Interviewfragen Dagmar von Cramm

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Wissenswertes rund um Fett,
essentielle Fettsäuren und ihre Quellen
Im Gespräch mit Dagmar von Cramm, Oecotrophologin und
erfolgreiche Autorin von Kochbüchern und Ratgebern im Bereich
Ernährung
Macht Fett eigentlich fett?
Fett liefert mit etwa 8 kcal pro Gramm doppelt soviel Energie wie die beiden anderen Ernährungsbausteine Kohlenhydrate und Eiweiß. Das machte Fett in unseren Köpfen zum Dickmacher und löste die
Low Fat-Welle aus. Seither sank der Fettverzehr in Deutschland von etwa 40 % auf 36 % der täglichen
Kalorienzufuhr. Das Übergewicht stieg aber weiter. Denn die Verbraucher ersetzten Fette teilweise durch
Kohlenhydrate – und Alkohol! Die einfache Vorstellung, dass Fett vom Teller direkt auf den Hüften landet,
ist so nicht zu halten. Studien mit Nüssen zeigten sogar, dass eine zusätzliche Portion dieser fettreichen
Lebensmittel das Gewicht nicht steigen ließ! Fett an sich macht also keinesfalls fett. Aber ein zuviel an
Kalorien – aus Fett und/oder Kohlenhydraten – verbunden mit geringer körperlicher Aktivität kann
natürlich zu Übergewicht führen.
Was haben Fettsäuren mit Fett zu tun? Was unterscheidet gesättigte und ungesättigte
Fettsäuren?
Fettsäuren sind Bausteine von jedem Fett. Genauer gesagt: Je drei (Tri-) Fettsäuren, die durch ein
Glycerinmolekül verbunden sind, bilden wiederum ein Fettmolekül. Deshalb wird Fett auch als
„Triglycerid“ bezeichnet. Je nachdem, welche Fettsäuren am Aufbau beteiligt sind, verändern sich die
Eigenschaften des Fettes.
Es gibt rund 20 verschiedene Fettsäuren, die in der menschlichen Ernährung eine Rolle spielen. Sie
unterscheiden sich in Länge und Aufbau. Grundsätzlich bestehen sie alle aus Kohlenstoff (C),
Wasserstoff (H) und Sauerstoff (O). Sind die Verbindungsmöglichkeiten für Wasserstoff voll
ausgeschöpft, sprechen wir von einer gesättigten Fettsäure. Ist ein Fett reich an diesen „voll bepackten,
trägen“ Fettsäuren, ist es bei Raumtemperatur fest wie Butter, Kokosfett oder Schmalz. Sind die
Verbindungsmöglichkeiten nicht voll ausgeschöpft, sprechen wir von den einfach- oder mehrfachungesättigten Fettsäuren. Die Stellen, die nicht voll mit Wasserstoff besetzt sind – bilden dann eine so
genannte Doppelbindung. Ist ein Fett reich an diesen ungesättigten Fettsäuren, ist es bei Raumtemperatur flüssig, wie Pflanzenöle.
Entscheidend ist aber der unterschiedliche Gesundheitswert: Gesättigte Fettsäuren sind vor allem
Energieträger. Ein Zuviel an gesättigten Fettsäuren kann sogar den Spiegel des ungesunden LDLCholesterins im Blut ansteigen lassen – das Risiko für Fettstoffwechselstörungen steigt. Ungesättigte
Fettsäuren hingegen punkten mit positiver Wirkung im Körper. Sie sind die „Königsklasse“, da sie
wichtige Funktionen im Stoffwechsel unterstützen, u. a. helfen sie die Fließeigenschaften des Blutes zu
verbessern oder sind Bausteine in Zellwänden. Von besonderer Bedeutung sind hier die lebenswichtigen
essentiellen Fettsäuren, weil der Organismus diese nicht selbst herstellen kann.
Was ist eigentlich der Unterschied zwischen essentiellen, omega-3 und -6 Fettsäuren?
Omega 3- und 6-Fettsäuren gehören beide zu den mehrfach-ungesättigte Fettsäuren. Die Klassifizierung
erfolgt nach der Lage der Doppelbindungen (der nicht mit Wasserstoff abgesättigten Stellen der Fettsäure
vom Methylende her gezählt). In diesen Kategorien gibt es jeweils Fettsäuren, die unser Körper braucht,
aber nicht selber herstellen kann. Deshalb müssen wir sie essen. Sie sind essentiell (aus dem
lateinischen: wesentlich) und lebensnotwendig: Sie sind wichtige Bestandteil von Zellwänden und
Gewebshormonen. Die wichtigsten Vertreter sind die Linolsäure (eine Omega-6-Fettsäure) und die
Alpha-Linolensäure (eine Omega-3-Fettsäure). Aus ihnen kann der Körper alle übrigen Fettsäuren
„bauen“.
Empfohlen ist ein ausgewogenen Verhältnis in der Nahrung von Omega-6- zu Omega-3-Fettsäuren von
5 : 1. Dies wird am Besten erreicht, indem unterschiedliche Pflanzenöle miteinander kombiniert werden.
Von welchen Lebensmitteln muss ich wie viel essen, um genug essentielle Fettsäuren zu
bekommen?
Essentielle, mehrfach-ungesättigte Fettsäuren sollten ca. 6-10 % der Energieaufnahme liefern.
Wer es ganz genau wissen will: Laut den Referenzwerten der DGE beträgt die empfohlene tägliche
Zufuhr an Linolsäure für Frauen 5,9 g, für Männer 7,4 g. Die empfohlene Zufuhr für alpha- Linolensäure
liegt für Frauen bei 1,2 g und für Männer bei 1,5 g pro Tag.
Wichtige Quellen für Omega-3-Fettsäuren sind allen voran Pflanzenöle wie Rapsöl, Walnussöl, Leinöl,
Sojaöl und mit diesen Ölen hergestellte Produkte wie z. B. (weiche) Margarinen sowie fetter Seefisch,
Walnüsse und Leinsamen. Schon mit 1 EL Rapsöl oder 5 Walnüssen am Tag ist z. B. der Bedarf an
Omega-3-Fettsäuren zu decken. Besonders linolsäurereich (Omega 6) sind dagegen Distel-,
Sonnenblumen- und Maiskeimöl. Um die empfohlenen Mengen essentieller Fettsäuren aufzunehmen,
empfehle ich, fetten Seefisch und Nüsse regelmäßig in der Küche zu verarbeiten und auf einen Mix aus
hochwertigen Pflanzenölen in der Ernährung zu achten – sei es im Salat oder als Margarine auf dem
Brot. Und das hoch gelobte Olivenöl? Es enthält vor allem einfach ungesättigte Fettsäuren und ist eine
ideale Ergänzung der mehrfach ungesättigten Fettsäuren, weil sie sich neutral auf den Cholesterinspiegel
auswirkt.
Wie kann die Zufuhr von essentiellen Fettsäuren erhöht und dabei die Aufnahme gesättigter
Fettsäuren gesenkt werden?
Austausch ist das Zauberwort: Durch einfache Änderungen der Lebensmittelauswahl, wie z. B. durch das
Bevorzugen von magerem Fleisch oder Fisch, und die Wahl von pflanzlichen Fetten anstelle tierischer
Fette lässt sich eine erheblich verbesserte Aufnahme von mehrfach-ungesättigten, essentiellen
Fettsäuren erreichen – bei vergleichsweise geringer Zufuhr von gesättigten Fettsäuren. Zum Beispiel:
Belegt man ein Brot mit einer Scheibe Salami und streicht Butter darunter, so nimmt man überwiegend
gesättigte Fettsäuren auf. Wählt man hingegen eine fettreduzierte Salami und streicht hier Margarine
unter, so sinkt der Anteil der gesättigten Fettsäuren im Vergleich etwa um die Hälfte, der Anteil der
mehrfach-ungesättigten Fettsäuren steigt. So einfach können wir verantwortungsvoll mit der Fettmenge
umgehen und dabei das Verhältnis von essentiellen und gesättigten Fettsäuren verbessern.
Was passiert, wenn wir keine essentiellen Fettsäuren bekommen oder ganz fettfrei leben?
Auf Dauer würden wir sterben – denn essentielle Nahrungsbausteine sind lebensnotwendig. Fett ist ja
nicht nur Träger von Geschmacks- und Aromastoffen, sondern erfüllt lebensnotwendige Funktionen im
Körper. Wird vollkommen auf Fett verzichtet, stellen sich zahlreiche Mangelerscheinungen ein. Es kommt
zu Müdigkeit, geringer Leistungsfähigkeit und Gereiztheit. Die Unterversorgung mit den fettlöslichen
Vitaminen A, D und E führt auf Dauer zu starken gesundheitlichen Beeinträchtigungen wie Rachitis bei
Vitamin D-Mangel. Sehstörungen, Muskelschwäche und Zittern sind typische Merkmale eines Omega-3Fettsäuremangels. Fehlt es an Omega-6-Fettsäuren, sind Hautekzeme, Fettleber, Blutarmut,
Infektanfälligkeit sowie schlechte Wundheilung und Wachstumsstörungen die Folge.
ABER: Ein tatsächlicher Mangel an essentiellen Fettsäuren ist in entwickelten Ländern eher
unwahrscheinlich. Ernährungs-Experten befürworten trotzdem eine reichlichere Zufuhr, um die
präventiven Wirkungen der essentiellen Fettsäuren noch mehr auszuschöpfen.
Gehören essentielle Fettsäuren zu den versteckten Fetten?
Versteckte Fette sind „unsichtbare“ Fette in Wurst, Käse, Süßigkeiten, Gebäck und Fertigprodukten. Man
erkennt sie nicht auf den ersten Blick, weil sie sich im Produkt verteilen: da hilft nur die
Packungsaufschrift. Bei Lebensmitteln tierischer Herkunft wie Wurst und Käse ist klar: sie enthalten
reichlich gesättigte, also eher ungesunde Fette. Doch auch Schokolade bekommt ihre Konsistenz durch
gesättigte Fette in der Kakaobutter. Und Gebäck und Riegel enthalten oft gesättigte Fette. Die aber
erhöhen das Risiko für Herzkreislauferkrankungen. Essentielle Fettsäuren dagegen sind mehrfach
ungesättigt und kommen deutlich sichtbar in pflanzlichen Ölen und Margarine vor. Aber: in Nüssen und
Samen sind ausnahmsweise auch essentielle Fette „versteckt“.
Was ist der Unterschied zwischen tierischen und pflanzlichen Fetten?
Mensch und Tier, aber auch Pflanzen brauchen in ihrem Stoffwechsel Fett. Dabei findet sich das
Pflanzenfett vor allem im Samen, der die Bausteine für eine neue Pflanze in sich trägt: Nüsse, Samen,
Kerne, Getreidekeime. Olivenöl wird aus dem Fruchtfleisch der Oliven gewonnen. Meist sind diese
Rohstoffe reich an ungesättigten Fettsäuren (einfach und mehrfach). Das gilt auch für die Öle, die daraus
gepresst werden. Und für Streichfette wie Margarine, wenn sie schonend aus diesen Pflanzenölen
hergestellt werden. Ausnahmen sind Kokos- und Palmkernfett sowie Kakaobutter. Sie enthalten reichlich
gesättigte Fettsäuren und sind bei Raumtemperatur fest.
Fette tierischen Ursprungs sind entweder Speicherfette vom Tier wie Schmalz, Talg oder Speck. Oder sie
stammen aus Milch oder dem Eigelb. Sie alle bestehen hauptsächlich aus gesättigten Fettsäuren.
Deshalb sind tierische Fette im Vergleich zu Pflanzenfetten auch eher fest.
Aber auch hier gibt es Ausnahmen, die Fischöle. In kalten Gewässern sind Fische darauf angewiesen,
dass ihre Fettpolster geschmeidig bleiben – fettreiche Fischsorten wie Hering, Makrele oder Lachs
punkten deshalb durch ihren hohen Gehalt an gesunden Omega-3-Fettsäuren. Doch wer will sich schon
Lebertran auf‘s Brot schmieren?
Was sind Transfettsäuren und was haben sie mit gehärteten Fetten zu tun?
Transfettsäuren gehören zu der Gruppe der ungesättigten Fettsäuren. Anders als die viel gelobten
Vertreter wurde ihre Kettenstruktur jedoch „verdreht“. Sei es durch Mikroorganismen, wie in tierischen
Milchfetten, oder durch eine industrielle Teilhärtung von Pflanzenölen. Transfettsäuren haben eine
negative Wirkung auf die Gesundheit. Sie erhöhen das schlechte LDL-Cholesterin im Blut und senken
zugleich das gute HDL-Cholesterin. Dadurch steigt das Risiko für Arteriosklerose. Dies wurde in den
Neunzigerjahren festgestellt und seit dem verzichtet man für die Herstellung von Marken Margarine auf
eine Teilhärtung und hat das Verfahren so weit entwickelt, dass der Anteil von Transfettsäuren unter 1 %
gesenkt wurde. Das liegt deutlich unter dem natürlichen Anteil in Milchfetten.
Die Empfehlungen der Experten lauten: Die Zufuhr von Transfettsäuren sollte 1 % der Tagesenergie nicht
überschreiten.
Wie macht man flüssiges Öl zu Margarine?
Am Anfang steht eine optimale Mischung aus einem möglichst hohen Anteil von Pflanzenölen und nur
soviel natürlichen festen Fetten, wie nötig, um Streichfähigkeit zu erreichen. Das Ziel ist, das
Fettsäuremuster durch den Einsatz unterschiedlicher Pflanzenöle – allen voran Raps-, Sonnenblumenund Leinöl – nach den Empfehlungen der Ernährungs-Experten zu optimieren: reich an mehrfachungesättigten, essentiellen Fettsäuren und möglichst wenig gesättigte Fettsäuren. In ausgereiften
Verfahren werden diese Bestandteile durch ständiges Kühlen und Rühren miteinander verbunden.
Emulgatoren wie das Lecithin aus Sonnenblumen stabilisieren die Mischung. Bestimmte Rezepturen
erfordern zusätzlich eine so genannte Umesterung – hier wechseln die Fettsäuren ihren Platz im
Fettmolekül. Das reicht aus, um festere Strukturen und damit Streichfähigkeit zu erreichen. Gehärtete
Fette sind heute nur noch in vereinzelten Margarinen zu finden. Die so genannte Teilhärtung wird seit den
Neunzigerjahren nicht mehr durchgeführt, da in diesem Verfahren die unerwünschten Transfettsäuren
entstehen.
Wie beurteilen Sie die Ergebnisse der Millward Brown Studie im Vergleich zu den Ergebnissen des
Ernährungsberichts 2008 und der Nationalen Verzehrs Studie (NVSII)?
Der Ernährungsbericht und die NVS II belegen, dass die tägliche Fettaufnahme in Deutschland noch
immer über der empfohlenen Menge liegt, auch wenn sie über die Jahre leicht gesunken ist. Immer noch
ist die Zusammensetzung der Fette nicht optimal. In der Realität sparen Verbraucher demnach vor allem
an sichtbaren Fetten, die sie erkennen können. Gerade diese Fette wie Pflanzenöl und auch Margarine
enthalten besonders viele gesunde Fettsäuren – im Gegensatz zu den versteckten Fetten in Wurst, Käse,
Süßigkeiten und Gebäck!
Das scheint die Konsequenz aus der Verwirrung zu sein, die die Millward Brown Studie bei Verbrauchern
zeigt. Begriffe wie gesättigte Fettsäuren und Omega-3-Fettsäuren sind nur vom „Hörensagen“ bekannt.
Das Wissen um deren gesundheitliche Wirkungen ist sehr ungenau. Es hapert an Alltagswissen: Welche
Fette sind gesund? Wo sind sie enthalten? Was tut mir gut – und wieviel? Kein Wunder: zu
widersprüchlich sind die Botschaften der letzten Jahre und zu kompliziert die Materie.
Die Ergebnisse zeigen, dass auch in Deutschland mehr Praxis orientierte und beispielhafte Aufklärung
über Fette nötig ist.
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