellt werden (WERNER et al. 2014).
2.3 Seeforellen und Wassertemperatur
Seeforellen verbringen den Grossteil ihres Lebens in sommerkühlen Seen; als Optimaltemperatur gelten rund 13° C (LFU 2005). Ab 18 bis 23° C beginnt die so genannte Störtemperatur, die je nach Jahreszeit und Akklimatisierungstemperatur schwankt (KÜTTEL et al. 2002, LFU 2005). Ab Temperaturen um 20° C ist mit Beeinträchtigungen der Fitness zu rechnen (kritische Temperatur). Junge
Bachforellen stellen die Nahrungsaufnahme ab 18 bis 19° C ein und wachsen danach nicht mehr.
Temperaturen von 21° C bis 25° C können binnen einer Woche sogar letal wirken (LFU 2005), noch
weiter erhöhte Temperaturen (>26° C) können zum Tod führen. Bis anhin geht man davon aus, dass
die für Bachforellen ermittelten Temperaturpräferenzen auch für die Seeforelle gelten (KÜTTEL et al.
2002); detailliert untersucht wurde dies aber noch nicht. Da Seeforellensmolts im Bodenseeeinzugsgebiet regelmässig auch in Fliessgewässern nachgewiesen werden, deren sommerliche Maximaltemperaturen deutlich über 20°C liegen, besteht hierfür wohl noch Forschungsbedarf.
Für die Eientwicklung liegen die Vorzugstemperaturen um 4 bis 6° C. Unter 1° C und ab ca. 14° C
können Probleme bei der Eientwicklung auftreten (LFU 2005). Für das Wachstum und die Entwicklung der Forellenbrut sind auch noch Wassertemperaturen bis 16 °C als verträglich anzusehen
(SCHUBERT 2010).
9
Die Seeforelle in der Steinach
3 Methodik
3.1 Hydrologie
Für die Analyse der Abfluss- und Pegeldaten wurden die Tagesmittelwerte von der offiziellen Messstation Steinach, Pegel Mattenhof verwendet, die uns vom Bundesamt für Umwelt, Abteilung Hydrologie, Bern freundlicherweise zur Verfügung gestellt wurden.
3.2 Elektro-Befischungen
Aus dem See in das Reproduktionsgewässer einsteigende Seeforellen sowie in den See abwandernde
Smolts wurden mit Elektro-Fischereigeräten gefangen. Der Befischungsaufwand variierte im Rahmen
des Laichfischfangs zwischen den Jahren. Angaben zum Befischungsaufwand finden sich im Ergebnisteil. Die Befischungen fanden mit einem 1,7 kW-Rückentragegerät und einer Anode statt. Alle
gefangenen Seeforellen wurden gemessen, gewogen und bezüglich Auffälligkeiten kontrolliert
(Deformation, Verpilzung, Parasitierung, Verletzungen u.Ä). Bei einem grösseren Teil der
Seeforellen wurden zusätzlich zur Gesamtlänge auch die Körperbreiten und -höhen vermessen. Von
einem Teil der Einsteiger wurden auch Gewebeproben für genetische Untersuchungen entnommen,
die an der Universität Konstanz analysiert wurden (BEHRMANN-GODEL, 2014).
Im Zuge des NAWA-Trendmonitorings wurde im Juli 2012 eine semiquantitative Befischung mit
zwei Anoden durchgeführt, bei der die Fischfauna der Steinach auf einer 224 m langen Strecke im
Bereich des Mattenhofs erfasst wurde. Die Ergebnisse sind in dieser Studie berücksichtigt.
3.3 PIT-Tags zur individuellen Markierung von Fischen
Ein Grossteil der gefangenen Seeforellen wurde individuell mit PIT-Tags markiert (PIT=Passive
Integrierte Transponder, Abb. 3.1).
•
Die zur Untersuchung der Ein- und Auswanderung von Seeforellen eingesetzten PIT-Tags
(Passive Integrated Transponder) sind sehr kleine batterielose Funksender, die sich zur
individuellen Markierung eignen.
•
PIT-Tags wurden zur Untersuchung der Wanderung absteigender Laichfische und Smolts
eingesetzt.
Diese Transponder übertragen von jedem besenderten Tier eine digital kodierte individuelle Nummer.
Durch den Verzicht auf eine Batterie sind die Sender sehr klein und leicht, allerdings müssen sie für
eine Detektion zuerst aktiviert werden. Die nötige Sendeenergie wird dem PIT-Tag beim
Auslesevorgang durch Induktion übertragen. Von einer Ausleseantenne (Kabel im Fluss) wird ein
elektrisches Wechselfeld aufgebaut, aus welchem der PIT-Tag seine Energie entnimmt. Frisch aufgeladen sendet der PIT-Tag seine Nummer an das Auslesegerät zurück. Dies erfolgt zehn Mal pro
10
Die Seeforelle in der Steinach
Sekunde. Mit dieser Methode erhält man eine individuelle Nummer des Fisches sowie das Datum und
die Uhrzeit der Detektion. Detektionseinheit und PIT-Tags stammen von der Firma Oregon RFID
Europe BV in Ootmarsum, Niederlande. Die Ausleseantenne wurde nachträglich stark erweitert, da
sie quer über die ganze Breite der Steinach reichte (Abb. 3.1).
PIT-Tag: 32 mm x 3 mm
Detektorschlaufe für
besenderte Laichfische und absteigende Smolts
Bodensee
Impuls- und Aufzeichnungseinheit
Abb. 3.1: Methoden zur Detektion mit PIT-Tags besenderter Fische. a) Pit-Tag; b) Schema einer Detektionsschlaufe im Mündungsbereich der Steinach
Das Antennenkabel benötigte eine externe Stromversorgung, die von der Gemeinde Steinach zur
Verfügung gestellt wurde. Der von uns verwendete Antennentyp (eine flach auf dem Flussgrund liegende Schlaufe) hat bei den verwendeten 3,6 x 40 mm grossen PIT-Tags eine sichere Reichweite von
ca. 35 cm über der Antenne. Bei grösseren Abständen sinkt zwar die Wahrscheinlichkeit einer Detektion, sie ist jedoch auch bei Abständen bis ca. 60 cm noch möglich. Starke Hochwasserereignisse können daher den detektierten Anteil besenderter Fische verringern. PIT-Tags sind über viele Jahre aktivierbar. Dies ermöglicht eine langfristige individuelle Erkennung der besenderten Fische. Bei adulten
Rognern kommt es allerdings in der Regel bei der Eiabgabe zum Verlust des frei in der Bauchhöhle
liegenden Transponders, daher wurden weibliche Tiere in der Rückenmuskulatur markiert.
3.4 Kontinuumsanalysen
Die Steinach ist bei Normal- und Niederwasserabfluss aufgrund der geringen Wasserführung für Seeforellen nur eingeschränkt durchwanderbar. Abschnitte mit unzureichender Wasserführung sind in
diesen Zeiten die Regel. Wassertiefen, die die Körperhöhe auf einer Strecke von mehr als 5 m Länge
unterschreiten, gelten als unpassierbar; ebenso gelten Wassertiefen, welche die 2,5-fache Körperhöhe
11
Die Seeforelle in der Steinach
unterschreiten, nur über maximale Distanzen der 50-fachen Körperlänge als durchwanderbar. Es ist
seit vielen Jahren bekannt, dass die Laichzüge in der Steinach nur bei erhöhten Abflüssen stattfinden.
Hydrologische Auswertungen sollen ergeben, ab welchen Abflüssen ein Einstieg von Laichfischen
erfolgt. Die Beurteilung der Überwindbarkeit von Querverbauungen erfolgte für Abflüsse, bei denen
Seeforellen in der Steinach wandern können. Wanderhindernisse wurden für auf- und absteigende
Laichfische sowie für Smolts beurteilt. Dabei wurden unter anderem die Fallhöhe, die Unterwassertiefe und der Neigungswinkel berücksichtigt (Kriterien siehe Tabelle 3.1 und Abb. 3.2). Die Beurteilung erfolgte in vier Stufen (Tab. 3.2).
Die getroffenen Aussagen zur Überwindbarkeit der Hindernisse dürfen nicht auf andere Fischarten
übertragen werden, da diese Hindernisse in der Regel schlechter überwinden können als die sprungund schwimmstarken Seeforellen. Weicht die Beurteilung von Auf- und Abstieg voneinander ab (z.B.
an höheren Wehren), so wurde dies gesondert vermerkt. Aufwärts ungehindert oder eingeschränkt
überwindbare natürliche Hindernisse oder Stufen wurden in der Regel nicht als Hindernis für den
Abstieg abgelaichter adulter Fische und von Smolts beurteilt. An der Steinach bestehen im für
Seeforellen relevanten Unter- und Mittellauf keine Hindernisse mit Fischwanderhilfen.
Abb. 3.2: Durch Seeforellen überwindbare Hindernishöhen in Abhängigkeit der Kolktiefe und Fischlänge.
Tab. 3.1: Kriterien zur Beurteilung einzelner Querbauwerke ohne Fischaufstiegshilfe
Fallhöhe
Ab 1 m Sprunghöhe sind Hindernisse nur in Ausnahmefällen passierbar. Bis 0,7 m
gelten sie als selektiv überwindbar.
Unterwassertiefe
Wassertiefe vor dem Hindernis muss mind. 1,4x grösser sein als die Höhe des
Hindernisses, sonst sind selbst kleine Stufen bis 40 cm Höhe bei Normalabfluss in
Abhängigkeit vom Neigungswinkel nicht überwindbar.
Wassertiefe
Wassertiefen unter 15 cm sind nur grössenselektiv und über sehr kurze Strecken (≤ 5 m)
passierbar; Wassertiefen von 20 – 25 cm über kürzere Abschnitte bis ca. 25 - 50 m
Länge sind eingeschränkt passierbar.
Neigungswinkel
An Abstürzen beurteilt. Bei geringem Abfluss sind Neigungswinkel des Wasserfadens
über 60° an Abstürzen eingeschränkt passierbar (bedingt bei z.B. geeignetem Abfluss),
über 80° immer nur selektiv überwindbar.
12
Die Seeforelle in der Steinach
Tab. 3.2: Qualitäts-Kategorien zur Beurteilung von Wanderhindernissen
Passierbarkeit
Kriterium
nicht passierbar
Unabhängig von der Grösse für Seeforellen nicht überwindbar
möglicherweise nicht oder immer
nur selektiv passierbar
Für Seeforellen nur in Ausnahmesituationen oder nur größenabhängig
für einzelne Individuen überwindbar
eingeschränkt passierbar
(bedingt bei geeigneten Abflussverhältnissen)
Nur abflussabhängig oder grössenselektiv überwindbar. Die Mehrzahl
der Seeforellen kann das Hindernis überwinden; bei geeigneten
Abflüssen manchmal für alle aufstiegswilligen Individuen passierbar
ungehindert passierbar
Für alle Seeforellengrössen bei jedem Abfluss überwindbar
Bei der Beurteilung der Erreichbarkeit potenzieller Laichgebiete wurde neben der Einzelfallbetrachtung von Hindernissen auch ihre kumulative Wirkung betrachtet. Eine Reihe von einzeln noch relativ
gut passierbaren Hindernissen kann in Summe den Fischen einen zu hohen Energieaufwand abverlangen und deshalb zu einer deutlichen Einschränkung der Durchwanderbarkeit eines Systems führen.
Mehrere eingeschränkt überwindbare Hindernisse können deshalb kumulativ einen Fischaufstieg
sogar verhindern.
Für die Kontinuumsanalysen wurde die Steinach bis zum Bachkilometer 5,5 km begangen. Die Wanderhindernisse wurden mit GIS verortet und die Erreichbarkeit der Laichgründe in Abhängigkeit von
den Wanderhindernissen bilanziert.
3.5 Laichflächenanalysen
In der Steinach wurden potenziell zur Fortpflanzung der Seeforelle geeignete Kiesflächen während
Niederwasserbedingungen nach den Kriterien des Interreg-Projekts „Arterhaltung der Seeforelle“
(WERNER et al. 2014) kartiert. Die Begehung fand ab der Mündung bis Bachkilometer 5,5 statt. Die
Bewertung der potenziellen Laichflächen erfolgte anhand der vier Parameter Substratzusammensetzung, Kolmation, Strömungsverhältnisse und Wassertiefe (Tab. 3.3)
Aus diesen vier Kriterien wurden drei verschiedene Eignungstufen abgeleitet:
1. geeignete Laichgebiete (optimales Substrat, durch Kolmation nicht beeinträchtigt, optimale
Strömungs- und Wassertiefenverhältnisse)
2. möglicherweise geeignete Laichgebiete (Abstufung in mind. einer der vier Kategorien)
3. ungeeignete Abschnitte (eine der vier Kategorien ungeeignet oder mehr als zwei Parameter
„möglicherweise geeignet“).
Kartiert wurden nur „geeignete“ oder „möglicherweise geeignete“ Laichgründe, die mittels GPSGerät verortet wurden. Eigene Beobachtungen in der Steinach haben gezeigt, dass Seeforellen bei
hoher Laichfischdichte auch auf weniger geeigneten oder sogar äusserlich kolmatierten Flächen
Laichgruben anlegen oder zumindest Grabungsversuche durchführen. Somit ist auch die Anlage
13
Die Seeforelle in der Steinach
einzelner Laichgruben in Abschnitten möglich, die in diesem Bericht als „ungeeignet“ klassifiziert
sind.
Tab. 3.3: Qualitätskriterien und Eignungskategorien zur Bewertung potenzieller Laichflächen.
Parameter
geeignet
möglicherweise geeignet
nicht geeignet
Substratzusammensetzung in
der Deckschicht
Grobkies ab 2 cm und Steine
bis 11,5 cm
Grobkies ab 2 cm und Steine
bis 11,5 cm, aber auch feinere
oder gröbere Substrate
vorhanden
Kies- und Steinanteil fehlend oder
nur in geringem Masse
vorhanden
Kolmationsgrad des
Substrates
keine bis leichte Kolmation
(höchstens geringer
Feinmaterialanteil, aber auch
nicht regelmässig mobilisiert)
1) mittlere Kolmation (mit
Energieaufwand aufbrechbar
oder hoher Feinmaterialanteil)
2) regelmässig mobilisiertes
Substrat
1) starke Kolmation (nur mit
Werkzeug aufbrechbar oder
reduzierter Untergrund)
2) ständig mobilisiertes Substrat
(z.B. in Walzen)
Einschätzung der
Strömungsverhältnisse
Beschleunigungsstrecken
vor Riffeln (30-60 cm/s)
ständig benetzte Rinner und
moderate
Strömungsverhältnisse (5-20
cm/s; oder 60 -100 cm/s)
Riffel und andere stark strömende
Bereiche (<100 cm/s) oder
stehende, eingestaute Gewässerabschnitte (bis 5 cm/s)
Einschätzung der
Tiefenverhältnisse
Wassertiefe von 20 bis 50
cm
Wassertiefen von 5-20 cm oder
50-150 cm
trockene oder trockenfallende
Kiesbereiche oder Tiefen über
150 cm
a) Optimales, lockeres und grobkiesiges Laichsubstrat;
Lückenräume frei
b) Zu feinkörniger Kies, meist mit Sandeinlagerungen
c) Kolmatierte und zu grobkörnige Sohle
d) Kieskörper mit zu vielen Feinstoffen durchsetzt
Abb. 3.3: Beispiele verschiedener Substrateignungen für die Anlage von Seeforellen-Laichgruben.
Die Flächen wurden dimensioniert (Abschätzung der nutzbaren Quadratmeter) und fotografisch dokumentiert (Abb. 3.3). Die möglichen Laichflächen wurden in Abhängigkeit von der Erreichbarkeit bilanziert, um das Potenzial der bislang nicht erreichbaren Gebiete abzuschätzen.
14
Die Seeforelle in der Steinach
In der Umgebung von den für die Reproduktion als geeignet erscheinenden Flächen wurde die Eignung als Jungfisch- und Adulthabitate (und damit auch Deckungsstrukturen) grob abgeschätzt. Diese
beiden Faktoren waren jedoch nicht limitierend.
3.6 Brutboxenversuche
Die Laichflächenanalysen liefern lediglich Indizien dafür, ob eine natürliche Reproduktion auf den
betrachteten Flächen möglich ist. Die tatsächliche Eignung hängt jedoch von zusätzlichen Parametern
ab, die im Rahmen einer Substratkartierung nicht beurteilt werden können. Diese sind z.B.:
•
die Wasserqualität
•
der Aufbau und die Durchströmung des Kieskörpers
•
die Umlagerungsstabilität während der Ei- und Larvalentwicklungszeit
•
der mögliche Eintrag von Feinstoffen während der Entwicklung
•
das Zusammenspiel der Einzelparameter (multifaktorielle Aspekte).
Durch Brutboxenversuche mit befruchteten Eiern können diese Parameter indirekt überprüft werden
und bessere Aussagen über die potenzielle Eignung von Kiesflächen abgeleitet werden. Der Expositionszeitraum sollte daher möglichst den gesamten Entwicklungszeitraum der Seeforelle vom befruchteten Ei bis zum freischwimmenden Brütling abbilden können. Da die natürliche Reproduktion in der
Steinach nachweislich funktioniert, wurde lediglich überprüft, ob das mit gereinigten ARA-Abwässern versetzte Steinachwasser zu Einschränkungen der Ei- und Larvalentwicklung führt. Daher wurden die exponierten Eier nicht im Substrat vergraben, sondern in der fliessenden Welle exponiert.
Die verwendeten Seeforelleneier stammten von Wildfischen, die in der Fischbrutanstalt Rorschach
gestreift wurden. Somit entsprach die Eiqualität dem naturverlaichten Eimaterial. Es wurden Eier im
Augenpunktstadium verwendet, da diese bedenkenlos transportiert werden konnten.
Zur Exposition der Seeforelleneier wurden handelsübliche WHITLOCK-VIBERT-Boxen (WV-Boxen)
verwendet (Abb. 3.4), die in ein modifiziertes Kanalgrundrohr (KG-Rohr) von einem Meter Länge
eingebracht wurden (Abb. 3.10). Drei WV-Boxen wurden in der unteren grossen Kammer mit Steinen
und in der oberen kleinen Kammer mit Kies und jeweils 40 Seeforelleneiern bestückt. Das fertig präparierte Rohr wurde über dem Gewässergrund befestigt (Abb. 3.5). Um zu überprüfen, ob die Eier das
Handling und den Transport unbeschadet überstehen, wurden 1.000 Eier ebenso behandelt wie die im
Brutversuch exponierten. Sie wurden zum Zielort transportiert, am Abend aber wieder in die Fischbrutanstalt zurückgebracht und deren weitere Entwicklung dokumentiert (FZ Rorschach, ANJF St.
Gallen). Bei diesem Test sind insgesamt lediglich sechs Eier abgestorben und zwei Brütlinge verendet.
15
Die Seeforelle in der Steinach
Abb. 3.4: Zur Inkubation von Seeforelleneiern ausserhalb des Sediments wurde ein präpariertes KG-Rohr
eingesetzt, das mit drei WV-Boxen bestückt wurde.
Abb. 3.5: Auf dem Gewässergrund befestigtes und mit
vier WV-Boxen bestücktes KG-Rohr.
Der Schlupfzeitpunkt der exponierten Seeforelleneier wurde für die Kontrollen aus den Tagesgraden
(in der Regel um 400) abgeschätzt; hierfür wurde die Wassertemperatur an der Probestelle mit einem
Temperaturlogger aufgezeichnet. Die Entwicklungszeiten und Schlupfzeitpunkte wurden mit den im
Interreg-Seeforellen-Projekt ermittelten Werten verglichen.
3.7 Jungfischabwanderung in den See
Zur Untersuchung der Jungfischabwanderung in den See wurden im Frühjahr zwischen April und Mai
potenziell abwanderbereite Jungforellen elektrisch gefangen und besendert. Dabei wurden die Jungfische 2013 im natürlicherweise von Seeforellen erreichbaren Abschnitt gefangen und 2014 im Abschnitt oberhalb des künstlichen Aufstiegshindernisses bei Fluss-km 1,7, der aussschliesslich mit
Seeforellenbesatz besiedelt ist. Jungfische wurden ab einer Grösse von ca. 13 cm besendert; sie konnten somit garantiert bis 35 cm über der Antenne detektiert werden. Die Detektionseinheit befand sich
mündungsnah im Bereich der Brücke etwa einen Bachkilometer unterhalb der Fangstrecke, so dass im
Falle einer Detektion davon ausgegangen werden konnte, dass es sich um eine Abwanderung in den
See und nicht um lokale Bewegungen handelt.
Die markierten Jungfische wurden in drei Färbungstypen eingeteilt (Abb. 3.6):
Smolt-Typ: Körper silbern gefärbt mit
gelben oder grauen Brust- und Bauchflossen, ohne rote Punkte, oft mit gelbem
Augenhintergrund
16
Die Seeforelle in der Steinach
Intermediärer Typ: Weder dem Typ 1
noch dem Typ 3 zuzuordnen. Oft Brauntöne mit deutlich silbernem Schein, roten
Punkten, Flossen orange
Bachforellen-Typ: Körper braun-grün
gefärbt mit roten Punkten, typisch
dunklen Jugendflecken entlang der
Seitenlinie, Flossen kräftig gelb-orange
gefärbt.
Abb. 3.6: Verschiedene Typen junger Forellen in der Steinach. Oben der typische silbrige Smolt-Typ ohne rote
Punkte, mittig ein intermediärer Typus und unten der Bachforellen-Typ.
4 Morphologie und Geschiebe
Die Steinach entspringt auf einer Höhe von ca. 800 m ü. M. im Steineggwald oberhalb von St. Georgen im Kanton St. Gallen. Sie hat ein Einzugsgebiet von 24,2 km2 und mündet nach 18,0 km Fliessstrecke bei Steinach in den Bodensee. Im Stadtgebiet von St. Gallen ist die Steinach in zwei Bereichen über insgesamt etwa 2,9 km verdolt. Danach fliesst sie auf etwa fünf Kilometern Länge in einer
schattigen Schluchtstrecke und anschliessend auf den letzten zwei Kilometern in einem verbauten und
begradigten Abschnitt bis in den Bodensee. Nur der begradigte Unterlauf der Steinach bis Obersteinach ist für Fische durchgängig. In diesem Abschnitt laicht dennoch eine der bestandsreichsten Seeforellen-Populationen des Bodensees.
Die Steinach führt trotz ihrer geringen Abflüsse zeitweise beträchtliche Mengen Geschiebe mit sich,
die eine natürliche Deltabildung ermöglichen. Hier kommt es zu ausgeprägten Kiesauflandungen, die
auch als Laichhabitat von Seeforellen genutzt werden. Speziell im Unterlauf zwischen Bachkilometer
0,5 und 1,7 kommt es aufgrund der Gewässerverbauung bei Hochwasser jedoch regelmässig zum
Austrag von Kiesfraktionen. Die lokale Erosion führt zu einem Geschiebedefizit dieser Korngrössen
in den begradigten Transportstrecken, die somit auch als Forellen-Laichhabitat mehr und mehr entwertet werden (siehe Kap. 8.4).
Vor allem in der morphologisch natürlichen Schluchtstrecke bestehen zahlreiche Lehmwände, aus
denen bei Hochwasser grosse Mengen anorganischen Feinmaterials ausgewaschen werden.
Zusammen mit den organischen Feinstoffbelastungen aus der ARA führte dies lange zu Kolmationen
und äusseren Verschlammungstendenzen von Kiessubstraten (siehe Kap. 8.1). Die anthropogene
17
Die Seeforelle in der Steinach
organische Belastung sollte mit der Ableitung des gereinigten ARA-Wassers in den See ab Juni 2014
weitgehend reduziert worden sein.
Abb. 4.2: Oben: Naturnaher Mittellauf der Steinach
oberhalb des Gallusstegs. Der Bach bietet hier viele
geeignete Laichflächen für Bach- und Seeforellen.
Abb. 4.1: Links: Mündungsbereich der Steinach mit
natürlicher Deltaentwicklung.
5 Hydrologie
5.1 Einzugsgebiet und Abflussregime
Das Einzugsgebiet der Steinach umfasst knapp 24 km2 und reicht von ihrer Mündung in den Bodensee
(395 m) bis auf 1084 m ü.M. (Horst). Bei einer Fliessstrecke von 18.5. km Länge ergibt sich ein mittleres Gefälle von 37 ‰. Mit 32 % des Einzugsgebiets weist die Steinach einen sehr hohen Anteil an
Siedlungsfläche auf (Abb. 5.1).
Das Abflussregime der Steinach ist pluvio-nival geprägt (dominiert von regen- und schneegespeisten
Hochwassern im Spätwinter/Frühjahr) und der mittlere Abfluss (MQ für die Jahre 1961-2012) liegt
bei 0,776 m3/s. Es weist keine auffallende Abflussspitze als Folge der Schneeschmelze Ende des
Frühjahres auf (Abb. 5.2), wie es in der benachbarten Goldach der Fall ist. Die Steinach zeigt recht
konstante hydrologische Bedingungen bei vergleichsweise geringen Abflussmengen. Hohe
Wasserstände können niederschlagsbedingt in allen Jahreszeiten auftreten. Die Abflussmenge, die
über zehn Jahre gemittelt durchschnittlich während 347 Tagen des Jahres erreicht oder überschritten
wird (Q347), liegt mit 0,23 m3/s sehr tief; das Jahresmittel des Abflusses (MQ) beträgt 0,8 m3/s. Der
Wert für das zehnjährliche Hochwasser (HQ100) liegt bei 74 m3/s.
18
Die Seeforelle in der Steinach
Abb. 5.1: Einzugsgebiet der Steinach und Verlauf der neuen Ableitung (Druckleitung & Seeleitung) der ARA
Hofen über ARA Morgental in den Bodensee. Kartenhintergrund: map.geo.admin.ch.
19
Die Seeforelle in der Steinach
Niedrige Wasserstände treten regelmässig in den Sommer- und Herbstmonaten auf. Die Einflüsse des
Abflussregimes auf die Reproduktion und das Wanderverhalten der Seeforelle werden später diskutiert. Der Abfluss der Steinach war seit 1918 durch die vollumfängliche Einleitung der gereinigten
Abwässer der ARA Hofen geprägt. In Trockenperioden konnte der Anteil der gereinigten Abwässer
80% des Gesamtabflusses der Steinach ausmachen.
1,8
1,6
1,4
Abfluss [m³/s]
1,2
1,0
0,8
0,6
0,4
0,2
0,0
01.01.
01.02.
01.03.
01.04.
01.05.
01.06.
01.07.
01.08.
01.09.
01.10.
01.11.
01.12.
Abb. 5.2: Abflussregime der Steinach (Mittelwerte der Tagesmittel, Jahresreihe 1962-2009) am Pegel Mattenhof.
Rote Linie unter x-Achse = Reproduktionszeit und Larvalentwicklung der Seeforelle.
Das Abflussregime der Tagesmittel der Steinach am Pegel Mattenhof in den Jahren 2010 bis zum Juni
2014 verdeutlicht, dass im Jahresverlauf immer wieder erhöhte Abflüsse mit über 5 m3/s auftreten, die
jedoch besonders in den Sommermonaten konzentriert und oft gewitterbedingt waren (Abb. 5.3).
Auch im Herbst und Winter traten regelmässig kleinere Abflussspitzen auf, die von den Seeforellen
zum Einstieg ins Laichgewässer genutzt werden können. Von Februar bis April bleibt der Abfluss
normalerweise tief.
Ab Juni 2014 wurde die Zuleitung von gereinigtem ARA-Wasser in die Steinach gestoppt, das Wasser fliesst nun über eine Leitung direkt in den See. Seit der Umstellung sind bei den Tagesmittelwerten deutlich geringere Werte erkennbar. Seither sind niedrige Abflüsse, die unter 0,1 m3/s fallen, keine
Seltenheit. Diese Werte liegen zum Teil deutlich unter den Tagesabflussminima der Jahre 2010 bis
Juni 2014 (Abb. 5.3 a). Im April traten über mehrere Tage Abflüsse um 30 l/s auf, während dies in
den Jahren mit ARA-Zuleitung nie der Fall war (Abb 5.3 b).
20
Die Seeforelle in der Steinach
8
12,5
8,9
Abfluss Tagesmittel [m³/s]
7
6
5
4
3
2
1
0
01.01. 01.02. 01.03. 01.04. 01.05. 01.06. 01.07. 01.08. 01.09. 01.10. 01.11. 01.12.
2012
2013
2014
2015
Abb. 5.3 a: Abfluss der Steinach in den Jahren 2012 bis Mai 2015 am Pegel Mattenhof. Ab Juni 2014 wurde das
gereinigte Wasser der ARA Hofen nicht mehr in die Steinach eingeleitet. Rote Linie unter x-Achse =
Reproduktionszeit und Larvalentwicklung der Seeforelle.
5,0
Abfluss [m³/s]
4,0
3,0
2,0
1,0
0,0
01.01. 01.02. 01.03. 01.04. 01.05. 01.06. 01.07. 01.08. 01.09. 01.10. 01.11. 01.12.
ab 07/2014
2015
Mittel 2009-2013
Abb. 5.3 b: Abfluss der Steinach nach dem Stopp der Wasserzuleitung der ARA Hofen im Vergleich mit dem
Abflussmittel der Jahre 2009 bis 2013 am Pegel Mattenhof. Rote Linie unter x-Achse = Reproduktionszeit und
Larvalentwicklung der Seeforelle.
21
Die Seeforelle in der Steinach
5.2 Zuleitung von gereinigtem ARA-Wasser
Das Abwasserkraftwerk der ARA Hofen gab bis 2014 das gereinigte Abwasser gepulst an die Steinach ab (Abb 5.4). Die Zugaben fanden täglich in regelmässigen Abständen statt. Die ARA Hofen
fasste ihre gereinigten Abwässer nachts in einem Staubecken, um sie morgens zu turbinieren. Es kam
dabei in ausgeprägten Niederwassersituation zu einer Art Schwall-Sunk-Problematik (Hydropeaking):
Tagsüber war teilweise durch die Wasserzugabe ein Abfluss von ca. 0,35 m3/s zu beobachten, während der Abfluss nachts auf ca. 0,08 m3/s sank, was jedoch dem natürlichen Abfluss entsprach
(UEHLINGER & ROBINSON, 2006). Diese tageszeitlichen Pegelschwankungen traten am Pegel in
Mattenhof meist bei niederen Abflüssen in Erscheinung. Sie sind regelmässig in den Pegeldaten
erkennbar.
Die Energieproduktion der ARA Hofen war vom Stromverbrauch der ARA und vom Pegel des
Ausgleichsweihers abhängig. In längeren Niederwasserperioden wurde kein Strom produziert, so dass
der natürliche Abfluss der Steinach beobachtet werden konnte.
Abb. 5.4. Hydropeaking. Tageszeitliches Abflussregime der Steinach vom 05. bis 11. August 2003 bei der
Messstelle Mattenhof. Auf Grund der nächtlichen Speicherung der gereinigten Abwässer des Abwasserkraftwerks der ARA Hofen kam es zu Sunkerscheinungen (entnommen aus der EAWAG-Studie von
UEHLINGER & ROBINSON, 2006).
Die zuleitungsbedingten, täglichen Pegelschwankungen hatten einen Einfluss auf die benetzte Breite
und das Fliessgeschwindigkeitsprofil der Steinach. Die benetzten Breiten konnten sich hierbei in naturnahen, besonders seichten, flachüberströmten Abschnitten stark unterscheiden (bis mehrere Meter),
während sich diese im Abschnitt mit Regelprofil kaum unterschieden (etwa 5 Zentimeter). Im
Unterlauf der Steinach wurden hierzu Messungen durchgeführt (Abb. 5.4). Im regulierten Profil
änderten sich vor allem die Fliessgeschwindigkeiten und die Wassertiefen. Im untersuchten Beispiel
ist eine Niederwasserrinne mit kaum veränderten Fliessgeschwindigkeiten erkennbar. Abseits dieser
Niederwasserrinne stagniert die Strömungsgeschwindigkeit in etwa der Hälfte des flachen Bachbetts
oft völlig (Abb. 5.5). Diese „stehenden“ Bereiche können sich an Hitzetagen mit intensiver Sonneneinstrahlung stark erwärmen; in der Praxis lagen diese Niederwasserphasen jedoch meist in der Nacht
22
Die Seeforelle in der Steinach
oder sehr früh morgens. Künftig erhöht sich das Risiko der Erwärmung, da der im Sommer kühlende
ARA-bedingte Schwall gänzlich ausbleibt und die Sonne tags lange in die stagnierenden Bereiche
scheint.
Abb. 5.5: Hydropeaking. Tageszeitlicher Unterschied der Fliessgeschwindkeiten und Wassertiefen zwischen
ARA-bedingtem Schwall und natürlichem Abfluss direkt oberhalb des Pegels Mattenhof (10.03.2014). Blick
in Fliessrichtung.
5.3 Wassertemperaturen
In der Steinach traten im Zeitraum der Jahre 2011 bis 2013 in den Wintermonaten nie Wassertemperaturen um den Gefrierpunkt auf, die Minima lagen selbst in Frostperioden meist im Bereich über
4°C. Als Grund dafür erachteten wir die gepulste Zuführung von gereinigtem und wärmerem ARAWasser. In den Sommermonaten stiegen die Wassertemperaturen – augenscheinlich aus demselben
Grund – hingegen selten an die 20 °C und nur in Ausnahmefällen darüber (Abb. 5.6). Die ermittelten
Temperaturbereiche schienen für Jungsalmoniden weder in deren Höhe noch in ihrer Häufigkeit kritisch gewesen zu sein. Erst eigene Temperaturmessungen mit Loggern zeigten jedoch, dass der Temperaturfühler am Pegel Mattenhof gegen sehr hohe und sehr niedere Temperaturen gepuffert war
(Abb. 5.7). Dies fiel auf, als wir im Februar 2012 über wenige Stunden hinweg eigene Temperaturmessungen vornahmen, weil zu diesem Zeitpunkt (05. bis 12.02.2012) extremer Frost herrschte, der in
anderen Bodenseezuflüssen zu ausgeprägter Grundeisbildung führte. Zur selben Zeit zeichnete der
Temperaturfühler des Pegels Mattenhof noch immer Tagesmittelwerte um 4°C auf (Abb. 5.6). Nach
weiteren Loggerexpositionen im Jahre 2014 wurde der Temperaturfühler im Frühjahr 2015 umgerüstet.
23
Die Seeforelle in der Steinach
Trotz des Sensitivitätsproblems ist aber auch schon aus den Aufzeichnungen am Pegel Mattenhof
ersichtlich, dass sich das Wassertemperaturregime nach der Seewasserableitung der ARA Hofen seit
dem Sommer 2014 verändert hat (Abb. 5.6). In Trockenperioden, in denen nun bis zu 80% des
bisherigen Abflusses fehlten, reagierte das verbleibende Wasser rascher auf Lufttemperatur und
Sonneneinstrahlung, wodurch die Schwankungen stärker wurden; ebenso waren nun die Minima
etwas geringer.
25
Ableitung ARA Hofen 
ARA Morgental  See
Temperatur [°C]
20
15
10
5
02.07.2015
02.04.2015
31.12.2014
01.10.2014
02.07.2014
01.04.2014
31.12.2013
01.10.2013
02.07.2013
01.04.2013
31.12.2012
01.07.2012
01.04.2012
01.01.2012
01.10.2011
02.07.2011
02.04.2011
01.01.2011
01.10.2012
extreme Frostperiode
0
Abb. 5.6: Wassertemperaturen der Steinach am Pegel Mattenhof (offizielle Messungen des Kantons) für die
Jahre 2011 bis Mai 2015.
Vom Sommer 2014 bis in den August 2015 wurden eigene Wassertemperaturmessungen mit Loggern
durchgeführt, die über ein Jahr an zwei Stellen im Unterlauf der Steinach exponiert wurden (siehe
Abb. 5.7).
Schluchtstrecke (beschattet)
Unterlauf (unbeschattet)
Logger 1
Logger 2
Pegel Mattenhof
Abb 5.7: Beschattete und unbeschattete Abschnitte der Steinach und Position der Temperaturlogger.
24
Die Seeforelle in der Steinach
Dabei konnte der Temperaturverlauf in der Steinach zwischen der naturnahen, beschatteten Schluchtstrecke (gemessen mit Logger 1, ca. 2 km oberhalb Mündung) und der darauffolgenden rund 1,8 km
langen und unbeschatteten Fliessstrecke bis zur Mündung (gemessen mit Logger 2, ca. 200 m
oberhalb der Mündung) verglichen werden. Ein allfälliger Temperaturunterschied musste hier ausschliesslich auf den Einfluss der Faktoren Sonneneinstrahlung, Lufttemperatur und Temperaturpuffer
(Wald) zurückgeführt werden.
Bis zum September 2014 konnte überdies die Messung bei Logger 2 mit den Temperaturdaten
verglichen werden, die der Pegel Mattenhof lieferte (Abb. 5.8). Die oben angesprochene Pufferung
von Extremtemperaturen am Pegel ist aus der Abbildung deutlich ersichtlich. Ebenso deutlich treten
die Temperaturunterschiede im Verlauf des Tages zwischen Logger 1 (beschattete Strecke) und
Logger 2 (unbeschattete Strecke) hervor.
25
Sonnenexponiert (Flusskilometer 0,2)
Beschattet (Flusskilometer 2,0)
Temperatur [°C]
Pegel Mattenhof (Flusskilometer 0,9)
20
15
9.8.14
9.7.14
9.7.14
9.6.14
9.6.14
9.5.14
9.5.14
9.4.14
9.4.14
9.3.14
9.3.14
9.2.14
9.2.14
9.1.14
9.1.14
8.31.14
8.31.14
8.30.14
8.30.14
8.29.14
8.29.14
8.28.14
8.28.14
10
Abb. 5.8: Vergleich der Wassertemperaturen im beschatteten Mittellauf (F-km 2,0) und dem sonnenexponierten
Unterlauf (F-km 0,2) (Messungen HYDRA). Zum Vergleich die Messungen am Pegel Mattenhof; F-km 0,9).
Ausschnitt der Messungen vom 28.08.2014 bis 08.09.2014.
Während die grundsätzlichen Temperaturcharakteristika der unteren Steinach bereits an den Daten
von 2014 abzulesen waren, zeigten die Messungen 2015 in besonderem Masse die Auswirkung von
extremen Hitzeperioden auf die nun geringere Wasserführung der Steinach. In Abb. 5.9 ist der
Temperaturverlauf über die gesamte Messperiode dargestellt, in der Abbildung 5.10 sind zwei kurze
Zeitfenster detailliert dargestellt, in denen besonders hohe Wassertemperaturen gemessen wurden.
25
Die Seeforelle in der Steinach
Zeitfenster aus
Abb. 5.8
Abb 5.9: Verlauf der Wassertemperatur in der Steinach an den Messstellen Logger 1 und Logger 2 zwischen
18.07.2014 und 17.08.2015.
Abb 5.10: Verlauf der Wassertemperatur in der Steinach an den Messstellen Logger 1 und Logger 2 zwischen
18.07.2014 und 17.08.2015.
Hinsichtlich der vom Sommer 2014 bis Sommer 2015 gemessenen Temperaturdaten lassen sich
folgende Sachverhalte festhalten:
•
Im beschatteten Bereich der Steinach wurden mehrfach Wassertemperaturen von 22°C
überschritten. Die höchste gemessene Wert lag bei 22,58°C am 06.07.2015.
•
Ein Tag später, am 07.07.2015, erreichte die Wassertemperatur bei Logger 2 den Höchstwert
aller bisherigen Messungen in der Steinach von 29,06°C.
•
Zwischen Logger 1 und Logger 2 wurden häufig Temperaturdifferenzen von 7,5°C und mehr
gemessen. Der grösste Unterschied lag am 22.07.2015 bei 8,09°C.
•
An bewölkten Tagen im Frühjahr und im Herbst kam es dagegen nur zu einem unwesentlichen oder keinem Temperaturanstieg im unbeschatteten Bereich; teilweise lag bei Logger 2
die Temperatur sogar über derjenigen des exponierten Abschnitts.
26
Die Seeforelle in der Steinach
•
Im Winter führte die fehlende Beschattung entweder zum Temperaturanstieg (sonnige Tage)
oder zur Temperaturerniedrigung (besonders kalte Tage).
Fazit zur Wassertemperatur
UEHLINGER & ROBINSON zitieren 2006 Temperaturmessungen des AfU St. Gallen, wonach das geklärte Abwasser der ARA Hofen die Wassertemperaturen der Steinach soweit abpufferte, dass dies im
Sommer zu einer Abkühlung um 2 bis 3 °C und im Winter zu einer Erwärmung um bis zu 6 °C führte.
Die bis 2015 am Pegel Mattenhof gemessenen Wassertemperaturen lieferten für solche Aussagen allerdings eine nur unzureichende Datengrundlage. Erst 2015 fiel auf, dass die Messungen am Pegel die
tatsächlichen Temperaturverläufe in der Steinach nicht richtig erfasst hatte. Die vor der Ausleitung
des ARA-Wassers im Mai 2014 herrschenden Maximaltemperaturen (v.a. in den heissen Sommermonaten) sind deshalb unbekannt und es lässt sich somit auch nicht beziffern, wie stark sich die mit
der Ausleitung verbundene Verringerung der Wasserführung auf den Verlauf und die oben genannte
Pufferung der Wassertemperaturen in der Steinach ausgewirkt hat. Aus den Logger-Messungen vom
Sommer 2014 bis zum Sommer 2015 ist erkennbar, dass die Wassertemperaturen im Verlauf besonders heisser Tage und in unbeschatteten Abschnitten nun Amplituden von über 8,5°C durchlaufen
können. Stimmen die Angaben von UELINGER & ROBINSON, dann könnte die Temperaturpufferung
durch das ARA-Wasser einen nicht unerheblichen Teil solcher Schwankungen ausgeglichen haben.
Plausibel ableitbar ist auch, dass die Steinach nun schneller auf extreme Schwankungen der Lufttemperatur und der Sonneneinstrahlung reagiert als zuvor.
Hinsichtlich der Eignung verschiedener Steinachabschnitte für die Jungfischentwicklung von Salmoniden (Bach- und Seeforellen) sind unsere vergleichenden Temperaturmessungen am Ende einer beschatteten und am Ende einer unbeschatteten Strecke von Bedeutung. In der beschatteten Strecke bleiben die Wassertemperaturen ganztags auch an extrem heissen Sommertagen unter 23°C – für die
Entwicklung von Jungsalmoniden möglicherweise noch akzeptable Werte. Die am Ende des unbeschatteten Steinachabschnitts bisher gemessenen Höchsttemperaturen von über 29°C sind – beruft
man sich auf die einschlägige Literatur zu diesem Thema – dagegen für Jungsalmoniden letal.
Verbessern liesse sich die aktuelle Wassertemperatursituation der Steinach wahrscheinlich durch eine
ökomorphologische Aufwertung des Unterlaufs mit umfangreichen, die Beschattung fördernden
Bepflanzungsmassnahmen entlang des Ufers (das Defizit der im Unterlauf fehlenden Uferbeschattung
wurde überdies bereits bei UEHLINGER & ROBINSON (2006) sowie seitens der „Stiftung Bodensee“
angemahnt).
Eine uneingeschränkte Durchgängigkeit der Steinach bis in den beschatteten, kühlen Tobel ist als
prioritäre Massnahmen unabdingbar, um die Situation für kaltstenotherme Fischarten wie See- und
Bachforellen zu entschärfen.
27
Die Seeforelle in der Steinach
6 Kontinuumsanalysen
Das Kontinuum des Fliessgewässers kann durch mehrere Faktoren unterbrochen werden. In der Steinach sind dies vor allem anthropogene Wanderhindernisse und Flachstellen bei Niederwasserabfluss;
bis zur Ableitung der ARA Hofen wirkten möglicherweise auch chemische Barrieren.
In der Gesamtbewertung des Oberflächengewässer-Trendmonitorings NAWA erreichte selbst der
seenahe Unterlauf der Steinach eine nur mässige ökologische Zustandsklasse, da zahlreiche zu
erwartende oder ehemals nachgewiesene Fischarten nicht mehr oder nur in sehr geringen Dichten
auftraten. Es mangelt hier an Bach- oder Flussfischarten, die sich permanent im Fliessgewässer
aufhalten wie z.B. Groppen, Schmerlen und Elritzen; aber auch Bachforellen sind nicht häufig.
Ingesamt wird die Fischfauna des Unterlaufs – soweit für diese erreichbar – von schwimmstarken
Seefischen geprägt und zahlenmässig von Seeforellen-Jungfischen bzw. -Smolts dominiert. In den
naturnahen beschatteten Schluchtabschnitten treten zumindest Elritzen und Bachforellen noch
häufiger auf. Nachfolgend werden die bestehenden Hindernisse mit dem Fokus auf Seeforellen
betrachtet, allerdings ist der Aspekt weiterer Wanderfischarten nicht aus den Augen zu verlieren.
6.1 Querverbauungen
Die zahlreichen Querverbauungen im Unterlauf der Steinach wirken sich nachweislich auf den
Fischbestand des Bachs aus. Schon bald oberhalb ihrer Mündung wird die Durchgängigkeit des Bachs
von einigen Abstürzen gestört, die schwimmschwache Fischarten bereits an einer Aufwärtswanderung
hindern und die Erreichbarkeit der oberhalb liegenden Bachabschnitte einschränken (Abb. 6.1).
In Abfluss-Situationen, bei denen Seeforellen im Bachbett wandern können, sind die sechs vorhandenen Abstürze (Abb. 6.3 – 6.6) bis zum Bachkilometer 1,7 zwar passierbar, meist aber erst nach
mehreren Anläufen. Strukturen, die bei höheren Abflüssen ungehindert überwindbar sind, sind dabei
nicht speziell als Hindernis für den Seeforellenlaichzug klassifiziert – dennoch können diese für
andere Fischarten als Aufstiegshindernis wirken.
Das vom See aus erste unpassierbare künstliche Aufstiegshindernis und damit auch die derzeitige
Aufstiegsgrenze für Seeforellen befindet sich bei Bachkilometer 1,7 an der Fussgängerbrücke
zwischen Achweg und Engensbergweg in Altsteinach (Koordinaten: 47.490386°/9.434895°).
28
Die Seeforelle in der Steinach
Abb. 6.1: Künstliche Wanderhindernisse (Dreiecke) und fischgängige Bachabschnitte der Steinach. Abbildung
Stand Ende 2016. Im Herbst 2016 wurde die Schwelle «H unpassierbar 1» saniert und ist jetzt durchgängig. Rote
Dreiecke: künstliche, für Seeforellen unpassierbare Hindernisse; orange Dreiecke: künstliche, für Seeforellen
selektiv überwindbare Hindernisse; gelbe Dreiecke: Hindernisse bei höheren Abflüssen passierbar, z.T. aber mit
Verletzungsgefahr. Erreichbarkeit vom See aus: grün: Bachabschnitt bei geeigneten Abflüssen uneingeschränkt
erreichbar; gelb: Bachabschnitt bei geeigneten Abflüssen und von schwimmstarken Fischen erreichbar; rot:
Bachabschnitt unerreichbar. Quelle der Grundkarte: map.geo.admin.ch
29
Die Seeforelle in der Steinach
Etwa 400 Meter oberhalb des künstlichen Aufstiegshindernisses beginnt zwischen Fluss-km 2,1 und
2,4 eine Folge von vier weiteren bislang aufwärts nicht oder sehr schwer passierbaren, künstlichen
Hindernissen. Danach folgen etwa 300 naturnahe Flussmeter bis zu einem etwa 4 m aufwärts unpassierbarem Bauwerk (etwa bei F-km 2,7). Anschliessend ist die Steinachschlucht über mindestens 3
Kilometer frei durchwanderbar. Die Mehrzahl dieser künstlichen Schwellen wäre mit wenig Aufwand
in passierbare Sohlrampen umwandelbar. Selbst die hohen unüberwindbaren, künstlichen Hindernisse
sind aufgrund des tiefen Unterwassers für den Fischabstieg (z.B. für Seeforellen-Smolts)
unproblematisch (siehe Kap. 9.1). Das natürliche Aufstiegsende wird bis in das Siedlungsgebiet von
St. Gallen hinein (Bach-km 5,5) noch nicht erreicht.
Eine Sanierung der überwindbaren Hindernisse ist vor allem im Hinblick auf einen uneingeschränkten
Arten- und Individuenaustausch mit dem Bodensee zu begrüssen. Für entsprechende Fischarten
würden dann Gefällestrecken und kleinere natürliche Abstürze die Aufwärtswanderung begrenzen.
Hindernisse im erreichbaren Abschnitt
Im Unterlauf der Steinach gibt es zahlreiche Schwellen, darunter befinden sich sechs auffällige
Hindernisse, die jedoch allesamt für Seeforellen aufwärts überwindbar sind. Für andere aus dem See
aufsteigende Fischarten können diese zumindest stark selektierende Hindernisse sein.
Abb. 6.2: Erste markante, passierbare Schwelle im
unteren Lauf der Steinach (Hpassierbar 1).
Abb. 6.3: Zweite markante, passierbare Schwelle im
unteren Lauf der Steinach (Hpassierbar 1).
Abb. 6.4: Zweite markante, passierbare Schwelle im
unteren Lauf der Steinach (Hpassierbar 2).
Abb. 6.5: Dritte und vierte Schwelle im unteren Lauf
der Steinach (H passierbar 3 und H passierbar 4).
30
Die Seeforelle in der Steinach
Abb. 6.6: Vierte markante, passierbare Schwelle im
unteren Lauf der Steinach (H passierbar 4).
Abb. 6.7: Fünfte markante passierbare Schwelle im
unteren Lauf der Steinach bei Niederwasser am Pegel
Mattenhof (H passierbar 5).
Abb. 6.8: Sohlschwellenstrecke oberhalb des Pegels
Mattenhof.
Abb. 6.9: Sechste markante passierbare Schwelle im
unteren Lauf der Steinach (H passierbar 6).
Unüberwindbare, künstliche Hindernisse
Das erste unpassierbare Hindernisse in Altsteinach, das Hindernis (H unpassierbar 1) (Abb. 6.10), bildet
die Aufstiegsgrenze für die gesamten oberhalb liegenden Steinachabschnitte. Nach seiner Beseitigung
wären für Seeforellen sofort neue Laichflächen verfügbar. In der Folge finden sich noch drei weitere
unüberwindbare Querbauten, die für eine Durchgängigkeitssanierung von grosser Bedeutung sind, da
ein grosser Teil geeigneter Laichsubstrate erst oberhalb des Gallusstegs anzutreffen ist. Oberhalb des
Hindernisses H unpassierbar 4 folgen mehrere Kilometer einer ohne weiteres Hindernis durchwanderbarer
Schluchtstrecke mit zahlreichen Laichmöglichkeiten.
Eine Beseitigung der unüberwindbaren Aufstiegsbarrieren in der Steinach ist als prioritäres fischökologisches Ziel und als eine Massnahme einzufordern, die für eine nachhaltige Bewirtschaftung der
seltenen Bodensee-Seeforelle unumgänglich ist. Beim Hindernis 2 (Abb. 6.11) bestünde auf der orographisch linken Bachseite die Möglichkeit für ein Umgehungsgerinne.
31
Die Seeforelle in der Steinach
Abb. 6.10: Künstliches Aufstiegsende: Erstes unüber- Abb. 6.11: Zweites aufwärts unüberwindbares Wanderwindbares Wanderhindernis ca. 1,7 km oberhalb der hindernis (H unpassierbar 2) 2,1 km oberhalb der SteinachSteinachmündung (H unpassierbar 1). Foto Stand 2016.
mündung.
Das Hindernis wurde im Herbst 2016 saniert und ist
jetzt durchgängig.
Abb. 6.12. Drittes aufwärts unüberwindbares Wander- Abb. 6.13. Viertes aufwärts unüberwindbares Wanderhindernis; orographisch links ist eine potenzielle Mög- hindernis; 2,7 km oberhalb der Steinachmündung (H
lichkeit für eine Umgehung vorhanden; 2,3 km ober- unpassierbar 4). Danach folgen mehrere Kilometer einer
halb der Steinachmündung (H unpassierbar 3).
ohne Hindernis durchwanderbaren Schluchtstrecke mit
zahlreichen Laichmöglichkeiten.
Weitere Hindernisse in aufwärts nicht erreichbarer Strecke
In der nicht für Fische aus dem See erreichbaren Strecke der Steinach trifft man auf fünf zusätzliche
Aufstiegshindernisse, die selektiv – vor allem bei höheren Abflüssen – von Seeforellen und anderen
schwimmstarken Fischen überwunden werden können. Darunter befinden sich drei Holzschwellen
(Abb. 6.14 bis 6.16), an denen durch herausstehende, grosse Nägel eine erhebliche Verletzungsgefahr
für auf- und absteigende Laichfische und absteigende Smolts besteht. Auch die Beseitigung solcher
Gefahrenpunkte bei der Fischwanderung ist als prioritäre Massnahme festzuhalten.
32
Die Seeforelle in der Steinach
Abb. 6.14: Bei Hochwasser uneingeschränkt überwindbar. Es besteht Verletzungsgefahr durch Eisennägel, ca.
Fluss-km 1,9 (H passierbar 7).
Abb. 6.15: Bei Hochwasser uneingeschränkt überwindbar, unter Autobahnbrücke; ca. Fluss-km 2,0 (H passierbar 8).
Abb. 6.16: Bei Hochwasser uneingeschränkt überwindbar, ca. Fluss-km 2,1
(H passierbar 9).
An zwei Betonschwellen bestünde ebenfalls Sanierungsbedarf. Die erste der beiden Schwellen dürfte
bei geeigneten Abflüssen zwar für viele Seeforellen überwindbar sein (Fluss-Km 2,5), jedoch könnte
das zerfallende Hindernis ohne grossen Aufwand für den Fischaufstieg verbessert werden. Das letzte
Aufstiegshindernis vor der Schluchtstrecke (F-km 2,8) ist sehr selektiv und kaum überwindbar; es
zerfällt bereits ebenfalls. Hier müsste dringend eine Anpassung für aufsteigende Seeforellen erfolgen.
Abb. 6.17: Bei Hochwasser selektiv
passierbar (H selektiv 1), bei 200 l/s
Abfluss: ca. 70 cm hoch; Fluss-km
2,25 (Logger). Im Hintergrund: drittes
unüberwindbares Wanderhindernis.
Abb. 6.18: Aufwärts bei hohen
Abflüssen rechts eingeschränkt
überwindbares Wanderhindernis (H
selektiv 2); Fluss-km 2,35 km nach der
Steinachmündung. Oberhalb dieser
Stufe beginnt die naturnahe Strecke.
33
Die Seeforelle in der Steinach
6.2 Wasserführung und Seeforelleneinstieg
Mitte der 1990er-Jahre wurden erstmals Seeforellen-Laichfische in der Steinach entdeckt und für die
Bewirtschaftung gestreift. Da es sich beim Seeforelleneinstieg und den Laichaktivitäten um vom Ufer
gut beobachtbare Phänomene handelt, stellt sich die Frage, ob die Steinach bereits zuvor ein gutes
Seeforellengewässer war oder sich erst infolge der Bewirtschaftungsmassnahmen des ersten Seeforellenprogramms der IBKF ab Ende der 1980er-Jahre dazu entwickelte. Hinsichtlich ihres Abflusses und
damit auch indirekt ihrer Durchgängigkeit ist das heutige Abflussregime der Steinach mit demjenigen
vor 1895 vergleichbar, als noch kein Bodenseewasser nach St. Gallen hochgepumpt wurde. Neueste
Beobachtungen aus dem Winterhalbjahr 2015/2016 belegen, dass die Fische bei winterlichem
Niedrigwasser gar nicht in den Bach einsteigen und ablaichen können. Aber nicht nur die Steinachmündung bildet einen Flaschenhals, in Niederwasserphasen ist auch ein grosser Teil des Bachlaufs für
grosse Seeforellen-Laichfische unpassierbar. Dabei ist nicht nur die Wassertiefe im sich natürlich entwickelnden Steinachdelta für den Seeforelleneinstieg limitierend, sondern der gesamte oberhalb anschliessende Bachlauf. Szenarien, in denen der Bachlauf durchgehend passierbar wäre, aber das Delta
limitierend wirkt, gab es bisher nicht. Diese Feststellung ist vor allem für die derzeitige Diskussion
von Bedeutung, den Deltabereich für den Fischaufstieg auszubaggern. Von entsprechenden Massnahmen im Mündungsbereich ist dringend abzuraten, zumal laut einer Studie der Bodensee-Stiftung
(BODENSEE-STIFTUNG, 2009) der Mündungsbereich der Steinach und die sich dort entwickelnde
Ufervegetation für das Bodenseeufer einzigartig sowie schützens- und förderungswürdig ist.
Eine besondere Gefahr für die Seeforellen lag schon unter dem bisherigen Abflussregime darin, dass
sie zwar einwandern können, bei Normal- und Niederwasserabfluss aber über längere Zeit in Kolken
festsitzen und eine Rückwanderung nicht möglich ist. Wir konnten beobachten, dass Fische, die mehrere Wochen im Gewässer festsitzen, oft stark verpilzen, nachdem sich UDN (Ulcerative Dermalnekrose) bei ihnen gebildet hatte. Im Extremfall (beobachtet im Winter 2011/12) verendeten daran ein
nicht unerheblicher Teil der Laichfische. Im Sommer verstärkt sich durch Niederwasser die Gefahr
für Jungfische wegen geringer Sauerstoffkonzentrationen bei Niederwasserabflüssen in Kombination
mit warmen Wassertemperaturen in Hitzephasen (vgl. Kap. 5.3).
Abb. 6.19: Mündung der Steinach.
Abb. 6.20: Unterlauf der Steinach bei Niederwasser.
34
Die Seeforelle in der Steinach
7 Bestandsentwicklung der Seeforellen in der Steinach
7.1 Laichfischfang
Ende der 1980er Jahre wurde die Seeforelle in der Steinach sehr erfolgreich mit Nachkommen von
Elterntieren aus der Goldach wiederbesetzt. Seit Mitte der 1990er Jahre findet seitens des ANJF St.
Gallen alljährlich Laichfischfang auf die Seeforellen-Population statt, die sich bis Anfang der 2000er
Jahre zum zweit-individuenreichsten Bestand des Bodenseeeinzugsgebiets entwickelt hat (WERNER et
al., 2014).
Der Aufwand beim Laichfischfang variierte hierbei je nach Bedarf (benötigte Eizahlen für Erbrütung
und Besatz). Die langjährige Entwicklung der Fangzahlen ist ab 2010 tendenziell ansteigend (Abb.
7.1), weil u.a. im Zusammenhang mit der vorliegenden Untersuchung der Befischungsaufwand (Zahl
der Laichfischfänge) stark erhöht wurde (Ausnahme 2013), um die Zahl der einsteigenden Laichtiere
besser abschätzen zu können (vgl. Kap. 7.3).
Beim Vergleich der Seeforellenfänge pro Laichfischfang-Ereignis (Abb. 7.2) fällt auf, dass das Jahr
2014 wenig Laichfische pro Befischung (36 Ind.) aufwies, obwohl das Gesamtfangergebnis zum
dritthöchsten zählte (Abb. 7.1). Dies lässt den Schluss zu, dass die zu verschiedenen Zeiten eingewanderten Gruppen über längere Zeit in der Steinach verweilen bzw. diese wegen zu geringer Wasserführung nicht verlassen können.
250
Individuenzahl
200
150
Jan
Dez III
Dez II
100
Dez I
Nov
50
2013
2014
2011
2012
2010
2008
2009
2006
2007
2004
2005
2002
2003
2000
2001
1998
1999
1996
1997
0
140
Abb. 7.2: Laichfischfangzahlen der Steinach. Vergleich der jeweiligen Laichfischfang-Ereignisse, die dem traditionellen
Befischungstermin Mitte Dezember am
nächsten kommen.
120
100
80
60
40
20
35
19.11.13
22.12.14
20.12.12
14.12.11
16.12.10
18.12.09
19.12.08
19.12.07
Dez 06
Dez 05
Dez 04
12.12.03
19.12.02
27.12.01
20.12.00
21.12.99
21.12.98
17.12.97
0
02.01.97
Individuenzahl
Abb. 7.1: Laichfischfangzahlen der Steinach. Der Befischungsaufwand zwischen
den Jahren unterschied sich z.T. erheblich.
Bis zum Jahr 2009 sind Aufwand und
Befischungstermin vergleichbar. In den
Jahren 2010-2012 wurden zwei Befischungen durchgeführt, 2014 sogar fünf. Dez I:
01.-10.12. Dez II: 11.-20.12. Dez III:
21.12-31.12. Im Jahr 2014 fanden zwei
Termine im Januar statt, der erste wurde
aus graphischen Gründen dunkelgrau
dargestellt.
Die Seeforelle in der Steinach
7.2 Besatz
Im Jahre 1988 wurden in der Steinach erstmals 6.000 Seeforellen-Brütlinge aus der Goldach besetzt.
Nach einer Lücke von sechs Jahren erfolgte der nächste Besatz mit 8.000 Brütlingen. Seither erfolgt
der Besatz alljährlich. Eine Ausnahme bildet das Jahr 2012, in dem aufgrund des NAWA-Programms
gänzlich auf Besatz verzichtet wurde. Abgesehen von dieser Ausnahme schwankten die Besatzzahlen
in den letzten 10 Jahren zwischen 37.000 und 125.000 Brütlingen. Nach den Jahren 2006 und 2007
mit den maximalen Besatzzahlen wurde der Besatz allmählich wieder reduziert. Seit dem Jahre 2011
werden ca. 40.000 Brütlinge pro Saison besetzt (Abb. 7.3). Der Besatz fand bis zum Jahre 2006 in der
kompletten Steinach und einigen Zuflüssen statt. Im von Seeforellen erreichbaren Abschnitt bis zum
Fluss-Kilometer 1,7 wird seither auf Besatz verzichtet. Oberhalb des künstlichen Auftstiegshindernisses werden vom ANJF St. Gallen nach wie vor Seeforellen-Brütlinge besetzt.
Wenn man davon ausgeht, dass die Besatzfische mit einem Jahr in den See abwandern und nach zwei
Jahren erstmals in die Steinach zum Laichen zurückkehren, dann ergibt sich aus dem Vergleich der
Besatz- und Laichfischfangzahlen eine Korrelation (R2 = 0,23; Abb. 7.4), die besagt, dass nach
erhöhtem Besatz nach drei Jahren tendenziell mehr Laichfische zurückkehren.
Bachforellen wurden von 1986 bis 2005 und nochmals 2010 in die Steinach besetzt, danach wurde der
Besatz mit dieser Fischart eingestellt. Bis zum Jahr 2000 wurden auch nicht autochtone Fische, z.B.
aus dem Raum Basel besetzt (KUGLER, mündl. Mitteilung).
140
120000
100000
AK 2+
Laichfischzahl nach 3 Jahren
140000
AK 1+
Brütling
80000
60000
40000
20000
100
80
60
40
20
1988
1989
1990
1991
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
0
R² = 0,22986
120
0
0
20000
40000
60000
80000
100000
120000
140000
Besatzzahl
Abb. 7.3: Seeforellenbesatz im Einzugsgebiet der
Steinach.
Abb. 7.4: Korrelation der Seeforellenbesatzzahlen
mit den Ergebnissen der Laichfischzahl nach drei
Jahren in der Steinach.
7.3 Systematische Untersuchung der Einwanderung
Beim Laichfischfang wurde von 1996 bis 2009 jeweils nur an jährlich einem Termin nach laichreifen
Seeforellen gefischt. Verlaichte Individuen wurden nicht mitgenommen, auch wurde der Laichfischfang bei einer genügenden Anzahl Rogner beendet. Die Befischungen können aufgrund des meist sehr
ähnlichen Aufwands untereinander verglichen werden. Dass die tatsächliche Anzahl der Einsteiger
36
Die Seeforelle in der Steinach
deutlich höher lag als die bekannten Laichfischfangzahlen, zeigte der in den Jahren 2010 bis 2012
intensivierte Seeforellen-Laichfischfang, bei dem jeweils 2 Befischungen stattfanden. Für diesen
Zeitraum schwankte die Zahl der Einsteiger nach unseren Schätzungen jährlich zwischen 300 und 550
Individuen (Abb. 7.5). Diese Zahlen müssen gemäss neuster Erkenntnisse vermutlich zwar noch leicht
nach unten korrigiert werden, da festgestellt wurde, dass einige Rogner, die nach dem Streifen der
Eier in der Fischzucht Rorschach wieder in den See zurückgesetzt wurden, binnen weniger Tage
wieder in die Steinach eingewandert sind (Kap. 9.4).
Abb. 7.5: Abschätzung der Einsteigerzahlen in die Seeforellengewässer des Bodensee-Einzugsgebiets (Quelle:
Interreg IV-Projekt Seeforelle – Arterhaltung in den Bodenseezuflüssen, Informationen der Fischereifachstellen,
Beobachtungen, Grundlagenbericht Seefroelle, IBKF 2009)
Der Langzeitvergleich mit den Laichfischfangzahlen der Fischzuchtanstalt Rorschach ist aufgrund der
geänderten Methodik für die Jahre mit erhöhtem Aufwand erschwert, daher wurde versucht, jeweils
den Befischungsgang in den Langzeitvergleich mit aufzunehmen, der dem üblichen Laichfischfang
terminlich am nächsten kommt (Mitte-Ende Dezember; Abb. 7.2). Zudem wurden aus Vergleichsgründen auch nur die Seeforellen berücksichtigt, die noch nicht verlaicht waren, da diese in den
Jahren 1996-2009 nicht in die Fischzucht gebracht wurden.
In der Saison 2013 wurde nur an einem Tag ein Laichfischfang auf der üblichen ca. 1000 m langen
Strecke durchgeführt, dabei wurden am 19.11. jedoch 106 unverlaichte Seeforellen gefangen (43
37
Die Seeforelle in der Steinach
Männchen, 63 Weibchen). Es ist davon auszugehen, dass vor allem im Dezember nochmals mindestens eine ähnlich grosse Anzahl in die Steinach eingewandert ist.
Da nach der Umleitung des ARA-Wassers zu befürchten war, dass sich die Auffindbarkeit des Gewässers aufgrund des veränderten Geruchs geändert hat, wurde im Herbst 2014 zunächst versucht, mit
einer Video-Anlage der Hemmerle GmbH & CoKG die genauen Einsteigerzahlen der Seeforellen zu
überwachen. Dieses Ziel war technisch jedoch noch nicht realisierbar, da die Videotechnik aufgrund
der Wassertrübung bei Hochwasser und Oberflächenreflexionen nicht verlässlich auszuwerten war.
Daher wurde auf die herkömmliche Methode der Laichfischerfassung mittels Elektrofischerei zurückgegriffen. Das übliche Programm wurde intensiviert: Es wurde an fünf Terminen im gesamten 1,7 km
langen, durchgängigen Abschnitt gefischt. Trotz der wesentlich längeren befischten Strecke (1,7 km
gegenüber 1 km) und den fünf Befischungsterminen wurden insgesamt „nur“ 207 Seeforellen gefangen, davon handelte es sich bei 24 Individuen um Wiederfänge, so dass in der Saison 2014/2015
insgesamt 181 verschiedene Seeforellen dokumentiert wurden. Am 22. Dezember 2014, dem Termin,
der mit dem herkömmlichen Termin des Laichfischfangs am besten übereinstimmt, wurden nur 28
Seeforellen gefangen.
Dass sich der Seeforellen-Bestand vom Höchststand 2010-2012 bis zum Jahre 2014 offenbar wieder
reduzierte, steht jedoch nicht unmittelbar im Zusammenhang mit dem Stopp des ARA-Wasserzuflusses.
Mit PIT-Tag-Markierungen wurde bewiesen, dass sowohl Jung- als auch Laichfische trotz der
„Geruchsänderung“ der Steinach ihr Heimatgewässer wiederfinden. Eine wahrscheinliche Erklärung
ist, dass die Abnahme der Laichfischzahlen auf die seit dem Jahr 2011 reduzierten Besatzzahlen
zurückzuführen sein könnte. Im Jahre 2012 blieb der Brütlingsbesatz aufgrund der NAWAUntersuchung sogar komplett aus; dieser fehlende Jahrgang wäre erwartungsgemäss jedoch im Winter
2014/15 erstmals in stärkerem Ausmass in die Steinach zurückgekehrt. Die Befürchtung, dass die
Seeforellen aufgrund des geänderten Geruchs nicht mehr in die Steinach finden, konnte somit widerlegt
werden.
Einstiegszeiten und -verhalten
Die meisten Seeforellen warten vorreif im See, bis erhöhte Abflüsse in der Steinach den Einstieg ermöglichen. Abseits von Hochwassern oder generell erhöhten Abflüssen (>> 1m3/s) ist der Einstieg zu
den Laichplätzen aufgrund der geringen Wasserführung nicht oder nur in Einzelfällen möglich. Bei
Hochwasser wandern dann meist grössere Ansammlungen von Individuen innerhalb eines bis weniger
Tage in den 1,7 km langen Abschnitt bis zum künstlichen Hindernis. Meist laichen die Seeforellen
rasch ab und sie verlassen das System wieder – optimalerweise noch beim rücklaufenden
Hochwasser. Bei kurzen Hochwasserpeaks – wie sie häufig in der Steinach auftreten – verweilen sie
aber zum Teil mehrere Monate im Gewässer, bis eine Rückwanderung bei höheren Abflüssen
ermöglicht wird (siehe Kap. 9.1). In der Goldach und Leiblach sind die Laichzüge der Seeforelle
38
Die Seeforelle in der Steinach
ebenfalls nur bei Hochwasser möglich, während die grossen Bodenseezuflüsse unabhängig von
Hochwassersituationen aufgesucht werden (WERNER et al., 2014).
Die Wassertemperatur des Bodensees hat einen entscheidenden Einfluss auf die Gonadenreifung und
somit auch auf den Beginn der Laichwanderung. Frühestens im Oktober beginnen die Seeforellen in
die Steinach einzusteigen, falls die Abflussverhältnisse dies zulassen. Die Haupteinstiegszeit liegt
jedoch zwischen Mitte November und Ende Dezember. Aber auch noch im Januar können zahlreiche
Seeforellen einsteigen; danach werden nur noch vereinzelte Aufstiege dokumentiert. Die letzten bisher
dokumentierten Laichfische stiegen am 11. April 2013 bei erhöhtem Abfluss auf. Im besonders milden
Herbst 2014 hat sich die Haupteinstiegszeit bis in den Januar verschoben (97 der 181 Ind.).
Ergänzung Februar 2016: Im Winter 2015/16 war der Winterabfluss der Steinach so niedrig, dass die
Laichfische erst Anfang Januar einsteigen konnten.
7.4 Grössenverteilung
In den Jahren 2010 bis 2012 wurden im Zuge des Laichfischfangs insgesamt 526 Seeforellen vermessen (282 Milchner, 244 Rogner), die zwischen 24,5 und 91,5 cm lang waren. Reife Laichfische konnten ab 40 cm Länge dokumentiert werden (siehe Abb. 7.6 oben), kleinere Forellen waren entweder
unreife Miteinsteiger oder Bachforellen. Die Längenverteilung der Milchner streut recht stark zwischen 40 und 91,5 cm mit einer Häufung im Bereich von 55 cm Länge und einem zweiten, kleineren
Gipfel um 75 cm. Die meisten gefangenen Rogner waren um 65 cm lang (Abb. 7.6 oben), die Längen
reichten von 40 bis 87 cm.
Im Jahr 2014 (Abb. 7.6 unten) konnten relativ weniger Milchner bis 60 cm gefangen werden. Zudem
waren bei den Rognern grössere Fische in der Mehrzahl. Möglicherweise wirkte sich in der Saison
2014/15 bereits der 2011 stark reduzierte Seeforellenbesatz sowie der im Jahr der NAWA-Untersuchung (2012) völlig ausgesetzte Seeforellenbesatz auf die Anzahl der Rückkehrer aus (siehe Kap.
7.2), da vor allem kleinere Seeforellen fehlten. Untersuchungen an markierten Jungfischen zeigten die
hohe Bedeutung der Besatzfische für Smolt-Abwanderung auf (Kap. 9.2).
39
Die Seeforelle in der Steinach
2010 - 2012
Milchner
Rogner
50
Anzahl Individuen
40
30
20
> 86-88
> 88-90
> 90-92
> 88-90
>90-92
> 82-84
> 84-86
> 78-80
> 80-82
> 74-76
> 76-78
> 72-74
> 68-70
> 70-72
> 64-66
> 66-68
> 60-62
Milchner
Rogner
Grössenklasse [cm]
> 86-88
25
> 62-64
> 56-58
> 58-60
> 54-56
> 50-52
> 52-54
> 40-45
> 45-50
> 30-35
> 35-40
< 25
0
> 25-30
10
20
Anzahl Individuen
2014
15
10
> 84-86
> 82-84
> 80-82
> 78-80
> 76-78
> 74-76
> 72-74
> 70-72
> 68-70
> 64-66
> 66-68
> 60-62
> 62-64
> 58-60
> 56-58
> 54-56
> 50-52
> 52-54
> 40-45
> 45-50
> 35-40
> 25-30
0
> 30-35
5
Grössenklasse [cm]
Abb. 7.6: Längenverteilung aller adulten in der Steinach gefangenen Seeforellen (Laichfischfänge). Oben aufsummiert für die Jahre 2010 bis 2012; unten für das Jahr 2014 nach dem Umbau der ARA. (Achtung:
unterschiedliche Skalierung)
Längen-Anteils-Analysen des ANJF St. Gallen (KUGLER 2009, Abb. 7.10) für alle biometrierten
Laichfische der Steinach für die Jahre 1996 bis 2004 (n = 374) zeigen deutlich geringere durchschnittliche Fischgrössen als 2013. Die höchsten Anteilssummen bildeten damals Forellen zwischen 43 und
65 cm Länge. Ein Vergleich mit den Messungen des Laichfischfangs 2013 erstaunt. Aktuell sind die
Seeforellen, die aus dem See in die Steinach aufsteigen, deutlich grösser, die meisten Fische waren
zwischen 53 und 80 cm lang (Abb. 7.10). Mögliche Gründe für den deutlichen Grössenunterschied
könnten eine Überalterung der Population sein oder an rasanterem Wachstum der Jungfische im See
liegen (siehe Kap. 9.4). Warum das Wachstum der Jungfische angestiegen sein könnte, bleibt spekulativ. Doch könnten hierbei die durch den Nährstoffrückgang deutlich verbesserten Sichtbedingungen
für den optischen Jäger ebenso eine Rolle spielen wie neozoische Tierarten, die die Nahrung der
Seeforelle direkt oder indirekt beeinflussen (Stichling, Schwebegarnelen, Höckerflohkrebs).
40
Steinach: Seeforellen-Laichfischfänge
Vergleich der Längen-Häufikeitsverteilung 1997-2003 mit 2013
Die Seeforelle in der Steinach
sowie mit SF aus Goldach (1990-2003)
14,0
1996-2004 Total N = 374
2013 Total N = 106
12,0
Anteile %
Prozent pro Fluss
10,0
8,0
6,0
4,0
>90
87+88
89+90
83+84
85+86
79+80
81+82
75+76
77+78
71+72
73+74
67+68
69+70
63+64
65+66
59+60
61+62
55+56
57+58
51+52
53+54
47+48
49+50
43+44
45+46
39+40
41+42
35+36
37+38
0,0
<35
2,0
Längenklassen (cm)
Abb. 7.7: Längen-Anteils-Verteilung der in der Steinach im Rahmen der Laichfischfänge 1996 bis 2004
gefangenen Seeforellen im Vergleich mit 2013 (Quelle: M. Kugler, ANJF St. Gallen).
7.5 Geschlechterverhältnis
In der Steinach überwogen von 2010 bis 2012 die Milchner gegenüber den Rognern im Verhältnis 1:
0,84. Dieses Geschlechterverhältnis ist einmalig im Vergleich mit den übrigen Seeforellenfliessgewässern des Bodensees (Tab. 7.1). Durchschnittlich liegt dies eher im Bereich von einem Milchner
auf zwei Rogner (WERNER et al., 2014), ähnliches gilt auch für andere Seeforellengewässer in der
Schweiz (HERTIG, schriftl. Mitteillung). Diese Strategie wird dadurch begründet, dass SeeforellenWeibchen, die im See rasch heranwachsen, eine grössere Anzahl von Eiern produzieren können,
während ein Teil der Männchen resident im Gewässer verbleiben könnte.
Die Gründe für das nahezu ausgeglichene oder sogar zu den Milchnern hin verschobene Geschlechterverhältnis in der Steinach sind unklar; aufgrund der grossen Stichprobe ist aber davon auszugehen,
dass das gefundene Verhältnis statistisch abgesichert ist. Mögliche Gründe für dieses Phänomen
könnten sein, dass nahezu alle Steinach-Forellen unabhängig vom Geschlecht in den See abwandern.
In der Steinach könnte daher z.B. aufgrund der Hydrologie oder der Nahrungssituation auf beide
Geschlechter der gleiche hohe Abwanderungsdruck wirken. Tatsächlich fanden wir sehr hohe
Abwanderungsraten bei den markierten Jungfischen (siehe Kap. 9.2).
41
Die Seeforelle in der Steinach
Tab. 7.1.: Geschlechterverhältnisse der Seeforellen in der Steeinach und anderen Bodenseezuflüssen.
Verhältnis
M:W
Gesamtzahl
Steinach
1: 0,84
522
2010 - 2012
Alpenrhein
1 : 1,66
589
Domat/Ems 2007 – 2012 (MICHEL, 2013)
Interreg-Projekt
Bodensee-Seeforelle:
1 : 2,02
329
2010 – 2012 (W ERNER et al., 2014)
Goldach
1 : 2,19
134
2011/2012
Bregenzerach
1 : 2,15
63
2011/2012
Leiblach
1 : 1,63
42
2012
Argen
1 : 3,00
12
2010/2011
Rotach
1 : 1,79
78
Laichfischfang
Fluss
Bemerkung
8 Seeforellen-Reproduktion
8.1 Brutboxenversuche
In der Steinach lag zum Zeitpunkt der Untersuchungen im Winter 2011/2012 noch eine thermische
„Belastung“ durch die gereinigten Abwässer der ARA Hofen vor. Daher wurden in diesem Gewässer
höhere Wintertemperaturen erreicht als in vergleichbaren, unbelasteten Gewässern. Dies zeigt sich im
Versuchszeitraum darin, dass trotz der extremen Kälte im Februar 2012 nur zweimal der Bereich um
0° C Wassertemperatur erreicht wurde, während solche Werte in anderen Bodenseezuflüssen über fast
zwei Wochen vorhielt, was zu starken Vereisungsphänomenen führte. Die Wassertemperaturen der
Steinach lagen im betrachteten Zeitraum somit in einem für die Forelleneientwicklung unkritischen
Bereich (Abb. 8.1), sowohl was die minimalen, als auch die maximalen Werte während der
Temperatur [°C]
Temperaturverlauf Probestelle Stei_1 Februar-März 2012
Reproduktionszeit betrifft.
15
14
13
12
11
10
9
8
7
6
5
4
3
2
1
0
-1
Abbildung 8.1: Durch den
Temperaturlogger im Winter/Frühjahr 2011/2012
aufgezeichneter Temperaturverlauf an der
Brutboxen-Probestelle
(dargestellt sind
Mittelwerte über 30Minuten-Intervalle.)
11.03.
06.03.
01.03.
25.02.
20.02.
15.02.
10.02.
05.02.
Allerdings war die Untersuchung auf nur einen kurzen Zeitraum beschränkt. Bei niederen Abflüssen
im Frühjahr könnten künftig bereits im April Wassertemperaturen von deutlich über 12° C auftreten,
die für die Eientwicklung kritisch werden (falls bis dann nicht ohnehin die 400 Tagesgrade bis zum
42
Die Seeforelle in der Steinach
Schlupf erreicht wurden)(Abb. 5.9); in den Vorjahren mit erhöhten und daher temperaturgepufferten
Abflüssen lagen die Werte zu dieser Jahreszeit meist um 10 °C (Abb. 5.8).
Die Überlebensrate der 2011/12 in der fliessenden Welle exponierten (geäugten) Eier bis zum Dottersackstadium betrug etwa 58 %. In den drei exponierten WV-Boxen lag der Schlupferfolg je nach Verschlammungsgrad bei 30%, 52,5% und 92,5%. Es wurde insgesamt eine relativ hohe Verschlammungstendenz mit organischem Material festgestellt (Abb. 8.4 bis 8.5), obwohl der Brutversuch lediglich etwa fünf Wochen exponiert war. Die abgestorbenen Eier und verendeten Larven sind allem Anschein nach durch den organischen Feinstoffeintrag und der daraus resultierenden Sauerstoffunterversorgung bedingt. Bei längeren Expositionszeiträumen wäre im damaligen Zeitraum mit deutlich höheren Feinstoffeinträgen zu rechnen gewesen. Ob auch im Kiessediment ähnlich hohe Feinsedimenteinträge stattfanden, kann nicht mehr geklärt werden. Brutversuche in der Rotach zeigten jedoch
einen höheren Sedimenteintrag bei Exposition der Brutboxen in der fliessenden Welle als im
Kieskörper (WERNER et al., 2014). Folgende Aussagen lassen sich aus dem Brutversuch in der
Steinach ableiten:
•
Direkte Hinweise auf fischtoxische Substanzen, die sich auf die Eientwicklung von Salmoniden auswirken, wurden nicht vorgefunden. Grundsätzliche wasserchemische Voraussetzungen für eine funktionierende natürliche Reproduktion waren demnach auch unter dem
Einfluss des gereinigten ARA-Abwassers gegeben.
•
Die Feinstofffracht in der Steinach wird dagegen als problematisch eingeschätzt. Wir gehen
davon aus, dass diese Belastungsform vor der Ableitung der ARA-Wässer bei der Naturverlaichung der Seeforellen zu vergleichsweise hohen Verlustraten geführt hat. Wie sich die
Situation nach dem Stopp der Zuleitung von gereinigtem ARA-Abwasser entwickelt hat,
sollte künftig nochmals untersucht werden. Vermutlich dürfte der Feinsedimentanteil durch
die Massnahme reduziert und somit die Entwicklungschancen für Seeforellenlaich in dieser
Beziehung verbessert worden sein.
Abb. 8.2: Blick flussaufwärts von der Expositionsstelle
der Brutboxen .
43
Abb. 8.3: Blick flussabwärts von der Expositionsstelle.
Die Seeforelle in der Steinach
Abb. 8.4: Ausschnitt einer teilweise geöffneten WV-Box Abb. 8.5: Nahaufnahme des Inhalts einer WV-Box:
mit höherem Verschlammungsgrad .
Abgestorbene Eier, eine beim Schlupf verendete Larve,
lebende Dottersacklarven und eingetragenes
Feinsediment.
8.2 Ei-Entwicklungszeiten
Die Ei-Entwicklungszeiten in der Steinach waren im Vergleich zu denen der Projektgewässer des Interreg-Seeforellen-Projekts deutlich kürzer. Die unterschiedliche Entwicklungsdauer bis zur Emergenz aus dem Kiessubstrat wirkt sich auf das natürliche Reproduktionspotenzial aus. Je länger die
Entwicklung dauert, desto höher sind auch die Risiken für die Brut. Neben Feinsedimenteinträgen
bilden vor allem massive Substratumlagerung während Hochwasser (vgl. Abb. 5.3) eine Gefahr.
Zur Ermittlung der Entwicklungszeiten wurden aufgrund von Temperaturdaten die Entwicklungszeiten bis zum Erreichen von 440 – 500 Tagesgraden (Schlupf) und von bis zu 800 TG (bis zur
Emergenz aus dem Substrat) errechnet (HELAND, 1999); dies jeweils für hypothetische Laichzeitpunkte am 01. November, am 01. Dezember und am 01. Januar.
Bis zur Emergenz der Larven müssen in den Laichsubstraten geeignete Entwicklungsbedingungen
vorherrschen, d.h. in diesen Zeiträumen darf es weder zu massiven Substratumlagerungen noch zu
kritisch hohen Einträgen von Feinsediment kommen.
Nach unseren Abschätzungen werden bis zum Erreichen von 500 Tagesgraden in den betrachteten
Gewässern ca. 96-157 Tage (Abb. 8.6) und bis zum Erreichen von 800 Tagesgraden (Emergenz) ca.
126-199 Tage benötigt (Abb. 8.7). Die damals noch thermisch belastete Steinach, aber auch die im
Norden des Bodensees mündenden Gewässer (Argensystem, Rotach) mit pluvialem Abflussregime
wiesen dabei die kürzesten Entwicklungszeiträume auf. Die nival geprägte Bregenzerach zeigt
dagegen die deutlich längsten Entwicklungszeiten, gefolgt von Leiblach und Goldach.
Weiterhin wird auch deutlich, dass späte Laichzeitpunkte in allen Gewässern deutlich kürzere Entwicklungszeiträume aufweisen als früher; dies unter der Annahme, dass vor dem 01. November Seeforellen allenfalls vereinzelt Laichaktivitäten zeigen. In jedem Fall hat also auch der Laichzeitpunkt
einen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklungszeiten in den Gewässern.
44
Die Seeforelle in der Steinach
Seitdem die thermische Belastung der Steinach nicht mehr besteht, haben sich die Ei-Entwicklungszeiten deutlich verlängert. Die 500 Tagesgrade bis zum Schlupf der Jungen wurden bei einem
Laichzeitpunkt um den 1. Dezember mit der ARA-Wasserzuleitung in der Steinach etwa 20 Tage
früher erreicht als in der nahegelegenen Goldach; 2015 schlüpften die jungen Seeforellen in der
Goldach nun sogar früher als in der Steinach (ZOTTELE, mündl. Mitteilung). Eine Überprüfung dieser
Veränderung der Entwicklungszeit mit einem neuen Brutboxenversuch wäre zukünftig dringend
nötig. Künftig erwarten wir mit dem neuen Abflussregime wieder (bis zu einem Monat) verlängerte
Ei-Entwicklungszeiten, da auch das Risiko ansteigt, dass Seeforellenlaich und Dottersackbrut durch
Hochwasser geschädigt werden können.
Abschätzung der Entwicklungszeiten
bis zum Erreichen von 500 Tagesgraden (Schlupf)
01. Nov
hypothetischer
Laichzeitpunkt:
01. Dez
01. Jan
170
160
Zeitraum [d]
150
140
130
120
110
100
90
UArg
O Arg
VArg
R ot
L eib
B regK B B regML
Gold
S tei
Abb. 8.6: Darstellung geschätzter Entwicklungszeiten bis zum Erreichen von 500 Tagesgraden für verschiedene
Gewässer unter der Annahme dreier verschiedener Laichzeitpunkte. (UArg: Untere Argen; OArg: Obere Argen;
VArg: Vereinigte Argen; Rot: Rotach; Leib: Leiblach; BregKB: Bregenzerach Messstation Kennelbach;
BregML: Bregenzerach Messstation Mellau; Gold: Goldach (Vollwasser); Stei: Steinach).
Abschätzung der Entwicklungszeiten
bis zum Erreichen von 800 Tagesgraden (Emergenz)
hypothetischer
Laichzeitpunkt:
01. Nov
01. Dez
01. Jan
210
200
190
Zeitraum [d]
180
170
160
150
140
130
120
UArg
O Arg
VArg
R ot
L eib
B regK B B regML
Gold
S tei
Abb. 8.7: Darstellung geschätzter Entwicklungszeiten bis zum Erreichen von 800 Tagesgraden für verschiedene
Gewässer unter der Annahme dreier verschiedener Laichzeitpunkte. (UArg: Untere Argen; OArg: Obere Argen;
VArg: Vereinigte Argen; Rot: Rotach; Leib: Leiblach; BregKB: Bregenzerach Messstation Kennelbach;
BregML: Bregenzerach Messstation Mellau; Gold: Goldach (Vollwasser); Stei: Steinach).
45
Die Seeforelle in der Steinach
8.3 Laichhabitat-Kartierung
Auf 5,5 km Fliessstrecke ab der Mündung wurde das Reproduktionspotenzial der Steinach durch Erfassung der für Kieslaicher geeigneten Eiablageflächen im Gerinne ermittelt. Dabei wurden auch die
Abschnitte oberhalb der künstlichen Wanderhindernisse betrachtet, um die Reproduktionsmöglichkeiten im aktuell nicht erreichbaren Tobel zu beurteilen. Im erreichbaren Unterlauf der Steinach bildet
der Mündungsbereich mit ca. 100 m2 optimalen Laichhabitats das derzeit beste Reproduktionsgebiet.
Bis zum künstlichen Aufstiegshindernis befinden sich auf 1,6 km Strecke noch 236 m2 potenzieller
Laichhabitate, davon nur 43 m2 von der Mündung bis zum Pegel Mattenhof. Oberhalb des künstlichen
Hindernisses bei Bachkilometer 1,7 konnten bis zum Bachkilometer 5,5 insgesamt weitere 326 m2
potenziell nutzbarer Laichflächen kartiert werden. Zwischen dem aktuellen Aufstiegshindernis und
dem nächsten unüberwindbaren, künstlichen Hindernis befinden sich auf etwa 390 m naturnaher
Strecke immerhin 46 m2 potenzielle Laichhabitate. In der nachfolgenden, begradigten Hindernisstrecke von Fluss-km 2,09 bis Fluss-km 2,35 befinden sich nochmals 40 m2 potenzielle Laichflächen.
Nach diesem nur sehr selektiv überwindbaren Hindernis beginnt die naturnahe Schluchtstrecke. Bis
zu einem knapp 4 m hohen Hindernis bei Fluss-km 2,7 befinden sich weitere 50 m2 geeigneten
Laichsubstrats. Ab diesem Hindernis bis Fluss-km 5,5 konnten 190 m2 geeignete Laichflächen kartiert
werden. Im Schluchtabschnitt oberhalb dieses letzten künstlichen Hindernisses sinkt zwar der Anteil
nutzbarer Laichsubstratfläche pro 100 m Fliess-Strecke, jedoch wird dies durch die über mehrere
Kilometer frei durchwanderbare Strecke mehr als kompensiert. Die Flächenbilanz (Abb. 8.8) zeigt,
dass in der Steinach aktuell auf Grund von künstlichen Hindernissen höchstens die Hälfte der
potenziell vorhandenen Laichhabitate für die Seeforelle nutzbar ist.
Mündung
bis Mattenhof
bis Ausfstiegsgrenze
bis nächste Aufstiegsgrenze
bis Ende Hinderniskette
bis letzte künstl.
Aufstiegsgrenze
bis F-km 5,5
Abb. 8.8: Flächenbilanz (Anteile) der Laichhabitate in verschiedenen Abschnitten der Steinach.
Bei einer Beseitigung dieser künstlichen Hindernisse (vgl. Kap. 6.2) könnten die bislang unerreichbaren Laichhabitate erschlossen werden, die gegenüber den tatsächlich nutzbaren Laichflächen bis
46
Die Seeforelle in der Steinach
Fluss-km 1,7 den Vorteil haben, dass sie sich in einer beschatteten und naturnahen Schluchtstrecke
befinden, die gut gegen Temperaturextreme abgepuffert ist. Dadurch würde hier das Risiko einer
temperaturbedingten direkten oder indirekten Mortalität von Jungfischen deutlich sinken.
Nur ein Bruchteil der kartierten Laichflächen wurde als „geeignet“ beurteilt. In den meisten Fällen
führte die geringe Wassertiefe und die geringe Strömungsgeschwindigkeit bei Normalabfluss sowie
der Feinstoffanteil lediglich zur Beurteilung „möglich“. Insgesamt bietet die Steinach mit einem
relativen Flächenanteil von durchschnittlich 2,0 % Laichfläche eher wenig Reproduktionsmöglichkeiten, die jedoch sehr gut genutzt werden. Im Interreg-Projekt-Seeforelle schwankte der Anteil der
Laichflächen in den Zuflüssen zwischen 0,8% in der Leiblach und 4,6% in der Argen. In der vergleichbaren Goldach lag er mit 3,4% etwas höher als in der Steinach (WERNER et al. 2014).
8.4 Natürliche Reproduktion
In der Steinach wurde der Nachweis der erfolgreichen natürlichen Seeforellen-Reproduktion mehrfach erbracht. Um ein Mass für die Naturverlaichung zu erhalten, wurden zu verschiedenen Terminen
Laichgruben kartiert. Eine Aussage über den Reproduktionserfolg kann dabei nicht getroffen werden,
weil, wie oben angeführt, verschiedene Faktoren die Ei-Entwicklung negativ beeinflussen können
(hydrologische Gegebenheiten, Feinstoffbelastung, Übergraben). Die Brutboxenversuche (Kap 7.3)
lieferten Hinweise darauf, dass Feinsubstrate die erfolgreiche Ei-Entwicklung belasten. Hydrologische Ereignisse scheinen in der Steinach nur einen geringen Einfluss auf die erfolgreiche Reproduktion zu haben. Strukturierende Ereignisse treten vergleichsweise selten auf. Dies steht in deutlichem
Gegensatz zu anderen Bodenseezuflüssen, in denen Winterhochwässer durch massive Substratumlagerungen eine erfolgreiche Fortpflanzung von Seeforellen sehr oft verunmöglichen (WERNER et al.,
2014).
Seit dem Jahre 2006 wurde auf den Besatz von Seeforellen im erreichbaren Abschnitt verzichtet.
Oberhalb des Aufstiegshindernisses bei Fluss-km 1,7 wird der Besatz mit Seeforellen-Brütlingen
weitergeführt. Um die Bedeutung dieses Besatzes für die Seeforellen-Population zu ermitteln, wurden
Seeforellen-Smolts vor ihrer Abwanderung mit PIT-Tags markiert (vgl. Kap 9.2.2).
Laichgrubenkartierung
Während des Laichfischfangs wurden in der Steinach von der Mündung bis zum künstlichen Aufstiegshindernis in den Jahren 2010 bis 2014 (Ausnahme: 2012) Laichgruben kartiert und im Jahre
2013 genauer charakterisiert. Grossflächige Laichhabitate sind derzeit nur im Mündungsbereich der
Steinach vorhanden. Aufgrund der hohen Laichfischdichte werden zum einen Habitate zum Ablaichen
genutzt, die nicht die optimalen Ansprüche erfüllen und zum anderen optimale Standorte mehrfach
genutzt. Dadurch kann es zum Übergraben von bereits angelegten Seeforellen-Laichgruben kommen.
47
Die Seeforelle in der Steinach
Die meisten Laichgruben werden oberhalb von Sohlschwellen oder in Rinnern angelegt. Es werden
auch Substrate genutzt, die ausserhalb des Optimums liegen. So wurde beobachtet, wie eine
Seeforelle äusserlich kolmatierte Kiesflächen aufbrach.
Die 2013 kartierten 71 Laichgruben wurden bezüglich ihrer hydrologischen Kenngrössen charakterisiert. Es wurden sowohl die Fliessgeschwindigkeit als auch die Wassertiefe an den Laichgruben
gemessen.
Optimale Laichhabitate treten in der Steinach aufgrund geringer Fliessgeschwindigkeiten und
Wassertiefen und auch der Substratzusammensetzung eher spärlich auf, daher nutzen Seeforellen auch
Gewässerbereiche abseits des Optimums als Reproduktionsstätte. So wurden Wassertiefen um 11 bis
25 cm Wassertiefe am häufigsten genutzt (Abb. 8.9). Im Vergleich zum bekannten Optimum sind
diese Werte gering, was an der Tatsache liegt, dass bei Normalabfluss Laichsubstrat mit grösserer
Überströmungstiefe weitgehend fehlt. Die am häufigsten ermittelte Fliessgeschwindigkeit über den
15
10
5
46-50
41-45
36-40
31-35
26-30
21-25
16-20
11-15
06-10
0
Wassertiefen
16
14
12
10
8
6
4
2
0
0-5
6-10
11-15
16-20
21-25
26-30
31-35
36-40
41-45
46-50
51-55
56-60
Anzahl der
Laichgruben
20
0-5
Anzahl der Laichgruben
angelegten Laichgruben liegt zwischen 25 bis 50 cm/s (Abb. 8.9).
Fliessgeschwindigkeit (cm / s)
Abb. 8.9: Verteilung der Laichgruben in verschiedenen Wassertiefen und Fliessgeschwindigkeiten.
Werden die beiden Faktoren Wassertiefe und Fliessgeschwindigkeit gegeneinander aufgewogen (Abb.
8.10), so erweisen sich die Fliessgeschwindigkeiten für die Anlage der Laichgruben als wichtiger als
die Wassertiefen, da sich eine Optimumskurve mit Fliessgeschwindigkeiten um 35 cm/s andeutet.
Allerdings muss bemerkt werden, dass die Laichgruben bei niederen Abflüssen vermessen wurden
und damit möglicherweise nicht zu den Abfluss-Bedingungen, unter denen sie von den Laichfischen
angelegt wurden. Bei Normalabfluss gibt es zudem nur sehr wenige Gewässerabschnitte, in denen
überhaupt Fliessgeschwindigkeiten über 40 cm/s erreicht werden. Dies zeigt sich beim
Fliessgeschwindigkeitsprofil, welches über einer Laichgrube aufgenommen wurde (Abb. 8.11).
48
60
50
40
30
20
10
0
Wassertiefe (cm)
Fliessgeschwindigkeit
Die Seeforelle in der Steinach
0
10
20
30
40
Wassertiefe
50
60
40
30
20
10
0
0
10 20 30 40 50 60 70
Fliessgeschwindigkeit (cm / s)
Abb. 8.10: Zuordnung der Laichgruben zu Wassertiefen und Fliessgeschwindigkeiten.
Laichhügel
Abb. 8.11: Fliessgeschwindigkeitsprofil (quer) über einem Laichhügel am 13.12.2013.
Die Entwicklung der Laichgrubenzahlen verlief bei unterschiedlichem Erhebungsaufwand wie in Tab.
8.1.dargestellt. Aufgrund des unterschiedlichen Erfassungsaufwands lassen sich aus den Zahlen der
Laichgruben keine Bestandsveränderungen ableiten.
Tab. 8.1 Ergebnisse der Laichgrubenkartierungen 2010 bis 2016
Termin
Anzahl
Begehungen
Dez. 2010
41
1
28.12.2011
37
1
nicht erfasst
0
71
1
2012
13.12.2013
Bemerkungen
60% der durchgängigen Strecke
Am 22.01.2015 wurden allein im Mündungsbereich 24 frisch
Winter
2014/15
> 85
4
angelegte Laichgruben festgestellt. Zusätzlich kommen 20
Laichgruben in der Strecke oberhalb des künstlichen
Hindernisses hinzu, in die Laichfische umgesetzt wurden.
14.01.2016
56
1
Erfolg der Naturverlaichung
Im Jahr 2012 fanden fischökologische Untersuchungen im Zuge des NAWA-Programms des
Bundesamtes für Umwelt und der Kantone statt. Dieses Programm wurde ins Leben gerufen, um den
Zustand und die Entwicklung der Schweizer Oberflächengewässer zu dokumentieren und zu
beurteilen. In diesem Jahr (2012) wurde in der Steinach komplett auf Brütlingsbesatz verzichtet.
49
Die Seeforelle in der Steinach
Dieses Jahr bietet sich somit an, um das natürliche Aufkommen der Seeforellen-Brut abzuschätzen.
Stationäre Bachforellen sind in diesem Abschnitt recht spärlich vorhanden. Die 224 m lange Befischungsstrecke begann beim Pegel Mattenhof. Die Befischungsergebnisse wurden nach Stufe F
(SCHAGER & PETER, 2004) ausgewertet.
Im August 2012 wurden 240 Forellen-Sömmerlinge (AK 0+) auf der 224 m langen Strecke gefangen
(Abb. 8.11). Dies entspricht einer Dichte von 1’913 Individuen pro Hektar. Da jedoch ältere Jahrgangsklassen weitgehend fehlten, reichte es nach Stufe F nicht für eine sehr gute Bewertung der Altersverteilung. Die Forellen der AK 0+ erreichten innerhalb von etwa fünf Monaten eine Grösse von
bis zu 15 cm. Ein Grund für den Mangel an älteren Forellen ist die hohe Abwanderungsrate der
Smolts im Frühjahr (siehe Kap. 9.2). Da die 0+ -Individuen bereits im August eine Grösse von bis zu
15 cm erreichten (Abb. 8.12), könnte es sein, dass bereits im ersten Jahr einige der Tiere in den See
abwanderten.
Die Steinach ist nicht im gesamten für Seeforellen erreichbaren Abschnitt (1,7 km Länge) für die
Reproduktion geeignet. Mindestens 500 m Fliesstrecke eignen sich aufgrund zu groben Substrats
nicht für die Eiablage. Daher ist insgesamt mit einem natürlichen Aufkommen von maximal 1.500
Sömmerlingen zu rechnen, was 7.500 vorgestreckten Brütlingen bzw. 150.000 Eiern entspricht. Der
Anteil der natürlichen Reproduktion ist angesichts der Besatzzahlen, die seit 2011 um 40.000 Brütlingen im Gesamtsystem schwankte, mit unter 20 % jedoch vergleichsweise gering. In früheren Jahren (2006 und 2007) lag der Besatz sogar bei zum Teil über 100.000 Brütlingen, so dass der Anteil
der natürlich aufkommenden Brütlinge bei maximal etwa 7 % im gesamten Steinachsystem gelegen
haben dürfte.
Bachforelle
70
65
Anzahl Individuen
60
49
50
40
40
34
30
30
20
13
10
6
0
0
0
0
0
0
2
5
1
0
0
0
1
2
5
2
3
5
3
1
2
1
0
1
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0-10
11-20
21-30
31-40
41-50
51-60
61-70
71-80
81-90
91-100
101-110
111-120
121-130
131-140
141-150
151-160
161-170
171-180
181-190
191-200
201-210
211-220
221-230
231-240
241-250
251-260
261-270
271-280
281-290
291-300
301-310
311-320
321-330
331-340
341-350
351-360
361-370
371-380
381-390
391-400
>400
0
Totallänge [mm]
Abb. 8.12: Längenverteilung der Forellen in der Steinach beim Pegel Mattenhof (Ergebnisse der NAWA-Befischung).
50
Die Seeforelle in der Steinach
Insgesamt kann die natürlich reproduzierte Sömmerlingsdichte im Jahr 2012 mit 1,07 Sömmerlingen
pro Laufmeter als hoch betrachtet werden. Aufgrund von Jungfischsichtungen während des Laichfischfangs in den nachfolgenden Jahren lassen sich diese Jungfisch-Dichten auch bis zum Winter
2014/15 bestätigen. Diese Sömmerlingsdichte liegt nah an den Kapazitätsgrenzen dieses Flussabschnitts. Eine Steigerung der natürlichen Reproduktion wäre demnach nur durch Lebensraumverbesserungen und besonders durch die Beseitigung der Durchgängigkeitsstörungen zu erreichen.
Zudem ist festzuhalten, dass die Seeforellenpopulation in der Steinach angesichts des festgestellten,
geringen Anteils von natürlichen Nachkommen weiterhin vom Besatz abhängig bleibt.
9 Abwanderung
9.1 Adulte Seeforellen
Die laichbereiten Seeforellen halten sich unter geeigneten Abflussbedingungen meist nur kurz im Gewässer auf. Die Ergebnisse mit PIT-Tag-besenderten Fischen belegen, dass ein Grossteil der
Seeforellen Hochwasser bzw. höhere Abflüsse für den Einstieg und die Rückwanderung in die
Steinach nutzen (Abb. 9.1).
Milchner
Rogner
Abfluss
7
12
6
10
5
8
4
6
3
4
2
2
1
0
0
Abfluss Tagesmi el [m3/s]
Anzahl Absteiger pro Tag
14
.14
.14
. 14
.14
. 14
.14
. 15
.15
.15
.15
.15
. 15
.15
. 15
.15
. 15
.15
.11 1.11 1.12 1.12 1.12 1.12 0.01 0.01 0.01 9.02 9.02 1.03 1.03 1.03 1.03 0.04 0.04
11
2
0
1
2
3
1
2
3
0
1
0
1
2
3
1
2
Abb 9.1. Zusammenhang der Abwanderung der Laichfische mit dem Abfluss der Steinach im Winterhalbjahr
2014/2015.
Das Ablaichen selbst erfolgt bei unterschiedlichen Abflüssen. Nur wenige Steinach-Seeforellen reifen
im Bachsystem und nicht bereits im See, verweilen aber dann oft mehrere Wochen im Fliessgewässer.
In der Steinach ist der wahrscheinlich wichtigste Grund dafür, dass auch die Rückwanderung nur
dann gelingt, wenn der Bach genügend Wasser führt. In Niedrigwasserphasen verweilten einzelne
51
Die Seeforelle in der Steinach
besenderte Individuen sogar mehrere Monate in der Steinach. Bei einem solchen unfreiwillig verlängerten Aufenthalt verenden auch immer wieder Fische, so z.B. einige Seeforellen, die im November 2014 gefangen, besendert und in die Steinach zurückgesetzt wurden.
Auf der anderen Seite konnten von 28 Seeforellen, die am 22.12.2014 gefangen und nach der Markierung wieder eingesetzt wurden, binnen 14 Tagen 22 Individuen (85 %) bei der Auswanderung in den
See detektiert werden. Diese Seeforellen konnten einige Tage später ein Hochwasserereignis von rund
12 m3/s für eine rasche Rückkehr in den See nutzen (Abb. 9.1). Dagegen mussten die am 23.01. eingesetzten 11 Seeforellen zum Teil bis zum 02.03. mit der Abwanderung warten, da erst dann das
nächste grössere Hochwasser auftrat. Aufgrund der Wartezeit von 38 Tagen kam es zu Verlusten.
Offensichtlich wurden für den Abstieg also nur Abflüsse genutzt, die entweder grösser als 2 m3/s
waren bzw. etwas geringere (> 1m3/s < 2m3/s) nur dann, wenn sie länger als einen Tag andauerten.
Fünf der am 13.11.2014 markierten Forellen wurden erst Anfang Januar beim Ausstieg in den See
detektiert, vier weitere erst im März und April; der Rest hat den Zeitraum bis zum nächsten für die
Rückkehr in den See geeigneten Hochwasser möglicherweise nicht überlebt. Auch von der Befischung am 28.11. stieg noch ein Milchner im am 31.03. ab. Diese Fische verweilten somit bis zu fünf
Monaten (!) im Gewässer.
Von den am 10.01. in die Steinach zurückgesetzten Seeforellen handelte es sich in der Mehrzahl
(57,1%) um markierte Wiederfänge. Nach der Laichgewinnung wurden sie vor dem Fischereizentrum
Rorschach in den See gesetzt. Ohne diese Massnahme wären vermutlich etliche dieser Fische in der
Steinach verendet, da das nächste Hochwasser, das eine Rückwanderung erlaubte, erst am 02.03.
folgte. Zu diesem Zeitpunkt wurden noch drei Seeforellen detektiert: zwei vom 23.01.2015 und eine
vom 10.01.2015.
Tab. 9.1: Fang- und Aussetzungstermine sowie Wiederfangraten der Seeforellen in der Saison 2014/15.
Zusätzlich ist die Dauer bis zum nächsten Hochwasser mit aufgeführt.
Aussetzungsort
(Fluss-km)
Dauer (d) bis zum
nächsten Hochwasser
> 2 m3/s
Dauer (d) bis zum
nächsten Hochwasser
> 5 m3/s
Anzahl
ausgesetzter
Fische (M,W)
Anzahl Ausstieg
in See (M,W)
13.11.2014
3,0
5 (18.11.)
51 (03.01.)
17 (5,12)
11 (2,9)
28.11.2014
3,0
26 (19.12.)
41 (03.01.)
35 (15,20)
20 (6,14)
22.12.2014
1,6
12 (03.01.)
12 (03.01.)
28 (15,13)
24 (12,12)
10.01.2015
1,6
1 (11.01.)
51 (02.03.)
22 (13,9)
7(5,2)
23.01.2015
1,6
38 (02.03.)
38 (02.03.)
9 (4,5)
5 (2,3)
Fang- und
Aussetzungsdatum
Verfolgt man die Abwanderungsdaten aller Individuen 2014/15 (Tab. 9.1), so lassen sich folgende
Aussagen treffen:
52
Die Seeforelle in der Steinach
•
Die Rückwanderung der Seeforellenlaichfische in den See erfolgt in der Regel entweder bei
kürzeren Abflüssen (ca. 1 Tag), wenn sie über 5 m3/s liegen, oder bei Abflüssen über 1 m3/s,
wenn sie über mehrere Tage andauern.
•
Die Länge der Zeitspanne zwischen zwei solch höheren Abflussereignissen ist dafür verantwortlich, wie viele der Seeforellen-Laichfische unbeschadet in den See zurückkehren können.
•
Müssen die Fische über sehr lange Zeit in der Steinach verweilen, weil Niederwasser die
Abwanderung behindert, steigt die Mortalität durch UDN (Ulcerative Dermalnekrose) und
Verpilzung stark an.
•
Für das Abwanderungsverhalten spielt es nachweislich keine Rolle, ob die Fische nach der
Markierung oberhalb oder unterhalb unüberwindlicher Hindernisse zurückgesetzt wurden.
Es konnte nicht abgeklärt werden, ob das Risiko für die Laichfische, noch länger als bisher in der
Steinach verweilen zu müssen, durch den Wegfall des täglichen „Schwalls“ aus der ARA ansteigt.
9.2 Seeforellen-Smolts
Analog zum Entwicklungszyklus von Lachsen spricht man auch bei abwanderungsreifen SeeforellenJungfischen von Smolts (vgl. Abb. 2.2). Zur Erfassung der Smoltabwanderung wurde dieselbe Detektionsantenne im Bereich der Steinachmündung eingesetzt, die auch bei der Abwanderung der Laichfische zum Einsatz kam. Untersuchungen zur Smoltabwanderungen fanden in zwei Jahren statt: 2013
wurden überwiegend Seeforellen-Smolts aus Naturverlaichung beim Pegel Mattenhof gefangen und
markiert und im Jahr 2014 junge Forellen, die aus dem Besatz stammen mussten (die Befischungsstrecke lag hierbei oberhalb der Aufstiegsgrenze). Die Detektionsschlaufe wurde vom jeweiligen Versuchsbeginn bis mindestens zum Ende des Sommers betrieben.
Im Zuge der beiden Markierungsversuche wurden in der Steinach insgesamt 177 junge Forellen mit
PIT-Tags markiert und einem der drei Phänotypen aus Abb. 3.6 zugeordnet. Bei beiden Versuchen
wanderten auch die Jungfische stets bei erhöhten Abflüssen in den See. Die meisten Jungforellen
wanderten bereits im April und Mai ab. Nachzügler wurden im Juni und ausnahmsweise noch im Juli
detektiert (Abb. 9.6).
Abwanderung der Seeforellen-Smolts aus Nauturverlaichung
Bei der Smolt-Befischung am 12. April 2013 wurden etwa 400 m in der für Seeforellen erreichbaren
Strecke (ohne Besatz) zwischen dem Pegel Mattenhof und der Brücke in Obersteinach befischt. Wir
nehmen an, dass ein überwiegender Teil dieser Fische aus Naturverlaichung stammt. Insgesamt
wurden 77 junge Forellen gefangen und besendert, was einem Aufkommen von etwa 20 einjährigen
Forellen pro 100 m Strecke entspricht. Der Typ „Smolt“ machte 53 % des Gesamtfangs aus, der
intermediäre Typus 47%. Der Bachforellen-Typ fehlte in diesem Abschnitt völlig (Abb. 9.3).
53
Die Seeforelle in der Steinach
Intermediär
Smolt
18
16
14
Individuenanzahl
12
10
8
6
4
>26-27
>25-26
>24-25
>23-24
>22-23
>21-22
>20-21
>19-20
>18-19
>17-18
>16-17
>15-16
>14-15
>13-14
>12-13
0
>11-12
2
Abb. 9.2: Nach Typ getrennte Längenverteilung der im April 2013 mit PIT-Tags markierten, potenziell abwandernden Forellen (Salmo trutta) in der Steinach.
Von den 77 markierten Individuen wurden 45 bei der Abwanderung detektiert (58,4%). Ein Smolt
wurde bereits am selben Tag an der Mündung detektiert. Bis zum 12.06.2013 wanderten im Zuge von
erhöhten Abflüssen noch weitere 44 Smolts ab. Die Abwanderung der intermediär gefärbten Forellen
fand konzentrierter statt und trat im Vergleich zu denjenigen des Smolt-Typus später ein (Abb. 9.4).
Für die nicht abgewanderten Individuen nehmen wir an, dass sie als Bachforellentypus in der Steinach
verblieben oder verendet sind.
01.04.14
11.04.14
21.04.14
01.05.14
11.05.14
21.05.14
31.05.14
10.06.14
20.06.14
12
14
Intermediär
Smolt
Abfluss
12
10
8
6
6
4
4
2
0
01.04.14
Abfluss Tagesmittel [m3/s]
Anzahl Absteiger pro Tag
10
8
2
0
11.04.14
21.04.14
01.05.14
11.05.14
21.05.14
31.05.14
10.06.14
20.06.14
Abb. 9.3: Abwanderung juveniler Seeforellen aus der Steinach. Ergebnisse der PIT-Tag-Detektionen.
Abwanderung der Besatz-Forellen
Im April 2014 wurde eine weitere Smolt-Befischung in einem Steinachabschnitt oberhalb des künstlichen Aufstiegshindernisses durchgeführt, in dem die Seeforellen aus Besatz stammen mussten. Die
Abwanderung wurde noch vor der Öffnung der neuen Ableitung des gereinigten ARA-Abwassers in
den Bodensee dokumentiert, die im Juni 2014 stattfand. Dabei wurden 113 Individuen oberhalb des
künstlichen Wanderhindernisses gefangen. Von diesen wurden 100 mit PIT-Tags markiert. Dabei
54
Die Seeforelle in der Steinach
machte der Smolt-Typus 45 %, der intermediäre Typus 48% und der Bachforellen Typus 7 % am
Gesamtfang aus (Abb. 9.5).
Bachforelle
Intermediär
Smolt
25
Individuenanzahl
20
15
10
>21-22
>20-21
>19-20
>18-19
>17-18
>16-17
>15-16
>14-15
>13-14
>12-13
0
>11-12
5
Abb. 9.4: Nach Typ getrennte Längenverteilung der im April 2014 mit PIT-Tags markierten, potenziell abwandernden Forellen (Salmo trutta) in der Steinach.
Von den markierten Forellen wanderten 83% bis zum 31.07.2014 ab. Dabei machten die Smolts 49 %
der Abwanderer aus. Der intermediäre Typus machte bei den Absteigern 45% aus. Von den 7 besenderten Forellen des „Bachforellen-Typs“ wanderten ebenfalls 5 Individuen ab. Nach Mitte Mai
wanderten nur noch wenige Forellen ab (Abb. 9.6).
01.04.14
11.04.14
21.04.14
01.05.14
11.05.14
21.05.14
31.05.14
10.06.14
20.06.14
30.06.14
10.07.14
20
3
BF-Typus
Intermediär
Smolt
Abfluss
18
2,5
16
2
12
10
1,5
8
1
6
Abfluss Tagesmittel [m3/s]
Anzahl Absteiger pro Tag
14
4
0,5
2
0
01.04.14
0
11.04.14
21.04.14
01.05.14
11.05.14
21.05.14
31.05.14
10.06.14
20.06.14
30.06.14
10.07.14
Abb. 9.5: Abwanderung juveniler Besatzforellen aus der Steinach. Ergebnisse der PIT-Tag-Detektionen Frühjahr
bis Juli 2014.
Insgesamt sind die festgestellten Abwanderungsraten der Smolts erstaunlich hoch. Es wanderten
knapp 60 % bzw. über 80% der markierten einjährigen Forellen aus dem Steinach-System in den Bodensee ab. Offensichtlich verbleiben nur wenige Forellen im Unter- und Mittellauf. Dieses Ergebnis
55
Die Seeforelle in der Steinach
wird durch die Ergebnisse im Zuge des NAWA-Trendmonitorings bestätigt, bei dem ältere Forellen
(> 0+) hier ebenfalls weitgehend fehlten.
Abwanderungsraten im Vergleich
Die Abwanderungsraten der Jungforellen in der Steinach sind im Vergleich zu anderen Bodenseezuflüssen mit durchschnittlich 72,3% extrem hoch. Im Interreg-Projekt „Seeforelle - Arterhaltung in den
Bodenseezuflüssen“ wurden Smolt-Abwanderungsraten zwischen 1 und 26,8% ermittelt (WERNER et
al., 2014; Tab. 9.2).
Tab. 9.2: Abwanderungsrate juveniler Seeforellen. Ergebnisse der PIT-Tag-Detektionen.
Jungfischdichte AK 1+
auf 100 m
n
Anteil Smolt-Typus (%)
Abwanderung
(% der markierten Fische)
Steinach
20
177
55,4
72,3
Rotach
20
97
3,1
1,0
Leiblach
<1
27
14,8
7,4
Goldach
15
97
27,8
26,8
Gewässer
9.3 Weitere Bebachtungen
Mehrfachlaicher
In der Steinach wurden vom ANJF zwischen 1996 und 2003 336 Seeforellen mit Spaghetti-Tags markiert, davon wurden 36 Ind. beim Laichfischfang wiedergefunden (10,7%); fünf dieser Individuen
laichten in drei darauffolgenden Jahren (1, 5%), ein Rogner möglicherweise sogar in vier Jahren (drei
Fänge in vier Jahren). Die Interreg-Studie (WERNER et al. 2014) lieferte trotz der meist nur ein- bis
zweijährigen Projektlaufzeit pro Fliessgewässer ebenfalls Hinweise auf Mehrfachlaicher, allerdings
kann ihr Anteil an der Gesamtzahl der Laichfische nicht korrekt ermittelt werden. In der
Bregenzerach konnten allerdings zwei von zwölf der im Jahr 2011 markierten Seeforellen im
Folgejahr wiedergefangen werden (16,7%). Im Rahmen des Laichfischfangs 2014/15 wurden 91
adulte Seeforellen mit PIT-Tags markiert. Hiervon wurden 6 Stück in der Saison 2015/16 wieder
beobachtet (6,6 %; Wiederfang und/oder Detektion des PIT-Tags beim Einstieg).
Wiedereinstieg verlaichter Rogner
Im Zuge der Befischungen und PIT-Tag-Detektionen gelangen neben dem Nachweis der Fische beim
Abstieg in den See weitere aufschlussreiche Detektionen. So wurde festgestellt, dass von den am
10.01.2014 markierten Rognern (45 Individuen), die für die Laichgewinnung in der Fischzuchtanstalt
Rorschach gestreift und dort in den See zurückgesetzt wurden, 9 Rogner (20%) binnen weniger Tage
wieder in die mehr als 6 km entfernte Steinach eingewandert sind, obwohl sie keinen Laich mehr in
sich trugen. Die schnellsten Seeforellen-Weibchen sind bereits nach einem Tag wieder in der Steinach
detektiert worden. Diese Beobachtung lässt die Annahme zu, dass es für die Fische einen Unterschied
56
Die Seeforelle in der Steinach
macht, ob sie aktiv in einer selbstgeschlagenen Laichgrube Eier ablegen oder ob die Eier durch
Abstreifen „verloren“ gehen. Der Trieb, zurück ins Laichgewässer oder gar zum zuvor besetzten
Laichplatz zu wandern, scheint deutlich ausgeprägt zu sein. Aufgrund dieses Effekts dürften die Einsteigerzahlen für die Jahre 2010-12 mit 300 bis 550 Individuen um bis zu 50 Individuen (Abb. 7.5)
überschätzt worden sein.
Als Smolts markierte Rückkehrer
Im Zuge der Befischungen und der Detektionen wurden zudem zwei Seeforellen nachgewiesen, die
wir 2013 als Smolts markiert haben:
•
Ein Rogner (Tag-Nr: 1064) wurde als einjähriger Jungfisch mit 14,3 cm Totallänge am
12.04.2013 als Smolt markiert und am 19.05.2013 bei der Abwanderung in den See detektiert.
Bereits nach 1,5 Jahren, am 05.11.2014, wurde das Weibchen beim Wiedereinstieg in die
Steinach detektiert. Am 13.11.2014 wurde sie mit Laichanlage (noch unreif) mit 53,5 cm und
1,64 kg gefangen und oberhalb des vierten unpassierbaren Hindernisses ausgesetzt (Abb. 9.7).
Es wanderte sehr spät in den See zurück und wurde erst am 18.04.2015 bei einem kleineren
Hochwasser detektiert.
Abb. 9.6: Die erste als Jungfisch (AK1+) markierte und bei der Rückkehr aus dem Bodensee detektierte Seeforelle: Das Weibchen wurde im April 2013 mit 14,3 cm Länge markiert und bereits im November 2014 beim
Wiedereinstieg als Laichfisch gefangen – mit nun 53,5 cm Länge als zweijähriger Fisch.
•
Ein Milchner (Tag-Nr: 5568) wurde als zweijähriger Smolt mit einer Totallänge von 26,4 cm
am 12.04.2013 markiert und am 24.04.2013 bei seiner Abwanderung in den See detektiert.
Am 18.12.2014 wurde er beim Wiedereinstieg in die Steinach detektiert und am 22.12.2014
mit 54,0 cm und 1,66 kg gefangen (Abb. 9.8). Er wurde zurück in die Steinach gebracht und
am 07.01.2015 bei der Abwanderung in den See detektiert.
Die Wachstumsraten dieser Fische binnen 1,5 Jahren (39,2 cm beim Weibchen bzw. 27,6 cm beim
Männchen) waren erstaunlich. Die Biomasse wurde in diesem Zeitraum um ca. 1,5-1,6 kg gesteigert.
57
Die Seeforelle in der Steinach
Zudem wurde bislang angenommen, dass Seeforellen bis zur Reifung zwei bis drei Jahre im See
verweilen. Diese Fänge zeigten aber auch,
•
dass Seeforellen bereits 1,5 Jahre nach ihrer Abwanderung in den See geschlechtsreif werden
(können)
•
dass Seeforellen im Bodensee ins geltende Fangmass von 50 cm hineinwachsen (können),
ohne zuvor einmal abgelaicht zu haben.
Abb. 9.7: Der erste als Jungfisch markierte Milchner, der bei der Rückkehr aus dem Bodensee detektiert wurde.
Das Männchen wurde als zweijähriger Jungfisch im April 2013 mit 26,4 cm Länge markiert und im Dezember
2014 als reifer Laichfisch mit 54 cm Länge in der Steinach gefangen (AK 3+).
Homing
Die Tatsache, dass nach der ARA-Umleitung wieder eine grössere Zahl Seeforellen in die Steinach
aufgestiegen ist, belegt zwar deren Eignung als Laichgewässer, aber erst der Wiederfang von Laichfischen, die vor der Umleitung in der Steinach gefangen wurden, beweist, dass die Veränderung der
chemischen Eigenschaften des Bachs das Wiederfinden für die Seeforellen nicht oder nur teilweise
beeinflusst hat. Vor allem die Rückkehr von Smolts, die ihr erstes Lebensjahr in der noch „belasteten“
Steinach verbracht hatten, zeigt, dass die Prägung auf ihr Heimatgewässer offenbar nicht vom Zulauf
gereinigten ARA-Abwassers abhängig war. Die Befürchtung, dass die veränderte Zusammensetzung
des Wassers den Geruch der Steinach so verändert, dass diese nicht mehr als Geburtsgewässer
wiedererkannt wird, war somit unbegründet.
58
Die Seeforelle in der Steinach
Mehrfacheinsteiger im selben Jahr
Drei Seeforellen (zwei Männchen, ein Weibchen) stiegen in der Saison 2014/15 offenbar zwei Mal in
die Steinach ein:
•
Der Milchner mit der Tag-Nr: 1075 wurde am 22.12.1014 gefangen, in die Steinach
ausgesetzt und ist noch am selben Tag in der Mündung detektiert worden (abgewandert). Am
03.01.2015 wurde er wieder in der Mündung detektiert (vermutlicher Wiedereinstieg) und am
10.01.2015 erneut gefangen und in die Steinach zurückgesetzt. Danach erfolgte keine
Detektion mehr.
•
Der Milchner mit dem Tag 1038 wurde am 22.12.1014 gefangen, in die Steinach ausgesetzt
und am 04.01.2015 in der Mündung detektiert (vermutlich abgewandert). Am 17.01.2015
wurde er wieder in der Mündung detektiert (vermutlicher Wiedereinstieg) und am 23.01.2015
nochmals gefangen und aufgrund des Gesundheitszustands in den See gesetzt.
•
Der Rogner mit der Tag-Nr. 1047 wurde am 22.12.2014 gefangen, in die Steinach ausgesetzt
und am 04.01.1015 in der Mündung detektiert (abgewandert/eingewandert). Danach wurde
das Weibchen am 10.01.2015 erneut in der Steinach gefangen und in den See ausgesetzt.
Strayer
Strayer sind Laichfische, die in einem Jahr in mehrere Laichgewässer einsteigen oder diese im Verlauf der Jahre wechseln. Solche Individuen wurden in der Steinach nicht ermittelt, allerdings war das
Untersuchungsdesign nicht für diese Fragestellung ausgelegt. Zumindest Seeforellen, die PIT-Tags
des Interreg-Projekts aus anderen Flussystemen – vor allem aus der Goldach – tragen, hätten in der
Steinachmündung detektiert werden können. Auch die Markierungsstudien des ANJF in den Jahren
1997 bis 2003, bei der allein in der Steinach 346 Seeforellen mit Spaghetti-Tags markiert wurden,
erbrachten keine Hinweise auf Strayer zwischen Goldach und Steinach (M. KUGLER, mündl.
Mitteilung).
Andere Beobachtungen konnten im Rahmen des Interreg-Projekts gemacht werden (WERNER et al,
2014). Hier wurden in der benachbarten Goldach Seeforellen-Milchner detektiert, die innerhalb einer
Saison aus der Bregenzerach bzw. der Leiblach (nach dem Abstreifen) noch in die Goldach
wechselten.
59
Die Seeforelle in der Steinach
Catch & Carry-Versuch
Um zu testen, ob das Reproduktionspotenzial im bislang nicht für Seeforellen erreichbaren Abschnitt
der Steinach auch tatsächlich genutzt werden kann, wurden in der Saison 2014/15 insgesamt 52 Seeforellen (20 Männchen, 32 Weibchen) über das künstliche Hindernis gebracht und bei Fluss-km 3,0
(Bereich Gallussteg) wieder eingesetzt (Abb. 10.1). Am 13.11.2014 wurden 17 Seeforellen (5 Milchner, 12 Rogner), am 28.11. nochmals 35 Seeforellen (15 Milchner, 20 Rogner) in diesem Bereich des
Steinach-Tobels ausgesetzt; sie legten dort mehr als 20 Laichgruben an. Zum Vergleich waren es im
erreichbaren Abschnitt der Steinach bis zum 22.12.14 insgesamt 30 Laichgruben (Abb. 10.2, Abb.
10.3). Möglicherweise führte ein Hochwasser mit >22 m3/s am 04./05.01.2015 zu einer Schädigung
dieser Laichgruben durch Substratumlagerungen. Zumindest wurden bei mehreren Kontrollgängen
und Punktbefischungen im Frühjahr 2015 an den entsprechenden Stellen keine Forellenbrütlinge
gefunden (ZOTTELE, mündl. Mitteilung). Der Nachweis einer erfolgreichen Naturverlaichung
oberhalb der jetzigen Aufstiegsgrenze bleibt also immer noch aus.
Abb. 10.1: Catch & Carry-Versuch: Aussetzen unreifer Laichfische oberhalb der derzeitigen Aufstiegsgrenze für
Seeforellen in der Steinach (Bereich Gallussteg, ca. km 3,0 ab Mündung).
Abb. 10.2: Im Bereich Gallussteg angelegte Seeforellen- Abb. 10.3: Für die Steinach typisches Laichsubstrat mit
Laichgrube.
hohen Anteilen an Grobkies.
Die Rückwanderung der umgesetzten Laichfische in den See funktionierte leider nicht problemlos, da
die Fische nach dem Ablaichen in eine Niederwasserphase gerieten. Von der ersten Charge wurden
nur 35,3% der Fische bei der Rückwanderung in den See detektiert (6 von 17 Ind.), der Grossteil
60
Die Seeforelle in der Steinach
davon Anfang bis Mitte Januar; diese Fische verweilten ab dem ersten Fang somit rund 8 Wochen in
der Steinach. Auch die zweite Charge von umgesetzten Seeforellen (28.11.2014) laichte erfolgreich
und wanderte zu einem leicht höheren Anteil über vier hohe Hindernisse in den See ab (51,4%; 18
von 35 Ind.). Zwar ist stets von einer gewissen Rate nicht detektierbarer Fische auszugehen, doch
dürfte diese – wie der Smoltversuch zeigte – in der Steinach sehr gering sein. Ein grosser Teil der
nicht detektierten Fische (insgesamt 53,8 %) dürfte demzufolge im System verendet sein; drei
Kadaver konnten gefunden und identifiziert werden (5,8%). Die Fische starben wahrscheinlich – wie
ein Grossteil der bisher in der Steinach gefundenen verendeten Seeforellen – an Dermalnekrose
(UDN) und anschliessender Verpilzung durch Saprolegnia parasitica. Zum Vergleich wanderten bei
hohen Abflüssen Anfang Januar 2015 alle 28 Seeforellen, die am 22.12.2014 gefangen und nach der
Markierung wieder in die Steinach gesetzt wurden, binnen ca. 14 Tagen wieder in den See. Bei den
beiden im Januar 2015 erfolgten Befischungen konnten sehr unterschiedliche Abwanderungsraten in
den See ermittelt werden: 86,4% bei bald einsetzendem Hochwasser bzw. 55,6% bei über 5 Wochen
ausbleibendem Hochwasser.
Inwieweit die Abwanderung über die vier höheren und vielen kleineren Hindernisse zu weiteren
Beeinträchtigungen der Rückwanderer führt, ist nicht bekannt. Wir gehen aber davon aus, dass den
Fischen dadurch keine letalen Verletzungen zugefügt worden sind.
Obwohl noch keine abschliessenden Aussagen über den Reproduktionserfolg gemacht werden können, belegen die Catch & Carry-Versuche an der Steinach das grosse Reproduktionspotenzial des
Bachs, das sich oberhalb der bisher erreichbaren Strecke befindet. Die dort nachgewiesenen umfangreichen Laichaktivitäten, das zur Verfügung stehende Laichhabitat und die Tatsache, dass im erreichbaren Steinachabschnitt für die Einsteiger nicht genügend Laichflächen zur Verfügung stehen, machen eine Beseitigung der künstlichen Aufstiegshindernisse zwingend. Auch das festgestellte und
inzwischen verschärfte Problem, während der Rückwanderung in Niedrigwasserphasen zu geraten,
unterstützt diese Forderung – die Laichfische könnten sich zumindest in tieferen Kolken einer
Stresssituation entziehen.
Ausserdem wären die auf diese Weise natürlich reproduzierten Seeforellen-Nachkommen im
Steinach-Tobel aufgrund der Beschattung und der naturnahen Morphologie vor zu hohen
Wassertemperaturen geschützt, die im unbeschatteten Bereich letal sein können.
10 Relevante Fischkrankheiten
Im Jahr 2004 wurde in der Steinach erstmals das Vorkommen der Proliferativen Nierenkrankheit
(proliferative kidney disease, PKD) nachgewiesen. Diese Fisch-Krankheit, die vor allem Salmoniden
betrifft, wird durch den Befall mit sporenbildenden Einzellern ausgelöst, die einen bislang nicht
vollständig geklärten Lebenszyklus besitzen, bei dem Moostierchen eine Rolle spielen. Nach einem
61
Die Seeforelle in der Steinach
Ausbruch ist der Erreger vermutlich nicht mehr aus einem Fliessgewässer zu entfernen (BAUR et al.,
2010). Je wärmer die Wassertemperaturen im Frühjahr und Sommer sind, desto grösser sind die
Verluste. Der saisonale Höhepunkt der Krankheit liegt meist im Spätsommer. Bei Wassertemperaturen über 15°C während zwei bis vier Wochen kann es zu erhöhten Mortalitäten kommen, darunter
verläuft der Befall meist glimpflich. Betroffen sind in der Regel nur Sömmerlinge. Fische, die die
Krankheit überleben, scheinen wieder gesund und gegen einen erneuten Befall immun zu sein. Die
Befallsraten liegen häufig bei 100%, der Anteil sterbender Tiere liegt meist bei 10-35%, kann aber in
ungünstigen Fällen auch 90% ausmachen (FIBER-Merkblatt PKD). Angesichts der künftig
ausbleibenden Temperaturpufferung und den ausgedehnten Niederwasserphasen steigt das Risiko
letaler PKD-Fälle in Zukunft deutlich.
Länger in der Steinach verweilende Seeforellen fallen meist durch einen hohen Verpilzungsgrad auf,
der auf UDN (Ulzerative Dermalnekrose) und sekundären Saprolegnia parasitica-Befall
zurückzuführen sein dürfte. Der Pilzbefall kann in der Steinach bis zu 14,2% der Seeforellen
betreffen, aber im See wieder vollständig abheilen. Zum einen könnte die reduzierte stoffliche
Belastung des Steinnachwassers die Problematik künftig entschärfen, andererseits könnten die Fische
in Niedrigwasserphasen vermehrt über längere Zeiträume im Gewässer festsitzen und somit einem
höheren Verpilzungsrisiko ausgesetzt sein. Welche Effekte schlussendlich überwiegen, sollte in
Zukunft weiterverfolgt werden.
Abb. 11.1: Befall eines Seeforellen-Laichfischs mit
Saprolegnia parasitica, einem Pilz der sich auf
vorgeschädigten Hautstellen (durch ulcerative
Dermalnekrose UDN) ausbreitet.
Abb. 11.2: Abgeheilte Nekrose nach einjährigem
Aufenthalt im Bodensee.
11 Makrozoobenthos, Nahrungsverfügbarkeit
Vor Inbetriebnahme der Seewasserleitung wurde am 12. März 2014 im Unterlauf der Steinach bei
Bachkilometer 1,6 eine Makrozoobenthos-Probenahme nach Methode Stufe F (STUCKI et al., 2010)
durchgeführt. Insgesamt wurden dabei nur 14 Taxa gefunden (Tab. 12.1). Die Gesamtindividuendichte betrug 3.964 Ind./m2. Die häufigsten Taxa waren Zuckmücken der Unterfamilie Diamesinae
62
Die Seeforelle in der Steinach
(2.540 Ind./m2), die Eintagsfliege Baetis rhodani (1.018 Ind./m2) und Kriebelmücken der Unterfamilie
Simuliini (224 Ind/m2), alle anderen Taxa waren eher spärlich vorhanden. Die Individuendichte war
stark von Diptera (Mücken) geprägt, bezüglich der Biomasse spielen auch die Ephemeroptera
(Eintagsfliegen) eine grössere Rolle (Abb. 12.1).
Die festgestellte Artenzusammensetzung führte zu einem IBCH-Wert von 5, was nur knapp einem unbefriedigenden Gewässer-Zustand entspricht. Der geringe Wert von Taxa in der Indikatorgruppe (n =
3) deutet auf eine schlechte Wasserqualität mit hoher stofflicher Belastung hin. Die geringe taxonomische Diversität (8) zeigt eher Defizite der Habitatstruktur an. Diese Bewertungs-Ergebnisse decken
sich mit den Erhebungsergebnissen von AQUAPLUS (2009), obwohl diese Untersuchungen im Steinach-Tobel und nicht im strukturell degradierten Unterlauf gemacht wurden. Da diese Ergebnisse
auch oberhalb der ARA Hofen auftraten, kann die damalige Zuleitung des gereinigten Abwassers aber
nicht als alleinige Ursache gelten. AQUAPLUS (2009) geben als Ursache deshalb auch die lange Verdolungsstrecke in St. Gallen, Entlastungen (Hochwasserentlastungen, Regenklärbecken Lukasmühle)
sowie weitere Quellen aus der Siedlungsentwässerung (z.B. Strassenentwässerung) an. Angesichts
dieser Ergebnisse bleibt offen, inwieweit die Direkteinleitung des gereinigten Abwassers in den
Bodensee auch ohne Sanierung der Hochwasserentlastungen zu einer Verbesserung der biologisch
indizierten Wasserqualität der Steinach führen kann.
Individuendichte
Biomasse
Obersteinach
Obersteinach
Oligochaeta
Ephemeroptera
Trichoptera
Diptera
Abb. 12.1: Zusammensetzung der Makroinvertebraten-Gemeinschaft (links: Individuendichte; rechts:
Biomasse)
Trotz der geringen Diversität und der schlechten Bewertung war die Nahrungsverfügbarkeit hinsichtlich der Invertebraten für Fische aber recht gut. Pro Quadratmeter konnten 20,24 g Frischbiomasse
ermittelt werden, davon entfällt ein Grossteil auf Taxa, die von Fischen gut nutzbar sind (Würmer:
2,58 g/ m2, Zuckmücken: 8,37 g/ m2, Eintagsfliege Baetis rhodani: 7,43 g/ m2 und Kriebelmückenlarven: 1,46 g/ m2). Dies ergibt grob einen Bonitätsfaktor von 4,5, was einem Gewässer mit
„mittlerer“ Benthosverfügbarkeit entspricht (ZAUGG & PEDROLI, 1995).
63
Die Seeforelle in der Steinach
Tab. 12.1: Makrozoobenthos-Taxaliste (12.03.2014).
Obersteinach (F-km 1,6)
Taxa
Ind./ m2
Oligochaeta
28
Eiseniella tetraedra
26
Oligochatea indet.
22
Crustacea
2
Gammarus fossarum
2
Ephemeroptera
1018
Baetis rhodani
1018
Coleoptera
2
Elmis, sp. Larve
2
Trichoptera
20
Hydropsyche cf. pellucidula
2
Hydropsyche cf. angustipennis
2
Hydropsyche siltalai
12
Rhyacophila sensu stricto
4
Diptera
2.894
Psychodidae
2
Simulini
224
Tanytarsini
8
Tanypodinae
14
Diamesinae
2.540
Orthocladiinae
106
TOTAL
3.964
64
Die Seeforelle in der Steinach
12 Zusammenfassung
12.1 Fazit
Die Steinach zeigt ein pluvio-nivales Abflussregime (regen- und schneegespeiste Hochwasser im
Spätwinter/Frühjahr). Bei einer Betrachtung des langjährigen Abflussverhaltens gibt es dennoch
immer wieder niederschlagsgeprägte Abflussspitzen im Mittwinter. Über das Jahr hinweg verläuft der
Abfluss dagegen recht gleichmässig.
Als Seeforellengewässer besitzt die Steinach eine überregionale Bedeutung, da sie mit möglicherweise bis zu 500 Laichfischen in einzelnen Jahren einen grossen Teil (geschätzte 15 -20 %) der
gesamten Laichfischpopulation im Einzugsgebiet des Bodensees auffängt. Der Schutz und die
Förderung einer individuenreichen und gesunden Seeforellenpopulation in der Steinach ist ein
entscheidender Beitrag zur Erhaltung dieser seltenen Fischart am Bodensee.
Seeforellen-Laichfische können nur während hoher Abflüsse in die Steinach ein- und aussteigen. In
den letzten Wintern seit 2010 waren solche Abflüsse im Spätherbst eher selten, und wenn sie
auftraten, waren sie oft stark und nur kurz andauernd. Waren die Seeforellen einmal eingestiegen,
mussten sie z.T. mehrere Monate in der Steinach ausharren, bis die Verhältnisse für eine Rückkehr in
den See wieder günstig waren. Dabei kam es zu Mortalitäten durch Verletzungen, Hautkrankheiten
und Verpilzungen. Inwieweit sich diese Situation ohne die bisher täglich zugeleiteten gereinigten
ARA-Abwässer noch verschärft, konnte nicht erfasst werden.
Brutboxenversuche zeigten, dass die Ei-Entwicklungsraten in der Steinach auch vor der Ableitung des
ARA-Wassers und trotz hoher Feinstoffbelastungen recht gut waren und im Durchschnitt bei etwa
60% lagen. Dennoch führte eine hohe Verschlammungstendenz mit organischen Schwebstoffen
zumindest in einer der exponierten Brutboxen zu einem Ausfall von 70%. Die organische Belastung
mit Feinstoffen sollte heute durch die Wasserleitung in den See weitgehend gestoppt worden sein.
Dies sollte jedoch noch verifiziert werden, da die noch immer wirkende Regenentlastung von St.
Gallen sicherlich eine nicht unerhebliche Restbelastung birgt. Winterhochwasser spielt als
Verlustquelle für die Seeforellenreproduktion in der Steinach im Vergleich zu anderen
Bodenseezuflüssen bislang nur eine untergeordnete Rolle. Es ist also erst einmal nicht zu erwarten,
dass Hochwasser oft zu Gelegeverlusten durch starke Substratumlagerungen führen, obwohl dieser
Fall im Rahmen der Catch & Carry-Versuche wahrscheinlich auftrat.
Seit Inbetriebnahme der Seeleitung könnte sich allerdings die Gefahr von Austrocknungen oder
Sauerstoffunterversorgungen bzw. Temperaturschädigungen der Gelege in Niedrigwassersituationen
künftig erhöhen. Hier sollte noch eruiert werden, ob man durch Auflassung bestehender
Wasserfassungen im Einzugsgebiet der Steinach einen etwas höheren Basisabfluss zugestehen kann.
Eine grosse Rolle für die erfolgreiche Entwicklung der Seeforellen in der Steinach waren und sind die
im Gewässer herrschenden Wassertemperaturen. Mit Werten von über 29°C und über 25°C über
65
Die Seeforelle in der Steinach
mehrere Wochen in heissen Sommern werden für Seeforellen-Jungfische unzumutbare, ja letale
Verhältnisse erreicht, die sich nach der Ableitung des ARA-Wassers wohl noch verschärft haben.
Unter gleichen klimatischen Bedingungen herrschen im beschatteten Steinach-Tobel jedoch maximale
Wassertemperaturen von „nur“ 22° C, die ein Überleben der Jungfische garantieren. Derzeit gilt
dieses Privileg allerdings nur für Besatzfische; die natürlich reproduzierten Tiere erreichen den Tobel
aufgrund der künstlichen Aufstiegsbarrieren noch nicht.
In der Steinach ist das natürliche Brütlingsvorkommen im erreichbaren Abschnitt vergleichsweise
hoch, obwohl es an verfügbaren Laichflächen mangelt. Offensichtlich wird das vorhandene Potenzial
der Steinach bislang gut genutzt bzw. übernutzt (Übergrabungen bereits angelegter Laichgruben),
dabei ist die für Seeforellen nutzbare Strecke mit nur 1,07 km Länge sehr kurz.
Seeforellen, die über die bestehenden Hindernisse gesetzt wurden, haben im Mittellauf der Steinach
(Steinach-Tobel) zahlreiche der potenziellen Laichgründe auch tatsächlich genutzt. Diese Tatsache in
Kombination mit kritischen Wassertemperaturen im Unterlauf drängt auf die Beseitigung der bestehenden Hindernisse. Zumindest solange, bis diese Aufstiegsbarrieren beseitigt sind, bleibt die
bisherige Population bis auf Weiteres und in entscheidendem Masse von ausreichendem Besatz
abhängig.
Dass die Jungfischentwicklung optimal verläuft, zeigen die Abwanderungsraten der Smolts in der
Steinach, die mit über 70% mehr als doppelt so hoch wie in anderen Bodenseezuflüssen sind. Auch
der Besatz im Mittellauf trägt stark zur Seeforellen-Population bei. Ein Grossteil der abwandernden
Jungfische ist ein Jahr alt und überwiegend dem optisch gut erkennbaren Smolt-Typ zuzuordnen.
12.2 Empfehlungen
Zum Erhalt und zur Förderung der Seeforellenpopulation in der Steinach empfehlen wir folgende
Massnahmen:
•
Beseitigung der künstlichen Durchgängigkeitsstörungen und Aufstiegshindernisse im gesamten Bachlauf bis hin zu natürlichen Aufstiegsgrenzen. In erster Linie ist dabei den Ansprüchen der Seeforelle gerecht zu werden, allerdings sollten auch die Bachfischarten und
andere Wanderfische aus dem See berücksichtigt werden. Wenn die Laichfische den beschatteten Steinach-Tobel wieder erreichen, sinkt das Risiko kritischer Wassertemperaturen für
Jungfische.
•
Verbesserung der Gewässerstruktur / Morphologie im Steinach-Unterlauf. Ziel: die Steinach
soll auch bei den nun deutlich geringeren durchschnittlichen Abflüssen für grössere Fische
durchwanderbar bleiben (ausreichende Wassertiefen), ohne dass durch eine ausgeprägte
Niederwasserrinne Laichflächen verloren gehen. Hier muss das Einsetzen oder den Verbleib
einseitig durchschwimmbarer Sohlschwellen erwogen werden, die einen Rückhalt von ständig
66
Die Seeforelle in der Steinach
benetztem Kiesmaterial ermöglichen. Wichtig ist auch eine ausgeprägtere
Vertikalstrukturierung mit tieferen Kolken als Ruheraum für die Fische.
•
Unbeschatteter Unterlauf: Anpflanzung/Zulassung standorttypischer Ufergehölze; Schaffung
starker Beschattung der Wasserfläche zur Verhinderung direkter Sonneneinstrahlung und als
Sichtschutz für die Fische.
•
Fortführung und mittelfristige Intensivierung des Seeforellen-Besatzes. Aufgrund des in den
vergangenen Jahren reduzierten Besatzes kam es möglicherweise auch zu einem Rückgang
der Einsteigerzahlen. Aufgrund der überregionalen Bedeutung der Steinach als Seeforellengewässer sollte hier mit Bewirtschaftungsmassnahmen – zusätzlich zur Naturverlaichung –
die Populationsgrösse möglichst hoch gehalten werden, bis sich die Gesamtsituation der
Seeforelle im Einzugsgebiet des Bodensees verbessert. Wenn durch eine erwartbare, stark
gesteigerte Naturverlaichung im wieder erreichbaren Mittellauf die Reproduktion dem
Potenzial entspricht, kann der Besatz wieder dementsprechend reduziert/eingestellt werden.
12.3 Offene Fragen und Abklärungsbedarf
Folgende Fragen und Themen konnten im Rahmen der bisherigen Untersuchungen noch nicht geklärt
werden, sind aber für ein besseres Verständnis der Zusammenhänge und damit auch für eine
nachhaltige Seeforellenbewirtschaftung von Bedeutung:
•
Überprüfung des Trends der Aufsteigerzahlen und des natürlichen Sömmerlingsaufkommens
vor dem Hintergrund abnehmender Besatzzahlen und sommerlicher Niedrigwasser in Hitzeperioden.
•
Überprüfung des organischen Feinstoffanteils. Haben sich die Reproduktionsbedingungen
(Schlupfraten) für Seeforellen nach Ableitung des ARA-Wassers tatsächlich verbessert
(Brutboxenversuche mit „grünen“ Eiern)?
•
Überprüfung der Ei-Entwicklungszeiten. Wie stark machen sich die nun nicht mehr durch
ARA-Wasser gepufferten Wassertemperaturen hinsichtlich der Ei-Entwicklungszeiten
bemerkbar (Brutboxenversuch)? Haben Besatzfische nun einen Grössen-/Überlebensvorteil
gegenüber der Naturbrut?
•
Überwachung der Entwicklung der Seeforellen-Grössenverteilung. Wachsen die Seeforellen
heute schneller oder ist die Population überaltert?
•
Verbessert sich die Wasserqualität durch die Seewasserleitung wirklich? Welche Rolle
spielen dabei die Regenwasserentlastungen? Gemäss der Untersuchungen von AQUAPLUS
(2009) besteht auch oberhalb der ehemaligen ARA-Zuleitung eine schlechte Wasserqualität
durch Siedlungsabwässer u.Ä. Es sollte mittels Erhebungen des Makrozoobenthos geprüft
werden, ob sich dieser Zustand bessert. Die Sanierung diverser Hochwasserentlastungen zur
Steinach sollte vorangetrieben werden.
67
Die Seeforelle in der Steinach
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