1 Einleitung

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EINLEITUNG
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1 Einleitung
Die Motivation für diese Arbeit wird im wesentlichen durch folgende Fragestellung
widergespiegelt:
¾ Wie kann ein Feststoff – ohne in einer zusätzlichen Verfahrensstufe erst aufgelöst werden zu müssen – im Reaktionsmedium optimal „direkt“ umgesetzt werden?
Der Begriff Reaktionskristallisation bezeichnet ein Verfahren, bei dem es zur Kristallisation durch chemische Reaktion kommt. Wenn sich das Reaktionssystem aus mehreren Phasen – z.B. Gas-Flüssigkeit oder Flüssigkeit-Feststoff – zusammensetzt,
müssen die Reaktionspartner entweder an der Phasengrenzfläche aufeinandertreffen
oder von einer in die andere Phase übergehen, um miteinander reagieren können.
Die Geschwindigkeit der Umsetzung hängt dabei häufig nicht nur von der Kinetik der
chemischen Reaktion (Mikrokinetik) sondern auch von deren Zusammenwirken mit
der Kinetik der Transportvorgänge an der Phasengrenzfläche und in den Phasen
selbst ab (Makrokinetik).
Von solchen heterogenen Reaktionssystemen finden ungeachtet ihrer industriellen
Relevanz Fest-Flüssig-Reaktionskristallisationen in der Literatur sehr wenig Beachtung. Der Schwerpunkt in der Diskussion der Reaktionskristallisation liegt in der Betrachtung einer homogenen Reaktion als Resultat des Mischens bzw. Zusammenführens von zwei flüssigen Phasen, in denen die Reaktanden gelöst vorliegen. Oft geht
dieser Vorgehensweise eine Prozeßstufe voraus, in der Feststoff in einem Lösungsmittel aufgelöst wird.
Im Rahmen dieser Arbeit werden Reaktionen diskutiert, bei denen ein festes Edukt
mit einem gelösten oder flüssigen Edukt reagiert und wenigstens ein festes Produkt
bzw. Nebenprodukt kristallisiert.
Ausgangspunkt und Motivation für diese Arbeit ist ein Verfahren zur Herstellung von
Vitamin C. Aus einer wäßrigen Fermentationslösung wird dabei das Natriumsalz der
Ketogulonsäure ( NaKGA • H 2 O ) kristallisiert und im folgenden Verfahrensschritt
nach Überführung in Methanol durch kontinuierliche Zufuhr von Schwefelsäure zur
gelösten Ketogulonsäure (KGA) umgesetzt [Düm97]. Als Nebenprodukt fällt Natriumsulfat infolge der in Methanol sehr geringen Löslichkeit aus.
Bei der Suspendierung von NaKGA • H 2 O in Methanol kann es zur Phasenumwandlung kommen, d.h. zu einer Umkristallisation zum wasserfreien Natriumsalz
[Nor99a]. Diese durch das Lösungsmittel vermittelte („solvent-mediated“ [Car85])
Phasenumwandlung kann bereits als eine einfache Fest-Flüssig-„Reaktions“Kristallisation betrachtet werden. Definitionsgemäß handelt es sich bei solchen Phasenumwandlungen zwischen verschiedenen Hydratstufen einer Substanz allerdings
um keine chemische Reaktion.
Phasenumwandlungen können mit der Ausbildung einer im Rahmen dieser Arbeit
interessanten Makrokinetik verbunden sein, siehe Bild 1-1 [Nor99b, Bec01d].
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EINLEITUNG
Dargestellt ist in Bild 1-1 der zeitliche Verlauf der Dehydratation von NaKGA • H 2 O
zur wasserfreien Phase nach der Suspendierung in reinem Methanol anhand von
Lichtmikroskopieaufnahmen. Zu erkennen ist in Bild 1-1 das nadelförmige Wachstum
der wasserfreien Phase ausgehend von der Oberfläche des Monohydrates.
NaKGA•H2O
0:00:25
0:01:14
0:02:50
0:04:39
100µm
0:00:00
0:01:36
NaKGA
Bild 1-1: Dehydratation von NaKGA • H 2 O in Methanol bei 25 °C
Die eigentliche (an die Suspendierung in Methanol anschließende) Umsetzung von
NaKGA • H 2 O mit Schwefelsäure geht mit einer teilweise eintretenden „Einkapselung“ der NaKGA • H 2 O -Partikeln durch Natriumsulfat einher.
0:00:10
0:00:53
NaKGA•H2O
Na2SO4
0:02:03
0:02:43
100 µm
Bild 1-2: Oberflächenblockierung bei der Umsetzung von NaKGA • H 2 O in Methanol
mit 9 Gew.-% Schwefelsäure bei 25 °C
EINLEITUNG
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In Bild 1-2 ist der zeitliche Verlauf der Einkapselung dargestellt. Es ist deutlich zu
erkennen, wie die NaKGA • H 2 O -Kristalle mit fortschreitender Umsetzung von kristallisierendem Natriumsulfat umhüllt werden.
Als Folge dieser Oberflächenblockierung bzw. dem Einschluß eines Restes des festen Eduktes im festen Nebenprodukt kommt es zur Einbuße bezüglich der Ausbeute. Für den Fall, daß der kristallisierende Feststoff das Produkt darstellt, kann eingeschlossenes Edukt zu Problemen bei der Einhaltung von Grenzwerten (bezüglich des
Eduktes im Produkt) führen. Generell bewirkt eine Oberflächenblockierung mindestens eine Verringerung der Umsetzungsgeschwindigkeit als Folge der verkleinerten
für Reaktion und Auflösung zur Verfügung stehenden Eduktoberfläche.
In dieser Arbeit soll erstmalig gezeigt werden, wie die Makrokinetik von Fest-FlüssigReaktionskristallisationen gezielt beeinflußt werden kann.
Die verschiedenen Einflußfaktoren werden anhand eigener experimenteller Arbeiten
(Borsäurekristallisation, Umsetzung von Calciumcitrat zu Citronensäure und Natriumascorbat zu Vitamin C) diskutiert und bezüglich ihrer Bedeutung gewichtet.
Eine Methodik wird präsentiert, mit der solche Reaktionssysteme charakterisiert, der
geschwindigkeitsbestimmende Schritt identifiziert und die richtigen Einflußmöglichkeiten gewählt werden können, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen.
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