Belastungen der Eltern von Jugendlichen mit einer Persönlichkeitsstörung. K. Schmeck & S. Schlüter-Müller 12. Fachtagung Borderline-Persönlichkeitsstörungen, Basel 1. Dezember 2016 Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 08.12.2016 1 AIT (Adolescent Identity Treatment) AIT ist eine integrative Behandlungsmethode, die auf Behandlungskonzepte von Paulina Kernberg zurückgeht und folgendes integriert: • Modifizierte Elemente der übertragungsfokusierten Psychotherapie (TFP) von Clarkin et al (2001) • Psycho-Edukation • Verhaltenstherapeutisch orientierter “Homeplan” • Vertrag • Intensive Einbeziehung der Familien um den therapeutischen Prozess des Jugendlichen dadurch zu unterstützen Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 08.12.2016 2 Arbeit mit Jugendlichen Die meisten Adoleszenten leben im Familiensystem • Eltern müssen in die Behandlung einbezogen werden (Fruzzetti et al., 2005): - Routine in alltäglicher klinischer Praxis - erfolgreich umgesetzt in DBT-A, MBT-A, AIT • Jugendliche müssen basale Verhaltensstandards erfüllen, um zuhause leben zu können verhaltensbezogene Interventionen oft notwendig Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 08.12.2016 3 Eltern sind keine Feinde, auch die von Borderline-Patienten nicht! • Intensive Einbeziehung der Eltern, auch und gerade bei Jugendlichen dringend erforderlich, was aber nur gelingt, wenn man sie nicht als Schuldige sieht • Wenn Eltern zu sehr verteufelt werden, man den Patienten zu sehr als Opfer sieht, fantasiert man sich als Retter oder als besseren Elternteil • Die Sicht des Patienten von den bösen, verfolgenden Eltern wird u.U. übernommen und lässt ausser Acht, dass Borderline Patienten dazu neigen, frühere Bezugspersonen zu entwerten • Die Chance, die Eltern als wichtige Ressource zu nutzen wäre vertan und der Therapeut würde sich durch übermässige Verantwortung überfordern! Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 08.12.2016 4 Bedeutung der Elternarbeit • Heraushalten der Eltern unterschätzt die Bedeutung familiärer Interaktion für das Fortbestehen der Probleme. • Auch sehr kompetente Eltern können unter der Belastung durch ein Kind mit einer Persönlichkeitsstörung pathologisch erscheinen • Auch bei sehr gestörten Eltern gibt es eine intensive Bindung des Kindes an diese! • Schulung der Eltern ist wichtig, um die besonderen Empfindsamkeiten ihres Kindes gegenüber emotionalen Reizen, besonders zwischenmenschlichen Stressoren wie Kritik, Zurückweisung und Trennung, zu berücksichtigen Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 08.12.2016 5 Global Alliance for Prevention and Early Intervention for BPD (GAP) Andrew Chanen, Carla Sharp und Perry Hoffman haben im Jahr 2014 zusammen mit anderen führenden Experten im Bereich Prävention und Früherkennung von BPS eine Initiative gestartet, um die unbefriedigende Situation zu verändern und um die Forschung und klinische Weiterentwicklung im Bereich BPD zu stimulieren. Diese Initiative fördert die Idee für eine globale Allianz zur Prävention und Frühintervention bei BPD (Global Alliance for Prevention and Early Intervention for BPD). Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 08.12.2016 6 Forderungen von GAP • Förderung von Früherkennung und zeitnaher Intervention bei Patienten mit BorderlinePersönlichkeitsstörung • Arbeiten mit der Familie auf allen Stufen der Behandlung • Verbesserter Zugang zu evidenzbasierten Behandlungen Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 08.12.2016 7 In den USA: Selbsthilfegruppen mit sehr hoher Professionalität › National Education Alliance für Borderline Personlity Disorder (NEA.BPD) (Perry Hoffman & Alan Fruzzetti) › bieten ein empirisch überprüftes 12-Wochen-Programm für Familienangehörige von BPD-Patienten: - Psychoedukation - Skills-Training (modifiziert von DBT) › TARA: Treatment And Research Advancements “The voice for those with BPD and their loved one's” (Valerie Porr) Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 08.12.2016 8 In der Schweiz • Verein Netzwerk Angehörigenarbeit Psychiatrie (www.angehoerige.ch) | 9 8. Dezember 2016 Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | In der Schweiz • Pro menta sana (www.promentesana.ch/de/ang ebote/shop/detail/produktdetail /kampagne-wie-gehtsdir/psychische-gesundheit-underkrankungen-in-der-familie) | 10 8. Dezember 2016 Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | In Deutschland "Wahnsinnskinder?" - Ein Projekt zur Unterstützung von Familien mit psychisch auffälligen Kindern und Jugendlichen Bundesverband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen (BApK) • Sucht bzw. Abhängigkeit • Psychose und Schizophrenie • Depression und Manie • Angststörungen • Essstörungen • Persönlichkeitsstörungen • ADHS / Hyperaktivität und Aufmerksamkeitsstörung • Störungen des Sozialverhaltens • Suizidalität • Selbstverletzendes Verhalten | 12 8. Dezember 2016 Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | Person-Umwelt-Transaktionen (Schneewind, 2005) • Reaktive Person-Umwelt-Transaktionen unterschiedliche Personen reagieren auf die gleiche Umwelt unterschiedlich (z.B. Attributions-Bias von aggressiven Kindern) • Evokaktive Person-Umwelt-Transaktionen spezifische Persönlichkeitsmerkmale / Verhaltensweisen einer Person evozieren bestimmte Reaktionen bei anderen Personen (z.B. Elternreaktionen auf Kinder mit schwierigem Temperament) • Proaktive Person-Umwelt-Transaktionen Personen wählen ihre Umwelten aus und beeinflussen ihre Umwelt (z.B. Wahl von Freunden / Partnern, Beruf, Freizeitaktivitäten) Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 8. Dezember 2016 | 14 Verstärkung von Störungen in einem transaktionalen Modell Säugling • Intensives Schreien • schwierig zu beruhigen • schlechte Selbstregulation „Schwieriges“ Kleinkind • Starke emotionale Schwankungen • Geringe Frustrationstoleranz • Überaktiv, fordernd Schwieriges Kind / Jugendl. •Trotzig-oppositionell, impulsiv • Schlechte Emotionsregulation •Schlechtes Selbstwertgefühl Jugendliche(r) mit BPS? Bezugsperson •Gelernte Hilflosigkeit (Papousek) •Mangelnde Selbstwirksamkeit Bezugsperson •Erschöpft, frustriert •Heftige Reaktionen Peers •ebenfalls abweichendes Verh. •Sensation Seeking •Konsum illegaler Substanzen Eltern Hilflos, resigniert Modifiziert nach Keenan & Shaw (2003) u. Beauchaine et al. (2009) Warum Eltern in die Behandlung einbeziehen? • Eltern als Unterstützer der Behandlung: Kontakt zu ihnen hilft, um Veränderungen bei den Jugendlichen besser umsetzen zu können und langfristig zu stabilisieren. («Homeplan») • Eltern als durch die Störung ihrer Kinder belastet: Entlastung der Eltern hilft ihnen, selber gesund zu bleiben und anders mit ihren Kindern umgehen zu können. • Selbst wenn Eltern als «Verursacher» der Störung gesehen werden: Kontakt zu ihnen hilft zum besseren Verständnis der Störungsgenese. Wir danken für Ihre Aufmerksamkeit! [email protected] [email protected] http://www.upkbs.ch Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 08.12.2016 17