Perioperative Pflege als professionelle Dienstleistung - Beck-Shop

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Perioperative Pflege als professionelle Dienstleistung: Qualitätskriterien
der Betreuung von Patienten durch nicht-ärztliches Personal
Bearbeitet von
Michael Barkow
Erstauflage 2015. Taschenbuch. 88 S. Paperback
ISBN 978 3 95934 803 4
Format (B x L): 19 x 27 cm
Weitere Fachgebiete > Medizin > Pflege > Pflegeforschung, Management
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Leseprobe
Textprobe
Kapitel 3 Untersuchung der Patientenbedürfnisse
Da das Erkenntnisziel dieser Untersuchung im Bereich individueller Bedürfnisse und
Wahrnehmungen liegt, wird ein qualitatives Verfahren gewählt, womit eine Verdichtung dieser
komplexen Daten durch die Interpretation in ihrem Kontext möglich wird (vgl. FLICK, 2001, SB 2,
12). Eine Qualitätsmessung mittels evidenzbasierter Methoden ist hier deutlich abzugrenzen, da
die erfahrene Qualität nicht Gegenstand der Fragestellung ist
3.1 Fragestellungen
Der explorative Untersuchungsansatz soll klären, ob die dargestellten Patientenerwartungen (s.
Abb.6) in der Untersuchungsgruppe vollständig bestätigt werden können. Dabei stellt sich die
Frage, bei welchen Kriterien eine Umsetzung klar erwartet wird und bei welchen ein eher
undifferenziertes Bedürfnis vorhandenen ist, dessen Befriedigung eine positive Nichtbestätigung
zur Folge haben könnte (s. Kapitel 1.1). Weiterhin ist von Interesse, welche Kriterien mit einem
hohen Grad an Individualität gekennzeichnet sind, bzw. eine in der Untersuchungsgruppe
allgemein gültige Aussage darstellen. Diesbezüglich ist auch die Notwendigkeit eines
standardisierten, präoperativen Informationsangebotes für die Betroffenen in der Domäne
„allgemeine Information“ zu untersuchen. Eine weitere spezifische Fragestellung in der Domäne
„Koordination“ bezieht sich eventuell differente Erwartungshaltungen der Interviewpartner im
Zusammenhang mit ihren jeweiligen Versicherungsstatus (Kasse, Privat, Selbstzahler)
3.2 Untersuchungsdesign
3.2.1 Untersuchungsmethode
Um eventuelle Missverständnisse bei der Datenerhebung auszuschließen, wird im Gegensatz zur
Untersuchung von BÜHLMANN/KÄPPELI, der direkte Dialog mit dem Betroffenen gewählt (vgl.
MEWITZ, 2006, 17). Zur Rekonstruktion der aus expliziten und impliziten Annahmen bestehenden
Daten sind Fragetypen erforderlich, die einerseits das spontane Antworten ermöglichen und
anderseits eine methodische Unterstützung bei der Antwortfindung bieten. Als
Erhebungsinstrument kommt daher das halbstandardisierte Interview zur Anwendung (vgl. FLICK,
2001, SB 3, 14). Aufgrund der geringen Forschungserfahrung und umgrenzter Konstrukte, wird ein
straffes Design mit begrenzenden Fragestellungen verwendet (vgl. FLICK, 2001, SB 2, 24)
3.2.2 Auswahlverfahren
Die Zusammenstellung der Untersuchungsgruppe orientiert sich an der Strategie des
theoretischen Sampling. Ziel ist das Gewinnen einer ausreichenden Datenmenge für die Bildung
von Theorien hinsichtlich der Fragestellungen. Die Auswahl von Interviewpartnern erfolgt daher
analog zur Datenauswertung und endet mit Erreichen der „theoretischen Sättigung“, d.h. dann,
wenn keine weiteren relevanten Erkenntnisse mehr zu erwarten sind (Vgl. FLICK, 2001, SB 2, 3738)
Die Vergleichsgruppe besteht grundsätzlich aus Patienten mit einer geplanten Operation, da der
Anspruch auf Betreuung bei höchst dringlicher OP-Indikation zwar ebenso besteht, die
beherrschende Erwartung eines wahrnehmungsfähigen Betroffenen sich in diesem Fall aber auf
die Beseitigung des medizinisch funktionellen Problems zentrieren dürfte. Im Übrigen sind
Interviews mit Notfallpatienten kaum möglich. Um die Untersuchung von BÜHLMANN/KÄPPELI zu
ergänzen, werden im Gegensatz dazu nur Patienten befragt, bei denen die Operation in
Vollnarkose vorgesehen ist. Diese Klientel repräsentiert in großen OP-Einheiten auch die Mehrheit
der Patienten. Wie bei jeder Befragung, beschränken Teilnahmebereitschaft und ethnische sowie
kognitive Artikulationsfähigkeit der Gesprächspartner ebenfalls die Auswahl. Bei Bearbeitung der
Fragestellung zu der Domäne „Koordination“ (s. Kapitel 3.1) sind Patienten mit allen
Versicherungsformen in der Untersuchungsgruppe zu berücksichtigen
3.2.3 Interviewleitfaden
Der Leitfaden ist nach den Bereichen der möglichen perioperativen Patientenerwartungen (s.
Abb.6) geordnet. Einleitend wird jeweils eine offene Frage zum Themenbereich gestellt, die
spontan beantwortet werden soll. Anschließend folgen Konfrontationsfragen zu den einzelnen
Merkmalen (s. Abb.6) mit dem Ziel, gegebenenfalls nicht unmittelbar verfügbare Erwartungen der
Befragten zu explizieren. Diese sind als Angebot konkurrierender Alternativen formuliert, um eine
Adaption des Interviewpartners an die Subjektivität des Forschers zu verhindern. (Vgl. FLICK,
2001, SB 3, 14-15) Die Verständlichkeit der Fragen wird bei einem Probelauf (Pretest) durch zwei
Nichtbeteiligte als gut bewertet
Kapitel 3.2.4 Ablaufplanung und Zugang zum Untersuchungsfeld
Die unmittelbare Konfrontation mit dem Ereignis „Operation“ dürfte die Heranbildung einer
Erwartungslage für den Betroffenen steigern. Daher erfolgen die Interviews präoperativ nach
Aufnahme am Spätnachmittag des OP-Vortages. Eine Beeinflussung der Ergebnisse durch
postoperative Befindlichkeitsstörungen, wie bei BÜHLMANN/KÄPPELI kritisiert (vgl. MEWITZ,
2006, 17), kann hier ausgeschlossen werden. Die anästhesiologische Aufklärung (meist kurz vor
der stationären Aufnahme), ist im Gegensatz zum Aufklärungsgespräch durch den Operateur
bereits erfolgt. Als problematisch in der präoperativen Phase, könnte sich der hohe
Abhängigkeitsgrad der Befragten zu diesem Zeitpunkt erweisen. Mögliche Verzerrungen der
Aussagen aufgrund von Angst vor Nachteilen bei Kritik (vgl. RUPRECHT, 2004, 26), sollen durch
die explizit vermittelte Fokussierung auf die Erwartungslage des Patienten und den wertfreien
Charakter der Befragung reduziert werden
Mit Genehmigung der Klinikleitung, erfolgt die Auswahl der Interviewpartner aus der OP-Planung
und nach Akteneinsicht. Die Befragungen werden immer von dem gleichen Interviewer
durchgeführt und zur Sicherung der verbalen Daten aufgezeichnet. Nach jeder Befragung erfolgt
eine zeitnahe Transkription des Materials
4.1.2 Aufgabenabgrenzung und berufsübergreifende Zusammenarbeit
Die rechtzeitige Darlegung der Abläufe für den Patienten basiert auf geplanten, d.h. auf
strategischer Ebene strukturierten Prozessen. Diese umfassen die gesamte im Kapitel 2.1.1
beschriebene, perioperative Behandlungsphase. Somit sind die Abläufe des ärztlichen Dienstes
aus Chirurgie und Anästhesie, des Pflegedienstes auf den Stationen sowie der Funktionsdienste
von OP und Anästhesie einzubeziehen. Eine weitere Determinante der Prozessgestaltung liegt in
deren ökonomischen Effizienz. Für die Strukturierung perspektivisch so unterschiedlicher
Kriterien, bedarf es neben der jeweiligen fachlichen Expertise auch einer entsprechenden
Managementkompetenz. Die theoretischen Aus- und Weiterbildungsinhalte der verschiedenen
pflegerischen Akteure zielen jedoch nicht auf ein Managementprofil und beschränken sich auf die
jeweilige berufsgruppenspezifische Sichtweise (s. Tab.13). Für die Aufgabe der
Prozessstrukturierung erscheint daher eine interdisziplinäre und berufsgruppenübergreifende
Zusammenarbeit als unentbehrlich
Dies gilt gleichermaßen für die OP-Planung, die das anspruchsvollste Gebiet im OP-Management
darstellt, und unter anderem die weitgehende Einhaltung der OP-Termine (s. Tab.13) steuert. So
kann die OP-Organisation unterstützt werden durch den Aufbau eines übergreifenden Basisplans
und nachgeordneten Sekundärplänen, in welche die Kenntnisse und Anforderungen der
verschiedenen ärztlichen und pflegerischen Berufsgruppen einfließen (vgl. BUSSE, 2005, 52, 6061). Grundlage ist dabei der situative Heilauftrag (s. Kapitel 2.2), der sich aus der medizinischen
Diagnose und Therapieplanung ergibt und auf den ärztlichen Kompetenzbereich abzugrenzen ist.
Zur Vermeidung unnötiger Wartezeiten oder deren Wahrnehmung für die Betroffenen im OPBereich (s. Tab.13), sind primär entsprechende Kenntnisse zur Ablauforganisation des OPProgramms erforderlich, die im Rahmen der op-spezifischen Aus- und Weiterbildungen vermittelt
werden. Daneben ist aber auch die Wahrnehmung der Patientenerwartungen mit der gebotenen
Priorität notwendig
Hinsichtlich der vielfältig erwarteten Informationen an Patienten und Angehörige werden neben
der weitreichenden inhaltlichen Kenntnis, auch empathische und kommunikative Kompetenzen für
die individuelle Bedarfserhebung und Informationsübermittlung benötigt. Dies ist sowohl von den
pflegerischen Berufsgruppen als auch von den ärztlichen Akteuren einzufordern, wobei die OPAufklärung des Patienten, wie bereits in Kapitel 2.4 beschrieben, aufgrund des gesetzlichen
Aufklärungsvorbehaltes von den Aufgaben des nicht ärztlichen Personals abzugrenzen ist. Die
notwendigen Fähigkeiten zur professionellen Kommunikation, aber auch für Interventionen im
Hinblick auf Selbstpflegedefizite oder Angstzustände der Patienten, sind in den op-spezifischen
Aus- und Weiterbildungsinhalten jedoch nur rudimentär vorgesehen
Die Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflege bietet für die Verwirklichung von
empathischer Zuwendung und Unterstützung die meisten theoretischen Inhalte, kann dabei aber
nicht auf die op-spezifischen Umgebungsvariablen eingehen, welche nachhaltig auf die
Befindlichkeit der Patienten einwirken können (s. Kapitel 2.4). Daher ist auch hier die Kooperation
zwischen Pflegedienst und Funktionsdiensten erforderlich. Entsprechende Potentiale für die
Übernahme von Aufgaben bei der Patientenbetreuung sind bei den Mitarbeitern der
Funktionsbereiche von OP und Anästhesie grundsätzlich vorhanden (vgl. BARKOW, 2007, 23).
Der Aus- und Weiterbildungsschwerpunkt in den Fachbereichen der Funktionspflege zielt vor
allem auf die professionelle Sorge um die leibliche Sicherheit der Patienten, wobei sich eine
deutliche Spezialisierung in die Gebiete „OP“ und „Intensiv/ Anästhesie“ darstellt. Beide
Berufsgruppen sind in die Tagesablaufsteuerung und Betreuung der gleichen Patienten involviert.
Für die perioperative Risikoeinschätzung und Authentizität der Interventionen gegenüber dem
Patienten, ist daher eine enge Teamarbeit von OP- und Anästhesiegruppe notwendig. Gleichzeitig
kann bei wechselseitiger Übernahme der Betreuungsaufgaben die „Vollständigkeit der Tätigkeiten“
für beide Berufsgruppen gesteigert werden (vgl. BARKOW, 2007, 26), was sich unter anderem
positiv auf die Möglichkeiten zur individuellen Auseinandersetzung mit dem Patienten auswirkt
Insgesamt zeigt sich auf Grund des hohen Spezialisierungsgrads der perioperativ tätigen Akteure,
eine ausgeprägte Notwendigkeit für die berufsübergreifende Zusammenarbeit.
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