Wie viel Dünger braucht das Land?

Werbung
private wealth
OPINIONLEADER
Wie viel Dünger braucht das Land?
Illustration: Sascha Bierl
Der deutsche Staat, warnen US-Ökonomen, spart uns in den Ruin. Können wir nur wachsen, wenn wir noch mehr
auf Pump leben? Höchste Zeit, mahnt Prof. Michael Bräuninger vom HWWI, für eine differenzierte Diskussion.
Es klingt so einfach: Wer jetzt beginnt, den Staatshaushalt
zu Wachstum. Dennoch wird nun aus Teilen der Politik
zu sanieren, würgt den Aufschwung ab – wiederholt viel-
und insbesondere aus den USA gefordert, Deutschland sol-
leicht gar den Fehler aus den 1930er Jahren. Alle Staaten
le über längere Zeiten höhere staatliche Verschuldung ak-
müssten deshalb unbedingt weiter Gas geben, dann werde
zeptieren, um die Gefahr eines Double Dip zu reduzieren.
schon alles gut. Bloß: So einfach ist es nicht.
Das mag plausibel klingen. Es übersieht aber einen wich-
Lassen Sie mich ganz von vorn anfangen: Eine Verschul-
tigen Punkt: Falls die Märkte das Vertrauen in die Stabi-
dung des Staates bedeutet, dass der Staat Kredite auf-
lität der öffentlichen Finanzen verlieren, kommt es unwei-
nimmt und damit das Kreditangebot für Unternehmen re-
gerlich zur nächsten Krise. Verliert der Staat seine Kredit-
duziert. Diese müssen für ihre Kredite höhere Zinsen zah-
würdigkeit, steigen die Zinsen auf Staatspapiere extrem
len. Insofern verdrängt die staatliche Kreditaufnahme pri-
an, die Finanzierungsprobleme des Staates nehmen zu, die
vate Investitionen. In der Regel sind private Investitionen
staatliche Insolvenz wird immer wahrscheinlicher – und
aber effizienter als öffentliche Ausgaben. Deshalb bremst
die Privatwirtschaft hält sich in Erwartung harter Ein-
staatliche Kreditaufnahme tendenziell das Wachstum. Um-
schnitte dann noch mehr zurück. Diese Entwicklung ist in
gekehrt ist dann eine Sparpolitik, die zu einer Konsolidie-
Griechenland eingetreten.
rung des Budgets führt, gut für das Wachstum.
Trotz – in Relation zum Bruttoinlandsprodukt – ähnlich
Das gilt allerdings nur in normalen Zeiten. In einer welt-
hoher Budgetdefizite ist dieser Zusammenhang in den USA
weiten Krise, wie sie 2009 ohne Frage herrschte, sind die
bisher noch nicht zu erkennen. Dennoch besteht auch hier
privaten Investitionen aufgrund pessimistischer Erwartun-
die Gefahr eines milden Vertrauensverlusts. In den USA wer-
gen gering. Die staatliche Kreditaufnahme verdrängt somit
den derzeit vergleichsweise geringe Steuern und Abgaben
keine Investitionen. Sie ermöglicht es stattdessen, die
erhoben. Es ist durchaus vernünftig anzunehmen, dass sich
Nachfrage und die Erwartungen zu stabilisieren. Die rich-
das künftig ändern wird, um die Finanzierungsprobleme
tige Politik in der Krise ist also genau das Gegenteil von
des Staates zu beheben. Dadurch werden heute schon
der außerhalb der Krise. Dass alle großen Industrie- und
privater Konsum und Investitionen gebremst.
Schwellenländer eine höhere Verschuldung hinnahmen,
Unter diesen Bedingungen könnten staatliche Konsolidie-
um die Rezession zu bekämpfen, war deshalb völlig in
rungsbemühungen Unsicherheiten beseitigen, Erwartungen
Ordnung. Die Frage ist nun – soll das so weitergehen?
stabilisieren und Vertrauen schaffen. Damit würden sie
Die richtige Politikempfehlung wäre einfach, wenn der ak-
letztlich auch positiv auf die gesamtwirtschaftliche Nach-
tuelle Erholungsprozess weltweit in etwa synchron ablau-
frage wirken. Voraussetzung ist natürlich, dass diese
fen würde. Das ist aber nicht der Fall. Die Schwellenländer
Ankündigungen glaubhaft und durchhaltbar sind.
wachsen relativ schnell auf Basis von privaten Investitio-
Können wir also gleichzeitig wachsen und sparen? Weil ein
nen und Konsumausgaben. Daraus ergibt sich ein robuster
Schwenk der Politik erhebliche Zeit dauert – die beschlos-
Wachstumspfad. Die USA stabilisieren mit einer extrem
senen deutschen Sparmaßnahmen greifen ja erst in den
expansiven Geld- und Fiskalpolitik zwar die Wachstums-
Jahren 2011 und 2012 –, steht uns ein Balance-Akt bevor.
raten, konnten aber bisher nicht die entscheidende kon-
Zurück in die Normalität, auf einen langfristigen Wachs-
junkturelle Wende herbeiführen. In Europa wurde der
tumspfad, werden wir aber nur finden, wenn wir uns nicht
Konsolidierungsprozess eingeleitet. In den besonders be-
von Vergleichen mit den 1930er Jahren verrückt machen
troffenen südlichen EU-Ländern führt dieser zur Stagna-
lassen. Planmäßige Konsolidierung ist „die“ Voraussetzung
tion, in Deutschland kommt es aber trotz Konsolidierung
für einen nachhaltigen konjunkturellen Aufschwung.
03.10
pw 13
Herunterladen