Theorie zum Praktikum

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Theorie und Versuchsanleitung
zum Praktikum
Grundlagen der Elektrotechnik II
Clausthal-Zellerfeld
im Februar 2010
Institut für Elektrische
Energietechnik
I
Inhaltsverzeichnis
5 Versuch 5: Leistungsmessung bei Drehstrom
5.1 Theoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.1.1 Drehstrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.1.2 Sternschaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.1.3 Dreiecksschaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.1.4 Leistungsmessung bei Drehstrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.1.5 Bestimmung des Leistungsfaktors cos  bei Symmetrie . . . . . . . . . .
1
1
1
3
6
7
12
5.1.6 Bestimmung der Blindleistung aus der Aronschaltung bei Symmetrie
5.1.7 Leistungsfaktor  bei Unsymmetrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.1.8 Allgemeine Formelzeichen und Definitionen (DIN 1304, 40 108) . . .
5.1.9 Übungsaufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.2 Aufgaben und Hinweise zum Versuchstag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.2.1 Versuchsdurchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.2.2 Versuchsauswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
16
16
16
17
18
18
20
6 Versuch 6: Schutzmaßnahmen
6.1 Theoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.1.1 Grundlagen, Vorschriften, Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.1.2 Netzformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.1.3 Gefahren des elektrischen Stromes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.1.4 Berührspannung, Schrittspannung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.1.5 Schutzmaßnahmen - Schutz gegen elektrischen Schlag . . . . . . . . . . .
6.1.6 Schutz durch automatisches Abschalten der Stromversorgung . . . . .
6.1.7 Schutz durch doppelte oder verstärkte Isolierung . . . . . . . . . . . . . . .
6.1.8 Schutz durch Schutztrennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.1.9 Schutz durch Kleinspannungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
23
23
25
27
31
35
36
47
49
51
___________________________________________________________________________
II
INHALTSVERZEICHNIS
6.1.10 Zusätzlicher Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.1.11 Schutzmaßnahmen unter fachlicher Beaufsichtigung . . . . . . . . . . . . . .
6.1.12 Schutzeinrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.2 Aufgaben und Hinweise zum Versuchstag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.2.1 Demonstrationstafeln für Schutzmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.2.2 Versuchsdurchführung und -auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
54
54
56
62
62
64
7 Versuch 7: Gleichrichterschaltungen
7.1 Theoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.1.1 Definition eines idealen Ventils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.1.2 Gleichrichterschaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.1.3 Gleichgerichtete Spannung, überlagerte Wechselspannung und
Glättungseinrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.1.4 Unvollkommenheit idealer Ventile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.1.5 Belastungskennlinie eines Gleichrichters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.2 Aufgaben und Hinweise zum Versuchstag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.2.1 Versuchsdurchführung Funktionshinweise des Schaltbrettes: Gleichrichterschaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.2.2 Messungen und Versuchsauswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
67
67
67
68
99
100
8 Versuch 8: Untersuchung eines Transformators
8.1 Theoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.1.1 Allgemeine Betrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.1.2 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.1.3 Betriebsverhalten des Transformators . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.1.4 Berechnung und Messung der Größen des Ersatzschaltbildes . . . . . . .
8.1.5 Transformatoren für besondere Zwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.2 Aufgaben und Hinweise zum Versuchstag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.2.1 Versuchsdurchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.2.2 Versuchsauswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
103
103
103
107
116
119
122
126
126
126
86
95
98
99
___________________________________________________________________________
1
Versuch 5: Leistungsmessung bei Drehstrom
5.1 Theoretische Grundlagen
5.1.1
Drehstrom
„Drehstromsystem“ ist die übliche Bezeichnung für ein dreiphasiges Wechselstromsystem.
Das Drehstromsystem (Abb. 5.1) dient zur Übertragung von elektrischer Energie mit drei
Strombahnen. Die Leiter, die die Energiequellen mit dem Verbraucher verbinden, werden
vorzugsweise mit L1, L2, L3 bezeichnet. Zulässig ist auch die Bezeichnung R, S und T (DIN
40 108).
L1
L2
Generator
L3
U12
U31
I1
U1N
U23
N
U2N
U3N
I2
Verbraucher
I3
Abb. 5.1: Drehstrom-Vierleitersystem
Die Spannung zwischen diesen Leitern sind die Leiterspannungen, U12, U23 und U31. Die Leiterströme haben die Bezeichnung I1, I2 und I3. Oft ist ein vierter Anschluss, der Mittel- oder
Sternpunktleiter N (alte Bezeichnung: Mp) vorhanden, der bei gewissen Verbraucherschaltungen mit dem Verbrauchersternpunkt verbunden sein kann. Die Spannungen zwischen den Leitern und dem Mittelleiter N sind die Sternspannungen U1N, U2N und U3N. Drehstromnetze füh___________________________________________________________________________
2
5.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
ren meistens symmetrische Spannungen, d.h. Leiter- bzw. Sternspannungen sind betragsmäßig gleich groß:
U12  U 23  U31  U L
Erläuterung:
U1N  U 2 N  U3 N  U LN
U : komplexer Effektivwert
U : Effektivwert = Betrag des komplexen Effektivwertes
u : Momentanwert (siehe Abb. 5.2)
Die Phasenverschiebungen zwischen den einzelnen Leiter- bzw. Sternspannungen betragen
dann 120° (Abb. 5.2).
U 3N
U 31
U1N
U 23
U12
u
1
U1N
U 31
U 2N
U12
U 3N
0
U 2N
3
t
2
U 23
120°
Abb. 5.2: Zeiger- und Liniendiagramm von Leiter- und Sternspannungen
Aus dem Diagramm ist ablesbar, dass
UL 
3U LN
ist.
400V
=230V bei f = 50 Hz genormt *.
3
Der Sternpunkt ist oft geerdet (vergleiche Versuch 6: Schutzmaßnahmen).
Im Niederspannungsnetz sind UL = 400 V und U LN 
___________________________________________________________________________
5. VERSUCH 5: LEISTUNGSMESSUNG BEI DREHSTROM
3
* Im Rahmen der internationalen Standardisierung ersetzen diese Nennspannungen
seit 1983 die Werte 220/380 V (z.B. in Deutschland) und 240/415 V (z.B. in Großbritannien).
5.1.2 Sternschaltung
Eine Sternschaltung liegt dann vor, wenn die drei Verbraucher oder Stränge an einem gemeinsamen Knotenpunkt, dem Lastmittelpunkt oder -sternpunkt N angeschlossen sind (Abb.
5.3). Die an den Strängen liegenden Spannungen U1N, U2N und U3N werden Sternspannungen
ULN genannt. Die Ströme in den Strängen sind bei der Sternschaltung gleich den Leiterströmen:
IStr = IL.
I1
L1
I1N
U1N
U 31
U12
U 3N
L2
I3N
U 23
U 2N
U 12  U 1N  U 2 N
U 23  U 2 N  U 3 N
U 31  U 3 N  U 1N
I3
L3
I2
S
N
IN
Abb. 5.3: Sternschaltung
5.1.2.1 Symmetrische Belastung bei Sternschaltung
Symmetrische Belastung liegt dann vor, wenn alle komplexen Widerstände nach Betrag und
Phase gleich groß sind. Bei Anschluss an ein symmetrisches Netz sind dann auch die Strangspannungen ULN gleich groß und in ihrer Phase um 120° gegeneinander verschoben:
___________________________________________________________________________
4
5.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
U1N  U 2 N  U 3 N 
UL
 U LN
3
Es gilt somit auch auf der Verbraucherseite das Zeigerdiagramm von Abb. 5.2.
Verbindet man den Laststernpunkt N mit dem Generatorsternpunkt (Schalter S geschlossen,
Abb. 5.3), so fließt in diesem Sternpunkt- oder Mittelleiter kein Strom IN, da beide Sternpunkte gleiches Potential haben.
Nimmt man zur Zeichnung eines Stromzeigerdiagramms an, dass symmetrische ohmsche Belastung vorliegt, dann haben Strangstrom- und Strangspannungszeiger die gleiche Richtung
(Abb. 5.4). Es gilt weiterhin die Knotenpunktsgleichung.
I1  I 2  I 3  0
und wegen der Symmetrie
I1  I 2  I3  I L  I Str
1
I3
I3
I2
U 31
U1N
U12
120°
U 3N
I1
U 2N
3
I1
I2
2
U 23
Abb. 5.4: Spannungs- und Stromzeigerdiagramm bei symmetrischer ohmscher Last
in Sternschaltung
5.1.2.2 Unsymmetrische Belastung in Sternschaltung mit Sternpunktleiter
An einem starren Drehstromnetz mit Mittelleiter seien drei in Stern geschaltete ungleiche
Wechselstromwiderstände Z 1  Z 2  Z 3 angeschlossen. Bei symmetrischen Sternspannungen
und einem widerstandslosen Mittelpunktleiter tritt an allen drei Widerständen eine dem Betrage nach gleichgroße Spannung auf. Die Stern- bzw. Strangströme und damit die Leiter-
___________________________________________________________________________
5. VERSUCH 5: LEISTUNGSMESSUNG BEI DREHSTROM
5
ströme I Str  I L  U LN / Z Str sind also unsymmetrisch, d.h. ihre Summe ist nicht mehr gleich
Null, so dass auch im Mittelleiter ein Strom I N fließt.
Es sei das Beispiel unsymmetrischer ohmscher Belastung betrachtet, d.h. die Strangwiderstände sind unterschiedlich groß. Wird z.B. der Belastungsfall R1  R2  R3 gewählt, so ist
I1  I 2  I 3 ,
da die Strangspannungen gleich sind. Das Stromzeigerdiagramm hat dann z.B. folgendes
Aussehen (Abb. 5.5):
1
I3
I2
U31
U1N
IN
U12
I3
U3N
I1
I1
U 2N
3
2
I2
U 23
Abb. 5.5: Spannungs- und Stromzeigerdiagramm bei unsymmetrischer ohmscher
Last mit N-Leiter
Das Knotenpunktsgesetz lautet jetzt:
I1  I 2  I 3  I N  0
Es fließt somit bei unsymmetrischer Last über den Mittelleiter ein Ausgleichsstrom I N .
5.1.2.3 Unsymmetrische Belastung in Sternschaltung ohne Sternpunktleiter
Werden bei unsymmetrischer Last die Mittelpunkte von Generator (Netz) und Verbraucher
nicht verbunden (Schalter S geöffnet, siehe Abb. 5.3), so sind die Sternspannungen unterschiedlich groß. Zwischen den Sternpunkten entsteht eine Potentialdifferenz U GV (Indizes: G:
Generator, V: Verbraucher) und somit eine Sternpunktverschiebung am Verbraucher (Abb.
5.6).
___________________________________________________________________________
6
5.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
1
I1  I 2  I3  0
I3
U1N
U 31
NG
U12
I1
U GV
U 3N
I2
U 2N
3
2
U 23
Abb. 5.6: Spannungs- und Stromzeigerdiagramm bei unsymmetrischer ohmscher
Last ohne N-Leiter
5.1.3 Dreieckschaltung
Eine Dreieckschaltung liegt vor, wenn sämtliche Stränge hintereinander angeordnet einen geschlossenen Ring bilden. Da jeder Verbraucher an der Leiterspannung liegt, sind Leiter- und
Strangspannung gleich:
U L  U Str
Die Leiterströme ergeben sich nach dem Knotenpunktsgesetz aus der geometrischen Differenz zweier Strangströme (Abb. 5.7):
L1
I1
1
I31
U12
U 31
U12
U 31
L2
U 23
L3
I12
I3
3
I 23
I2
I 1  I 12  I 31
I 2  I 23  I 12
I 3  I 31  I 23
2
U 23
Abb. 5.7: Dreieckschaltung
___________________________________________________________________________
5. VERSUCH 5: LEISTUNGSMESSUNG BEI DREHSTROM
7
5.1.3.1 Symmetrische Belastung bei Dreieckschaltung
Bei symmetrischer Belastung sind alle Widerstände und damit auch alle Strangströme gleich
groß. Für den Fall der symmetrischen ohmschen Belastung ergeben sich folgende Zeigerdiagramme (Abb. 5.8):
1
I12
I3
I31
U 31
U12
I 23
I31
I1
I2
U 23
3
I12
I 23
2
Abb. 5.8: Spannungs- und Stromzeigerdiagramm bei symmetrischer ohmscher Last
in Dreieckschaltung
Der Leiterstrom ist
3 -mal größer als der Strangstrom.
I12  I 23  I 31  I Str
I L  3  I Str
Dies gilt auch bei beliebiger symmetrischer Last.
5.1.4 Leistungsmessung bei Drehstrom
5.1.4.1 Einphasige Wirkleistungsmessung bei symmetrischer Belastung
Die gesamte Drehstromwirkleistung ergibt sich aus der Summe der einzelnen Strangleistungen:
3
PS  P1N  P2 N  P3 N   PStr
bei Sternschaltung
1
3
PD  P12  P23  P31   PStr
bei Dreieckschaltung
1
___________________________________________________________________________
8
5.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
Bei Symmetrie sind die Strangleistungen gleich. Damit ist:
P  3PStr
Weiterhin gilt für Symmetrie bei Sternschaltung:
I L  I Str
U L  3 U Str
PS  3  PStr  3 U Str  I Str  cos 
PS  3 U L  I L  cos 
und bei Dreieckschaltung
I L  3  I Str
PD  3  PStr  3 U Str  I Str  cos 
U L  U Str
PD  3 U L  I L  cos   PS
Bei Verwendung der Leiterwerte ist die Gleichung also unabhängig von der Schaltung. Zur
Bestimmung der Gesamtleistung reicht die Messung der Leistung eines Stranges mit einem
Leistungsmesser aus, dessen Wert mit drei multipliziert wird.
L1
L1
W
L2
Symmetrische
Last
L3
oder
W
Symmetrische
Last
L2
RV
oder
L3
RV
N
R 'V
a)
R 'V  R V  R M
b)
Abb. 5.9: Einphasige Leistungsmessung bei symmetrischer Last
RV : Vorwiderstand zur Messbereichserweiterung des Spannungspfades vom Wattmeter
RM : Innenwiderstand des Wattmeters
a) Schaltung mit vorhandenem Netzmittelpunktleiter N oder Laststernpunkt N
b) Schaltung mit künstlichem Sternpunkt bei fehlendem Mittelpunkt N
___________________________________________________________________________
5. VERSUCH 5: LEISTUNGSMESSUNG BEI DREHSTROM
9
Ist der Sternpunkt des Netzes oder der Laststernpunkt (bei Sternschaltung) zugänglich, kann
der Spannungspfad daran angeschlossen werden. Fehlen diese Klemmen, muss ein künstlicher
Sternpunkt geschaffen werden, wobei die Widerstände so dimensioniert sein müssen, dass
Symmetrie vorhanden ist. Die Leistungsmessgeräte in Abb. 5.9 messen
U 
PStr   L   I L  cos  .
 3
Wird dieser Wert mit drei multipliziert, erhält man die gesamte Drehstromwirkleistung.
5.1.4.2 Einphasige Blindleistungsmessung bei symmetrischer Belastung
Legt man den Spannungspfad des Leistungsmessers an eine Spannung des Drehstromsystems,
die senkrecht auf jener Spannung steht, die bei der Wirkleistungsmessung benutzt wird, so
erhält man eine Blindleistungsmessung (Abb. 5.10):
Q’
L1
var
Symmetrische
Last
L2
RV
oder
L3
Abb. 5.10: Einphasige Blindleistungsmessung bei symmetrischer Last
Es ist erkennbar, dass am Spannungspfad die Spannung U 23 liegt, die um 90° gegenüber U 1N
verschoben ist (Abb. 5.11).
___________________________________________________________________________
10
5.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
1
U1N
3
2
U 23
90°
Abb. 5.11: Spannung U 23 für die Blindleistungsmessung in L1, senkrecht zu U 1N
Das Messgerät zeigt keinen Ausschlag, wenn I 1 in Phase mit U 1N ist (reiner Wirkverbraucher), und zeigt maximalen Ausschlag, wenn I 1 senkrecht auf U 1N steht (reiner Blindverbraucher). Das Messgerät misst Q '  U L  I L  sin  . Die gesamte Blindstromleistung Q erhält
man durch Multiplikation des Ausschlages mit
3 ; Q  3  Q '  3 U L  I L  sin  .
5.1.4.3 Dreileistungsmesserschaltung
L1
W
L2
W
L3
W
RV
PL1
PL2
Symmetrische
Last
PL3
RV
oder
RV
PL1  PL2  PL3  P
Abb. 5.12: Dreileistungsmesserschaltung
Bei der Drei-Wattmeterschaltung werden die Ausgänge der Spannungspfade zu einem gemeinsamen künstlichen Sternpunkt zusammengeschaltet. Unter der Voraussetzung, dass die
Spannungspfade aller Wattmeter den gleichen Widerstand haben, zeigt jedes dieser Instrumente das Leistungsprodukt aus Leiterstrom und der zu diesem Leiter gehörigen Sternpunkt___________________________________________________________________________
5. VERSUCH 5: LEISTUNGSMESSUNG BEI DREHSTROM
11
spannung an, d.h. die Summe der Anzeigen entspricht der gesamten Wirkleistung. Mit diesem
Verfahren zur Leistungsmessung wird auch bei unsymmetrischer Last in allen Fällen die Leistung richtig erfasst. Eine Ausnahme ist jedoch zu beachten: Wenn eine Verbindung zwischen
Last- und Netzsternpunkt besteht und ein Mittelleiterstrom fließt, die drei Wattmeter aber mit
einem künstlichen Sternpunkt arbeiten, dann wird die Leistung falsch angezeigt, denn das Potential des künstlichen Sternpunktes liegt auf einem ganz anderen Potential als das gemeinsame Mittelleiter-Potential von Last und Netz. Erst wenn man den Mittelleiterstrom unterbricht
oder den künstlichen Sternpunkt an den Mittelleiter anschließt, wird die Summe der drei
Strangleistungen wieder richtig angezeigt.
5.1.4.4 Aronschaltung
L1
W
PA1
RV
L2
RV
L3
Symmetrische
und
unsymmetrische
Last
oder
W
PA2
PA1  PA 2  P
Abb. 5.13: Aronschaltung
Die gebräuchlichste Art zur Wirkleistungsmessung bei symmetrischer und unsymmetrischer
Last ohne N-Anschluss ist die Zweileistungsmesserschaltung oder Aronschaltung. Sie hat gegenüber der Dreileistungsmesserschaltung den Vorteil, dass ein Messgerät eingespart wird
und dass außerdem bei symmetrischer Last eine cos  - und eine Blindleistungsbestimmung
möglich ist.
Gegeben sei z.B. eine Sternschaltung ohne N-Leiter nach Abb. 5.3. Der Augenblickswert der
Drehstromscheinleistung s ergibt sich aus den Augenblickswerten der Strangströme i und
Strangspannungen u.
s  u1N  i1  u2 N  i2  u3 N  i3
Es gilt weiterhin:
i1  i2  i3  0  i2  i1  i3
___________________________________________________________________________
12
5.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
s   u1N  u2 N   i1   u3 N  u2 N   i3
s  u12  i1  u32  i3
mit
und
u3 N  u2 N  u23  u32
u1N  u2 N  u12
Der zeitliche Mittelwert der Leistung ergibt sich durch Integration des Augenblickwertes der
1
Leistung P   s  dt
TT
P  U12  I1  cos  A1  U32  I3  cos  A2
Hierbei sind U12, U32, I1 und I3 die Effektivwerte dieser Größen und  A1 der Winkel zwischen
U12, I1 sowie  A2 der Winkel zwischen U32, I3. Obiger Ausdruck entspricht der Summe der
beiden Leistungsmesserausschläge:
P  PA1  PA2
Die Aronschaltung gilt für den Fall, dass I N  0 ist. Bei unsymmetrischer Sternschaltung darf
also kein Mittelpunktleiter angeschlossen sein. Jedoch kann bei symmetrischer Last und
symmetrischem Netz ein N-Leiter vorhanden sein, da dann I N  0 ist.
5.1.5 Bestimmung des Leistungsfaktors cos bei Symmetrie
Der Leistungsfaktor cos ist das Verhältnis von Wirkleistung zu Scheinleistung:
cos  
P
S
Bei symmetrischer Belastung ist 1   2   3   ;
I1  I 2  I3  I L ;
Damit ist:
S  3 U L  I L und
cos  
P  P1  P2  P3  PA1  PA2  3PStr
P
3 U L  I L
Der Leistungsfaktor kann also durch Strom, Spannungs- und Wirkleistungsmessung bestimmt
werden.
___________________________________________________________________________
5. VERSUCH 5: LEISTUNGSMESSUNG BEI DREHSTROM
13
Auch aus der Blindleistungsmessung (Kap. 5.1.4 „Blindleistungsmessung“) kann cos berechnet werden:
sin  
Q'
;
UL  IL
cos   1  sin 2 
Eine elegante Methode zur Bestimmung des cos bei Symmetrie von Netz und Last ohne
Strom- und Spannungsmessung ist die Leistungsfaktorbestimmung aus dem Verhältnis der
Wattmeterausschläge der Aronschaltung. Nimmt man z.B. an, dass die Ströme I 1 , I 2 und I 3
um den Winkel  gegenüber den Strangspannungen nacheilen, dann gilt für die Winkel A1
und A2 nach Abb. 5.14:
1
I2
U12
30°
U 31

U 32
  30   A 2
3
I1

U 23
2
I3
  30   A1
U12
Abb. 5.14: Zeigerdiagramm bei symmetrischer Sternschaltung
Damit ist bei Symmetrie:
PA1 U12  I1  cos  A1

PA2 U 32  I 3  cos  A2

U L  I L  cos   30 
U L  I L  cos   30 

cos   30 
cos   30 
___________________________________________________________________________
14
5.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
P 
Aus der Kurve cos   f  A1  lässt sich der Leistungsfaktor direkt ablesen, siehe (Abb.
 PA2 
5.15)
Bildet man die Summe der Leistungsmesserausschläge der Aronschaltung, dann ist bei symmetrischer Last
P  PA1  PA2
 U L  I L  cos   30   cos   30  
 U L  I L  2  cos   cos 30, mit cos   cos   2  cos
 
2
 cos
 
2
 3 U L  I L  cos 
Es ergibt sich die gesamte Drehstromwirkleistung.
___________________________________________________________________________
5. VERSUCH 5: LEISTUNGSMESSUNG BEI DREHSTROM
15
Abb. 5.15: Bestimmung des cos nach der 2-Wattmetermethode
___________________________________________________________________________
16
5.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
5.1.6 Bestimmung der Blindleistung aus der Aronschaltung bei
Symmetrie
Aus der Differenz der Wattmeterausschläge PA2  PA1 erhält man:
PA2  PA1  U L  I L  cos   30   cos   30  
 U L  I L  2  sin   sin 30, mit cos   cos   2  sin
 U L  I L  sin 
 
2
 sin
 
2
 Q'
Wird dieser Wert mit
3 multipliziert, ergibt sich die gesamte Drehstromblindleistung Q.
Q  3   PA2  PA1   3 U L  I L  sin   3  Q '
5.1.7 Leistungsfaktor  bei Unsymmetrie
Bei unsymmetrischer Belastung hat natürlich die Last keinen einheitlichen cos ; man kann
P
zwar das Verhältnis von Wirkleistung zu Scheinleistung bestimmten,  
(vgl. DIN 40
S
110), dieser ist dann aber nicht mehr identisch mit dem Leistungsfaktor aus Kap. 5.1.5.
5.1.8 Allgemeine Formelzeichen und Definitionen (DIN 1304,
40 108)
P : Wirkleistu ng
Q : Blindleist ung
S : Scheinleis tung
p

q entsprechende zeitabhängige Größen
s

5.1.8.1 Spannungen
Außenleiterspannung ist bei Dreileitersystemen für Gleichstrom und Einphasenwechselstrom die Spannung zwischen den beiden Außenleitern, bei Mehrphasensystemen die Spannung zwischen zwei Außenleitern mit zeitlich aufeinander folgenden Phasen.
___________________________________________________________________________
5. VERSUCH 5: LEISTUNGSMESSUNG BEI DREHSTROM
17
Sternspannung ist die Spannung zwischen einem Außenleiter und dem Sternpunkt.
Strangspannung ist die Spannung zwischen beiden Enden eines Stranges, unabhängig davon,
in welcher Schaltung die Stränge zusammengeschlossen sind.
5.1.8.2 Ströme
Außenleiterstrom ist der Strom, der in einem Außenleiter fließt.
Mittelleiterstrom ist der Strom, der in einem Mittelleiter fließt.
Strangstrom ist der Strom, der in einem Strang fließt, unabhängig davon, in welcher Schaltung die Stränge zusammengeschlossen sind.
Sternstrom ist eine andere Benennung für den Strangstrom bei Mehrphasensystemen in
Sternschaltung.
5.1.9 Übungsaufgabe
Zur Vorbereitung des Versuchs und zur Wiederholung der komplexen Rechnung wird die Bearbeitung der folgenden Übungsaufgabe empfohlen:
Berechnen Sie für die angegebene Schaltung Wirk-, Blind- und Scheinleistung.
IL
L1
C
UL
U L  400V
R
R  10
L3
R
C
C  636, 6 F
R
C
f  50 Hz
L2
Zur Kontrolle werden folgende Zwischen- und Endergebnisse angegeben:
X C  5;   11,18;   26, 6; I L  20, 7 A;
P  12,8kW ; Q  6, 4kvar; S  14,3kVA
___________________________________________________________________________
18
5.2. AUFGABEN UND HINWEISE ZUM VERSUCHSTAG
5.2 Aufgaben und Hinweise zum Versuchstag
5.2.1 Versuchsdurchführung
5.2.1.1
Versuche 1-3
L1
V
L2
Generator
L3
I1
P1
PA1
A
W
W
I2
P2
A
W
I3
P3
PA2
A
W
W
UL
IN
N
A
Abb. 5.16: Schaltbild für die Versuche 1-3 (Versorgung)
1.
Sternschaltung ohne Neutralleiter
Die Schaltung ist für unsymmetrische Last bei U L  40V und I L max  5 A zu untersuchen.
Es werden gemessen: U L , U1N , U 2 N , U3 N , I1 , I 2 , I3 , P1 , P2 , P3 , PA1 und PA 2 .
2.
Sternschaltung mit Neutralleiter
Die Schaltung ist für unsymmetrische Last bei U L  40V und I L max  5 A zu untersuchen.
Es werden gemessen: U L , U1N , U 2 N , U3 N , I1 , I 2 , I3 , I N , P1 , P2 , P3 , PA1 und PA 2 .
3.
Dreieckschaltung
Die Schaltung ist für unsymmetrische Last bei U L  40V und I L max  5 A zu untersuchen.
Es werden gemessen: U L , I1 , I 2 , I3 , I12 , I 23 , I31 , P1 , P2 , P3 , PA1, PA2 .
___________________________________________________________________________
5. VERSUCH 5: LEISTUNGSMESSUNG BEI DREHSTROM
19
Hinweise
Für die Versuche 1 bis 3 werden als Verbraucher pro Strang zwei verstellbare Widerstände
verwendet. Dabei ist je einer der beiden komplett einzustellen. Die Unsymmetrie wird vom
Betreuer eingestellt.
Bei allen drei Versuchen wird der Versuch gemäß Abb. 5.16 aufgebaut. An diesen Aufbau
wird je nach Versuch eine Stern- bzw. Dreieckschaltung nach Abb. 5.17 angeschlossen.
Für die Messung der Leiterströme sind die Weicheiseninstrumente zu benutzen.
L1
L1
U1N
I31
V
A
U 3N
L2
U 2N
V
I12
L2
V
I 23
L3
L3
A
A
N
Abb. 5.17: Schaltbild für die Versuche 1-3 (Verbraucher)
5.2.1.2 Versuch 4
L1
V
IL
PStr
PA1
Q'
A
W
W
var
UL
L2
Generator
PA2
L3
W
N
Abb. 5.18: Schaltbild für Versuch 4
Es sollen die Größen U L , I L , PA1 , PA2 , PStr und Q ' bei folgenden Drehstromverbrauchern gemessen werden:
___________________________________________________________________________
20
5.2. AUFGABEN UND HINWEISE ZUM VERSUCHSTAG
a) symmetrische ohmsche Belastung in Sternschaltung
b) symmetrische, gemischt ohmsch-kapazitive Last in Sternschaltung
c) symmetrische, rein kapazitive Blindwiderstände in Sternschaltung
Hinweise
Die ohmschen Widerstände und Kapazitäten für Teil b sind parallel geschaltet (siehe auch
Abb. 5.18)!
Bei allen vier Versuchen ist auf einen ordentlichen Aufbau der Schaltung zu achten.
5.2.2 Versuchsauswertung
5.2.2.1 Versuche 1 - 3
Die gemessenen Werte sind tabellarisch aufzutragen. Zu den Versuchen 1, 2 und 3 sind je ein
Strom- und ein Spannungszeigerdiagramm zu zeichnen. Auf die richtige Phasenlage zwischen
Spannungen und Strömen ist zu achten. Die Drehstromwirkleistung ist nach der Dreileistungsmesserschaltung und nach der Aronschaltung zu berechnen. Die Werte sind zu vergleichen. Wann liefert die Aronschaltung ein falsches Ergebnis?
5.2.2.2 Versuch 4
Zum Versuch 4 Wirk- und Blindleistungsmessungen sind für jeden Belastungsfall die folgenden Größen zu ermitteln.
1. Die Drehstromwirkleistung nach der Aronschaltung und der Strangleistungsmessung.
2. Die Drehstromblindleistung aus der Differenz der Wattmeterausschläge sowie aus der
einphasigen Blindleistungsmessung.
3. Die Drehstromscheinleistung aus Wirk- und Blindleistungsmessung.
4. Der Leistungsfaktor cos  auf drei verschiedene Arten
4.1 aus der Wirk- und Scheinleistung
4.2 aus Blind- und Scheinleistung
4.3 aus dem Verhältnis der Wattmeterausschläge der Aronschaltung
___________________________________________________________________________
5. VERSUCH 5: LEISTUNGSMESSUNG BEI DREHSTROM
21
Abb. 5.19: Bestimmung des cos  nach der 2-Wattmetermethode
___________________________________________________________________________
23
Versuch 6: Schutzmaßnahmen
6.1 Theoretische Grundlagen
6.1.1 Grundlagen, Vorschriften und Begriffe
Die in diesem Skript benutzten Begriffe und zitierten Vorschriften entsprechen den VDEBestimmungen DIN / VDE 0100 Teil 410 mit den zugehörigen Beiblättern und Erläuterungen. Diese enthalten Vorschriften zum Errichten von Starkstromanlagen mit Nennspannungen
bis 1000 V (nach VDE: Niederspannung). Hier werden im Wesentlichen nur die Passagen, die
den Schutz gegen das "indirekte Berühren" in Wechselspannungsnetzen betreffen, herangezogen. Nachfolgend werden einige wichtige Begriffe dieses Vorschriftenwerkes erläutert:
Elektrische Anlagen
Eine Kombination von zugeordneten elektrischen Betriebsmitteln zur Erfüllung eines bestimmten Zweckes oder bestimmter
Zwecke mit auf einander abgestimmten Kenngrößen.
Nennspannung
Spannung, durch die eine Anlage oder ein Teil einer Anlage
gekennzeichnet ist. Die tatsächliche Spannung kann innerhalb
zulässiger Grenzen davon abweichen. Bei Drehstromnetzen ist
hiermit die Leiter- oder Dreieckspannung gemeint.
Fehlerspannung
Spannung zwischen der Fehlerstelle und der Referenzerde bei
einem Isolationsfehler.
Berührungsspannung
Spannung zwischen zwei leitfähigen Teilen, wenn diese von
einem Menschen oder einem Tier gleichzeitig berührt werden.
___________________________________________________________________________
24
6.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
Aktives Teil
Leiter oder leitfähiges Teil, der/das dazu vorgesehen ist, im üblichen Betrieb unter Spannung zu stehen, einschließlich eines
Neutralleiters, vereinbarungsgemäß jedoch nicht eines PEN-,
PEM- oder PEL-Leiters.
Körper
Leitfähiges Teil eines elektrischen Hilfsmittels, das berührt werden kann und üblicherweise nicht unter Spannung steht, aber
unter Spannung geraten kann, wenn die Basisisolierung versagt.
Fremdes leitfähiges Teil
Leitfähiges Teil, das nicht zur elektrischen Anlage gehört, das
jedoch ein elektrisches Potential, im Allgemeinen das einer örtlichen Erde, führen kann. (Gebäudekonstruktionselemente, leitfähige Fußböden und Wände, Gas- oder Wasserleitungen usw.)
Elektrische Umhüllung
Umhüllung, die Schutz gegen vorhersehbare Gefahren durch
Elektrizität bietet.
Bezugserde
Elektrisch leitfähig angesehener Teil der Erde, der außerhalb des
Einflussbereichs von Erdungsanlagen liegt und dessen elektrisches Potential vereinbarungsgemäß gleich Null gesetzt wird.
Unter „Erde“ ist hier der Planet mit seiner gesamten Substanz zu
verstehen.
(örtliche) Erde
Teil der Erde, der sich im elektrischen Kontakt mit einem Erder
befindet und dessen elektrisches Potential nicht notwendigerweise Null ist.
Erder
Leitfähiges Teil, das in ein bestimmtes leitfähiges Medium, zum
Beispiel Beton oder Koks, eingebettet sein kann und im elektrischen Kontakt mit der Erde steht.
Impedanz gegen Bezugs- Impedanz zwischen einem bestimmten Punkt in einem Netz, in
erde
einer Anlage oder in einem Betriebsmittel und Bezugserde bei
gegebener Frequenz.
Neutralleiter (N)
Leiter, der mit dem Neutralpunkt bzw. Sternpunkt elektrisch
verbunden und in der Lage ist, zur Verteilung elektrischer Energie beizutragen.
___________________________________________________________________________
6. VERSUCH 6: SCHUTZMASSNAHMEN
25
Es wird zwischen einem Neutralpunkt (in Stern geschaltetes
Mehrphasensystem) und einem Mittelpunkt (einphasiges System) unterschieden.
Schutzleiter (PE)
Leiter, der bei einigen Schutzmaßnahmen die Aufgabe hat,
elektrische Verbindungen zwischen einigen der folgenden Teile
herzustellen: Körper elektrischer Betriebsmittel, fremde leitfähige Teile, Haupterdungsklemme, Erder, geerdeter Punkt der
Stromquelle oder künstlicher Sternpunkt.
Der PE-Leiter ist im ungestörten Betrieb stromlos. Seine Funktion kann unter bestimmten Bedingungen (auch abschnittsweise)
mit dem Neutralleiter zusammengefasst werden (PEN-Leiter).
Direktes Berühren
Berühren aktiver Teile durch Menschen oder Tiere.
Indirektes Berühren
Berühren von Körpern elektrischer Betriebsmittel, die infolge
eines Fehlerzustandes unter Spannung stehen, durch Menschen
oder Tiere
Elektrischer Schlag
Physiologische Wirkung, hervorgerufen von einem elektrischen
Strom durch den Körper eines Menschen oder Tieres.
6.1.2 Netzformen
Charakteristische Größen eines Netzes:
-
Nennspannung, Stromart, Frequenz
Leistungsbedarf
zu erwartende Kurzschlussströme (minimaler und maximaler Kurzschlussstrom in
Abhängigkeit von der Fehlerart) an der Einspeisestelle
Art und Anzahl der aktiven Leiter der Einspeisung
Art der Erdverbindungen
In Abb. 6.1 sind übliche dreiphasige Drehstromnetze mit verschiedenartiger Behandlung des
Netz-Sternpunktes und der Körper dargestellt, die nach VDE 0100 Teil 300 durch mindestens
zwei Buchstaben gekennzeichnet sind:
___________________________________________________________________________
26
6.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
Der erste Buchstabe kennzeichnet die Erdungsverhältnisse des Spannungserzeugers
oder der Stromquelle (Transformator, Generator, usw.)
T (terre [franz.] = Erde) Spannungserzeuger direkt mit einem Punkt geerdet (i.
Allg. der Sternpunkt)
I (isolated [engl.] = isoliert) Isolierung
aller aktiven Teile von Erde oder Verbindung über eine Impedanz
Der zweite Buchstabe kennzeichnet die Erdungsverhältnisse leitfähiger Körper in
einer elektrischen Anlage (Gehäuse,
Konstruktionsteile, usw.)
T Körper direkt geerdet
N (neutral) Körper direkt mit dem
Betriebserder (i. Allg. geerdeter Sternpunkt) verbunden
Weitere Buchstaben kennzeichnen die Anordnung des Neutralleiters N und des
Schutzleiters PE im TN-Netz
S (separated [engl.] = getrennt) Neutralleiter und Schutzleiter sind als getrennte
Leiter verlegt
C (combinated [engl.] = kombiniert) Neutralleiter und Schutzleiter sind im PENLeiter kombiniert
TN-Netz
Der Spannungserzeuger ist direkt geerdet (Betriebserde). Körper (z.B.
leitfähige Gehäuse) sind über PE-Leiter oder PEN-Leiter mit der Betriebserde verbunden. Die Trennung oder Kombination von Schutzleiter und
Neutralleiter unterscheidet zwischen TN-C-, TN-S- und TN-C-S-Netz.
TN-C-Netz
Neutralleiter- und Schutzleiterfunktion sind im gesamten Netz im PENLeiter zusammengefasst.
TN-S-Netz
PE-Leiter und N-Leiter sind im gesamten Netz getrennt verlegt.
TN-C-S-Netz
Nur in einem Teil des Netzes sind Neutral- und Schutzleiterfunktion im
PEN-Leiter zusammengefasst. Im restlichen Netz sind PE- und N-Leiter
getrennt verlegt.
TT-Netz
Der Spannungserzeuger ist direkt geerdet (Betriebserder). Die Körper der
elektrischen Anlage sind ebenfalls direkt geerdet. Die Erder der Körper
sind getrennt vom Betriebserder angeordnet.
IT-Netz
Der Spannungserzeuger ist von der Erde isoliert. Die Körper der elektrischen Anlage sind direkt geerdet.
___________________________________________________________________________
6. VERSUCH 6: SCHUTZMASSNAHMEN
27
L1
L1
L2
L2
L3
L3
N
PE
PEN
TN-C-Netz
TN-S-Netz
L1
L1
L2
L2
L3
L3
N
PE
PE
IT-Netz
TT-Netz
TN-C-Netz
TN-S-Netz
L1
Darstellung für den Neutralleiter
L2
Darstellung für den Schutzleiter
L3
PE
N
Darstellung für den PEN-Leiter
TN-C-S-Netz
Abb. 6.1: Netzformen und -erdungsarten
6.1.3 Gefahren des elektrischen Stromes
Durch eine sachgemäße medizinische Anwendung elektrischer Energie lassen sich anregende
und sogar Heilwirkungen erzeugen. Unfälle infolge unsachgemäßer Ausführung oder Handhabung elektrischer Geräte zeigen jedoch auch die möglichen schädlichen, manchmal sogar
tödlichen Wirkungen des elektrischen Stromes.
Von ordnungsgemäß gefertigten und vorschriftsmäßig betriebenen elektrischen Geräten geht
keine direkte Gefahr für den Betreiber aus. Erst durch einen Isolationsfehler in einem Gerät
kann die Netzspannung oder ein Teil davon an das Gehäuse gelangen und den Betreiber ge___________________________________________________________________________
28
6.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
fährden. Hiergegen sollen die im Folgenden beschriebenen Maßnahmen Menschen und Tiere
schützen, indem sie das Entstehen einer solchen Gefahr verhindern oder bei deren Existenz
schnell genug abschalten. Gegen unsachgemäßen Betrieb (Föhn in der Badewanne) oder
mutwilliges Berühren unter Spannung stehender Teile (Nagel in der Steckdose, Reparieren
unter Spannung) schützen diese Maßnahmen i. Allg. nicht!
Neben der unmittelbaren Einwirkung des elektrischen Stromes auf den Körper können auch
mittelbare Stromwirkungen gefährlich sein. Schaltlichtbögen in Starkstromschaltanlagen können unter Umständen durch Druckwellen auch Gehör- und Lungenschäden bewirken.
Wie bei jedem Lichtbogen kann ihre Wärme- und Lichtstrahlung außerdem zu Verbrennungen und Augenschäden führen. Ein Schutz vor diesen Wirkungen ist durch gekapselte Schaltanlagen möglich.
Der unmittelbar durch einen menschlichen oder tierischen Körper fließende Strom kann durch
folgende Einflüsse körperliche Schäden verursachen:
- Stromwärme
- Elektrolyse
- physiologische Wirkungen
Beim Berühren elektrischer Spannung kann im Körper ein elektrischer Strom fließen, der bei
ausreichender Stärke vorzugsweise an den Ein- und Austrittsstellen Verbrennungen hervorruft. Daneben kann eine Schädigung durch thermische Wirkung auf der gesamten Strombahn
erfolgen. Die Verbrennungen an den Ein- und Austrittsstellen gehen meist tiefer, als es den
Anschein hat. Daher führen derartige Verbrennungen leicht zu Entzündungen und heilen
schlecht ab.
Durch die Gewebeverbrennung oder auch durch die elektrolytische Wirkung des Stromes
können Körpergifte entstehen, die selbst bei Gliedmaßen, die nur oberflächlich geschädigt zu
sein scheinen, eine Amputation notwendig werden lassen oder sogar noch nach Stunden zum
Tode führen können.
Das Nervensystem des Körpers transportiert die Information in Form von elektrischen Impulsen, deren Wiederholrate (0...200 s 1 ) der Stärke des Reizes entspricht. Durch Stromeinwirkung kann diese Reizleitung so gestört werden, dass das Wahrnehmungsvermögen (z.B. Tastsinn) herabgesetzt wird oder Lähmungen die Folge sind. Besonders schwerwiegend sind diese
Lähmungen, wenn sie die unwillkürlichen Bewegungen (z.B. Atem, Herz) betreffen.
Atemlähmungen können sehr lange anhalten, so dass eine sofort eingesetzte künstliche Beatmung erst nach einigen Stunden beendet werden darf. Besonders wenn das Herz in der
Strombahn gelegen hat, kann es zum Herzkammerflimmern kommen. Die Bewegung der
Herzmuskelfasern erfolgt dann nicht rhythmisch, wie im Normalfall, sondern ungeordnet.
___________________________________________________________________________
6. VERSUCH 6: SCHUTZMASSNAHMEN
29
Dabei kommt es zu keiner Pumpwirkung mehr. Als Erste Hilfe ist Herzmassage und
schnellstmögliche Einlieferung in ein Krankenhaus geboten. Besonders gefährlich ist der Umstand, dass sich die Muskeln unter Stromeinwirkung verkrampfen. Der mit Spannung in Berührung Gekommene kann sich daher oftmals nicht selbst befreien. Speziell in dieser Situation ist bei der Bergung von Unfallverletzten darauf zu achten, dass man nicht selbst durch
elektrische Spannung gefährdet wird!
6.1.3.1 Gefahrengrenzen
Die eigentliche Gefahr ist nicht die vom Menschen überbrückte Spannung, sondern der
Strom, der durch den Körper fließt. Die Gefahrengrenze ist von der Körperkonstruktion, der
Strombahn und der Frequenz des Stromes abhängig. Dabei gelten für einen Frequenzbereich
von 0 bis 1000 Hz
-
100 mA als tödlich,
30 mA als gefährlich und
17 mA als gerade noch zulässig (bei einer erlaubten Berührungsspannung von 50 V)
Die Gefährdung hängt selbstverständlich auch von der Einwirkdauer des Stromes auf den
Menschen ab. In Abb. 6.2 sind die Wirkungsbereiche von Wechselströmen auf den Menschen
in doppel-logarithmischer Strom-Zeit-Abhängigkeit aufgrund von langjährigen Erfahrungen
bei Unfällen dargestellt:
Bereich 1
Der Strom von ungefährlicher Stärke kann gar nicht wahrgenommen werden.
Bereich 2
Bereich 4
Der Strom ist schon spürbar und führt zu Reaktionen, die noch keine Gesundheitsgefährdung bedingen. Nach einer Reaktionszeit von 300 ms kann man
sich selbst befreien (Bereich 2b).
Es besteht noch keine unmittelbare tödliche Gefahr, aber es muss mit Gesundheitsgefährdung (z.B. Reizleitungsstörung, Blutdruckerhöhung) gerechnet
werden. Eine Befreiung aus eigener Kraft ist im Bereich 3 nicht mehr möglich.
Hier beginnt die unmittelbare tödliche Gefahr.
Bereich 5
Jeder zweite Unfall endet wahrscheinlich tödlich.
Bereich 3
___________________________________________________________________________
30
6.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
Die oberen Grenzen der einzelnen Bereiche kann man mit Wahrnehmungsgrenze (1),
Loslassgrenze (2 bzw. 2b), äußerste Sicherheitsgrenze (3) und Grenze der akuten Todesgefahr
(4) bezeichnen.
In Bezug auf die Frequenzabhängigkeit der Gefahrengrenze ist der Bereich (gebräuchlicher
technischer Wechselströme) von 15 bis 200 Hz am gefährlichsten, da hier die Nervenfunktion
am stärksten beeinflusst wird; Gleichstrom ist etwas weniger gefährlich.
Ab Frequenzen oberhalb 1 kHz nehmen die schädlichen physiologischen Stromwirkungen mit
steigender Frequenz so stark ab, dass im MHz-Bereich Stromstärken, die schon zu einer nennenswerten Erwärmung der stromdurchflossenen Körperteile führen, gefahrlos vertragen werden. Bei der so genannten Diathermie wird dieser Effekt medizinisch genutzt.
Abb. 6.2: Wirkungsbereiche technischer Wechselströme auf den Menschen
___________________________________________________________________________
6. VERSUCH 6: SCHUTZMASSNAHMEN
31
Wird vom Menschen eine Spannung überbrückt, so ist die Höhe des Stromes von der Berührungsspannung U B (siehe Kap. 6.1.1) und dem Körperwiderstand RK zwischen den Berührungspunkten abhängig. Der Körperwiderstand ist nicht nur eine Funktion des Körperbaus,
sondern hängt außerdem noch von der Spannung und dem Zustand der Berührungsflächen
(trocken oder feucht usw.) ab. Prinzipiell ist also keine eindeutige Gefahrengrenze bezüglich
der Berührungsspannung angebbar. Trotzdem wurde, um den Forderungen der Praxis entgegenzukommen, nach VDE eine zulässige maximale Berührungsspannung von 50 V für Menschen definiert. Bei einem Körperwiderstand von 3000 Ω (Mittelwert des Körperwiderstandes
bei normaler Umgebung zwischen Hand und Fuß - Herz in der Strombahn!) ergibt sich dabei
ein Berührungsstrom von ca. 17 mA.
Unter besonderen Umständen, bei denen der Körperwiderstand sicher kleiner ist (feuchte
Haut, großflächige Berührung) werden noch kleinere Spannungswerte vorgeschrieben.
6.1.4 Berührungsspannung, Schrittspannung
Abb. 6.3: Fehlersituation im geerdeten Netz ohne wirksame Schutzmaßnahme
Die Beispiele in Abb. 6.3 und 6.4 zeigen die Gefährdung durch defekte Geräte ohne wirksame
Schutzmaßnahme: Infolge eines Isolationsfehlers stehen die der Berührung zugänglichen leitfähigen Gehäuse des Motors und der Stehlampe unter Spannung. Der über eine gegebene Fehlerstelle fließende Strom wird nach VDE 0100 als Fehlerstrom I F bezeichnet. In den beiden
___________________________________________________________________________
32
6.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
Abbildungen fließt ein Strom durch den Körper des Menschen, der das Gehäuse berührt zu
dem leitend mit der Erde verbundenen Fußboden bzw. dem gleichzeitig berührten Wasserhahn. Dieser Fehlerstrom durch den Menschen wird durch die treibende Netzspannung und
sämtliche Widerstände (ΣR) in dem durch den Menschen geschlossenen Stromkreis bestimmt.
Um auf die Gefahr für den Menschen hinzuweisen, wird der Teil des Fehlerstromes, der durch
den Menschen fließt, als Berührungsstrom I B bezeichnet (getrieben durch die Berührungsspannung U B ).
In den Abb. 6.3 und 6.4 sind der Fehlerstrom und der Berührungsstrom identisch. Würde in
diesen Fällen allerdings das metallisch leitende Gehäuse über einen Schutzleiter geerdet, so
würde der Fehlerstrom über den Schutzleiter und parallel dazu über den Menschen fließen.
Der Berührungsstrom wäre dann ein kleiner Teil des Fehlerstromes.
In Niederspannungsnetzen berücksichtigt man i. Allg. nur die ohmschen Widerstände. Die im
Fehlerstromkreis liegenden Widerstände (nicht alle im Schaltbild eingetragen) sind:
-
Widerstand der Netzzuleitung RL und des Transformators RT (beide sehr klein) und
meist zusammengefasst in RL
Widerstand des Fehlers, z.B. Gehäuseschluss, RF (je nach Art des Fehlers, häufig zu
Null gesetzt)
Körperwiderstand des Menschen RK (mit ca. 3 kΩ zu berücksichtigen)
Übergangswiderstand des Standortes R ST (je nach Art des Fußbodens usw.)
Erdungswiderstand des Netzes (Betriebserdung RB und Anlagenerdung RA )
Abb. 6.4: Fehlersituation im geerdeten Netz ohne wirksame Schutzmaßnahme
___________________________________________________________________________
6. VERSUCH 6: SCHUTZMASSNAHMEN
33
Mit der Sternspannung U 3 des Netzes ergeben sich hier der Fehlerstrom I F und (nach der
Spannungsteilerregel) die Berührungsspannung U B :
IF 
U3
R
U B  I F  RK  U 3 
RK
R
Anmerkung: Wenn das Gehäuse an einen Erder oder einen geerdeten Netzleiter angeschlossen ist (Schutzmaßnahme), wird die Berechnung der Berührungsspannung evtl. komplizierter als im obigen Beispiel. Es empfiehlt sich dann
i. Allg., zunächst ein entsprechendes Ersatzschaltbild aufzustellen.
Abb. 6.5: Berührungsspannung, Fehlerspannung und Standortwiderstand
Es kann – wie z.B. in Abb. 6.5 durch einen gut isolierenden Bodenbelag - vorkommen, dass
der Übergangswiderstand RST so groß ist, dass auch bei der Berührung eines leitenden spannungsführenden Teiles die Berührungsspannung sehr klein bleibt. Solange man aber eine Isolierung des Standortes nicht durch besondere Maßnahmen sicherstellt, muss man grundsätzlich mit einer leitenden Verbindung zwischen Fußboden und Erde rechnen. Bei Zementfußböden, in feuchten Räumen oder wenn in oder auf Wänden oder Böden Rohre oder Stahlkon___________________________________________________________________________
34
6.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
struktionen des Gehäuses vorhanden sind, ist mit besonders kleinen Übergangswiderständen
zu rechnen.
Abb. 6.6: Potentialverlauf an der Erdoberfläche in der Umgebung eines stromdurchflossenen (Stab-) Erders
Bei einigen der später erläuterten Schutzmaßnahmen werden "Erder" (siehe Kap. 6.1.1) benötigt. Wenn ein Erder gut leitend mit dem Gehäuse eines Gerätes verbunden ist, so liegt im
Falle eines Gehäuseschlusses die Netzspannung sowohl am Gehäuse als auch am Erder
( UY  U E ), und es fließt ein entsprechender Strom in den Erder. Der Erder selbst und das ihn
umgebende Erdreich nimmt gegenüber der elektrisch unbeeinflussten Erde (in großer Entfernung) eine Spannung an. Bei überall gleicher Leitfähigkeit des Erdbodens erhält man für das
Potential an der Erdoberfläche den in Abb. 6.6 gezeigten typischen Verlauf, den man auch als
Spannungs- oder Potentialtrichter bezeichnet. Ein Mensch kann daher in der Nähe eines
stromdurchflossenen Erders mit einem Bein auf einem höheren Potential stehen als mit dem
anderen. Zwischen den beiden Fußpunkten tritt also eine Spannung auf, die als Berührungsspannung einen Strom durch den Körper treibt und den Menschen möglicherweise gefährdet.
Als Schrittspannung wird nun diejenige Spannung bezeichnet, die ein Mensch mit einer
Schrittweite von 1 Meter überbrücken kann. Sie ist in unmittelbarer Nähe des Erders am größten. Ein Erder muss immer so bemessen werden, dass durch die maximal mögliche Schrittspannung keine Gefährdung eintritt (max. 50 V zulässig). Besonders gefährdet sind wegen
ihrer großen Schrittweite Großtiere wie Pferd und Rind. Zusätzlich liegt bei ihnen das Herz in
der Strombahn.
___________________________________________________________________________
6. VERSUCH 6: SCHUTZMASSNAHMEN
35
Für den Übergangswiderstand vom Erder zum unbeeinflussten Erdreich lässt sich ersatzweise
ein so genannter Erdungswiderstand RE definieren. Der bei einer bestimmten Erderspannung
U E (das ist die Potentialdifferenz zwischen Erder und dem unbeeinflussten Erdreich) vom
Erder in das Erdreich übertretende Strom I E berechnet sich zu:
IE 
UE
RE
Zur Messung dieses Widerstandes sind spezielle Messgeräte und Messverfahren entwickelt
worden.
Anmerkung:
Im neuen Entwurf zur VDE 0100-200 wurde der Begriff „Gesamterdungswiderstand“ entfernt.
Stattdessen gibt es die „Impedanz gegen Bezugserde“ als Impedanz zwischen
einem bestimmten Punkt im Netz und Bezugserde. „Impedanz des Erdungspunktes gegen Bezugserde“ ersetzt also den „Gesamterdungswiderstand“.
6.1.5 Schutzmaßnahmen – Schutz gegen elektrischen Schlag
Die Grundregel des Schutzes gegen den elektrischen Schlag nach IEC 61140 besteht darin,
dass gefährliche aktive Teile nicht erreichbar sein dürfen und erreichbare leitfähige Teile weder unter normalen Bedingungen noch unter Einfehlerbedingungen gefährlich aktiv werden
dürfen.
Art und Umfang der vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen richten sich nach der Höhe der
verwendeten Betriebsspannung und der Umgebung, in der sie angewendet werden. Für
Niederspannungsnetze bis 1000 V sind die in VDE 0100 beschriebenen Schutzmaßnahmen
anzuwenden. Es steht den Energieversorgungsunternehmen (EVU) jedoch frei, für ihr Versorgungsgebiet schärfere Schutzbestimmungen zu erlassen, insbesondere bestimmte Schutzmaßnahmen zu verbieten oder vorzuschreiben.
Allgemein besteht eine Schutzmaßnahme immer aus einer geeigneten Kombination der folgenden zwei voneinander unabhängigen Schutzvorkehrungen:
___________________________________________________________________________
36
6.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
Basisschutz
Schutz gegen elektrischen Schlag, wenn keine Fehlerzustände vorliegen.
Früher als „Schutz gegen direktes Berühren“ bezeichnet.
Fehlerschutz
Schutz gegen elektrischen Schlag unter den Bedingungen eines Einzelfehlers. Früher als „Schutz gegen indirektes Berühren“ bezeichnet.
Die Norm erlaubt stattdessen auch eine so genannte verstärkte Schutzvorkehrung. So wird
eine Schutzvorkehrung bezeichnet, die gleichzeitig sowohl Basis- als auch Fehlerschutz liefert.
Es sind folgende Schutzmaßnahmen gegen den elektrischen Schlag erlaubt:
-
-
Abschalten der Netzzuleitung innerhalb ausreichend schneller Zeit, wenn der Fehler
zu gefährlichen Körperströmen führt (Schutz durch automatische Abschaltung der
Stromversorgung).
Eine so sorgfältige Isolierung, dass sowohl im Betrieb als auch im Fehlerfall keine gefährlichen Körperströme auftreten (Schutz durch doppelte oder verstärkte Isolierung).
Erdfreier Betrieb des Systems (Schutz durch Schutztrennung für die Versorgung eines
Verbrauchsmittels).
Wahl einer so kleinen Betriebsspannung, dass das Auftreten gefährlicher Körperströme nicht möglich ist (Schutz durch Kleinspannungen).
6.1.6 Schutz durch automatisches Abschalten der Stromversorgung
6.1.6.1 Allgemeines
Diese in diesem Abschnitt geschilderten Schutzmaßnahmen gehen von den drei typischen
Netz-Grundformen (TN-, TT- und IT-Netz, vgl. Kap. 6.1.2) aus. Neben den allgemeinen Bestimmungen für Basis- und Fehlerschutz gibt es speziell für diese Netzformen weitere Anforderungen.
___________________________________________________________________________
6. VERSUCH 6: SCHUTZMASSNAHMEN
37
6.1.6.2 Anforderungen für den Basisschutz
Alle aktiven Teile müssen mit einer Isolierung abgedeckt sein. Diese Basisisolierung dient
zum Schutz gegen den elektrischen Schlag und ist zu unterscheiden von einer Isolierung, die
ausschließlich der Funktion eines Teiles dient.
Die Basisisolierung muss
-
die aktiven Teile vollständig umgeben
den im Betrieb auftretenden Beanspruchungen (mechanisch, elektrisch, thermisch,
chemisch,...) standhalten
nur durch Zerstörung entfernt werden können
Anstelle einer Isolierung kann der Basisschutz auch durch Abdeckungen oder Umhüllungen
hergestellt werden.
Diese müssen mindestens der Schutzart IPXXB oder IP2X (die Schutzarten werden durch so
genannte „IP-Codes“ gemäß IEC 60529 gekennzeichnet) entsprechen, d.h. Öffnungen sind so
klein zu bemessen, dass ein Finger bzw. ein Gegenstand mit einem Durchmesser von mehr als
12,5 mm nicht eindringen kann. Außerdem dürfen diese Abdeckungen und Umhüllungen nur
durch ein Werkzeug oder einen Schlüssel oder nach Abschalten der Versorgung der aktiven
Teile zu entfernen sein.
6.1.6.3 Anforderungen für den Fehlerschutz
Der Fehlerschutz kann aus einem Schutzpotentialausgleich, einer automatischen Abschaltung
im Fehlerfall und ggf. aus einer Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (RCD) bestehen.
Schutzpotentialausgleich
Bei jedem Hausanschluss ist für diese Schutzvorkehrung der so genannte Hauptpotentialausgleich vorgeschrieben. Darunter ist die Verbindung folgender leitfähiger Teile (soweit vorhanden) zu verstehen:
-
Haupterdungsschiene (vom Erder kommend),
Blitzschutzerder,
___________________________________________________________________________
38
6.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
-
Hauptwasserrohre (nach der Hauseinführung in Fließrichtung hinter dem ersten Sperrventil),
Hauptgasrohre (vgl. Wasserrohre),
weiter leitende Rohrsysteme (von Heizungs- oder Klimaanlagen) und Metallteile der
Gebäudekonstruktion soweit möglich (z.B. Stahlgerüste, Fahrstuhlkonstruktionen
usw.)
Solche leitfähigen Teile, die ihren Ursprung außerhalb des Gebäudes haben, müssen so nahe
wie möglich an der Eintrittsstelle miteinander verbunden sein.
Leiter, welche die oben genannten Teile verbinden, heißen Schutzpotentialausgleichsleiter.
Der Schutzpotentialausgleichsleiter soll einen Querschnitt nicht geringer als
-
6 mm² Kupfer
16 mm² Aluminium
50 mm² Stahl
besitzen.
Der Schutzleiter ist nicht zu verwechseln mit dem Schutzpotentialausgleichsleiter. Der
Schutzleiter verbindet bei dieser Schutzvorkehrung in TN-, TT- und IT-Systemen alle Körper
(z.B. Metallgehäuse) untereinander, die sich in der durch diese Schutzmaßnahme geschützten
Anlage befinden.
Gleichzeitig zugängliche Körper müssen mit demselben Erdungssystem verbunden werden,
weil sich sonst bei zwei Fehlern in unterschiedlichen Phasen eines Drehstromnetzes aus zwei
zulässigen Berührungsspannungen von jeweils 50 V eine Spannung zwischen diesen Körpern
von 3  50 V  86 V ergeben könnte.
Für den Querschnitt eines Schutzleiters gelten nach VDE 0100-543 folgende Voraussetzungen:
Mindestquerschnitt des entsprechenQuerschnitt S des Außenleiters
den Schutzleiters
2
S  16 mm
S
2
2
16 mm  S  35mm
16 mm2
S  35mm2
S/ 2
Tab. 6.7: Mindestquerschnitte von Schutzleitern
___________________________________________________________________________
6. VERSUCH 6: SCHUTZMASSNAHMEN
39
Beide Leiter sind für den Schutzpotentialausgleich vorgeschrieben. Ihre Verbindung untereinander bzw. die Erdung des Schutzleiters ist von der Netzform abhängig und wird eingehend
in den nächsten Abschnitten beschrieben.
Automatische Abschaltung im Fehlerfall
Im Falle eines Fehlers mit vernachlässigbarer Impedanz zwischen einem Außenleiter und dem
Schutzleiter des Stromkreises, einem Körper oder dessen Schutzleiter, muss die Stromversorgung innerhalb der in Tab. 6.8 angegebenen Zeit abgeschaltet werden. Hierzu werden in der
Praxis häufig die in Kap. 6.1.12.1 beschriebenen Überstrom-Schutzeinrichtungen benutzt.
Eine solche Abschaltung ist nicht erforderlich, wenn bei Auftreten eines Fehlers stattdessen
die Ausgangsspannung der Stromquelle auf weniger als AC 50 V oder DC 120 V herabgesetzt
wird.
Kann eine Abschaltung innerhalb der in Tab. 6.8 genannten Zeit nicht erreicht werden, muss
ein zusätzlicher Schutzpotentialausgleich (siehe Kap. 6.1.10) vorgesehen werden.
System
TN
TT
50 V  U0  120 V
120V  U0  230V
230 V  U0  400 V
U0  400 V
0,8 s
0,4 s
0,2 s
0,1 s
0,3 s
0,2 s
0,07 s
0,04 s
Tab. 6.8: Maximale Schaltzeiten von Überstromschutzeinrichtungen in TN- und TTNetzen
Zusätzlicher Schutz
In Wechselspannungssystemen mit einem Bemessungsstrom bis 20A (in Wohnhäusern liegt
der Bemessungsstrom üblicherweise bei 16A), die für die Benutzung durch Laien bestimmt
sind, ist ein zusätzlicher Schutz durch eine Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (RCD, siehe Kap.
6.1.12.2) vorgeschrieben.
Ein Laie ist eine Person, die keine Elektrofachkraft oder eine elektrotechnisch unterwiesene
Person ist.
___________________________________________________________________________
40
6.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
6.1.6.4 Automatisches Abschalten bei TN-Systemen
Unmittelbar am speisenden Transformator ist das Netz (üblicherweise mit dem Sternpunkt)
geerdet. Im TN-System werden alle Körper über einen Schutzleiter an die Haupterdungsschiene angeschlossen. Diese wird ebenfalls durch einen Schutzleiter mit dem Erdungspunkt
des Versorgungssystems verbunden.
Unter bestimmten Bedingungen (genügender Querschnitt) kann anstelle eines Schutzleiters
bei fest installierten Anlagen auch ein kombinierter Schutz- und Neutralleiter verwendet werden. Dieser kombinierte Leiter wird PEN-Leiter genannt. Sein Querschnitt muss aus mechanischen Gründen einen Querschnitt von mindestens 10 mm² Cu oder 16 mm² Al besitzen.
Der PEN-Leiter sollte zusätzlich zur Erdung an der Transformator-Station mit allen im Bereich des Netzes vorhandenen guten Erdern und mit allen ausgedehnten metallischen Konstruktionen verbunden werden. Eventuell können zusätzliche Erdungspunkte erforderlich sein,
um im Fehlerfall zu gewährleisten, dass das Potential des PEN-Leiters möglichst wenig vom
Erdpotential abweicht.
Hinter der Auftrennung von PE- und N-Leiter, dürfen diese nicht wieder zusammengeführt
werden. Es ist jedoch erlaubt an eine PEN-Schiene, mehrere Schutz- und Neutralleiter anzuschließen.
Besonderer Wert ist auf die sorgfältige und bruchsichere Verlegung des Schutzleiters (PE)
und vor allem auch des PEN-Leiters zu legen, da hiervon die sichere Funktion der Schutzvorkehrung abhängt. So müssen Schutzleiter in geeigneter Weise gegen mechanische Beschädigungen oder gegen chemische, elektrochemische, elektrodynamische und thermodynamische
Einflüsse geschützt sein. Sie müssen außerdem zum Besichtigen und Prüfen zugänglich sein.
In einem PE- als auch in einem PEN-Leiter dürfen sich keine Schalteinrichtungen befinden,
das schließt Überstrom-Schutzeinrichtungen, Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCD) und
Spulen zur Überwachung der Erdung mit ein. Dementsprechend ist in TN-C-Systemen die
Benutzung von Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCD) gänzlich untersagt, in TN-C-SSystemen muss darauf geachtet werden, dass
-
auf der Lastseite der Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (RCD) kein PEN-Leiter angeschlossen ist.
die Verbindung zwischen PE- und N-Leiter auf der Versorgungsseite hergestellt wird.
In der Praxis bedeutet dies, dass sich die Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (RCD) nur im reinen
N-Leiter befinden darf, also in dem Teil des Netzes, in welchem PE- und N-Leiter getrennt
liegen („S-Teil“ des TN-C-S Netzes).
___________________________________________________________________________
6. VERSUCH 6: SCHUTZMASSNAHMEN
41
Die besondere Gefahr, die im TN-C-Netz bei Verwendung eines gemeinsamen Neutral- und
Schutzleiters herrscht, ist in Abb. 6.7 dargestellt. Wenn der PEN-Leiter nach seiner letzten
Erdung durch einen Defekt unterbrochen wird oder auch nur einen hohen Übergangswiderstand bekommt, liegt an dem abgetrennten Leiterstück über einem eingeschalteten Verbraucher die Netzspannung an. Da bei dieser Schutzmaßnahme die Gehäuse über den PEN-Leiter
verbunden sind, liegen diese ebenfalls an Netzspannung und sind der Berührung zugänglich.
Somit entsteht ohne einen Gerätefehler eine unzulässig hohe Berührungsspannung, die nicht
abgeschaltet wird. Aus diesem Grund gelten die oben genannten Anforderungen an den Querschnitt und die Beschränkung bei fest installierten Anlagen.
Abb. 6.7: Gefahr durch Bruch des PEN-Leiters
Bemerkung:
Häufig ist in älteren Installationsanlagen folgende Schaltung zu finden. Eine
Schutzkontaktsteckdose ist mit nur zwei Leitern (Querschnitt i. Allg. 1,5 mm²)
an einen Außenleiter (L) und den Neutralleiter (N) angeschlossen. Als QuasiSchutzmaßnahme wird der Schutzkontakt mit dem Neutralleiteranschluss verbunden.
Diese Schaltung wird als „verbotene Nullung“ bezeichnet und ist eindeutig
unzulässig, da die Bedingungen an einen PEN-Leiter nicht erfüllt sind. Bei
ihrer Verwendung besteht die oben genannte Gefahr!
___________________________________________________________________________
42
6.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
In TN-Systemen dürfen für den Fehlerschutz
-
Überstrom-Schutzeinrichtungen, und
Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCD)
verwendet werden. Dabei ist darauf zu achten, dass die Impedanzen des Stromkreises und die
Kennwerte dieser Einrichtungen, folgende Bedingung erfüllen:
Zs  Ia  U0
Z s : Die Impedanz der Fehlerschleife in Ohm, bestehend aus
-
der Stromquelle,
dem Außenleiter bis zum Fehlerort, und
dem Schutzleiter zwischen dem Fehlerort und der Stromquelle.
I a : Der Strom in Ampere, der das automatische Abschalten der Abschalteeinrichtung (Sicherung) innerhalb der in Tab. 6.8 angegebenen Zeit bewirkt. Bei Verwendung einer
Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (RCD) wird dieser Strom Bemessungsdifferenzenstrom
I N genannt.
U 0 : Die Nennspannung gegen Erde in Volt.
Spezielle Anforderungen an Überstrom-Schutzeinrichtungen
Überstrom-Schutzeinrichtungen schalten häufig nur die Außenleiter, nicht aber die Neutralleiter. Dementsprechend ist in jedem Außenleiter eine Überstromerfassung vorgeschrieben. Ist
der Querschnitt des Neutralleiters geringer als der der Außenleiter, ist eine Überstromerfassung im Neutralleiter vorzusehen, diese bewirkt dann allerdings eine Abschaltung des Außenleiters, nicht zwingendermaßen die des Neutralleiters.
Ist eine Abschaltung des Neutralleiters gefordert, so muss er
-
beim Abschalten gleichzeitig mit oder nach den Außenleitern
beim Wiedereinschalten gleichzeitig mit oder vor den Außenleitern
geschaltet werden.
___________________________________________________________________________
6. VERSUCH 6: SCHUTZMASSNAHMEN
43
Der Neutralleiter muss für jegliche Art des Kurzschlussstromes geschützt werden.
Anmerkung: Diese speziellen Anforderungen gelten sowohl für TN- als auch TT-Systeme
In Abb. 6.8 ist das Schutzprinzip einer Überstrom-Schutzeinrichtung anhand eines Isolationsfehlers in der Phase L2 dargestellt. Der Widerstand RF des Gehäuseschlusses ist von der Fehlerart abhängig und beeinflusst die Höhe des Fehlerstromes I F . Dieser ruft am Widerstand RN
des Neutralleiters einen Spannungsabfall hervor, der als Berührungsspannung U B zwischen
Gehäuse und Erde abfällt. Erreicht dieser eine bestimmte durch die Bauart der Sicherung vorgegebene Größenordnung, dann ist der damit verbundene Fehlerstrom I F so groß, dass die
Sicherung Si in genügend kurzer Zeit anspricht.
Diese Schutzmaßnahme ist sehr verbreitet, weil sie einfach, kostengünstig und wirksam ist.
Abb. 6.8: TN-Netz mit Isolationsfehler (Gehäuseschluss)
6.1.6.5 Automatisches Abschalten bei TT-Systemen
Unmittelbar am speisenden Transformator muss dieser (üblicherweise mit dem Sternpunkt)
geerdet werden ( RB in Abb. 6.9).
Alle Körper, die durch die gleiche Schutzeinrichtung geschützt sind, werden über einen
Schutzleiter verbunden und an einen eigenen gemeinsamen Erder ( RS in Abb. 6.9) angeschlossen (vgl. TN-System: Schutzleiter an den Erder des Versorgungssystems angeschlossen).
___________________________________________________________________________
44
6.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
Wie auch im TN-System ist für den Fehlerschutz die Verwendung von
-
Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCD), und
Überstrom-Schutzeinrichtungen
erlaubt. Dabei wird wieder sowohl an die Impedanzen des Netzes als auch an die Kennwerte
der Abschaltvorrichtungen folgende Bedingung gestellt:
Zs  Ia  U0
Z s : Die Impedanz der Fehlerschleife in Ohm, bestehend aus
-
der Stromquelle,
dem Außenleiter bis zum Fehlerort,
dem Schutzleiter der Körper,
dem Erdungsleiter,
dem Anlagenerder, und
dem Erder der Stromquelle.
I a : Der Strom in Ampere, der das automatische Abschalten der Abschalteeinrichtung (Sicherung) innerhalb der in Tab. 6.8 angegebenen Zeit bewirkt. Bei Verwendung einer Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (RCD) wird dieser Strom Bemessungsdifferenzenstrom I N genannt.
U 0 : Die Nennspannung gegen Erde in Volt.
Wird eine Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (RCD) verwendet, muss zusätzlich folgende Bedingung erfüllt sein:
RA  I N  50 V
RA : die Summe der Widerstände des Erders und des Schutzleiters für die Körper in Ohm.
I N : der Bemessungsdifferenzenstrom der Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (RCD).
Die Impedanz Z s beschreibt in diesem Fall den Gesamtwiderstand des Fehlerstromkreises in
Abb. 6.9. Der Fehlerstrom für einen Gehäuseschluss in Abb. 6.9 beträgt:
___________________________________________________________________________
6. VERSUCH 6: SCHUTZMASSNAHMEN
IF 


45
U0
Z
U0
 RS  RB  RL  RF 
230V
5
2
 1,52   2
2
 X L2
 44 A
Abb. 6.9: Funktionsweise der Schutzmaßnahme im TT-Netz mit Sicherungen als
Auslöseorgane
Die zusätzliche Bedingung für Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCD) verhindert, dass im
Fehlerfall eine gefährliche Berührungsspannung U B  50 V auftreten kann. Sollte eine Person
bei einem Gehäuseschluss das Gehäuse berühren, so liegt der Körperwiderstand RK parallel
zu den unter RA zusammengefassten Widerständen. Bei einem nach dieser Bedingung dimensionierten Bemessungsdifferenzenstrom I N ist die Berührungsspannung U B also auf die maximal zulässige Berührungsspannung von 50 V begrenzt.
Es gelten zusätzlich die speziellen Anforderungen an Überstrom-Schutzeinrichtungen (siehe
Ende Kap. „TN-Systeme“)
___________________________________________________________________________
46
6.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
In Abb. 6.9 beträgt die maximale Berührungsspannung
U B  I F  RA  44 A 1  44V
Man erkennt an den nicht eingeklammerten Werten, dass die Berührungsspannung sehr stark
vom Widerstand des Schutzleiters und des Erders der Körper abhängt. Bei einem Schutzleiterwiderstand RS von 3 Ω ergibt sich mit dem gleichen Rechenverfahren, wie oben beschrieben, eine Berührungsspannung von 96 V. Der Erder muss folglich einen möglichst kleinen
Widerstand besitzen. In der VDE sind Mindestmaße für Erder in Abhängigkeit von z.B. Material, Form und Beschichtung angegeben, um dies zu gewährleisten.
6.1.6.6 Automatisches Abschalten bei IT-Systemen
Im IT-System müssen die aktiven Teile des Netzes gegen Erde isoliert oder über einen hohen
Widerstand im (evtl. künstlichen) Neutralpunkt geerdet werden.
Die Körper müssen einzeln, gemeinsam oder gruppenweise über einen Schutzleiter verbunden
und über diesen geerdet werden. Diese Maßnahme muss die Bedingung
RA  I d  50V
erfüllen. Dabei ist
RA : die Summe der Widerstände des Erders und des Schutzleiters der Körper in Ohm,
I d : der Fehlerstrom in Ampere beim ersten Fehler vernachlässigbarer Impedanz zwischen
einem Außenleiter und einem Körper.
In IT-Systemen dürfen die folgenden Überwachungs- und Schutzeinrichtungen verwendet
werden:
-
Isolationsüberwachungseinrichtungen
Isolationsfehler-Ortungssysteme
Überstrom-Schutzeinrichtungen
Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCD)
___________________________________________________________________________
6. VERSUCH 6: SCHUTZMASSNAHMEN
47
Tritt nun ein Fehler zwischen einem Außenleiter und einem Körper auf, so wird der entsprechende Außenleiter über den Schutzleiter des Körpers geerdet und somit sein Potential und
das der anderen gegenüber Erde festgelegt.
Es tritt durch die Isolation bzw. hochohmige Erdung des Netzes nur ein geringer Fehlerstrom
auf. Daher ist eine Abschaltung zunächst nicht erforderlich.
Sollte in diesem Fall aus Gründen der Aufrechterhaltung die Stromversorgung nicht abgeschaltet werden, muss einen Isolationsüberwachungseinrichtung (siehe Kap. 6.1.12.3) vorgesehen sein, die das Auftreten eines ersten Fehlers zwischen einem Außenleiter und einem
Körper anzeigt. Diese muss ein hörbares und/oder sichtbares Signal auslösen. Sollten beide
Signale bestehen, kann das hörbare Signal gelöscht werden, das sichtbare Signal muss jedoch
bestehen bleiben, bis der Fehler behoben ist.
6.1.7 Schutz durch doppelte oder verstärkte Isolierung
6.1.7.1 Allgemeines
Bei dieser Schutzmaßnahme ist der Basisschutz durch eine Basisisolierung (siehe Kap. 6.1.5)
und der Fehlerschutz durch eine zusätzliche Isolierung zwischen aktiven und zugänglichen
Teilen vorgesehen. Beide Isolierungen zusammen bilden die so genannte „doppelte Isolierung“. Stattdessen kann auch eine verstärkte Isolierung wie in Abb. 6.10 verwendet werden.
Das ist eine einzelne Isolierung, die im gleichen Maße Schutz wie die doppelte Isolierung
bietet.
Da die Schutzisolierung als eine selbständige Maßnahme gilt, muss gewährleistet sein, dass
an der so geschützten Anlage keine Änderungen vorgenommen werden können, die diesen
Schutz beeinträchtigen oder außer Kraft setzen. Sie darf deshalb nicht in Stromkreisen angewendet werden, welche Steckdosen enthalten, oder in denen Benutzer ohne Berechtigung Betriebsmittel austauschen können.
6.1.7.2 Anforderungen für den Basis- und Fehlerschutz
An die Betriebsmittel in dieser Schutzmaßnahme sind allgemeine Forderungen an die Isolierung gestellt:
-
Deckel und Türen dürfen nur durch Werkzeuge zu öffnen sein.
___________________________________________________________________________
48
6.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
-
Leitfähige Teile innerhalb einer isolierenden Umhüllung dürfen nicht mit einem
Schutzleiter verbunden sein. Es dürfen jedoch Schutzleiteranschlüsse für andere Betriebsmittel innerhalb der Umhüllung vorgesehen sein. Diese müssen jedoch wie aktive Teile isoliert und als PE-Anschlussklemmen gekennzeichnet sein.
Des Weiteren ist für jedes Betriebsmittel eine der folgenden Bedingungen einzuhalten:
1. Das Betriebsmittel muss mit doppelter oder verstärkter Isolierung versehen sein, und
der Schutzklasse II entsprechen. Solche Geräte sind mit dem Zeichen [ ] gekennzeichnet. Musterbeispiele dieser Schutzart sind viele Elektrokleingeräte. Bohrmaschinen erhalten z.B. ein schlagfestes Kunststoffgehäuse. Um vom Metall des Motors bei
einem Fehler in der Basisisolation (Lackisolierung der Motorwicklung) keine Spannung nach außen zum Bohrfutter zu verschleppen, werden ein oder zwei Zahnräder
des Zwischengetriebes aus isolierendem Kunststoff gefertigt.
2. Betriebsmittel, die nur eine Basisisolierung besitzen, müssen eine zusätzliche Isolierung erhalten, die während des Errichtens angebracht wird.
3. Betriebsmittel, die weder eine Basis- noch eine zusätzliche Isolierung besitzen, müssen eine verstärkte Isolierung erhalten, die während des Errichtens angebracht wird.
Die in 2 und 3 beschriebenen Betriebsmittel sind sichtbar an der Außen- und Innenseite mit
dem Zeichen [
] zu kennzeichnen. Bei ihnen ist außerdem darauf zu achten, dass durch die
isolierende Umhüllung keine leitfähigen Teile geführt werden, die diese Schutzmaßnahme
beeinträchtigen können. Des Weiteren darf diese Umhüllung keine isolierenden Schrauben
enthalten, deren Ersatz durch Metallschrauben die Isolierung beeinträchtigen würde.
Abb. 6.10: Schutzisolierung eines Betriebsmittels
___________________________________________________________________________
6. VERSUCH 6: SCHUTZMASSNAHMEN
49
6.1.8 Schutz durch Schutztrennung
6.1.8.1
Allgemeines
In den meisten verwendeten Netzen ist der Neutralleiter geerdet. Die Berührung eines Außenleiters oder damit verbundener Teile bedeutet dann immer eine Gefährdung. Verwendet man
nun einen dafür vorgesehenen Trenntransformator in der Schaltung nach Abb. 6.11, so sind
sämtliche Leiter des sekundären Netzes potentialmäßig nicht festgelegt. Eine Berührung bedeutet dann nur eine Potentialverbindung über den Körperwiderstand zwischen Sekundärnetz
und Erde. Da durch diese Berührung kein geschlossener Stromkreis entsteht, kann auch kein
Fehlerstrom über den Körper fließen. Die Berührung eines Leiters oder eines Gehäuses im
Fehlerfall ist daher ungefährlich. Das Berühren von zwei Leitern gleichzeitig oder das Berühren eines Leiters, wenn ein anderer Leiter Erdschluss erhalten hat, ist jedoch gefährlich. Eine
vergleichbare Problematik entsteht, wenn ein Wechselspannungsnetz durch zu lange Leitungen kapazitiv mit der Erde verbunden ist (vgl. Vorlesung E2/SM6).
Eine (unbemerkte) Erdung des Sekundärnetzes würde also die Wirkung der Schutztrennung
aufheben. Um diese Gefahr zu vermeiden, darf an eine ungeerdete Stromquelle normalerweise
nur ein Verbrauchsmittel angeschlossen werden. In Ausnahmefällen ist es erlaubt mehrere
Verbrauchsmittel an eine oben beschriebene Stromquelle anzuschließen, allerdings gelten
hierfür spezielle Anforderungen.
Abb. 6.11: Schutzmaßnahme Schutztrennung
___________________________________________________________________________
50
6.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
6.1.8.2
Anforderungen für den Basisschutz
Jedes Betriebsmittel muss
-
eine Basisisolierung (siehe Kap. 6.1.5) besitzen, oder
die Anforderungen eines elektrischen Betriebsmittels nach Kap. 6.1.6 erfüllen.
6.1.8.3 Anforderungen für den Fehlerschutz
Da die Wirksamkeit dieser Schutzmaßnahme von der elektrischen Trennung des Stromkreises
abhängt, gibt es für jeden Teil des Stromkreises (Versorger, Leitungen und Kabel, Betriebsmittel) gesonderte Anforderungen:
Versorger
Der Stromkreis, in dem Schutztrennung als Schutzmaßnahme verwendet wird, muss von einer
Stromquelle mit mindestens einfacher Trennung versorgt werden. Die hierfür zugelassenen
Transformatoren werden durch das Zeichen [
] gekennzeichnet.
Betriebsmittel
Keines der aktiven Teile des Stromkreises darf an irgendeinem Punkt mit einem anderen
Stromkreis, Erde oder einem Schutzleiter verbunden werden. Die gleiche Bedingung gilt für
die Körper des Stromkreises. Zwischen verschiedenen Stromkreisen muss eine Basisisolierung (siehe Kap. 6.1.5) bestehen.
Anmerkung: Sollten die Körper des Stromkreises mit der Schutztrennung zufällig oder absichtlich mit Körpern anderer Stromkreise in Berührung kommen, hängt der
Schutz nicht mehr ausschließlich von der Schutztrennung, sondern zusätzlich
von den Schutzvorkehrungen für die Körper der anderen Stromkreise ab.
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6. VERSUCH 6: SCHUTZMASSNAHMEN
51
Kabel und Leitungen
Es wird empfohlen die Leiter für Stromkreise mit Schutztrennung getrennt von anderen Leitern zu verlegen. Wenn dies nicht möglich ist, müssen mehradrige Kabel ohne metallische
Umhüllung oder isolierte Leiter in isolierenden Elektroinstallationsrohren verwendet werden.
Um mechanische Beschädigungen sofort erkennen zu können, müssen bewegliche Kabel und
Anschlussleitungen über ihre gesamte Länge sichtbar sein.
6.1.9 Schutz durch Kleinspannungen
6.1.9.1 Allgemeines
Bei dieser Schutzmaßnahme werden Betriebsspannungen verwendet, die unterhalb der zulässigen Berührungsspannungen von 50 V AC liegen. Kleinspannungen werden überall dort angewandt, wo ein erhöhter Schutz gegen zu hohe Berührungsspannungen gefordert wird oder
wo ein zufälliges oder betriebsmäßiges Berühren von aktiven Teilen gefahrlos sein muss. Typische Anwendungsbeispiele sind Handlampen in Kesseln, Behältern und Rohrleitungen aus
gut leitenden Materialien, Backofen- und Fassausleuchten, Haarbehandlungsgeräte und elektrische Spielzeuge (Eisenbahnen).
Kleinspannungen werden als ELV (engl.: extra-low voltage) bezeichnet. Dabei ist zu unterscheiden zwischen SELV (safety ELV) und PELV (protective ELV). Der Unterschied zwischen beiden besteht darin, dass SELV gegen Erde isoliert ist und PELV geerdet wird.
6.1.9.2 Anforderungen für den Basis- und Fehlerschutz
Der Basis- und Fehlerschutz in SELV- und PELV-Systemen ist erfüllt, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:
Obere Grenze der Nennspannung
Die Nennspannung darf 50 V AC nicht überschreiten.
___________________________________________________________________________
52
6.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
Stromquellen für SELV und PELV
Bei dieser Schutzmaßnahme ist es wichtig, dass der durch die Kleinspannung geschützte
Stromkreis nicht mit anderen Stromkreisen verbunden wird. Deswegen müssen Transformatoren eine galvanische Trennung zwischen dem Kleinspannungsnetz und einem Netz höherer
Spannung aufweisen. Durch keine Schaltmaßnahme darf eine Spannung über 50 V AC zu
erzielen sein.
Die Kleinspannungserzeuger müssen entweder kurzschlussfest oder mit einer Überstromauslösung versehen sein, die eine thermische Überlastung verhindert. Sonst könnte bei Überlast
eine Zerstörung der Isolation eintreten, die zu einer leitenden Verbindung zwischen Primärund Sekundärkreis führen kann. Als Spannungsquellen sind Sicherheitstransformatoren nach
VDE 0551 [ ] zugelassen oder andere Stromquellen, die diese Anforderungen erfüllen.
Es sind auch Batterien und dieselgetriebene Motorgeneratoren als Spannungsquelle erlaubt,
da diese unabhängig von einem Stromkreis höherer Spannung sind.
Ortsveränderliche Stromquellen, die mit Niederspannung versorgt werden, müssen den Anforderungen nach Kap. 6.1.7.2 entsprechen.
Stromkreise mit SELV und PELV
In SELV- und PELV-Stromkreisen muss zwischen aktiven Teilen und
-
aktiven Teilen anderer SELV- und PELV-Stromkreise eine Basisisolierung
aktiven Teilen anderer Stromkreise eine doppelte oder verstärkte Isolierung
vorgesehen sein.
SELV-Stromkreise müssen zwischen Erde und aktiven Teilen eine Basisisolierung aufweisen.
PELV-Stromkreise hingegen werden über eine Verbindung mit Erde oder über einen geerdeten Schutzleiter an der Stromquelle selbst geerdet.
Die Betriebsmittel bei dieser Schutzmaßnahme müssen, wenn sie eine Nennspannung größer
als 25 V AC aufweisen oder in Wasser eingetaucht sind, eine Isolierung, Abdeckung oder
Umhüllung entsprechend Kap. 6.1.6 besitzen.
Unter trockenen Bedingungen, wenn die Nennspannung unterhalb von 25 V AC liegt und
wenn im Falle eines PELV-Stromkreises alle Körper und/oder aktiven Teile über einen
___________________________________________________________________________
6. VERSUCH 6: SCHUTZMASSNAHMEN
53
Schutzleiter verbunden sind, ist eine der oben beschriebenen Isolierungen nicht notwendig
(z.B. Schienen bei Spielzeugeisenbahnen).
Liegt die Nennspannung des Stromkreises sogar unterhalb von 12 V AC, kann in allen Fällen
(also auch bei nichtvorhandenem Schutzleiter und PELV) auf eine solche Isolierung verzichtet werden.
Auch die Leiter müssen bei dieser Schutzmaßnahme gesonderten Anforderungen (siehe DIN
VDE 0100 Teil 410 Abschnitt 414.4) entsprechen, auf die hier nicht weiter eingegangen werden soll. Am sichersten ist es jedoch, die Leiter des Kleinspannungsstromkreises räumlich
getrennt von den Leitern anderer Stromkreise höherer Spannung zu verlegen.
Zusätzlich dürfen Stecker und Steckdosen von Kleinspannungssystemen nicht mit entsprechenden Teilen anderer Spannungssysteme benutzt werden können. Außerdem darf in Steckdosen von SELV-Stromkreisen kein Schutzleiterkontakt vorhanden sein.
Anmerkung: Wie auch bei der Schutztrennung gilt: Sollten die Körper des SELVStromkreises mit der Kleinspannung zufällig oder absichtlich mit Körpern
anderer Stromkreise in Berührung kommen, hängt der Schutz nicht mehr ausschließlich vom Schutz durch SELV, sondern zusätzlich von den Schutzvorkehrungen für die Körper der anderen Stromkreise ab.
6.1.9.3 FELV
FELV (functional ELV), im Deutschen auch als Funktionskleinspannung bezeichnet, liegt
vor, wenn die Nennspannung unterhalb von 50 V AC liegt, aber die Anforderungen für SELV
und PELV nicht eingehalten werden können oder aus Funktionsgründen nicht eingehalten
werden müssen. Es gelten Bestimmungen für eine den Basisschutz erfüllende Isolierung nach
Kap 6.1.6.2 und, entsprechend den beiden anderen Funktionskleinspannungen, Anforderungen an Stecker und Steckdosen.
Solche Stromkreise sind üblicherweise über einen Schutzleiter an den Primärkreis angeschlossen, vorausgesetzt dieser erfüllt die Bedingungen für den „Schutz durch automatisches
Abschalten“. Daher steht FELV in der VDE 0100 auch nicht wie in diesem Skript hinter den
anderen Kleinspannungen, sondern im Teil „Schutz durch automatisches Abschalten“.
___________________________________________________________________________
54
6.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
6.1.10 Zusätzlicher Schutz
Zusätzlich zu den in den Kapiteln 6.1.6 bis 6.1.9 beschriebenen Schutzmaßnahmen ist es unter bestimmten Bedingungen möglich weitere zusätzliche Schutzvorkehrungen gegen den
elektrischen Schlag in eine vorhandene Schutzmaßnahme einzubauen.
Eine Möglichkeit besteht darin ein Fehlerstrom-Schutzschalter (RCD) einzubauen, auch
wenn dessen Benutzung nicht zwingend vorgeschrieben ist.
Weiteren zusätzlichen Schutz kann der zusätzliche Schutzpotentialausgleich bieten. Für
diesen werden alle Körper von Betriebsmitteln und fremde leitfähige Teile über einen entsprechenden Schutzpotentialausgleichsleiter verbunden. Dieser wird dann mit dem Schutzleiter des Netzes verbunden.
Nähere Bestimmungen und Vorschriften sind in der VDE 0100 Teil 410 geregelt. Auf diese
soll im Rahmen dieses Skriptes nicht weiter eingegangen werden.
6.1.11 Schutzmaßnahmen unter fachlicher Beaufsichtigung
Der genaue Name dieses Abschnittes in der VDE 0100 lautet „Schutzmaßnahme zur Anwendung nur, wenn die Anlage kontrolliert wird oder durch Elektrofachkräfte oder elektrotechnisch unterwiesene Personen überwacht wird“. Der Hintergrund hinter diesem Abschnitt ist
folgender: Bei einigen Schutzmaßnahmen besteht z.B. die Möglichkeit, dass diese durch einen Laien unbeabsichtigt so verändert werden können, dass sie unwirksam werden. Nichtsdestotrotz sind dies wirksame Schutzmaßnahmen gegen den elektrischen Schlag solange ihre
Eigenschaften unverändert bleiben. Sie bedürfen allerdings einer Überwachung, um eine volle
Funktionsfähigkeit gewährleisten zu können.
Wie auch in Kap. 6.1.10 wird hier nur auf die ungefähre Funktionsweise dieser Schutzmaßnahmen eingegangen. Die genauen Vorschriften sind in der VDE 0100 Teil 410 im Anhang C
zu finden und sind nicht Inhalt dieses Skriptes.
6.1.11.1 Nicht leitende Umgebung
In vorigen Kapiteln wurde gezeigt, dass der Fehlerstrom auch vom Übergangswiderstand des
Standorts abhängt. Im Wesentlichen besteht diese Schutzmaßnahme daher daraus, Fußböden
und Wände so zu isolieren, dass sie einen Widerstand von
___________________________________________________________________________
6. VERSUCH 6: SCHUTZMASSNAHMEN
-
55
50 k bei einer Nennspannung kleiner als 500 V
100 k bei einer Nennspannung ab 500 V
aufweisen, ansonsten gelten sie als fremde leitfähige Teile.
Außerdem müssen Körper so angeordnet werden, dass keine Person gleichzeitig zwei Körper
oder einen Körper und ein fremdes leitfähiges Teil berühren kann. Für diese Schutzvorkehrungen sind bestimmte Abstände vorgeschrieben.
Das Risiko bei dieser Schutzmaßnahme ist, dass zu einem späteren Zeitpunkt weitere leitfähige und bewegliche Teile eingebaut werden können. Daher ist auf eine wirksame Überwachung zu achten.
6.1.11.2 Schutz durch erdfreien örtlichen Potentialausgleich
Diese Maßnahme ist nicht zu verwechseln mit dem unter Kap. 6.1.6.3 beschriebenen Hauptpotentialausgleich oder dem zusätzlichen Potentialausgleich aus Kap. 6.1.10. Der Unterschied
besteht darin, dass das hier beschriebene Potential erdfrei ist.
Das Auftreten zu hoher Berührungsspannungen wird dadurch verhindert, dass in einem abgegrenzten Raum alle berührbaren Körper und fremden leitfähigen Teile durch Potentialausgleichsleiter verbunden sind. Innerhalb eines solchen erdpotentialfreien Raumes können die
Gehäuse im Fehlerfall Spannung gegen Erde aufweisen, ohne dass eine Gefahr besteht, da
alle leitfähigen Teile dasselbe Potential führen.
Gefährlich kann das Betreten eines solchen Raumes sein, speziell wenn ein gegen Erde isolierter, leitfähiger Bodenbelag in den Potentialausgleich mit einbezogen ist. Im Fehlerfall
kann dieser eine Spannung gegenüber dem Boden vor dem Raum annehmen, die ein Eintretender als Schrittspannung überbrückt. Durch entsprechende Maßnahmen (z.B. isolierender
Boden vor dem Raum) kann diese Gefahr beseitigt werden.
___________________________________________________________________________
56
6.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
6.1.12 Schutzeinrichtungen
6.1.12.1 Überstrom-Schutzeinrichtungen, Sicherungsautomaten
Als Überstromauslöser werden Schmelzsicherungen und Leistungsschutzschalter (auch Sicherungsautomaten genannt) verwendet. Sie sollen die elektrischen Leitungen vor Kurzschluss
und Überlast schützen. Dieser Schutz kann bei geeigneter Auslösecharakteristik auch auf die
nachgeschalteten Verbraucher ausgedehnt werden. In Verbindung mit den Schutzmaßnahmen
nach 6.1.5 bis 6.1.8 dienen diese Elemente außerdem als Abschalteeinrichtung. Da im Versuch, wie auch häufig in der Praxis, hierzu Leistungsschalter verwendet werden, soll deren
Funktionsweise näher erläutert werden. Für die Anpassung an die vielfältigen Forderungen
enthalten Sicherungsautomaten i. Allg. zwei unabhängige Auslöser:
1. Der thermische Auslöser ist so ausgelegt, dass er, der zulässigen Belastbarkeit zu
schützender Leitungen oder Verbrauchsmittel angepasst, zeitverzögert erst bei andauernder Überlast wirksam wird. Er besteht im Wesentlichen aus einem Bimetallstreifen,
der sich abhängig von der Größe des Stromes und dessen Einwirkzeit ausbiegt und bei
einer vorbestimmten Ausbiegung das Schaltwerk betätigt. Der thermische Auslöser ist
aufgrund seiner Trägheit nicht relevant für den Berührungsschutz.
2. Der elektromagnetische Auslöser arbeitet als unverzögerter Schnellauslöser und übernimmt unabhängig vom thermischen Auslöser den Schutz bei Kurzschluss oder bei
hoher, plötzlicher Überlast. Er besteht im Wesentlichen aus einer Magnetspule, die ab
dem 2- bis 15-fachen Nennstrom (je nach Typ) einen Anker anzieht, der damit das
Schaltwerk betätigt (Schlagankerprinzip). Hierdurch ergibt sich ein sehr kurzer Ausschaltverzug, der bei hohen Kurzschlussströmen im Bereich einer Millisekunde liegt.
Diese schnelle Abschaltung wird im Zusammenhang mit den Schutzmaßnahmen nach
6.1.5 genutzt.
Um die durch die verschiedene Auslegung der genannten Auslöser mögliche Typenvielfalt
einzuschränken, sind verschiedene Auslösecharakteristiken unter Klassen zusammengefasst
-
die Charakteristiken B, C und D nach VDE 0641,
die Charakteristiken K und Z nach VDE 0660.
Im Versuch werden nur Sicherungsautomaten vom Typ K und Z, wie in Abb. 6.12 dargestellt,
verwendet.
___________________________________________________________________________
6. VERSUCH 6: SCHUTZMASSNAHMEN
57
Sicherungsautomaten mit Auslösecharakteristik K dienen bei geeigneter Auswahl der Absicherung von Leitungen und zusätzlich dem Schutz nachgeschalteter elektrischer Verbrauchsmittel. Die zulässigen Ansprechwerte des elektromagnetischen Auslösers liegen im Bereich
zwischen dem 8- bis 14-fachen Nennstrom. Einschaltstromstöße, die beim Einschalten von
Motoren, Regel- und Steuertransformatoren, Scheinwerfern und Glühlampen kurzzeitig auftreten, führen daher nicht zu unerwünschtem Auslösen.
Der thermische Auslöser ist so ausgelegt, dass ein nur wenige Prozent über dem Nennstrom
liegender Dauerstrom den Sicherungsautomaten auslöst und damit die gegen thermische
Überlastung besonders empfindlichen Wicklungen schützt.
Abb. 6.12: Auslösecharakteristik K(, E) und Z von Sicherungsautomaten
___________________________________________________________________________
58
6.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
Sicherungsautomaten der Auslösecharakteristik Z verfügen über thermische und elektromagnetische Auslöser besonders hoher Empfindlichkeit. Sie eignen sich daher vorzugsweise zum
Schutz von Halbleiterbauelementen und Messkreisen für Spannungswandler. Der elektromagnetische Auslöser spricht zwischen dem 2- bis 3-fachen Nennstrom an.
6.1.12.2 Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (RCD)
Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen wurden früher als „FI-Schutzschalter“ bezeichnet. Heute ist
die Bezeichnung RCD (engl.: residual current protective device) gebräuchlich.
Diese Schutzeinrichtung beruht auf folgendem Grundprinzip: Wird in einem fehlerfreien Verbraucher der Strom I eingespeist, so muss dieser Strom I auch in der Rückleitung auftreten,
d.h. die Stromsumme in den aktiven Leitungen muss Null sein (Kirchhoffsches Gesetz). Dies
gilt auch für Drehstromverbraucher mit und ohne N-Leiter-Anschluss. Besteht jedoch ein
Körperschluss, so fließt ein Fehlerstrom über die Fehlerstelle, evtl. angeschlossene Schutzleiter, über Erde oder direkt zum Neutralpunkt des Netzes. Dieser Strom fließt daher nicht über
aktive Leiter zurück und bewirkt, dass die Stromsumme in den aktiven Leitungen genau um
diesen Betrag von Null abweicht. Ein Fehlerstromschutzschalter überwacht die Stromsumme
der aktiven Leiter und schaltet bei Überschreiten einer vorgegebenen Abweichung von Null
die Netzzuleitung ab.
Wie in Abb. 6.13 dargestellt, geschieht die Überwachung durch einen Summenstromwandler.
Über diesen Wandler führt man die Ströme aller Betriebsleitungen. Die Durchflutungen der
Leiterströme werden vektoriell addiert und ergeben im fehlerfreien Betriebsfall Null. Bei Auftreten eines Fehlerstromes ergibt sich eine Restdurchflutung, deren Feld in einer zusätzlich
aufgebrachten Wicklung eine Spannung induziert. Diese Spannung wird zur Auslösung des
Schalters benutzt.
___________________________________________________________________________
6. VERSUCH 6: SCHUTZMASSNAHMEN
59
Abb. 6.13: Wirkungsweise einer Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (RCD)
Abb. 6.14 zeigt zwei im TN-Netz eingesetzte RCDs. Besondere Verbindungsleitungen vom
Verbraucher zum Schutzschalter bestehen nicht. RCDs überwachen nur die aktiven Zuleitungen eines bestimmten Netzbereiches. Dies kann eine komplette Hausinstallation, ein besonders zu schützender Stromkreis (z.B. des Badezimmers) oder auch ein besonders zu schützendes Gerät (z.B. Rasenmäher) sein.
Abb. 6.14: RCD-Schutzschalter (früher als FI-Schutzschalter bezeichnet) im TNNetz (im Stecker-Gehäuse einer Verlängerungsleitung integriert)
___________________________________________________________________________
60
6.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
RCDs werden in der Regel für die Auslöseströme von 1000, 500, 300 und 30 mA gebaut. So
genannte Personenschutzautomaten für die Überwachung von einzelnen Stromkreisen sind
sogar mit Auslöseströmen von nur 10 mA erhältlich. Sie sind mechanisch mit Leistungsschutzschaltern gekoppelt, deren Auslöseorgane sie im Fehlerfall betätigen.
RCDs mit Auslöseströmen von 30 mA und weniger haben zusätzlich den großen Vorteil, dass
sie auch einen gewissen Basisschutz bieten, d.h. also auch bei Ausfall einer zugeordneten
Schutzvorkehrung (z.B. Basisisolierung). Sobald ein Mensch ein defektes Gerät oder sogar
einen Außenleiter direkt berührt und ein Fehlerstrom über seinen Körper fließt, der über der
eingestellten Grenze liegt, löst der Schalter (schnell genug) aus. Deshalb ist ein derartiger
Schutz in bestimmten besonders gefährdeten Bereichen (Bad, Sauna, Schwimmbad, …) zusätzlich zur „normalen“ Schutzmaßnahme zwingend vorgeschrieben. Die anzustrebende allgemeine Anwendung von RCDs mit derart niedrigem Auslösestrom ist allerdings für größere
Netzbereiche (Hausinstallation) mit entsprechend hohen Ableitströmen über Erdkapazitäten
und Ableitwiderstände und bei großen Verbrauchern wie z.B. Baumaschinen und Herden
nicht möglich. Dafür muss ein höherer Auslösestrom gewählt und eine entsprechende
Schutzmaßnahme zugeordnet werden.
6.1.12.3 Isolationsüberwachungs-Schutzeinrichtung
In IT-Netzen, in denen ein erster Fehler nicht zum Abschalten führt, ist es vorgeschrieben,
den Isolationszustand, also den Widerstand des Netzes gegen Erde, ständig zu überwachen.
Der Innenwiderstand des Überwachungsinstrumentes (der ja auch eine Verbindung zwischen
Netz und Erde darstellt) darf nicht kleiner als 15 k sein. Für jedes Anlagenteil in trockener
Umgebung ist ein minimaler Ableitwiderstand gegen Erde von 1 k pro Volt Netzspannung
erlaubt. Abb. 6.15 zeigt das Prinzip einer Überwachungseinrichtung, die hörbar Alarm gibt,
wenn dieser Grenzwert (z.B. durch einen Gehäuseschluss) unterschritten wird. Im Falle eines
Erdschlusses kann die Hilfsgleichspannung U H einen Strom durch die Spule des Überwachungsrelais treiben. Das Relais löst bei Überschreiten eines einstellbaren Stromgrenzwertes
einen Alarm aus.
___________________________________________________________________________
6. VERSUCH 6: SCHUTZMASSNAHMEN
61
Abb. 6.15: Wirkungsweise eines Isolationswächters
___________________________________________________________________________
62
6.2. AUFGABEN UND HINWEISE ZUM VERSUCHSTAG
6.2 Aufgaben und Hinweise zum Versuchstag
6.2.1
Demonstrationstafel für Schutzmaßnahmen
Mit der Demonstrationstafel in Abb. 6.16 lassen sich durch Steckverbindungen verschiedene
Schaltungen, Schutzmaßnahmen, Schadens- und Gefahrensituationen in einem Drehstromnetz
400/230 V mit einem Verbraucher RV simulieren. Damit dies gefahrlos möglich ist, betragen
die an der Tafel tatsächlich auftretenden Spannungen und die eingebauten Widerstände nur
ein Zehntel der angegebenen Werte auf der Demonstrationstafel; die Stromstärken bleiben
gleich. Beim Versuch sind also die angegebenen Widerstandswerte auf der Tafel und die gemessenen Stromstärken, aber das Zehnfache der gemessenen Spannungen zu notieren.
Mit den Widerständen RF lassen sich die Körperschlüsse zwischen Außenleiter und Gehäuse
des Verbrauchers simulieren. Die Widerstände RB , RS bzw. RH sollen die Erdungswiderstände der Betriebs-, Schutz- bzw. Hilfserde darstellen. Mit den Widerständen RL werden die
Leitungswiderstände und mit RI der Isolationswiderstand des Netzes gegen Erde berücksichtigt. Sicherungsautomaten und Fehlerstromschutzschalter (in Abb. 6.16 wie früher üblich als
FI-Schutzschalter bezeichnet) benötigt man zum Aufbau zugehöriger Schutzschaltungen. Der
Widerstand RK soll den durchschnittlichen Körperwiderstand eines Menschen von 3kΩ darstellen, während RST den Übergangs- bzw. Fußbodenwiderstand berücksichtigt. Wenn am
Widerstand RK eine Berührungsspannung von über 50V auftritt, leuchtet eine rote Kontrolllampe auf.
___________________________________________________________________________
6. VERSUCH 6: SCHUTZMAßNAHMEN
63
Abb. 6.16: Versuchstafel Schutzmaßnahmen
___________________________________________________________________________
64
6.2. AUFGABEN UND HINWEISE ZUM VERSUCHSTAG
6.2.2 Versuchsdurchführung und -auswertung
6.2.2.1 Durchzuführende Versuche
1. Bauen Sie ein über RB = 2 Ω geerdetes Drehstrom-Vierleiternetz auf (mit intaktem NLeiter). Schließen Sie den einphasigen Verbraucher über einen der Sicherungsautomaten zwischen L1 und N an. Ein auf dem Fußboden mit RST = 500 Ω stehender Mensch
berührt das Gehäuse.
Messen Sie den Berührungsstrom I B und die Berührungsspannung U B in Abhängigkeit vom Übergangswiderstand eines Körperschlusses RF im Verbraucher. Verwenden Sie alle vorhandenen Werte von RF zwischen 0 Ω und RF → ∞ Ω und notieren
Sie eine eventuelle Gefährdung bzw. Auslösung des Sicherungsautomaten in der vorgegebenen Tabelle des Protokollvordrucks.
2. Bauen Sie ein TN-Netz mit kombiniertem Neutral- und Schutzleiter auf. Führen Sie
die Messungen entsprechend Punkt 1 mit fehlerfreiem und defektem Schutzleiter
durch und notieren Sie die Ergebnisse in der dafür vorgesehenen Tabelle im Protokollvordruck.
3. Untersuchen Sie die Schutzmaßnahme im TT-Netz mit einem FehlerstromSchutzschalter (RCD) (in Abb. 6.16 wie früher üblich als FI-Schutzschalter bezeichnet) als Auslöseorgan. Schließen Sie den über einen Erdungswiderstand RS geerdeten
Verbraucher über einen Sicherungsautomaten und den Fehlerstrom-Schutzschalter
(RCD) an das geerdete Netz an.
Messen Sie den Fehlerstrom I F und die Berührungsspannung U B bei etwa 15
sinnvollen Kombinationen von RST und RF (keine Kombinationen weit ober- oder
unterhalb von Gefährdungs- oder Auslösegrenzen).
Untersuchen Sie auch den Fall des gebrochenen oder nicht vorhandenen Erdleiters.
4. Bauen Sie ein ungeerdetes Netz auf: Der Mensch berührt eine Phase.
Untersuchen Sie die Gefährdung in Abhängigkeit vom Isolationswiderstand des Netzes.
Zum Messprotokoll:
Markieren Sie jeden Messwert bei dem eine Gefährdung des Menschen auftritt. Notieren Sie ob und wie die Sicherungsautomaten oder
Schutzschalter auslösen.
___________________________________________________________________________
6. VERSUCH 6: SCHUTZMAßNAHMEN
65
6.2.2.2 Versuchsauswertung
1. Stellen Sie für die Versuche 3 und 4 je ein Ersatzschaltbild auf und berechnen Sie allgemein die Berührungsspannung U B und den Fehlerstrom I F . Setzen Sie für je einen
Fall mit und ohne Gefährdung gemessene Werte ein (keine Trivialfälle!).
2. Untersuchen Sie die Ursachen, wenn trotz einer Schutzmaßnahme eine unzulässige
Berührungsspannung auftritt und keine Abschaltung erfolgt.
3. Berechnen Sie die höchsten zulässigen Erdungswiderstände im IT-Netz für das im
Protokollvordruck gegebene Ersatzschaltbild mit RCD für eine zulässige Berührungsspannung von U B = 50 V bzw. U B = 25V (besondere Gefährdung). Es sollen RCDs
mit einem Auslösestrom von I ∆N = 0, 5 A und I ∆N = 30 mA verwendet werden.
4. Ein Isolationswächter soll Alarm auslösen, wenn sich der Isolationswiderstand eines
IT-Netzes ( U = 230V ) soweit verschlechtert hat, dass bei sattem Gehäuseschluss im
Verbraucher ( RF = 0 Ω ) eine Berührungsspannung U B ≥ 25V auftritt. Auf welchen
Isolationswiderstand muss der Wächter eingestellt werden?
Zeichnen Sie hierfür zunächst das Ersatzschaltbild eines IT-Netzes. Gehen Sie zur
Vereinfachung davon aus, dass der Mensch den Außenleiter berührt.
Dies entspricht einem Fehler zwischen Außenleiter und Gehäuse bei unendlich großem Innenwiderstand der Maschine. Je kleiner der Innenwiderstand der Maschine
wird, desto kleiner wird der Berührungsstrom durch den Menschen. Die Vereinfachung ist somit zulässig, da sie ein „worst-case“ Szenario beschreibt.
Zeichnen Sie nun ein vereinfachtes Ersatzschaltbild des Fehlerstromkreises und berechnen Sie den benötigten Isolationswiderstand des Netzes gegen Erde für die oben
vorgegebenen Bedingungen.
___________________________________________________________________________
67
Versuch 7: Gleichrichterschaltungen
7.1 Theoretische Grundlagen
7.1.1 Definition eines idealen Ventils
Ein ideales Ventil ist ein hypothetisches zweipoliges Bauelement der Elektrotechnik, das nur
in einer Richtung, der Durchlassrichtung, Strom durchlässt. In dieser Richtung hat das ideale
Ventil keinen Widerstand: der Durchlasswiderstand ist Null, ebenso die Durchlassspannung
UF. Der Durchlassstrom heißt iF.
In der Gegenrichtung, der Sperrrichtung, lässt das ideale Ventil keinen Strom durch. Bei einer
angelegten Sperrspannung uR ist der Sperrstrom iR immer Null und der Sperrwiderstand unendlich groß.
Die beiden Anschlüsse des Ventils heißen Anodenanschluss, hier tritt der Durchlassstrom ein,
und Katodenanschluss, hier tritt der Durchlassstrom aus.
Das Symbol eines idealen Ventils zeigt Abb. 7.1.
Anode
Katode
Anode
Katode
Abb. 7.1: Symbol eines idealen Ventils
Die Pfeilspitze zeigt in die Richtung des Durchlassstroms.
___________________________________________________________________________
68
7.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
Es gibt keine elektrischen Bauelemente, die die Eigenschaften von idealen Ventilen vollständig besitzen. Es ist aber sehr nützlich, bei der näherungsweisen Berechnung der elektrischen
Größen von Gleichrichterschaltungen ideale Ventile vorauszusetzen.
7.1.2 Gleichrichterschaltungen
7.1.2.1 Einwegschaltungen (Einzweig-, Mittelpunkt- bzw. Sternschaltung)
Bei diesen Schaltungen ist an jede Netzphase (Transformatorsekundärwicklung) nur ein Ventil angeschlossen, so dass in den Sekundärsträngen der Strom nur in einer Richtung fließen
kann.
Einzweigschaltung (Einpulsige Einwegschaltung)
Kurzzeichen: E
Abb. 7.2 zeigt das Schaltbild einer Einzweigschaltung
uV
P
Q+
id
1~
Abb. 7.2: Einzweigschaltung
us
ud
R
-
Das Symbol zwischen den Anschlussklemmen der Primärwicklung bedeutet, dass die Primärwicklung an Einphasenwechselstrom anzuschließen ist. Mit us wird die Sekundärspannung des Transformators bezeichnet. uV ist die Ventilspannung. Sie wird positiv gerechnet,
wenn das Potential der Anode größer ist als das der Katode. Die gleichgerichtete Spannung
heißt ud. Sie liegt am Verbraucher und an den ggf. vorhandenen Glättungsmitteln.
Nach dem zweiten Kirchhoffschen Gesetz ergibt sich für die drei Spannungen auf der Gleichstromseite die Gleichung
us  uV  ud
(7.1)
___________________________________________________________________________
7. VERSUCH 7: GLEICHRICHTERSCHALTUNGEN
69
Bei der Einzweigschaltung tritt auf der Gleichstromseite der Gleichstrom id auf. Er wird positiv gerechnet, wenn er in der Richtung einer positiven Gleichspannung ud fließt. Bei idealen
Ventilen kann id nie negativ werden. Da id hier gleich dem Sekundärstrom des Transformators
ist, wird die Sekundärseite des Transformators nur in einer Richtung vom Strom durchflossen.
Solche Schaltungen heißen Einwegschaltungen. Die Teile einer Gleichrichterschaltung, die
sich zwischen einem Gleichstrom- und einem Wechselstromanschluss auf der Sekundärseite
des Gleichrichtertransformators befinden, nennt man einen Zweig der Gleichrichterschaltung.
Sie können im Schaltbild auch dann mit nur einem Symbol nach Abb. 7.1 dargestellt werden,
wenn sie aus mehreren Ventilen bestehen. Der eine Zweig der Einzweigschaltung nach Abb.
7.2 liegt zwischen den Punkten P und Q.
In Abb. 7.3 sind us, uV, ud und id über  t aufgetragen.  ist die Kreisfrequenz der Netzspanrad
nung. In einem 50Hz-Netz ist   314
. Die Periodendauer beträgt T=20ms.
s
Der zeitliche Verlauf von us ist durch den zeitlich sinusförmigen Verlauf der Primärspannung
des Transformators als ebenfalls sinusförmig festgelegt. Er ist praktisch unabhängig von der
weiteren Beschaltung und der Belastung, wenn man davon absieht, dass bei größerem Strom
messbare Spannungsabfälle auftreten. us ist in Abb. 7.3.1 dargestellt.
ud ist die Ausgangsspannung des Gleichrichters und damit in der Einzweigschaltung nach
Abb. 7.2 gleich dem Spannungsabfall am ohmschen Widerstand R. Hier kann ein Spannungsabfall nur durch einen positiven Gleichstrom id erzeugt werden; ein negativer Strom id ist wegen der einseitigen Durchlässigkeit des Ventils nicht möglich. Die einzige Spannung in dem
Kreis, die einen Strom treiben könnte, ist us. Solange us positiv ist, fließt ein positiver Strom id
und uV ist Null (ideales Ventil). Nach Gleichung (7.1) gilt demnach
uV  0  ud  us , solange us  0
(7.2)
Wenn us negativ wird, ist id Null und damit auch ud Null. Gleichung (7.1) ergibt:
ud  0  uV  us , solange us  0
(7.3)
uV und ud sind in Abb. 7.3.2 und 7.3.3 dargestellt.
Der Gleichstrom id ist nur bei der gezeichneten rein ohmschen Belastung direkt proportional
der Gleichspannung ud.
ud  R  id
(7.4)
id ist in Abb. 7.3.4 wiedergegeben.
___________________________________________________________________________
70
7.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
Abb. 7.3: Spannungen und Strom der Einzweigschaltung bei rein ohmscher Belastung
___________________________________________________________________________
7. VERSUCH 7: GLEICHRICHTERSCHALTUNGEN
71
Mittelpunktschaltung
Kurzzeichen: M2
Abb. 7.4 zeigt das Schaltbild.
u V1
is1
+
id
u s1
ud
R
uL
1~
u s2
is2
uV2
Abb. 7.4: Mittelpunktschaltung
Die Primärseite des Transformators wird an eine Einphasenwechselspannung angeschlossen.
Auf der Sekundärseite entstehen die beiden sinusförmigen Wechselspannungen us1 und us2,
die um 180° gegeneinander phasenverschoben sind. Die Schaltung ist somit sekundärseitig
zweiphasig. Da us1 immer gleich groß, aber entgegengesetzt gepolt ist wie us2, ergibt sich die
erwähnte Phasenverschiebung um 180°.
us1  us 2
(7.5)
us1 und us2 sind in Abb. 7.5.1 gezeichnet.
Auf der Gleichstromseite der Schaltung erhält man mit Hilfe des zweiten Kirchhoffschen Gesetzes die beiden Gleichungen
us1  uV 1  ud
us 2  uV 2  ud
(7.6.1)
(7.6.2)
Um den zeitlichen Verlauf der Ventilspannungen und der Gleichspannung zu erhalten, werden die Größen zu einem Zeitpunkt betrachtet, an dem us1 positiv sei. us2 ist dann negativ. us1
___________________________________________________________________________
72
7.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
kann einen Strom is1 über das Ventil 1 treiben. uV1 ist dann Null. is2 kann nicht fließen, weil
us2 negativ ist. Daher ist
is1  id
(7.7)
us1  ud
(7.8)
und wegen Gleichung (7.6.1)
Aus den Gleichungen (7.6.2), (7.8) und (7.5) erhält man
uV 2  2us 2  2us1  uL
(7.9)
Die Gleichungen (7.7), (7.8) und (7.9) gelten, solange us1 positiv und us2 negativ sind. Im umgekehrten Fall gelten aus Symmetriegründen dieselben Gleichungen, nur muss man bei den
Indizes die Zahlen 1 und 2 vertauschen und in Gleichung (7.9) -uL durch uL ersetzen.
Die Abb. 7.5 zeigt us1, us2, uV1, ud und id. Für id gilt wie bei der Einzweigschaltung die Gleichung (7.4). Wegen dieses Zusammenhangs sind die Amplituden von ud und id im Allgemeinen verschieden.
___________________________________________________________________________
7. VERSUCH 7: GLEICHRICHTERSCHALTUNGEN
73
Abb. 7.5: Spannungen und Strom der Mittelpunktschaltung
___________________________________________________________________________
74
7.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
Sternschaltung
Kurzzeichen: M3
u s1
u s2
3~
u V1
is1
u V2
+
u s3
is2
is3
Abb. 7.6: Sternschaltung
id
u V3
ud
R
-
Die Primärseite des Transformators der in Abb. 7.6 dargestellten Sternschaltung liegt an 3Phasen-Wechselstrom oder Drehstrom, d.h. die drei primären Strangspannungen sind um je
120° gegeneinander phasenverschoben. Folglich sind auch die Sekundärspannungen us1, us2
und us3 drei um je 120° phasenverschobene sinusförmige Spannungen. Sie sind in Abb. 7.7.1
über  t aufgetragen. In Abb. 7.6 lässt sich ablesen, dass sich für die Sternschaltung drei
Gleichungen aufstellen lassen, die den Gleichungen (7.1) und (7.6) entsprechen.
us1  uV 1  ud
us 2  uV 2  ud
us 3  uV 3  ud
(7.10.1)
(7.10.2)
(7.10.3)
Die Summe aus Ventilspannung und Gleichspannung ergibt wie bei der Einzweig- und der
Mittelpunktschaltung die Transformatorspannung, nur ist hier jeder Ventilzweig einzeln zu
betrachten.
Die Ventile führen den Strom nacheinander für je 120°. Da neben idealen Ventilen auch ein
idealer Transformator ohne Streuflüsse vorausgesetzt wird, führen nie zwei oder drei Ventile
gleichzeitig Strom. Es leitet immer das Ventil, dessen Transformator-Sternspannung den
größten positiven Betrag hat. Um diese Behauptung zu verifizieren, wird ein Zeitpunkt betrachtet, an dem gilt:
us1  us 2 und us1  us 3
(7.11)
___________________________________________________________________________
7. VERSUCH 7: GLEICHRICHTERSCHALTUNGEN
In diesem Fall ist:
75
uV 1  0
Daraus folgt nach Gleichung (7.10.1): us1  ud
us1  ud ist die Spannung, die alle drei Katoden gemeinsam gegenüber dem TransformatorSternpunkt haben. Da nach der Voraussetzung (7.11) us2 und us3 (die Anodenspannungen der
Ventile 2 und 3) negativer als us1 (die Spannung ihrer Katoden) sind, sperren die Ventile 2
und 3. Damit ist die Behauptung bewiesen.
us1  ud solange us1  us 2 und us1  us 3
(7.12.1)
Aus Symmetriegründen ist auch
us 2  ud solange us 2  us 3 und us 2  us1
us 3  ud solange us 3  us1 und us 3  us 2
(7.12.2)
(7.12.3)
Abb. 7.7.1 bis 7.7.3 lassen den beschriebenen Zusammenhang zwischen us1, uV1 und ud, den
Spannungen im Stromkreis des Ventils 1, erkennen. Die Diagramme für uV2 und uV3 haben die
gleiche Form wie Abb. 7.7.2. Sie sind nur um 120° bzw. 240 ° nach rechts verschoben.
Der Strom is1 kann nur fließen, wenn das Ventil 1 durchlässig ist. Während dieser Zeit ist us1
u
gleich ud und bei der in Abb. 7.6 gezeichneten rein ohmschen Belastung ist is1  s1 . Die
R
Stromimpulse von is1 liegen genau unter den Strecken in Abb. 7.7.2, an denen uV1 Null ist.
Die Stromkurven für is2 und is3 sind gegenüber der von is1 um 120° bzw. 240° verschoben
(siehe Abb. 7.7.5 und 7.7.6). Aus dem Schaltbild für die Sternschaltung nach Abb. 7.6 ist abzulesen, dass
id  is1  is 2  is 3
(7.13)
Daher setzt sich die Stromkurve für id nach Abb. 7.7.7 additiv aus den Impulsen der Abb.
7.7.4 bis 7.7.6 zusammen.
___________________________________________________________________________
76
7.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
Abb. 7.7: Spannungen und Ströme der Sternschaltung
___________________________________________________________________________
7. VERSUCH 7: GLEICHRICHTERSCHALTUNGEN
77
7.1.2.2. Zweiwegschaltungen (Brückenschaltungen)
Bei diesen Schaltungen sind an die sekundären Wicklungsstränge des Transformators zwei
Ventile angeschlossen, eins mit der Anode, eins mit der Katode, so dass jeder Strang in beiden Richtungen vom Strom durchflossen wird.
Brückenschaltung
Kurzzeichen: B2
Der Name Brückenschaltung deutet an, dass die Last, in Abb. 7.8 der Widerstand R, eine Brücke zwischen den Anoden der einen und den Katoden der anderen Ventilgruppe bildet.
+
u V1
1~
id
uV2
uL
ud
u V3
R
uV4
-
Abb. 7.8: Brückenschaltung
Zur Berechnung der Spannungen und Ströme kann man wieder die Kirchhoffschen Gesetze
benutzen.
uL  uV 1  ud  uV 4 und
(7.14.1)
(7.14.2)
uL  uV 2  ud  uV 3
Der Weg, bei dessen Durchlaufen die Spannungssumme nach Gleichung (7.14.1) gebildet
wurde, ist gleichzeitig die Bahn des Gleichstroms, wenn uL positiv ist, während der Gleichstrom auf dem Umlaufweg für Gleichung (7.14.2) fließt, wenn uL negativ ist. Natürlich gelten
die Gleichungen (7.14) immer, unabhängig vom Vorzeichen von uL.
Ist also uL positiv, dann sind
uV 1  uV 4  0
( uL  0 )
(7.15)
___________________________________________________________________________
78
7.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
weil diese beiden Ventile in Durchlassrichtung gepolt sind. Nach Gleichung (7.14.1) gilt jetzt
u L  ud
( uL  0 )
(7.16)
(mit uL ist auch ud positiv)
Um die einzelnen Ventilspannungen zu erhalten, stellt man zwei weitere Maschengleichungen
auf
(7.17.1)
0  uV 3  uV 1  ud
(7.17.2)
0  uV 4  uV 2  ud
Mit den Gleichungen (7.15) und (7.16)folgt
uV 2  uV 3  uL
( uL  0 )
(7.18)
Der Inhalt der Gleichungen (7.15), (7.16) und (7.18) ist in den Abb. 7.9.1 bis 7.9.6 im Abszissenbereich von 0 bis  dargestellt.
Während uL negativ ist, fließt id vom Transformator über Ventil 2, den Widerstand R und
Ventil 3 zum Transformator zurück. Also ist
uV 2  uV 3  0
( uL  0 )
(7.19)
uL  ud
( uL  0 )
(7.20)
( uL  0 )
(7.21)
Mit Gleichung (7.14.2) ist
(auch hier ist ud positiv)
und mit den Gleichungen (7.19), (7.20) und (7.17)
uV 1  uV 4  uL
Der Inhalt der Gleichungen (7.19), (7.20) und (7.21) wird in den Abb. 7.9.1 bis 7.9.6 im Abszissenbereich von  bis 2 wiedergegeben.
Da ud sowohl während der positiven als auch während der negativen Phase von uL sein Vorzeichen beibehält, hat eine Gleichrichtung stattgefunden.
Der Gleichstrom ist bei der angegebenen rein ohmschen Belastung wieder proportional der
Gleichspannung. Er ist in Abb. 7.9.7 dargestellt.
___________________________________________________________________________
7. VERSUCH 7: GLEICHRICHTERSCHALTUNGEN
79
Abb. 7.9: Spannungen und Strom der Brückenschaltung
___________________________________________________________________________
80
7.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
Gleichstrom und Gleichspannung haben bei der Schaltung B2 das gleiche Aussehen wie bei
der Schaltung M2. Die Schaltung B2 braucht 4 Dioden, während die Schaltung M2 mit 2 Dioden auskommt, die allerdings die doppelte Sperrspannung vertragen müssen. Die Sekundärseite des Trafos der Schaltung B2 hat nur einen Wicklungsstrang, während die Schaltung M2
zwei Wicklungsstränge jeweils für die gleiche Spannung (also doppelt so viele Drahtwindungen) benötigt. Dafür ist der Mittelwert des Stromes bei der Mittelpunktschaltung nur halb so
groß.
Drehstrom-Brückenschaltung
Kurzzeichen: B6
Abb. 7.10 zeigt das Schaltbild.
+
u s1
3~
u s2
u s3
u V1
uV2
id
u V3
is1
R
ud
is2
is3
u V4
Abb. 7.10: Drehstrom-Brückenschaltung
u V5
u V6
-
In dieser Schaltung ist der Betrag der Gleichspannungen immer gleich dem Betrag der größten Leiterspannung, nicht der größten Strangspannung wie in den bisher behandelten Schaltungen. Zum Beweis dieser Behauptung und zur Berechnung des zeitlichen Verlaufes der einzelnen Spannungen werden eine Reihe von Gleichungen mit Hilfe des zweiten
Kirchhoffschen Gesetzes aufgestellt. Der Weg, auf dem die Spannungen summiert werden,
wird wieder so gelegt, dass die erforderlichen Quellen us und der Verbraucher R im Stromkreis enthalten sind.
___________________________________________________________________________
7. VERSUCH 7: GLEICHRICHTERSCHALTUNGEN
81
us1  us 2  uV 1  ud  uV 5
(7.22.1)
(7.22.2)
(7.22.3)
(7.22.4)
(7.22.5)
(7.22.6)
us 2  us 3  uV 2  ud  uV 6
us 3  us1  uV 3  ud  uV 4
us 2  us1  uV 2  ud  uV 4
us 3  us 2  uV 3  ud  uV 5
us1  us 3  uV 1  ud  uV 6
Die Anzahl der Gleichungen (7.22) lässt erkennen, dass der Gleichstrom nacheinander auf 6
verschiedenen Wegen fließen kann.
Zur Berechnung von der Ventilspannungen sind noch die drei Gleichungen
uV 4  uV 1  ud
(7.23.1)
(7.23.2)
(7.23.3)
uV 5  uV 2  ud
uV 6  uV 3  ud
nützlich.
Wie bei allen übrigen Schaltungen sind die Größe und der zeitliche Verlauf der Transformatorspannungen durch das angeschlossene Netz und die Windungszahlen des Transformators
fest vorgegeben.
Es werden die Zeitintervalle untersucht, in denen us1  us 2 positiver als alle übrigen Leiter-

 2n   t 

 2n , n ganzzahlig, der
6
2
Fall ist. Die  t -Achse ist in Abb. 7.11.1 für diese Intervalle verstärkt gezeichnet. Der
spannungen ist. Abb. 7.11.1 zeigt, dass das für
Gleichstrom nimmt den Weg, auf dem Gleichung (7.22.1) entstanden ist. Dadurch werden
uV 1  uV 5  0
ud  us1  us 2
(7.24)
(7.25)
Aus (7.24), (7.23.1), (7.23.2) und (7.25) folgt
uV 4  uV 2  ud    us1  us 2 
(7.26)
___________________________________________________________________________
82
7.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
Abb. 7.11: Spannungen und Ströme der Drehstrom-Brückenschaltung
___________________________________________________________________________
7. VERSUCH 7: GLEICHRICHTERSCHALTUNGEN
83
Abb. 7.11: Spannungen und Ströme der Drehstrom-Brückenschaltung
Um auch uV3 und uV6 für dieses Zeitintervall zu finden, wird die Spannungssumme auf jeweils
dem Umlauf gebildet, der die gesuchte Spannung, uV3 bzw. uV6, eine Ventilspannung, die gerade Null ist, uV1 bzw. uV5, und Transformatorspannungen enthält. Wie man in Abb. 7.10 verfolgen kann, ergeben sich die Gleichungen
uV 3  uV 1  us1  us 3  0
uV 6  us 3  us 2  uV 5  0 .
Daraus wird mit (7.24)
uV 3  us 3  us1
uV 6  us 2  us 3
(7.27.1)
(7.27.2)
___________________________________________________________________________
84
7.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
Somit sind die zeitlichen Verläufe aller Spannungen in diesem Intervall gefunden. Um die
berechneten Verläufe in Abb. 7.11 leichter erkennen zu können, wird zusätzlich Abb. 7.12
hinzugezogen. Die Gleichspannung ud, die nach Gleichung (7.25) gleich us1  us 2 ist, hat
demnach einen um den Faktor 3 größeren Maximalwert als us1 und sie ist in ihrer Phasenla
ge um 30° oder
zu früheren Zeiten hin verschoben. Das Maximum von ud liegt also in der
6
Mitte der betrachteten Intervalle. Damit sind auch die Verläufe von uV2 und uV4 nach Gleichung (7.26) in Abb. 7.11.4 und 7.11.6 für den betrachteten Zeitraum zu verstehen.
5
uV 3  us 3  us1 ist gegenüber us1 um 150° oder  zu früheren Zeiten hin verschoben, wie
6

Abb. 7.11.5 zeigt. uV 6  us 2  us 3 liegt um 90° oder
vor us1, daher hat es den in Abb. 7.11.8
2
gezeigten Verlauf.
In gleicher Weise lassen sich die Spannungen für die 5 übrigen Intervalle einer Periode der
Netzspannung berechnen und zeichnen. Die Verläufe sind in Abb. 7.11.1 bis 7.11.8 dargestellt.
1
u s3 - u s1  u L3
u s1
u s1 - u s2  u L1
u s3
u s2
3
u s2 - u s3  u L2
2
Abb. 7.12: Stern- und Leiterspannungen
Der Gleichstrom id hat, wie in allen übrigen hier behandelten Schaltungen, bei rein ohmscher
Belastung einen der Gleichspannung proportionalen Verlauf. Er ist nicht gezeichnet.
Den Verlauf der Transformator-Sekundärströme is1, is2 und is3 kann man konstruieren, wenn
man bedenkt, dass z.B. is1 positiv sein muss, solange uV1 Null ist, und negativ, während uV4
Null ist. Entsprechendes gilt für die beiden übrigen Ströme. Die Ströme sind in Abb. 7.11.9
bis 7.11.11 dargestellt.
___________________________________________________________________________
7. VERSUCH 7: GLEICHRICHTERSCHALTUNGEN
85
7.1.2.3 Allgemeine Folgerungen aus den Schaltungsbeispielen
Zunächst werden einige Begriffe eingeführt und gegebenenfalls an den besprochenen Schaltungen erläutert.
Kommutierung heißt der Übergang des Stromes von einem Zweig zum nächsten. Bei der Mittelpunktschaltung nach Abb. 7.4 wird der Gleichstrom id abwechselnd von den Ventilen 1 und
2 geführt. In der Sternschaltung nach Abb. 7.6 fließt der in Abb. 7.7.7 dargestellte Gleichstrom im Zyklus über die Ventile 1, 2 und 3. Da bei dieser Schaltung die Ventilströme gleich
den Strangströmen sind, kann man die Übergänge in den Abb. 7.7.4, 7.7.5 und 7.7.6 sehen.
Bei der Einzweigschaltung nach Abb. 7.2 kann der Strom natürlich keinem nächsten Zweig
übergeben werden. Als Kommutierung ist hier die Wiederaufnahme des Stromes durch das
Ventil zu verstehen, wenn us positiv wird.
Der eigentlich Grund für die Einführung des Begriffs Kommutierung liegt in den störenden
Erscheinungen, die beim Stromübergang von einem Zweig zum nächsten berücksichtigt werden müssen, wenn die Streuinduktivitäten des Stromrichtertransformators nicht vernachlässigt
werden können. In diesem Umdruck wird darauf nicht näher eingegangen.
Als Kommutierungsgruppe bezeichnet man eine Gruppe von Gleichrichterzweigen und ggf.
Wicklungssträngen verschiedener Phasen, die unabhängig von anderen Gruppen im Zyklus
kommutieren. Die Gleichrichterzweige 1 und 2 in der Mittelpunktschaltung und 1, 2 und 3 in
der Sternschaltung sind solche Kommutierungsgruppen.
Etwas Neues bringt der Begriff aber erst in Schaltungen mit mehreren Kommutierungsgruppen, wie in den Brückenschaltungen. In der Schaltung nach Abb. 7.8 wechseln sich die Ventile 1 und 2 in der Führung des Gleichstroms id ab. Sie bilden die eine Kommutierungsgruppe
dieser Schaltung. Der vom Minuspol kommende Strom fließt im Zyklus über die Ventile 3
und 4. Sie bilden die andere Kommutierungsgruppe.
In der Drehstrombrückenschaltung nach Abb. 7.10 erkennt man nach einer entsprechenden
Überlegung, dass die Gleichrichterzweige 1, 2 und 3 und die Zweige 4, 5 und 6 je eine Kommutierungsgruppe bilden. Aus der Definition der Kommutierungsgruppe folgt, dass innerhalb
einer solchen Gruppe nie zwei oder mehrere Kommutierungen gleichzeitig stattfinden. Bei
Brückenschaltungen sind die Kommutierungsgruppen in Reihe geschaltet. Die hier nicht behandelten Saugdrosselschaltungen enthalten parallel geschaltete Kommutierungsgruppen.
Die Kommutierungszahl q ist die Anzahl der Kommutierungen, die während einer Periode der
Netzfrequenz in einer Kommutierungsgruppe stattfinden. In der Brückenschaltung nach Abb.
7.8 ist also q=2, in der Schaltung B6 ist q=3.
___________________________________________________________________________
86
7.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
Die Pulszahl p ist die Gesamtzahl der nicht gleichzeitigen Kommutierungen einer Gleichrichterschaltung während einer Periode der Netzfrequenz. Die Pulszahl ist damit das Verhältnis
der Grundfrequenz der der Gleichspannung überlagerten Wechselspannung (Pulsfrequenz= p  f ) zur Netzfrequenz.
Die Stromflussdauer eines Ventils ergibt sich aus der Definition der Kommutierungszahl q zu
Stromflussdauer 
Periodendauer der Netzfrequenz
q
Bei Gleichrichterschaltungen mit nur einer Kommutierungsgruppe ist natürlich p=q. Bei Brückenschaltungen mit einer ungeraden Anzahl von Transformator-Sekundärwicklungssträngen
(q ungerade) ist p=2q, dagegen ist bei einer geraden Anzahl von Strängen (q gerade) p=q.
Um zu dieser und anderen allgemeingültigen Aussagen über Gleichrichterschaltungen zu
kommen, muss man die Sekundärwicklung der Brückenschaltung nach Abb. 7.8 als zweiphasige Wicklung betrachten, bei der der Mittelpunktleiter wie bei jeder Brückenschaltung nicht
angeschlossen ist. In der Literatur wird diese Schaltung meist als einphasig bezeichnet. Beim
Übergang von der zweiphasigen Schaltung M2 (q=2, p=2) zur zweiphasigen Schaltung B2
(q=2, p=2) verändert sich die Pulszahl nicht, weil je zwei Kommutierungen gleichzeitig stattfinden, während sich beim Übergang von der dreiphasigen Schaltung M3 (q=3, p=6) zur dreiphasigen Schaltung B6 (q=3, p=6) die Pulszahl verdoppelt. Die Pulszahl verdoppelt sich beim
Übergang von Einweg- zu Zweiwegschaltungen also nur dann, wenn die Phasenzahl der Sekundärseite ungerade ist. Auch für die Abhängigkeit der gleichgerichteten Spannung ud und
der Ventilspannungen uV von den Transformatorspannungen us bzw. uL lassen sich allgemeingültige Beziehungen angeben.
7.1.3 Gleichgerichtete Spannung, überlagerte Wechselspannung und Glättungseinrichtungen
An den Ausgangsklemmen eines Gleichrichtergerätes tritt eine gleichgerichtete Spannung auf.
Als Gleichspannung Ud wird der arithmetische Mittelwert ihres zeitlichen Spannungsverlaufs
angegeben.
T
Ud 
1
ud dt
T 0
(7.28)
___________________________________________________________________________
7. VERSUCH 7: GLEICHRICHTERSCHALTUNGEN
87
Die Gleichung gilt immer, wenn T die Periodendauer des Netzes ist. Hat ud, wie bei den meisten Gleichrichterschaltungen, mehrere Pulse während der Netzfrequenzperiode, dann darf
1
man für T die Pulsdauer
einsetzen.
p f
Als Beispiel wird die ideelle Leerlaufgleichspannung Udi für die Einzweig- und die Sternschaltung aus der sekundären Transformatorstrangspannung us berechnet.
Der Mittelwert Udi ist von der Wahl des Zeitnullpunktes unabhängig. In Abb. 7.13 ist er für
die Einzweigschaltung so gelegt, dass ud während der Stromflussdauer eine Kosinusfunktion
ist.
Abb. 7.13: Verlauf von ud bei der Einzweigschaltung
ud  2U s cos  t ,
ud  0 ,


2
 t 

2
(7.29.1)

3
 t  
2
2
Es ist üblich, zur Vereinfachung der Rechnung die Substitution t  x zu machen. Dann ist
ud  2U s cos x ,
ud  0 ,



2
x

2
(7.29.2)
3
x 
2
2
Die Intervalllänge beträgt 2
___________________________________________________________________________
88
7.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
3

 2

2
2U s 
1

U di 
ud ( x) dx 
cos x dx   0 dx 



2 
2  



2
2
2

3

2

2U s 
2
2
U di 

U  0, 45U s
sin
x


2 
 s
 
(7.30)
2
Abb. 7.14 dient zur Berechnung von Udi bei der Sternschaltung. Die Periode von ud ist hier
2


nur  . Die Intervallgrenzen werden in die Punkte  und  gelegt.
3
3
3
Abb. 7.14: Verlauf von ud bei der Sternschaltung
Man erhält:

2U s
U di 
2

3
U di 

3U 
3
 cos x dx  2 s sin x  

3
3
3 3
U s  1,17 U s
2
3
(7.31)
Neben dem eben berechneten Gleichspannungsanteil Udi enthält die Spannung ud auch Wechselspannungskomponenten.
ud  U di  u
___________________________________________________________________________
7. VERSUCH 7: GLEICHRICHTERSCHALTUNGEN
ud
89
Udi,u~
t
t
Abb. 7.15: Erläuterung des Wechselspannungsanteils von ud
Die Kurvenform und der Effektivwert der überlagerten Wechselspannung hängen hauptsächlich von der Schaltung des Gleichrichtergerätes und ggf. von der nachgeschalteten Glättungseinrichtung ab. Die Wechselspannung kann z.B. Fernmeldeanlagen störend beeinflussen, sei
es infolge induktiver oder kapazitiver Kopplung. Die überlagerte Wechselspannung besteht
aus sinusförmigen Komponenten verschiedener Frequenzen   f .
Die Ordnungszahlen  dieser Komponenten sind ganzzahlige Vielfache der Pulszahl p. Die
Effektivwerte U lassen sich durch frequenzselektive Messgeräte bestimmen oder bei bekanntem zeitlichen Verlauf der Spannung u durch die Integrale
T
2
a   u (t )  cos   t  dt
T0
T
b 
mit
2
u (t )  sin   t  dt
T 0
U  a2  b2 berechnen (Fourier-Analyse).
Der Effektivwert der überlagerten Gesamt-Wechselspannung ergibt sich dann zu:
Uü 
U
2
(7.32)
___________________________________________________________________________
90
7.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
Als Wechselspannungsgehalt oder Welligkeit w gilt das Verhältnis der überlagerten Wechselspannung zur Gleichspannung:
w
Uü
Ud
(7.33)
Die überlagerte Wechselspannung erzeugt im Verbraucher einen dem Gleichstrom überlagerten Wechselstrom. Seine Größe und sein Verlauf sind durch die überlagerte Wechselspannung, ggf. die Glättungseinrichtung und die Lastart gegeben. Als kennzeichnende Größe gilt
der Wechselstromgehalt entsprechend der Gleichung (7.33).
Die Glättungseinrichtung, mit der die Welligkeit verringert wird, besteht meist aus Drosseln
und Kondensatoren. Dabei macht man sich die Frequenzabhängigkeit des Widerstands dieser
Bauteile zunutze. Ein Kondensator, parallel zum Verbraucher geschaltet, bildet einen Nebenschluss für die überlagerten Wechselströme, während er für den Gleichstrom undurchlässig
ist. Legt man eine Drossel in Reihe mit dem Verbraucher, so entsteht ein Spannungsteiler, bei
dem fast die gesamte Gleichspannung am Verbraucher liegt - bis auf den ohmschen Spannungsabfall am Kupferwiderstand der Drossel - , während die überlagerte Wechselspannung
in der Drossel einen großen Widerstand findet, so dass der Strom und damit die Spannung am
ohmschen Verbraucher geglättet ist.
7.1.3.1 Kondensator und ohmscher Widerstand
Als Beispiel wird eine Einzweigschaltung untersucht, an die als Glättungseinrichtung ein
Kondensator und als Verbraucher ein ohmscher Widerstand angeschlossen sind. Ohne Kondensator hat ud den in Abb. 7.3.3 dargestellten Verlauf. Mit dem Kondensator ist an die Punkte A und B in Abb. 7.16 ein R-C-Glied angeschlossen, dessen Spannung bekanntlich nach
einer e-Funktion abnimmt, auch wenn die Stromzuführung am Punkt A unterbrochen würde.
Man erhält so einen Spannungsverlauf nach Abb. 7.17
A id
C
ud
R
B
Abb. 7.16: Einzweigschaltung mit Kondensator und ohmschen Widerstand
___________________________________________________________________________
7. VERSUCH 7: GLEICHRICHTERSCHALTUNGEN
91
Abb. 7.17: Gleichgerichtete Spannung der Einzweigschaltung bei R-C-Belastung
us sei eine Kosinusfunktion. Dann lässt sich der Spannungsverlauf in zwei Abschnitte unterteilen:

t
RC
Abschnitt 1:
ud  2 U s  e
Abschnitt 2:
ud  2 U s  cos  t
für 0   t  x1
(7.34.1)
für x1   t  2
(7.34.2)
Danach wiederholt sich der Verlauf.
Diese Beschreibung ist nicht ganz exakt, weil in Wirklichkeit die e-Funktion nicht genau im
Scheitel der Kosinusfunktion beginnt, sondern etwas später. Aber für genügend großes RC,
d.h. für genügend flachen Verlauf der Exponentialfunktion, ist die Genauigkeit ausreichend.
Je größer das Produkt R  C wird, umso flacher verläuft die e-Funktion, umso besser geglättet
ist die Gleichspannung. Gleichzeitig vergrößert sich der Mittelwert Ud der gleichgerichteten
Spannung. Es ist (vergl. Gleichung (7.28)):
1
Ud 
2
2
u
d
( x)dx
x  t
0
x
2 U s  1 
Ud 
e
2  0
x
R C

cos
xdx



x1

2
dx 


2 U s 
 R C  1  e
Ud 

2 


x1
R C


  sin x1 




___________________________________________________________________________
92
7.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
Voraussetzung für die Auswertung dieser Gleichung ist die Kenntnis des Winkels x1, an dem
die Funktionswerte des exponentiellen und des kosinusförmigen Verlaufs gleich sind. Für
diesen Punkt gilt:

e
x1
R C
 cos x1
(7.36)
Diese Gleichung ist nicht elementar nach x1 aufzulösen, wie man durch Probieren leicht feststellt. Man kann aber mit ihrer Hilfe C ausrechnen, wenn R,  und x1 gegeben sind.
C
x1
 R ln  cos x1 
(7.37)
x1 kann z.B. dadurch gegeben sein, dass für einen ohmschen Verbraucher verlangt wird, die
gleichgerichtete Spannung dürfe nur um 20% unter ihren Maximalwert sinken.
Abb. 7.18 zeigt die Abhängigkeit der Gleichspannung Ud von der Kapazität C bei R=1000
und Us=24V.
Abb. 7.18: Abhängigkeit der Gleichspannung vom Glättungskondensator
Weil sich Gleichung (7.36) nicht auflösen lässt, wurde die Kurve berechnet und gezeichnet.
Es ist auch berücksichtigt, dass sich der Anfangspunkt des exponentiellen Kurventeils von ud
längs der Kosinuskurve nach unten verschiebt, wenn C klein wird.
___________________________________________________________________________
7. VERSUCH 7: GLEICHRICHTERSCHALTUNGEN
93
Ein Sonderfall dieser Schaltung liegt vor, wenn das Produkt R  C so groß ist, dass der exponentielle Verlauf von ud praktisch parallel zur Abszisse verläuft. Ud ist dann gleich dem Spitzenwert von us. Dieser Spitzenwertgleichrichter wird in der Messtechnik verwendet.
7.1.3.2 Induktivität und ohmscher Widerstand
Abb. 7.19 zeigt eine einphasige Brückenschaltung mit einer Induktivität L als Glättungseinrichtung und einem ohmschen Widerstand als Last.
L
id
uL
uL
1~
ud
uR
R
Abb. 7.19: Einphasige Brückenschaltung mit Drossel und ohmschem Widerstand
Der Spannungsverlauf von ud ist in Abb. 7.9.6 dargestellt. id hat hier nicht den Verlauf von
Abb. 7.9.7.
Die überlagerte Spannung mit dem Effektivwert Uü lässt sich durch eine Fourierzerlegung in
eine Summe von Sinusschwingungen mit den Effektivwerten U und den Frequenzen   f
aufteilen. Die Grundwelle der überlagerten Spannung hat die Frequenz p  f , wie man beim
Betrachten der Abb. 7.3.5, 7.5.3, 7.7.3, 7.9.6 und 7.11.2 erkennt.
Zur Vereinfachung nehmen wir an, die Drossel sei eine reine Induktivität mit dem Wechselstromwiderstand  L . Dann liegt der Mittelwert der Gleichspannung Ud völlig an R. Der Effektivwert der -ten Oberschwingung der überlagerten Wechselspannung am Verbraucher R
sei UR. Es gilt für jede Ordnungszahl , weil R und L einen Spannungsteiler bilden:
U R

U
R
R 2    2 f  L 
2
___________________________________________________________________________
94
7.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
Je größer also die Ordnungszahl  ist, desto weniger Wechselspannung liegt am ohmschen
Verbraucher. Da  gleich einem ganzzahligen Vielfachen der Pulszahl p ist, nimmt der Aufwand an Glättungsmitteln ab, wenn die Pulszahl steigt; L kann kleiner werden für den gleichen Effekt.
7.1.3.3 Induktivitäten, Kondensatoren und ohmsche Widerstände
Bei großen Ansprüchen an die Reinheit des Gleichstroms kann die Glättungseinrichtung aus
einer Kettenschaltung von Kondensatoren und Drosseln bestehen. Abb. 7.20 zeigt eine z.B. in
Rundfunkgeräten häufig benutzte Schaltung.
L
+
Verbraucher
ud
C
C
-
Abb. 7.20: Glättungseinrichtung in Rundfunkgeräten
Wenn id sehr klein ist, wird anstelle der Drossel in Abb. 7.20 ein ohmscher Widerstand benutzt.
In Messgeräten z.B. sind einzelne Frequenzen besonders unerwünscht. Man kann diese Frequenzen durch einen Resonanzkreis aussieben und zwar entweder durch einen Sperrkreis nach
Abb. 7.21, der für seine Resonanzfrequenz einen sehr großen Widerstand darstellt, oder durch
einen Saugkreis nach Abb. 7.22 der Spannungen mit seiner Resonanzfrequenz praktisch kurzschließt.
+
L
+
ud
ud
C
C
Abb. 7.21: Sperrkreis
L
-
Abb. 7.22: Saugkreis
-
___________________________________________________________________________
7. VERSUCH 7: GLEICHRICHTERSCHALTUNGEN
95
7.1.4 Unvollkommenheiten realer Ventile
uF
iF
Abb. 7.23: Spannung und Strom am idealen Ventil
Ein ideales Ventil (Abb. 7.23), wie es in Kapitel 7.1.1 definiert wurde, hat eine Kennlinie
nach Abb. 7.24. Durchlassstrom und Sperrspannung liegen auf den Koordinatenachsen. Für
jeden Punkt der Kennlinie eines idealen Ventils ist das Produkt aus Ventilspannung und strom gleich Null, es entsteht also im Gegensatz zu wirklichen Ventilen keine Verlustleistung.
iF
uF
Abb. 7.24: Kennlinie eines idealen Ventils
7.1.4.1 Schleusenspannung Us
Bei realen Ventilen muss eine gewisse Spannungsgrenze, die Schleusenspannung, überschritten werden, ehe überhaupt ein Strom fließt. In der Kennlinie nach Abb. 7.25 ist die Schleusenspannung berücksichtigt.
iF
uF
US
Abb. 7.25: Schleusenspannung
___________________________________________________________________________
96
7.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
7.1.4.2 Durchlasswiderstand Rdiff
Wird die Schleusenspannung überschritten, so fließt ein Durchlassstrom. Die Durchlassspannung steigt mit steigendem Durchlassstrom über die Schleusenspannung. Man kann das berücksichtigen, indem man annimmt, ein ohmscher Widerstand Rdiff sei mit dem eigentlichen
Ventil, an dem die Schleusenspannung Us liegt, in Reihe geschaltet. Abb. 7.26 zeigt die hierzu
gehörende Kennlinie. Danach ist
iF
Rdiff 
uF
iF
iF
uF
uF
Abb. 7.26: Differentieller Durchlasswiderstand
Weil Rdiff nicht aus dem Quotienten von uF und iF, sondern aus dem Differenzenquotienten
oder dem Differentialquotienten berechnet werden muss, heißt Rdiff differentieller Durchlasswiderstand.
In Wirklichkeit ist auch die Beschreibung mit Us und Rdiff eine Näherung, denn die tatsächliche Durchlasskennlinie hat den in Abb. 7.27 skizzierten Verlauf. Um aus der gemessenen
Kennlinie die Rechengrößen Us und Rdiff zu berechnen, legt man eine Hilfsgerade so durch die
Kennlinie, das sie diese beim 0,5-fachen und 1,5-fachen Scheitelwert IFM des Durchlassstromes der Gleichrichterdiode bei Nenngleichstrom schneidet. Diese Ersatzgerade schneidet die
Spannungsachse bei der Schleusenspannung Us. Die Neigung dieser Ersatzgerade ergibt den
mittleren differentiellen Durchlasswiderstand Rdiff.
iF
1, 5 I FM
0,5 I FM
uF
US
Abb. 7.27: Durchlasskennlinie
___________________________________________________________________________
7. VERSUCH 7: GLEICHRICHTERSCHALTUNGEN
97
Damit ergibt sich die Durchlassspannung angenähert zu
uF  U s  iF  Rdiff ,
wie in Abb. 7.26 dargestellt.
7.1.4.3 Sperrstrom
Die Sperrkennlinie nach Abb. 7.28 zeigt, dass auch in Sperrrichtung ein Strom fließt. Er ist
bei modernen Einkristallhalbleiterdioden jedoch im Vergleich zum Durchlassstrom so klein,
dass man ihn vernachlässigen kann.
iF
Sperrstrom
uF
Durchbruchspannung
Abb. 7.28: Sperrkennlinie
7.1.4.4 Durchbruchspannung
Überschreitet die Sperrspannung die Durchbruchspannung, siehe Abb. 7.28, dann fließen
plötzlich große Sperrströme. In diesem Betriebszustand liegt eine hohe Spannung, die Durchbruchspannung, am Ventil und gleichzeitig fließt ein großer Strom. Das Produkt dieser beiden
Größen wird als Verlustleistung im Ventil in Wärme umgesetzt. Normale Gleichrichterdioden
werden daher bei diesem Betrieb durch Überhitzung zerstört.
Die so genannten Zenerdioden jedoch können durch einen speziellen Aufbau die Verlustwärme ohne zu hohe Temperatur abführen und daher in diesem Zustand betrieben werden. Man
benutzt sie zur Spannungsstabilisierung, denn über einen großen Bereich des Sperrstromes
ändert sich die Durchbruchspannung nur wenig.
___________________________________________________________________________
98
7.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
7.1.5 Belastungskennlinie eines Gleichrichters
Durch die ohmschen Widerstände der Transformatorwicklungen u.ä. nimmt die Spannung an
den Klemmen eines Gleichrichtergerätes mit steigendem Gleichstrom ab. Das Verhalten ist in
Abb. 7.29 als Belastungskennlinie skizziert. Der steilere Verlauf der Kennlinie bei sehr kleinen Werten von id, der in Abb. 7.29 übertrieben dargestellt ist, kommt durch die Durchlasskennlinie der Ventile zustande.
Abb. 7.29: Belastungskennlinie
Er ist bei Zweiwegschaltungen größer als bei Einwegschaltungen, weil im ersten Fall der
Gleichstrom die Schleusenspannung von zwei in Reihe geschalteten Ventilen überwinden
muss.
___________________________________________________________________________
7. VERSUCH 7: GLEICHRICHTERSCHALTUNGEN
99
7.2 Aufgaben und Hinweise zum Versuchstag
7.2.1 Funktionshinweise des Schaltbrettes: Gleichrichterschaltungen
Für die Versuchsdurchführung steht ein Schaltbrett (Abb. 7.30) zur Verfügung, mit dem die
verschiedenen Gleichrichterschaltungen aufgebaut werden können.
Die Versorgung des Gleichrichters erfolgt über den Drehstromtransformator im Labortisch.
Die Sternspannung in einer Phase (z.B. L1 gegen N) soll 24V betragen. Für einzelne Schaltungen muss die Phasenlage der Netzphasen gegeneinander verändert werden. Dies geschieht
über den Umschalter am Labortisch neben dem Drehstromtransformator.
Stellung 1 (Schalter oben, rote Lampe aus): Die primären Transformatorstränge werden im
Stern an das vorhandene Drehstromnetz angeschlossen, so dass die Buchsen L1, L2 und L3
am Drehstromtransformator ebenfalls ein symmetrisches Drehstromsystem mit dem Sternpunkt an Buchse N bilden. In dieser Schalterstellung können die Sternschaltung (M3) und die
Drehstrom-Brückenschaltung (B6) aufgebaut werden.
Stellung 2 (Schalter unten, rote Lampe leuchtet): Die primären Transformatorstränge 1 und 2
liegen gegensinnig an derselben Netzspannung U2N. An den Buchsen L1 und L2 am Drehstromtransformator entsteht dann ein Zweiphasensystem mit dem Mittelpunkt an Buchse N
und den Strangspannungen Us2=-Us1=24V. Der Transformatorzweig L3 soll in diesem Betrieb
nicht benutzt und daher Buchse L3 nicht angeschlossen werden. In dieser Schalterstellung
können die Mittelpunkt- (M2) und die Brückenschaltung (B2) realisiert werden.
Für die Realisierung der einzelnen Schaltungen und zum Anschluss von Messgeräten und
Impedanzen sind in ausreichender Zahl Anschlussbuchsen vorgesehen. Die Schaltungen sollen so übersichtlich wie möglich unter Verwendung entsprechend kurzer Verbindungsleitungen oder Kurzschlussstecker aufgebaut werden.
___________________________________________________________________________
100
7.2. AUFGABEN UND HINWEISE ZUM VERSUCHSTAG
1

1
2
2
3
L1
L2
3
L3
Shunt
1
4
5
N
4
4
N
Abb. 7.30: Schaltbrett für Versuch 7: Gleichrichterschaltungen
7.2.2 Messungen und Versuchsauswertung
1.
Für 2 vom Betreuer festzulegende Schaltungen sollen bei jeweils I d  100mA (gemessen
mit Drehspulinstrument) folgende Messungen
a)
ohne Glättungsdrossel
b)
mit Glättungsdrossel
durchgeführt werden. Schaltung entsprechend Abb. 7.31!
1.1. Oszillographieren Sie Strom und Spannung und drucken Sie für jede Schaltung
die Oszillogramme nach a) und b) aus. Geben Sie die zugehörigen Maßstäbe für
Strom, Spannung und Zeitablenkung auf den Ausdrucken an.
Erläutern Sie in Beiblättern die Oszillogramme und stellen Sie Eigenarten und
Unterschiede der verschiedenen Schaltungen dar.
___________________________________________________________________________
7. VERSUCH 7: GLEICHRICHTERSCHALTUNGEN
101
1.2. Messen Sie gleichzeitig jeweils die Spannung Ud und den Strom Id am Verbraucher mit Drehspulinstrument und Weicheiseninstrument.
Tabellieren und erläutern Sie die Messergebnisse.
Bei welcher Schaltung ist der Unterschied am größten und warum?
2.
Für eine vom Betreuer festzulegende Schaltung ist die Belastungskennlinie U d  f  I d 
aufzunehmen. Schaltung entsprechend Abb. 7.32!
Id=0, 5, 10, 30, 50, 100, 200, 250mA (Id=0 durch Öffnen des Stromkreises hinter dem
Voltmeter).
Berechnen Sie die ideelle Leerlaufspannung Udi als arithmetischen Mittelwert von ud(t)
für diese Schaltung und tragen Sie diese in das Diagramm ein (für die Berechnung sind
Us=24V für M2 bzw. Us=48V für B2 gegeben).
Erläutern Sie (schriftlich) den Verlauf der Kurve.
7.2.2.1 Hinweise
Zum Einstellen des Gleichstroms wird an die Buchsen 2 und 3 ein Belastungswiderstand angeschlossen.
Beim Einschalten sollte der Widerstand maximal sein. Es ist darauf zu achten, dass die
Strombelastbarkeit des Widerstands nicht überschritten wird!!
Für den Versuchsteil 1.1 stehen digitale Zweikanaloszilloskope zur Verfügung, die mit jedem
Kanal eine Spannung gegen ihre Masse darstellen können. Als Stromsignal dient der Spannungsabfall an dem (bereits im Schaltbrett vorhandenen) 1-Shunt.
Achtung: Die beiden Masseanschlüsse des Oszilloskops müssen an derselben Stelle gesetzt
werden.
Der Anschluss folgt entsprechend Abb. 7.31.
___________________________________________________________________________
102
7.2. AUFGABEN UND HINWEISE ZUM VERSUCHSTAG
+
A
1
A
2
2
u(t)
i(t)
1
RLast
Masse
-
V
V
2
Kanal
3
Shunt
4
4
4
Abb. 7.31: Schaltung zu Versuchteil 1
Um die Messungen zu beschleunigen, sollte die Schaltung zum Versuchsteil 1.1 bereits die
vier im Versuchsteil 1.2 erforderlichen Messinstrumente und die Induktivität L (wie in Abb.
7.31 dargestellt) enthalten.
Die Induktivität kann dann, wenn sie nicht erforderlich ist, einfach kurzgeschlossen werden.
+
1
Die Schaltung zu Versuchteil 2 ist in Abb.
7.32 dargestellt. Hier muss der Spannungsabfall am Amperemeter mit gemessen werden.
Beide Instrumente sollen Drehspulinstrumente sein, wobei als Voltmeter das
hochohmigere verwendet wird.
2
A
V
RLast
3
-
4
Shunt
4
Abb. 7.32: Schaltung zu Versuchsteil 2
___________________________________________________________________________
103
Versuch 8: Untersuchung eines Transformators
8.1. Theoretische Grundlagen
8.1.1 Allgemeine Betrachtungen
8.1.1.1 Einführung
Die wichtigste Aufgabe der Transformatoren (kurz: Trafo) in unseren Energieversorgungsnetzen ist die Umformung der Spannung auf Werte, die für die Größen von Übertragungsleistung
und -entfernung zweckmäßig sind.
Primär-
Sekundärseite
S
Generator
Trafo
Überlandleitung
OberUnterSpannungsseite
Trafo
Verbraucher
Abb. 8.1: Prinzipdarstellung einer Energieübertragung
Um einen guten Wirkungsgrad und einen geringen Spannungsabfall bei der Übertragung der
Energie vom Erzeuger zum Verbraucher zu erzielen, wird die hohe Spannung auf der Überlandleitung erst in der Nähe des Verbrauchers heruntertransformiert. Daneben finden Transformatoren noch vielfältige Verwendung wie z.B. als Übertrager, zur Potentialtrennung, für
Messzwecke usw.
___________________________________________________________________________
104
8.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
8.1.1.2 Aufbau eines Transformators
Die beiden wesentlichen Teile des Transformators sind der Eisenkern und die Wicklungen.
Der Kern hat die Aufgabe, den magnetischen Wechselfluss zu führen und die Wicklungen zu
tragen. Der Eisenkern wird aus gegeneinander isolierten, kaltgewalzten und kornorientierten
Blechen (Trafoblech) aufgebaut. Die bewickelten Teile des Eisenkerns heißen Schenkel, die
sie verbindenden Teile sind die Joche.
Für die allgemeine Aufgabe der Umspannung und Potentialtrennung werden zwei Wicklungen benötigt. Die Aufnahmewicklung – auch Primärwicklung genannt- nimmt aus dem vorhandenen Netz bei der Spannung U1 Leistung auf, während in der Abgabewicklung - der Sekundärwicklung - die Spannung U 2 erzeugt und Leistung abgegeben wird. Ferner ist noch
eine Unterscheidung der Wicklungen in Oberspannungs- und Unterspannungswicklung gebräuchlich. Die für ein einphasiges Netz gebauten Transformatoren heißen
Einphasentransformatoren.
Durch
eine
konstruktive
Zusammenfassung
dreier
Einphasentransformatoren entsteht ein Drehstromtransformator.
lFe
lm
a)
lFe
lFe
lm
lm
b)
c)
Abb. 8.2: Einphasentransformatoren
a), b) Kerntransformatoren
lFe… mittlere Eisenlänge
c) Manteltransformator
lm… mittlere Windungslänge
Abb. 8.2 zeigt zwei Bauarten für Einphasentransformatoren, den Kerntransformator und den
Manteltransformator. Beim Manteltransformator befinden sich die Wicklungen auf dem Mittelschenkel. Sie werden von den Seitenschenkeln und Jochen mantelförmig umschlossen.
Durch diese Rückführung wird der durch den Mittelschenkel gehende Fluss aufgeteilt. Bei
___________________________________________________________________________
8. VERSUCH: UNTERSUCHUNG EINES TRANSFORMATORS
105
gleicher Induktion wie beim Joch des Kerntransformators braucht hier das Joch nur die halbe
Querschnittsfläche zu haben. Das ergibt eine geringere und damit günstigere Bauhöhe.
Dreischenkeltransformator
Fünfschenkeltransformator
Abb. 8.3: Bauformen für Drehstromtransformatoren
Abb. 8.3 zeigt die entsprechenden Bauformen für Drehstromtransformatoren, Drei- und Fünfschenkeltransformatoren genannt.
Wie in allen elektrischen Bauteilen treten auch in Transformatoren Verluste auf, die zur Erwärmung der Wicklungen und des Eisens führen. Bei Trockentransformatoren ist die Luft das
Kühlmittel und bei Öltransformatoren das Öl, welches eine große Wärmeleitfähigkeit und
auch eine hohe Spannungsfestigkeit (6-mal größer als Luft) besitzt. Ferner wird der Transformator durch das Öl gegen Feuchtigkeit geschützt.
Die Erwärmung des Transformators geschieht auf zwei verschiedene Arten:
1.) In den ohmschen Widerständen der Spulen wird ein Teil der übertragenen Wirkleistung in Wärme umgesetzt und geht damit verloren.
2.) Im Kern des Transformators entstehen die so genannten „Eisenverluste“.
Die Eisenverluste setzen sich zusammen aus den Hystereseverlusten, die infolge der periodischen Ummagnetisierung des Kerns entstehen und aus den Wirbelstromverlusten, die von den
im Kern fließenden elektrischen Wirbelströmen verursacht werden.
Die Fläche, die von der Hystereseschleife umschlossen wird, gibt die für einen vollen Magnetisierungsumlauf erforderliche Ummagnetisierungsarbeit pro Volumeneinheit des Eisens an.
___________________________________________________________________________
106
8.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
Abb. 8.4: Hystereseschleife
Bei einer Frequenz f in Hz erfolgen f Umläufe pro Sekunde, woraus sich die HystereseVerlustleistung ergibt.
Nach dem Induktionsgesetz ruft eine Änderung des magnetischen Feldes auch im Eisen eine
elektrische Spannung hervor. Da das Eisen ein elektrischer Leiter ist, treten unter Wirkung
dieser Spannung im Eisen nach dem Ohmschen Gesetz elektrische Ströme auf, die das Eisen
erwärmen. Diese Ströme werden wegen ihrer geschlossenen Bahnen Wirbelströme genannt.
Die Strombahnen liegen senkrecht zu den magnetischen Feldlinien. Um die Wirbelströme und
die damit verbundenen Verluste klein zu halten, wird der Kern des Transformators aus einzelnen, gegeneinander isolierten Blechen aufgebaut, so dass die Kreisbahnen der Wirbelströme
nur innerhalb der einzelnen Bleche liegen können.
Nähere Einzelheiten über die heute
verwendeten Bleche sind aus dem
Normblatt DIN 46400 zu entnehmen. Im
Allgemeinen wird nur die Verlustziffer
V (in Watt/kg) für eine Induktion von 1T
(V1,0) und für 1,5T (V1,5) angegeben, die
die Hysterese- und Wirbelstromverluste
beinhaltet.
Abb. 8.5: Wirbelströme in gegeneinander isolierten Blechen
___________________________________________________________________________
8. VERSUCH: UNTERSUCHUNG EINES TRANSFORMATORS
107
Beispiel: Beste Blechsorte: 0,35mm Dicke; bei f=50Hz
mit folgende Verlustziffern: V1,0 = 0,75 W/kg
V1,5 = 2
W/kg
8.1.1.3 Definition verschiedener Transformatordaten -VDE 0532Ein Transformator wird für einen bestimmten Arbeitspunkt ausgelegt. Der Betrieb in diesem
Arbeitspunkt wird als Nennbetrieb bezeichnet. Bei Nennbetrieb ist der Transformator in der
Lage, die erzeugte Verlustleistung abzuführen, ohne sich dabei im Dauerbetrieb über die
Grenztemperatur zu erwärmen. In den Bestimmungen des Verbandes Deutscher Elektrotechniker (VDE) wird definiert:
Es liegt Nennbetrieb vor, wenn auf der Primärseite mit Nennspannung eingespeist und auf der
Sekundärseite Nennstrom abgegeben wird.
Die Nennspannung auf der Sekundärseite ist die Spannung, die im Leerlauf gemessen wird,
wenn auf der Primärseite die Nennspannung mit der Nennfrequenz anliegt. Primäre und sekundäre Nennspannung werden bei Drehstromtransformatoren als Leiterspannungen angegeben.
Als Nennleistung des Transformators wird die Scheinleistung S N  U N  I N bzw. bei Drehstrom S N  3 U N  I N in VA, kVA, MVA oder GVA angegeben.
Das Typenschild enthält folgende Größen:
Nennspannung, Nennleistung, Nennstrom, Nennfrequenz, relative Kurzschlussspannung und
Schaltungsart. Dazu kommen noch Hersteller, Modellbezeichnung und Fertigungsnummer.
8.1.2 Grundlagen
Die nachfolgenden theoretischen Überlegungen werden an einem Einphasentransformator
durchgeführt. Die Verhältnisse gelten bei symmetrisch aufgebauten Drehstromtransformatoren für jede Phase in gleicher Weise.
8.1.2.1 Der ideale Transformator
Der ideale Transformator erfüllt folgende Bedingungen.
1.) Im Transformator entstehen keine Verluste, d.h. es gibt keine ohmschen Wicklungswiderstände sowie keine Eisenverluste.
___________________________________________________________________________
108
8.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
2.) Der gesamte erzeugte Fluss Φ verläuft im Eisen, d.h. der magnetische Widerstand
RmFe des Eisens ist sehr klein gegenüber dem magnetischen Widerstand der Luft RmL
wegen μrFe >> μrL = 1:
R mFe 
lFe
A Fe 0 rFe
(8.1)
mit lFe = mittlere Eisenlänge und AFe = Querschnitt der Eisens
Das magnetische Verhalten des idealen Transformators wird durch zwei Gleichungen beschrieben:
Zum Einen durch das ohmsche Gesetz des magnetischen Kreises, das aus dem Durchflutungsgesetz abgeleitet ist:

 I w

Rm
Rm
(8.2)
Daraus folgt, dass bei sehr kleinem RmFe der zur Erzeugung des Flusses Φ erforderliche Magnetisierungsstrom I sehr klein ist und im Grenzfall gegen Null geht (idealer Transformator).
Zum anderen ist das Induktionsgesetz zu nennen:
u (t )  w 
d
dt
(8.3)

Dieses liefert bei sinusförmigem Flussverlauf    sin  t folgendes Ergebnis:
u (t )  w 

d
 w     cos  t
dt
(8.4)
Mit dem Effektivwert der Spannung U :
U

2


 w1    4, 44  f  w    4, 44  f  w  Bˆ  AFe
(8.5)
Diese Gleichung wird in der Literatur auch als Trafoentwurfsgleichung bezeichnet. Sie enthält
den Effektivwert der Spannung (weil dies der für den Leistungsumsatz relevante Wert einer
Wechselspannung ist) und den Scheitelwert des Flusses (weil dieser, verbunden mit dem Ei___________________________________________________________________________
8. VERSUCH: UNTERSUCHUNG EINES TRANSFORMATORS
109
senquerschnitt AFe bestimmt, wie weit das Eisen gesättigt wird). Wenn ein Transformatorkern
mit vorgegebenem AFe und bekannter Sättigungsinduktion vorliegt, kann aus der Transformatorentwurfsgleichung für eine vorgegebene Frequenz die Windungsspannung (U/w) ermittelt
werden. Für die gewünschten Anschlussspannungen ergeben sich daraus die Windungszahlen.
Der Eisenquerschnitt ist eine das Volumen und Gewicht bestimmende Größe und verhält sich
proportional zur Spannung. Die zweite Größe, die Volumen und Gewicht eines Transformators bestimmt, ist das Fenster im Eisenkern, das von den Wicklungen ausgefüllt wird. Dieses
bestimmt über den Drahtquerschnitt den zulässigen Strom der Wicklungen. Daher bestimmt
bei konstanter Frequenz die Größe eines Transformatorkerns (Volumen, Gewicht) in erster
Näherung die von diesem übertragbare Leistung (U·I). Mit steigender Frequenz nimmt diese
zu. Dies ist der Grund für die geringe Größe von Schaltnetzteilen, da diese mit einer höheren
Frequenz als die Netzfrequenz betrieben werden.
Der magnetische Fluss durchsetzt sowohl die primäre Wicklung w1, als auch die sekundäre
Wicklung w2. Für beide Wicklungen gelten sowohl das Induktionsgesetz (8.3) als auch die
Trafoentwurfsgleichung (8.5) mit demselben Fluss Φ aber den jeweiligen Spannungen U1 und
U2 sowie Windungszahlen w1 und w2.
Wenn man z.B. die Trafoentwurfsgleichung für beide Wicklungsseiten aufstellt und diese
durcheinander dividiert, ergibt sich:
U1 w1

U 2 w2
(8.6)
Das Windungszahlverhältnis w1 w2 wird auch als Übersetzungsverhältnis ü bezeichnet:
ü
w1
w2
(8.7)
Das Ersatzschaltbild, für Primär- und Sekundärwicklung getrennt aufgestellt, hat folgende
Form:
___________________________________________________________________________
110
8.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
I1
I2
U1
L1
U2
L2
Z
Abb. 8.6: Ersatzschaltbild, Primär- und Sekundärwicklung getrennt
Hierin sind die Wicklungen als Induktivitäten dargestellt. Das Ziel ist aber, für den Transformator nur ein einziges Ersatzschaltbild aufzustellen. Das ließe sich leicht durchführen, wenn
U1 = U2 wäre; was gleichbedeutend ist mit der Forderung w1 = w2. Unter dieser Annahme
hätte das Ersatzschaltbild folgende Form:
I1
I2
U1
Lh
U2
Z
Abb. 8.7: Ersatzschaltbild, Primär- und Sekundärwicklung zusammengefasst
Die Induktivitäten der Primär- und Sekundärwicklung sind dabei zu einer einzigen so genannten Hauptinduktivität Lh zusammengefasst.
Geht nach Gleichung (8.1) der magnetische Widerstand Rm → 0, so ergibt sich mit
Lh  w2 
1
Rm
(8.8)
die Hauptinduktivität Lh → ∞. Im Ersatzschaltbild ist zu erkennen, dass dann folgende Beziehung gilt:
I1 = I2.
(8.9)
___________________________________________________________________________
8. VERSUCH: UNTERSUCHUNG EINES TRANSFORMATORS
111
Nun hat aber normalerweise die Sekundärwicklung des Transformators eine andere Windungszahl als die Primärwicklung. Das bedeutet: U2 besitzt einen anderen Wert als U1. Das
eben abgebildete Ersatzschaltbild kann beibehalten werden, wenn die elektrischen Größen der
Sekundärseite auf die Primärseite umgerechnet werden. Die umgerechneten Größen werden
mit einem ´ gekennzeichnet. Es muss also folgende Beziehung erfüllt sein:
U1  U 2
(8.10)
Oder unter Berücksichtigung von Gleichung (8.6)
U 2 
w1
U 2  ü U 2
w2
(8.11)
Bei Belastung fließt auf der Sekundärseite der Strom I2. Bei der Transformation darf sich die
Scheinleistung S2 nicht ändern. Somit gilt:
S2  S2
U 2  I 2  U 2  I 2
U
w
1
I 2  2  I 2  2  I 2   I 2
U 2
w1
ü
(8.12)
Ein Verbraucher wird nach folgender Überlegung umgerechnet:
2
w 
U 2
Z   22  Z   1   Z  ü 2  Z
U2
 w2 
U 2 U 2
S2  2  2
Z
Z
(8.13)
Da sich auch die Größen Wirk- und Blindleistung nicht ändern dürfen, bleibt auch deren Verhältnis zu einander konstant und es gilt:
  
Z  R  jX
Z   R  jX 
(8.14)
2
w 
R   1   R  ü 2  R
 w2 
(8.15)
___________________________________________________________________________
112
8.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
2
w 
X    1   X  ü2  X
 w2 
(8.16)
Widerstände werden mit dem Quadrat des Übersetzungsverhältnisses transformiert.
Das Ersatzschaltbild hat nun folgendes Aussehen:
I2
I1
U1
Lh
U2
Z
Abb. 8.8: Ersatzschaltbild mit umgerechneten Größen
Auf der umgerechneten Sekundärseite fließt der Strom I 2 . Da die Induktivität Lh unendlich
groß ist, fließt durch sie kein Strom. Es gilt deshalb:
I1  I 2
Aus I 2 
w1
 I 2 ergibt sich dann
w2
I2 
w1
 I1  ü  I1 .
w2
(8.17)
Der ideale Transformator arbeitet wie ein verlustloses Getriebe. Er übersetzt die Spannung im
Windungszahlverhältnis und die Ströme im umgekehrten Windungszahlverhältnis.
8.1.2.2 Der verlustbehaftete Transformator
Der verlustbehaftete reale Transformator unterscheidet sich vom idealen Transformator in
folgenden Punkten:
1.) Primär- und Sekundärwicklung besitzen einen ohmschen Widerstand.
___________________________________________________________________________
8. VERSUCH: UNTERSUCHUNG EINES TRANSFORMATORS
113
2.) Nur ein Teil des in den Windungen erzeugten Flusses, der so genannte Hauptfluss,
verläuft vollständig im Eisen und ist mit beiden Wicklungen verkettet. Der andere
Teil, der Streufluss, schließt sich über Nebenwege.
3.) Die relative Permeabilität µr ist nicht unendlich groß. Der magnetische Widerstand Rm
ist deshalb größer Null. Es muss ein Magnetisierungsstrom Iµ fließen, damit ein Fluss
aufgebaut werden kann.
4.) Auf Grund der Ummagnetisierung entstehen im Eisen Verluste.
Es wird vom Ersatzschaltbild des idealen Transformators ausgegangen und die unter 1 – 4
aufgeführten Besonderheiten auf folgende Weise berücksichtigt:
Die Wicklungswiderstände R1 und R2 der Primär- und Sekundärwicklung werden herausgezogen und als Vorwiderstände in die Zuleitungen zu den Wicklungen gelegt. Die Spulen haben
dann keinen Widerstand mehr. Wenn beide Wicklungen Strom führen, besitzen beide Wicklungen einen Streufluss. Dies wird berücksichtigt, indem als Maß für den Streufluss ein
Streublindwiderstand X     L definiert und dieser in die Zuleitungen zu den Wicklungen
gelegt wird; auf der Primärseite Xσ1, auf der Sekundärseite Xσ2.
Wird an die Primärseite eines Transformators eine Spannung U1 gelegt, so fließt der Strom I1.
Dieser erzeugt mit den w1 primären Windungen die magnetische Erregung
1  I1  w1
Nach Gleichung 8.2 wird dadurch ein Fluss aufgebaut
1 
I1  w1
Rm
Rm 
lFe
AFe  0  rFe
Bei unterschiedlichen Querschnitten und Längenabschnitten im Eisenkreis setzt sich der Gesamtwiderstand Rm additiv aus den einzelnen Teilwiderständen zusammen.
Der magnetische Widerstand Rm ist beim realen Transformator nicht konstant, sondern eine
veränderliche Größe. µr stellt eine Funktion der Induktion B dar und ist somit auch von Φ
abhängig.

A
r  f ( B)  f ( )
(8.18)
Der Zusammenhang ist in der Magnetisierungskurve gegeben. Daraus folgt, dass zwischen
dem Fluss Φ und dem Strom I1 kein linearer Zusammenhang besteht.
___________________________________________________________________________
114
8.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
Der von I1  w1 erzeugte Fluss verläuft nur zu einem Teil im Eisen und durchsetzt die Sekundärspule. Diesen Fluss bezeichnet man als Hauptfluss Φh. Der Teil, der sich über magnetische
Nebenwege (Luft) schließt und die Sekundärspule nicht durchsetzt, wird als Streufluss Φσ
bezeichnet. Der Hauptfluss Φh durchsetzt Primär- und Sekundärwicklung und induziert
d
dt
d
in der Wicklung 2 die Spannung u2 h (t )  w2 
.
dt
in der Wicklung 1 die Spannung u1h (t )  w1 
und
(8.19)
(8.20)
Es stellt sich ein Gleichgewichtszustand ein, indem die induzierte Spannung U1h geometrisch
mit den Spannungsabfällen an R1 und Xσ1 addiert, gleich der angelegten Spannung U1 wird.
Aus Gleichung (8.19) und (8.20) ergibt sich nach der Darstellung der Spannungen u1h(t) und
u2h(t) wie in der Trafoentwurfsgleichung die Beziehung:
U1h w1

ü
U 2 h w2
Der reale Transformator kann jetzt dargestellt werden durch einen idealen Transformator mit
der Eingangsspannung U1h, der Ausgangsspannung U2h und vorgeschalteten Widerständen R1,
Xσ1 und nachgeschalteten Widerständen R2, Xσ2.
Abb. 8.9
Für die Eisenverluste wird noch ein Ersatzwiderstand RFe eingeführt, der parallel zur Hauptinduktivität liegt. Durch ihn fließt der Eisenverluststrom Iv.
Beim vollständigen Ersatzschaltbild müssen wie beim Ersatzschaltbild des idealen Transformators die Größen der Sekundärseite auf die Primärseite umgerechnet werden.
___________________________________________________________________________
8. VERSUCH: UNTERSUCHUNG EINES TRANSFORMATORS
I1
R1
X
X 
R 2
115
I2 '
I0
I Fe
U1
R Fe
I
U1h  U '2h
Xh
U2 '
Abb. 8.10:Ersatzschaltbild realer (verlustbehafteter) Transformator
Damit in jedem Augenblick die für den Aufbau des Flusses notwendige Durchflutung Θ0 aufgebracht wird, muss für die Augenblickswerte der Durchflutung folgendes garantiert werden:
1  0  2
I1  w1  I 0  w1  I 2  w2
(8.21)
Diese Gleichungen stellen die Magnetisierungsbedingungen des Transformators dar. Θ1 ist
also von der sekundären Belastung des Transformators abhängig.
Die Transformation der Sekundärseite auf die Primärseite geschieht in der gleichen Weise,
wie sie schon beim idealen Transformator abgeleitet wurde. Es gelten dabei die gleichen Beziehungen:
2
w
U 2 h  1 U 2 h
w2
w 
R2   1   R2  ü 2  R2
 w2 
w
U 2  1 U 2
w2
w 
X  2   1   X  2  ü 2  X  2
 w2 
2
(8.22)
Aus dem Ersatzschaltbild lassen sich jetzt leicht die Spannungsgleichungen aufstellen. Dabei
wird für den Primärkreis das gleiche Zählsystem zugrunde gelegt wie für den Sekundärkreis.
U 1  R1  I 1  jX  1  I 1  U 1h
(8.23)
U 2  U 2 h  R2  I 2  jX  2  I 2
(8.24)
___________________________________________________________________________
116
8.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
Bei ohmsch-kapazitiver Last sieht das Zeigerbild dann wie folgt aus:
Im
U1
U X
U R1
U 'X
U1h  U '2h
U2
UR2
I1
I0
I
I2
I Fe
h
Re
Abb. 8.11:Zeigerbild für ohmsch-kapazitiven Last
Die dargestellten Spannungsabfälle in Abbildung 8.11 sind dabei stark übertrieben dargestellt.
In der Realität bewegen sich die Unterschiede zwischen U1 und U2 typischerweise im einstelligen Prozentbereich. Die Zahlenwerte der Widerstände im Ersatzschaltbild sind stark von der
Nennleistung des Transformators abhängig. Einen größenordnungsmäßigen Anhalt geben
folgende Zahlen:
R1 : R2 : X  1 : X  2 : X h : RFe  1:1: 2 : 2 :1000 :10000.
8.1.3 Betriebsverhalten des Transformators
8.1.3.1 Leerlauf
Unter Leerlauf versteht man: Die Sekundärseite ist offen. Der Strom I2 ist 0. Der Sekundärkreis übt keine Rückwirkung auf den Primärkreis aus.
Im Ersatzschaltbild sind die Spannungsabfälle an R2’ und Xσ2’ gleich 0. Das Ersatzschaltbild
hat dann folgende vereinfachte Form nach Abb. 8.12:
Es gilt:
U 2  U 2h  U1h
___________________________________________________________________________
8. VERSUCH: UNTERSUCHUNG EINES TRANSFORMATORS
117
Im Primärkreis fließt jetzt der Leerlaufstrom I0. Der Leerlaufstrom braucht nur die zum Aufbau des Flusses notwendige Durchflutung Θ0 zu erzeugen. Er ist deshalb sehr klein. Die
Spannungsabfälle an R1 und Xσ1 sind gegenüber U1 bzw. U1h zu vernachlässigen.
Deshalb gilt:
U1  U1h  U 2
Dabei ist
U 2 
w1
U 2
w2
w
U1  1 U 2
w2
Wir erhalten:
I1  I0
1  2
R1
X 
Im
U1
I Fe
U1
U X
I
U1h
R Fe
U R1
Xh
U1h
I0
I Fe
h
I
Re
Abb. 8.12: Ersatzschaltbild und Zeigerbild für den Leerlauffall
In Abb. 8.12 sind die Spannungsabfälle UR1 und UXσ1 stark übertrieben dargestellt. Üblicherweise können sie, wie in Abb. 8.13 dargestellt, vernachlässigt werden.
Im
I Fe
I
U1  U1h
U1
R Fe
U1h
Xh
I0
I
I Fe
h
Re
Abb. 8.13: Ersatzschaltbild und Zeigerbild für den Leerlauffall (zusammengefasst)
___________________________________________________________________________
118
8.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
Im Leerlauf verhalten sich Primär- und Sekundärspannung wie die Windungszahlen. Sie werden wie beim idealen Transformator übersetzt. Da das Verhältnis der Spannungen gemessen
werden kann, die Windungszahlen aber nicht, ist in VDE 0532 das Verhältnis der Leerlaufspannungen als Nennübersetzung ü festgelegt.
8.1.3.2 Kurzschluss
Kurzschluss bedeutet: Die Sekundärwicklung ist kurzgeschlossen. U2 = 0. Es fließt ein hoher
Strom I2. In jedem Augenblick muss gelten:
1  0  2
Das bedeutet: auf der Primärseite muss ebenfalls eine hohe Durchflutung vorhanden sein. Im
Ersatzschaltbild kann dann I0 gegenüber I 2 und I1 vernachlässigt werden.
R1
I1
X 
I2 '
X
R 2
U1
Abb. 8.14: Ersatzschaltbild für den Kurzschlussfall
Oder zusammengefasst:
Im
IK
RK
XK
UX
U1
K
U1
IK
UR
K
Re
Abb. 8.15: Ersatzschaltbild und Zeigerbild für den Kurzschlussfall (zusammengefasst)
___________________________________________________________________________
8. VERSUCH: UNTERSUCHUNG EINES TRANSFORMATORS
119
RK  R1  R2
X K  X  1  X  2
I K  I1  I 2
Aus der Beziehung:
1  2
(8.26)
folgt
w1  I1  w2  I 2
w
I1  2  I 2
w1
(8.27)
Im Kurzschlussfall werden die Ströme wie beim idealen Transformator übersetzt.
8.1.4 Berechnung und Messung der Größen des Ersatzschaltbildes
8.1.4.1 Leerlaufversuch
Der Leerlaufversuch wird normalerweise (z.B. bei Untersuchung eines in der Energieverteilung üblichen 20 kV/400 V Transformators) von der Unterspannungswicklung aus gefahren,
um auf den Einsatz eines Hochspannungsspeisetransformators verzichten zu können. Dabei
wird an den Transformator seine Nennspannung gelegt:
U0  U N
Dabei werden der Leerlaufstrom I0 und die Wirkleistung P0 gemessen. Die gemessenen Verluste entsprechen den Eisenverlusten V0 des Transformators, da die in R1 entstehenden Kupferverluste wegen des geringen Leerlaufstromes vernachlässigt werden können. Aus dem vereinfachten Ersatzschaltbild (Abb. 8.13) können RFe und Xh berechnet werden:
I Fe  I 0  cos 0
cos 0 
P0
P
 0
U N  I 0 S0
I   I 0  sin 0
___________________________________________________________________________
120
8.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
U 0 U 02

I Fe P0
U
Xh  0
I
RFe 
(8.28)
X h  2 f  Lh
(8.29)
Das Verhältnis I 0 I N wird mit dem relativen Leerlaufstrom i0 gekennzeichnet und in % angegeben.
8.1.4.2 Kurzschlussversuch
Der Kurzschlussversuch wird meistens von der Oberspannungsseite durchgeführt, da andernfalls ein Speisetransformator notwendig wäre, der sehr hohe Ströme bei niedrigen Spannungen bereitstellen kann. Da nicht die volle Höhe der Nennspannung an die Oberspannungsseite
angelegt werden muss, kann im Idealfall der Kurzschluss- und Leerlaufversuch mit einem
speisenden Stelltransformator durchgeführt werden.
Während des Versuchs ist die Unterspannungsseite kurzgeschlossen ist. Die angelegte Spannung UK wird so eingestellt, dass auf der Sekundärseite der Nennstrom I2N fließt. Da der Leerlaufstrom I0 bei der Spannung UK sehr klein ist, wird er vernachlässigt. Auf der Primärseite
fließt dann ebenfalls der Nennstrom I1N. Eine Vernachlässigung von I0 bedeutet gleichzeitig
eine Vernachlässigung der Eisenverluste. Die in einem Wattmeter gemessene Wirkleistung
stellt die in den ohmschen Widerständen R1 und R2 entstehende Verlustleistung dar. Für den
Kurzschluss gilt das Ersatzschaltbild nach Abb. 8.15. Dabei ist:
RK  R1  R2 ,
X K  X  1  X  2 ,
cos  K 
Z K  RK  jX K
PK
UK  IK
R1  R2  Z K  cos  K 
PK
I K2
X  1  X  2  Z K  sin K
(8.30)
(8.31)
Es lassen sich also nur die Summen der Wirk- und Blindwiderstände bestimmen. Wenn man
die meist zulässige Annahme macht, dass
R1  R2
und
X  1  X  2
___________________________________________________________________________
8. VERSUCH: UNTERSUCHUNG EINES TRANSFORMATORS
121
ist, so kann man R1 , R2 , X  1 , X  2 des Transformators bestimmen.
Das Verhältnis aus der bei Nennstrom angelegten Spannung UK zur Nennspannung UN wird
als relative Kurzschlussspannung uK bezeichnet:
uK 
UK
UN
(8.32)
Da der Transformator sich im Kurzschluss wie ein linearer Scheinwiderstand ZK verhält, stellt
die relative Kurzschlussspannung gleichzeitig das Verhältnis von Nennstrom IN zu Dauerkurzschlussstrom IK dar, der bei angelegter Nennspannung fließt.
U K  ZK  I N
U N  ZK  IK
I
U
uK  K  N
UN IK
(8.33)
Die relative Kurzschlussspannung uK liegt z.B. bei Transformatoren mit einer Leistung von 30
– 40000kVA nach DIN 42502 in einer Größenordnung von 3,5 bis 11%.
8.1.4.3 Wirkungsgrad
Im Transformator treten bei Belastung zwei Gruppen von Verlusten auf; die Eisen- und die
Wicklungsverluste. Sie werden durch den Leerlauf- und den Kurzschlussversuch ermittelt.
Der Wirkungsgrad errechnet sich aus dem Verhältnis der an den Verbraucher abgegebenen
Wirkleistung Pab zu der aus dem Netz aufgenommenen Wirkleistung Pzu.

Pab
100 %
Pzu

Pab
.
Pab  Vges
Oder anders geschrieben:
Wenn der Wirkungsgrad für Nennbetrieb bestimmt werden soll, so müssen im Leerlauf- bzw.
Kurzschlussversuch die jeweiligen Verluste so ermittelt werden, wie sie später bei Nennbetrieb auftreten.
Der Leerlaufversuch zur Ermittlung der Eisenverluste muss bei Nennspannung erfolgen.
___________________________________________________________________________
122
8.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
Unter zulässiger Vernachlässigung des Spannungsabfalls an R1 und Xσ1 liegt im Ersatzschaltbild am Eisenverlustwiderstand die Spannung U1. Im Nennbetrieb also U1N.
Der Kurzschlussversuch muss bei Nennstrom durchgeführt werden. Die Wicklungsverluste
PK errechnen sich nach der Formel:
PK  I K2  RK
(8.34)
Im Nennbetrieb also:
PKN  I N2  RK
Die Eisenverluste errechnen sich nach
PFe 
U12h
.
RFe
Da auch bei Belastung des Transformators die Spannungsabfälle an R1 und Xσ1 gegenüber U1
zu vernachlässigen sind, ist U1  U1h und die Eisenverluste sind bei angelegter Netzspannung
annähernd konstant. Bei angelegter Nennspannung sind die Eisenverluste weitgehend unabhängig von der Größe der sekundären Belastung.
Vges
 I 
 V0  Vcu   
 IN 
2
Mit dieser Formel können die Gesamtverluste bei bekannten Nennverlusten für verschiedene
Belastungen umgerechnet werden

I
 S N  cos 2
IN
Pab

2
Pab  Vges
 I 
I
 S N  cos 2  Vcu     V0
IN
 IN 
(8.35)
8.1.5 Transformatoren für besondere Zwecke
Beim Messen von hohen Wechselspannungen und -strömen sind die Messgeräte oft nicht
mehr in der Lage, diese unmittelbar zu erfassen. Es werden also Wandler sowohl für Ströme
als auch für Spannungen benötigt, die diese Größen herunter transformieren. Transformatoren
___________________________________________________________________________
8. VERSUCH: UNTERSUCHUNG EINES TRANSFORMATORS
123
sind unter bestimmten Bedingungen dazu geeignet, als Strom- und Spannungswandler mit
möglichst kleinem Messfehler zu fungieren.
8.1.5.1 Stromwandler
Es wird die Forderung gestellt, dass die Beziehung
I1 w2 1


I 2 w1 ü
möglichst exakt erfüllt sein muss. Aus dem Ersatzschaltbild wird deutlich, dass dies nur der
Fall ist, wenn 0  0 ist. Diese Bedingung ist, wie schon früher gezeigt, im Kurzschlussfall
erfüllt.
Ein Stromwandler arbeitet jedoch nur angenähert im Kurzschluss, denn er wird mit einem
kleinen ohmschen Widerstand (Bürde) belastet, der entweder aus den Innenwiderständen der
Strompfade eines Amperemeters besteht oder an dem eine dem Sekundärstrom proportionale
Spannung zu Messzwecken abgegriffen wird. Der Stromwandler arbeitet mit einer eingeprägten Durchflutung, die durch den zu messenden Strom hervorgerufen wird. Der Stromwandler
darf nie im Leerlauf betrieben werden, weil sonst auf Grund der fehlenden sekundären Gegendurchflutung Θ2 die primäre Durchflutung den Wandler schnell in die Sättigung treiben
würde. Außerdem würden an den Klemmen der Sekundärseite Überspannungen auftreten. Der
Wandler würde dann durch unzulässige Erwärmung zerstört. Man definiert die
Wandlerkonstante zu
primärer Nennstrom
.
ci 
sekundärer Nennstrom
I1
K
k
Liegt im Sekundärkreis ein Amperemeter, so ergibt
sich der tatsächliche Strom aus der Beziehung:
I2
A
L
l
I1  ci  cA   A
(8.36)
cA… Amperemeterkonstante in A/Skt
αA… Ausschlag des Amperemeters in Skt
Abb. 8.16: Stromwandler
___________________________________________________________________________
124
8.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
8.1.5.2 Spannungswandler
Wir stellen die Forderung, dass die Beziehung
U1 w1

ü
U 2 w2
möglichst exakt erfüllt ist. Aus dem Ersatzschaltbild wird deutlich, dass dies nur bei I2=0 zu
erreichen ist und wenn die Spannungsabfälle an R1 und an Xσ1 zu vernachlässigen sind. Ein
Spannungswandler arbeitet fast im Leerlauf.
Die Bürde besteht aus dem hohen Innenwidertand des Spannungspfades eines Spannungsmessers. Damit ist fast der Leerlauffall gegeben.
Man definiert die Spannungskonstante:
U
u
cu 
U2
U1
V
V
v
primäre Nennspannung
sekundäre Nennspannung
U1  cu  cv  v
(8.37)
cv… Voltmeterkonstante in V/Skt
αv… Ausschlag des Voltmeters in Skt
Abb. 8.17: Spannungswandler
8.1.5.3 Drehstromtransformator
Ein Drehstromtransformator kann aus drei gleichen Einphasentransformatoren aufgebaut
werden (Transformatorbank). Deutlich weniger Gesamtvolumen und -masse erhält man durch
Zusammenfassung der Eisenkreise zu einem gemeinsamen Transformator nach Bild 8.3.
Für einen symmetrischen Transformator, der symmetrisch belastet wird, kann ein einpoliges
Ersatzschaltbild aufgestellt werden, das Bild 8.10 entspricht. Die darin enthaltenen Spannungen (U1, U2’, Uh) entsprechen der Sternspannungen und die Ströme (I1, I2’) den Leiterströmen
des Drehstromsystems. Damit wird in dem einpoligen Ersatzschaltbild ein Drittel der gesamten Drehstromleistung umgesetzt.
___________________________________________________________________________
8. VERSUCH: UNTERSUCHUNG EINES TRANSFORMATORS
125
Die Primär- und Sekundärseiten eines Drehstromtransformators können unabhängig voneinander in Dreieck, Stern oder Zickzack (spezielle Sternschaltung mit auf zwei Schenkeln verteilter Strangwicklung) geschaltet sein. Die sich daraus ergebenden speziellen Eigenschaften
des Drehstromtransformators werden in der Vorlesung „Elektrische Energietechnik“ behandelt.
___________________________________________________________________________
126
8.2. AUFGABEN UND HINWEISE ZUM VERSUCHSTAG
8.2 Aufgaben und Hinweise zum Versuchstag
8.2.1 Versuchsdurchführung
A
A
0...50V
50Hz
W
V
300
Wdg
150
Wdg
V A
V
Abb. 8.18: Versuchsschaltung
1.) Bauen Sie die oben angegebene Versuchsschaltung auf. Schalten Sie nichts ein, bevor
der Betreuer Ihren Aufbau geprüft hat.
2.) Messen Sie im Leerlauf U20, I10 und P10 in Abhängigkeit von U10. U10 = 20…40V in
5V-Schritten.
3.) Messen Sie im Kurzschlussversuch U1K, I1K und P1K in Anhängigkeit von IK2.
IK2 = 1…2A in 0,25A-Schritten.
4.) Belasten Sie den Transformator bei U1 = 40V mit einem Kondensator und messen Sie
I1, P1, U2 und I2.
8.2.2 Versuchsauswertung
1.) Berechnen Sie für alle Messungen S1 und cos
2.) Tragen Sie U20 und cos 0 als Funktion von U10 und I1K und cos K als Funktion von
I2K jeweils in ein Diagramm ein.
3.) Beziehen Sie alle Sekundärgrößen auf die Primärseite und zeichnen Sie je ein Zeigerdiagramm für den Leerlauf-, den Kurzschluss- und den kapazitiven Belastungsfall.
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