Werkstoffe und Sensorik 27 ________________________________________________________________________________________________________________________ 4. Ionische Übergänge DSKonfig. = k ln N! n!(N - n)! (4.3) 4.1. Feste Ionenleiter und Grenzflächen Freie Energie der Bildung von n Defekten: Die Ionenleitung in Festkörpern beruht auf der Bildung von Defekten und deren Beweglichkeit (Abb. 4.1.) DF = nE - TDS (4.4) Minimum der freien Energie: Ê E ˆ˜ n = N exp Á Ë kT ¯ Abb. 4.1. Die im Gleichgewicht vorliegende Defektkonzentration ist durch die Konfigurationsentropie DS konfig. und die Energie E der Bildung der Defekte gegeben: n DSKonfig . = k ln cN (4.1) Zahl der Möglichkeiten, n Defekte auf N Plätzen zu verteilen: c nN = N! N ( N - 1)... ( N - n + 1) = n!( N - n)! 1. 2. .. n Einsetzen in Gl. (4.1) ergibt (4.2) (4.5) Neben Elektronen können bewegliche Ionen Potentialabfälle an Übergängen erzeugen. Ein Stromfluß bewirkt einen Materietransport und damit Änderungen, die mit chemischen Reaktionen verbunden sind. In einem Stromkreis werden elektronische Ströme in ionische Ströme umgewandelt. In zunehmender Zahl sind Festkörper mit hoher Ionenleitung (vergleichbar mit Flüssigkeiten) bekannt geworden. Die Ionenleitung kann dominant sein ("Elektrolyte“) oder von Elektronenleitung überdeckt werden ("Elektroden“). Eine hohe Ionenleitung ist im allgemeinen durch eine strukturelle Fehlordnung bestimmt, Beispiele sind: i) Dotierung des Kristallgitters durch ein aliovalentes Ion von ZrO2 mit Y2 O3, wobei durch Substitution des vierwertigen Zirkoniums mit dreiwertigem Yttrium Sauerstoffleerstellen erzeugt werden, über die eine hohe Sauerstoffionenleitung möglich ist, die die Elektronenleitung überragt (Abb. 4.2.). ii) Die Zahl der energetisch annähernd gleichwertigen Plätze im Kristallgitter ist wesentlich größer als die Abb. 4.2. ZrO2 (+Y2O3) Fester Sauerstoffionenleiter durch strukturelle Fehlordnung 28 Werkstoffe und Sensorik ________________________________________________________________________________________________________________________ Abb. 4.3. Abb. 4.5. Al 2O 3 bildet Spinellblöcke, die im Abstand von 11 Å Abb. 4.4. Li2 (OH) Br ; Schmelzpunkt: 245°C Zahl der Ionen. Beispiel: a-AgI. Für jedes Silberion stehen zwölf Plätze zur Verfügung (Abb. 4.3.). iii) Strukturelle Besonderheiten, z. B. unbesezte Plätze aufgrund der Wertigkeit der Ionen oder Bildung von leitfähigen Ebenen mit zahlreichen unbesetzten Plätzen. Beispiele: Li2(OH)Br (Abb. 4.4.) b / b' ' - Al2 O3 ( Na 2 O⋅11Al2 O3 , Na 2 O⋅ 7Al 2O 3 ) (Abb. 4.5.). durch Ebenen voneinander getrennt sind, in denen sich Natrium- und Silberionen und in geringerem Ausmaß auch zwei- und dreiwertige Ionen leicht bewegen können. Die Blöcke werden durch Sauerstoffbrücken zusammengehalten. Zwei Betrachtungsweisen sind nebeneinander von Bedeutung: i) Einstellung des ionischen Gleichgewichts über die Grenzfläche (analog zum Gleichgewicht der Elektronen), ii) Energiebilanz der virtuellen Reaktion bei Stromfluß (elektrische Energie = chemische Energie). Unterschiedliche chemische Potentiale der beweglichen Komponente an einem Übergang erzeugen einen elektrischen Potentialgradienten, der die ionische Bewegung kompensiert. Die Diffusion wird durch einen chemischen Potentialgradienten hervorgerufen (Ficksches Gesetz): cD (4.6) jD = - i i grad mi kT Die Verschiebung der Ionen durch Diffusion erzeugt ein elektrisches Feld, das der Diffusion entgegenwirkt. Der Werkstoffe und Sensorik 29 ________________________________________________________________________________________________________________________ ionische Fluß in dem elektrischen Feld ist (Ohmsches Gesetz): s ' (4.7) jE = - i grad j z iq Im Gleichgewicht sind beide Flüsse entgegengesetzt identisch ( jD + jE = 0 ). Die Leitfähigkeit ist dem Produkt der Konzentration und Diffusivität proportional si = - c iDi z2i q 2 kT Einsetzen in ' jE = jD = - (4.8) si grad∅ ergibt dann mit z iq C i Di grad m i kT für das elektrische Feld: grad∅ = 1 grad m i z iq (4.9) Integration über alle Phasen und deren Grenzflächen ergibt die meßbare Spannung. Der Potentialabfall über die gut elektronisch leitenden Materialien ist vernachlässigbar, und es ergibt sich die Nernstsche Gleichung: 1 ,l E=m i * - mi *, r , z iq ( ) (4.10) m = mo + kT ln p und es ergibt sich daraus der folgende Zusammenhang zwischen Spannung und Gaspartialdruck: E= kT Pig ln z i q Pir wobei m (4.12) r wobei Pi der Partialdruck an der Referenzelektrode ist. Eine Änderung des Partialdrucks um eine Größenordnung -4 ändert die Potentialdifferenz um 1.98 x 10 T[ K ]xz i V , z. B. 200 / z i mV bei 1000 Kelvin. Anmerkung zu den Vorzeichen: E ist positiv, wenn die rechte Seite der Anordnung positiv ist; elektrische Ströme sind positiv, wenn positive Ladungsträger vo links nach rechts oder negative Ladungsträger von rechts nach links fließen. Der logarithmische Zusammenhang beruht darauf, daß die Diffusion nur dem Aktivitätsgradienten proportional ist, während die Migration im elektrischen Feld dem absoluten Wert der Konzentration proportional ist. Ein kleineres elektrisches Feld wird mit zunehmender Konzentration benötigt, um den gleichen Diffusionsfluß zu kompensieren. In der Energiebilanz wird die elektrische Arbeit der chemischen Energie DGr proportional gesetzt: DGr = nqE * (4.11) (4.13) das chemische Potential der neutralen Komponente ist. l und r deuten die linke und rechte Seite des ionisch-leitenden Materials an. Ionische Leiter mit hoher Leitfähigkeit zeigen im allgemeinen keine lokale Änderung des chemischen Potentials der leitfähigen Ionen, da eine hohe ionische Fehlordnung vorliegt. Die Zellspannung ist daher durch die Potentialfabflälle an den Phasengrenzen bestimmt. Da der Unterschied des chemischen Potentials der Ionen über den Ionenleiter vernachlässigbar ist, ist der Unterschied des chemischen Potentials der neutralen Komponente durch das unterschiedliche chemische Potential der Elektronen im Ionenleiter bestimmt. Diese Differenz wird durch die Zellspannung gemessen. Ist der Ionenleiter mit einem Gas der beweglichen Ionensorte ins Gleichgewicht gebracht, so kann für das chemische Potential der Ansatz einer idealen Verdünnung gemacht werden: wobei n die Zahl der Elektronen der betrachteten Reaktion ist. Diese Betrachtungsweise erlaubt nicht die Einsicht in den Mechanismus der Bildung der Zellspannung, ist aber oft von Vorteil, da die Energiebilanz auch bei Nichtgleichgewicht gilt. Diese Betrachtung zeigt auch, daß umgekehrt elektrische Ströme angewandt werden können, um kinetische Prozesse zu erzwingen, Hiervon wird in den amperometrischen Sensoren Gebrauch gemacht. Die Gibbs-Energie der Reaktionen ist mit dem Transfer von z i -fach geladenen Ionen von der ReferenzElektrode zur Gas-Elektrode verbunden. Dieses entspricht m i * ,g - m i *, r , was wiederum zum Nernstschen Gesetz führt. Jede Zellspannungsmessung erfordert einen Strom, der gewöhnlich sehr klein ist, um ein Gleichgewicht mit den Elektroden zu erlauben und Polarisationseffekte zu minimieren. Es können jedoch Polarisationseffekte auch 30 Werkstoffe und Sensorik ________________________________________________________________________________________________________________________ vorteilhaft angewandt werden, um Phänomene zu erzeugen, die eine Indikation des Gasdrucks sind. Die folgenden Übergänge werden betrachtet: PO 2 r O - - PO2 g Potentiometrische Sensoren des Typs I In Sensoren des Typs I werden Teilchen gemessen, die im Elektrolyten ionisch beweglich sind. Beispiel: Anwendung von Z r O 2 (+Y 2 O 3 ) zur Messung des Sauerstoffdrucks in Gasen. Einbaugleichung 1 O 2 ( g ) + V O⋅⋅ e' 2 2 [ ][ ] = 0 (DSE) (4.14) (4.18) kT Pig ln ist die OC-Spannung z i q Pir Nach der Gleichung E = der logarithmischen Differenz der Sauerstoffpartialdrucke zwischen beiden Seiten proportional. Ein (virtueller) Stromfluß erzeugt an den Grenzflächen Reaktionen des Sauerstoffs mit Elektronen der Zuleitung: 1 An der Referenzelektrode: 2 An der Gas/Meßelektrode: O MWG pO2 1 2 [V ] [e ] = const ' ⋅⋅ O (4.15) Da die durch Variation von pO2 hervorgerufene Fehlordnung gegenüber der deren die Dotierung erzeugte Konzetration von Defekten vernachlässigbar ist, gilt [V ] ª const ⋅⋅ O Aus MWG folgt damit [e ] ª p ' O2 -1 4 für niedrige pO2 (4.16) - 14 für hohe pO2 (4.17) und [h ] ª p ⋅ O2 mit der Gesamtreaktion: 1 2 O 2 r + 2e - Æ O - - (4.19) Æ 2e - + 1 2 O2 g (4.20) -- O2r Æ O2 g Potentiometrische Sensoren des Typs II 1/6 [e'] [h˙] [V ] ⋅⋅ O [ ] ⋅⋅ VO [O ] '' i -1/4 Abb. 4.6. 2 (4.21) Die virtuelle Zellreaktion ist in diesem Fall einfach; der Transfer von Sauerstoff von einer Seite des Ionenleiters zur anderen. Die Gibbs-Energie dieses Prozesses entspricht der Differenz der chemischen Potentiale des Sauerstoffs auf beiden Seiten. Beispiele für die Anwendung von Sensoren des Typs I:Lambdasonde zur Regelung des Kraftstoff- / Luftgemisches in Verbrennungsmotoren, Bestimmung von Sauerstoff-Restgehalten in Metallschmelzen, Kontrolle der Kohlenstoffaktivität bei der Härtung von Stählen, Kontrolle von Verbrennungsvorgängen. Andere Beispiele von Typ I-Sensoren: AgCl, Protonenleiter für Wasserstoffkonzentrationen -1/6 log [ ] 1 1/4 log PO2 Werkstoffe und Sensorik 31 ________________________________________________________________________________________________________________________ In potentiometrischen Sensoren des Typs II wird die Komonente gemessen, die in dem Ionenleiter unbeweglich ist. Ein binärer Elektrolyt kann die Stöchiometrie im Gleichgewicht mit dem Gas durch Änderung der Konzentration der mobilen Komponente in der umgekehrten Richtung zur Änderung des Gasdrucks einstellen. Die chemischen Potentiale der beweglichen Komponente A und der unbeweglichen Komponente B sind durch die Duhem-Margules Gleichung miteinander verknüpft: SdT - Vdp + n A d m * + n B d mB* = 0 (4.22) Bei konstanter Temperatur und konstantem Gesamtdruck verschwinden die beiden ersten Terme. In der Gleichung für die Zellspannung kann die bewegliche Komponente durch die unbewegliche ersetzt werden. Die Zellspannung läßt sich aus der Duhem-Gibbs-Gleichung für die Gibbs’sche Energie DGf 0 für die Bildung des Ionenleiters ableiten: ( ) DGf 0 = nA m A * - m A * ,0 - nB ( mB * - mB * ,0 ) (4.23) Auflösen nach dem chemischen Potential der beweglichen Komponente A und Anwendung der Nernstschen Gleichung gibt dann: E= 0 wobei E das Standard-Zellpotential der Reaktion ist, wenn alle Reaktanten und Produkte in ihren Standardzuständen vorliegen. Potentiometrische Sensoren des Typs III Eine Beschränkung der Sensoren des Typs I und II besteht in der Notwendigkeit des Vorhandenseins ionisch beweglicher oder unbeweglicher Komponenten im Ionenleiter. Diese wird durch die Verwendung von Hilfsphasen (Oberflächenmodifikationen) zwischen dem Ionenleiter und dem Gas überwunden. Dieses Vorgehen erlaubt die Verwendung vieler Materialien, besonders der mit hoher Silber- und AlkaliIonenleitung, auch bereits bei Umgebungstemperatur und für komplexe molekulare Gase. Die Hilfsphase ist bevorzugt elektronisch leitend und bewirkt eine virtuelle Reaktion, in die sowohl das Gas als auch die elekroative Komponente involviert sind. Betrachten wir einen binären (oder quasi-binären) Ionenleiter, der das Gas nicht enthält oder einen ternären Ionenleiter, der das Gas enthält, so muß die Zwischenschicht die Aktivitäten aller Komponenten nach der Gibbsschen Phasenregel durch den Gasdruck festlegen. Aus der Kombination der Gibbschen Bindungsenergien der beiden Verbindungen (fester Ionenleiter und Zwischenschicht): ˘ 1 È DG f 0,g DGf 0, r nB * ,g m B - m* B, r ˙ (4.24) ZAq ÍÎ n A NA nA ˚ ( ) Der Unterschied der Gibbsschen Energien der Bildung des Ionenleiters, DGf 0, g und DGf 0, r ist im allgemeinen vernachlässigbar klein, da due stöchiometrische Breite gewöhnlich sehr schmal ist. Gewöhnlich gilt auch z A n A = z B n B , und es gilt die Nernstsche Gleichung in identischer Form für die unbewegliche Komponente wie für die beweglichen Teilchen: E=- 1 ( m * ,g - m B* ,r ) . z Bq B (4.25) Beispiel für einen Sensor des Typs II: Anwendung von Sulfaten als Ionenleiter für Silber oder Alkaliionen zur Bestimmung von SO2 und / oder SO3. Es wird die Kette: Ag, Ag2 SO4 Sulfat - IL SO3 , O 2 , SO2 (4.26) verwendet. Die Zellspannung ist: E = E0 + kT 1 ln pSO 3 pO 2 2 a Ag 2SO 4 , 2q ( ) (4.27) 0 3 ( * * ,0 DGf =  n i mi - mi i =1 3 ) = kT  n ln a i * i (4.28) i =1 und der Nernst-Gleichung für die mobile Komponente A: 1 kT a *, r E=m *,A g - m*,A r = ln *A,g (4.29) zAq zAq a A ( ) ergibt sich durch Eliminieren des chemischen Potentials der dritten Komponente, die nicht mit dem Gas austauscht, die folgende Gleichung für die Zellspannung in Abhängigkeit vom Partialdruck pB der zweiten Komponente: E= kT( y1z 2 - y2 z 1 ) z A q( x1 z 2 - x 2 z1 ) ln pqB - z 2 DG of ,1 - z1 DGof ,2 z A q( x1 z 2 - x2 z 1 ) + kT lna*,A r (4.30) wobei der Ionenleiter die Zusammensetzung A x 1B y 1C z1 und die Zwischenphase die Zusammensetzung o A x 2 B y 2 C z2 haben. Die beiden Gibbs-Energien DGf treten auf, weil die Bildung oder Zersetzung dieser Verbindungen in der virtuellen Zellreaktion auftritt. Wenn diese Werte nicht bekannt sind, kann der 32 Werkstoffe und Sensorik ________________________________________________________________________________________________________________________ Zusammenhang zwischen der Spannung und dem Partialdruck durch Kalibrierung gewonnen werden. Im allgemeinen Fall eines N-komponentigen Systems ist die Verwendung von N-2 gassensitiven Zwischenschichten bei konstanter Temperatur und konstantem Druck erforderlich. In diesem Fall gilt allgemein: Redoxprozesse an den Elektroden können von dem erwarteten Verhalten deutlich abweichen. Kinetik kann auch katalytisch kontrolliert sein, um hohe Selektivität für spezifische Reaktionen zu erreichen. Was immer die chemische Reaktion ist, die entsprechende Gibbs-Energie wird von der elektrischen Energie kompensiert. p +1 W -1 kT ln pgB  (-1) z A qd p =1 E= X Bp d Ap p +1 1 W -1 (-1) z A qd  p =1 DG of ,p d Ap + kT ln a rA zA q E=- (4.31) Die Summation läuft über alle N-1 Phasen. A. ist die mobile Komponente des Ionenleiters; x repräsentiert die Stöchiometrie der Komponenten in den verschiedenen Phasen. Die Determinante d wird aus den stöchiometrischen Zahlen xij der i-ten Komponente und der j-ten Phase gebildet: x12 x 22 .... x1 N .... x 2 N x N2 .... x NN (4.32) dmp ist die Unterdeterminante, die durch Eliminieren der Spalte der Stöchiometrien der mobilen Komponente aller Verbindungen und der Zeile der Stöchiometrien der Phase p entsteht. d mp = x11 x 21 ⋅ x p1 x N1 x12 . .. x1 m .. . x 22 ... x 2 m ... x1 N x2 N xp 2 ... xpm ... x pN x 22 ... x Nm .. . x NN zAq DGr = - ˘ 1 È Í n ip m ip -  n ir m ir ˙ z A q ÍÎ i , p ˙˚ i,r (4.34) wobei n i p ,r und m i p , r die Mengen und chemischen Potentiale der chemischen Teilchen i in der Produkt- und Reaktantenphase sind. Beispiel: Bestimmungen des Chlordrucks mit Hilfe des Lithium-Ionenleiters LiAlCl4. In diesem Fall kann entweder LiCl oder AlCl3 als Zwischenphase verwendet werden. Unter Verwendung von LiCl ergibt sich: E= x11 x 21 d= M xN 1 1 kT 1 ln pCl2 - DG of (LiCl) 2q q (4.35) Unter Verwendung von AlCl3 sind sowohl LiAlCl4 und AlCl3 und das Chlorgas in die Zellreaktion involviert und die Zellspannung ist E= kT 1 ln pCl 2 - DGof ( LiAlCl4 ) - DGof ( AlCl3 ) (4.36) zq q [ ] 4.2. Amperometrische Sensoren (4.33) Selbst bei einer großen Zahl von Komponenten können Ionenleiter als ternäres System betrachtet werden, und die Zwischenschicht besteht nur aus einer einzigen Verbindung. Die anderen Komponenten können als thermodynamisch inaktiv betrachtet werden, da sie eine langsame Kinetik aufweisen und nicht zum Gleichgewichtsprozeß beitragen, Die Verhältnisse der Konzentrationen der unbeweglichen Komponenten, die nicht mit dem Gas austauschen, können als konstant angesehen werden. Andere kinetische Aspekte sind Abweichungen von der thermodynamisch erwarteten virtuellen Reaktion, die selbst unter potentiometrischen Bedingungen wegen der erfoderlichen geringen Ströme auftreten können. Die Reaktion kann kinetisch sehr komplex sein, und die In der Amperometrie ist primär der Strom durch eine Zelle mit ionischen Übergängen und die Kinetik der Zellreaktion am ionischen Übergang von Interesse. Neben dem Nernstschen Gesetz wird vom Faradayschen, Ohmschen und Fickschen Gesetz Gebrauch gemacht. Die Elektroden und der Elektrolyt müssen die chemischen Reaktionen unterstützen, die einen Elektronenstrom in einen Ionenstrom umwandeln. Diese Prozesse sind von vielen Parametern abhängig, z. B. dem Material, der spezifischen Natur der Oberfläche, der Geometrie und der Rheologie der Elektroden sowie vom externen Stimulus, wie z. B. dem zyklischen Potential. Der beobachtete Strom kann faradayisch sein, d. h. einer spezifischen Reaktion zugeordnet werden, oder nicht-faradayisch, wie z. B. die Aufladung der Doppelschicht. Faradaysches Gesetz in differentieller Form: Werkstoffe und Sensorik 33 ________________________________________________________________________________________________________________________ I= dQ dn = zq dt dt (4.37) (Q: Ladung). Gleichung (28) gibt den Strom durch den ionischen Übergang an. Der Strom kann durch verschiedene Polarisationen begrenzt werden: - Konzentrationspolarisation: begrenzte Nachlieferung von Teilchen, die ionisiert werden, - Reaktionspolarisation: begrenzter Ablauf der Reaktionen durch Bildung von Zwischen- oder Übergangszuständen, - Ladungsübergangspolarisation: ("Chargetransferpolarisation"): begrenzter Ladungsübergang vonElektron, Ion und Atom oder Molekül, - Adsorptions- / Desorptionspolarisation, - Kristallisationspolaristation: Hemmung in der Bildung einer neuen Phase. Zusätzlich tritt als Hemmung des Volumens des ionischen Leiters und der Elektronenleiter die - Widerstandspolarisation (IR-Abfall) auf. Von Bedeutung ist das Potential der Elektrode. Es führt zu Verschiebungen der - Verfügbarkeit von Elektronen am Übergang - der Energie der Elektronen am Übergang und - der Natur und der Menge der chemischen Spezies, die die Grenzfläche populieren können und an der Oberfläche adsorbieren. Die sensorische Information wird aus der Strom ISpannung U-Beziehung abgeleitet. In der Voltametrie wird die Spannung in einer kontrollierten Weise geändert, und der resultierende Strom wird als Funktion der Zeit gemessen. Üblicherweise wird die variable Spannung mit Hilfe eines Potentiostaten angelegt, indem ein Operationsverstärker das Potential der Arbeitselektrode (Working-Electrode WE) relativ zu einer Referenzelektrode (Refernce-Electrode RE) festlegt, während der Strom in der Zelle durch die Arbeitselektrode aus einer Gegenelektrode (CounterElektrode CE) gzogen wird. Durch die Referenzelektrode fließt kein Strom; sie behält daher ihr Nernstsches thermodynamisches Potential. Für den Übergang gilt: E = E0 + kT [ Ox ] ln nq [ Red ] (4.38) wobei n die Zahl der Elektronenist, die in den Redoxvorgang involviert sind. Wenn das Potential langsam in kathodischer Richtung erhöht wird, wird die in der Abbildung dargestellte Verschiebung der I-U- Kennlinie beobachtet. Wenn die Nernstsche Spannung erreicht ist, tritt ein Strom in Erscheinung. Die Zelle beginnt zu leiten. Die Ladung wird nun durch eine Reaktion durch die Grenzfläche transportiert. Es tritt ein Ohmsches Verhalten auf. Wird das Potential weiter erhöht, d. h. wird es mehr kathodisch gemacht, um die Reduktionsreaktion zu erleichtern oder wird es mehr anodisch gemacht, um die Oxidation zu erleichtern, wächst der Strom weiter an, bis jedes Reaktantenion mit der gleichen Geschwindigkeit konsumiert wird, so wie es die Elektrode erreicht. Der Grenzstrom IL wird erreicht. Bei größeren Spannungen als UL ist die Elektrode wiederum polarisiert und die Reaktionsrate wird durch Ionentransport im Elektrolyten kontrolliert. Der Transport der Ionen zu der Elektrode kann durch drei Prozesse erfolgen: Durch i) Diffusion in Gegenwart eines Konzentrationsgradienten ii) Migration unter dem Einfluß eines elektrischen Feldes und iii) durch Konvexion infolge thermischer Bewegung des Elektrolyten oder der Elektrode Der zweite Effekt ist in der Praxis durch ein Leitsalz eliminiert (Pufferlösung wanderungsfähiger Ionen). Konvexion wird durch eine ruhende Elektrolytlösung eliminiert. In diesem Fall ist der Strom durch Diffusion begrenzt, und es gilt das erste Ficksche Gesetz: (4.39) Der Term dc ist näherungsweise dem Unterschied der Konzentration des Volumens und der Oberfläche gleichzusetzen. Die Konzentration der Oberfläche kann als vernachlässigbar klein angenommen werden. Der Term dx wird durch die Dicke der Diffusionsschicht d approximiert: I d = -zqAD d d (4.40) Aus der Lösung des zweiten Fickschen Gesetzes: dc d2 c = -D 2 dt dx (4.41) kann das Verhalten des Stroms für verschiedene Anfangs- und Randbedingungen bestimmt werden. Eine gebräuchliche Methode ist die Vorgabe eines konstanten Potentials z. Zt. t=o. Die Lösung lautet in diesem Fall: I = zqDc B D Pt (Cotrell-Gleichung) (4.42) 34 Werkstoffe und Sensorik ________________________________________________________________________________________________________________________ Daraus kann c bestimmt werden. Wenn der beobachtete Strom an einer Elektrode nicht durch Massetransport kontrolliert wird, sondern durch Elektrodenprozesse, wie z. B. Elektrodentransfer und elektrokatalytische Reaktion, so gilt die Butler-Volmer-Gleichung: Ï Ê anqe ˆ nqe ¸ ˜ - exp (1- a ) I = I 0 ÌexpÁ ˝ Ë ¯ Ó kT kT ˛ (4.43) I0: Austauschstrom, a: Asymmetriefaktor, n: Zahl der involvierten Elektronen, e: Überspannung. Diese Gleichung reduziert sich zur Tafelgleichung für große angewandte Potentiale, und es gilt eine empirische Beziehung zwischen der Überspannung e und dem Strom i: e = a + b log I (4.44) Die Tafelkonstanten a und b ergeben sich durch Vergleich mit der Butler-Volmer-Gleichung a= kT 2, 303 kT ln I 0 , b = anq kT Bei sehr kleinen Überspannungen e << (4.45) kT kann die anq Butler-Volmer-Gleichung angenähert werden durch: I = I0 nqe e = kT R c t dargestellt, der für die nichplanare Diffusion des Analyten zur Elektrodenoberfläche hin Rechnung trägt: I = 4nq D cr f [ P (t )] (4.46) (4.47) wobei cos und cob die Konzentrationen der oxidierten Teilchen an der Elektrodenoberfläche und im Volumen der Lösung sind. crs und crb sind die entsprechenden Konzentrationen der reduzierten Teilchen. Die ButlerVolmer-Gleichung geht daraus hervor, wenn Volumen und Oberflächenkonzentration gleich sind. Die exponentielle Abhängigkeit des Stromes vom Potential liefert eine äußerst sensitive Methode für die elektronische Bestimmung der Chemie eines Systems. Wichtigste Beispiele unter den zahlreichen elektroanalytischen Methoden, die sich in den (4.48) Der Strom an einer Mikroscheibenelektrode kann spezifische Formen annehmen: I = nq A c I ändert sich nahezu linear mit der Überspannung (Ohmsches Verhalten). Rct wird Chargetransfer-Widerstand genannt Eine allgemeinere Gleichung ist die Eyring-Beziehung, die sowohl Massetransport als auch elektronischen Ladungstransfer berücksichtigt. Ïc È (1 - a ) nqe ˘¸ È anqe ˘ c rs I = I 0 Ì os exp Í exp Í ˙˚˝ ˙ Î kT ˚ c os kT Î Ó c ot ˛ vergangenen Jahren entwickelt und kommerzialisiert haben: - Zyklische Voltametrie: Das angelegte Potential wird üblicherweise mit einer linearen Rampe geändert; der Strom wird aufgezeichnet. Wegen der Kapazität der Zelle wird ein Ladungsstrom simultan zum Faradayschen Strom beobachtet. - Differentialpulsvoltametrie: (DPV) und Rechteckwellenvoltametrie (SWV). Das Potential wird in spezifischer Weisej geändert, und der Strom wird nur bei bestimmten Zeiten aufgenommen. Diese Prozeduren sollen die Effekte des nicht-farraday´schen Stromes minimieren und das Signal von Interesse maximieren, um das Signal- / Geräusch-Verhältnis zu verbessern. Für Mikroelektroden (einschließlich Ultra-Mikroelektroden, kleiner 50 m), sind die Ströme wesentlich größer als durch die Kotrell-Gleichung bestimmt. In diesem Fall wird der Strom durch eine Funktion f [ P ( + ) ] D Pt [1 + b 2r Dt ] (4.49) wobei r der Radius und b=2.257, wenn Dt/r2 >> 1 ist. In der Sensorik kann von allen Polarisationen Gebrauch gemacht werden. Für flüssige Elektrolyte ist die Löslichkeit und Reaktivität von Stoffen ein wichtiger Paramter. Der Ph-Wert wird gewöhnlich gepuffert, da Wasserstoff oder Protonen in viele Sensorreaktionen verwickelt sind. Im Bereich der Anwendung fester Ionenleiter ist die Konzentrationspolarisation durch vorgelagerte Diffusionsbarrieren von größter Bedeutung. Die nachzuweisenden Stoffe werden auf der Meßseite elektrochemisch reagiert. Als Diffusionsbarrieren werden verwendet: - Diffusionsloch - gemischtleitende Festkörper im Grenzfall der Verarmung, auf der Meßelektrodenseite ist der Strom: I = zq A Dc e (4.50) Werkstoffe und Sensorik 35 ________________________________________________________________________________________________________________________ (A. Querschnitt der Diffusionsbarriere, I: Länge der Diffusionsbarriere; D: Diffunsionskoeffizient). Es besteht ein linearer Zusammenhang zwischen I und c. Beispiel1: Messung des Sauerstoffpartialdrucks mit Hilfe eines oxydisch festen Ionenleiters. Neben dem linearen Zusammenhang besteht gegenüber den potentiometrischen Sensor ebenfalls der Vorteil, daß keine Referenz benötigt wird. (Abb. 4.4., 4.5.) Beispiel 2: Messung des Chlorpartialdrucks mit Hilfe eines festen Silberionleiters. In diesem Fall wird von einer Referenz die elektroaktive Spezies in den Verarmungsbereich gepumpt. Dort reagieren sie mit dem nachzuweisenden Chlor zu AgCl. Mit weiter erniedrigtem Potential steigt der Strom bis zu dem Grenzwert, bei dem die Chlorkonzentration vernachlässigbar klein wird gegenüber der Außenatmosphäre (Abb.4.6., 4.7.) Ähnlich lassen sich andere Gase durch Bildung anderer Reaktionsprodukte nachweisen. Die Reaktionsprodukte können durch Strom in umgekehrter Richtung zersetzt werden. Das Wachstum einer festen Phase ist jedoch wegen der hohen Dichte sehr gering. Alternativ kann der Ionenstrom vollständig gestoppt werden. In diesem Fall wandern stationär lediglich Beispiel 1 Abb. 4.7. Abb.4.4. Abb. 4.5. Beispiel 2 elektronische Ladungsträger. Der Elektrolyt selbst wird zur Diffusionsbarriere. Der Ionenleiter ist zwischen eine Gasdichte, in der Härtelektrode unter eine reversible, dem Gas ausgesetzte Elektrode geschaltet. Auf der Seite der reversiblen Elektrode wird die Konzentration der elektrischen Ladungsträger durch das Gas bestimmt. Auf der gegenüberliegenden Seite wird die Konzentration durch die angelegte Spannung bestimmt. Nach dem Nernstschen Gesetz ist die Konzentration gegeben durch: E: Abb. 4.6. kT a block kT a block ln Arer = ln e rer zq aA q ae (4.51) 36 Werkstoffe und Sensorik ________________________________________________________________________________________________________________________ Abb. 4.8. Abb. 4.9. Abb. 4.10.