Theoretische Physik: Mechanik - TUM

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Gramos Qerimi, Jakob Unfried
Ferienkurs
Theoretische Physik: Mechanik
Sommer 2017
Vorlesung 3
(mit freundlicher Genehmigung von Merlin Mitscheck und Verena Walbrecht)
Technische Universität München
1
Fakultät für Physik
Gramos Qerimi, Jakob Unfried
Inhaltsverzeichnis
1
2
Symmetrien und Erhaltungssätze
3
1.1
Zyklische Koordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
1.2
Impulserhaltungssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
1.3
Homogenität des Raumes (Translationsinvarianz) . . . . . . . . . . . . . . . .
3
1.4
Homogenität der Zeit und Energieerhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4
1.5
Isotropie des Raumes und Drehimpulserhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
Anwendungen der Lagrange-Mechanik
6
2.1
Zentralkräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6
2.2
Das Keplerproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8
2.3
Dissipative Kräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10
Technische Universität München
2
Fakultät für Physik
Gramos Qerimi, Jakob Unfried
1
Symmetrien und Erhaltungssätze
In der Theoretischen Physik spielen Symmetrien oftmals eine wichtige Rolle. Unter Symmetrie versteht man die Invarianz der Lagrange-Funktion unter Symmetrie-Transformationen, wie
Rotation oder Translation.
1.1
Zyklische Koordinaten
Eine Koordinate qk wird als zyklisch bezeichnet, wenn sie nicht in der Lagrange-Funktion auftritt:
dL
=0
dqk
⇒
d ∂L
d
= pk = ṗk = 0
dt ∂q̇k dt
(1)
∂L
eine Erhaltungsgröße ist, da seine
∂q̇k
Hieraus folgt, dass der verallgemeinerte Impuls pk =
Ableitung Null ergibt.
1.2
Impulserhaltungssatz
In einem System von N-Teilchen soll die Schwerpunktsbewegung betrachtet werden. Die LagrangeFunktion im Schwerpunktssystem lautet:
N
L( Ṙ, r0i , ṙ0i ) =
X
M 2 1X
U(ri 0 − r j 0 )
mi ṙ0 2i −
Ṙ +
2
2 i=1
i< j
(2)
Durch Differenzieren nach R stellt man fest, dass die Schwerpunktskoordinate zyklisch ist, also
ist der verallgemeinerte Impuls:
dL
=0
dR
⇒
P=
∂L
= const
∂ Ṙ
⇒
P = M R̈ = const.
(3)
eine Erhaltungsgröße.
1.3
Homogenität des Raumes (Translationsinvarianz)
Unter Homogenität des Raumes versteht man die Invarianz der Lagrange-Funktion L unter der
Transformation:
L(r, ṙ, t) = L(r + a, ṙ, t) mit a = const.
(4)
Entwickelt man die Lagrange-Funktion bis zur 1. Ordnung, erhält man:
L(ri + a, ṙi , t) = L(ri , ṙi , t) +
X
a∇i L(ri , ṙi , t) + ...
(5)
i
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Man stellt fest, dass:
X
∇i L(r, ṙ, t) =
i
X ∂L
=0
∂ri
i
X d ∂L
=0
dt ∂ṙi
i
⇒
(6)
Also sind die verallgemeinerten Impulse zyklische Koordinaten, was impliziert, dass der Gesamtimpuls:
N
d
d X
p = P=0
dt i=1 i dt
⇒
P=
X
mi ṙi = const
(7)
i
eine Erhaltungsgröße ist.
Allgemein impliziert die Homogenität des Raumes die Impulserhaltung und umgekehrt.
1.4
Homogenität der Zeit und Energieerhaltung
Die Invarianz der Lagrange-Funktion unter Zeit-Translationen wird als Homogenität der Zeit
bezeichnet, d.h:
L(q, q̇, t) = L(q, q̇, t + τ) mit τ beliebig
(8)
Da die Lagrange-Funktion nicht explizit von der Zeit abhängt, ist die 1. Ordnung der Taylorentwicklung gleich Null. Deshalb wird die totale Zeitableitung gebildet:
dL X ∂L
∂L ∂L
d X ∂L d X
q̇i pi
=
q̇ +
q̈ +
=
q̇i =
dt
∂qi
∂q̇i
∂t
dt i ∂q̇i
dt i
i
(9)
Hieraus folgt, dass:
d X
q̇i pi − L = 0
dt i
Da
(10)
P ∂L
q̇i = 2T und L = T − U ist, erhält man:
i
∂q̇i
d
d X
d
d
q̇i pi − L = (2T − T + U) = (T + U) = E = 0
dt i
dt
dt
dt
(11)
Die Energie ist also erhalten, wenn die Lagrange-Funktion invariant unter Zeit-Transformationen
ist und umgekehrt.
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1.5
Isotropie des Raumes und Drehimpulserhaltung
Die Isotropie des Raumes bedeutet, dass die Lagrange-Funktion invariant unter Drehungen um
eine beliebige Raumachse ist, also:
L(r, ṙ, t) = L(ri + ∆ϕ × ri , ṙi + ∆ϕ × ṙi , t)
(12)
Entwickelt bis zur 1. Ordnung:
L(ri + ∆ϕ × ri , ṙi + ∆ϕ × ṙi , t) = L(r, ṙ, t) +
X ∂L
i
∂ri
∆ϕ × ri +
∂L
∆ϕ × ṙi + ...
∂ṙi
(13)
Man erhält, dass:
∂L ∂L
+ ṙi ×
∆ϕ = 0
∂ri
∂ṙi
(14)
∂L d
d ∂L
∂L d X d
ri ×
+ ṙi ×
=
= (ri × pi ) = L = 0
dt ∂ṙi
∂ṙi
dt i
∂ṙi
dt
dt
(15)
X
i
ri ×
Somit folgt, dass:
X
i
ri ×
Das bedeutet, dass der Drehimpuls erhalten ist. Also impliziert die Isotropie des Raumes Drehimpulserhaltung und umgekehrt.
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2
2.1
Anwendungen der Lagrange-Mechanik
Zentralkräfte
Betrachtet werden zwei Massenpunkte m1 und m2 , welche entlang ihrer Verbindungslinie durch
eine Kraft F miteinander wechselwirken. Die Bewegungsgleichungen lauten:
m1 r̈ = F(r)
(16)
m2 r̈ = −F(r)
mit r = r1 − r2 .
Durch Multiplikation der 1. Gleichung mit m2 und der 2. Gleichung mit m1 , sowie Subtraktion
m2
der 2. von der 1., kann man unter Einführung der reduzierten Masse µ = mm11+m
das Zweikörper2
problem auf eine Bewegungsgleichung reduzieren:
µr̈ = F(r)
(17)
Im Weiteren soll es sich um ein Zentralpotential handeln, also um ein Potential, dass nur vom
Abstandsbetrag abhängt:
U(r) = U(|r|) = U(r) und F(r) = −
dU(r)
er
dr
Da es sich um ein Zentralpotential handelt, ist es von Vorteil Polarkoordinaten einzuführen. In
ebenen Polarkoordinaten lässt sich die Geschwindigkeit wie folgt schreiben:
ṙ = ṙer + rϕ̇eϕ
(18)
Somit ist die Lagrange-Funktion in den neuen Koordinaten gegeben durch:
L=T −U =
1
1 2
µṙ − U(r) = µ(ṙ2 er + r2 ϕ̇2 eϕ ) − U(r)
2
2
(19)
∂
L = 0. Dies bedeutet, dass ϕ eine zykli∂ϕ
∂
sche Koordinate ist und damit ist der Drehimpuls l B
L = µr2 ϕ̇ eine Erhaltungsgröße.
∂ϕ̇
Man stellt fest, dass ϕ nicht in L enthalten ist, also
Weiterhin kann man mit der Lagrange-Funktion die Bewegungsgleichung aufstellen:
mit ϕ̇ =
l
µr2
∂U(r)
∂L d ∂L
−
= rµϕ̇2 −
− µr̈ = 0
∂r dt ∂ṙ
∂r
(20)
l2
∂U(r)
d l2
+
+
U(r)
=0
=
µr̈
+
∂r
dr 2µr2
µr3
(21)
erhält man:
µr̈ −
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Die nun erhaltene Bewegungsgleichung lässt sich leicht durch Integration lösen. Der Teil in den
l2
Klammern wird als effektives Potential bezeichnet: V(r) = 2µr
2 + U(r)
Je nach Form des effektiven Potentials ergeben sich unterschiedliche Bewegungstypen: Streuung(i), Gebundene Bewegung (ii) oder Fall ins Zentrum (iii). In den folgenden drei Abbildungen
sind verschiedene effektive Potentiale mit den auftretenden Bewegungstypen dargestellt.
Abbildung 1: V(ρ) = kρ2 +
l2
2µρ2
Abbildung 2: V(ρ) = − ρk +
l2
2µρ2
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Abbildung 3: V(ρ) = − ρk3 +
l2
2µρ2
(Abbildung 1, 2 und 3 sind dem Lehrbuch von Torsten Fließbach, Mechanik - Lehrbuch zur
”
Theoretischen Physik I“; Spektrum-Verlag; 6.Auflage 2009; S.137 entnommen. )
2.2
Das Keplerproblem
Bei dem Kepler-Problem wird die Bewegung zweier Himmelskörper unter dem Einfluss der
wechselseitigen Gravitationskraft untersucht. Das Potential lautet wie folgt:
U(r) = −G
m1 m2
k
=−
r
r
(22)
Das effektive Potential V(r) lautet also dementsprechend:
V(r) =
l2
k
−
2µr2 r
(23)
Die radiale Bewegungsgleichung ist daher:
µr̈ +
d l2
k
l2
d k
−
= µr̈ − 3 −
=0
2
dr 2µr
r
dr r
µr
Aus dem vorherigen Kapitel ist bekannt, dass ϕ̇ =
(24)
dϕ
l
= 2 . Hieraus kann man nun ableiten,
dt
µr
dass gilt:
d
l d
=
dt µr2 dϕ
⇒
d2
l2 d 1 d =
dt2 µ2 r2 dϕ r2 dϕ
Mit Hilfe dieses Ausdrucks und der Substitution z =
chung 2. Ordnung:
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1
r
(25)
erhält man folgende Differentialglei-
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d2 z
kµ
+z= 2
2
dϕ
l
(26)
Diese hat die Form der Differentialgleichung des harmonischen Ozillators. Die Lösung ist:
z=
1 kµ
= 2 ε cos(ϕ − ϕ0 ) + 1
r
l
r(ϕ(t)) =
⇒
l2
1
kµ (ε cos(ϕ − ϕ0 ) + 1)
ε wird als Exzentrizität bezeichnet. Führt man nun den Parameter p =
Integrationskonstante ϕ0 = π, erhält man folgende Gleichung:
l2
kµ
(27)
ein und setzt die
p
= ε cos(ϕ) + 1
r
(28)
Diese Gleichung beschreibt Kegelschnitte. Für verschiedene Werte von ε erhält man:
• ε > 1: E > 0 Hyperbel
• ε = 1: E = 0 Parabel
• ε < 1: E < 0 Ellipse (speziell für ε = 0 ein Kreis)
Betrachtet man nun die gebundene Bewegung (ε < 1, E < 0) im attraktiven Potential (p > 0,
k > 0), so erhält man mit den folgenden Substitutionen:
p
p
a=
, b= √
, r=
1 − ε2
1 − ε2
q
x2 + y2 , cos(ϕ) = p
x
x2
+ y2
(29)
die Gleichung einer Ellipse mit den beiden Hauptachsen a und b:
(x + aε2 ) y2
+ 2 =1
a2
b
(30)
Für den maximalen und minimalen Abstand ergibt sich:
r = rmin = r(ϕ = π) : rmin =
r = rmax = r(ϕ = 0) : rmax =
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l2
kµ(1 + ε)
l2
kµ(1 − ε)
(Perihel)
(31)
(Aphel)
(32)
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2.3
Dissipative Kräfte
In diesem Abschnitt werden äußere Kräfte betrachtet, die aus einer konservativen Kraft und
einer dissipativen Kraft zusammengesetzt sind, also:
Fext =
N
X
Fext
i =
i=1
N
X
Fkons
+ Fdiss
i
i
(33)
i=1
mit ∇ × Fdiss
, 0.
i
In verallgemeinerten Koordinaten ergibt sich für die Kraft:
N
X
i=1
N
Fext
i
N
∂ri X kons ∂ri X diss ∂ri
∂V
=
Fi
+
Fi
=−
+ Dj
∂q j
∂q
∂q
∂q
j
j
j
i=1
i=1
(34)
Hieraus folgen die Lagrange-Gleichungen mit Einbeziehung dissipativer Kräfte:
d ∂L
∂L
−
= Dj
dt ∂q̇ j ∂q j
(35)
Beispiel:
Bei der dissipativen Kraft handle es sich um eine Reibungskraft der Form:
= ai ṙi
Fdiss
i
(36)
Somit ergibt sich für den Zusatzterm in der Lagrange-Funktion:
Dj = −
N
X
i=1
N
ai ṙi
X
∂ri
∂ṙi
ai ṙi
=−
∂q j
∂q̇ j
i=1
(37)
Hierbei ist zu beachten, dass es sich bei ṙi nicht um die verallgemeinerte Geschwindigkeit q̇ j
handelt, sondern um die wirkliche Teilchengeschwindigkeit.
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