Anamnese und klinische Untersuchungsbefunde

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Originali a
Schwindel : Anamnese und klinisch e
Untersuchungsbefünd e
Verti o : Case History and Findings on linical Exa ination
Autoren
T. Sander, B . Machner, H . Rambold, G . Neumann, M . Fritzmannova, P. Trillenberg, C. Heimche n
Institu t
Department of Neurology, University of Lübeck, German y
Schlüsselwörter
® Schwinde l
0 Anamnes e
O Kopf-Impulstes t
Zusammenfassun g
Abstract
Diese Übersicht soll helfen, anhand von anamnestischen Angaben und klinischen Befunden
syndromal eine klinisch zutreffende Schwinde l
Diagnose zu stellen, die nur in geringerer Anzah l
durch apparative Untersuchungen bestätigt wer den muss .
This review is intended to assist in making a syndromal diagnosis of vertigo on the basis of detail s
from the case history and clinical findings . Onl y
in a few cases should it be necessary to confirm
the diagnosis by means of examinations using
particular apparatus systems.
Einleitung
läre Migräne (6,4%), u .w [5] . 0 Tab . 1 zeigt di e
Häufigkeit von Diagnosen in einer großen, über regionalen Schwindelambulanz in Deutschland .
Key word s
O vertig o
0 History
O head impulse test
Ziel dieses Übersichtsartikels ist es, anhand vo n
einfach zu erhebenden anamnestischen Angabe n
(Teil 1) und klinischen, am Krankenbett festzustellenden Untersuchungsbefunden (Teil 2) z u
einer klinisch zutreffenden Zuordnung eine s
Schwindelsyndroms zu kommen .
Bibliografi e
DOI 10 .1055/s-0029-119200 6
Klin Neurophysiol 2009 ;
40 : 24-2 9
© Georg Thieme Verlag K G
Stuttgart . New York
ISSN 1434-027 5
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. med. C. Heimchen
Neurologische Klini k
Universitätsklinikum Schleswig Holstei n
Campus Lübec k
Ratzeburger Allee 160
D-23538 Lübeck
christoph .helmchen@neuro .
uni-luebeck.de
Epidemiologische Aspekte
Schwindel gehört zu den am häufigsten beklagten Symptomen bei ambulanten Patienten i n
hausärztlicher Behandlung (Inzidenz von 5 %
über 3 Jahre [1]) . Er betrifft 20-30% der Allgemeinbevölkerung [2] . Die Prävalenz von Schwin delerkrankungen steigt mit zunehmendem Lebensalter (bis nahezu 40% bei den hochbetagte n
Patienten) . In der Neurologie ist Schwindel neben
Kopfschmerzen das zweithäufigste Leitsymptom .
Vestibuläre Schwindelformen machen in neurologischen Spezialambulanzen für Schwindel un d
Gleichgewichtsstörungen >50% von alle n
Schwindelformen aus . Die Lebenszeitprävalen z
von vestibulärem Schwindel beträgt 7,8%, die 1 Jahresprävalenz 5,2% und die Inzidenz 1,5 % [3, 4] .
Davon ist der gutartige Lagerungsschwinde l
(BPPV) mit ca . 20% die häufigste Form . Die Häu figkeit weiterer Schwindelsyndrome variiert international, jedoch ist die Reihenfolge ähnlich :
BPPV (28,5%), Phobischer Schwindel (11,5%) ,
zentraler Schwindel (10,1%), Neuritis vestibularis (9,7%), M . Meniere (8,5%), vestibuläre basi -
SanderT et al . Schwindel : Anamnese und klinische . .. Klin Neurophysiol 2009 ; 40 : 24-29
Definitio n
Schwindel ist keine Krankheit im nosologische n
Sinne, sondern aus Sicht des Patienten ein Synonym für ein Symptom ganz unterschiedlicher Ursachen und Ätiologien. Zumeist wird unte r
Schwindel von den Patienten eine unangemessene Kontrolle ihrer Gleichgewichtsfunktione n
verstanden. Pathophysiologisch ergibt sie sich
zumeist aus der fehlerhaften Abstimmung multipler sensorischer Systeme . Vestibuläre Funktionsstörungen beeinträchtigen den Patiente n
subjektiv am stärksten, da ihnen im Besondere n
eine fehlerhafte Abstimmung von visuellen, vestibulären und somatosensorischen Einflüsse n
zugrunde liegt, die unmittelbare Auswirkung au f
die Blickstabilisation, die Bewegungswahrnehmung, Raumperzeption, Kopf- und Haltungsregulation und das Vegetativum hat. Vestibulär e
Störungen werden daher hier bevorzugt besprochen .
Schwindelanamnese
Schwindel kann anamnestisch von Patienten so wohl als Unsicherheit, Benommenheit, drohend e
Ohnmacht wie auch als Störung der räumliche n
Orientierung beschrieben werden. Bei akute n
25
Tab . 1 Häufigkeit von Diagnosen aus einer Spezialambulanz für Schwinde l
und Augenbewegungsstörungen (Neurologische Klinik, Universitätskliniku m
Schleswig-Holstein, Campus Lübeck) .
Diagnosen
benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel
psychogener Schwindel (Somatoformer Schwindel
und Phobischer Schwindel )
zentralvestibulärer Schwindel
unilaterale Vestibulopathie (Neuritis vestibularis,
Tumoren)
M . Meniere
multisensorischer Schwindel
basiläre/vestibuläre Migräne
bilaterale Vestibulopathie
Vestibularisparoxysmie
Perilymphfisteln
Andere
Tab . 2
Häufigkeit (% )
23
16
13
9
7
6
5
4
3
2
12
Erkrankungen mit Drehschwindel .
- benigner peripherer paroxysmaler Lagerungsschwinde l
- Neuritis vestibulari s
- Neurolabyrinthitis, Herpes zoster (oticus )
- Morbus Meniere
- zentraler Schwinde l
- Perilymphfiste l
- Vestibularisparoxysmi e
- Schwannom (N . vestibularis )
- vestibuläre Epilepsie
neuro-otologischen Erkrankungen liegt zumeist eine fälschlich e
Wahrnehmung von Bewegung des eigenen Körpers oder de r
Umwelt zugrunde . Wegen dieses weitgefassten Verständnisses
von Schwindel sollte die Anamnese in systematischer Weis e
mindestens die in den 0 Tab . 1-5 aufgeführten Aspekte berücksichtigen . Schwindel läßt sich nach einfachen Kriterien differenzieren : Schwank- vs . Drehschwindel (o Tab . 2, 3), einmalig ode r
rezidivierend (0 Tab . 4), Beginn (Geschwindigkeit, mit der der
Schwindel einsetzt), Attackendauer (Sekunden beim benigne n
paroxysmalen Lagerungsschwindel, BPPV, bis zu Wochen bei de r
Neuritis vestibularis, 0 Tab. 5), Auslösefaktoren (z .B . Lagerungsabhängigkeit, 0 Tab. 6) und Begleitsymptome (0 Tab . 7) .
Über die Anamnese lassen sich mehr als 50%, in Kombinatio n
mit einem sorgfältigen neuro-otologischen Untersuchungsbefund mehr als 75% der Schwindelerkrankungen auch ohne apparative Zusatzuntersuchungen diagnostizieren .
Drehschwindel vs . Schwankschwinde l
Schwindel ist als Drehschwindel zu werten, wenn er mit Umweltoszillopsien einhergeht : dabei beschreibt der Patient Scheinbewegungen der Umwelt, so z . B. drehe sie sich wie ein Karussell .
Dem Drehschwindel liegt zumeist eine vestibuläre Läsion zugrunde . Die alleinige Angabe von Drehschwindel oder seiner Intensität erlaubt keine Differenzierung zwischen einer periphe r
oder zentral-vestibulären Ursache.
Drehschwindel entspricht dabei häufig einem Ungleichgewich t
peripher- oder zentral-vestibulärer Afferenzen, das gerade i m
akuten Stadium einer Erkrankung mit einer fälschlichen Wahrnehmung von der Position des eigenen Körpers im Raum oder
der Umwelt einhergeht . Häufig ist der Drehschwindel mit einer
gerichteten Fallneigung (Lateropulsion) assoziiert, die sich aus
Tab. 3
Erkrankungen mit Schwankschwindel .
- Kleinhirnläsionen (uni- und bilateral )
- Akustikusneurino m
- bilaterale (periphere) Vestibulopathi e
- zentralvestibuläre Läsione n
- Polyneuropathi e
- Visusminderun g
- orthostatische Dysregulatio n
- Panikattacke n
- somatoformer Schwinde l
einer pathologischen Wahrnehmung des Raumes ergibt . Bei m
akuten peripheren Vestibularisausfall (Neu r itis vestibularis) bemerkt der Patient z . B . einen Drehschwindel zur gesunden Seite ,
der über vestibulo-spinale Haltungsreflexe zur Fallneigung zu r
erkrankten Seite führt. Beim Wallenberg-Syndrom bemerkt de r
Patient neben Drehschwindel eine erhebliche Fallneigung : E r
richtet seinen Körper gemäß der krankhaft verkippten Schwerkraftswahrnehmung zur Läsionsseite aus [61 . Es entsteht durc h
ein zentral-vestibuläres Innervationsungleichgewicht, das mi t
der subjektiven visuellen Vertikalen (SVV) messbar ist . Eine gerichtete Fallneigung ist aber nicht immer Folge einer vestibulären Störung (wie z .B . bei zerebellären Läsionen) und vestibuläre Erkrankungen gehen wiederum keineswegs immer mi t
Drehschwindel einher, insbesondere wenn sie langsam progredient (z . B . Akustikusneurinom) oder bilateral vorkommen (bilaterale Vestibulopathie) . Häufige Erkrankungen mit Drehschwindel sind in 0 Tab. 1 aufgelistet (sortiert nach absteigender Häufigkeit) .
Schwankschwindel hingegen ist unspezifischer (o Tab . 3). De r
Patient beschreibt ein Gefühl der Stand- und Gangunsicherhei t
ohne Umweltoszillopsien in Ruhe und ohne gerichtete Fallneigung . Visuelle (z . B . Katarakt), propriozeptive (z . B . Polyneuropa thie) und zerebelläre Erkrankungen sind auszuschließen, jedoch
werden auch bilaterale vestibuläre Erkrankungen mit Schwankschwindel symptomatisch, insbesondere wenn sie sich langsa m
entwickeln . Erst nach Ausschluss einzelner oder multipler sensorische Defizite (multisensorischer Schwindel, vor allem i m
Alter!) und normalem neurologischen Befund muss bei Schwankschwindel mit typischer Situationsabhängigkeit auch an psychogene (u .a . phobische) Erkrankungen gedacht werden (s .u.) .
Zeitlicher Verlau f
Wie bei anderen neurologischen Erkrankungen ist der (z .B .
schlagartige) Beginn entscheidend für die diagnostische, zu meist auch ätiologische Zuordnung . Ebenso wichtig ist die Differenzierung, ob es sich um einen periodisch, immer wiederkehrenden (rezidivierenden) Schwindel (z .B . gutartiger Lagerungsschwindel, 0 Tab . 4) oder einen dauerhaften Schwindel handelt.
Hierbei ist die Dauer der Schwindelepisode von großer Bedeutung für die klinische Zuordnung (o Tab. 5) .
Auslösefaktore n
Auslösefaktoren sind vor allem bei episodischen Schwindel formen von diagnostischer Relevanz (Übersicht in 0 Tab . 6) . De r
häufigste Schwindel, der benigne periphere paroxysmale Lagerungsschwindel (BPPV ; etwa 20-25% aller Schwindelformen ,
Kapitel BPPV), ist typischerweise durch seine Abhängigkeit vo n
raschen Lageänderungen des Kopfes gekennzeichnet . Da de r
hintere Bogengang am häufigsten betroffen ist, tritt der Drehschwindel bei schrägen Kopfbewegungen auf, zumeist aus de m
Sander T et al . Schwindel : Anamnese und klinische . . . Klin Neurophysiol 2009 ; 40 :24-29
Originalia
Tab. 4 Rezidivierende Schwindelattacken .
- benigner peripherer paroxysmaler Lagerungsschwinde l
- M . Meniere
- basiläre Migrän e
Tab. 6
Auslösefaktoren für Schwindelattacken .
Kopfbewegung (schräg)
Kopfbewegung (horizontal)
- vertebrobasiläre transiente ischämische Attacke n
- Cogan-Syndro m
- vestibuläre Epilepsi e
- Tumoren im Kleinhirnbrückenwinke l
- Schwannom e
Blickbewegung
Erkrankung
Sekunden/
Vestibularisparoxysmi e
Perilymphfiste l
benigner Lagerungsschwindel (BPPV )
Stunden
phobischer Attackenschwinde l
basiläre/Vestibuläre Migrän e
M . Menier e
phobischer Attackenschwinde l
Tage
Neuritis vestibulari s
pontomedullärer Hirnstamminfark t
Wochen/
Monate/
Cogan Syndro m
Akustikus-Neurino m
Jahre
Downbeat Nystagmu s
bilaterale Vestibulopathie
zentralerLagerungs-Lageschwinde l
Raumforderung am IV . Ventrikel
Liegen heraus (morgens beim Aufrichten an die Bettkante) ode r
bei Drehungen im Bett. Demgegenüber spricht ein kurzfristige r
Schwankschwindel, der mit dem Aufstehen in die senkrecht e
Körperposition auftritt, eher für eine orthostatische oder ein e
vaso-vagale Dysregulation . Hingegen ist Schwindel bei horizon talen raschen Kopfbewegungen im Stehen oder beim Laufen
häufig Ausdruck eines defekten vestibulo-okulären Reflexe s
(VOR), z . B . bei der bilateralen Vestibulopathie . Dadurch komm t
es zu einer ungewollten retinalen Bildverschiebung, so dass kom pensatorisch Korrektursakkaden durchgeführt werden müssen,
um das Blickziel auf der Retina zu stabilisieren . Diese Kopfbewe gungsabhängigkeit tritt unabhängig von der Ätiologie auf, z . B .
bei entzündlichen (Neuritis vestibularis, Cogan-Syndrom), vaskulären (Infarkte im Versorgungsgebiet der A . labyrinthii aus de r
A . Cerebelli anterior inferior), mechanischen (z . B. Perilymphfis tel) oder tumorösen Prozessen (Schwannom, Neurinom) .
Schwindel beim Umherschauen, d . h . bei Augenbewegunge n
ohne Kopfbewegungen, ist bei peripheren Augenmuskelparesen ,
vor allem aber bei zentralvestibulären Nystagmusformen (häufig
mit Oszillopsien) und manchmal auch bei zentralen Okulomotorikstörungen anzutreffen, wie z . B . Störungen der Fixation, der
binokulären Kontrolle, der Sakkaden (Zerebelläre Sakkadendysmetrie) oder der Blickfolge . Häufig berichten die Patienten abe r
nicht über Schwindel, sondern über eine Unsicherheit bei orientierenden Blickwendungen. Bei unwillkürlichen Augenoszillationen (z . B . Nystagmus, sakkadische Intrusionen, z. B . dem Op soclonus) kommt es zu Scheinwahrnehmungen von Bewegunge n
der Umwelt (Oszillopsien), die die Unsicherheit, aber auc h
Schwankschwindel erklären können .
Okulomotorikstörunge n
Spontannystagmu s
Down-/Upbeatnystagmu s
Fixationspendelnystagmu s
sakkadische Intrusionen (Ocular Flutter,
Opsoclonus )
Dauer der Schwindelepisode .
Schwindeldauer
vestibuläres Ungleichgewicht (Neuriti s
vestibularis )
bilaterale Vestibulopathi e
benigner paroxysmaler Lagerungsschwinde l
Carotissinus Syndro m
- paroxysmale Ataxien (bei MS)
- familiäre episodische Ataxi e
Minuten
Benigner paroxysmaler Lagerungsschwinde l
- Vestibularisparoxysmie
- Perilymphfiste l
Tab . 5
Ta
Husten
Situation
Perilymphfiste l
phobischer Attackenschwinde l
Aufstehen
Vaso-vagal, orthostatisch
Schwindel durch physikalische Einflussgrößen (Druck, Lärm )
spricht zumeist für eine peripher-vestibuläre Läsion . Schwinde l
bei Anwendung von periaurikulärem mechanischen Druck ode r
am Tragus spricht für eine Bogengangs-(Perilymph-) Fistel [7] .
Ein solcher Sekunden anhaltender Attackensschwindel wird
auch durch Druckschwankungen mit dem Politzer-Ballon, de m
Vasalva-Manöver, Husten, Schlucken, Niessen oder Pressen aus gelöst. Auch laute Geräusche können zu einer indirekten Bogen gangs- (Perilymphfistel) oder Otolithenreizung (Tullio-Phänomen) führen . In Abhängigkeit von der Lage des Perilymphdefektes kann sowohl eine Reizung des Bogengangs, der Otolithe n
als auch der Cochlea (dann mit Hörstörungen) auftreten .
Schwindel in Abhängigkeit von charakteristischen Umgebunge n
(Menschenansammlungen in Kaufhäusern, in Gegenwart vo n
Familienmitgliedern oder Arbeitskollegen, auf großen Plätzen ,
usw.) ist hinweisend für einen phobischen Schwindel [8] .
Begleitsymptom e
Begleitsymptome helfen sowohl bei der Differenzierung zentral
vs . peripherer Schwindel als auch bei der ätiologischen Zuordnung (0 Tab . 7, 8) . Hörstörungen als Begleitsymptom bei episodischem Schwindel sind hinweisend für den M . Meniere, aber
ebenso für zahlreiche andere Erkrankungen (0 Tab . 9). Kopfdruck oder Kopfschmerzen treten fakultativ bei der basiläre n
oder vestibulären Migräne [9] sowie bei Infarkten im Hirnstam m
oder Kleinhirn auf. Die Dissektion der A . vertebralis führt zu m
lateralen Halsschmerz und Symptomen des akuten Vestibularisausfalls . Begleitende Augenentzündungen lassen z . B . an Autoimmun-Erkrankungen denken (z .B . Cogan-Syndrom) [10] .
Brennende Schmerzen, Bläschen, Hörstörungen und begleitend e
Fazialisparese lassen an den Zoster oticus (Ramsay Hunt Syndrom) denken. Die Begleitsymptome lassen häufig auch auf di e
Ätiologie zurückschließen .
Klinische Untersuchungstechnike n
Schwerpunkt der Ausführung sollen hier neuro-otologische Untersuchungstechniken sein . Akuter peripher-vestibuläre r
Schwindel führt zu einem tonischen (Spontannystagmus) un d
dynamischen (vestibulo-okulärer Reflex) vestibulären Ungleichgewicht (Imbalanz), das zu Störungen der Augen (Spontannys -
Sander T et al . Schwindel : Anamnese und klinische . . . Klirr Neurophysiol 2009 ; 40 : 24-29
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Originalia
Tab. 7 Begleitsymptome für Schwindelattacken .
Tab . 9
- Oszillopsien vestibuläre Läsion, Sakkadisch e
Intrusion ; Erworbener
Nystagmus (Up-, Downbeat )
Fixationspendel-Nystagmus, u .ä .
w Morbus Meniere, Perilymphfi-
- Kopfschmerzen
stel, u . a.
w basiläre Migräne, A . vertebralis Dissektio n
- Doppelbilder = Hirnstammläsio n
- Fallneigung w Neuritis vestibularis, Wallenberg-Syndrom, Kleinhirnläsio n
der schnellen Phase des Nystagmus zu) oder durch Kopfschütteln, vorausgesetzt der neuronale Geschwindigkeitsspeicher i m
Hirnstamm ist intakt. Die erregenden Impulse überwiegen be i
hohen Kopfbeschleunigungen gegenüber den hemmenden, s o
dass der Geschwindigkeitsspeicher asymmetrisch aufgelade n
wird . Es resultiert ein transienter Ausfall-Nystagmus zur Gegen seite . Dabei sollte die Richtung des ausgelösten Nystagmus i n
der Ebene der stimulierten Bogengänge liegen, d . h . bei horizon talem Kopfschütteln sollte ein horizontaler Nystagmus zur gesunden Seite auftreten (Ausfallnystagmus durch asymmetrische s
Aufladen des Geschwindigkeitsspeichers) . Der peripher vestibu läre Nystagmus nimmt bei Fixation an Intensität ab (visuell e
Suppression der horizontalen und vertikalen, nicht aber der torsionellen Komponente des vestibulo-okulären Reflexes), i m
Dunkeln oder unter der Frenzelbrille jedoch zu . Jeder von de r
Stimulationsebene abweichende Nystagmus ist hinweisend fü r
eine zentral-vestibuläre Läsion (inadäquater oder „pervertierter ”
Nystagmus, „cross-coupling") . Zu berücksichtigen ist auch, das s
nicht jeder Nystagmus Ausdruck einer vestibulären Störung ist .
Felsenbeinfraktu r
Labyrinthkontusio n
Perilymphfistel
Otolithenschwinde l
Labyrinthinfarkt (A. labyrinthii aus AICA )
Tumor
Dissektion A . vertebralis (Hirnstamminfarkt )
Cholesteato m
Schwanno m
Meningeo m
Entzündlich
Granulom e
Cogan-Syndrom '
Kollagenosen (M . Behcet, u .a . )
Sarkoidose, Wegner Granulomatos e
Vaskuliti s
Fehlbildungen
Metabolisch
Knöcherne Bogengangs-Dehiszenze n
Vitamin-Mangel (B6, B12 )
Toxisch
Aminoglykosid (Antibiotika)-Therapi e
- pontomedulläre Läsionen (Infarkte, MS )
- bakterielle Labyrinthiti s
- vestibuläre Epilepsi e
Ätiologie von Schwindelepisoden .
Vaskulär
- Perilymphfistel, Tullio-Phänome n
- Vestibularisparoxysmi e
- Zoster oticu s
- Autoimmunerkrankungen (z . B . Cogan-Syndrom )
- Neurologische w zumeist zentrale Läsio n
Traumatisch
- Hörsturz (mit vestibulärer Läsion )
- A . labyrinthii-Ischämi e
- Neurolabyrinthiti s
- Akustikusneurino m
- Hörstörungen
Tab. 8
Schwindel mit Hörstörungen .
- M . Meniere
tagmus), der Wahrnehmung (Verkippung der Umwelt) und de r
vestibulo-spinalen Haltungsregulation (Fallneigung) führt. Es resultiert Drehschwindel mit Übelkeit und Erbrechen . Die Intensität des Drehschwindels, Auftreten von Übelkeit und Erbreche n
sind keine verlässlichen Unterscheidungskriterien zwischen peripherem und zentralem Schwindel . Während die akute Störung
der auf beiden Hirnseiten balanzierten tonischen vestibuläre n
Ruheaktivität zu einem Spontannystagmus führt, beschreibt di e
dynamische vestibuläre Imbalanz die Asymmetrie vestibulärer
Informationsverarbeitung bei vestibulären Reizen (Kopfbewegungen mit entsprechenden Beschleunigungen ; 6000 9000 ° /se c z ) . Der wichtigste klinische Parameter in der Differenzierung zwischen zentralen und peripheren vestibuläre n
Schwindelformen ist die Richtung des Nystagmus (0 Tab . 10 )
[11] .
Vibrationstest
Durch Vibration (100Hz) mit einem Vibrator (z .B . VVIB 100 ,
Synapsys, France) wird auf dem Mastoid oder über dem M .
sternocleidomastoideus einseitig ein Nystagmus innerhalb vo n
5s ausgelöst. Er schlägt üblicherweise mit der schnellen Phas e
zur kontraläsionellen Seite in der Akutphase, und zwar unabhängig davon, ob die ipsi- oder kontraläsionelle Seite stimulier t
wird [12] . Er kann im Verlauf der Erkrankung zur Gegenseit e
schlagen [13] . Er ist immer pathologisch, jedoch bezüglich de r
Seitenlokalisation nicht verläßlich verwertbar. Klinisch spiegel t
er ein vestibuläres Innervationsungleichgewicht wieder, ähnlic h
dem Kopfschüttelnystagmus .
Spontannystagmus
Vasalva-Tes t
Während periphere Läsionen entsprechend der räumlichen Orientierung der betroffenen Bogengänge im Kopf zu einem kombi nierten horizontal-torsionellen bzw . vertikal-torsionellen Nystagmus führen, sind rein torsionelle oder rein vertikale Nystagmusformen immer hinweisend auf eine zentral-vestibuläre Läsion . Ein vestibuläres Innervationsungleichgewicht kann durc h
zahlreiche Tests klinisch diagnostiziert oder vermutet werden .
Fehlt ein Spontannystagmus, so kann er entweder durch exzentrische Fixation provoziert werden (nach dem Alexander Geset z
nimmt ein Spontannystagmus bei Lateralblick in die Richtung
Druckerhöhung im Mittelohr durch Pressen oder einem PolitzerBallon führt beim Vorliegen einer Perilymphfistel zu einem Nys tagmus, der mit der Druckerhöhung korreliert . Er ist pathologisch bei Perilymphfisteln, knöcherner Deshiszenz, Stapesluxationen und kraniozervikalen Übergangsanomalien .
Sander T et al . Schwindel : Anamnese und klinische . . . Klin Neurophysiol 2009 ; 40 : 24-29
27
Originali a
Tab . 10
Differenzierung peripherer vs . zentraler Lagerungsschwindel .
Merkmale
Latenz nach Lagerungsmanöver
Attackendauer
Nystagmusrichtung
Erschöpfbarkeit
Verlauf von
Drehschwindel und
Nystagmus
Drehschwindel
Übelkeit/Erbrechen
Spontanverlauf
neurologische
Begleitsymptome
BPPV
1–15s (kürzer beim
h-BPPV )
5–60s (bei Cupuloli thiasis länger )
torsionell/vertikal bei
p-BPPV, horizontal
beim h-BPPV
typisc h
typischerweise
Crescendo/
Decrescendo (nich t
beim h-BPPV)
typisch
selten bei isolierten
Kopflagerungsbewegungen, erst bei
Wiederholunge n
spontane Rückbildung häufig binne n
Wochen /Monate n
keine
Bildgebung
normal
Labor
normal
cPPV
0–5 s
5–60 s
rein torsionell ode r
vertikal, Diskrepan z
zwischen stimulierte r
Bogengangsebene un d
Nystagmusrichtun g
„cross-coupling ”
selten Crescendo/
Decrescend o
typisc h
häufig mit einzelnen
Kopflagerungsbewe gunge n
variabe l
häufig (zerebellär e
Okulomotorikstö rungen )
pathologisch : Läsio n
dorsolateral des 4.
Ventrikels, posteriore r
Vermis, cerebelläre
Degenerationen, Intoxi kationen, paraneoplastische Syn .
Intoxikationen ,
paraneoplastisch e
Antikörper
zentraler Lagerungs- Lageschwindel ;
p-BPPV =Benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel des posterioren (h-BPPV= de s
horizontalen) Bogenganges
cPPV =
lithiasis hinweist . Hingegen tritt beim seltenen zentralen Lageschwindel ein Nystagmus nur durch eine Änderung der Kopfposition relativ zur Schwerkraft auf (unabhängig von der Geschwindigkeit) [17] .
Testung einer Canalolithiasis mit Prüfung des vertikalen (posterioren) Bogenganges : Bei rascher Lagerung auf die anamnestisc h
betroffene Seite (Dix-Hallpike-Manöver : im Langsitz bei um 4 5
Grad gedrehtem Kopf rasches Rücklegen des Kopfes in die Kopfhängelage, sodass der Kopf um ca . 30 Grad nach unten gekipp t
ist) findet sich zeitgleich mit der Angabe von Drehschwindel ei n
vertikal (stirnwärts) schlagender Nystagmus mit einer rotatorischen Komponente zum unten liegenden Ohr, dessen Amplitude eine Crescendo/Decrescendo-Dynamik aufweist und etw a
15-30s, maximal 60s anhält . Typischerweise tritt der Nystagmus mit einigen (1-5)s Latenz nach Beginn des Lagerungsmanövers auf. Bei wiederholten Lagerungsmanövern nehmen de r
Nystagmus und der Drehschwindel ab (Ermüdbarkeit, Habituation) . Beim Aufrichten aus der provozierenden Lagerungsposition kommt es zu einer Nystagmusumkehr (nach unten, zu m
Kinn schlagender Nystagmus mit geringer rotatorischer Komponente) . Das therapeutische Epley-Befreiungs-Manöver beginn t
mit dem Dix-Hallpike-Manöver (Liegeposition mit leichter Kopf hängelage und um 45 Grad gedrehtem Kopf) . Nach Abklinge n
des dadurch ausgelösten, lagerungsabhängigen Drehschwindel s
wird der Kopf im Liegen um 90 ° zur gesunden Seite gedreht ,
dann folgt eine weitere 90 ° Kopf- und Körperdrehung, die ebenso ca . 1 min einbehalten wird . Zum Ende richtet sich der Patien t
wieder in die Sitzposition auf.
Prüfung des horizontalen Bogenganges : Aus sitzender Positio n
im Bett Zurücklegen in die Rückenlage (Kopfteil um 30° nac h
oben geneigt), dann Drehung des Kopfes um 90° nach rechts ,
dann nach links um 180 ° , ggf. 2 x Wiederholung [18,19] . Im Ge gensatz zum Lagerungsschwindel des posterioren Bogengange s
hält der Lagerungsnystagmus länger an (1 min) und ist kaum er schöpfbar bei mehreren Lagerungsmanövern . Therapeutisc h
wirksam ist das sog . Barbecue-Manöver, bei der sich der Patien t
im Liegen in 90° -Schritten um insgesamt 270 ° zur gesunde n
Seite dreht [20] und für mehrere (bis zu 12) Stunden auf der gesunden Seite Bettruhe hält [21] .
Tragus-Druckversuc h
Ähnlich wie das Vasalva-Manöver erzeugt der Tragus-Druckver such Druckschwankungen im Mittelohr, die bei Bogengangsdehiszenzen (Perilymphfistel) oder Stapes-Luxationen zum Nystagmus führen. Bei lauten Tönen kann es durch einen ähnliche n
Mechanismus zu einem Nystagmus kommen (Tullio-Phänome n
[14]) .
Hyperventilationstes t
Nach längerer (30-60s) Hyperventilation kommt es zu eine m
Nystagmus durch Sensitivierung von demyelinisierten zentral oder peripher -vestibulären Afferenzen, z .B . bei vestibuläre n
Schwannomen [15,16] . Sie sind dann empfindlicher für Änderungen des Ionenmilieus .
Lagerungstest
v
Kopfimpulstes t
Er testet eine dynamische peripher vestibuläre Imbalanz (Halmagyi-Curthoys-Test=Kopf-Impulstest [22]) mit hoher Sensitivität und Spezifität [23] . Beim Kopf-Impulstest (Patient fixiert
geradeaus bzw. Nase des Untersuchers, dann erfolgen rasche ho rizontale Kopfbeschleunigungen zu jeder Seite) treten im Fal l
eines peripher-vestibulären Defizits Korrektureinstellsakkade n
zur Mitte (zum Fixationspunkt) auf, da der defekte vestibulookuläre Reflex kein adäquates Augengeschwindigkeitssignal lie fert. Dadurch kann der Patient das Blickziel nicht auf der Fove a
halten und es kommt somit zu einer ungewollten retinalen Bildverschiebung, die er als Oszillopsie (Scheinbewegung) oder Unscharfsehen bemerkt. Die Kopfbeschleunigungen müssen rasch
erfolgen (die Bogengangsorgane detektieren Beschleunigungen) ,
benötigen aber nur kleine Amplituden (10-20 Grad) . Ein Defizi t
beim Kopf-Impulstest lässt sich bogengangsspezifisch mit de r
skleralen Magnetspulentechnik quantifizieren [24] .
Der Lagerungstest sucht nach dem sehr häufig vorkommenden ,
lagerungsabhängigen Nystagmus, der meistens auf eine Canalo Sander T et al . Schwindel : Anamnese und klinische . . . Klin Neurophysiol 2009 ; 40 : 24-29
Originalia
Ocular tilt reaction (OTR )
y
Trias aus tonischer Verrollung beider Augen, vertikaler Divergenzstellung (skew deviation) und Kopfverrollung zumeist i n
dieselbe Richtung wie die okuläre Torsion [25] . Sie kann Folge
einer Imbalance der otolithären (utrikulären) peripher ode r
zentral vestibulären Afferenzen sein . Sie ist bei Hirnstammläsionen topisch zu verwerten (kontraläsionell bei ponto-mesencephalen, ipsiläsionell bei ponto-medullären Läsionen) [25,26] .
Läsionen über dem Mittelhirn führen nur noch zu einer Verkippung der subjektiven visuellen Vertikalen .
Kopfoszi Ilationstest
1
Die Sehschärfe fällt bei horizontalem Kopfschütteln (z. B. bei bi lateraler Vestibulopathie) massiv ab.
Romberg Test
1
Stehen mit geschlossen Augen und paralleler (Fersen berühre n
sich) oder Tandem-Fußstellung und angelegten Armen . Er ist pathologisch bei : propriozeptiven, vestibulären und zerebelläre n
Läsionen ; üblicherweise mit Fallneigung zur Läsionsseite . Verbesserung der posturalen Kontrolle bei Ablenkung (z .B . Zahle n
rückwärtszählen) oder erschwerten Bedingungen (Tandem Stand) sind bei phobischen und somatoformen Schwindelsyndromen zu finden [27] .
Unterberger-Tretversuch (Fukuda Test )
y
Der Patient tritt 30s (mindestens 50 Schritte) mit geschlossenen
Augen auf der Stelle . Dreht er sich um mehr als 90 Grad wieder holt zu einer Seite, ist er pathologisch . Bei peripher-vestibuläre n
Läsionen dreht sich der Patient zur Läsionsseite, bei zentrale n
Läsionen ist der Test nicht für die Seitenlokalisation verwertbar .
Ähnliche Aussagekraft hat der Blindgang (Gehstrecke von 5 Metern mit geschlossenen Augen), bei dem ein einseitiges, reproduzierbares Abweichen eine vestibuläre Innervationsimbalanc e
und dann auch die Läsionsseite anzeigen kann .
Prüfung der Okulomotori k
Bezüglich blickrichtungsabhängigen Schwindels sei auf die Lehrbücher zur Prüfung der Okulomotorik (langsame Blickfolge ,
Blickhaltedefizit, Sakkaden, Vergenz) verwiesen [28] .
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