Die Novemberrevolution, die mit dem Aufstand der

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II. Wandel und Kommunikation des Deutschlandbildes
2. ZENTRALE THEMEN DER BERICHTERSTATTUNG
2.1 NIEDERLAGE UND REVOLUTION:
DIE INFRAGESTELLUNG DES BISHERIGEN DEUTSCHLANDBILDES
Die Novemberrevolution, die mit dem Aufstand der Kieler Matrosen begann
und das Ende des Kaiserreichs bedeutete, und der Waffenstillstand, der die militärische Niederlage Deutschlands besiegelte, hatten dem in der englischen
Propaganda gezeichneten Deutschlandbild die Grundlage entzogen. Zu offensichtlich war nun der Widerspruch zwischen dem propagierten Bild des auf
Welteroberung angelegten militärischen Machtstaats preußischer Prägung und
der Realität eines besiegten, sich revolutionär demokratisierenden Deutschlands, als dass die Presse die sich überstürzenden Ereignisse hätte ignorieren
können.
Die Reaktionen auf die Revolution fielen nach einer anfänglichen Orientierungsphase sehr unterschiedlich aus. Schon die Reformen der neuen Regierung
des Prinzen Max von Baden, mit denen die Reichsverfassung zu einer echten
parlamentarischen Demokratie mit einer nur mehr repräsentativen monarchischen Spitze umgebaut wurde, lösten zwei gegensätzliche Interpretationsmuster aus. Die konservativen, patriotischen Blätter, allen voran die Daily Mail
von Lord Northcliffe, sahen darin ein bloßes Betrugsmanöver. Demnach war
die Demokratisierung nur vorgetäuscht, die an der Regierung beteiligten Sozialdemokraten ein Instrument in den Händen der deutschen Militaristen und
das Angebot eines Waffenstillstands eine gezielte Maßnahme, um für die deutsche Armee an der Westfront eine Atempause zu erreichen.1 Die liberale und
linke Presse dagegen war nach anfänglichem Zögern überzeugt, dass die Veränderungen in Deutschland echt waren und dass eine Zusammenarbeit mit der
neuen Regierung möglich wäre.2 Der Herald beschrieb die Verfassungsänderungen beispielsweise als „wasserdicht“ und der Manchester Guardian betonte,
dass in Deutschland mit einem Schlag eine politische Ordnung erreicht worden
sei, wofür England Jahrhunderte gebraucht habe.3 Beide Zeitungen begannen
angesichts der andauernden Diffamierung Deutschlands als „shamocracy“ in
der konservativen Presse, vor den Gefahren eines zu weit gehenden Wandels zu
warnen, der in einer bolschewistischen Revolution enden könnte. Damit waren
1
2
3
Tatsächlich hatten die Oktoberreformen 1918 zum Ziel, dem Verlangen Präsident Wilsons
nach Bildung einer demokratisch legitimierten Regierung nachzukommen und einen revolutionären Umsturz zu verhindern. Die Mehrheitsparteien im Reichstag waren außerdem
zunächst entschlossen, an der Hohenzollernmonarchie festzuhalten. Vgl. MOMMSEN, Aufstieg und Untergang, S. 35.
Zu diesem Ergebnis kommt auch NEWTON, British Policy, S. 152f.
THE HERALD, 2. November 1918, LA „Germany Democratised“; THE MANCHESTER
GUARDIAN, 4. November 1918, LA „The Kaiser’s Position“.
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2. Zentrale Themen der Berichterstattung
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die argumentativen Fronten bezogen, die in den folgenden Monaten aufrechterhalten und auf andere Fragen ausgedehnt wurden wie z.B. auf die nach der
Gefahr einer Bolschewisierung Deutschlands oder der Nahrungsmittelknappheit.
Geprägt wurde die schon im Oktober 1918 beginnende kontroverse Debatte
um die Entwicklung im Land des Kriegsgegners durch die innenpolitische
Lage in Großbritannien. Da das Parlament seine normale Lebensdauer weit
überschritten hatte, das Wahlrecht ausgeweitet worden war und Lloyd George
mit einem erneuerten Mandat zu den bevorstehenden Friedensverhandlungen
fahren wollte, setzte der Premierminister für den 14. Dezember Neuwahlen
an.4 Die Nachrichten über die Revolution in Deutschland fielen so mitten in
den beginnenden Wahlkampf. Es war unvermeidlich, dass Verlauf und Folgen
der Revolution sowie die Frage nach den Konsequenzen für einen möglichen
Friedensschluss Teil der politischen Auseinandersetzung wurden, zumal insbesondere Northcliffe aus persönlicher und patriotischer Motivation die Gelegenheit nutzte, um mit einer massiven antideutschen Kampagne Themen und
Richtung des politischen Schlagabtausches zu bestimmen.
Zeitgleich mit dem Höhepunkt des Wahlkampfes kamen Anfang Dezember
1918 die ersten englischen Korrespondenten nach Deutschland. Bis dahin
waren die Redaktionen in der Fleet Street auf die telegraphisch verbreiteten
Meldungen deutscher Nachrichtenagenturen wie die von Wolffs Telegraphischem Büro oder auf Veröffentlichungen deutscher Zeitungen angewiesen.
Nun öffneten sich erstmals seit Kriegsausbruch Fenster zum Land des Hauptfeindes, die Berichte aus erster Hand ermöglichten. Die Eindrücke der englischen Reporter, die mit den alliierten Besatzungstruppen ins Rheinland einrückten oder sich von den neutralen Nachbarländern Schweiz und Holland aus
auf den Weg ins Deutsche Reich machten, standen in markantem Widerspruch
zu den Darstellungen der deutschfeindlichen Blätter Northcliffes oder anderer
konservativer Pressekonzerne.
2.1.1 Die Kontroverse um die Revolution:
Genuine Umwälzung oder Täuschungsmanöver?
Die anfängliche Überraschung über den Ausbruch der Revolution in Deutschland spiegelte sich deutlich in den Berichten und Kommentaren der Zeitungen
wider. In keiner der Redaktionen hatten die Leitartikler oder Deutschlandexperten eine Zuspitzung der Situation vorhergesagt, auch wenn in einigen liberalen oder linken Blättern vereinzelt Befürchtungen in diese Richtung geäußert
4
LLOYD GEORGE, Peace Treaties, Bd. 1, S. 158. Die letzte Wahl hatte 1910 stattgefunden. Damals betrug die Dauer einer Legislaturperiode sieben Jahre, war im Rahmen der Wahlrechtsreform 1917 aber auf fünf Jahre verkürzt worden. Siehe auch BEAVERBROOK, Politicians and Press, S. 14–16.
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II. Wandel und Kommunikation des Deutschlandbildes
worden waren. Allgemein herrschte ungeachtet der unter Prinz Max eingeleiteten demokratischen Veränderungen noch das Bild von einem Land mit einer
zementierten politischen und gesellschaftlichen Ordnung vor, dessen Volk
willig seiner Führung folgte. Nachdem die ersten Meldungen über Unruhen in
Kiel in den Redaktionen eintrafen, schrieb etwa der Daily Telegraph:
The situation in Germany defies analysis or even description. […] From some great
centres comes detailed news of the complete break-up of civil order, and the substitution
of anarchy for the most rigid and deep-laid system of disciplined public life to be found
anywhere in the world. […] It is certain that, so soon as the veil through which these
movements are dimly descriped is lifted, a spectacle will be presented such as the wildest
of political prophets never foretold for the German Empire.5
Im Zuge der sich überstürzenden Ereignisse erfolgte eine Differenzierung des
Meinungsbildes. Um die Tragweite des Geschehens besser deuten und einordnen zu können, nahmen die Kommentatoren wiederholt Bezug auf die Geschichte. Im Mittelpunkt stand dabei zunächst der Fall des Hauses Hohenzollern und der anderen deutschen Dynastien, ein Vorgang, der in allen Zeitungen als wahrhaft historisch eingestuft wurde. Einig war man sich auch, dass mit
dem Abgang des Kaisers das System des preußischen Militarismus diskreditiert
war, wie die Times erleichtert feststellte.
The Kaiser is deserted and denounced by the people whose idol he was until disaster
overtook him. All that he taught and all that he embodied is execrated and denounced.
Never has Europe witnessed a ruin so immense and so sudden. […] Germany put her
whole faith in the Realpolitik of the Hohenzollerns, in the policy of mingled cunning,
brute force, and grasping ambition, traditional in that house for hundreds of years; the
policy that seemed to culminate in the triumphs of Bismarck and Moltke. It has broken
in her hand. It has lured her to ruin. ‚Prussian militarism‘ is no more.6
Eine ganz ähnliche Analyse vertrat der Daily Telegraph, der die Verantwortung
für das, was unter Preußens Führung aus Deutschland geworden war, ebenfalls
dem Herrscherhaus zuschrieb. Das Prinzip des Despotismus war demnach in
der Geschichte der Dynastie angelegt. Von Beginn an sei es den preußischen
Königen, allen voran Friedrich dem Großen, nur darum gegangen, ihren Herrschaftsbereich zu erweitern, zum Beispiel mit der Eroberung Schlesiens und
die Teilung Polens im 18. Jahrhundert. Entstanden sei dabei ein von Soldaten
und Bürokraten beherrschter Staat. Höhepunkt in dieser Entwicklung sei die
Einheit Deutschlands gewesen.
5
6
THE DAILY TELEGRAPH, 8. November 1918, LA „The Day of Reckoning“.
THE TIMES, 11. November 1918, LA „The Downfall“. Kursiv im Original. Die Daily Mail
beschäftigten vor allem die Umstände des unrühmlichen Abgangs von Kaiser Wilhelm II.,
der sich heimlich über die Grenze nach Holland „geschlichen“ habe und dort zusammen
mit dem Thronfolger und einem Teil des Generalstabs als Flüchtling untergekommen war.
Eine „schändliche Vorstellung“ und ein Ausweis von Ehrlosigkeit. Der letzte französische
Kaiser Napoleon III. habe bei Sedan wenigstens noch einen Angriff angeführt, bevor er
sich ergab. THE DAILY MAIL, 11. November 1918, LA „Kaiser A Fugitive – The New Contemptibles“.
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2. Zentrale Themen der Berichterstattung
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Prussia attained its apogee when, in 1871, William, the seventh King, took the title of
German Emperor. This was the crowning stroke of Bismarck’s scheeming diplomacy,
which established the rule of Prussia over Austria, and perpetuated the peculiar Prussian
type, as compared with the kindlier nature and more human features of the older Germany.7
Nun, da das Land von seinem militaristischen und autokratischen System mit
dem „Verrückten“ bzw. „Kriminellen“ Wilhelm und seinen „größenwahnsinnigen Ambitionen“ an der Spitze befreit war, hoffte der Telegraph, dass die „vernünftigen Elemente“ eine Chance bekämen.8 Bemerkenswert sind hier die
Anklänge an die Zwei-Deutschland-Theorie. Die Überzeugung, dass es neben
dem autoritären Machtstaat und den ihn tragenden preußischen Junkern noch
ein anderes Deutschland gab, war offensichtlich auch nach über vier Jahren
Krieg und der ihn begleitenden Propaganda nicht verloren gegangen.
Dies zeigte sich auch an dem oft gezogenen Vergleich mit der Revolution
von 1848. Wohl unvermeidlich drängte sich den Deutschlandexperten in der
Fleet Street diese Parallele auf. Je nach politischem Standpunkt kamen sie dabei
allerdings zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Tendenziell optimistisch fiel
das Resümee im Daily Herald aus. So sah Brailsford die Revolutionäre von
1918 an die Ideale der 1848er Revolution von Freiheit und Einheit anknüpfen.
Dass Deutschland ähnlich wie Russland in einem Bürgerkrieg versinken und
möglicherweise auseinanderfallen könnte, diese Gefahr schätzte er vergleichsweise gering ein. Dagegen spräche der Instinkt der Deutschen für Ordnung
und Organisation. Vielmehr werde nun die Einheit des Deutschen Reiches, die
Bismarck auf dynastischer Basis konstruiert habe, durch eine Einheit ersetzt,
die sich auf das Volk als Träger der Souveränität stütze, so wie es die Revolutionäre bereits 1848 angestrebt hatten, aber damit gescheitert waren.9
Eben dieses Scheitern veranlasste die Times zu einer eher pessimistischen
Prognose. Zwar wurde anerkannt, dass die Protagonisten der Revolution von
1918 an die positiven Elemente von 1848 wie der verfassunggebenden Versammlung in der Frankfurter Paulskirche anzuknüpfen versuchten. Gleichzeitig wurde aber darauf hingewiesen, dass das Paulskirchenparlament ein Fiasko
war, an deren Ende die deutsche Einheit begraben wurde und die Reaktion
triumphierte: „thus preparing the way for the other unification of Germany
which Bismarck accomplished through ‚blood and iron‘ with the consequence
that Germany is reaping now in war and defeat at the hands of the whole civilized world.“10 Anerkannt wurde allerdings die Problematik eines solchen Vergleichs, da das Deutschland von 1918 sich erheblich von dem des Jahres 1848
unterschied. Nach Ansicht der Times war jedoch fraglich, ob im Zuge dieses
7
8
9
10
THE DAILY TELEGRAPH, 11. November 1918, LA „End of the Hohenzollerns“.
Ebd.
THE DAILY HERALD, 16. November 1918, LA „The European Revolution“.
THE TIMES, 11. November 1918.
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II. Wandel und Kommunikation des Deutschlandbildes
erneuten revolutionären Experiments tatsächlich eine neue Ordnung aus dem
Chaos entstehen könne. Denn es sei nicht auszumachen, ob die Kräfte der Reaktion wirklich abgedankt hätten oder nur vorübergehend in Deckung gegangen seien und sich am Ende nicht doch – wie schon 1848 – als die Stärkeren erweisen würden.
Diese Blicke in den geschichtlichen Rückspiegel unterstreichen die generelle
Orientierungsfunktion historischer Analogien. Hier halfen sie den Redakteuren, die unübersichtliche Wirklichkeit auf ein überschaubares Maß zu reduzieren sowie ein bestimmtes Bild oder eine bestimmte Botschaft zu transportieren.11 Dass die Vergangenheit tatsächlich nicht nur der Interpretation diente,
sondern auch instrumentalisiert wurde, um Argumente zu untermauern, verdeutlichen die Kommentare der konservativen Zeitungen zu führenden Köpfen
der MSPD. Nachdem Ebert das Amt des Reichskanzlers und den Vorsitz im
Rat der Volksbeauftragten übernommen hatte, stand fest, dass die Mehrheitssozialdemokraten die politisch wichtigste Kraft im revolutionären Deutschland
waren. Aber konnten sie tatsächlich einen Bruch mit dem Kaiserreich bewerkstelligen, und inwiefern repräsentierten sie ein demokratisches Deutschland?
Das waren die Fragen, die im rechten Spektrum der britischen Presse gestellt
wurden.
Die Antworten waren wenig Vertrauen erweckend, wobei als Gradmesser
das Verhalten der SPD während des Krieges diente.12 Am härtesten gingen die
Deutschlandexperten der Daily Mail Frederic William Wile und Charles Tower
mit den sozialdemokratischen Führungsfiguren ins Gericht. Sowohl Ebert wie
Scheidemann hätten das kaiserliche Regime durch „dick und dünn“ unterstützt
und nicht einmal protestiert, als immer neue Kriegsgräuel bekannt wurden.13
„Both served as ‚decoy ducks‘ to deceive people like Mr. Arthur Henderson,
who believed in German Social Democracy.“14 Wile widmete dem Reichskanzler einen eigenen Artikel mit der Überschrift „Fritz Ebert – Germany’s New
Dictator“, in dem er ausführte, dass nichts im Lebenslauf des SPD-Politikers
die Annahme rechtfertigte, unter der roten Flagge sei nun ein Antimilitarist in
11
12
13
14
Der Vergleich gegenwärtigen Geschehens mit Ereignissen in der Vergangenheit ist laut
Gottlieb ein alltäglicher Vorgang. Die Geschichte ist dabei Teil des Voraussetzungssystems, das die Perspektive festlegt, unter der die reale Welt wahrgenommen wird, denn
Menschen werden durch Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bestimmt. „Darum wird
Geschichte auch immer wieder als Argument benutzt, weil man sich mit dem, was einmal
war […] verständlich machen kann: mit Vorliebe im politischen Raum, auf dem Schauplatz der zwischenstaatlichen Ängste oder Konkurrenzsituationen, zur Rechtfertigung
von Krieg und Frieden.“ GOTTLIEB, Macht der Geschichte, S. 75.
Die Führer der MSPD, Ebert und Scheidemann, hatten sich in den Augen der Times mit
ihrer Unterstützung für das Regime Wilhelms II. während des gesamten Krieges kaum als
Revolutionäre, sondern wahrhaftig als „kaiserliche Sozialdemokraten“ erwiesen. THE
TIMES, 11. November 1918.
THE DAILY MAIL, 11. November 1918, LA „Kaiser A Fugitive – The New Contemptibles“.
Ebd.
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2. Zentrale Themen der Berichterstattung
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die Wilhelmstraße eingezogen. Im Gegenteil: Er verkörpere den Geist, mit dem
das deutsche Volk den Krieg akzeptiert habe.15 Als Resümee folgte die Klarstellung, dass auch die neue Regierung nichts an der Kriegsschuld Deutschlands und der Verpflichtung zur Wiedergutmachung änderte. Tower warnte am
Tag darauf, dass die sozialistische Wandlung Deutschlands auch ein großer
„Bluff“ sein könnte.16
Ein differenzierteres Bild zeichnete der Daily Telegraph. Hier wurde Ebert
als ein Vertreter der Sozialdemokratie gewürdigt, der zwar nicht wie Bebel oder
Liebknecht durch seine Persönlichkeit beeindruckte, dafür aber durch ehrliche
und beständige Arbeit bis an die Spitze seiner Partei aufgestiegen war.17 Nach
Ansicht des Telegraph stand die SPD im August 1914 vor einem Dilemma: Hielt
sie an ihrem Pazifismus fest und agitierte gegen den Krieg und die kaiserliche
Führungsriege, lief sie Gefahr, im Falle eines deutschen Sieges marginalisiert zu
werden. Schloss sie sich dem Burgfrieden an, bestand die Chance, ihren Einfluss
sogar noch auszudehnen und bei einer Niederlage das Erbe der dann diskreditierten Regenten anzutreten. Genau das war nun offensichtlich passiert.18
Für die Times wiederum war Ebert die treibende Kraft im Hintergrund, der
die SPD auf Kriegskurs gehalten und sich geweigert hatte, auf dem Treffen der
Sozialistischen Internationale 1917 in Stockholm die Kriegsschuldfrage zu
thematisieren.19 Was den Umgang mit der neuen Führung in Berlin betraf, so
verwies die Times auf deren mangelnde Legitimation. Der Rat der Volksbeauftragten, den die Parteiführungen von MSPD und USPD inzwischen gebildet
hatten, habe sich unter Hinweis auf den Druck der Straße einfach selbst zum
Nachfolger des Kaisers ernannt und könne deshalb nicht im Namen des
gesamten deutschen Volkes sprechen oder handeln. Bevor die Alliierten mit
einem solchen Komitee zusammenarbeiten könnten, müssten erst überzeugende Beweise vorliegen, dass es das Mandat des Volkes habe.20
Die dort bereits durchscheinenden Zweifel, ob die Revolution tatsächlich ein
Umsturz der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in Deutschland bedeutete, verstärkten sich, je mehr Informationen über den Ablauf bekannt wurden. Zwei Wochen nach der Abdankung des Kaisers und der Übertragung des
Reichskanzleramtes auf Ebert zog die Times, basierend auf den Berichten der
deutschen Zeitungen eine Bilanz. Abgesehen von der Meuterei der Matrosen
war die erste Phase der Revolution kurz und ohne Blutvergießen verlaufen. In
der Hauptstadt war die politische und militärische Führungsspitze des Kaiserreichs mehr oder weniger lautlos verschwunden, die Regierungsmaschinerie
15
16
17
18
19
20
Ebd.
Ebd., 12. November 1918.
THE DAILY TELEGRAPH, 11. November 1918, „The New Chancellor – Ebert and His
Party“.
Ebd.
THE TIMES, 11. November 1918, „Kaiserism and After – The New Regime“.
Ebd., 15. November 1918, LA „What is the German Government?“.
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II. Wandel und Kommunikation des Deutschlandbildes
funktionierte allerdings weiter, als wenn nichts passiert wäre. Die Sozialisten
hatten sich verbrüdert und sich neue Titel verliehen, aber „there was no conflict of authorities, no ursupation of real powers, and little or no change in
anybody’s daily life. […] This is not to say that the revolution was a sham. But
it has still to become a reality.”21 Noch skeptischer sah Charles Tower die bisherigen Ergebnisse der Revolution. In der Daily Mail schrieb er am selben Tag,
zuerst hätten Ebert und Scheidemann mit übertriebenen Warnungen vor dem
Bolschewismus versucht, die Unterstützung der Entente zu gewinnen, um ihre
eigene Machtposition zu konsolidieren. Nun warnten sie vor einer bevorstehenden Gegenrevolution.
It is quite obvious that if a Kaiserist counter-revolution is possible, then the original
revolution was only genuine in a few places like Kiel, while for the rest it was not much
better than an elaborate farce tolerated and even assisted by reactionaries as the best way
out of an impossible situation.22
Tower war überzeugt, dass bei einer Verbesserung der allgemeinen Lage die
alten Charakterzüge der Deutschen wieder deutlich hervortreten würden.
Der Manchester Guardian kam in einer detaillierten Analyse der an der
Revolution beteiligten politischen Kräfte und ihrer Ziele zu dem genau entgegengesetzten Schluss. Das liberale Blatt hatte bereits wenige Tage nach dem
9. November vehement der Behauptung widersprochen, dass der Umbruch in
Deutschland nur einer der typischen „teutonischen Tricks“ war. Das Deutsche
Reich sei jetzt vielmehr ein demokratisch verfasster Staat, in dem allerdings die
Gefahr einer Radikalisierung der Linken bestand.23 Mit drei Haupthindernissen habe das „neue“ Deutschland zu kämpfen: der Vormacht Preußens, dem
Fehlen echter demokratischer Strukturen im Kaiserreich sowie dem Wohlstandsgefälle innerhalb der Bevölkerung.24 Die Revolution habe bisher zudem
nur die Throne und die oligarchisch-monarchischen Verfassungen beseitigt.
Ob die Zerstörung weit genug gegangen sei und was wie neu aufgebaut werden
müsse, darüber seien die Revolutionäre uneins.
Sehr treffend beschrieb der Manchester Guardian die Heterogenität der
deutschen Arbeiterbewegung mit der MSPD auf der einen Seite, die ursprünglich auch nach dem Krieg die Zusammenarbeit mit den bürgerlichen Parteien
fortsetzen wollte, deren Pläne aber von der Minderheit der USPD in Kombination mit den spontan gewählten Arbeiter- und Soldatenräten durchkreuzt worden waren. Daraufhin hatten die Führer der MSPD über die kaiserliche Verwaltung und die Ministerien einfach den Rat der Volksbeauftragten gesetzt und
versuchten jetzt, die schnelle Einberufung einer Nationalversammlung durchzusetzen. Die USPD auf der anderen Seite bildete die eigentliche revolutionäre
Kraft, die gegen Kompromisse mit dem bürgerlichen Lager, gegen die Wahl
21
22
23
24
Ebd., 23. November 1918, „The German Revolution – A Retrospect“.
THE DAILY MAIL, 23. November 1918, „Revolution Farce – Suspicious Hun Move“.
THE MANCHESTER GUARDIAN, 12. November 1918, LA „The Great Day“.
Ebd., 26. November 1918, LA „Germany and Bolshevism“.
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2. Zentrale Themen der Berichterstattung
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zu einer Nationalversammlung und für ein konsequentes Vorantreiben der
Revolution mittels der Arbeiter- und Soldatenräte agitierte. Diese Form einer
Sowjetregierung dürfe nicht mit Bolschewismus verwechselt werden. Letzterer
sei die Diktatur des Proletariats, von der alle Klassen bis auf Arbeiter und
Bauern ausgeschlossen seien. Nach Einschätzung des Guardian gab es in
Deutschland zwar auch Bolschewisten, die aber eine verschwindend kleine
Minderheit darstellten. Ob diese Auftrieb bekommen würden, hing wesentlich
von der Politik der Alliierten ab, die jedoch dazu tendierten, nicht zwischen
Sozialismus und Bolschewismus zu unterscheiden, sondern gegenrevolutionäre
Gruppierungen zu unterstützen, wie das liberale Blatt bemängelte.25
Als ein wichtiger Indikator für die tatsächlichen Kräfteverhältnisse zwischen
den die Revolution tragenden Parteien und dem alten militärischen Apparat
dienten den Zeitungen die Reaktionen in den deutschen Städten bei der Rückkehr der Frontsoldaten. Den ersten Berichten zufolge wurden die heimkehrenden Truppen mit den Farben des Kaiserreichs und improvisierten Triumphbögen begrüßt. Doch weder bei den Soldaten, die schweigend durch Köln und
Düsseldorf zogen, noch bei der Bevölkerung, die nicht in Jubel ausbrach, sondern eher teilnahmslos wirkte, kam dabei Begeisterung auf. Nach dem Eindruck des Daily Telegraph war es „eine tragische Heimkehr“.26 Ob dies ein
Zeichen dafür war, dass der alte Geist des Militarismus sich verflüchtigt hatte,
darüber herrschten bei den Kommentatoren allerdings Zweifel. Negativ fiel
insbesondere auf, dass sich die Legende verbreitete, die deutsche Armee sei unbesiegt geblieben, auch wenn der Krieg verloren gegangen war. Der ehemalige
Deutschlandkorrespondent der Daily Mail, Wile, interpretierte die Vorbereitungen zum Empfang der „unbesiegten Helden“ in seiner Kolumne „Germany
Day by Day“ als einen Versuch, die Errungenschaften des Militarismus zu
glorifizieren und so zu konservieren.27 Nach den Beobachtungen der Times
waren sich die meisten Deutschen des Ausmaßes ihrer Niederlage nicht bewusst, sondern es herrschte ein gewisser Stolz, dass die deutsche Armee die
Welt so lange in Atem gehalten hatte. Nirgendwo sei ein Wort des Bedauerns
über die Gräueltaten deutscher Soldaten in Belgien oder den unbeschränkten
U-Bootkrieg zu hören. In diesen Kontext passte die Ansprache Eberts an die
zurückkehrenden Truppen, in der er betonte, dass kein Feind sie überwunden
hätte. Die Times schenkte seiner Rede entsprechend große Aufmerksamkeit.28
25
26
27
28
Ebd. Zur Spaltung der Arbeiterbewegung und den unterschiedlichen Zielen von MSPD,
USPD und Spartakus-Bund vgl. u.a. WIRSCHING, Weimarer Republik, S. 4f.
Vgl. THE TIMES, 2. Dezember 1918. Ebenso THE DAILY TELEGRAPH, 4. Dezember 1918.
THE DAILY MAIL, 9. Dezember 1918. Ebenso der Daily Telegraph, der betonte, dass nur
der Waffenstillstand die deutschen Truppen vor der größten militärischen Katastrophe der
Geschichte bewahrt hatte. THE DAILY TELEGRAPH, 6. Dezember 1918, LA „At The Gate
Of Cologne“.
THE TIMES, 12. Dezember 1918. Vgl. zu dieser Frage grundlegend HEINEMANN, Verdrängte Niederlage. Eine ausführlichere Behandlung dieses Themenkomplexes erfolgt in Teil II,
Kapitel 2.2.2.
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II. Wandel und Kommunikation des Deutschlandbildes
Vom Manchester Guardian wurde Eberts Ausspruch hingegen nicht als Negierung der Niederlage interpretiert, sondern als ein Zeichen der Erleichterung,
dass die militärische Führung sich gegenüber den Revolutionären bisher passiv
verhalten hatte.29 Der Bestand der Regierung Eberts sei damit gesichert, denn
sie könne sich nun sowohl auf den Willen der Mehrheit der Bevölkerung, als
auch auf die Zustimmung der Armee stützen. An deren Empfang in Berlin
konnte der Guardian nichts Glorifizierendes oder Triumphales entdecken, auch
wenn die Hauptstadt mit Flaggen, Blumen und Girlanden geschmückt war.
It was not the triumphal march through the Brandenburger Gate that was the dream of
the War Lord and his myrmidons when they hacked their way through Belgium four
years ago. […] Germany’s sudden collaps at the moment when she thought to crown her
military victories by a supreme triumph and her sudden realisation of the terrible truth
after years of deception and illusion, weigh heavily indeed on every man and woman in
the country.30
Die Millionen von Frontsoldaten, die nun in ihre Heimat zurückkehrten, seien
ein erheblicher Unsicherheitsfaktor. Niemand könne voraussagen, wie sie auf
den Zusammenbruch der Disziplin in den eigenen Reihen sowie auf das Verschwinden der Autorität des Staates und die Lockerung der sozialen und moralischen Zwänge reagieren würden. Dass es bisher nicht zu irgendwelchen politischen „Abenteuern“ durch Teile der Armee gekommen war, erklärte sich für
den Guardian mit der körperlichen Erschöpfung und dem gebrochenen Geist
der Soldaten.31
Für die Daily Mail stand jedoch spätestens mit der Teilnahme von mit den
Insignien des Kaiserreichs dekorierten Offizieren am Kongress der Arbeiterund Soldatenräte fest, dass trotz der nach wie vor unübersichtlichen Situation
das Militär die Fäden in der Hand hielt.32 Ebert und Scheidemann, die Führer
der „zahmen Sozialisten“, die den Krieg befürwortet hatten, wie die Mail bei
jeder Gelegenheit hervorhob, hatten sich der Unterstützung der Armee versichert und sie auch bekommen. Während Ebert öffentlich wie auf dem Rätekongress die Herrschaft der „gepanzerten Faust“ verurteilte, stellte die Mail
fest, „apparently mailed fist, in the form of the Army, still rules in Germany“.33
Der Kongress der Arbeiter- und Soldatenräte vom 16. bis 20. Dezember in
Berlin und die Niederschlagung des Spartakus-Aufstandes in der zweiten Januarwoche wurden von allen Zeitungen als die entscheidenden Wendepunkte
29
30
31
32
33
THE MANCHESTER GUARDIAN, 14. Dezember 1918.
Ebd.
Ebd., 17. Dezember 1918.
THE DAILY MAIL, 18. Dezember 1918.
Ebd. Der Ausdruck „mailed fist“ stammte aus einer Rede Kaiser Wilhelms. Dieser hatte
seinen Bruder 1897 mit der Aufforderung zu einer Expedition nach China verabschiedet,
er möge seine „gepanzerte Faust“ einsetzen, falls jemand seine Mission behindere. Die
englische Presse hatte solche markanten Zitate Wilhelms schon vor dem Krieg mit Vorliebe eingesetzt und meist „noch farbenreich kommentiert“, was den negativen Eindruck
seiner Rhetorik verstärkte. REINERMANN, Kaiser, S. 181 und S. 207–210.
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2. Zentrale Themen der Berichterstattung
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der Revolution angesehen. Hier wurden von den Führern der MSPD mit
Rückendeckung durch die Armee und unter stillschweigender Zustimmung
des bürgerlichen Lagers die Weichen für die künftige politische Ordnung
gestellt. Schon vor dem Zusammentritt des Rätekongresses waren sich einige
englische Kommentatoren sicher, dass sich die moderaten Kräfte durchsetzen
würden. Alexander M. Thompson, der die französischen Truppen bei ihrem
Vormarsch ins Rheinland begleitete, berichtete in der Daily Mail, dass – nachdem die Kriegspartei in Ungnade gefallen war – nun die Bourgeoisie die wichtigste politische Kraft im Land war, die sich darauf vorbereitete, die Kontrolle
zu übernehmen, sobald sich das momentane Chaos gelegt hatte.34 Dies deckte
sich mit Beobachtungen von Charles Tower, der Anfang Dezember von einer
ersten Erkundungstour durch Deutschland zurückkam. In der Times schrieb
Tower, dass die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung der Revolution teilnahmslos gegenüberstand und in ihr lediglich ein Ereignis sah, dass das Land
dem ersehnten Frieden näher brachte.35 Der Manchester Guardian hob hervor,
dass alle bürgerlichen Parteien die ausgerufene Republik entweder wohlwollend oder Zähne knirschend anerkannten, während die MSPD innerhalb des
sozialistischen Lagers klar dominierte und bisher ihr gemäßigtes Programm
umsetzen konnte, ohne dass die bolschewistische Fraktion um Karl Liebknecht
in irgendeiner Form Einfluss nehmen konnte.36
Die Entscheidungen des Rätekongresses, der den Rat der Volksbeauftragten
mit Ebert und Haase an der Spitze bestätigte und den Termin für die Wahlen
zur Nationalversammlung auf den 19. Januar festlegte, waren deshalb keine
große Überraschung. Sie wurden als Konsequenz aus dem bisherigen Verlauf
der Revolution und Konsolidierung der politischen Verhältnisse in Deutschland gewertet. Schon die Zusammensetzung des Kongresses, in dem Unteroffiziere, Handwerksmeister und Gewerkschafter dominierten, war für Morgan
Philips Price ein klares Signal, dass der Umsturz nicht über eine Ablösung der
feudalen Monarchie durch eine bürgerliche Republik hinausging. Im Manchester Guardian schilderte der Korrespondent den wachsenden Erfolg, mit
dem sich die bürgerlichen Parteien gegen einen Umsturz der wirtschaftlichen
und sozialen Verhältnisse wehrten. Schützenhilfe erhielten sie dabei von den
Sozialdemokraten der MSPD, die bei der Lösung der wirtschaftlichen Probleme auf die Beibehaltung der Besitzverhältnisse setzten.37 Alles in allem zog der
Guardian eine positive Bilanz des Treffens der Arbeiter- und Soldatenräte.
34
35
36
37
THE DAILY MAIL, 9. Dezember 1918. „Red Flag Or Spiked Helmet“.
THE TIMES, 2. Dezember 1918. „Scenes In Berlin And Cologne – Indifference To Revolution“. Wegen der engen Zusammenarbeit innerhalb des Northcliffe-Konzerns schrieb
derselbe Reporter mitunter für mehrere Zeitungen, und es erschienen manchmal sogar
Artikel wortgleich in der Times und der Daily Mail.
THE MANCHESTER GUARDIAN, 10. Dezember 1918, LA „In Berlin“.
Ebd., 28. Dezember 1918, „German Revolutionary Parties – Moderates’ And Extremists’
Aims“.
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II. Wandel und Kommunikation des Deutschlandbildes
The Congress on the whole has gone a considerable way towards clearing up the situation in Germany. It has revealed the comparative impotence of the Spartacus extremists
[…]. It has given promise of future stability by deciding on the early election of the
National Assembly. It has sanctioned a Government which undoubtedly is backed by
the bulk of public opinion, and is probably the best able to lift Germany from the
slongh of misery wherein she has been plunged by her own criminal action.38
Ähnlich optimistisch beurteilte die Times die Lage in der deutschen Hauptstadt. Die Situation habe sich eindeutig stabilisiert, Sozialdemokraten und
Armee hätten sich offensichtlich gegen eine sozialistische Diktatur und für einen schnellen Gang an die Wahlurne entschieden. Die Bevölkerung sehne sich
– typisch für den deutschen Charakter – nach einer neuen staatlichen Autorität,
die ihr die wichtigsten Entscheidungen abnehme, und erwarte von der Nationalversammlung einen schnellen Friedensschluss.39 Der Daily Telegraph hob
denn auch die bourgeoisen Züge der Revolution hervor. Leonard Spray, der
von Holland aus die Ereignisse in Deutschland beobachtete, stellte fest, es sei
ein Fehler zu glauben, die Überwindung des kaiserlichen Regimes bedeute
einen kompletten Umsturz der alten sozialen Ordnung. Mit Sozialismus habe
das nichts zu tun. In Wirklichkeit handelte es sich um eine bürgerliche Revolution, denn die bürgerlichen Parteien wie Zentrum und Liberale hätten schon
unter Wilhelm II. eine Demokratisierung angestrebt und unterstützten jetzt
den Rat der Volksbeauftragten um Ebert und Haase. Die Sozialdemokraten der
MSPD selbst seien im Grunde Republikaner und verträten vergleichsweise
konservative Ziele.40 Für die Daily Mail stellte sich deshalb noch dringlicher
als zuvor die Frage, inwiefern die Revolution wirklich eine Revolution war
oder nicht vielmehr eine sorgfältig geplante Reorganisation von oben.
In Germany there is no sign to indicate that the ‚revolution‘ sprang from any passionate
revulsion of popular feeling. It exhibits not the faintest tinge of repentance. On the contrary, the returning army is acclaimed as ‚victorious‘. No general or other officer has
been put on trial. Apparently the Great Staff is still the real ruler of Germany; […] Herr
Ebert […] now tells the soldiers and workers that ‚what had become rotten had been
pulled down with enormous resolutness‘. We may advisedly suspect that ‚what had
become rotten‘ is still being carefully preserved – out of sight and ‚according to plan.‘41
Dass, anders als die Mail glaubte, die Gefahr einer Radikalisierung noch nicht
gebannt war, veranschaulichte der blutige Kampf um das Berliner Stadtschloss
zwischen der Volksmarinedivision und eilig herbeigerufenen regierungstreuen
Truppen an den Weihnachtstagen 1918 sowie der Spartakusaufstand im Januar
1919. Beide Ereignisse trafen die Führer der MSPD völlig unvorbereitet und
Ebert gelang es nur mit Mühe, die Lage in der Hauptstadt wieder unter Kon38
39
40
41
Ebd., 27. Dezember 1918.
THE TIMES, 27. Dezember 1918, LA „The German Government“.
THE DAILY TELEGRAPH, 24. Dezember 1918, „Forces And Aims In The German Revolution“.
THE DAILY MAIL, 18. Dezember 1918, LA „Provisional Germany“.
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2. Zentrale Themen der Berichterstattung
211
trolle zu bringen. Der Preis dafür war allerdings der Bruch mit der USPD, die
ihre Vertreter nach dieser „Blutweihnacht“ aus dem Rat der Volksbeauftragten
zurückzog. Während die Straßenkämpfe um das Schloss noch kein größeres
Echo in den englischen Zeitungen fanden, sondern nur als ein Vorkommnis abgetan wurde, das die allgemeine Situation nicht tangierte,42 zwang der Umsturzversuch der Spartakisten unter der Führung von Karl Liebknecht und
Rosa Luxemburg die Redaktionen in der Fleet Street zu einer genaueren Analyse des Potenzials der Bolschewisten.
Seit dem Ausbruch der Revolution Anfang November hatte die Möglichkeit
einer Bolschewisierung Deutschlands in der Berichterstattung unterschwellig
immer eine Rolle gespielt. Der Grund dafür war die Furcht, dass sich wie in
Russland seit der Oktoberrevolution Gewalt und Chaos auch in Deutschland
ausbreiten könnten. Das Problem dabei: Ohne geordnete, stabile Verhältnisse
im Land des ehemaligen Kriegsgegners „kann es keinen Frieden geben“, wie
der führende Kommentator der Times, John W. Flanagan, herausstrich.43 Trotz
der unterschiedlichen Interpretationen über Genuität und Reichweite des politischen und gesellschaftlichen Wandels in Deutschland wurde deshalb nach anfänglichen Befürchtungen in allen Zeitungen begrüßt, dass die extreme Linke
offenbar keinen entscheidenden Einfluss erringen konnte.44
Der Aufstand der Spartakisten bot nun allerdings den Anlass, erneut Parallelen zur Entwicklung in Russland zu ziehen.45 Philips Price konstatierte bereits
wenige Tage vor dem Aufstand im Manchester Guardian, dass sich ähnlich wie
in Russland im Sommer 1917 in Deutschland ein Klassenbewusstsein ausbilde,
dass sich aus der Angst der bürgerlichen Mittelschicht vor dem Bolschewismus
speiste und zu einer Verhärtung der Fronten zwischen Revolutionären und
Gegenrevolutionären führte.46 Nachdem die Spartakisten losgeschlagen und
zunächst alle großen Zeitungsverlage besetzt hatten, erkannte der Daily Telegraph verblüffende Ähnlichkeiten zwischen den einzelnen Phasen der Revolution in beiden Ländern. Wie in St. Petersburg, so hätten sich auch in Berlin
unter den Revolutionären zunächst drei Richtungen herausgebildet: eine moderate vertreten durch die MSPD, eine sozialistisch-revolutionäre repräsentiert
durch die USPD und eine bolschewistische.47 Sowie die moderaten Kräfte An-
42
43
44
45
46
47
Vgl. z.B. THE TIMES, 27. Dezember 1918, LA „The German Government“.
Ebd., 14. Januar 1919, LA „Steadying Europe“.
Leonard Spray hatte beispielsweise Anfang November im Daily Telegraph gewarnt, dass
der Bolschewismus in Deutschland „is not a mere bogey. But it is a real, menacing
danger.“ THE DAILY TELEGRAPH, 8. November 1918.
Begünstigt wurde eine umfassende Berichterstattung dadurch, dass inzwischen einige englische Korrespondenten in der deutschen Hauptstadt eingetroffen waren. Für die Daily
Mail war F. Sefton Delmer von der Schweiz aus nach Berlin gereist. Die Times hatte den
Schweden Gunnar Cederschiold vor Ort, und für den Manchester Guardian schrieb
Morgan Philips Price einige Reportagen.
THE MANCHESTER GUARDIAN, 31. Dezember 1918.
THE DAILY TELEGRAPH, 9. Januar 1919, LA „The Struggle In Berlin“.
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II. Wandel und Kommunikation des Deutschlandbildes
zeichen erkennen ließen, Ruhe und Ordnung wiederherzustellen, hätten sich
die anderen von ihnen losgesagt und arbeiteten stattdessen auf einen Sturz der
neu gegründeten Republik und die Errichtung der Diktatur des Proletariats hin
– mit den aus Russland bekannten Mitteln von gewalttätigen Massendemonstrationen und der Zensur der Presse. Was kein Wunder sei, da Liebknecht die
russischen Revolutionsexperten Radek und Joffe mit Rat und Tat zur Seite
stünden. Ein entscheidender Unterschied bestand für den Telegraph jedoch
darin, dass Ebert und seine Kollegen sich der bolschewistischen Anarchie entschlossen entgegenstellten und mit Gustav Noske einen erfahrenen und energischen Befehlshaber hatten, dem überdies die Armeeführung unter General
Groener genug zuverlässige Truppen zur Verfügung stellen konnte. Deshalb
stünden die Chancen gut, dass Ebert und die MSPD die Oberhand behielten.48
Nicht ohne Häme erklärte die Daily Mail, es geschehe den Deutschen, die den
Bolschewismus nach Russland exportiert hatten, recht, dass sie nun selbst
Opfer ihrer eigenen ideologischen Waffe geworden waren. Trotz der Unterstützung durch die russischen Emissäre räumte aber auch die Mail den Bolschewisten in Berlin keine großen Erfolgsaussichten ein.49
Die Niederschlagung des Aufstandes zerstreute die Befürchtungen über weitere bolschewistische Coups aber nicht. Zwar wurde das gewaltsame Ende als
ein herber Rückschlag für die Spartakisten bewertet, die mit der Ermordung
Liebknechts und Luxemburgs noch dazu ihre Identifikationsfiguren verloren
hatten.50 Dennoch herrschte auf den Meinungsseiten eine erhebliche Unsicherheit, ob dies das endgültige Aus für den Bolschewismus in Deutschland war.
Mehrere Faktoren ließen die Kommentatoren daran zweifeln. Die Times
verwies auf die allgemein schlechte Versorgungslage und die weit verbreitete
Unzufriedenheit in der Bevölkerung, wodurch nicht auszuschließen sei, dass
die Spartakusbewegung nicht doch noch auf größere Resonanz stieß.51 Der
Manchester Guardian hatte das Taktieren der MSPD gegen die anderen sozialistischen Parteien und ihr Paktieren mit Vertretern der kaiserlichen Autoritäten als Problem ausgemacht. Dadurch hätten die Mehrheitssozialdemokraten
erheblich an moralischer Autorität verloren.
They do not seem to have carried out the programme of the Soviet Congress; their relations with Hindenburg and the Supreme Army Command are obscure and disturbing;
their affiliation with the old discredited bureaucracy puzzle plain men; their forcing
tactics against their opponents have a strong flavour of Prussianism.52
48
49
50
51
52
Ebd.
THE DAILY MAIL, 9. Januar 1919, LA „Berlin Bolsheviks“.
Das politische Wirken der beiden wurde in den Zeitungen ausführlich gewürdigt. Selbst die
Daily Mail erkannte ihre persönliche Courage an, die sie gegen den Krieg der Hohenzollern
hatte protestieren lassen, verurteilte aber ihre politischen Ziele, die wie der Bolschewismus
generell nur auf Zerstörung angelegt waren. THE DAILY MAIL, 18. Januar 1919, „Liebknecht
& ‚Red Rosa‘ – Tiger And Tigress Of Hun Socialism“, sowie LA „The End Of The Tigers“.
THE TIMES, 14. Januar 1919, LA „Steadying Europe“.
THE MANCHESTER GUARDIAN, 9. Januar 1919, LA „The Fighting In Berlin“.
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2. Zentrale Themen der Berichterstattung
213
Der Guardian bezweifelte deshalb, dass die Niederlage der Spartakisten ein
Sieg für die MSPD war.53
Ein weiterer Faktor, der ein Wiederaufleben des Bolschewismus möglicherweise begünstigte, war das Verhalten der alliierten Siegermächte. Im Herald
beklagte Brailsford die nicht gerade euphorische Reaktion in den alliierten Ländern auf die Revolution in Deutschland.54 Die Deutschen hätten sich in gutem
Glauben auf das Wohlwollen der Sieger von ihren Weltmachtträumen und dem
Militarismus verabschiedet. Hohe Reparationsforderungen ohne den gleichzeitigen Zugang zu Rohstoffen und Märkten sowie groß angelegte Gebietsabtretungen könnten jederzeit wieder Proteste und eine Revolte auslösen.55 Der Journalist hatte bereits einen Monat zuvor eindringlich gewarnt, dass im Falle zu harter
Friedensbedingungen entweder eine bolschewistische Revolution drohe oder
sich die Deutschen wieder ihren alten Kriegsherren zuwenden würden.56
Auf letztere Option richtete sich jetzt das Augenmerk der anderen Zeitungen. Dass Ebert und die MSPD den Spartakusaufstand nur mithilfe von neu
aufgestellten Freiwilligenverbänden niederschlagen konnten, weckte die
schlimmsten Befürchtungen. Die Rücksichtslosigkeit, mit der die Freikorps
dabei gegen frühere politische Weggefährten der MSPD vorgegangen waren,
verstärkte die Sorge vor einer Rückkehr der Militaristen zusätzlich. Die auch
nach dem Aufstand anhaltende Rekrutierungswelle für die Freikorps sah für
den Manchester Guardian schon nach einer neuen Mobilisierung aus. Vieles,
von dem man gedacht hatte, es sei bereits überwunden – wie das aggressive
Kaisertum und der Pan-Germanismus – erhebe wieder sein Haupt.57 Im Daily
Telegraph erschien eine ähnliche Reportage, in der nach der Ermordung der
Spartakistenführer auf das drohende Unheil von Rechts hingewiesen wurde,
„which threatens to destroy the fruits of the overthrow of the old régime. After
the collapse of Germany the military were very quiet indeed, but now the officers have become arrogant. They have resumed their old demeanour, and one
would not be surprised if the monocle were to reappear.“58
Insgesamt bot die Berichterstattung über die Novemberrevolution vom Ausbruch bis zur Wahl der Nationalversammlung in den fünf Zeitungen ein sehr
widersprüchliches Bild. Die Ursachen dafür waren vielfältig. Zum einen war
die Lage an sich oft genug sehr unübersichtlich. Zum anderen war die Informationsgewinnung mit großen Schwierigkeiten verbunden. Die Redaktionen in
53
54
55
56
57
58
Denn es sei keineswegs sicher, dass sich das Ausschalten der Spartakisten bei den anstehenden Wahlen zur Nationalversammlung in einer eigenen Mehrheit für die MSPD
auszahlen werde. THE MANCHESTER GUARDIAN, 18. Januar 1919, LA „The Killing Of
Liebknecht“.
THE HERALD, 18. Januar 1919, LA „The German Revolution“.
Ebd.
Ebd., 7. Dezember 1918, LA „The Folly Of Indemnity“.
THE MANCHESTER GUARDIAN, 18. Januar 1919, „Revival Of German Militarism – Officer
Again The Idol Of The Public“.
THE DAILY TELEGRAPH, 20. Januar 1919, „Arrogant Officers“.
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214
II. Wandel und Kommunikation des Deutschlandbildes
London waren zunächst auf deutsche Zeitungen und halbamtliche Verlautbarungen angewiesen. Nur sehr langsam und zunächst auch nur vereinzelt
kamen englische Journalisten oder Reporter anderer Nationalitäten, die für die
englische Presse berichteten, nach Deutschland.
Hinzu kam, dass die politische Prädisposition der jeweiligen Publikation in
nicht unerheblichem Maße auch den Blickwinkel auf die Ereignisse in Deutschland bestimmte. So ist es angesichts der Tatsache, dass der Herald die pazifistischen und internationalistischen Ideen der Arbeiterbewegung vertrat, kaum
überraschend, dass hier die von der deutschen Arbeiterbewegung vorangetriebene Revolution durchweg positiv beurteilt wurde. Das Bild wurde entscheidend geprägt durch die Beiträge des Kolumnisten Henry N. Brailsford, der zum
Teil kritiklos und übertrieben optimistisch von der endgültigen Abkehr der
Deutschen von Monarchie und Militarismus und ihrer überzeugten Hinwendung zur Demokratie schrieb. Der liberale Manchester Guardian unter der Leitung seines Chefredakteurs C.P. Scott begrüßte die Veränderungen in Deutschland ebenfalls, stellte sie aber wesentlich differenzierter dar. Bemängelt wurde
unter anderem, dass die alten Strukturen des Kaiserreichs unangetastet blieben
und dass die MSPD unter Führung Eberts ein Bündnis mit den Militärs einging,
was schließlich zur Spaltung der Arbeiterbewegung führte.59 Ungeachtet dessen
plädierten aber auch der Guardian sowie der Herald dafür, dem „neuen“
Deutschland Vertrauen entgegenzubringen, die dortigen Schwierigkeiten anzuerkennen und alles zu tun, um die demokratischen Kräfte zu stützen.
Die Darstellung der konservativen Zeitungen durchzog auch nach dem
Abschluss des Waffenstillstands das Misstrauen, das von der Propaganda in
England geschürt worden war. In den Berichten und Kommentaren dieser Publikationen bezweifelte man grundsätzlich, dass die Revolution ein genuiner
Umsturz war und sich die Einstellung der deutschen Bevölkerung gewandelt
hatte.60 Dahinter stand die Befürchtung, dass Deutschland als Hauptschuldiger
59
60
Der Rat der Volksbeauftragten etwa war in der Einschätzung des Guardian nur ein Dachgeschoss, das auf das alte Gebäude gesetzt worden war, dem lediglich ein neuer Anstrich
verpasst worden war. THE MANCHESTER GUARDIAN, 26. November 1918, LA „Germany
And Bolshevism“.
Der Daily Telegraph war in diesem Punkt nicht ganz so dogmatisch, vermisste aber auch
die Zeichen eines echten Neuanfangs. „Germany is adrift, and, for the present at any rate,
revolution is mainly a negation. There is a strange, depressing emptiness about the whole
thing; it is astonishingly dull, it lacks the picturesque element. One searches in vain for a
great leader, for an inspiring idea. Social democrats, who are now on top, have no refreshing original ideas, no vigour of moral leadership. Most of them are busily explaining away
their own obsolete Marxian doctrines and heavily drawing a veil over the shame of the
catastrophe. […] The idea that revolution was nothing but a manoeuvre to make peace is
wrong. Such political motives as actuated those Germans who concluded the armistice may
have been of very various quality, but as an outward and physical sign the revolution is
really there, and potentially it has been there for months past. It is collapse, it is breakdown, it is in itself defeat; and that is its primary character. Whether it is later to become a
moral regenerating force remains to be seen.“ THE DAILY TELEGRAPH, 2. Dezember 1918.
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2. Zentrale Themen der Berichterstattung
215
für den Ausbruch des Krieges und die damit verbundenen Verbrechen nach
einer schmerzlosen Trennung von den Symbolfiguren des Kaiserreichs mit
einem milden Frieden davonkommen könnte. Deshalb erinnerten der Daily
Telegraph, die Times und vor allem die Daily Mail immer wieder daran, dass
die Sozialdemokraten den Krieg unterstützt hatten und dass sie auch jetzt
weiter mit den kaiserlichen Militärs zusammenarbeiteten, die die eigentlichen
Machthaber waren. Deshalb stuften sie die Bolschewismusgefahr als bloßes
Schreckgespenst ein, mit dem Ebert und Scheidemann die Alliierten verunsichern wollten, und betonten, dass alle Deutschen eine Mitschuld traf, denn
solange der Kaiser und seine Generäle erfolgreich waren, hatten sie sie ja verehrt und waren ihnen willig gefolgt.61 Außerdem weigerten sie sich offenkundig, die Niederlage und ihre Schuld anzuerkennen.62 Dass dahinter bei der
Times und der Daily Mail System steckte, wird bei einem genaueren Blick auf
die Berichterstattung der Blätter Northcliffes zwischen der Auflösung des
Unterhauses Mitte November 1918 und der Neuwahl Mitte Dezember deutlich.
2.1.2 „Hang the Kaiser!“
Die Northcliffe-Presse und Deutschland im Wahlkampf 1918
Ein wichtiger Beweggrund Northcliffes für die Kampagne, die seine Zeitungen
Ende 1918 gegen Deutschland initiierten, lag in der dramatischen Verschlechterung seiner Beziehung zu Premierminister Lloyd George, die wiederum auf
das Rollenverständnis des Pressebarons zurückzuführen war. Ganz unbestritten hatte Northcliffe durch die Unterstützung, die seine Zeitungen Lloyd
George und dessen Kriegskabinett seit 1916 zuteil werden ließen, sowie durch
seine erfolgreiche Arbeit als Leiter der British War Mission in Amerika und an
der Spitze des Department of Propaganda in Enemy Countries seinen Teil zum
Sieg der Alliierten beigetragen.63 Er selbst neigte jedoch dazu, seinen Anteil am
Erfolg und seinen Einfluss zu überschätzen. „He had become increasingly convinced that his support was indispensible to the existence of any government,
and more particularly, that he was entitled to settle the terms of peace and postwar domestic policy.“64 Dieser Anspruch führte ihn nun in einen direkten
Konflikt mit dem Premierminister.
Bei einem Treffen der beiden Anfang Oktober eröffnete Northcliffe Lloyd
George, dass seine Zeitungen nur dann für eine Wiederwahl des Walisers
werben würden, wenn der Premier ihm zuvor eine Liste der künftigen Kabi-
61
62
63
64
So zum Beispiel die Times: „They were in fact accomplices in the crimes of ‚militarism‘ and
they were its accomplice because they approved its ends and had no remorse as to the use
of its most inhuman means.“ THE TIMES, 20. Dezember 1918, LA „Germany In Defeat“.
Ebd.
Wie Lloyd George später anerkennend zugestand, der von einem „entscheidenden Beitrag
zum Sieg“ sprach. LLOYD GEORGE, Peace Treaties, Bd. 1, S. 558.
AMERY, Political Life, Bd. 2, S. 180.
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II. Wandel und Kommunikation des Deutschlandbildes
nettsmitglieder zukommen ließe.65 Das Ansinnen Northcliffes kam einem Erpressungsversuch gleich und wurde von Lloyd George entsprechend brüsk
zurückgewiesen.66 Ein weiterer, allerdings unter den Beteiligten umstrittener
Vorfall, bedeutete den endgültigen Bruch zwischen dem Pressezaren und dem
Premierminister. Angeblich verlangte Northcliffe Anfang November, als offizielles Mitglied der britischen Delegation zu den Friedensverhandlungen zu
fahren.67 Auch darauf ließ sich der Premier nicht ein, was nach seiner Erinnerung bei Northcliffe Erstaunen und Verärgerung zur Folge hatte.68
Feststeht, dass Northcliffe sich schon im Sommer Gedanken über einen
möglichen Friedensvertrag mit dem Deutschen Reich gemacht und mit der
Frage beschäftigt hatte, wie man mithilfe seiner Propagandaabteilung für die
Friedensbedingungen werben könnte.69 Der britischen Regierung hatte er
sich für den Zeitraum der Friedensverhandlungen und des Wiederaufbaus als
Berater und Leiter der Propaganda angeboten.70 Nach der Zurückweisung
durch Lloyd George trat Northcliffe, wie schon an anderer Stelle erwähnt,
am 12. November vorzeitig von diesem Posten zurück und begann, mit der
geballten Macht seiner Presseorgane öffentlichen Druck zu erzeugen, um
65
66
67
68
69
70
History of the Times, Bd. 4, S. 369–371. Dieser Forderung Northcliffes lag seine Furcht zu
Grunde, in Großbritannien drohe eine Revolution, deren Ausbruch nur mit sozialen Reformen sowie einem vorteilhaften Frieden mit Deutschland verhindert werden könnte.
Lloyd George aber war nach Überzeugung Northcliffes an die „Junker of the Tory ‚old
gang‘ party“ gekettet, die der Umsetzung eines Reformprogramms im Wege standen.
Tagebucheintrag von Cecil Harmsworth vom 30. November 1918. Zit. nach POUND und
HARMSWORTH, Northcliffe, S. 676f. In einem Brief an Dawson warnte Northcliffe, dass
Lloyd George aller Wahrscheinlichkeit nach „reaktionäre Minister“ in sein Kabinett berufen werde, „who will not allow Ll. G. to carry out such reforms as will prevent revolution.“ Northcliffe an Dawson, 1. Dezember 1918, Dawson Papers, Correspondence with
Northcliffe, TNL Archive, GGD/1.
History of the Times, Bd. 4, S. 384f.
So Lloyd George gegenüber Lord Riddell. RIDDELL, Intimate Diary, Eintrag vom 30. November 1918. Vertraute Northcliffes wie Wickham Steed bestritten später, dass er wirklich
direkt an den Friedensverhandlungen beteiligt werden wollte. Es existiert auch kein
schriftlicher Beleg für seine Forderung. Vgl. POUND und HARMSWORTH, Northcliffe,
S. 682. Andere in Northcliffes Umgebung waren dagegen überzeugt, dass hier der Grund
für das Zerwürfnis der beiden lag. Vgl. z.B. Dawson Papers, Account of Dawson’s reasons
for resigning from the Editorship [1919], TNL Archive, GGD/3. Ebenso FYFE, Northcliffe, S. 258. Cecil Harmsworth glaubte, sein Bruder wollte nur in die Verhandlungen einbezogen werden. Eine offizielle Funktion habe für ihn eine untergeordnete Rolle gespielt.
Aber auch dazu war Lloyd George nicht bereit. POUND und HARMSWORTH, Northcliffe,
S. 682. Der Premierminister blieb auch später bei seiner Darstellung. LLOYD GEORGE,
Memoirs, Bd. 1, S. 175–177.
LLOYD GEORGE, Peace Treaties, Bd. 1, S. 558. Nach der Version, die Lloyd George einem
seiner konservativen Koalitionspartner Sir Edward Carson zum Besten gab, verabschiedete der Premier Northcliffe mit den Worten er könne „zur Hölle gehen“. So jedenfalls erzählte es Carson seinem Parteifreund Leo Amery. AMERY, Political Life, S. 180f.
STEED, Thirty Years, Bd. 2, S. 223 und History of the Times, Bd. 4, S. 384f.
History of the Times, ebd. Vgl. auch NEWTON, British Policy, S. 273.
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2. Zentrale Themen der Berichterstattung
217
so die Politik auf seine Eckpunkte eines Friedens mit Deutschland festzulegen.71
Im Mittelpunkt der Kampagne seiner Publikationen standen drei Themen,
die vor allem die Schlagzeilen der Daily Mail beherrschten: die Bestrafung des
Kaisers, die Ausweisung noch in England lebender Deutscher sowie die Forderung nach Reparationen. Dass zumindest die letzten beiden Punkte Northcliffe
schon seit längerer Zeit beschäftigten, belegen ein Schreiben an Dawson aus
dem Sommer 1918 und ein öffentlicher Auftritt des Pressezaren im Herbst.
Vom Chefredakteur der Times verlangte Northcliffe im Juli einen deutlichen
Artikel, der die Nachlässigkeit anprangerte, mit der die Regierung die in England internierten Deutschen behandelte.72 Bei einem Besuch in Schottland im
September forderte er von Preußen-Deutschland Wiedergutmachung für alle
Kriegsschäden und zwar „town for town, village for village, ship for ship, jewel
for jewel, picture for picture, dollar for dollar […] she must pay full compensation for all she has […] stolen, sacked and burnt“.73
Während Anfang November bei den Regierungsparteien noch die Abstimmung über die Themen lief, mit denen der Wahlkampf bestritten werden sollte,
eröffnete die Daily Mail ganz im Sinne Northcliffes ihre Kampagne mit dem Ruf
nach voller Kompensation für alle, „who have suffered loss at the hands of the
enemy, whether in this or any other country, or whether by land, sea, or from the
air. That is the merest ABC of ‚reparation‘, and it is a lesson the Germans must
get by heart.”74 Ohne Rücksicht auf die politische und wirtschaftliche Situation
in Deutschland folgten in regelmäßigen Abständen weitere Artikel, in denen diese Forderung erneuert wurde.75 Gleichzeitig griff die Mail begierig alle Informationen auf, die die Schuld Wilhelms II. am Kriegsausbruch sowie sein Wissen und
seine Mitverantwortung für deutsche Kriegsverbrechen zu belegen schienen.76
71
72
73
74
75
76
Zwei Tage später schrieb Northcliffe an Dawson, er habe Lloyd George mitgeteilt, dass er
ihn nicht länger unterstützen könne. NEWTON, British Policy, S. 274. Zum Rücktritt
Northcliffes vgl. auch Teil II, Kapitel 1.4.1.
Schreiben Northcliffes an Dawson, 5. Juli 1918, BL, NADM 62245.
Zit. nach THOMPSON, Northcliffe, S. 307.
THE DAILY MAIL, 9. November 1918, LA „72 Hours – Germany Crashing Meantime“.
Ebd., 13. und 29. November 1918.
Vgl. z.B. ebd., 11. November 1918, „The Arch-Criminal“. Nach diesem Artikel plante
Wilhelm bereits weit vor der Julikrise den Krieg gegen Frankreich, wie seine Bemerkung
zum belgischen König Albert im November 1913 bewies, wonach ein solcher Krieg unvermeidlich sei. Für die deutsche Führung sei außerdem schon Anfang Juli 1914 der Krieg
beschlossene Sache gewesen und nach der Invasion Belgiens habe Wilhelm angeblich die
Order gegeben, keine Gefangenen zu machen. Tatsächlich erteilte der Kaiser bei einer
Unterredung mit dem Botschafter Österreich-Ungarns am 5. Juli den so genannten Blankoscheck, in dem er versprach, Deutschland werde „in gewohnter Bundestreue“ an der Seite
der Donaumonarchie stehen. Weil es Befürchtungen gab, Wilhelm könnte im Verlauf der
Krise „umfallen“, drängte ihn u.a. Reichskanzler Bethmann Hollweg, wie gewohnt nach
Norwegen in den Urlaub zu fahren. Unterdessen liefen in Berlin die politischen und militärischen Vorbereitungen für den Krieg an. Vgl. REINERMANN, Kaiser, S. 416f. Siehe auch
Botschafter Szögyéy, Berlin, an Berchtold, 5. Juli 1914, in: HÖLZLE (Hrsg.), Quellen, S. 307f.
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II. Wandel und Kommunikation des Deutschlandbildes
Als ein wichtiger Beweis galten der Mail die Dokumente, die der bayerische
Ministerpräsident Kurt Eisner in München publizieren ließ und aus denen hervorging, dass die kaiserliche Regierung ihren Verbündeten Österreich-Ungarn
in der Julikrise 1914 bestärkt hatte, die günstige Situation auszunutzen, auch
wenn das Krieg bedeutete.77 Von der britischen Regierung erwartete die Mail,
sich um eine Auslieferung des Kaisers zu bemühen, der inzwischen in Holland
im Exil lebte.78 Die Frage, was mit den in England verbliebenen „Hunnen“ geschehen sollte, stilisierte die Mail schließlich zu einem Test für Lloyd George
hoch.79 Die Ausweisung dieser so genannten „enemy aliens“ war für den Premier bisher nebensächlich. In der Bevölkerung erhitze dieses Thema aber die
Gemüter, hielt die Mail dagegen und druckte als Beleg unter der Überschrift
„Keep out the Huns“ eine ganze Reihe von Leserbriefen ab.80
Ergänzt wurde diese antideutsche Grundmelodie durch Berichte über die
Brutalität, mit der englische Kriegsgefangene behandelt wurden, die halb verhungert aus den deutschen Lagern entlassen wurden und sich in Eiseskälte zu
Fuß zu den alliierten Linien durchschlagen mussten,81 sowie über den nach wie
vor verbreiteten England-Hass. Nach der Überzeugung von Charles Tower
war es egal, welche Partei künftig in Deutschland den Ton angab: „whatever
party wins in Germany will be an anti-English Party, for hatred of England is
universal, […] the Germans will neither forgive nor forget. […] They have been
beaten by England, and they will live and die to smash England. England has
never had a deadlier enemy than the new Germany.“82 Hinzu kamen offene
Zweifel an der Nahrungsmittelknappheit in Deutschland. Die Appelle von
deutscher Seite an die Alliierten, die Blockade aufzuheben, da die Lage sich
täglich verschlechterte, wurden als „Gejammer“ abgetan.83 Erste Berichte di77
78
79
80
81
82
83
THE DAILY MAIL, 25. November 1918, „Ex-Kaiser’s Guilt – Bavarian Indictment“. Die
Dokumente, die Eisner veröffentlichen ließ, waren allerdings an wichtigen Stellen so bearbeitet, dass sie „in der Tat eine dezidierte Kriegsentfesselungspolitik der kaiserlichen Regierung glaubhaft machten – wenn man, wie Eisner es tat – alles aus den Dokumenten
kurzerhand herauskürzte, was dem entgegenstand.“ KRUMEICH, Versailles, S. 53–64. Hier
S. 56f.
THE DAILY MAIL, 25. November 1918, „Ex-Kaiser’s Extradition“.
Ebd., LA „Test for the Prime Minister“.
Ebd.
U.a. ebd., 20. November 1918, LA „The Prisoner’s Agony“. Zweifellos litten viele britische
Kriegsgefangene, deren Entlassung in den ersten Tagen der Revolution ungeordnet und
teils chaotisch vonstatten ging, echte Not. Das Kriegskabinett warnte daraufhin die deutsche Regierung vor einer Misshandlung der Gefangenen. Allerdings mussten die Kabinettsmitglieder anerkennen, dass die generell schlechte Versorgungslage mit Nahrungsmitteln in Deutschland ursächlich für das Problem war. Vgl. NEWTON, British Policy, S. 276,
Fn. 80.
Der Artikel Towers stützte sich allerdings nach seinen eigenen Angaben lediglich auf die
Gespräche eines Mail-Korrespondenten mit einem deutschen Bankier und einer Kellnerin.
THE DAILY MAIL, 23. November 1918, „Germany Sworn To Revenge – Hatred Of England“.
Ebd., 21. November 1918, LA „An Appeal To Our Softies“.
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2. Zentrale Themen der Berichterstattung
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rekt aus Deutschland wie die von Sefton Delmer schienen den Verdacht zu bestätigen, dass es sich auch dabei um ein Täuschungsmanöver der Deutschen
handelte, um die Siegermächte milde zu stimmen.84 Die Times befasste sich
ebenfalls mit diesem Thema und konnte sich die Hilferufe ebenfalls nur mit der
den Deutschen eigenen Arroganz oder deren Hoffnung erklären, den Gegner
täuschen zu können. Ein Ende der Blockade käme jedenfalls vor dem Abschluss eines Friedensvertrags nicht in Frage, da sich die Alliierten sonst ihres
wirksamsten Druckmittels berauben würden.85
Im Gegensatz zur Daily Mail spielten die drei Parolen Northcliffes in der
Times während der ersten beiden Wochen des Wahlkampfs zunächst keine prominente Rolle. Dawson passte die innenpolitische Stoßrichtung der Kampagne
nicht, die auf eine Regierung zielte, deren Wiederwahl er für richtig hielt und in
der eine Reihe von persönlichen Freunden des Chefredakteurs saßen,86 und er
zweifelte am Sinn und an der Durchführbarkeit der drei Kernforderungen wie
etwa der Aburteilung Wilhems II. durch ein alliiertes Tribunal. Für ihn war
vor allem wichtig, dass aus dem Ex-Kaiser kein Märtyrer gemacht wurde.87
Mit seiner Zurückhaltung in diesen Fragen zog er allerdings den Zorn Northcliffes auf sich, der in einer Art Mängelliste Ende November die Versäumnisse
der Times detailliert aufführte und von Dawson verlangte, endlich die Themen
zu behandeln, die in seinen Augen praktisch in jedem Wahlkreis die Auseinandersetzung der Kandidaten beherrschten: „Indemnity, Kaiser and Expulsion of Huns“.88 Northcliffe beklagte, dass die Times hier hinter seinen
anderen Zeitungen „hinterherhinkte“ und sie weit von einer Meinungsführerschaft entfernt war.89 Die Beschwerde blieb offenbar nicht ohne Wirkung. In
der darauf folgenden Woche erschien zunächst ein Kommentar, in dem die
britische Regierung aufgefordert wurde, den Deutschen die gesamte Rechnung
der Kriegskosten zu präsentieren.90 Nur zwei Tage später warnte Dawson
selbst in einem Leitartikel mit der Überschrift „Making Germany Pay“ davor,
Deutschland zu leicht davonkommen zu lassen.91 Außerdem erschienen vermehrt Berichte über Wahlversammlungen, die beherrscht wurden von Fragen
84
85
86
87
88
89
90
91
Ebd., 23. November 1918, „Cable From Bavaria – Plenty Of Food And Cheap“.
THE TIMES, 28 November 1918, LA „Abolish The Blockade?“. Das Schicksal der britischen Kriegsgefangenen wurde ebenso ausführlich wie in der Daily Mail behandelt. Vgl.
THE TIMES, 19. November 1918, „Starving British Prisoners – Hunger March From Germany“, sowie 21. November 1918, LA „Prisoners: A Last Horror“.
Wie z.B. Milner und Kerr. History of the Times, Bd. 4., S. 449.
In einem Brief an Lord Halifax trat Dawson zwar auch dafür ein, den Kaiser aus Holland
herauszuholen, da er von dort aus weiter für Unruhe sorgen könnte, plädierte aber dafür,
ihn nach Deutschland zurückzuschicken. Dawson an Lord Halifax, 7. Dezember 1918,
Dawson Papers, General Correspondence, BLO, MS Dawson 67.
Northcliffe an Dawson, 30. November 1918, BL, NADM 62245.
„Its leading articles on the Election are very little quoted.“ hatte er festgestellt. Ebd.
THE TIMES, 7. Dezember 1918, LA „What Is The Whole Bill?“.
Ebd., 9. Dezember 1918.
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220
II. Wandel und Kommunikation des Deutschlandbildes
nach dem Kaiser, der Kriegsentschädigung und der Repatriierung der „Hunnen“.92
In der Redaktion der Daily Mail war die Kampagne Northcliffes dagegen
unumstritten. Chefredakteur Thomas Marlowe war davon überzeugt, dass die
Forderung nach harten Friedensbedingungen genau die Stimmung in der Bevölkerung traf, wie aus einem Brief an Northcliffe deutlich wird.
Lloyd George is under suspicion of forgiving the Germans + forgetting the war too
quickly. He is acting on the belief that Englishmen like to shake hands after a fight: So
they do, but not this time. They don’t regard the Hun as a clean fighter and they don’t
want to shake hands with him. […] I am glad you insist on keeping out the Huns + hope
you will ram this ‚stunt‘ down the Prime Minister’s throat.93
Die Stimmungsmache in der Northcliffe-Presse, der sich andere Zeitungen des
konservativ-patriotischen Spektrums anschlossen,94 verfehlte ihre Wirkung auf
die Vertreter der Koalitionsregierung nicht. Ursprünglich sollte die Außenpolitik weder in der Wahlkampfkonzeption der konservativen noch in der der liberalen Partei von Lloyd George eine zentrale Rolle spielen. Im Mittelpunkt des
gemeinsamen Manifests, das am 22. November 1918 vorgestellt wurde, stand
vielmehr ein innenpolitisches Reformprogramm, das unter anderem die Verteilung von Land an heimkehrende Soldaten, eine Ausweitung des Wohnungsbaus, die Ankurbelung der Produktion und die rechtliche Gleichstellung von
Mann und Frau versprach. Die außenpolitischen Punkte sahen den Abschluss
eines gerechten und dauerhaften Friedens sowie die Gründung eines Völkerbundes vor.95 Bei ihren Auftritten in den Wahlkreisen mussten die Vertreter
der Koalition aber bald erkennen, dass die Bürger ganz andere Fragen bewegten. So stellte Leo Amery in Birmingham fest: „The great British people are not
in the least interested in Social Reform or Reconstruction, but only in making
the Germans pay for the war and punishing the Kaiser.“96
92
93
94
95
96
Vgl. z.B. THE TIMES, 2. und 3. Dezember 1918. Die Times gab aber auch kritischen Stimmen Raum. In der Leserbriefspalte kam etwa Francis C. Montague, der Bruder des stellvertretenden Chefredakteurs des Manchester Guardian, Charles E. Montague, zu Wort:
„You cannot destroy Germany; you cannot prevent the Germans from remaining a powerful nation; you cannot hinder many, perhaps most, Germans from cherishing monarchical opinions; you cannot force Germans to think as you do about the responsibility of
the recent war. But you can help the Germans to close their ranks; you can give tenfold vigour to German monarchical sentiment; you can throw a halo round the fallen House of
Hohenzollern; you can provide a martyr and a legend to deepen and immortalise that passion for revenge which the Germans like every other vanquished people must be supposed
to feel.” Ebd., 3. Dezember 1918.
Marlowe an Northcliffe, 27. November 1918, BL, NADM 62199.
So das Ergebnis der Presseauswertung von NEWTON, British Policy, S. 275. Ebenso GEBELE, Krieg und Frieden, S. 256.
Vgl. GEBELE, ebd., S. 252.
Amery an seine Frau, 26. November 1918, abgedruckt in: BARNES und NICHOLSON, Amery Diaries, Bd. 1, S. 246.
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2. Zentrale Themen der Berichterstattung
221
Als abschreckendes Beispiel dafür, was passieren konnte, wenn sie den Eindruck erweckten, zuviel Verständnis für die besiegten Deutschen aufzubringen,
stand den wahlkämpfenden Abgeordneten Lord Milner vor Augen. Dieser
hatte in einem Interview mit dem Evening Standard, das am 17. Oktober erschienen war, erklärt, dass seiner Überzeugung nach nicht alle Deutschen in
den Militarismus vernarrt waren. Gleichzeitig hatte er die Briten aufgerufen,
sich nicht dem Gefühl der Wut oder Entrüstung gegen Deutschland hinzugeben, wie gerechtfertigt auch immer diese Empfindungen sein mochten.97
Die Daily Mail brandmarkte Milner daraufhin als „pro-German“ und attackierte ihn wochenlang erbarmungslos.98 Für Northcliffe war Milners Standpunkt, der nichts anderes bedeutete als „to let the Germans off“, nicht hinnehmbar.99
Angesichts der anhaltenden Agitation in den Zeitungen des NorthcliffeKonzerns, die die öffentliche Debatte immer mehr zu beherrschen drohte,
suchten die Spitzen der Koalitionsparteien, insbesondere Lloyd George, nach
einem Ausweg, wie Northcliffe zur Räson gebracht werden könnte.100 Nach
einer Analyse der Fraktionsführung unter Frederick Guest konnte die Regierung zwar auf die Unterstützung von rund zwei Drittel der wichtigsten britischen Zeitungen zählen. Auch die Times und die Daily Mail wurden als der
Koalition gegenüber eher freundlich gesinnt eingestuft, wobei Guest allerdings
ausdrücklich die kritische Haltung der Times gegenüber den ausgewählten
Kandidaten sowie der Rolle der Parteizentralen hervorhob und auf die zunehmend feindseligeren Attacken der Daily Mail gegen die generelle Richtung
des Wahlkampfs hinwies.101 Der Premierminister bemühte sich daraufhin, jemanden zu finden, der zwischen ihm und Northcliffe vermitteln konnte. Zweimal trat er in den letzten Novembertagen an den Neffen des Pressebarons, den
konservativen Unterhausabgeordneten Cecil Harmsworth, mit einer ent-
97
98
99
100
101
History of the Times, Bd. 4, S. 375f.
Ebd. Die Angriffe hielten bis in den November an. Vgl. THE DAILY MAIL, 6. November
1918.
POUND und HARMSWORTH, Northcliffe, S. 669 und 678. Laut der offiziellen Geschichte
der Times gibt es keinen Beweis, dass Northcliffe persönlich die Attacken auf Milner angeordnet hatte. Allerdings brauchten der Chefredakteur Thomas Marlowe und der Leitartikler Herbert W. Wilson auch keinen Anstoß, sondern verdammten von sich aus jeden
Politiker, der sich für einen Verständigungsfrieden aussprach, was im Übrigen der Linie
Northcliffes entsprach. History of the Times, Bd. 4, S. 396.
U.a. riet Lord Reading Lloyd George, die Fehde mit Northcliffe zu beenden. History of
the Times, Bd. 4, S. 448.
Am 29. November berichtete Guest Lloyd George, dass von 86 Morgen-, Abend- und
Wochenzeitungen 50 der Regierung gegenüber freundlich bis sehr freundlich gesinnt waren, darunter auch der Daily Telegraph, und lediglich 36 eine feindliche Haltung einnahmen, wozu die meisten Labour-Blätter und der Manchester Guardian gehörten. Lloyd
George Papers, Memorandum von Frederick Guest: „The Attitude of the Press“, 29. November 1918, HLRO, F21/2/49.
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II. Wandel und Kommunikation des Deutschlandbildes
sprechenden Bitte heran, der sich dann auch mit seinem Onkel in Verbindung
setzte – allerdings ohne Erfolg.102
Unterdessen deutete sich an, dass immer mehr Koalitionspolitiker inklusive
vieler Kabinettsmitglieder und sogar Lloyd George selbst geneigt waren, sich
die Forderungen Northcliffes in Bezug auf Deutschland zu Eigen zu machen.
Eine erste Diskussion in der Kabinettssitzung am 20. November über die Frage, wie mit dem Kaiser zu verfahren war, verlief noch kontrovers.103 Dass die
Vergehen Wilhelms II. strafwürdig waren, bezweifelte niemand. Bedenken gab
es aber, was die praktische Umsetzung einer Bestrafung anging. Winston
Churchill, zu diesem Zeitpunkt Minister for Munition, wies auf die Schwierigkeiten hin zu beweisen, dass die Schuld des Monarchen größer war als die seiner Berater oder des Parlaments oder der gesamten deutschen Nation, die den
Krieg schließlich unterstützt hatten. Er empfahl deshalb, zuerst die rechtlichen
Schwierigkeiten zu klären, bevor die Regierung sich in dieser Frage festlegte.
Austen Chamberlain stimmte dem zu und warnte ebenfalls davor, dem Monarchen die alleinige Verantwortung zuzuschieben.104 Nachdem der Attorny-General Sir Frederick Smith und die Law Officers of the Crown in einem Gutachten zu dem Schluss gekommen waren, dass eine Anklage des Kaisers vor einem
internationalen Tribunal möglich war, beschloss das Kabinett am 28. November
auf Drängen des Premierministers, Wilhelm und anderen deutschen Kriegsverbrechern den Prozess zu machen.105 Churchill hatte bereits zwei Tage zuvor
seine abwartende Haltung aufgegeben und in einer Ansprache in Dundee erklärt, dass die Verstöße Einzelner gegen das Kriegsrecht strafrechtlich zu ahnden seien und dass dies auch auf den Kaiser zuträfe.106 Nach dem Kabinettsbeschluss spielte dieser Punkt der Bestrafung der Kriegsverbrecher auch bei allen
öffentlichen Auftritten Lloyd Georges eine prominente Rolle.
Die Frage der Kriegsentschädigung rückte ebenfalls mehr und mehr in den
Mittelpunkt der Wahlkampfreden. Während der Parteichef der Tories, Bonar
102
103
104
105
106
In einem Telefonat lehnte Northcliffe das Versöhnungsangebot ab, wie Cecil Harmsworth
am 30. November in sein Tagebuch notierte. POUND und HARMSWORTH, Northcliffe,
S. 676 und 680. Der Pressebaron blieb dabei, dass es keine Versöhnung gebe, so lange der
Premier die „Reaktionäre“ der Tories mit im Boot habe, wie Cecil Harmsworth Lloyd
George am 2. Dezember berichtete. Lloyd George Papers, Cecil Harmsworth an Lloyd
George, 2. Dezember 1918, HLRO, F/87/1/19.
Minutes of the Imperial War Cabinet, 20. November 1918, PRO, CAB 23/42.
Ebd.
Demnach sollte Wilhelm wegen seiner direkten Verantwortung für die Invasion Belgiens
und für seine Zustimmung zum unbeschränkten U-Bootkrieg angeklagt werden. Mit
beidem habe er gegen internationales Recht verstoßen, so das Gutachten. Minutes of the
Imperial War Cabinet, 28. November 1918, PRO, CAB 23/42. Lloyd George hatte sich
bereits am 20. November dafür ausgesprochen, dem Kaiser wegen „Hochverrats an der
Menschlichkeit“ den Prozess zu machen.
Im Übrigen ließ Churchill keinen Zweifel daran, dass alle Deutschen sich der Führung
eines Angriffskrieges schuldig gemacht hatten und entsprechend dafür zahlen müssten.
THE MANCHESTER GUARDIAN, 27. November 1918.
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2. Zentrale Themen der Berichterstattung
223
Law, am 25. November in Glasgow noch auswich und den Standpunkt vertrat,
Friedensbedingungen könnten nicht per öffentlicher Diskussion bestimmt
werden,107 verkündete Chamberlain drei Tage später in Birmingham: „No
indemnity which we could get was too high to ask for.”108 Lloyd George ging
erstmals am 29. November in Newcastle auf eine mögliche Wiedergutmachung
ein, indem er unter Applaus erklärte: „There is absolutely no doubt about the
principle, and that is the principle we should proceed upon – that Germany
must pay the costs of the war up to the limit of her capacity to do so.“109 Die
Times und die Daily Mail begrüßten den Kurswechsel des Premiers, bemängelten aber sofort die Einschränkung durch den Hinweis auf die limitierte Liquidität Deutschlands und verlangten die Nennung einer genauen Summe.110
Northcliffe selbst äußerte in dem schon erwähnten Schreiben an Dawson einen
Tag nach der Rede den Verdacht, dass Lloyd George unter dem Einfluss deutscher Finanziers stand, die versuchten zu verhindern, dass Deutschland für die
Kriegskosten aufkam. Er kündigte an: „I do not believe that Lloyd George is a
free agent in this matter and I am determined to bring pressure to bear.“111
In den verbleibenden zwei Wochen bis zur Wahl schaukelten sich die Forderungen der Northcliffe-Blätter und die Versprechen der Koalitionspolitiker
gegenseitig immer weiter hoch. Der Attorny-General Smith betonte, die Regierung werde jeden „Boche“ im Land zurückschicken. Edwin Montagu, Secretary of State for India, sprach sich dafür aus, dass Deutschland für alle Zerstörungen und Verbrechen des Krieges bezahlen und dem Kaiser der Prozess
gemacht werden müsse,112 wurde aber noch übertroffen von George Barnes,
dem Minister ohne Geschäftsbereich, der sagte: „I am for hanging the Kaiser.
[…] I say it would be a monstrous thing if the greatest culprit and murderer in
history escaped the just penalty of his crimes.“113
Bezeichnend für das Wahlkampfklima ist das Beispiel von Sir Eric Geddes,
dem First Sea Lord, der bei einem Auftritt in Cambridge Ende November auf
die Probleme einer zu hohen Kriegsentschädigung hingewiesen hatte, die die
Deutschen nur über erhöhte Exporte aufbringen könnten und die so die britische Industrie ruinieren und zu steigender Arbeitslosigkeit führen könnte. In
der Presse wurde er dafür als „pro-German“ und „weak-kneed“ angegriffen,114
woraufhin Geddes rhetorisch aufrüstete und am 9. Dezember seinen Wählern
versprach: „If I am returned, Germany is going to pay restitution, reparation
107
THE TIMES, 26. November 1918.
Ebd., 29. November 1918.
109 Ebd., sowie 30. November 1918.
110 THE DAILY MAIL, 30. November 1918, LA „Wobbling“; THE TIMES, 30. November 1918,
LA „The Kaiser – And ‚Ton for Ton‘“.
111 Northcliffe an Dawson, 30. November 1918, BL, NADM 62245.
112 THE TIMES, 2. Dezember 1918.
113 THE DAILY MAIL, 2. Dezember 1918.
114 Vgl. NEWTON, British Policy, S. 289f.
108
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II. Wandel und Kommunikation des Deutschlandbildes
and indemnity, and I have personally no doubt we will get out of her all you
can squeeze out of a lemon, and a bit more.“115
Griffige Parolen der Politiker wie „Hang the Kaiser!“ und „Make the Germans Pay“ wurden von den Zeitungen gern aufgenommen und fanden in den
Überschriften immer wieder Verwendung.116 Der Premierminister versuchte,
sich davon nicht anstecken zu lassen und blieb erst einmal bei seiner Linie, dass
die Zahlungsfähigkeit Deutschlands die Grenze dessen bestimmte, was die
Alliierten als Entschädigung für ihre Kriegskosten verlangen konnten. Northcliffe schickte ihm deshalb sogar ein Telegramm nach Leeds, in dem er ihn bedrängte, endlich auf solche Einschränkungen zu verzichten und eine definitive
Summe zu nennen.117 Lloyd George verwahrte sich gegen diese Art der Einflussnahme und antwortete: „Don’t be always making mischief.“118
Immerhin änderte die Koalition in diesen Tagen aber offiziell ihre Wahlkampfstrategie. In Berichten aus den Wahlkreisen an die Parteizentrale der
Konservativen sprachen Wahlhelfer nämlich offen von einem allgemein fehlenden Interesse an der Wahl und sogar von einer bemerkenswerten Apathie unter
der Bevölkerung. Die einzigen Themen, die die Menschen wirklich bewegten,
waren demnach eben jene drei von der Northcliffe-Presse ständig wiederholten
Forderungen.119 Als Reaktion darauf verständigte sich die Koalition auf ein
neues Manifest, das einer Kapitulation vor den populistischen Forderungen der
konservativen und ultrapatriotischen Presse gleichkam. Die wichtigsten Punkte
in folgender Reihenfolge waren nun die Bestrafung des Kaisers und anderer
Kriegsverbrecher, „Make Germany Pay“, der Rauswurf der „enemy aliens“,
die schnellstmögliche Rückkehr der Soldaten und erst ganz am Schluss die
Kernpunkte des ersten Wahlprogramms: die Förderung des Hausbaus und verbesserte soziale Bedingungen.120
115
116
117
118
119
120
THE DAILY MAIL, 10. Dezember 1918. Einen Tag später drückte sich Geddes bei seinem
Besuch des Beaconsfield Club noch unmissverständlicher aus, indem er ergänzte, bei
einem Wahlsieg der Koalition würden die Deutschen ausgequetscht wie Zitronen „until
the pips squeak“. Zit. nach NEWTON, British Policy, S. 290.
Die Redakteure der Daily Mail verwendeten sie mit Vorliebe als Überschrift für die Leserbriefspalte, in denen dann entsprechende Zuschriften abgedruckt wurden. THE DAILY MAIL,
2. Dezember 1918, „Make The Huns Pay“; 3. Dezember 1918, „Clear Out The Huns“;
4. Dezember 1918, „Make Germany Pay“; 5. Dezember 1918, „We Want The Kaiser“.
Telegramm Northcliffes an Lloyd George, 6. Dezember 1918, BL, NADM 62157. Am selben Tag erschien in der Mail ein Kommentar, der den Premierminister davor warnte, die
Kriegskosten auf die britischen Steuerzahler abzuwälzen, da Deutschland auf jeden Fall in
der Lage war zu zahlen, wenn die Alliierten nur genügend Druck ausübten. THE DAILY
MAIL, 6. Dezember 1918, LA „A Straight Question To The Prime Minister“.
Telegramm Lloyd Georges an Northcliffe, 7. Dezember 1918, BL, NADM 62157.
„Synopsis of confidential reports by Unionist Central Office Agents on the progress of
the Coalition campaign“, 3. Dezember 1918, sowie „Extracts from confidential reports by
Unionist Central Office Agents on subjects in which electors are most interested“, 3. Dezember 1918, Bonar Law Papers, HLRO, 95/2.
Das neue Manifest wurde am 5. Dezember veröffentlicht. GEBELE, Krieg und Frieden,
S. 260.
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2. Zentrale Themen der Berichterstattung
225
Die bisher geübte Zurückhaltung Lloyd Georges in der Frage der Wiedergutmachung war ebenfalls nicht von Dauer. Der Premier blieb zwar bis zum Schluss
dabei, dass die Erstattung der Kriegskosten durch Deutschland der britischen
Wirtschaft nicht schaden dürfe, nahm aber am 11. Dezember in Bristol kein Blatt
mehr vor den Mund, was die Höhe der Zahlungen anging. „Those who started it
[the war, der Verf.] must pay to the uttermost farthing, and we shall search their
pockets for it.“121 Gestützt wurde sein Standpunkt durch einen Zwischenbericht
der so genannten Hughes-Kommission, die das Kabinett einberufen hatte, um die
technische Umsetzung von Reparationszahlungen und Wiedergutmachungsleistungen zu untersuchen. Diese kam zu dem Schluss, dass Großbritannien das
Recht habe, eine Entschädigung für seine Kriegskosten zu verlangen, und schätzte die Summe, die Deutschland zahlen konnte, auf 24 Milliarden Pfund.122 Lloyd
George hatte den Bericht am Abend vor seiner Rede in Bristol erhalten und führte die Zahl nun in die öffentliche Debatte ein, wobei er allerdings gleichzeitig übertriebene Hoffnungen, diese Summe wirklich eintreiben zu können, dämpfte.123
Auch Bonar Law, der anfangs in dieser Frage noch verhalten reagiert hatte, plädierte bei einer Veranstaltung am selben Abend in London dafür, die Ergebnisse
der Kommission einer Regelung der Kriegsentschädigung zu Grunde zu legen.124
Während die Koalitionsparteien also auf den Zug aufsprangen, den Northcliffe unter Dampf gesetzt hatte, versuchten die anderen politischen Kräfte
gegenzusteuern. Die Radikalliberalen wie die Asquith-Liberalen zogen unter
dem Banner des Freihandels, des Völkerbundes und der Versöhnung in den
Wahlkampf.125 Der linke Flügel der Labour Party warb im Verbund mit der
UDC ebenfalls für den Völkerbund sowie für das Ende der Geheimdiplomatie,
trat für Abrüstung und unter dem Eindruck der fortdauernden Blockade für
den Verzicht auf einen Wirtschaftskrieg ein.126 Dies spiegelte sich auch in den
121
122
123
124
125
126
THE TIMES, 12. Dezember 1918. Der Ausspruch entsprang nicht spontaner Eingebung. Bereits am 30. November hatte Lloyd George gegenüber Riddell genau diese Worte gewählt.
RIDDELL, Intimate Diary, Eintrag vom 30. November 1918.
Die Kommission war nach ihrem Vorsitzenden, dem australischen Premierminister William Hughes, benannt. Sie unterlag auf Grund ihrer Zusammensetzung starkem Einfluss
konservativer Kreise, und es war Hughes erklärte Absicht, auf eine möglichst hohe
Kriegsentschädigung hinzuwirken. NEWTON, British Policy, S. 292–294.
„I have always said we will exact the last penny we can out of Germany up to the limit of
her capacity, but I am not going to mislead the public on the question of that capacity until I know more about it, and I am not going to do in order to win votes. […] If Germany
has a greater capacity she must pay to the very last penny.” Zit. nach THE MANCHESTER
GUARDIAN, 12. Dezember 1918; THE TIMES, 12. Dezember 1918.
THE DAILY TELEGRAPH, 12. Dezember 1918.
GEBELE, Krieg und Frieden, S. 253–255.
Ebd. Allerdings hielten sich nicht alle Labour-Kandidaten daran. So stimmte etwa Charles
Duncan in den Chor nach einer möglichst hohen Kriegsentschädigung mit ein. Vgl. THE
DAILY MAIL, 2. Dezember 1918. George Barnes, der den Kaiser am liebsten aufhängen
wollte, gehörte ebenfalls der Labour Party an. Er war in der Regierung geblieben, obwohl
British Labour die Allparteienregierung am 14. November verlassen hatte. GEBELE, Krieg
und Frieden, S. 250, Fn. 19.
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II. Wandel und Kommunikation des Deutschlandbildes
ihnen nahe stehenden Zeitungen wider. Den Ruf nach dem Kopf des Kaisers
konterte der Manchester Guardian beispielsweise mit der Frage, wessen dieser
überhaupt angeklagt werden sollte. Bei genauer Betrachtung werde man nämlich feststellen, dass nicht der Kaiser oder die Deutschen allein schuld am
Ausbruch des Krieges waren. Folglich müssten auch die anderen Herrscher
abgeurteilt werden.127 Scott hatte Lloyd George im Übrigen schon im August
davor gewarnt, dass die Konservativen den Wahlkampf mit einer Orgie des
„anti-Germanism“ bestreiten werden und dass die Liberalen sie darin kaum
schlagen könnten.128 Enttäuscht ging er nun auf Distanz zum Premierminister
und dessen Partei.129 Der Herald wiederum rief die Wähler dazu auf, der Regierung keinen Blankoscheck für die Friedenskonferenz auszustellen, und war
sich sicher, dass die Rufe der Koalitionäre nach der Bestrafung des Kaisers und
der Bezahlung der Kriegskosten durch Deutschland bald vergessen sein würden, da sie nicht realisierbar waren.130
Wessen Bemühungen um die Gunst der Wähler am Ende erfolgreicher waren, darauf gibt das Wahlergebnis eine eindeutige Antwort. Die Parteien der
Koalition erreichten eine überwältigende Mehrheit im Unterhaus und errangen
533 von insgesamt 707 Sitzen. Besonders die Konservativen konnten ihren
Stimmenanteil deutlich erhöhen.131 Großer Verlierer waren die Liberalen
Asquiths, die über 70 Mandate verloren, darunter auch das von Asquith selbst.
Grund zur Freude hatte dagegen die Labour Party, die jetzt 59 Abgeordnete
stellte und mit über zwei Millionen Stimmen kurz vor einem echten Durchbruch stand. Ihre Fraktion bildete im neuen Unterhaus die eigentliche Opposi-
127
128
129
130
131
THE MANCHESTER GUARDian, 28. November 1918. Wenige Tage später entgegnete der
Guardian Barnes: „it would by no means tend to the moral improvement of Germany for
us to hang or shoot the Kaiser, nor would it look quite nice in history, nor, perhaps after
an interval for reflection, to ourselves. So far as we are aware it never occured to our rude
ancestors to cut off Napoleon’s head, although he was far more personally responsible for
the miseries of the first Great War than it is possible to suppose the Kaiser is for the
second.” THE MANCHESTER GUARDIAN, 2. Dezember 1918, LA „A Notable Gathering“.
WILSON (Hrsg.), Diaries of Scott, Eintrag vom 7./8. August 1918.
An Hobhouse schrieb er am 28. November: „I felt myself more and more driven into opposition by the development of the true inwardness of the whole coalition cabal which
more and more reveals itself as a reactionary movement of large possibilities.“ Zit. nach
WILSON (Hrsg), Diaries of Scott, Eintrag vom 28. November 1918.
THE HERALD, 30. November 1918 und 21. Dezember 1918, LA „Have We Lost The
Peace?“.
Sie kamen auf 332 Mandate, über 60 mehr als bei der letzten Wahl 1910. Hinzu kamen
noch einmal 50 konservative Abgeordnete, die zwar keinen Coupon erhalten hatten, aber
die Koalition trotzdem unterstützten. Die Liberalen Lloyd Georges stellten 137 Abgeordnete und verloren damit 22 Sitze. In absoluten Zahlen war der Vorsprung der Koalitionsparteien nicht so groß. Sie erhielten rund sechs Millionen Stimmen, die anderen Parteien
zusammen vier Millionen. CRAIG, British Electoral Facts, S. 20–22. Vgl. auch TAYLOR,
English History, S. 128 sowie GEBELE, Krieg und Frieden, S. 265–267. Was die Sitzverteilung angeht, so gibt es unterschiedliche Zahlen, was mit der nicht immer eindeutigen
Loyalität einiger liberaler und konservativer Abgeordneter zusammenhängt.
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2. Zentrale Themen der Berichterstattung
227
tion.132 Angesichts der Mehrheitsverhältnisse und der Zusammensetzung der
Koalitionsfraktionen ist die Feststellung, dass dies das reaktionärste und insularste Parlament in der Geschichte Großbritanniens war, sicher nicht übertrieben.133 Dass für die meisten Abgeordneten der Regierungsparteien der Ruf
nach einem Revanchefrieden die Eintrittskarte ins Parlament gewesen war, bedeutete darüber hinaus eine Einengung des Handlungsspielraums der britischen Delegation auf der bevorstehenden Friedenskonferenz.134 Nach der
Analyse des Wahlergebnisses durch Frederick Guest hatte die Koalition ihren
erdrutschartigen Sieg hauptsächlich eben jenem Ruf nach Revanche zu verdanken: „The Coalition policy of insisting on the complete criminal and civil liability of Germany was intensely popular – this undoubtedly brought votes
which would have otherwise gone to Labour.“135 Vor allem unter den Frauen,
die zum ersten Mal wählen durften, fanden die Forderungen nach Wiedergutmachung und einer Bestrafung der Kriegsverbrecher großen Anklang, so die
Einschätzung Guests.136
Für das Deutschlandbild, das in der Presse während des Wahlkampfs transportiert wurde, hatte die Kampagne Northcliffes verheerende Folgen. Denn
diese trug wesentlich zur Verbreitung negativer Stereotype bei, die in folgenden Thesen gipfelte: Nicht nur der Kaiser, sondern alle Deutschen trugen eine
Mitschuld am Ausbruch des Krieges. Eine Bestrafung war deshalb völlig gerechtfertigt, Mitleid nicht angebracht. Veränderungen in Deutschland wie die
Revolution waren unerheblich oder gar ein Bluff, denn die Deutschen waren
immer noch dieselben Monarchisten und Militaristen, Misstrauen ihnen gegenüber daher geboten.137 Umso bemerkenswerter war, dass noch während des
Wahlkampfs Berichte – gerade auch von der Times und der Daily Mail – veröffentlicht wurden, die Deutschland und seine Menschen in einem anderen,
durchaus positiven Licht erscheinen ließen und das Festhalten an negativen
Stereotypen erschwerten.
132
133
134
135
136
137
Allerdings verfehlten prominente Pazifisten unter den Labour-Kandidaten wie Ramsay
MacDonald oder Arthur Henderson den Sprung ins Parlament. TAYLOR, English History,
S. 128.
So NORTHEDGE, Troubled Giant, S. 92.
Lloyd George war mehr denn je von den Konservativen abhängig, einer Partei, die für ihre
nationalistischen Töne bekannt und von dem Wunsch beseelt war, den Krieg mit konkreten Gewinnen für Großbritannien abzuschließen. KENNEDY, Realities, S. 208. Sir Victor
Wellesley, damals Assistant Secretary of State von Crowe im Foreign Office, war überzeugt davon, dass hier ein direkter Zusammenhang bestand: „‚Squeeze Germany till
the pips squeak‘ and ‚Hang the Kaiser‘ were the slogans which carried the people. The
new House of Commons supporting the Coalition Government was thirsting for revenge.
This attitude was soon to be reflected in the Peace negotiations.“ WELLESLEY, Diplomacy,
S. 46.
Wahlanalyse von Frederick Guest, Lloyd George Papers, HLRO, F/21/2/57.
Ebd.
Newton nennt deshalb „a further poisoning of public opinion against Germany“ als wichtigstes Resultat des Wahlkampfes. NEWTON, British Policy, S. 316.
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II. Wandel und Kommunikation des Deutschlandbildes
2.1.3 „Encountering the Enemy“:
Erste Begegnungen von Siegern und Besiegten
Die englischen Journalisten, die die Besatzungstruppen auf ihrem Vormarsch
begleiteten oder auf eigene Faust nach Deutschland reisten, kamen in ein Land,
das gezeichnet war von vier Jahren Krieg. Ihre Eindrücke, die sich in ihren
Reportagen widerspiegelten und im Wesentlichen deckten, waren bestimmt
von folgenden Beobachtungen: Angesichts der Niederlage waren sowohl die
Bevölkerung als auch die heimkehrenden Soldaten weitgehend desillusioniert.
Die Angst vor Chaos und Bolschewismus war als Folge der Revolution weit
verbreitet. Hinzu kamen deutliche Anzeichen eines Kollapses der Wirtschaft,
die sich ganz besonders im überall festzustellenden Mangel an Nahrungsmitteln äußerten. Die meisten Deutschen begegneten den englischen Truppen
und den Journalisten nicht, wie diese erwartet hatten, mit Hass, sondern es
überwog eine freundliche Neugierde verbunden mit der Hoffnung auf Hilfe.
Bespielhaft waren die Berichte des Daily Mail-Reporters William Beach
Thomas, der zusammen mit den britischen Truppen in Richtung Köln aufbrach. Thomas war vor allem gespannt darauf zu sehen, wie die Deutschen auf
ihre Niederlage reagierten.138 Die erste Stadt auf deutschem Boden, die sie erreichten, war Malmedy.139 Dort wurden die Soldaten und der Journalist vom
Bürgermeister mit ausgesuchter Höflichkeit empfangen und Thomas hatte
nicht den Eindruck, dass das Stadtoberhaupt sich dabei verstellte: „He received
us with awkward but real politeness.“140 Der Bürgermeister berichtete über die
Versorgungsschwierigkeiten und bat sie, die Ausbreitung des Bolschewismus
zu verhindern. Die nächste Station war Aachen, wo nach Thomas’ Eindruck
allerdings weder ein revolutionärer Umsturz stattgefunden hatte noch Hunger
herrschte.141 Auf dem weiteren Weg nach Köln korrigierte der Daily Mail-Reporter jedoch seine erste Einschätzung, was die politische Lage anging. Nun
meinte er, dass die revolutionäre Bewegung tatsächlich vorhanden, wenn auch
oberflächlich kaum zu erkennen war.142 Vor dem Rathaus in Köln wurde er
Zeuge, wie Unruhen, ausgelöst durch Soldaten, die anscheinend angesteckt waren vom Bolschewismus, nur mit Mühe durch Polizei und Freiwillige niedergeschlagen werden konnten. Auch hier war die Stadtspitze beherrscht von der
Angst vor einer bolschewistischen Revolution.143 „Rettet uns vor den Roten“,
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142
143
THOMAS, Traveller, S. 197.
Eupen und Malmedy wurden erst 1919 im Versailler Vertrag Belgien zugeschlagen.
THE DAILY MAIL, 4. Dezember 1918. Auch die Soldaten und ihre Offiziere waren von
der Freundlichkeit, mit der deutsche Offizielle ihnen begegneten, positiv überrascht.
WILLIAMSON, British in Germany, S. 17f.
THE DAILY MAIL, 6. Dezember 1918.
Ebd., 9. Dezember 1918.
Ebd., 10. Dezember 1918. Sowohl Kölns Oberbürgermeister Konrad Adenauer wie auch die
deutsche militärische Führung in Köln hatte deshalb bei den Alliierten um eine schnelle Besetzung nachgesucht, um das Enstehen eines Machtvakuums in der Stadt zu verhindern Da-
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2. Zentrale Themen der Berichterstattung
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war die meist gehörte Parole in diesen Tagen, wie sich Thomas später
erinnerte.144
Verblüfft war er über die Reaktion der Behörden und der Bevölkerung auf
den Einmarsch der Briten:
the feelings of the German people become more apparant and their reception more surprising. The authorities in such towns as Düren say without disguise that they rejoice in
our arrival. The reason is twofold. They are afraid of their own people and they are
afraid of starvation, and all appear to accept as an axiom the honesty and sense of order
in the English people. Women, and a good many men, too, confess that the end of the
war is such joy that defeat weighs little. Children on occasion cheer our arrival.145
Auch in Köln selbst bemerkte er keine Gefühle von Verachtung oder offener
Feindschaft, eine Beobachtung, die andere englische Reporter mit ihren Berichten bestätigten.146 Sogar als die britischen Truppen in einer feierlichen Parade
über die Hohenzollernbrücke marschierten, um den Brückenkopf auf der
anderen Rheinseite zu besetzen, verhielt sich die Kölner Bevölkerung ruhig,
obwohl dies das ultimative Symbol für Deutschlands Niederlage und Großbritanniens Sieg war, wie Philip Gibbs im Daily Telegraph die Szene beschrieb.
„They are a proud people, and they did not show by any word rage or cry of
bitterness the emotion they must have felt when our men went over the
bridge.“147 Sein Kollege Beach Thomas war sich deshalb sicher, dass sich die
noch in Lissauers Hymne des Hasses geschürte Feindschaft gegen England zumindest im Rheinland weitgehend verflüchtigt hatte.148
Abgesehen von dem freundlichen Empfang für die Briten im Westen
Deutschlands und der offenkundigen Erleichterung über das Ende des Krieges
zeichneten die Berichte aus anderen Landesteilen aber eine allgemein düstere
Stimmung unter der deutschen Bevölkerung. Auf den Straßen und in den Bierhallen Münchens, wo tausende Soldaten in Feldgrau die Zeit totschlugen, herrsche ein generelles Gefühl von Weltuntergang vor, meldete Sefton Delmer.149
Ein anderer Korrespondent der Daily Mail schrieb aus Hamburg, der Betrieb
im Hafen sei praktisch zum Erliegen gekommen, die Straßen halb leer. Die
Stadt biete insgesamt ein trauriges Bild.150 Die deutsche Hauptstadt bildete
keine Ausnahme. Philips Price, der Anfang Dezember aus Russland nach Ber-
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150
raufhin waren am 6. Dezember Einheiten britischer Kavallerie und Panzerwagen unter dem
Kommando General Lawsons in Köln eingerückt. WILLIAMSON, British in Germany, S. 18.
THOMAS, Traveller, S. 197.
THE DAILY MAIL, 9. Dezember 1918.
THOMAS, Traveller, S. 198. Ein Korrespondent des Daily Telegraph meldete nach London:
„Ones foremost sensation on arriving in Germany is the complete acceptance of the new
situation by the inhabitants. They seem to feel that they have lost the war, and must make
the best of it. They are ready to meet the conquerors more than half-way. Their subserviency is at times embarrasing.” THE DAILY TELEGRAPH, 10. Dezember 1918.
Ebd., 16. Dezember 1918.
THOMAS, Traveller, S. 198.
THE DAILY MAIL, 26. November 1918.
Ebd., 11. Dezember 1918.
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II. Wandel und Kommunikation des Deutschlandbildes
lin kam, erschienen die Stadt trist und die Menschen trübsinnig.151 Es war
offensichtlich, dass die Metropole ihr Flair der Vorkriegszeit verloren hatte,
wie Charles Tower bei seiner Stippvisite feststellen musste. „Berlin’s once-famous ‚gay-life‘ is dead. All the cafés were warm and crowded and the streets
full, but over every single soul hung the appalling gloom which makes the
whole country feel like a great funeral.”152 Tower beschrieb in der Times die
allgemeine Apathie der Bevölkerung, deren Gespräche immer wieder um die
Frage kreisten, wann England die Blockade aufheben würde, wann Lebensmittel ins Land kämen und ob sich bis dahin eine stabile Regierung gebildet
habe, die die Verteilung organisieren könne.153
Um die Frage, wie schlimm die Notlage der Menschen in Deutschland wirklich war, entbrannte unter den Korrespondenten und in den Zeitungen eine
heftige Kontroverse. Der Daily Telegraph zitierte bereits Ende November
einen amerikanischen Reporter der Nachrichtenagentur AP, der als einer der
ersten Journalisten aus einem Land der Alliierten in die deutsche Hauptstadt
kam und der deutliche Zeichen von Unterernährung unter der Berliner Bevölkerung erkannte.154 Aus Köln berichtete der Manchester Guardian von akuter
Nahrungsmittelknappheit besonders unter den Arbeitern. Danach fehlten vor
allem Butter, Kartoffeln und Milch. Viele Kleinkinder seien schon gestorben.155
Korrespondenten liberaler Blätter wie Charles E. Montague vom Guardian
waren erschüttert und mussten mit ansehen, wie britische Soldaten, deren Rationen eigentlich auch schon knapp bemessen waren, diese mit hungernden
deutschen Kindern teilten.156 Henry W. Nevinson gab der britischen Regierung, die die Blockade aufrechterhielt, eine Mitschuld. „The British blockade
was killing more Germans than our guns had killed throughout the war. And
on the top of starvation lay the influenza.“157 Der Herald fragte angesichts der
Berichte zurückkehrender Kriegsgefangener und alliierter Korrespondenten,
die den Eindruck vermittelten, dass Deutschland tatsächlich am Rande einer
Hungersnot stand, ob die britische Regierung wirklich ihren „war of starvation“ gegen die gesamte deutsche Zivilbevölkerung fortsetzen wolle.158
Den Reportern der Northcliffe-Presse fiel zwar auch auf, dass es für viele
Grundnahrungsmittel nur noch künstlichen Ersatz gab. Die Schaufenster
waren voll von „ersatz coffee, ersatz flour, ersatz meat stuffs, and ersatz everything“, war in der Times zu lesen.159 Generell fiel die Schilderung der Versor151
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PRICE, Three Revolutions, S. 159.
THE DAILY MAIL, 30. November 1918.
THE TIMES, 2. Dezember 1918.
THE DAILY TELEGRAPH, 25. November 1918.
THE MANCHESTER GUARDIAN, 14. Dezember 1918, „Hunger In Cologne – Children
Dying For Want Of Milk“.
MONTAGUE, Disenchantment, S. 183.
NEVINSON, Last Changes, S. 152.
THE HERALD, 21. Dezember 1918.
THE TIMES, 9. Dezember 1918. Kursiv im Original.
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2. Zentrale Themen der Berichterstattung
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gungslage aber weit weniger dramatisch aus. Beach Thomas sah keine Beweise
für eine echte Hungersnot und meinte sogar, viele Leute reagierten auf das
Thema Lebensmittel „etwas hysterisch“.160 Immer wieder erschienen Artikel,
in denen die Korrespondenten schilderten, dass nur die ärmeren Teile der Bevölkerung wirkliche Not litten. Die Mittel- und Oberschicht dagegen lebten in
großem Reichtum. Gespickt waren solche Reportagen aus Köln oder Berlin
mit anschaulichen Beispielen, wie Massen von außerordentlich gut gekleideten
Menschen Cafés bevölkerten oder in luxuriös ausgestatteten Geschäften einkauften.161 Vorwürfen von deutscher Seite, dass sich die Korrespondenten von
den Schaufensterauslagen blenden ließen und die extrem hohen Preise unterschlugen, die die wenigsten bezahlen konnten, widersprach etwa Percy Robinson, der für die Times im Rheinland war, energisch.162
Bewusst oder unbewusst tauchten allerdings selbst in diesen Berichten Aussagen auf, die den Eindruck weit verbreiteten Wohlstands konterkarierten. So
war in der Daily Mail zu lesen, dass die Berliner nur noch von Tag zu Tag
lebten und versuchten, die Niederlage und die Lebensmittelknappheit, die zunehmend bedrohlicher werde, zu vergessen. „Although the working class
population has received very high wages during the war, it has saved nothing.
Everything earned goes for food. […] Officals and servants with fixed salary
are much worse off. They have really suffered hunger during the war.“163 Die
Times druckte einen Artikel, in dem die heruntergekommenen Berliner Straßen
und der schlechte Service in den Hotels anschaulich beschrieben wurden.164
Neben diesen Indizien gibt es zahlreiche andere Hinweise, die zeigen, dass
das Bild von der Situation in Deutschland von den Korrespondenten der
Northcliffe-Presse oder von ihren Redaktionen gezielt in eine bestimmte
Richtung gesteuert wurde. Das an anderer Stelle schon geschilderte Beispiel des
Daily Mail-Reporters Ward Price gibt Aufschluss darüber, dass die Berichterstatter mit dem Auftrag nach Deutschland geschickt wurden, die Lage im Land
und die Einstellung der Bevölkerung entsprechend der antideutschen Linie der
Northcliffe-Blätter negativ darzustellen.165 Passten die nach London übermittelten Berichte nicht in dieses Raster, dann nutzten die Redakteure in der
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THE DAILY MAIL, 6. Dezember 1918.
Vgl. z.B. THE TIMES, 12. Dezember 1918 oder THE TIMES, 21. Dezember 1918. Siehe auch
den Bericht von Beach Thomas in THE DAILY MAIL, 18. Dezember 1918: „The high street
of Cologne is always packed with cheerful and very well-dressed civilians, often so numerous that you can scarcely walk down it, and they look at shops or enter cafés, which all
suggest in different ways exceptional wealth.”
THE TIMES, 18. Dezember 1918.
THE DAILY MAIL, 18. Dezember 1918.
THE TIMES, 21. Dezember 1918.
Ward Price war im Dezember 1918 nach Köln gekommen und hatte in zwei Artikeln dargelegt, dass das Gerede von einer Hungerkatastrophe in Deutschland nur ein großer Bluff
war, wobei sich seine Recherche auf den kurzen Weg vom Bahnhof in Köln zu seinem
Hotel am Dom beschränkte. Der Vorfall ist ausführlich beschrieben in der biographischen
Skizze über Ward Price in Teil II, Kapitel 1.1.1.
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II. Wandel und Kommunikation des Deutschlandbildes
Fleet Street unterschiedliche Mittel, um den Sinngehalt zu verändern. Ein wirksames Instrument dafür waren die Überschriften, mit denen die Artikel betitelt
wurden und die dem Inhalt eine ganz andere Bedeutung geben konnten. So
stand der Bericht von Beach Thomas über den freundlichen Empfang der britischen Soldaten durch die Rheinländer unter der Schlagzeile „Obsequious Huns
– Propaganda Smiles“, was implizierte, dass die Empfindungen der Bevölkerung nur gespielt waren, um Beobachter zu täuschen. Durch eine gezielte Zuspitzung wurden außerdem Botschaften verstärkt. In der Überschrift zu dem
Bericht von Percy Robinson über die wohlhabenden Deutschen, die sich nach
wie vor alle erdenklichen Lebensmittel leisten konnten, wurden die „well-todo people“ zu „Over-Fed Germans“.166
Die Redaktion der Times schreckte nicht davor zurück, wenn nötig auch die
Glaubwürdigkeit ihrer eigenen Korrespondenten in Frage zu stellen. Als der
Schwede Gunnar Cederschiold detailliert den Mangel sowie den Verfall in Berlin beschrieb und zu dem Schluss kam, dass Deutschland am Boden zerstört
war, erschütterte John E. MacKenzie in einem Leitartikel in derselben Ausgabe
die Objektivität des Reporters mit den Worten, dass es sich bei ihm erkennbar
um einen mit der deutschen Sache sympathisierenden Beobachter handelte.167
Noch rigoroser verfuhr die Redaktion der Daily Mail mit den Berichten, die
Sefton Delmer aus Berlin übermittelte. Diese wurden wiederholt in einer Art
und Weise gekürzt, dass nur die negativen Aussagen übrig blieben. Der Journalist war darüber so erzürnt, dass er im März 1919 seinen Posten aufgab.168 Bei
George Saunders, einem Mitarbeiter des Political Intelligence Department im
Außenministerium und ehemaligen Deutschlandkorrespondenten der Times,
beschwerte sich Delmer, dass die Daily Mail „will only print the bad and refuses to print the good about the place [Germany, der Verf.]“.169 Nach vier
Monaten in Deutschland war Delmer ganz offenkundig zu einer völlig anderen
Beurteilung der Lage gekommen als jene, die in den Blättern Northcliffes vertreten wurde.
Die Debatte um die Nahrungsmittelversorgung und die Anerkennung bzw.
das Ignorieren der Niederlage durch die deutsche Bevölkerung ging in den fol-
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169
THE TIMES, 18. Dezember 1918.
Ebd., 27. Dezember 1918, „Prostration Of Germany – Kaiser’s Desertion The Last Blow“
und LA „The German Government“.
Über seine Rückkehr nach London berichtete die Daily Mail am 17. März, nicht jedoch
über seine Trennung von der Zeitung. NEWTON, British Policy, S. 359.
Ebd. Der Brief von Delmer datiert vom 18. März 1919 ist in Saunders „Day Book“ VII
(12. Februar-31. März 1919) erhalten, das wiederum Teil des Nachlasses von James Headlam-Morley, dem Leiter des PID, ist. Ebd., Fn. 195. Headlam-Morley seinerseits schilderte in einem Brief an seinen Bruder, den Bischof von Gloucester, im Juni 1919, dass sich die
Zeitungen Northcliffes geweigert hatten, Berichte ihres Korrespondenten in Berlin zu
drucken, in denen dieser die tatsächliche Lage in Deutschland beschrieb. HEADLAMMORLEY et al. (Hrsg.), Memoir, James Headlam-Morley an Reverend Arthur C. Headlam,
25. Juni 1919.
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2. Zentrale Themen der Berichterstattung
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genden Monaten mit derselben Frontstellung weiter: Die Zeitungen des konservativen Lagers blieben dabei, dass die Versorgungslage weit weniger dramatisch war, als von deutscher Seite dargestellt. Nach den Beobachtungen eines
Korrespondenten des Telegraph war die Liste der rationierten Lebensmittel im
Januar 1919 noch immer lang. Selbst in den ärmeren Vierteln von Köln gäbe es
aber weniger Anzeichen einer akuten Notlage als in englischen Städten.170 Die
fehlende Feindschaft und der von vielen Deutschen geäußerte Wunsch nach
einer raschen Aussöhnung stellten die konservativen Blätter als typisch deutsche Arroganz sowie Ignoranz dar, mit der die vergangenen vier Jahre einfach
ausgeblendet würden.171
Der liberale Manchester Guardian und der linke Herald dagegen veröffentlichten immer wieder Reportagen und Augenzeugenberichte, in denen die Not
der deutschen Bevölkerung anschaulich geschildert wurde. So zitierte der
Herald ebenfalls im Januar 1919 einen aus Deutschland zurückgekehrten Engländer, der während des Krieges im Lager Ruhleben interniert war. Dieser bestätigte die Berichte über die Nahrungsmittelknappheit und einen Wandel der
Einstellung der Deutschen im Zuge der Revolution, der sich auch im Verhalten
der Wachmannschaften niedergeschlagen hatte:
The soldiers spared no efforts in their attempts to prove to us that the Revolution had
created a new Germany; that the sober, sensible, war-hating Internationalists had at last
come into their own; and that the world had no longer to contend with that nauseous
nightmare of Prussian militarism.172
Was die Informationslage hinsichtlich der Lebensmittelversorgung anging, so
erhielt die liberale und linke Presse im Februar Unterstützung von offizieller
Seite. Über mehrere Wochen hatten britische Offiziere in zahlreichen deutschen Städten Auskünfte über die Versorgungslage gesammelt, die in einen Bericht des Supreme Council of Supply and Relief einflossen, der nun veröffentlicht wurde. Demnach drohte ohne Hilfe von außen noch vor der nächsten
Ernte in Deutschland eine Hungersnot.173
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173
THE DAILY TELEGRAPH, 6. Januar 1919. Hier finden sich ebenfalls sehr widersprüchliche
Aussagen, denn im Februar veröffentlichte der Telegraph einen ausführlichen Bericht, wonach die Lage weitaus schlimmer war, als eine oberflächliche Betrachtung vermuten ließ.
Demnach hatte die Mehrheit der Deutschen schon im Krieg mit Hungerrationen auskommen müssen. Nun sei das Durchschnittsgewicht noch weiter gefallen, worunter besonders
die Kinder litten. Übertüncht werde der allgemeine Mangel durch den Schwarzhandel, der
es beispielsweise Hotels ermögliche, nach wie vor gutes Essen anzubieten, allerdings zu
exorbitanten Preisen. THE DAILY TELEGRAPH, 26. Februar 1919.
Ebd. Ebenso THE TIMES, 7. Januar 1919.
THE HERALD, 4. Januar 1919, „Last Days At Ruhleben“ von Sylvester Leon.
THE DAILY TELEGRAPH, 22. Februar 1919; THE TIMES, 22. Februar 1919. Das War Office
erhielt von Dezember an laufend Berichte von Offizieren über die Lage in Deutschland,
was dazu führte, dass sich im Frühjahr 1919 sowohl der Generalstab als auch Kriegsminister Churchill für eine Aufhebung der Blockade aussprachen. CARSTEN, Britain and
Weimar, S. 9–21.
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II. Wandel und Kommunikation des Deutschlandbildes
Die Diskussion über dieses Thema verlief ab dem Zusammentritt der Friedenskonferenz in Versailles parallel zu der anhebenden Debatte über die Eckpunkte eines Friedensvertrags mit Deutschland. Hier wie dort ging es im Kern
um zwei zentrale Fragen: Konnte man auf Grund der Veränderungen im Land
dem geschlagenen Feind Vertrauen entgegen bringen und musste man ihm
angesichts seiner prekären Lage auch im eigenen Interesse helfen? Oder musste
angesichts der Verantwortung für den Krieg jetzt die Strafe folgen ungeachtet
der Ereignisse in Deutschland? Das Pochen auf letzteren Standpunkt erleichterte den Redakteuren und Korrespondenten der konservativen Zeitungen ein
Festhalten an ihrem Feindbild, war allerdings mit einigen Schwierigkeiten verbunden. Denn die tatsächlich stattfindenden Umwälzungen in Deutschland
mussten in einer Weise dargestellt und eingeordnet werden, die das bisherige
Deutschlandbild nicht in Frage stellte.
Die angeführten Beispiele veranschaulichen, mit welchen Mechanismen dies
gelang: mit der selektiven Wahrnehmung nur der Dinge, die ins eigene Bild
passten oder mit dem Ausblenden das eigene Bild störender Einflüsse. Wo dies
nicht funktionierte, entstanden Widersprüche, die durch eine Negierung der
Realität aufgelöst wurden, indem zum Beispiel behauptet wurde, der Hunger
oder die Revolution seien nur vorgetäuscht.
2.2 DIE PARISER FRIEDENSKONFERENZ IM FOKUS DER PRESSE
Mit der Eröffnung der Friedenskonferenz im Januar 1919 rückten Art und
Ausgestaltung eines Friedens mit Deutschland endgültig in den Mittelpunkt
der Diskussion, die die Presse führte. Alle anderen Fragen wie die Hungersnot,
die fortgesetzte Blockade und die Gefahr des Bolschewismus wurden nun vor
allem unter der Prämisse diskutiert, inwiefern darauf bei der Ausarbeitung der
Bestimmungen des Vertrags Rücksicht genommen werden sollte, um eine Annahme durch Deutschland zu gewährleisten. Aus diesem Blickwinkel wurde
auch die innenpolitische Neuordnung, sprich: die Wahlen zur Nationalversammlung und die Arbeit des neu konstituierten Parlaments betrachtet. Getragen wurde die Debatte in der Presse von dem Bewusstsein, dass mit dem
Friedensvertrag die Grundlage für den künftigen Charakter der deutsch-britischen Beziehungen und damit indirekt für die Stabilität der europäischen
Nachkriegsordnung gelegt würde. Im Kern lief der Austausch der Argumente
auf die wenn auch unausgesprochene Frage hinaus, ob das Verhältnis zwischen
den Alliierten und Deutschland künftig konfrontativ – also weiter eines zwischen Siegern und Besiegten – sein würde oder kooperativ geprägt sein sollte.
Die Fronten verliefen dabei parallel zur politischen Ausrichtung der Zeitungen. Eine Mehrheit der konservativen und die Koalition unterstützenden liberalen Blätter votierte für die konfrontative Option, die auch als Prävention verstanden wurde. Der Friedensvertrag war demnach das Instrument, mit dem
Deutschland auf Dauer als potenzieller militärischer Gegner und wirtschaft-
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