Labor-/Analysentechnik Ein breiter Fächer verschiedener Methoden Feuchtemesstechnik – vom Labor bis in den Prozess Die Materialfeuchtebestimmung gehört zu einer der wichtigsten Prüfungen, die den Herstellprozess begleiten – von der Wareneingangskontrolle über die Verarbeitung bis hin zur Lagerhaltung. Es ist allerdings erforderlich, die spezifischen Eigenheiten jeder Applikation, wie Material, Prozessumgebung, Einbauort, Genauigkeit, Referenzmethode etc., genau zu identifizieren um dafür eine maßgeschneiderte Prozessanalytik zusammen zu stellen. Je nach Bedarf kann der Anwender hierzu aus einem breiten Fächer verschiedener Feuchtemessmethoden zur at- und on­ line-Messung auswählen. Immer häufiger werden dabei für die Prozessüberwachung Laborverfahren durch die schnelleren on-/inline Methoden ersetzt. Für die Kalibrierung von Prozessfeuchtemessgeräten werden die absoluten Labormessverfahren aber auch weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Kontakt Sartorius AG Tel.: 0551/308-3593 [email protected] www.sartorius-mechatronics.com Weiteres Thema Analysatoren für den Einsatz in Ex-geschützten Bereichen S. 19 12 • 2008 • 15 Labor-/Analysentechnik ▶▶ Feuchtemesstechnik – vom Labor bis in den Prozess Dr. Christian Grimm, Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Entwicklung Mechatronik Analysentechnik der Sartorius AG Horst Nagel, Produktmanager Feuchte­ messtechnik Mechatronik Labor, Sartorius AG Die Anforderung an die Messtechnik erstreckt sich von der reinen Labormethode, z. B. im QS-Labor, über at-line Lösungen wie im Wareneingang oder im direkten Produktionsumfeld bis hin zur kompletten online bzw. in-line Lösung mit der Möglichkeit zur automatisierten Prozesssteuerung. Spätestens seit der PAT-Richtlinie der FDA nimmt die Bedeutung von online–fähigen Feuchtemessmethoden stetig zu. Angepasst an die individuellen Bedürfnisse des Nutzers gibt es eine umfangreiche Zahl von Verfahren zur Materialfeuchtebestimmung. Leicht transportable Handgeräte, die das Prinzip der Leitfähigkeitsmessung verwenden, liefern einen schnellen Gesamtüberblick. Thermogravimetrische oder (elektro)chemische Analyseverfahren gelten als klassische Labormethode, wohingegen spektroskopische Systeme überwiegend bei der Überwachung von schnell laufenden Produktionsprozessen zum Einsatz kommen. Messtechnisch unterscheidet man alle Feuchtemessverfahren in zwei Gruppen; die direkten und die indirekten Methoden. Dr. Jochen Scholz, Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Entwicklung Mechatronik Analysentechnik der Sartorius AG Methode ist weltweit dass bedeutendste Standard–Messverfahren zur Feuchtebestimmung. Allerdings ist diese Analysetechnik mit 8 – 24 Stunden Dauer sehr zeitaufwendig und deshalb für die Überwachung von Produktionsabläufen nicht mehr geeignet. Schneller als der Trockenschrank arbeiten so genannte Trocknungswaagen, die sich in den letzten Jahren insbesondere auf Grund der erheblich kürzeren Analysezeiten von ca. 5 – 15 Minuten als Alternative etabliert haben. Bei diesen Geräten sind Waage und Heizeinheit zu einem System vereint. Gegenüber dem Konvektionsprinzip des klassischen Trockenschranks erfolgt die Probenerwärmung mit Hilfe von Strahlungsabsorption. Überwiegend kommt als Heizquelle ein Infrarotstrahler zum Einsatz. Einige Hersteller rüsten ihre Modelle aber bereits mit Mikrowellenstrahlern aus und erreichen so Messzeiten von unter 2 Minuten. Im Gegensatz zur Trockenschrank-Methode eignen sich Trocknungswaagen bereits sehr gut für den at-line Einsatz. Wasser oder Gesamtfeuchtegehalt? Abb. 1: Funktionsaufbau einer Trocknungswaage Abb. 2: Ein P2O5 – System in der Anwendung Verwendet man den Begriff „Feuchtegehalt“, ist es erforderlich, das Messverfahren anzugeben, mit dem der bezeichnete Wert ermittelt wurde. Zwar handelt es sich bei den zuvor beschriebenen Verfahren durchweg um absolute Messmethoden, sie sind jedoch nicht selektiv auf Wasser. Durch die Erwärmung können sich auch andere Bestandteile der Probe, wie z. B. Fette, Öle, Aromen oder Lösemittel verflüchtigen. Der durch die Waage bestimmte Masseverlust lässt aber keinen Schluss zu, wie hoch dieser Anteil ist. In diesen Fällen wird deshalb vom Gesamtfeuchtegehalt der Probe gesprochen. Ist ein selektiver Nachweis von Wasser gefordert, kommen andere direkte Methoden zur Anwendung. Das bekannteste unter ihnen ist die coulometrische (Coulomb = elektrische ­Ladung) Karl-Fischer-Titration. Ursprünglich zur Bestimmung von Schwefeldioxid in Wasser eingesetzt, lässt sich dieses Verfahren auch umgekehrt zur Bestimmung von Wasser nutzen. Unter Ver- Direkte Feuchtemessverfahren Bei den direkten Verfahren hängt die Messgröße direkt mit der Feuchte zusammen. Geräte dieser Kategorie erfordern keine ­Kalibrierung. Ein klassischer Vertreter der direkten Verfahren ist die TrockenschrankMethode, auch als Darrofen- oder WägeTrocknungsverfahren bezeichnet. Durch ­Erwärmung mit heißer Luft wird dem Probematerial die Feuchtigkeit entzogen. Mittels einer Vor- und Rückwägung der Probe auf einer externen Analysenwaage erfolgt die Bestimmung des eingetretenen Masseverlustes, welcher dann in Relation zur ursprünglichen Einwaage gebracht und meist in % angegeben wird. Die Trockenschrank- 16 • 12 • 2008 Labor-/Analysentechnik Abb. 3: Fraktionierte Darstellung des Wassergehalts mit der P2O5-Methode Abb. 4: Funktionaler Aufbau der Calciumcarbid - Methode Abb. 5: Prinzip der Messung mit Nah-Infrarot Spektroskopie in diffuser Reflexion Abb. 6: Ein Planarsensor, eingebaut an einer Übergabestelle zweier Förderbänder wendung von Jod, Schwefeldioxyd und der Anlage einer elektrischen Spannung wird in einer methanolischen Lösung eine chemische Reaktion erzeugt. Der dabei verbrauchte elektrische Strom wird quantitativ erfasst. Durch Anwendung des Faradayschen Gesetzes lässt sich die Wassermenge berechnen, die bei dieser Reaktion umgesetzt wurde. Die KF-Titration ist ein hochgenaues Messverfahren was sich auch in seiner häufigen Beschreibung als Referenzverfahren zur Wassergehaltsbestimmung niederschlägt. Die Messzeit liegt, probenabhängig, bei ca. 15 – 30 Minuten stoff und Sauerstoff zerlegt. Wie bei der KF-Titration berechnet sich über das Faradaysche Gesetz aus der Menge an verbrauchtem Strom die Menge an Wasser, die auf der Messzelle mit dem P2O5 reagiert hat. Das Verfahren lässt den Nachweis bis auf wenige ppm (parts per million) zu und erlaubt die Unterscheidung des Wassers in seine Bindungsformen als Oberflächen-, Kapillar- u. Kristallwasser. Neben den coulometrischen Verfahren ist auch der manometrische Nachweis von Wasser mit Hilfe von Calciumcarbid oder Calciumhydrid eine be- Allerdings erfordert es den Umgang mit teils gesundheitsgefährdenden Chemikalien. Als Ersatz für die nass­ chemische Karl-Fischer-Titration bietet sich die ebenfalls ­coulometrisch arbeitende Phosphorpentoxydmethode an. Bei diesem Verfahren wird das Wasser direkt durch Erwärmung aus dem Probenmaterial ausgetrieben und mittels eines trockenen Trägergases zu einer – mit Phosphorpentoxyd (P2O5) beschichteten – Messzelle überführt. Dort reagieren Wasser und P2O5 zu Phosphorsäure. Diese wird mit Hilfe einer elektrischen Spannung wieder in P2O5, Wasser- kannte direkte Methode. Calciumcarbid reagiert mit Wasser unter Freisetzung von Acetylen. Werden Probe und Calciumcarbid in einem Druckbehälter vermischt, lässt sich die chemische Reaktion quantitativ über die entstehende Druckveränderung im Behälter verfolgen und so die Menge an Wasser berechnen, die an der Reaktion beteiligt war. Alle genannten direkten Methoden arbeiten allerdings nur mit relativ geringen Probenmengen von ca. 1 – 200 g, zerstören oder verändern die zu analysierende Probe und benötigen Analysezeiten von mehre- 12 • 2008 • 17 Labor-/Analysentechnik Abb. 7a+b: Anwendungsbeispiele für Planarsensoren Abb. 8: Mikrowellen-Resonanz: Frequenzverschiebung und Dämpfung der ­Resonanzkurve beim Einbringen von feuchtem Messgut ren Minuten bis Stunden. Für eine online–Anwendung sind sie daher nicht verwendbar. Online – Messung liegt im Trend Zur Optimierung der Qualität und der Herstellkosten geht der Trend zur einer kontinuierlichen Überwachung des Produktionsprozesses. Die hohe Messfrequenz liefert repräsentative Messwerte über den ganzen Bereich des Produktaufkommens und nicht nur Stichprobenergebnisse, wie bei den Laborverfahren. Zudem entfällt die manuelle Probenentnahme mit allen damit verbundenen Fehlerquellen. In vielen Fällen dient 18 • 12 • 2008 die online–Überwachung des Feuchtegehalts auch direkt zur unmittelbaren Steuerung des Produktionsablaufs. Aufgrund ihrer Arbeitsweise sind direkte Messverfahren nicht dazu geeignet, diese Aufgabe zu übernehmen. Die Alternative liegt in der Verwendung einer indirekten Feuchtemessmethode. Voraussetzung für deren Einsatz ist allerdings eine Kalibrierung, welche wahlweise mit einer auf Gesamtfeuchte basierenden oder einer wasserselektiven Methode als Referenz durchzuführen ist. Eine recht hohe Verbreitung besitzt die Nah-Infrarot (NIR) Absorptionsspektroskopie. Aufgrund sehr kurzer Messzeiten, deutlich kleiner einer Sekunde, eignet sich ­dieses Verfahren her- vorragend für die online – Messung. Die Bestimmung der Feuchte erfolgt über die chemometrische Auswertung der Spektren und ihrer Referenzwerte über mathematisch-statistische Methoden. Besonders zu beachten ist bei diesem Verfahren allerdings die hohe Sensitivität auf Änderungen in der Produktmatrix, also der Farbe und Struktur der Probe, sowie der Umgebungsbedingungen, wie z. B. der Temperatur, etc. Auf diese Änderungen muss durch eine Erweiterung bzw. Anpassung der Kalibrierung reagiert werden. Vorbehalten war eine solche Kalibrierung bisher meist Experten, die die vorhandenen chemometrischen Methoden und Datenvorbehandlungen richtig anzuwenden wussten, um eine präzise und robuste Kalibrierung erstellen zu können. Die seit kurzem verfügbare Möglichkeit zur automatischen Kalibrierung der Sensorik vereinfacht diese Prozedur jedoch wesentlich und wird so zu einer noch schnelleren Verbreitung dieser Technologie beitragen. Ein Nachteil der NIRSpektroskopie ist allerdings die geringe Eindringtiefe der NIRStrahlung, weshalb sich mit diesem Verfahren nur Schüttgüter mit moderaten Korngrößen auf die Feuchte der sichtbaren Oberfläche hin untersuchen lassen. Will man das Messgut komplett erfassen und es sozusagen durchleuchten, ist langwelligere elektromagnetische Strahlung zu verwenden. Im Frequenzbereich von etwa 2 – 3 GHz können Mikrowellen nichtmetallische Materialien über mehrere Zentimeter durchdringen. Wassermoleküle verändern aufgrund ihrer dielektrischen Eigenschaften das elektromagnetische Feld eines Mikrowellen-Resonators. Auf dieser Feldschwächung und Feldveränderung beruht das Messprinzip des Mikrowellenresonanzverfahrens. Aufgebaut ist ein Mikrowellenresonanzsystem aus drei Komponenten, dem Mikrowellengenerator, dem Sensor und einer Auswerteeinheit. Für die online–Messung kommt häufig ein sogenannter Planarsensor zum Einsatz. Dieser scheibenförmige Sensor kann wahlweise über oder unter einem Förderband, in einer Rutsche oder sogar in eine Silowand eingebaut werden, um den Materialstrom kontinuierlich zu überwachen. Über der Sensorfläche des Planarsensors wird ein schwaches Mikrowellenfeld aufgebaut und permanent die Resonanzfrequenz des Sensor-Systems detektiert. Gelangt das mit Wasser beladene Messgut in dieses Mikrowellenfeld, so wird die Resonanzfrequenz verschoben und ihre Amplitude gedämpft. Unter Verwendung der vorab durchgeführten Kalibrierung errechnet sich aus der gemessenen Dämpfung und Frequenzverschiebung der Wassergehalt des Materials. Die Mikrowellenresonanztech­ nik ist besonders geeignet für schütt- u. rieselfähige Güter, wie Pulver, Granulate oder Pellets. Für stark leitfähige Sub-stanzen lässt sich diese Technologie aufgrund der beschriebenen Arbeitsweise leider nicht einsetzen. Mit einem Messbereich, der sich von 0,1 – ca. 60 % Wasseranteil erstreckt, bietet die Mikro-wellenresonanztechnik dafür aber ein weites Einsatzspektrum. Bei der Wahl für eine maßgeschneiderte Analytik gilt es also die spezifischen Eigenheiten jeder Applikation, wie Material, Prozessumgebung, Einbauort, Genauigkeit, Referenzmethode etc. zu identifizieren und dafür die geeigneten Messtechniken zusammen zu stellen. Egal ob Gesamtfeuchte oder Wasser selektiv, atline oder online / inline, dem Anwender steht heute ein breiter Fächer von Methoden zur Auswahl, mit dem er seine spezifischen Anforderungen erfüllen kann. Kontakt Horst Nagel Sartorius AG Produktmanager Feuchtemesstechnik Tel.: 0551/308-3593 [email protected] www.sartorius-mechatronics.com