Was bedeutet E = mc

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Was bedeutet E = mc2 ?
Hermann Bauer
Einsteins Formel wird oft als die berühmteste Formel der Physik überhaupt angesehen,
ihre Deutung ist aber durchaus nicht so klar, wie das meist angenommen wird. Es gibt im wesentlichen zwei Deutungen. Die eine Deutung, die ich als „landläufig“ bezeichnen möchte,
sieht die Masse als etwas an, das man in Energie verwandeln kann, oder auch direkt als eine
Energieform. Die andere betrachtet Masse und Energie überhaupt als identisch. Beide Deutungen sind problematisch, wie ich zeigen möchte. Dabei wird sich eine dritte Deutung ergeben.
Die landläufige Auffassung entnehme ich einer Anleitung zum gymnasialen Physikunterricht1:
Multipliziert man die Masse eines Körpers mit dem Quadrat der Lichtgeschwindigkeit, so erhält man
die der Masse äquivalente Energie. Die Folge dieser Gesetzmäßigkeit war, dass die in der klassischen
Physik getrennt nebeneinandersehenden Grundgesetze von der Erhaltung der Masse und der Erhaltung
der Energie nun zu einem Gesetz vereinigt werden konnten.
Nach konkreten Beispielen geht es weiter:
Aus Röntgenenergie entstand Masse. Auch die Umkehrung dieses Prozesses (Paarvernichtung ) ist vollständig möglich. ... Ein Beispiel der vollständigen Umwandlung von Masse in Energie. Die nur teilweise Umwandlung von Masse in Energie findet ihre Anwendung in der Kernspaltung und der Kernfusion.
... Die energiespendenden Kernfusionsprozesse, die mit Massenverlust verbunden sind, halten den Sonnenofen in Betrieb.
Auch im wikepidea findet man unter dem Stichwort „Energie“ entsprechendes2. Die
berühmte Formel wird mit den Worten kommentiert:
Nach der speziellen Relativitätstheorie sind Masse und Energie äquivalent. Das bedeutet, dass der Ruhmasse von Teilchen die sogenannte Ruhenergie E = mc2 entspricht. Diese kann bei bestimmten Vorgängen in
andere Energieformen umgewandelt werden und umgekehrt.
Der Masse eines in einem Intertialsystem ruhenden Körpers entspricht also in dieser
Deutung eine bestimmte Energie und zwar in dem Sinne, dass eine bestimmte Masse in andere Energie einer bestimmten Größe umgewandelt werden kann und dass umgekehrt diese
Energiemenge wieder zur entsprechenden Masse gleichsam „gerinnen“ kann, wobei die quantitative Umrechnung durch die berühmte Formel geschieht. Es kann sich nach dieser Ansicht
also Masse in andere Energie verwandeln und umgekehrt, und das Quadrat der Lichtgeschwindigkeit ist der Umrechnungsfaktor.
Diese mehr populärwissenschaftlich Darstellung wird im Internet in vielen Tausenden
von Artikeln wiederholt. Vor allem wird die Verwandlung von Masse in Energie als Energiequelle von Sternen erklärt.3 Aber auch seriösere Darstellunge bringen praktisch dasselbe. So
steht in dem Standartwerk „Einführung in die Kernphysik“4 von Finkelnburg:
1
www.einstein-gymnasium.de/schule/einstein/emc.htm-5k
http://de.wikipedia.org/wiki/-Energie
3
Siehe Google unter Stichwort „Umwandlung von Masse in Energie“
4
Springerverlag 1976, S. 315
2
1
Wir müssen uns folglich daran gewöhnen, die Masse als Energieform neben der mechanischen und
elektrischen Energie, eben als materialisierte Energie, anzusehen und den Faktor c2 der EINSTEINschen Äquivalenzgleichung als das Masse-Energie-Äquivalent aufzufassen, das die Umrechung von
Masse in Energie ermöglicht wie das mechanische Wärmeäquivalent die von mechanischer Energie in
thermische Energie.
Und „Umrechnen“ kann ja hier nur bedeuten, daß man entsprechend wie beim Wärmeäquivalent auch umwandeln kann.
Eine genaue Analyse zeigt aber, dass aus allen beobachteten und berechneten Fällen
eine andere Deutung folgt: Wenn ein System von außen Energie erhält, so wächst auch seine
Masse um den sich aus der berühmten Formel ergebenden Betrag. Es werden also sowohl
Energie als auch Masse größer. Nirgends ist eine Umwandlung von Masse in Energie nachzuweisen. Im abgeschossenen System bleiben vielmehr sowohl Energie als auch Masse konstant. Ich werde dies zunächst nachweisen und dann unter Punkt 6 auf die andere Deutung
kritisch eingehen.
1.Vorbemerkung
Die Theorie der Elementarteilchen ist erkenntnistheoretisch problematisch5. Ich werde
aber hier die üblichen Deutungen zunächst einfach übernehmen, da sonst unklar wird, was
eigentlich korrigiert werden soll. Ich werde also für Korpuskularstrahlen das Modell kleiner
Materieteilchen mit bestimmter Masse verwenden und Lichtquanten entsprechend behandeln.
Die naive Vorstellung, Masse sei „Materiemenge“, auf die man durchaus noch trifft,
kann ich allerdings nicht übernehmen. In den meisten Fällen, jedenfalls für makroskopische,
für elektrisch geladene und für magnetisierte Körper genügt die Erklärung der trägen Masse
(in einem Inertialsystem) als Quotient aus beschleunigender Kraft und Beschleunigung, was
durchaus ein sinnvolles Maß für die Trägheit ist. In anderen Fällen, z.B. bei Lichtquanten,
kann die Masse aus Stoßvorgängen (Impuls) erklärt werden.
2. Relativistische Massenzunahme
Die relativistische Rechnung ergibt, dass die als Quotient aus Kraft und Beschleunigung errechnete Masse m eines Körpers in einem Inertialsystem mit seiner Geschwindigkeit
wächst. Wenn seine Ruhmasse im System m0 ist, so ist seine Masse m bei der Geschwindigkeit v:
(1)
m 
m0
v2
1- 2
c
.
Nach der Formel
s
s
0
0
d(mv)
ds
dt
0
0
kann man dann die Arbeit berechnen, die längs des Weges s0 an dem Körper mit der veränderlichen Masse m von der Kraft F geleistet wird, und erhält als Resultat die kinetische Energie des Körpers:
W   Fds  
5
Siehe meine Aufsatz Die Relativitätstheorie als Resultat eines absoluten Empirismus in Heft 209/210.
2
E kin




 m0

W  
 m0 c 2  Δm  c 2 ,
v2


 1 2

c


wobei Δm die Massenzunahme ist. Als Potenzreihe entwickelt, ergibt sich:
E kin
1
3
v4
2
 m0 v  m0 4  ... .
2
8
c
Bis in dritte Näherung erhält man also die klassische kinetische Energie, die man
schon lange dem Körper zuschrieb, die er hat und mit der er Arbeit leisten kann, also z.B.
Deformationsarbeit, wenn es ein Kraftfahrzeug ist. Außer und zusätzlich zu dieser Energie hat
der Körper eine größere Masse bekommen. Wenn diese äquivalent mit Energie wäre, so hätte
er die Energie zweimal bekommen.
Man hat hier allerdings keine abgeschlossenes System, denn die Kraft wirkt von außen
auf den Körper. Ein entsprechender Vorgang im abgeschlossenen System ist es, wenn der
Körper nach seiner Beschleunigung mit der Geschwindigkeit v einen gleichartigen Körper
durch einen vollkommen elastischen Stoß in Bewegung setzt und selber stehen bleibt. Vor
dem Stoß hat der erste Körper die Masse m und die Energie Ekin, danach die Masse m0 und die
Energie Null. Beim gestoßenen Körper ist es umgekehrt: Er hat sowohl Masse als auch Energie gewonnen. Beides geht also von dem einen auf den anderen Körper über, wobei Gesamtmasse und Gesamtenergie erhalten bleiben.
Nur wenn man sagen würde der erste Körper verliert Masse und gibt sie als Energie an
den zweiten ab und der zweite gewinnt Masse, die der erste als Energie verliert, hätte man
etwas, was der landläufigen Deutung entspricht. Es verschleiert aber nur den wirklichen
Sachverhalt. Es ist nicht viel vernünftiger, als wenn Herrn Meier Hut und Stock gestohlen
werden, die man beim Dieb findet und dann behauptet, dass sich der Stock in den Hut umgewandelt hätte und umgekehrt. (Siehe auch Abschnitt 5.)
3. Elementumwandlung
Bei Kernreaktion eines Lithiumkerns mit einem (in einem Inertialsystem ruhenden) Wasserstoffkern entstehen zwei Heliumkerne:
7
1
4
3 Li 1 H  2 2 He.
Dabei ist die Summe der Kernmassen von Lithium und Helium größer als die doppelte Masse eines Heliumkerns. Diese Kerne fliegen aber (im Inertialsystem betrachtet) mit
großer Geschwindigkeit davon, und ihre kinetische Energie entspricht dem Massenverlust
nach Einsteins Formel. Also, so schließt man, hat sich Masse in Energie verwandelt. Das
Chemiebuch von Hollemann-Wiberg bringt diese Reaktion daher auch unter der Überschrift
„Die gegenseitige Umwandlung von Masse und Energie“ und folgert daraus, „dass das Gesetz
von der Erhaltung der Masse nur begrenzt Gültigkeit hat.“
Es wird bei dieser Erklärung aber nicht berücksichtigt, dass doch die Heliumkerne
infolge ihrer kinetischen Energie eine größere Masse als ihre Ruhmasse haben und zwar (nach
Abschnitt 1) genau so viel wie die Ausgangskerne verloren haben. Man darf doch nicht einfach die Ruhmassen vergleichen. Es hat sich also lediglich Ruhmasse in bewegte Masse ver-
3
wandelt, was sehr interessant ist, aber keineswegs eine Verwandlung von Masse überhaupt
bedeutet. Die Gesamtmasse bleibt konstant. Für sie gilt durchaus der Erhaltungssatz.
Energetisch ist der Vorgang so zu deuten: Das im Inertialsystem ruhende LithiumWasserstoff-Paar hat eine größerer Konfigurationsenergie als das ruhende Helium-Paar. Dieser Energieunterschied ist gleich der kinetischen Energie der wegsausenden Kerne. Die Gesamtenergie bleibt konstant.
4. Paarbildung
Lässt man Gammastrahlen hoher Energie auf Materie treffen, so können „Elektronenzwillinge“, nämlich ein gewöhnliches Elektron (Negatron) und ein Positron entstehen. Die
Energie der Gammastrahlen entspricht der Masse der Elektronen nach Einsteins Formel plus
ihrer kinetischen Energie:
E = 2mec2 +Ekin.
Man spricht hier von „Materialisation der Energie“. Dabei wird aber nicht berücksichtigt, dass schon früher eine Art theoretische Materialisation des Lichtes stattgefunden hat:
Die Quantentheorie schreibt dem Licht unter bestimmten Bedingungen eine Masse zu, und
diese Bedingungen sind hier erfüllt. Die Paarbildung wird nur verständlich, wenn man von
Lichtquanten, also hier von -Quanten mit der Energie h ausgeht (wobei  die Frequenz der
Strahlung in der Wellenauffassung ist). Die letzte Formel lautet dann:
h = 2mec2 +Ekin.
Dividiert man sie durch c2, so erhält man:
E
h
 2 me  kin
.
2
c
c2
Links steht die Masse mq des Lichtquants, rechts die beiden Elektronenmassen vermehrt um ihre Massenzunahme infolge ihrer kinetischen Energie. Von einer Umwandlung
von Energie in Masse kann also auch hier nicht die Rede sein, es sei denn man nimmt die
Quantenmasse der Gammastrahlen als Masse nicht so recht ernst, weil (anders als bei den
Elektronen) ihr keine Ruhmasse entspricht, und daher auch der Begriff „träge Masse“ wenig
sinnvoll ist. Durch ihren Impuls ist sie aber klar definiert. Man kann also nur sagen, dass hier
Masse, die nur als bewegte Masse existiert, zum Teil in Masse verwandelt wird, die auch Ruhemasse besitzt, was wiederum sehr interessant ist, aber nicht die kritisierte Umwandlung
beweist.
Energetisch gesehen, verwandelt sich die Energie des Lichtquants in die Konfigurationsenergie der Elektronenpaars (das ja wieder „zerstrahlen“ kann) plus seine kinetische
Energie.
Der umgekehrte Prozeß wird oft als Verwandlung von Masse in Energie angesehen,
was aber ebensowenig zutrifft.6
6
Dagegen wir der Begriff „Zerstrahlung“ nicht von meiner Kritik getroffen.
4
5. Massendefekt
Wenn sich Protonen und Neutronen zu einem Atomkern vereinigen, so ist dessen
Masse kleiner als die Summe der Nukleonenmassen. Dieser Massendefekt entspricht der Bildungsenergie des Kerns. Sie wird bei seiner Bildung frei, und eine gleichgroße Energie muss
aufgebracht werden, um den Kern wieder in seine Teile aufzuspalten. Man erklärt nun, dass
die fehlende Masse des Kerns als äquivalente Energie nach draußen gegangen sei. – So einleuchtend das im ersten Moment klingt, so ist es doch nicht viel besser als die Sache mit
Herrn Meiers Hut und Stock. Wenn wirklich nichts geschehen wäre, als dass sich Masse des
Kerns in Energie verwandelt hat, so dürfte doch nur seine Masse abgenommen haben und
seine Energie müsste gleich geblieben sein. Es hat aber auch seine Energie entsprechend abgenommen. Und die Energie, die nach draußen ging, ist ja auch wirksam. Nehmen wir an, sie
beschleunigt Elektronen. Dann nimmt deren Masse entsprechen zu, und wir haben nichts
grundsätzlich anderes als beim elastischen Stoß in Abschnitt 1: Das eine Teilsystem verliert
Masse und Energie, das andere gewinnt sie.
Ein Verschwinden von Masse überhaupt und ihre Verwandlung in Energie findet also
nirgends statt.
6. Andere Deutung
Diese Kritik ist keineswegs neu. So findet sich im Internet seltener, aber auch entschiedener die Ansicht, dass keine Umwandlung von Masse in Energie möglich sei. So steht
unter „wer-weiß-was“7 eine aufschlußreiche Diskussion. Da heißt es dezidiert:
Masse und Energie lassen sich genauso wenig ineinander umwandeln wie Frequenz und Wellenlänge,
da laut Einstein jede noch so kleine Energie eine Masse und jede noch so kleine Masse ein Energie hat.
Das eine bedingt das andere.
In der Physikdidaktik der Universität Karlsruhe steht unter „Altlasten der Physik “8
In manchen Lehrbüchern und Zeitschriften findet man die Aussage, dass die Einsteinsche EnergieMasse-Beziehung bedeutet, Energie und Masse seien verschiedene Erscheinungsformen einer einzigen
Größe und Energie könne in Masseverwandelt werden. Würde diese Aussage zutreffen, so könnte man
Energie von Masse unterscheiden. Eine Abnahme der Energie wäre mit einer Zunahme der Masse verknüpft und umgekehrt. Das ist aber nicht zutreffend, und es ist auch nicht das, was Einsein behauptet.
Nach Einstein handelt es sich bei den Größen, die vorher den Namen Energie und Masse hatten, um ein
und dieselbe Größe.
Allerdings ist diese Erklärung, die offenbar auch Einstein selber teilte, nicht weniger
problematisch als die kritisierte. Sie heißt schlicht, dass Masse und Energie nur verschiedene
Bezeichnungen für dieselbe Sache seien. Dann ist es freilich kein Problem mehr, dass beide
gleichsinnig zu- oder abnehmen. Es ist aber realitätsfern. Wir erleben doch das, was wir mit
Energie bezeichnen und was als gesunder Begriff „Arbeitsfähigkeit“ bedeutet, völlig anders
als die träge Masse eines Körpers. Dass das, was mit den beiden Begriffe erfaßt wird, tatsächlich zusammen auftritt, beweist ihre Identität so wenig wie das Zusammenauftreten von Radius und Umfang einer Kugel deren Identität beweist. Wenn ein Auto mit zwei Tonnen Masse
und einer Geschwindigkeit von 200 km/h zu Testzwecken gegen eine feste Wand fährt, so
kann ich nicht nachvollziehen, daß die entstehende Destruktion nur eine Wirkung der winzi7
8
http://www.wer-weiß-was.de/theme196/article1855449.html
http://www.physikdidaktik.uni-karlsruhe.dealtlast/13.pdf
5
gen Massenzunahme von 1/10 000 mg gegenüber der Ruhmasse sein soll. Allerdings kann
man das Unbefriedigende dieser Deutung nicht erkennen, wenn man nur auf Quantitäten achtet und die Qualitäten einfach ignoriert.
In der eben erwähnten Diskussion behauptet der Verfechter der Identität von Masse
und Energie, dass E = mc2 „im Prinzip“ die gleiche Bedeutung hat wie 1kg = 2Pfund. c2 ist
ein Umrechnungsfaktor wie die 2. Dieses Beispiel zeigt aber gerade den Unterschied: Der
Begriff Pfund ist entbehrlich, denn er bezeichnet wirklich nichts substantiell anderes als das
Kilogramm, und es wird ja auch tatsächlich kaum noch verwendet. Wenn Masse und Energie
wirklich dasselbe wären, so könnte man einen der beiden Begriffe entbehren, was aber unmöglich ist. Der Wert der behaupteten Identität beruht doch nur darauf, dass man zu erkennen
glaubt, zwei Dinge, die wir verschieden erfahren, seien in Wirklichkeit identisch. Wenn man
dann die Erfahrung wieder ignoriert, geht auch der Wert verloren.
7. Das Resultat
Es bleibt die Deutung der Einsteinformel im Sinn dieser Darstellung: Jede Zunahme
der inneren Energie eines Systems bewirkt eine Zunahme der Masse des Systems, und diese
Masse ist von der Energie verschieden. Masse und Energie können sich nicht ineinander umwandeln, sind aber auch nicht identisch, sondern treten zusammen auf. Auch der Begriff
„äquivalent“ ist daher nicht passend, sondern ist besser durch „entsprechend“ zu ersetzen.
Man kann dabei drei Stufen der Masse unterscheiden, die sich ineinander nach folgenden Schema umwandeln lassen, wobei ihre Quantität erhalten bleibt:
Masse, der keine Ruhmasse zugrunde liegt (z.B. Lichtquant)
Masse, die durch Vergrößerung einer Ruhmasse bei Bewegung entsteht (z.B. Strahlen)
Ruhmasse (z.B. ein ruhender Stein)
Hierbei geht von unten nach oben einerseits Konfigurationsenergie in Strahlungsenergie und kinetische Energie und andererseits Ruhmasse in bewegte Masse über, was man tatsächlich als eine gewisse Entmaterialisation bezeichnen kann.
Die Ruhmasse eines Körpers ist in dieser Deutung keine Energieform, sondern der
Körper hat eine dieser Masse nach der berühmten Formel entsprechende Konfigurationsenergie, die bei seiner Zerstrahlung in andere Energieformen übergeht. Nach Beschleunigung in
einem Inertialsystem hat die Energie um die kinetische Energie zugenommen und zur Ruhmasse ist die der Energie entsprechende Masse hinzugekommen.
8. Anwendungen
Da es sich bei den energetischen Vorgängen um Prozesse handelt, ist es sinnvoll, die
Formel differentiell zu formulieren:
6
dE
 c2 .
dm
(2)
Macht man zur Probe für einen durch die Kraft F beschleunigten Körper der Ruhmasse m0
d
ds
den Ansatz dE = Fds mit F  mv  sowie v 
, so erhält man daraus nach einiger
dt
dt
Rechnung für m Gleichung (1). Die Gleichung (2) ist also äquivalent mit der relativistischen
Massenzunahme. (Siehe Anhang.)
Ein weiteres Beispiel ist die Masse eines einatomigen Gases mit der absoluten Temperatur T.
Für ein Mol liefert die Gleichung für die Zunahme der Masse vom absoluten Nullpunkt an
gerechnet:
3 RT
m 
,
2c 2
was in Einklang mit der kinetischen Gastheorie ist.
Technisch wurden 500 Millionen Grad erreicht. Wenn man annimmt, dass die Energie
auch dann noch annähernd mit der obigen Formel zu berechnen ist, so kommt man in den
Bereich der Messbarkeit. Man kann aber auch hier weder behaupten, die Masse habe sich in
Wärme verwandelt, noch die Massenzunahme sei diese ungeheure Wärmeenergie.
Interessant wäre die Anwendung auf die potenzielle Energie von Sternen.
9. Grundsätzliche Bedeutung
Vom Standpunkt einer umfassenden Weltentwicklung, wie die Anthroposophie sie
lehrt, scheint zunächst die Entstehung der Materie aus Energie (also die „landläufige Deutung) einleuchtend: Wenn man die Energie mehr der geistigen Seite der Welt zuordnet, könnte man sagen, dass die Materie verdichteter, geronnener Geist sei, was durchaus mit der Anthroposophie in Einklang steht9. Dort wird als Vergleich gebracht, dass eine Wolke verdichteter, vorher unsichtbarer Wasserdampf sei, und so sei die Materie verdichteter Geist. Aber dieser Vergleich zeigt wie jeder Vergleich nur einen bestimmten Aspekt der Sache. Man kann
ihn hier schon ergänzen, wenn man nur das Beispiel ergänzt: Wenn Wasserdampf zu Wasser
kondensiert, so entsteht Wärme, also etwas, was im Sinne des Bildes noch geistiger ist als der
Wasserdampf. Entsprechendes berichtet die Anthroposophie von der gesamten Weltentwicklung: Wenn sich Wärme zu Luft verdichtet, so bildet sich zugleich das Licht und wenn aus
Luft Wasser entsteht, so wird zugleich der Schall geboren10. Das ist natürlich keine Physik im
heutigen Sinne, aber es zeigt das esoterische Prinzip der Verdichtung, das immer von einer
„Verdünnung“ begleitet ist.
Man kann vielleicht in der physikalischen Energie wirklich ein veräußerlichtes und
quantifiziertes Abbild eines bestimmten Geistigen sehen und in der trägen Masse eine Art
Gegenbild. In der Sprache der Anthroposophie kann das vielleicht durch den Gegensatz der
luziferischen und der ahrimanischen Geistigkeit ausgedrückt werden.
Beide Prinzipien sind nach der hier gegebenen Deutung bei den besprochenen Vorgängen immer gleichzeitig wirksam.
9
siehe z.B. R. Steiner Die Erkenntnis der Seele und des Geistes, GA 56, S. 94.
R. Steiner Das Matthäusevangelium, GA 123, S. 56
10
7
Anhang. Ableitung der Massenveränderlichkeit aus Gl. 2
Wenn die Ableitung nach der Zeit durch den Punkt ausgedrückt wird, so folgt aus
E  c 2  m nacheinander:
d
(ms)  s  c 2  m (wegen dE  Fds, also E  Fs ),
dt
(m s  ms) s  c 2  m ,
s s
m
 2
. Nun wird integriert:
m c  s 2
1
ln m   ln( c 2  s 2 )  C ,
2
K
m
,
c2  v2
woraus wegen m = m0 für v = 0 Gl. (1) folgt.
8
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