Kirchengeschichte Äthiopien/Eritrea Die Geschichte der Kirchen in Äthiopien und Eritrea Äthiopien ist einer der ältesten christlichen Staaten. Historisch nachweisbar ist die Mission des Syrers Frumentius in der Mitte des 4. Jahrhunderts. Er war auch der erste äthiopische Bischof, geweiht vom alexandrinischen Patriarchen Athanasius. Doch schon der Apostel Philippus hatte dem Kämmerer der Kandake das Christentum erklärt und taufte ihn. Die Beziehungen zum Heiligen Land werden bis auf die Zeit von König Salomon zurückgeführt, der von der Königin von Saba besucht worden sein soll. Aus dem gemeinsamen Sohn ist die Dynastie der Salomoniden entstanden, die mit Kaiser Haile Selassie zu Ende ging. © Friedrich Stark/missio Als sich in Folge des Konzils von Chalkedon (451) die Kirche spaltete, folgten die Äthiopier dem koptischen Patriarchat von Alexandria in Ägypten. Erst 1959 konnte die äthiopisch-orthodoxe Kirche die Unabhängigkeit von der koptisch-orthodoxen Kirche erlangen. Die äthiopisch-orthodoxe (Tawahedo) Kirche Schon unter dem König Ezana (4. Jh.) wurde das Christentum Staatsreligion und der Staat unterstützte die Mission, vor allem in den nördlichen Gebieten von Amhara. Als christlicher Staat bekämpfte und besiegte Ezana das jüdische Königreich im Südjemen, das gegen die dortigen Christen vorging. Bis zu den islamischen Eroberungen war die äthiopische Kirche in engem Kontakt mit den Kirchen im Nahen Osten, auf der arabischen Halbinsel und in Indien. Als die alten Seeverbindungen durch die Muslime unterbrochen wurden, war die äthiopische Kirche fast ausschließlich auf Alexandrien in Ägypten ausgerichtet. Allerdings gab es gelegentliche internationale Kontakte, vor allem in Jerusalem, wo die Äthiopier ein Kloster hatten, zu dem sie pilgerten. Im 9./10. Jh. verlor die erste Hauptstadt Aksum ihre Bedeutung, weil nicht-christliche Stämme eindrangen. Um 1137 konnte sich eine neue christliche Dynastie namens Zagwe etablieren, die die berühmten Felsenkirchen in ihrer Heimatregion Lasta baute. In dieser Zeit wurde auch die israelitische Abstammung betont und der Besitz der Bundeslade herausgestellt. Für die Christen in Äthiopien war der Feldzug des Imam Ahmad b. Ibrahim al-Gazi (1527-1543) verheerend. Ihm gelang es, weite Teile des Landes zu erobern und zu verwüsten, vor allem zerstörte er Kirchen und www.missio-hilft.de/haus-fuer-alle 1 Klöster. Christen wurden vor die Wahl zwischen Hinrichtung oder Konversion gestellt. Schließlich wurden die Muslime mit Hilfe der Portugiesen geschlagen. Hiernach gab es eine Zeit, in der die Jesuiten Einfluss auf Kirche und Kaiser ausübten. In der zweiten Hälfte des 16. Jh. setzten die Migration der Oromo und islamische Raubzüge Kirche und Staat unter Druck. Es folgte erneut eine – wenn auch kurze – Periode, in der die Staatskirche katholischem Einfluss unterlag. Danach gab es eine Zeit, die von unterschiedlichen theologischen Kontroversen geprägt war. Im 18./19. Jh. begann auch die protestantische Mission. Gleichzeitig fielen muslimische Gruppen ein und der Druck inländischer Muslime stieg. Der Kaiser versuchte, die Kirche zu einen und zu stärken. Er bat um Unterstützung durch die koptische Mutterkirche und erhielt gleich vier Bischöfe, bisher wurde immer nur ein Bischof geschickt. Anfang des 20. Jh. wurde der Metropolitansitz nach Addis Abeba verlegt. Das Christentum breitete sich schnell im Süden aus. Von 1920 bis 1974, dem Jahr der Revolution, prägte Kaiser Haile Selassie Staat und Kirche. Er führte viele Reformen in der Kirche durch. 1926 wurde der Heilige Synod (die Versammlung der Kirchenoberen) eingerichtet. Im selben Jahr wurde der koptische Patriarch gebeten, dem neuen Metropoliten die Möglichkeit der Bischofsweihe zu geben. 1929 wurden dann fünf äthiopische Mönche zu Bischöfen geweiht.1930 wurden Gesetze zum Landbesitz der Kirchen erlassen. Die Lokalfürsten mussten demnach Kirchen bauen. Während der italienischen Besatzung 1936 war der Kaiser mit einigen hochrangigen Klerikern im Ausland. Der Metropolit blieb. Die Italiener verübten blutigen Terror gegen die orthodoxe Kirche. Sie führten die Religionsfreiheit ein, um die äthiopisch-orthodoxe Kirche zu schwächen, änderten aber nicht ihre ökonomische Basis. Der Versuch, die Kirche vom koptischen Patriarchat unabhängig zu machen, scheiterte. 1941 wurde Äthiopien befreit. Am 28. Juni 1958 wurde der Erzbischof Baselyos zum ersten äthiopischorthodoxen Patriarchen erhoben. Kaiser Haile Selassie reformierte die Strukturen der Kirche in den 20 Jahren nach der Befreiung und zentralisierte die Kirche stark. 1948 war die äthiopisch-orthodoxe Kirche Gründungsmitglied des Weltkirchenrates und war 1972 Gastgeber ihrer Jahreshauptversammlung. Sie wurde auch Mitglied in der All Africa Conference of Churches (AACC). Die Beziehungen zu den orthodoxen Kirchen wurden gestärkt. 1941 ermutigte Kaiser Haile Selassie die katholische und protestantische Missionsarbeit. Er ermöglichte 1944 die orthodoxe medizinische Mission und Schulmission. Um den Dialog mit der katholischen Kirche zu fördern, besuchte der Kaiser 1970 Papst Paul VI. und den Vatikan. Zur Hebung des theologischen Niveaus gründete er 1944 die Theological School of Holy Trinity. Doch die Reformen in Kirche wie Staat waren zu schnell. Schließlich kam es in den 1970er Jahren zu einer schweren Kirchenkrise, die 1974 in die Revolution führte. Der Klerus unterstützte die Proteste zur Absetzung des Patriarchen Tewoflos. Nach der Revolution wurde die äthiopisch-orthodoxe Kirche trotz der leninistisch-marxistischen Ideologie der Militärdiktatur unter Major Mengistu Haile Mariam weiterhin vom Staat unterstützt, der auch zahlreiche Kirchen baute. Die Kirche kooperierte mit der revolutionären Regierung. Dennoch wurden 1975 Kirchengüter, Land und Gebäude konfisziert. Bis 1991 wurden aber die Gehälter der Bischöfe und Kirchenfunktionäre weiter bezahlt. 1975 bis 1977 intervenierte die Regierung in kirchlichen Angelegenheiten und berief ein provisorische Komitee aus Erzbischöfen, höheren Kirchenleuten und Staatsbeamte, um den Konflikt zwischen der ehemaligen Patriarchatsverwaltung und dem provisorischen Komitee zu lösen. 1991 kollabierte das marxistische Regime und demokratisierte den Staat. Die Kirche erhielt ihre konfiszierten Güter zurück. Seit 1994 sind aufgrund der Konstitution Kirche und Staat getrennt, dennoch dauert ihre Kooperation an. Die Kirche konnte sich neu organisieren und Aktivitäten in allen kirchlichen Feldern entfalten. Die protestantischen Kirchen Peter Heyling war der erste protestantische Missionar in Äthiopien. Er wirkte in Gondar im 17. Jh. Seine Nachfolger bildeten die Evangelische Vereinigung, die später zu einer eigenständigen Kirche wurde. Von Mitte des 19. bis Anfang des 20. Jh. wurden die Protestanten in Äthiopien verfolgt. Dennoch konnten sie die Ethiopian Evangelical Church Mekane Yessus gründen. Im 19. Jh. versuchten protestantische Missionsgesellschaften aus Europa vergeblich, die orthodoxe Kirche von innen zu reformieren. Der Verdienst sind aber www.missio-hilft.de/haus-fuer-alle 2 Bibelübersetzungen in lokale Sprachen, Lehr- und Schulbücher. Mitte des 19. Jh. starteten verschiedene protestantische Missionsgesellschaften die Mission in der Oromo-Region. Im ersten Viertel des 20. Jh. begann eine Kooperation zwischen der orthodoxen Kirche und den protestantischen Missionaren, denen es teilweise sogar erlaubt war, in der orthodoxen Kirche die Bibel zu lehren. Die Protestanten wirkten jedoch vor allem in erzieherischen und medizinischen Bereichen. Unter der italienischen Besatzung mussten die meisten protestantischen Missionare das Land verlassen, die katholischen Missionare konnten bleiben und versuchten in einigen Gegenden die Arbeit zu übernehmen. 1935 schien das Ende der protestantischen Kirchen nahe, da nur noch 1.000 Menschen zu ihnen gehörten. Doch einheimische Protestanten konnten eine erfolgreiche Mission starten, vor allem im Westen und Süden des Landes. Bis 1942 war die Zahl der Protestanten auf 20.000 angewachsen. 1944 wurde die Conference of Ethiopian Evangelical Churches (CEEC) gegründet, deren letzte Versammlung 1963 stattfand. Die erste protestantische Kirche in Äthiopien, die sich konstituierte, war 1947 die Evangelical Church Bethel, die sich 1974 der Mekane Yesus Church anschloss. Diese wurde 1959 konstituiert. Es folgten weitere Gründungen evangelischer Kirchen. Unter dem provisorischen militärischen Verwaltungsrat wurde ein Großteil der Besitztümer der protestantischen Kirchen verstaatlicht. In einigen Gegenden kam es auch zu regelrechter Verfolgung der Protestanten. 1976 schloss man sich in der Schirmorganisation Evangelical Churches Fellowship of Ethiopia (ECFE) zusammen, musste aber bis 1988 im Untergrund arbeiten. Nach der Errichtung der Demokratischen Bundesrepublik Äthiopien konnten sich die protestantischen Kirchen erneut entfalten. Die meisten der registrierten protestantischen religiösen Organisationen sind den Charismatikern und Pfingstlern zuzurechnen. Der Zensus von 2007 erbrachte für die Protestanten einen Bevölkerungsanteil von 18,6%, während im Norden weniger als 1% Protestanten sind, sind es im Süden 55%. Nach Orthodoxer Kirche und dem Islam, sind die Protestanten die drittgrößte Gruppe. Die katholischen Kirchen Nach der Spaltung der Kirche im Jahre 451 kamen die römisch-katholische Kirche und die äthiopischorthodoxe Kirche während der Kreuzzüge in Jerusalem in Kontakt, wohin äthiopische Christen seit Jahrhunderten pilgerten. Papst Nikolaus IV. lud 1289 die Bischöfe und den Kaiser zu einer Versöhnung ein. Ebenso tat dies Papst Johannes XXII. 1329. Am Konzil von Florenz (1438-1445) nahm eine äthiopische Delegation teil. Es gab zwar weiterhin gelegentliche Kontakte, jedoch kam es zu keiner Union. Die Beziehungen intensivierten sich, als 1541 portugiesische Soldaten nach Äthiopien kamen, um im verheerenden Krieg gegen Imam Ahmad b. Ibrahim al-Gazi zu helfen. Ungebeten schickte Rom den Jesuitenpatriarchen João Nunes Barreto zusammen mit Missionaren nach Äthiopien. Der damalige Kaiser Galawdewos verwarf darauf hin feierlich die westliche (römisch-katholische) und bekräftige die alexandrinische (koptisch-orthodoxe) Lehre. Die gesandten Jesuitenmissionare waren isoliert, bis 1603 der Missionar Pedro Paez kam und einen großen Einfluss auf Kaiser Zadengel gewann. Unter Zadengels Nachfolger Susenyos erlangten die Jesuiten insgesamt großen Einfluss. Der Kaiser wollte sein Reich durch eine Allianz mit den portugiesischen Mächten stärken. Schließlich verbot der Kaiser die Lehre der Orthodoxie und empfing die Kommunion von Paez. Unter Paez Nachfolger, Patriarch Mendes, stieg der Druck auf Kaiser Susenyos weiter, die Orthodoxie zu unterdrücken. Schließlich kam es zu einer Rebellion, die zur Abdankung von Susenyos zugunsten seines Sohnes Fasiladas führte. Er unterdrückte die Katholiken, brach die Kontakte zu Europa ab und verwies die Missionare des Landes. Missionare, die in der Folgezeit ins Land wollten, wurden exekutiert. Mitte des 18. Jh. konnte Tobiyya Walda Giyorgis, ein ehemaliger Student des Collegiums der Propaganda Fide zum Bischof von Adulis, einer alten untergegangen Hafenstadt, geweiht und nach Äthiopien gesandt werden. Er missionierte erfolglos im Norden des Landes. Mitte des 19. Jh. wurde der Lazarist Guistino de Jacobis (1800-1860) als Apostolischer Präfekt von Abessinien durch Papst Gregor XVI. ernannt. Von dieser Präfektur wurde 1846 das Apostolische Vikariat von Zentralafrika im Westen und das Apostolische Vikariat Galla im Süden getrennt. 1847 wurde daraus das Aposto- www.missio-hilft.de/haus-fuer-alle 3 lische Vikariat von Abessinien. De Jacobis übernahm die orthodoxen Riten und Kulte und errichtete so die katholische Kirche äthiopischen Ritus (äthiopisch-katholische Kirche). Eine große Zahl von Orthodoxen wurde katholisch. Er gründete auch das erste Priesterseminar, in dem einheimischer Klerus gemäß dem äthiopischen Ritus ausgebildet wurde. Die Lazaristen in seinem Gefolge missionierten in den Gegenden Bagembder, Eritrea, Tigray, Gojjam und Wallo. In der zweiten Hälfte des 19. Jh. wurden sie verfolgt und mussten später die von Italien beherrschte Region Eritrea verlassen. Allmählich erhielten sie Häuser im Zentralland Äthiopiens und in Addis Abeba. Auf dem Missionsgebiet der Lazaristen entstanden die katholischen Kirchen äthiopischen Ritus. Der Kapuziner Guglielmo Massaja war als Bischof für das Apostolische Vikariat Galla geschickt worden, das er aber zunächst nicht erreichte. Erst 1852 gelangte er in die Oromo-Gegend und etablierte die katholische Kirche römischen Ritus in Äthiopien. Seine Mission konnte sich geographisch weit ausbreiten. Er widmete sich vor allem auch der Entwicklung durch Erziehung, Medizin und Sklavenbefreiung und führte SprachStudien durch. Nachdem er später das Land verlassen hatte, schrieb er als Kardinal in Rom seine beachtlichen Memoiren. Auf dem Gebiet der Kapuziner-Mission entstanden die Diözesen des westlichen Ritus. 1930 wurde im italienisch besetzten Gebiet Eritreas neben der lateinischen Jurisdiktion auch ein Ordinariat für die wachsende Zahl einheimischer Katholiken äthiopischen Ritus errichtet. Nachdem Äthiopien 1941 die Unabhängigkeit wiedererlangt hatte, wurde der ausländische Klerus des Landes verwiesen. Der einheimische musste nun verstärkt Verantwortung wahrnehmen. 1951 wurde das Apostolische Exarchat Addis Abeba der äthiopisch-katholischen Kirche errichtet. Im gleichen Jahr wurde das Ordinariat für Eritrea ebenso zum Exarchat erhoben. Das Problem der zwei katholischen Riten Beim Ad-Limina-Besuch der äthiopischen und eritreischen Bischöfe in Rom vom 7. bis 14. September 1997 schlug Papst Johannes-Paul II. zur Lösung des Zwei-Riten-Problems vor, dass alle Äthiopier zu den Riten und der Spiritualität der orientalischen Tradition tendieren sollten. Die Aufarbeitung und Wertschätzung des alten alexandrinischen-äthiopischen Erbes sollte den Weg zur kirchlichen Einheit ebnen. Eritrea: Die eritreisch-orthodoxe Kirche 1991 hatte sich Eritrea von Äthiopien abgespaltet. 1998 wurde ein eritreisch-orthodoxes Patriarchat errichtet. Der erste eritreische Patriarch wurde Filippos. Eine eigene Kirchenverwaltung mit allen Abteilungen wurde aufgebaut. 2003 wurde die eritreisch-orthodoxe Kirche in den Weltkirchenrat aufgenommen. Nach der Unabhängigkeit Eritreas 1995 wurden zwei neue Eparchien, Barentu und Keren, eingerichtet und das lateinische Vikariat aufgehoben. Seitdem unterstehen auch die Lateiner einer äthiopisch-katholischen Hierarchie. 2012 wurde die Eparchie Segheneity errichtet. Bis 2015 gehörten die eritreischen und äthiopischen Eparchien zur Kirchenprovinz Addis Abeba. Am 19. Januar 2015 teilte Papst Franziskus die Kirchenprovinz und unterstellte die vier in Eritrea gelegenen Eparchien der eritreisch-katholischen Kirche. Asmara 1 wurde der Metropolitansitz und zur Erz-Eparchie erhoben . Harald Suermann Zur Person: 1 Prof. Dr. Harald Suermann ist Direktor des Missionswissenschaftlichen Instituts missio e.V., Apl. Prof. am Institut für Orient- und Asienwissenschaften – Universität Bonn, Mitglied der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste, Klasse Weltreligionen Rinunce e nomine, http://press.vatican.va/content/salastampa/de/bollettino/pubblico/2015/01/19/0048/00098.html#Erezione%20della%20C hiesa%20Metropolitana%20sui%20iuris%20eritrea%20e%20nomina%20del%20primo%20Metropolita (Stand: 01.04.2015; Abruf: 01.04.2015). www.missio-hilft.de/haus-fuer-alle 4