Mathematik 1 für Studierende der Biologie Teil III: Differential- und Integralrechnung Christian Leibold 22. Oktober 2014 Differentiation und deren Anwendungen Differenziation Anwendungen der Differentiation Integration Defintion des Integrals Wichtige Integrale Integrations-Techniken Trigonometrische Funktionen und Komplexe Zahlen Trigonometrische Funktionen Komplexe Zahlen Differenziation Die Differentiation entsteht aus einem Grenzprozess der Bestimmung der Steigung eines Graphen. Da die Steigung eine lokale Eigenschaft ist, ist auch die Differentiation eine lokale Operation. f(x) Annäherung der Tangenten (dicke Linie) durch Sekanten (gepunktete Linie). Die Steigung der Sekanten f (x1 ) − f (x0 ) Δy = Δx x1 − x0 x1 x0 x heißt Differenzenquotient. Mathematisch fassen wir diese Figur nun mittels eines Funktionengrenzwerts zusammen: Definition (Differenzierbarkeit) Sei f : X → IR eine reelle Funktion (X ⊆ IR). f heißt differenzierbar (x0 ) an der Stelle x0 ∈ X , wenn limx→x0 f (x)−f existiert und endlich x−x0 ist. Man schreibt df f (x) − f (x0 ) (x0 ) = lim x→x0 dx x − x0 df (x0 ) als Ableitung oder Differentialquotient von f und bezeichnet dx an der Stelle x0 . Bemerkungen: 1) Oft schreibt man die Definition auch mittels x = x0 + h, d.h., df f (x0 + h) − f (x0 ) (x0 ) = lim h→0 dx h 2) Mehrere Schreibweisen für die Ableitung sind etabliert. Neben d f , gibt es auch noch die der “Operatorschreibweise” dx Kurzschreibweisen f ′ (x0 ) und, falls f eine Funktion der Zeit ist, f˙ (t0 ). Da die Kurzschreibweisen aber missverständlich sein können, benutzt man um sicher zu gehen, wann immer angebracht die d . ausführlichen Schreibweisen dx 3) Da die Ableitung für alle x0 ∈ XD definiert ist, an denen f differenzierbar ist, kann man durch die Abbildungsvorschrift df : XD → IR dx wiederum eine Funktion definieren. Vorsicht: Diese Funktion heißt ebenfalls Ableitung. Aus der Definition der Ableitung lassen sich mittels elementarer (aber teils mühsamer) Überlegungen viele wichtige Konsequenzen herleiten: Rechenregeln Seien f , g : X → IR differenzierbar an der Stelle x0 , f umkehrbar, und a ∈ IR, dann gilt d d (a f ) = a f dx dx d d d (f + g ) = f + g dx dx dx � � � � d d d (f g ) = f g + g f dx dx dx � d� f /g = dx g df dx −f g2 dg dx (Produktregel) (Quotientenregel) Rechenregeln (Fortsetzung) d (f ◦ g )(x0 ) = dx � � d −1 f ◦ f (x0 ) = dx � d f ◦g dx 1 df dx (x0 ) � (x0 ) d g (x0 ) dx (Kettenregel) Beweise: Als Beispiel soll der Beweis der Produktregel und der Ableitung der inversen Funktion angeführt werden. Die Beweise der anderen Regeln sollten dann selbständig zu schaffen sein. Produktregel: Wir beginnen mit dem Differenzenquotienten f (x + h) g (x + h) − f (x) g (x) h f (x + h) g (x + h) − f (x) g (x + h) + f (x) g (x + h) − f (x) g (x) = h f (x + h) g (x + h) − f (x) g (x + h) f (x) g (x + h) − f (x) g (x) + = h h f (x + h) − f (x) g (x + h) − g (x) = g (x + h) + f (x) . h h Existieren die beiden Differenzenquotienten im Limes, so gilt die Produktregel. Ableitung der Umkehrfunktion: Die Umkehrfunktion hat die Eigenschaft f −1 [f (x)] = x. Differenziation und Anwendung der Kettenregel liefern � � d −1 d f [f (x)] f (x) = 1 . dx dx Division durch d dx f (x) führt auf die Behauptung. Überdies sollte man sich auch von der Richtigkeit folgender elementarer Ableitungen überzeugen: Wichtige Ableitungen Sei a, k ∈ IR, k = 0 d a dx d x dx d k x dx d x e dx d ln x dx = 0 = 1 = k x k−1 = ex = 1/x Höhere Ableitungen Ableitungen definieren selbst Funktionen df /dx : XD → IR und können deshalb selbst wieder abgeleitet werden. Wird eine Funktion n-mal abgeleitet, so spricht man von der n-ten Ableitung. Man schreibt: d(n) f dx (n) Beispiel: d (−1) 2 d(2) 1 d(3) = = ln(x) = dx x 2 x3 dx (3) dx (2) x Anwendungen der Differentiation Die Ableitung ist von fundamentaler Bedeutung nicht nur wegen ihrer Rolle in der Mathematik, sondern gerade auch weil sie sich in vielen praktischen Anwendungen bewährt. Einige diesen Anwendungen zugrunde liegende Vorgehensweisen sollen nun vorgestellt werden: A. Suche nach Extremalstellen. An lokalen Maxima und Minima d f = 0. gilt: Die Tangente (dicke Linie) hat Steigung 0. Also dx f(x) 2 d Am Minimum gilt: dx 2f > 0 2 d Am Maximum gilt: dx 2f < 0 x B. Aufstellen der Tangentengleichung. Aus der Definition der Ableitung über einen Grenzwert von Sekanten folgt unmittelbar die Gleichung der Tangente fT an die Funktion f an der Stelle x0 : fT (x) = f (x0 ) + (x − x0 ) d f (x0 ) dx Dies ist die beste lineare Approximation der Funktion f an der Stelle x0 . C. Approximation von Funktionen. Funktionen können nicht nur linear (durch eine Gerade) approximiert werden, sondern beliebig gut durch Polynome höherer Ordnung. Die Figur zeigt eine Approximation (gestrichelte Linie) des natürlichen Logarithmus (durchgezogene Linie) an der Stelle x0 = 1 durch das Polynom (x − 1)2 (x − 1)3 (x − 1)4 + − . ln x ≈ 0 + (x − 1) − 2 3 4 ln(x) 2 2 (x−1) 0 −2 2 2 (x−1) − (x−1) /2 0 1 x 2 3 −2 Approximation 4. Ordnung 0 1 x 2 3 −2 1 x 2 3 Die Koeffizienten der polynomialen Approximation ergeben sich aus dem Satz von Taylor. Satz von Taylor Sei [a, b] ⊆ IR und f : [a, b] → IR unendlich oft differenzierbar. Zusätzlich gebe es zwei reelle Zahlen α, C < ∞, so dass für alle k ∈ IN gilt � � � d(k) f � � � � (k) � ≤ α C k . � dx � Dann gilt ∞ � (x − x0 )k dk f f (x) = k! dx k k=0 Diese Reihe heißt Taylor-Reihe der Funktion f an der Stelle x0 . D. Die l’Hospitalsche Regel liefert eine bequeme Formel zur Berechnung komplizierterer Funktionsgrenzwerte: Seien g , h differenzierbare reelle Funktionen und dh (x0 ) = 0, sowie g (x0 ) = h(x0 ) = 0 oder limx→x0 dx limx→x0 g (x) = limx→x0 h(x) = ∞. Dann gilt g (x) lim = lim x→x0 h(x) x→x0 d dx g (x) d dx h(x) Beweis: 1. Fall: g (x0 ) = h(x0 ) = 0. Nach dem Satz von Taylor gilt für den Quotienten d g (x) + Rest (x − x0 ) dx g (x) = = d h(x) (x − x0 ) dx h(x) + Rest d dx g (x) + d dx h(x) + Rest x−x0 Rest x−x0 Da die Reste im Limes schneller als x − x0 gegen Null konvergieren, ist der Fall 1 bewiesen. . 2. Fall: limx→x0 g (x) = limx→x0 h(x) = ∞. Zunächst stellen wir den Bruch wie folgt um: g (x) = h(x) 1 h(x) 1 g (x) , um festzustellen, dass die beiden Kehrbrüche gegen Null konvergieren. Damit liegt wiederum Fall 1 vor. Die Regel von l’Hospital lautet damit g (x) = lim lim x→x0 x→x0 h(x) 1 h(x) 1 g (x) −g 2 (x) = lim x→x0 −h 2 (x) d dx h(x) d dx g (x) . unter der 2Annahme dass der Grenzwert existiert, teilt man durch (x) und erhält die Aussage. q.e.d. limx→x0 gh2 (x) Integration Wie gesehen kann die Ableitung als neue Funktion interpretiert werden. Die Differentiation ist somit eine Operation, die eine Funktion in eine andere Funktion umwandelt. Gibt es aber auch eine Operation, die die Differentiation umkehrt? D.h. können wir für eine Funktion f eine Funktion F finden, so dass gilt dF /dx = f ? Dazu betrachten wir zunächst die Approximation der Ableitung durch den Differenzenquotienten für kleines Δx: f (x) = d F (x + Δx) − F (x) F (x) ≈ dx Δx Wenn wir nun das Intervall [a, b] ∈ IR in N Teil-Intervalle der Länge Δx = (b − a)/N aufteilen, kann man jedem x den Index n der nächsten Intervallgrenze zuordnen. Damit wird obige Approximation zur rekursiven Definition einer Folge: f (a + n Δx) = F (a + (n + 1) Δx) − F (a + n Δx) Δx Aufgelöst nach F (a + (n + 1) Δx) erhalten wir F (a + (n + 1) Δx) = F (a + n Δx) + Δx f (a + n Δx) . Die explizite Lösung dieser Differenzengleichung lautet F (a + n Δx) = F (a) + Δx n � f (a + n Δx) k=0 Um von dieser diskreten Darstellung wieder zurück zu einer Funktion in IR zu kommen benötigt man einen Grenzprozess, bei dem die Intervallbreite Δx = (b − a)/N immer kleiner, d.h., die Approximation immer genauer wird. Dies erreicht man durch immer größeres N. Das Resultat ist folgende Definition. Definition (Riemann-Integral) Sei [a, x] ein reelles Intervall und Δx = (x − a)/N für N ∈ IN. Eine Funktion f : [a, x] → IR heißt integrierbar auf dem Intervall [a, x], wenn die Folge IN = N � Δx f (Δx n + a) n=0 für N → ∞ konvergiert. IN heißt Riemann-Summe. Der Grenzwert der Riemannsumme � x dξ f (ξ) lim IN = N→∞ a heißt Riemann-Integral von f im Intervall [a, x]. Aus der Konstruktion des Integrals folgt der Hauptsatz der Integral und Differentialrechnung Sei F eine reelle auf dem Intervall [a, x] differenzierbare Funktion d F (x) = f (x), dann gilt mit dx �x a dξ f (ξ) = F (x) − F (a) sowie, nach Differentiation, d dx �x dξ f (ξ) = f (x) . a In Worten: Das Integral der Ableitung ist die ursprüngliche Funktion, sowie die Ableitung des Integrals ist die ursprüngliche Funktion. f(x) Aus der Konstruktion des Integrals über die Riemann-Summe ergibt sich folgende geometrische Interpretation: Δx a x b a x Das Integral misst den gerichteten Flächeninhalt unter dem Graphen einer Funktion. b Eigenschaften des Integrals: �b �b Seien α, β ∈ IR und a dx f (x), a dx g (x) existent, dann gilt � b dx [α f (x) + βg (x)] a � b dx f (x) a � c � b dx f (x) dx f (x) + a �� bb � � � � dx f (x)�� � a = α � b dx f (x) + β a � b dx g (x) a a � dx f (x) = − b � c dx f (x) = a � b dx |f (x)| (Dreiecks − Ungleichung) ≤ a Mittelwertsatz Sei f stetig auf [a, b], dann gibt es ein c ∈ [a, b], so dass 1 f (c) = b−a � b dx f (x) . a Aus der Definition des Integrals folgt auch, � a dx f (x) = 0 a und somit, dass die Veränderung der Funktion an isolierten Punkten nichts am Integral ändert. Punkte sind deshalb sogenannte Nullmengen. Wichtige Integrale Durch Differentiation folgender Integrale: � dx x n � dx x −1 � dx e ax � dx ax � dx ln x überzeugt man sich von der Richtigkeit = x n+1 , n+1 n = −1 = ln |x| = a−1 e ax , a=0 = (ln a)−1 ax , a ∈ IR+ \{1} = x [ln(x) − 1] Integrations-Techniken Die zwei folgenden Rechentechniken sind bei der Integration von fundamentaler Bedeutung. Partielle Integration Seien f und g reelle auf dem Intervall [a, b] integrierbare und differenzierbare Funktionen. Dann gilt �b a d f (x) = f (x) g (x)| ba − dx g (x) dx �b dx f (x) d g (x) dx a Beweis: Die partielle Integration ist eine Konsequenz der Produktregel. Integriert man � � � � d d d (f (x) g (x)) = f (x) g (x) + f (x) g (x) dx dx dx über das Intervall [a, b], so erhält man die Formel der partiellen Integration nach Anwendung des Hauptsatzes der Differential- und Integralrechnung auf die linke Seite. q.e.d. Integrationsparameter-Substitution Seien f und g reelle Funktionen, sowie alle folgenden Integrale existent. Zusätzlich sei f differenzierbar. Dann gilt: �b dx a � f (b) � � d du g (u) f (x) (g ◦ f )(x) = dx f (a) Beweis: Die Substitutionsregel ist eine Konsequenz der Kettenregel. Integriert man � � d d d (G [f (x)]) = G (f (x)) f (x) dx dx dx über das Intervall [a, b], so erhält man die Substitutionsregel für g = dG /dx nach zweimaliger Anwendung des Hauptsatzes der Differential- und Integralrechnung auf die linke Seite. q.e.d. Uneigentliche Integrale Wenn das Integrationsintervall [a, b] eine Stelle c beinhaltet, an der f nicht definiert ist und die Grenzwerte � u � b I1 = lim dx f (x) sowie lim dx f (x) uրc uցc a u existieren, so heißt � b dx f (x) = I1 + I2 a uneigentliches Integral. Insbesondere kann auch a = −∞, b = ∞ oder beides auftreten,�sowie f an mehreren Stellen in [a, b] nicht a definiert sein. Wegen a dx f (x) = 0, kann auch nicht zwischen einem geschlossenen [a, b] und einem offenen Integrationsintervall (a, b) unterschieden werden. Trigonometrische Funktionen Grundwissen: Die Winkelsumme im Dreieck beträgt 180◦ ! Der Satz von Pythagoras besagt, dass für ein rechtwinkliges Dreieck mit Hypothenusenlänge c und Kathetenlängen a und b folgende Gleichheit gilt a2 + b 2 = c 2 . Der Beweis kann geometrisch geführt werden (siehe z.B. folgende Abbildung). Copyright by MathsIsFun.com Die trigonometrischen Funktionen Sinus und Cosinus sind geometrisch über den Einheitskreis definiert: Jeder Punkt auf dem Einheitskreis ist eindeutig durch die Bogenlänge α ∈ [0, 2π) (dicke Linie) bestimmt. Die Umrechnung in kartesische Koordinaten (geα sin α strichelte Linien) definiert die trigonomecos α trischen Funktionen Sinus (sin) und Cosinus (cos). Abgeleitet davon ist der Tangens (tan x = sin x/ cos x). Außerdem gilt cos(x)2 + sin(x)2 = 1 (Pythagoras). Umkehrfunktionen Die Umkehrfunktionen heißen Arcus-Sinus, Arcus-Cosinus und Arc-Tangens arcsin : [−1, 1] → [−π/2, π/2], arccos : [−1, 1] → [0, π], arctan : IR → (−π/2, π/2) 5 3 0 1 0 −1 −1 0 x 1 arctan x 2 arccos x arcsin x 1 −1 −1 0 1 x 2 3 0 −5 −5 0 x 5 gestrichelt: Winkelhalbierende; durchgezogen: Arcus-Funktion; gepunktet: umkehrbarer Ast der ursprünglichen Funktion. Additionstheoreme Copyright by Wolfram MathWorld Aus der Figur lassen sich folgende geometrische Schlüsse ziehen: ◮ a cos(α + β) = sin(α) ◮ tan(α + β) = b/ sin(α) ◮ sin(β)+a cos(α)+b cos(β) = cos(α)+b sin(α + β) = cos(α + β) Löst man diese Gleichungen nach Sinus und Cosinus des Summenwinkels auf, erhält man ◮ cos(α + β) = cos(α) cos(β) − sin(α) sin(β) sin(α + β) = cos(α) sin(β) + sin(α) cos(β) Drehung Die Additionstheoreme entsprechend der Drehung eines Punktes (x, y ) = (cos(β), sin(β)) auf dem Einheitskreis (x 2 + y 2 = 1)um einen Winkel α um den Koordinatenursprung. Diese Drehung führt auf eine Punkt (x ′ , y ′ ) = (cos(α + β), sin(α + β)) auf dem Einheitskreis. Eine allgemeine Drehung erhält man indem man die Additionstheoreme mit einer positiven Zahl r (dem Radius) multipliziert, wobei (x, y ) = r (cos(β), sin(β)) und (x ′ , y ′ ) = r (cos(α + β), sin(α + β)). Dies führt daher zu x ′ = x cos(α) − y sin(α) y ′ = y cos(α) + x sin(α) . Ableitungen Für die Ableitung des Sinus berechnet man den Differenzen Quotienten mittels der Additionstheoreme als sin(x + h) − sin(x) sin(x) [cos(h) − 1] + cos(x) sin(h) = h h Aus geometrischen Überlegungen folgt | tan h| ≥ |h| ≥ | sin h| und damit | cos h/ sin h| ≤ |1/h| ≤ |1/ sin h|, oder | cos h| ≤ | sin h/h| ≤ 1. Damit ist limh→0 sin(h)/h = limh→0 | sin(h)/h| = 1. Für den zweiten Grenzwert gilt cos h − 1 = cos( h2 + h2 ) − 1 = cos( h2 )2 − sin( h2 )2 − 1 = −2 sin( h2 )2 und damit limh→0 [cos(h) − 1]/h = − limh→0 sin( h2 )/(h/2) sin( h2 ) = 0. Zusammen gilt somit d sin(x) = cos(x) . dx Ähnliches gilt auch für die Ableitung des Cosinus und damit: d d 1 cos(x) = − sin(x) , tan(x) = dx dx cos(x)2 Integrale Durch Differenziation der rechten Seiten zeigt man � dx sin(x) = − cos(x) � dx cos(x) = sin(x) � dx tan(x) = − ln | cos(x)| Ableitungen der Umkehrfunktionen Die Regel zur Ableitung der Umkehrfunktion liefert 1 , 1 − x2 −1 √ , 1 − x2 1 1 + x2 d arcsin(x) = dx d arccos(x) = dx d arctan(x) = dx √ x ∈ (−1, 1) x ∈ (−1, 1) Komplexe Zahlen Die Parametrisierung des Einheitskreises über Sinus und Cosinus erlaubt eine effiziente Schreibweise der zwei-dimensionalen Ebene in Polarkoordinaten: (x, y ) = r (cos φ, sin φ) Hier beschreibt r den Radius (Abstand vom Ursprung) eines Punktes und φ den Winkel zwischen dem Vektor (x, y ) und der x-Achse. x r φ y Die beiden Koordinaten-Systeme (kartesisch und polar) eignen sich jeweils besonders gut um bestimmte Transformationen in der zwei-dimensionalen Ebene zu beschreiben. Die kartesischen Koordinaten sind besonders geeignet für Translationen (Verschiebungen), die Polarkoordinaten für Rotationen (Drehungen). Translationen: Gegeben seien 2 Punkte (x, y ) und (x ′ , y ′ ). Demnach gibt es eine eindeutige Translation (tx , ty ), so dass (x ′ , y ′ ) = (tx , ty ) + (x, y ) . Die Addition mit dem Vektor (tx , ty ) beschreibt somit eine Verschiebung. Rotationen: Gegeben seien 2 Punkte (x, y ) und (x ′ , y ′ ) die verschieden vom Ursprung sind. Neben einer Translation kann man sie ebenfalls ineinander überführen mittels einer Kombination aus Streckung(Stauchung) und Drehung. Die Streckung entspricht einer Multiplikation r ′ = ρr r wobei r und r ′ die Radien der jeweiligen Polarkoordinatien sind und ρr > 0 das Längen-Verhältnis beschreibt. Die Kombination aus Streckung und Drehung kann in Polarkoordinaten mittels der nun bekannten Gleichung x ′ = x ρr cos φr − y ρr sin φr y ′ = y ρr cos φr + x ρr sin φr erzielt werden. Die Parameter ρr und φr der Drehstreckung können nun ihrerseits als Polarkoordinaten eines Punktes aufgefasst werden: (xr , yr ) = (ρr cos φr , ρr sin φr ) Damit folgt für die Drehstreckung in kartesischen Koordinaten: x ′ = x xr − y yr y ′ = y xr + x yr Komplexe Zahlen: Zur Vereinfachung der Notation führt man folgende Schreibweise ein: z = x + iy . Damit entspricht die Addition z1 + z2 = (x1 + x2 ) + i (y1 + y2 ) der Translation von z1 um z2 . Bei der Multiplikation erhält man z1 z2 = x1 x2 + i2 y1 y2 + i(x1 y2 + y1 x2 ) . Um dieses Ergebnis als Drehstreckung interpretieren zu können müssen wir dem Ausdruck i2 einen Bedeutung zumessen. Ein Vergleich mit der Drehstreckungsformel liefert Äquivalenz falls i2 = −1. Anschaulich bedeutet dies die Drehung des Punktes (0, 1) ”=” 0 + i 1 um 90◦ ”=” 0 + i 1. Das Resultat dieser Operation erzeugt den Punkt 180◦ ”=” (-1,0) ”=” −1 + i 0. Definitionen: ◮ z̄ = x − i y heißt zu z = x + i y komplex konjugierte Zahl. ◮ Re(z) = x = (z + z̄)/2 heißt Realteil von z = x + i y . ◮ Im(z) = y = (z − z̄)/(2i) heißt Imaginärteil von z = x + i y . � |z| = x 2 + y 2 heißt Absolutbetrag von z und entspricht dem Radius in Polarkoordinaten. ◮ ◮ arg(z) heißt Argument von z und ist definiert als der Winkel zwichen z und x-Achse in Polarkoordinaten. Man kann das Argument über den quadranten-richtigen Arcus-Tangens erhalten. Eulergleichung: Eine Sonderrolle nehmen die kompexen Zahlen auf dem Einheitskreis ein. Sie sind eindeutig durch den Winkel α in Polar-Koordinaten definiert. Wir definieren für sie folgende Abkürzung e(α) = cos α + i sin α . Da Drehungen auf dem Einheitskreis einer Addition der Winkel entsprechen gilt demnach e(α) e(β) = e(α + β) . Dies entspricht der Funktionalgleichung der Exponentialfunktion. Man definiert deshalb exp(i α) = cos α + i sin α und vereerbt damit alle Konsequenzen der Funktionalgleichung auf die Exponentialfunktion mit imaginären Argumenten. Folgerungen: ◮ ◮ Die Polardarstellung der komplexen Zahl z lautet z = |z| e i arg(z) . Das komplex Konjugierte z̄ = |z| e −i arg(z) entspricht einer Drehung mit dem Uhrzeigersinn. d iφ = i ei φ dφ e �∞ k ◮ ei φ = k=0 (iφ) /k! ◮ ln z = ln(|z| e i arg(z) ) = ◮ ◮ ln |z| + i arg(z). Beispiel: ln(−1) = ln 1 + i π = i π. � � √ i arg(z) |z| e = |z| e i arg(z)/2 . Beispiel: √ √z = √ −2 = 2 e iπ/2 = 2 i. Konsequenz: Die Möglichkeit Wurzeln aus negativen Zahlen zu ziehen ist Grundlage des Fundamentalsatzes der Algebra (ohne Beweis): Die Anzahl der Nullstellen eines jeden nicht konstanten komplexen Polynoms von endlichem Grad n ≥ 1 ist gleich dem Grad des Polynoms, falls die Nullstellen mit der richtigen Vielfachheit gezählt werden. In anderen Worten bedeutet das, dass es zu jedem solchen Polynom P(z), n komplexe Zahlen ak , k = 1, ..., n und ein komplexes C gibt, so dass P(z) = C n � k=1 (z − ak ) . Die Zahlen ak müssen dabei nicht notwendigerweise verschieden sein. Beispiel: Nullstellen von z 3 − 1 = 0. In Polarkoordinaten gilt 1 e i 0 = 1 = z 3 = |z|3 e i 3 φ . und damit |z| = 1. Für das Argument φ von z folgt die Bedingung 3φ = 2π k ⇒ φ = 2/3π k wobei k eine beliebige ganze Zahl ist. Wir setzen nun nacheinander k = 0, 1, 2, 3 und erhalten φ0 = 0, φ1 = 2/3π, φ2 = 4/3π und φ3 = 2π. Da e iφ0 = e iφ3 und ebenso alle anderen k ∈ / {0, 1, 2} wegen der Kreissymmetrie keine neuen Lösungen erzeugen, sind damit 3 Nullstellen √ von z 3 − 1 = 0 identifiziert: a0 =√e i0 = 1, a1 = e iφ1 = (−1 + 3 i)/2, und a2 = e iφ2 = (−1 − 3 i)/2.