Kapitel III Auflosbare und nilpotente Lie Algebren

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Kapitel III
Auflosbare und nilpotente Lie Algebren
Christian Michalke
30. November 2006
1
Auflösbare Lie Algebren
In diesem Abschnitt sind alle Vektorräume und Lie Algebren endlichdimensional. Das heißt
nicht, dass die vorkommenden Begriffe nur in endlicher Dimension sinnvoll sind! Zudem nutzen
wir in diesem Vortrag die Form und die Eigenschaften der abgeleiteten Algebra aus. Die abgleitete Algebra einer Lie Algebra L, geschrieben [L, L], besteht aus allen Linearkombinationen
der Kommutatoren [x, y] mit x, y ∈ L. Zudem gilt, [L, L] ist ein Ideal. Wir definieren uns nun
eine Reihe von Idealen in L, die sogenannte
abgeleitete”Reihe
mit:
”
L(0) = L, L(1) = [L, L] , L(2) = L(1) , L(1) , ..., L(i) = L(i−1) , L(i−1) . Offensichtlich gilt
L(i) ⊂ L(i−1) , daher sind alle L(i) Ideale in L. (Beweis mit Hilfe der Jacobi Identität durch
Induktion)
1.1
Definition:
Eine Lie Algebra L heißt auflösbar, wenn für ein n ∈ N gilt: L(n) = 0.
1.2
Beispiele:
(i) Eine abelsche Lie Algebra impliziert Auflösbarkeit.
(ii) Einfache Lie Algebren sind nicht auflösbar.
(iii) L = t(n, F ) ist auflösbar.
1.3
Satz:
Sei L eine Lie Algebra:
(i) Ist L auflösbar, so sind alle Unteralgebren und homomorphen Bilder von L auflösbar.
(ii)Ist I ein auflösbares Ideal von L,so dass L/I auflösbar ist, dann ist L selbst auflösbar.
(iii) Seien I und J auflösbare Ideale, dann ist auch I + J auflösbar.
Beweis: (i) Ist K eine Unteralgebra von L, K ⊂ L, so ist auch K (n) ⊂ L(n) . Nun Ist L nach
Voraussetzung auflösbar, d.h. ∃n ∈ N : L(n) = 0 ⇒ K (n) = 0 und somit auflösbar.
Sei nun ϕ : L → M ein Epimorphismus. Zeige nun induktiv: ϕ(L(i) ) = M (i) : I.A: i = 0 ⇒
ϕ(L(0) ) = ϕ(L) = M = M (0) .
I.S: Betrachte ϕ(L(i) ) = ϕ( L(i−1) , L(i−1) ) = ϕ(L(i−1) ), ϕ(L(i−1) ) = M (i−1) , M (i−1) =
M (i) ⇒ I.S gezeigt.
(ii) Sei (L/I)(n) = 0, also auflösbar. Betrachte den kanonischen Homomorphismus π : L →
(L/I). Aus (i) folgern wir, dass π(L(n) ) = 0 ist. Andernfalls ist L(n) ⊂ I = Kerπ.Es gilt
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2
NILPOTENTE LIE ALGEBREN:
2
nach Voraussetzung, dass I ein auflösbares Ideal von L ist. Sei also I (m) = 0.Es gilt: (Li )(j) =
L(i+j) ⇒ L(n+m) = 0.
(iii) Nach dem Homomorphismustheorem gilt (I + J)/J ∼
= I/(I ∩ J). Weiterhin folgt nach (i),
dass I/(I ∩ J) als ein homomorhes Bild auflösbar ist. ⇒ Auch (I + J)/J ist auflösbar. ⇒ I + J
ist auflösbar (nach (ii)).
1.4
Satz:
Jede endlichdimensionale Lie Algebra besitzt ein einziges, maximal auflösbares Ideal R. Natürlich
kann R auch 0 sein.
Beweis: Seien I und J auflösbare Ideale in L. Dann ist nach (1.3)(iii) I + J auflösbar. Sei
R der Span aller auflösbaren Ideale in L. L ist endlich dimensional, also existieren auch nur
endlich viele auflösbare Ideale in Span R. Die Summe der Ideale ist das maximal auflösbare
Ideal.
1.5
Definition:
Das maximal auflösbare Ideal R einer Lie Algebra L nennt man das Radikal von L. Man schreibt:
R = radL. Im Fall radL = 0 nennt man L auch halbeinfach.
Zum Beispiel ist jede einfache Lie Algebra auch halbeinfach. (Halbeinfache Lie Algebren werden
uns noch begegnen, aber nicht in diesem Vortrag).
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Nilpotente Lie Algebren:
Wir definieren uns erneut eineReihe von Idealen,
absteigende Zentralreihe“
die sogenannte
”
mit: L0 = L, L1 = [L, L] , L2 = L, L1 , ..., Li = L, Li−1 .
2.1
Definition:
Eine Lie Algebra L heißt nilpotent, wenn ∃n ∈ N : Ln = 0.
2.2
Beispiele:
(i) Jede abelsche Lie Algebra ist nilpotent.
(ii) n(n, F ) ist nilpotent.
(iii) Die Heisenberg Algebra Hk , definiert auf der Basis {e1 , e2 , ..., e2k+1 } mit [e2i−1 , e2i ], i =
{1, ..., k} ist nilpotent.
Bemerkung: Durch Induktion können wir zeigen, dass L(i) ⊂ Li gilt ∀i.Somit können wir sagen,
dass nilpotente Lie Algebren Auflösbarkeit implizieren. Die Umkehrung gilt jedoch nicht!
2.3
Satz:
Sei L eine Lie Algebra:
(i) Ist L nilpotent, so sind alle Unteralgebren und homomorphen Bilder von L nilpotent.
(ii) Ist L/Z(L) nilpotent, so ist auch L nilpotent.
(iii) Ist L nilpotent und ungleich 0, dann ist Z(L) 6= 0.
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NILPOTENTE LIE ALGEBREN:
3
Beweis: (i) Verfahre analog zu Satz (1.3)(i).
(ii) Im ersten Fall verfahre analog zu Satz (1.3)(ii). Für den zweiten Fall gilt: Ln ⊂ Z(L). Dann
ist Ln+1 = [L, Ln ] ⊂ [L, Z(L)] = 0.
(iii) Der letzte Term der absteigenden Zentralreihe, der ungleich Null ist, ist das Zentrum von
L.
Die Bedingung für Nilpotenz kann im Folgenden rephrasiert werden.
2.4
Definition:
Sei L eine Lie Algebra und x ∈ L. Wir nennen x ad-nilpotent, wenn adx ein nilpotenter Endomorphismus ist.
2.5
Satz:
Sei L eine nilpotente Lie Algebra. Dann ist der lineare Operator adx nilpotent ∀x ∈ L.
Beweis: Wende den Operator adx k-mal auf ein beliebiges Element y ∈ L an. Benutze nun
die Definition von adx:
(adx)k (y) = (adx)k−1 [x, y] = (adx)k−2 [x, [x, y]] = ... = [x, [x, ..., [x, y] ...]] ∈ Lk .
Da nun nach Voraussetzung Lk = 0, folgt: (adx)k (y) = 0∀y ∈ L. Folglich existiert eine positive
natürliche Zahl, so dass (adx)k = 0 ⇒ adx ist nilpotent ∀x ∈ L.
Es ist erfreulich zu sehen, dass auch die Umkehrung gilt.
2.6
Das Theorem von Engel:
Sind alle Elemente von L ad-nilpotent, so ist L nilpotent. (Beweis folgt)
2.7
Lemma:
Sei x ∈ gl(V ) ein nilpotenter Endomorphismus. Dann ist auch adx nilpotent.
Beweis: Wir dürfen x mit zwei Endomorphismen aus End(V ), einer Links- und einer Rechtstranslation verknüpfen, definiert durch λx (y) = xyund ρx (y) = yx, die nilpotent sind, da x
nilpotent ist. Offensichtlich kommutieren λx und ρx : λx (ρx (y)) = λx (yx) = xyx = ρx (xy) =
ρx (λx (y)). In jedem Ring (hier End(End(V ))) ist die Summe oder Differenz zweier kommutierender Nilpotenzen wieder nilpotent. ⇒ adx = λx − ρx ist nilpotent.
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NILPOTENTE LIE ALGEBREN:
2.8
4
Bemerkung:
Für eine Matrix ist es leicht, ad-nilpotent in gl(V ) zu sein, ohne an sich nilpotent zu sein! Als Beispiel dient uns die Einheitsmatrix: Sie ist ad-nilpotent, da adEn (B) = [En , B] = En B − BEn =
0. Sie ist aber nicht nilpotent. Wir müssen uns also merken, dass es zwei unterschiedliche Typen
nilpotenter Lie Algebren gibt: (i) d(n, F ) und (ii) n(n, F ).
Das Theorem von Engel folgern wir nun aus folgenden Ergebnissen: Wir wissen, dass einfach
nilpotente, lineare Transformationen (einmaliges Anwenden) wenigstens einen Eigenvektor zum
einzigen Eigenwert 0 besitzt. Im folgenden Theorem ist dies nur im Fall dimL = 1 der Fall.
2.9
Theorem:
Sei L eine Unteralgebra von gl(V ) und V 6= 0 endlichdimensional. Besteht L aus nilpotenten
Endomorphismen, dann existiert ein v ∈ V, v 6= 0 mit L(V ) = 0.
Beweis: (vollständige Induktion nach dimL)
I.A: Die Fälle dimL = 0 und dimL = 1 sind offensichtlich.
I.S: Wähle K 6= L und K Unteralgebra von L. Nach Lemma (2.7) verhält sich K bezüglich
der ad-Abbildung wie eine Lie Algebra mit nilpotenten linearen Transformationen auf dem
Vektorraum L und auch auf L/K.
⇒ φ : K → gl(L/K), y 7−→ (x + K 7−→ [y, x] + K) ist nilpotent ∀x ∈ K. Nun ist dimK ≤ dimL.
Nach I.V existiert also ein Vektor x + K 6= K in L/K, der durch das Bild von K in gl(L/K)
ausgelöscht wird. Dies meint nur [y, x] ∈ K∀y ∈ K, x 6= K. Mit anderen Worten: K ist im
Normalisator NL (K) := {x ∈ L : [x, K] ⊂ K} von K in L enthalten.
Wähle nun K mit maximaler Dimension. Wir wissen das der Normalisator eine Unteralgebra
von L ist, die K enthält. Es gilt aber auch x + K ∈ K. Somit folgt aus der Maximalität von K,
dass NL (K) = L ist. Damit ist K ein Ideal und L/K eine Lie Algebra. Können also nun den
Quotientenhomomorphismus π : L → L/K betrachten. Wäre nun dim(L/K) echt gröer als 1,
so würde das Urbild in L eine eindimensionale Unteralgebra von L/K eine echte Unteralgebra
sein, die K echt enthält, was absurd ist. ⇒ K hat Kodimension 1. Dies erlaubt uns zu schreiben:
L = K + F z∀z ∈ L − K. Nun ist nach I.V W := {v ∈ V : K(v) = 0} nicht 0. Nun haben wir
gezeigt, dass K ein Ideal ist und somit ist W stabil unter L: Sei x ∈ L, y ∈ K und w ∈ W , dann
gilt:
yx(w) = xy(w) − [x, y] (w) = 0, denn yx(w) = xy(w) − xy(w) + yx(w) = xy(w) − (xy(w) +
yx(w)) = xy(w) − [x, y] (w) = 0. ⇒ x(w) = 0. Wähle nun z ∈ L − K wie oben: Der nilpotente
Endomorphismus, der nun auf dem Unterraum W arbeitet, besitzt einen Eigenvektor, d.h ∃0 6=
v ∈ W mit z(v) = 0. ⇒ L(v) = 0.
Kommen wir nun zum Beweis von Engels Theorem.
Beweis: Gegeben sei eine Lie Algebra L, deren Elemente alle ad-nilpotent sind. Deshalb
genügt die Algebra adL ⊂ gl(L) der Annahme des obigen Theorems. Wir können L 6= 0 annehmen. ⇒ ∃x 6= 0 in L, fr das [L, x] = 0, dass hei’stZ(L) 6= 0. Dann besteht L/Z(L) nachweislich
nur aus ad-nilpotenten Elementen und hat zudem eine kleinere Dimension als L. Benutzen nun
Induktion nach dimL, um zu schlieen, dass L/Z(L) nilpotent ist. Satz (2.3)(ii)impliziert, dass
L selbst nilpotent ist.
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NILPOTENTE LIE ALGEBREN:
2.10
5
Beispiel:
Das Theorem von Engel führt eine ad-hoc Methode mit sich um zu zeigen, dass eine gegebene
Lie Algebra L nicht nilpotent ist, ohne konkret die abgeleitete Zentralreihe zu berechnen. Das
einzigste was wir tün müssen, ist ein x ∈ L zu finden, so dass adx nicht nilpotent ist. Wir
betrachten die Lie Algebra mit der Basis {x1 , ..., x5 } mit folgender Multiplikationstabelle:
[x1 , x4 ] = 2x1 , [x2 , x3 ] = x1 , [x2 , x5 ] = −x3 , [x2 , x4 ] = x2 , [x3 , x4 ] = x3 , [x3 , x5 ] = x2 . Können
nun sehen, dass adx4 den Eigenwert -2 bezüglich dem Eigenvektor x1 hat:
adx4 [x1 , x4 ] = [x4 , [x1 , x4 ]] = −2 [x4 , x1 ] = −2(2x1 ) ⇒ adx4 ist nicht nilpotent und somit ist
auch L selbst nicht nilpotent.
Später lernen wir einen Algorithmus kennen, mit dem wir nicht ad-nilpotente Elemente in L
finden, falls solche existieren.
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