Monika M. Thiel, M. A. Caroline Ewerbeck Claudia Ochsenkühn

Werbung
Claudia Ochsenkühn
4 Logopädin in eigener Praxis
4 Dozententätigkeit
4 Ausbildung in klientenzentrierter und hypnotherapeutischer
Gesprächsführung (C. Rogers, M. Erickson)
4 Lehrlogopädin für den Bereich kindliches Stottern und
Sprachentwicklungsstörungen, Staatliche Berufsfachschule für
Logopädie an der LMU, München
4 Mehrjährige Tätigkeit als klinische Logopädin in
Frühfördereinrichtung und Phoniatrie
4 Ausbildung zur Logopädin, München
Monika M. Thiel, M. A.
Herausgeberin seit 2000, Gesamtkonzeption der Reihe
»Praxiswissen Logopädie«
4 Inhaberin von Creative Dialogue e.K., München
© by Meinen Fotografie München
4
4
4
4
4
4
4
4
4
4
(Konfliktmanagement, HR- und Kommunikationsberatung,
Coaching, Training)
Lehrbeauftragte für Wirtschaftsmediation der Ludwig-MaximiliansUniversität, München
Studium der Psycholinguistik, Arbeits- und Organisationspsychologie und Interkulturellen Kommunikation, LMU München
»Train-the-Trainer« Qualifizierung
Ausbildung in Collaborative Practive/Law
Weiterbildung zur Wirtschaftsmediatorin
Lehrlogopädin und Leitende Lehrlogopädin, Staatliche
Berufsfachschule für Logopädie an der LMU, München
Ausbildung in Systemischer Supervision/Praxisanleitung für
Lehrlogopäden
Logopädin (Klinik, Forschung, Lehre), Bremerhaven, Frankfurt am
Main, New York
Ausbildung zur Logopädin, Köln
Studium der Theologie, Tübingen und Münster
Caroline Ewerbeck
Herausgeberin der Reihe »Praxiswissen Logopädie« seit 2006
4 Studium der Psycholinguistik, Arbeits- und Organisations4
4
4
4
psychologie und spanischer Literaturwissenschaft, LMU München
Zusatzqualifikation: Kommunikationstechnik
Trainerin im Bereich Kommunikation und Rhetorik
Selbstständige Tätigkeit als Logopädin
Ausbildung zur Logopädin, München
Praxiswissen Logopädie
Herausgegeben von Monika M. Thiel und Caroline Ewerbeck
Claudia Ochsenkühn
Monika M. Thiel
Caroline Ewerbeck
Stottern
bei Kindern und
Jugendlichen
Bausteine einer mehrdimensionalen Therapie
2. Auflage
Mit einem Geleitwort von Professor Nitza Katz-Bernstein
Mit 25 Abbildungen
1 23
Claudia Ochsenkühn
Stiftsring 20
84424 Isen
e-mail: [email protected]
Caroline Ewerbeck
Lohengrinstr. 8
70597 Stuttgart
e-mail: [email protected]
Monika M. Thiel
Creative Dialogue e.k.
Frundsbergstraße 2
80634 München
e-mail: [email protected]
URL: www.creativedialogue.de
Professor Nitza Katz-Bernstein
Universität Dortmund
Fakultät für Rehabilitationswissenschaften
Emil-Figge-Straße 50
44221 Dortmund
ISSN 1619-5159
ISBN 978-3-642-01823-7 Springer-Verlag Berlin, Heidelberg, New York
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung,
der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung
dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen
Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in
der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen
unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes.
Springer Medizin
Springer-Verlag GmbH
ein Unternehmen von Springer Science + Business Medien
springer.de
© Springer Medizin Verlag Berlin,Heidelberg 2005, 2010
Printed in Germany
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne
besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daß solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und
Markenschutzgesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden
dürften.
Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag
keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall
anhand anderer Literarturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden.
Planung/Lektorat: Marga Botsch, Heidelberg
Projekt Management: Claudia Bauer, Heidelberg
Zeichnungen: Günther Hippmann, Nürnberg
Layout: deblik Berlin
Umschlaggestaltung: deblik Berlin
Satz: medionet Publishing Services Ltd, Berlin
SPIN 12567263
Gedruckt auf säurefreiem Papier
22/2122/cb – 5 4 3 2 1 0
V
Geleitwort
»Für komplexe Sachverhalte gibt es immer einfache Lösungen, und sie sind gewöhnlich
falsch…«
(nach Carey, zit. v. Branik, 2004)
Was wünscht sich eine Fachperson, die sich seit 30 Jahren tagtäglich mit dem Phänomen
»Kindliches Stottern« befasst, sei es therapeutisch, konzeptuell, ausbildend und/oder
weiterbildend, forschend oder entsprechende Institutionen leitend? Sie wünscht sich
ein praktikables und praxisnahes, leserfreundliches, aktuelles, informatives, gut recherchiertes und Überblick verschaffendes Buch über das Stottern.
Und was erhofft sie sich von einem solchen Buch, wenn sie eingeladen wird, ein
Geleitwort dafür zu schreiben? Eine differenzierte, integrative Herangehensweise an das
Thema, die alte Konzepte, Erfahrungen und Wissen würdigt und neue Entwicklungen
zu erschließen vermag. In einer solchen gebührenden »Co-Existenz der Generationen«
spiegelt sich eine therapeutische und wissenschaftliche Reife, die sich wohltuend von
schnelllebigen, monofaktoriellen »Erlösungsphantasien« absetzt.
Solche reizvoll einfachen »Heilungsvorstellungen« begleiten das Phänomen Stottern seit jeher. »Es muss doch endlich ein Konzept geben, das das stotternde Kind von
seinem Stottern befreit!«, lauten sie.
Wenn einem stotternden Kind in einer Kindergruppe ein Wollknäuel in die Hand
gedrückt und gesagt wird: »Stell dir vor, das wäre dein Stottern, was möchtest du mit
deinem Stottern am liebsten machen?«, so ist oftmals die erste Reaktion: das Knäuel
wegwerfen, sich seiner entledigen, es treten, in den Mülleimer stecken, darauf hauen, es
verbrennen wollen …. Ich als Therapeutin rufe dann jedoch: »Halt, halt! Wir überlegen
es uns noch einmal! Das Knäuel hat dich so lange begleitet, kennt dich so gut, vielleicht
schauen wir es doch noch einmal gemeinsam an, vielleicht möchte oder kann es sich
von uns noch nicht so schnell verabschieden, vielleicht will es dir noch manches erzählen, was es über dich weiß, Geheimnisse verraten oder einen echten Abschied feiern?
Vielleicht hat es das als enger Begleiter verdient. Willst du ihm die Chance geben?«
So einfach ist sie nämlich nicht, die geradlinige Befreiung vom Stottern. Lange Jahre
Forschung haben gezeigt: Stottern lässt sich nicht generalisieren, auf einfache Erscheinungsformen oder auf einheitliche und eindeutige ätiologische Faktoren reduzieren.
Genauso wenig kann es einfache, eingleisige Konzepte geben. Die Komplexität und Individualität des Phänomens muss beachtet, die Breite und Vielfalt der möglichen Ergebnisse einer Therapie im kindlichen Alter, die ungeachtet des methodischen Vorgehens
von einem völligen Verschwinden aller Symptome bis hin zu einer therapieresistenten
Verschlimmerung über die Pubertät hinaus reichen kann, muss berücksichtigt werden.
Neben beachtenswerten, neueren deutschsprachigen Schriften zum kindlichen
Stottern stellt dieses Buch eine Fortsetzung und Steigerung in eine erwünschte, erfreuliche Richtung dar, die in den letzten Jahren für Praxis, Lehre und Forschung eingeschlagen worden ist. Diese Richtung führt zu einem bausteinartigen, flexiblen und nach
Bedarf einsetzbaren Aufbau der Therapie. Sie strebt danach, Methoden- und Schulenstreit zugunsten von individuell abgestimmten Möglichkeiten und Notwendigkeiten zu
überwinden.
Ein solcher aktueller therapeutischer Ansatz beim Stottern sollte nicht zur Entwertung von bestehenden Konzepten, zur Entwürdigung und Ablehnung von langjährigen
Erfahrungen, erprobten Methoden und fundierten Forschungsergebnissen verführen,
um den eigenen Ansatz hervorzuheben. Die Autorinnen dieses Buches erliegen dieser
VI
Geleitwort
Verführung an keiner Stelle – sie halten eine realitätsnahe Vieldeutigkeit aus und vermögen dennoch, eine diagnostisch und therapeutisch differenzierte und klare Vorgehensweise zu vermitteln. Eine solche Gratwanderung ist nicht leicht und daher besonders zu würdigen.
Ein buntes Nachschlagewerk, das bausteinartig und integrativ in vollem Wortsinn
ist, wird hier vorgelegt zum Wohle der Kinder und ihrer Angehörigen sowie für einen
Zuwachs an Kompetenz der Fachpersonen.
Dortmund im Juli 2004
Nitza Katz-Bernstein
Literatur:
Branik, E.: Zur Klinik, Therapie und psychosozialen Dimension der Aufmerksamkeitsdefizit- und
Hyperaktivitätsstörung (ADHS). In: SAL-Bulletin (Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Logopädie), Nr.111, März 2004, Zürich 2004 (1–16)
VII
Vorwort zur 2. Auflage
Wir freuen uns, Ihnen die zweite Auflage unseres Buches mit erweitertem Autorenteam
und in vollständig überarbeiteter Form präsentieren zu können. Auf die wichtigsten
Neuerungen möchten wir Sie in diesem Vorwort aufmerksam machen.
Im Zuge der aktuellen Entwicklungen im Gesundheitswesen wird die Forderung
nach nachweisbar effizienter Therapie immer lauter. Mit dieser Tatsache sehen sich auch
Stottertherapeutinnen konfrontiert. Das stellt viele vor die Frage, was eine erfolgreiche
Therapie eigentlich ausmacht. Wenn sich die Stotterrate nicht reduziert, heißt das dann
automatisch, dass die Therapie erfolglos war? Welches sind die Kriterien für eine qualitativ gute Therapie? Dieses Buch widmet sich in zwei neuen Kapiteln der Beantwortung
dieser zentralen Fragen.
Kapitel 3 beschreibt ausführlich die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit und Gesundheit (ICF) und wendet diese praxisnah auf den stottertherapeutischen
Bereich an. Dadurch wird deutlich, dass neben der Stotterrate viele weitere Faktoren als
Indizien für eine erfolgreiche Stottertherapie herangezogen werden können. Das stotternde Kind rückt als ganzer Mensch – mit seinen individuellen Lebensbedingungen –
in den Vordergrund. Die ICF und ihre Grundsätze wurden deutlicher als bisher in das
Anamnese- und das Diagnostikkapitel eingearbeitet. Dabei entstand der neue Fragebogen »Stolperstein«, der die Auswirkungen des Stotterns untersucht und je nach Alter
der Kinder zur direkten Befragung oder zur Befragung der Eltern genutzt werden kann
(Kapitel 5.4.5).
Kapitel 11 beschäftigt sich mit der Qualitätssicherung in der Stottertherapie und formuliert, welche Bestandteile eine qualitativ hochwertige Therapie erfüllen kann und
sollte.
Ansonsten wurde das bewährte Konzept dieser Buchreihe beibehalten. Es stellt
einen Überblick über therapeutische Ansätze und Methoden zur Verfügung und setzt
diese praxisnah, teilweise modifiziert und erweitert in Therapiebausteine um. Wichtige
Grundlage für die Therapie sind die neuesten Ergebnisse der Forschung, welche in Kapitel 2 dargestellt werden. Der aktuelle Forschungsstand zeigt, dass die »Fluency-ShapingTherapie« bei stotternden Kindern sehr effektiv sein kann. Aus diesem Grund wird in
Kapitel 6.5 ein größerer Schwerpunkt auf diese Methode gelegt als in der Erstauflage.
Noch an vielen weiteren Stellen wurde die Erstauflage aktualisiert und erweitert. Besonders zu erwähnen ist das neue Angebot für unsere Leser: ein Downloadbereich auf der Verlagshomepage mit der Möglichkeit, alle Kopiervorlagen auszudrucken.
Zusätzlich steht dort umfangreiches, stotterspezifisches Therapiematerial bereit. Besonders freuen wir uns auch, dass wir Ihnen CountBasic, ein Programm zur einfachen Messung der Stotterrate per Mouse-Click zur Verfügung stellen können.
Unser Dank geht zuallererst an Manfred Maurer, der engagiert und ausdauernd das
Programm CountBasic und die Tabelle zur Darstellung der Stotterrate im Verlauf programmiert und geduldig all unsere Wünsche umgesetzt hat. Dr. Anne Hearne danken
wir für fachspezifische und bereichernde Diskussionen, Dr. Alexander Wolff zu Gudenberg für die vertrauensvolle Überlassung unveröffentlichten Materials und René Mittrach für die fachliche Beratung hinsichtlich der ICF.
Vielen Dank auch an unsere Familien für ihre Geduld.
Schließlich ein herzliches Dankeschön an Frau Botsch und Frau Bauer im Lektorat.
Claudia Ochsenkühn, Monika M. Thiel, Caroline Ewerbeck
Im Oktober 2009
VIII
Kein Rezeptbuch
Wenn Eltern stotternder Kinder zur Therapeutin kommen, wollen sie verständlicherweise für ihr Kind die beste, wirksamste Therapie von allen. Aber welche ist denn das?
Ist es Modifikation, Fluency Shaping, Atemtherapie oder doch Spieltherapie?
Während es in anderen logopädischen Bereichen gar keine Frage ist, dass verschiedene
Methoden kombiniert werden dürfen (man denke dabei nur an die Stimmtherapie oder
den Bereich Kindersprache), wird bei der Behandlung des kindlichen Stotterns bedauerlicherweise immer noch vehement für oder gegen bestimmte therapeutische Schulen
gekämpft. Letztlich stößt aber jedes starre Konzept in der therapeutischen Praxis auf
Grenzen. Einen allgemein gültigen »besten« Ansatz gibt es nicht, es kann immer nur um
die optimale individuelle Methodenkombination für ein Kind und seine Familie gehen.
Genau dafür möchten wir das »Rüstzeug« anbieten.
In einer Zeit, in der sich alle Welt vernetzt, interkultureller Austausch unser Leben
bestimmt, und Manager freiwillig Selbsterfahrungsseminare besuchen, wird es glücklicherweise leichter, Grenzen aufzuweichen und neue Lösungen zu finden. Und so ist
unser Anliegen auch ein zeitgemäßes, vielseitiges Therapiekonzept: eines, das flexibel
genug ist, sich auf unterschiedlichste individuelle, soziale, kulturelle und dispositionelle
Anforderungen einzustellen. Voraussetzung hierzu ist zum einen eine gründliche Eingangsdiagnostik, die Hypothesen über individuelle Risikofaktoren hervorbringt und
die Basis zur Auswahl von Therapiebausteinen bildet. Zum anderen ist die Kontrolle
des Therapieverlaufs im Sinne der Qualitätssicherung und damit auch zur Überprüfung der Wahl der therapeutischen Mittel unerlässlich. Denn bei aller Methodenvielfalt ist es erforderlich, dass der Überblick über den »Therapiefahrplan« kontinuierlich
gewährleistet bleibt, um sich nicht unversehens im Netz der ausgewählten Methoden
zu verheddern.
Dieses Buch ist kein »Rezeptbuch«. Es bietet vielmehr einen Überblick über therapeutische Ansätze und Methoden. Im Praxisteil fließen bewährte Elemente bereits bekannter
Konzepte und neue Aspekte in einer methodenübergreifenden Darstellung der relevanten Therapiebausteine zusammen. Das Buch hilft, die geeigneten Therapiebausteine auszuwählen und dabei individuelle Prioritäten zu setzen. Es will Mut machen, die große
Vielfalt der Vorgehensweisen zu entdecken, auszuprobieren und die eigene Arbeit zu
bereichern.
Eine Reihe von Menschen unterstützte uns bei der Verwirklichung dieses Projektes.
Unser besonderer Dank gilt Sabine Hammer, Sonja Stolp und Martina Schäfer für ihre
fachliche Beratung und kontinuierliche moralische Unterstützung, Sabine Hammer
zudem für ihre Grafik. Ein ausdrücklicher und herzlicher Dank geht an Brigitte Sohl,
ohne die dieses Buch nicht fertig gestellt worden wäre.
Unseren Freunden und Familien, die uns trotz der langen Phasen der Abwesenheit
die Treue hielten, die uns ermutigten und sich unzählige Male die gleichen Geschichten anhören mussten: Danke, das werden wir nicht vergessen. Danke, Alex Bär für seine
Nervenstärke und Danke, Luis und Jakob Ochsenkühn für den Langmut mit ihrer Mutter.
Für ihre zahlreichen engagierten Fragen und Anregungen sowie für die Entwicklung
des Nachsprechtextes ein herzliches Dankeschön den vielen Studierenden der Logopädie und den vielen, vielen stotternden Jungs und einigen Mädchen, die uns immer wieder zeigten, wo es lang geht!
IX
Kein Rezeptbuch
Hans Thiel, Caroline Ewerbeck, Katja Schroff und Lisa Foster danken wir für ihre
hervorragende Unterstützung beim Korrekturlesen und natürlich ein dickes »Danke«
an Frau Botsch und Frau Bauer im Lektorat für ihre anhaltende Geduld und an Frau
Sporns für die gute Zusammenarbeit beim Copy-Editing.
Claudia Ochsenkühn und Monika M. Thiel
München, im Januar 2004
Hinweis: Um alle Therapeutinnen anzusprechen, die sich mit dem Störungsbild
»kindliches Stottern« befassen, sprechen wir in vorliegender Auflage von der
Sprachtherapeutin oder Stottertherapeutin statt von der Logopädin. Damit möchten
wir zudem untermauern, dass jede der sprachtherapeutischen Berufsgruppen ihre
besonderen Stärken hat, die Beachtung und Wertschätzung verdienen. Gelingt es
den beteiligten Berufsgruppen, einander an ihren spezifischen Fähigkeiten und
Kenntnissen teilhaben zu lassen, kommt dies mit Sicherheit auch der Qualität der
Stottertherapie zugute.
Im Sinne der Lesbarkeit wird auch in dieser Auflage darauf verzichtet, beide
Geschlechterformen zu nennen und – aufgrund der Überzahl an Therapeutinnen –
die weibliche Variante verwendet.
XI
Inhalt
1
1.1
1.2
1.3
1.3.1
1.3.2
1.3.3.
1.3.4
1.4
1.4.1
1.4.2
1.4.3
1.5
1.5.1
1.5.2
1.5.3
1.5.4
1.5.5
1.6
1.6.1
1.6.2
1.6.3
1.6.4
Klinik des Stotterns. . . . . . . . . . . .
1
Versuch einer Definition . . . . . . . . .
2
Häufigkeit und Verbreitung . . . . . . .
3
Unterscheidung und Definition von
Kern- und Begleitsymptomen . . . . . .
3
Abkehr von überholten Begriffen . . . .
3
Funktionelle Unflüssigkeiten vs.
Symptomatische Unflüssigkeiten . . . .
3
Kernsymptomatik . . . . . . . . . . . . .
4
Begleitsymptomatik und
Copingstrategien . . . . . . . . . . . . .
4
Sprachliche Ebene . . . . . . . . . . . . .
5
Nicht-sprachliche Ebene . . . . . . . . .
6
Psychische Ebene . . . . . . . . . . . . .
6
Abgrenzung Sprechunflüssigkeiten –
beginnendes Stottern – Stottern . . . . .
7
Altersgemäße Sprechunflüssigkeiten . .
7
Beginnendes Stottern . . . . . . . . . . .
8
Beginn . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8
Symptomatik . . . . . . . . . . . . . . . .
9
Warnsignale . . . . . . . . . . . . . . . .
9
Differenzialdiagnose: entwicklungsbedingte
Unflüssigkeiten – beginnendes Stottern. 10
Manifestes Stottern . . . . . . . . . . . . 11
Abgrenzung gegen andere
Auffälligkeiten des Redeflusses . . . . . 11
Poltern (Cluttering) . . . . . . . . . . . . 11
Definition und Ätiologie . . . . . . . . . 12
Symptomatik des Polterns . . . . . . . . 12
Tachylalie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
Neurogenes Stottern. . . . . . . . . . . . 13
Wortfindungsstörungen . . . . . . . . . 14
Verbale Entwicklungsdyspraxie . . . . . 14
Strukturelle Gemeinsamkeiten des
Stotterns . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
Konsistenzeffekt . . . . . . . . . . . . . . 14
Definition. . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
Adaptationseffekt . . . . . . . . . . . . . 15
Definition. . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
Kommunikationsverantwortlichkeit . . 15
Interne Anforderungen . . . . . . . . . . 16
Anforderungen durch die Umwelt . . . 16
Inhaltliche Anforderungen . . . . . . . . 17
Prosodie und sprachliche Komplexität . 17
Einfluss motorischer Elemente auf
den Redefluss . . . . . . . . . . . . . . . 17
2
2.1
2.1.1
2.1.2
2.2
2.2.1
2.2.2
2.3
2.3.1
2.3.2
2.3.3
2.3.4
2.3.5
2.3.6
2.3.7
3
3.1
3.1.1
3.1.2
3.1.3
3.1.4
3.2
3.2.1
Wie entsteht Stottern? . . . . . . . . .
Aktueller Forschungsstand . . . . . . . .
Entstehungstheorien im Spiegel ihrer
Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Aktuelle Forschungsschwerpunkte und
-ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . .
Modell zur multifaktoriellen
Verursachung . . . . . . . . . . . . . . .
Was soll man sich unter der Disposition
vorstellen? . . . . . . . . . . . . . . . . .
Modell zum Zusammenwirken der
verschiedenen Faktoren. . . . . . . . . .
Das Anforderungsund Kapazitäten-Modell . . . . . . . . .
Faktoren, die zusammen mit Stottern
beobachtet werden können . . . . . . . .
Familiäre Häufung und genetische
Komponente . . . . . . . . . . . . . . . .
Störung der zentralen
Wahrnehmungsentwicklung . . . . . . .
Umstellung von auditivem
auf kinästhetisches Feedback . . . . . .
Gestörte Timing-Prozesse . . . . . . . .
Zusammenhang mit psycholinguistischen Fähigkeiten . . . . . . . .
Stottern ohne Auffälligkeiten
der Sprachentwicklung . . . . . . . . . .
Stottern und
Sprachentwicklungsverzögerung. . . . .
Störungen der psychosozialen
Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . .
Persönlichkeitsmerkmale . . . . . . . . .
Psychosoziale Interaktionsstörung. . . .
Resultierende Risikofaktoren. . . . . . .
Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19
20
ICF – Ein Denkmodell mit System. . .
Vorteile und Ziele der ICF-basierten
Stottertherapie . . . . . . . . . . . . . . .
Ressourcenorientierung. . . . . . . . . .
Gemeinsame Sprache . . . . . . . . . . .
Übergreifende Zielsetzung . . . . . . . .
Standardisierte Beschreibungen . . . . .
Was ist die ICF? . . . . . . . . . . . . . .
ICF, ICD und ICIDH – den Durchblick
behalten. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35
20
20
21
21
22
23
24
25
26
26
28
29
29
29
30
31
31
32
33
36
36
36
36
36
37
37
XII
Inhalt
3.2.2
Wichtige Begrifflichkeiten und
Zusammenhänge . . . . . . . . . . . . .
Konzepte der Körperfunktionen
und -strukturen . . . . . . . . . . . . . .
Konzept der Aktivitäten. . . . . . . . . .
Konzept der Teilhabe . . . . . . . . . . .
Kontextfaktoren . . . . . . . . . . . . . .
Aktuelle Bedeutung und Schwächen . .
Aktuelle Bedeutung der ICF
im Gesundheitswesen . . . . . . . . . . .
Schwächen der ICF . . . . . . . . . . . .
Anwendung der ICF in Diagnostik
und Therapie . . . . . . . . . . . . . . . .
ICF-orientierte Anamnese . . . . . . . .
ICF-orientierte Erstellung des Befundes .
ICF-orientierte Therapie . . . . . . . . .
3.2.3
3.3
3.3.1
3.3.2
3.3.3
4
4.1
4.1.1
4.1.2
4.2
4.2.1
4.2.2
4.2.3
4.2.4
4.2.5
4.2.6
4.2.7
4.3
4.3.1
4.3.2
5
5.1
5.2
5.2.1
38
38
39
40
41
42
42
43
5.3
5.4
5.4.1
5.4.2
44
44
44
47
Anamneseerhebung . . . . . . . . . . . 49
Situation des Erstgespräches . . . . . . . 50
Elemente und Funktionen des
Erstgespräches . . . . . . . . . . . . . . . 50
Mit welchen Gefühlen und Fragen
kommen die Eltern zum Erstgespräch? . 50
Anamnesefragebogen . . . . . . . . . . . 51
Beschreibung der aktuellen
Symptomatik, Variabilität und Verlauf . 52
Umgang des Kindes und der Umwelt
mit dem Stottern. . . . . . . . . . . . . . 52
Reaktion des Kindes: Störungsbewusstsein
und Copingstrategien . . . . . . . . . . . 53
Reaktionen der Umwelt . . . . . . . . . . 54
Fragen zur emotionalen Konstitution
und zum Verhalten . . . . . . . . . . . . 55
Fragen zu Aktivität und Teilhabe . . . . 55
Fragen zur kindlichen
Allgemeinentwicklung . . . . . . . . . . 56
Familienanamnese. . . . . . . . . . . . . 57
Klärung der Therapiemotivation mit
Eltern und Kind . . . . . . . . . . . . . . 57
Die Anamnese bei unterschiedlichen
Altersstufen . . . . . . . . . . . . . . . . 59
Anwesenheit des Kindes – ja oder nein? . 59
Themen des Erstgespräches mit dem
stotternden Kind. . . . . . . . . . . . . . 60
Befunderhebung . . . . . . . . . . . . .
Erstdiagnostik als Grundlage der
Therapieplanung. . . . . . . . . . . . . .
Arbeitsprinzipien . . . . . . . . . . . . .
Ressourcenorientierte Diagnostik und
Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.2.2
5.2.3
5.2.4
61
62
62
62
5.4.3
5.4.4
5.4.5
5.5
5.5.1
5.5.2
5.6
5.7
6
6.1
Der Umgang mit dem Tabu Stottern. . .
Die enge Orientierung am Kind . . . . .
Durchführung und Dokumentation der
Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Befundbogen. . . . . . . . . . . . . . . .
Untersuchungsparameter und ihre
Relevanz für die Therapie . . . . . . . . .
Von der Diagnostik zur
Therapieplanung . . . . . . . . . . . . .
Untersuchung der verschiedenen
Sprechleistungsstufen . . . . . . . . . . .
Qualitative Untersuchung
der Sprechleistungsstufen. . . . . . . . .
Quantitative Auswertung
der Sprechproben: CountBasic . . . . . .
Methodisches Vorgehen
bei der Untersuchung
der Sprechleistungsstufen. . . . . . . . .
Überprüfung von Konsistenz
und Adaptation . . . . . . . . . . . . . .
Auswertung der erhobenen Daten . . . .
Differenzialdiagnose Poltern . . . . . . .
Kommunikationsverantwortlichkeit als
differenzialdiagnostisches Kriterium . .
Diagnostik des Mischbildes
Stottern – Poltern . . . . . . . . . . . . .
Beobachtung von Einflussfaktoren . . .
Beobachtung psychosozialer Aspekte . .
Verhaltensauffälligkeiten . . . . . . . . .
Eltern-Kind-Interaktion . . . . . . . . .
Der Einfluss der Sprachentwicklung . .
Einschätzung der motorischen
Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . .
Fragebögen zu den Auswirkungen des
Stotterns . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Beispielauswertung und Erstellung des
Befundes . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Auswertung der Stichprobe. . . . . . . .
Quantitative Erfassung . . . . . . . . . .
Qualitative Auswertung
und Interpretation . . . . . . . . . . . . .
Die Formulierung des Befundes . . . . .
Effiziente Methoden zur Überprüfung
der Symptomatik
bei Verlaufskontrollen . . . . . . . . . . .
Beratungsgespräch nach Anamnese
und Diagnostik . . . . . . . . . . . . . .
63
64
Ausgewählte Therapiekonzepte . . .
Direkte und indirekte Therapieansätze –
Eckpunkte der Stotterbehandlung . . . .
89
64
65
65
65
66
67
69
70
73
74
75
75
75
76
77
79
79
80
80
81
83
83
83
83
84
85
86
90
XIII
Inhalt
6.1.1
6.1.2
6.2
6.3
6.3.1
6.3.2
6.4
6.5
6.5.1
6.5.2
6.5.3
6.5.4
6.5.5
6.5.6
6.6
6.6.1
6.7
6.7.1
6.7.2
6.8
6.9
7
7.1.1
7.1.2
Indirekter Therapieansatz. . . . . . . . .
Direkter Therapieansatz . . . . . . . . .
Zeitliche Abfolge. . . . . . . . . . . . . .
Indikationskriterien für die Auswahl
des Therapieansatzes . . . . . . . . . . .
Vorbeugendes oder therapiebegleitendes
Elterntraining . . . . . . . . . . . . . . .
Präventivkonzept nach Irwin. . . . . . .
Berliner Gruppenelterntraining nach
Motsch und Schmidt (1996) . . . . . . .
Spieltherapeutisch geprägte
Sprachtherapie (Katz-Bernstein). . . . .
Fluency-Shaping-Programme . . . . . .
Beschreibung des Verfahrens. . . . . . .
Wann ist die Entscheidung für ein
Fluency Shaping sinnvoll? . . . . . . . .
Vor- und Nachteile von FluencyShaping-Programmen. . . . . . . . . . .
Die Kombination von FluencyShaping-Programmen mit
modifizierenden Verfahren . . . . . . . .
Beispiel für Fluency Shaping:
Das Lidcombe-Programm . . . . . . . .
Kasseler Stottertherapie und das
FRANKA-Konzept . . . . . . . . . . . .
Der Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die Inhalte . . . . . . . . . . . . . . . . .
Sprechtechniken – ein Überblick . . . .
Welche Technik passt zu welchem Kind?
Modifikationstherapie nach Dell und
van Riper . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . .
Sonderform: KIDS. . . . . . . . . . . . .
Neuere Trends in der Stottertherapie . .
Vielfältige Rahmenbedingungen:
ambulante oder stationäre Behandlung,
Intensivtherapien und
Intervallbehandlungen . . . . . . . . . .
Kriterien und Voraussetzungen für
die Therapie . . . . . . . . . . . . . . . .
Plädoyer für einen frühzeitigen
Therapiebeginn . . . . . . . . . . . . . .
Warum sollte die Therapie so früh
wie möglich einsetzen? . . . . . . . . . .
Welche Gegenargumente werden
gemeinhin angeführt?. . . . . . . . . . .
Gefahr der Entwicklung
von »Störungsbewusstsein«. . . . . . . .
Spontanremissionen . . . . . . . . . . .
Individuelle Gründe . . . . . . . . . . .
90
90
91
7.2
7.2.1
91
93
93
7.2.2
94
94
96
96
7.2.3
7.2.4
96
97
97
7.3
7.3.1
7.3.2
7.4
98
103
103
103
106
106
108
108
109
111
7.4.1
7.4.2
7.4.3
7.4.4
7.5
7.5.1
7.5.2
7.5.3
8
112
8.1
8.2
8.3
115
116
116
116
116
117
117
8.3.1
8.3.2
8.3.3
8.3.4
8.3.5
8.4
8.4.1
Indikationen . . . . . . . . . . . . . . . .
Vorschulkinder ohne Sprachstörungen,
deren Eltern besorgt sind . . . . . . . . .
Dilemma für die Therapeutin . . . . . .
Mögliche Therapiebausteine . . . . . . .
Entwicklungsbedingte Unflüssigkeiten .
Mögliche Therapiebausteine . . . . . . .
Kinder mit beginnendem Stottern,
deren Eltern nicht besorgt sind. . . . . .
Dilemma für die Therapeutin . . . . . .
Mögliche Therapiebausteine . . . . . . .
Kinder mit beginnendem Stottern, deren
Eltern besorgt sind . . . . . . . . . . . . . .
Mögliche Therapiebausteine . . . . . . .
Kinder mit beginnendem bis manifestem
Stottern, deren Eltern mäßig bis etwas
besorgt sind . . . . . . . . . . . . . . . . .
Mögliche Therapiebausteine . . . . . . .
Prognosefaktoren . . . . . . . . . . . . .
Verlaufsprognose . . . . . . . . . . . . .
Therapieprognose . . . . . . . . . . . . .
Therapeutische Grundhaltung
gegenüber Kind und Bezugspersonen . .
Einflüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Haltung gegenüber dem Kind . . . . . .
Haltung gegenüber den Eltern . . . . . .
Geteilte Verantwortung,
Zielvereinbarungen und Motivation. . .
Umgang mit dem Stottern in der
Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Akzeptanz des Stotterns durch die
Therapeutin . . . . . . . . . . . . . . . .
Sprechen über das Stottern . . . . . . . .
Unflüssige und flüssige Tage . . . . . . .
Therapiebausteine mit dem Kind und
ihre konkrete praktische Umsetzung.
Die Bausteine im Überblick . . . . . . .
Atemtherapie und Tonusregulation . . .
Körpersprache und rhythmischmelodischer Ausdruck . . . . . . . . . .
Blickkontakt und Turn taking . . . . . .
Rhythmisch-melodischer Ausdruck . . .
Körpersprache . . . . . . . . . . . . . . .
Sprechtempo . . . . . . . . . . . . . . . .
Analyse von Aufnahmen . . . . . . . . .
Synthese der Einzelaspekte . . . . . . . .
Emotionaler Ausdruck und kreatives
Gestalten . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Welche Rolle spielen Emotionen in der
Therapie des Stotterns? . . . . . . . . . .
117
118
118
118
118
118
119
119
119
119
120
120
120
120
120
121
121
121
122
122
123
125
125
126
126
127
129
130
132
132
132
133
134
134
135
135
135
XIV
Inhalt
8.4.2
Das Besondere dieses Bausteins . . . . .
Möglichkeiten und Grenzen
spieltherapeutischer Elemente in der
Logopädie . . . . . . . . . . . . . . . . .
Prinzipien für die Arbeit
am emotionalen Ausdruck . . . . . . . .
Einbeziehen der Eltern . . . . . . . . . .
Zulassen und Erleben von Schutz und
Geborgenheit
(die Phase des Urvertrauens) . . . . . . .
Ausagieren von Aggression und Wut
(die Phase der Autonomie) . . . . . . . .
Sich Abgrenzen – Verhandeln –
Nein-Sagen – sich Durchsetzen
(die Phase der Initiative) . . . . . . . . .
Förderung der Sprechfreude und
Abbau von Sprechängsten . . . . . . . .
Spiel mit »primärer Kommunikation« .
Desensibilisierung gegen
negative Reize . . . . . . . . . . . . . . . .
Prinzipien der Desensibilisierung . . . .
Desensibilisierung gegen
Unterbrechungen und ungünstiges
Zuhörerverhalten . . . . . . . . . . . . .
Reduzierung belastender Bewertungen
von Sprechunflüssigkeiten . . . . . . . .
Pseudostottern . . . . . . . . . . . . . .
Desensibilisierung gegen Fixierungen
und Blockierung . . . . . . . . . . . . .
Abbau von situativen Ängsten bei
Schulkindern und Jugendlichen . . . . .
Vielseitig einsetzbare Methoden in
der Phase der Desensibilisierung . . . .
Was tun, wenn .... . . . . . . . . . . . . .
Förderung der Eigen- und
Symptomwahrnehmung . . . . . . . . .
Grundlegendes bei der
Wahrnehmungsförderung . . . . . . . .
Eigenreflexion . . . . . . . . . . . . . . .
Was tun, wenn .... . . . . . . . . . . . . .
Modifikation des Stotterns und
Modeling . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Modifikation . . . . . . . . . . . . . . . .
Enge Verknüpfung zu
anderen Therapiebausteinen . . . . . . .
Die Nachbesserung –
Das Zielmodell im Mund des Kindes . .
Die Prolongation – Sprechtechnik
und Vorübung zum Pull-out . . . . . . .
Der Pull-out – Die Befreiung
aus dem Klemme . . . . . . . . . . . . .
8.4.3
8.4.4
8.4.5
8.5
8.5.1
8.5.2
8.5.3
8.5.4
8.5.5
8.5.6
8.5.7
8.6
8.6.1
8.7
8.7.1
136
136
137
137
138
8.7.2
139
8.8
141
143
143
143
144
8.8.1
8.8.2
8.8.3
8.8.4
8.8.5
8.8.6
8.9
145
145
145
Reduzierung der Anzahl
der Wiederholungen . . . . . . . . . . . 165
Veränderung von Dehnungen . . . . . . 166
Die Werkzeugkiste – Ein vielseitiges Spiel
zur Modifikation der Sprechweise . . . . 166
Die Ampel . . . . . . . . . . . . . . . . . 166
Abbau von Mitbewegungen . . . . . . . 168
Bearbeitung negativer Einstellungen . . 168
Rolle der Eltern . . . . . . . . . . . . . . 168
Modeling – Modifikation für kleine
Kinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
Bedeutung der Gruppentherapie und
des sozialen Lernens. . . . . . . . . . . . 169
Gruppe als Ort der Kommunikation . . 169
Gruppe als Katalysator . . . . . . . . . . 170
Wann ist eine Gruppe sinnvoll? . . . . . 170
Auf die Mischung kommt es an –
Hinweise zur Zusammenstellung
einer Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . 170
Welche Auswahlkriterien gibt es? . . . . 171
Inhalte der Gruppentherapie . . . . . . 172
Therapie des Polterns . . . . . . . . . . . 174
Aspekte der Poltertherapie . . . . . . . . 174
Prognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175
Übungen zur Verbesserung
der Artikulationsschärfe und Reduzierung
der Artikulationsrate . . . . . . . . . . . 175
150
9
150
151
154
9.1
9.2
155
9.2.1
155
158
158
9.2.2
159
159
159
160
9.2.3
9.3
161
162
9.3.1
9.3.2
Therapiebausteine für die Arbeit
mit den Bezugspersonen:
Beratung – Information – Training . .
Die Bausteine im Überblick . . . . . . .
Information zum Stottern und zu
beeinflussenden Faktoren. . . . . . . . .
Auseinandersetzung mit Diagnose und
Prognose . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die Frage nach den Ursachen . . . . . .
Was steht hinter diesen Vermutungen
und der Frage nach den Ursachen? . . .
Umgang mit den
Erklärungsversuchen . . . . . . . . . . .
Wie kann die Therapeutin
mit den Schuldgefühlen umgehen? . . .
Die Frage nach anderen, besonders
erfolgreichen Therapieformen . . . . . .
Aufzeigen einer Perspektive . . . . . . .
Hilfestellung zur Akzeptanz und zum
Umgang mit dem Stottern . . . . . . . .
Stottertagebuch . . . . . . . . . . . . . .
Metaphern und Analogien . . . . . . . .
177
179
180
180
180
181
181
181
181
181
182
182
183
XV
Inhalt
9.3.3
9.3.4
9.4
9.5
9.5.1
9.5.2
9.5.3
9.6
9.6.1
9.6.2
9.6.3
9.7
9.8
9.8.1
9.8.2
9.8.3
Gelassener Umgang mit dem Stottern. .
Körpersprachliche Signale . . . . . . . .
Systemischer Aspekt. . . . . . . . . . . .
Sprechen über das Stottern . . . . . . . .
Allgemeine Förderung des flüssigen
Sprechens. . . . . . . . . . . . . . . . . .
Reduktion von sozialem Stress . . . . . .
Emotionale Verunsicherung . . . . . . .
Förderung des Selbstvertrauens . . . . .
Kultur des Zuhörens
und des Gespräches . . . . . . . . . . . .
Aufregung und
kritische Lebensereignisse . . . . . . . .
Ruhe als zusätzliche
Leistung unter Stress . . . . . . . . . . .
Geschwisterrivalität . . . . . . . . . . . .
Leistungsdruck. . . . . . . . . . . . . . .
Demütigende Erfahrungen . . . . . . . .
Umgang mit Veränderungen
und neuen Situationen . . . . . . . . . .
Konflikte bezüglich Grenzen
und Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . .
Medienkonsum . . . . . . . . . . . . . .
Verhaltensauffälligkeiten . . . . . . . . .
Zeitlicher Stress . . . . . . . . . . . . . .
Umsetzung im Alltag . . . . . . . . . . .
Mobilisierung der Väter. . . . . . . . . .
Besondere Rolle der Väter . . . . . . . .
Was machen Väter anders? . . . . . . . .
Chancen durch Einbeziehen der Väter .
Sprachliches Kommunikationsverhalten
Reduzieren des Sprachniveaus und der
sprachlichen Komplexität. . . . . . . . .
Verzicht auf Sprechaufforderungen . . .
Sprechdruck . . . . . . . . . . . . . . . .
Aufregung . . . . . . . . . . . . . . . . .
Fragen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Gut gemeinte Ratschläge . . . . . . . . .
Kultur des Zuhörens. . . . . . . . . . . .
Feste Spiel- oder Gesprächszeit . . . . .
Besonderheit beim
Baustein Modifikation . . . . . . . . . .
Fluency Shaping durch die Eltern . . . .
Was tun wenn ...? . . . . . . . . . . . . .
Erarbeitung der Bausteine in
Elterngruppentrainings . . . . . . . . . .
Vorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . .
Auswertung von Videoaufnahmen . . .
Regeln für Rückmeldungen
aus der Gruppe. . . . . . . . . . . . . . .
184
184
184
184
9.9
185
185
186
186
10
Wann ist die Therapie beendet? . . .
10.1
Gute Gründe, eine Therapie zu beenden .
10.1.1 Die rechtzeitige Vorbereitung auf das
Ende der Therapie mit dem Kind . . . .
10.1.2 Die Chancen einer »endlichen«
Therapie für Jugendliche . . . . . . . . .
10.2 Nachsorge . . . . . . . . . . . . . . . . .
186
9.9.1
Zusammenarbeit mit Erzieherinnen
und Lehrerinnen. . . . . . . . . . . . . . 196
Informationsabend für Erzieherinnen
und Lehrerinnen . . . . . . . . . . . . . 196
199
200
200
201
201
186
11
186
186
187
188
188
188
188
189
189
189
190
190
190
191
191
12
12.2
12.2.1
12.2.2
12.3
191
192
192
192
192
192
192
192
12.4
12.5
12.6
12.7
193
193
193
194
194
195
195
196
12.8
12.9
12.10
12.11
Qualitätssicherung in der
Stottertherapie . . . . . . . . . . . . . .
Fachkompetenz . . . . . . . . . . . . . .
Sozial- und Selbstkompetenz. . . . . . .
ICF-Orientierung . . . . . . . . . . . . .
Evidenzbasiertes Arbeiten und (Selbst-)
Evaluation . . . . . . . . . . . . . . . . .
203
204
204
204
204
Anhang
Kopiervorlagen für die Praxis . . . . . 207
Anamnesefragebogen für Stottern
bei Kindern und Jugendlichen . . . . . . 209
Befundbogen für Stottern bei Kindern
und Jugendlichen . . . . . . . . . . . . . 215
Ergänzungsbogen für Klein- und
Vorschulkinder . . . . . . . . . . . . . . 218
Ergänzungsbogen für Schulkinder und
Jugendliche . . . . . . . . . . . . . . . . . 221
Protokoll zur quantitativen Auswertung
von Sprechproben ohne CountBasic . . . 223
Protokoll zur Verlaufsdiagnostik. . . . . 224
Grafik zur Veranschaulichung der
ermittelten Stotterraten verschiedener
Sprechleistungsstufen . . . . . . . . . . . 226
Leergrafik zur Darstellung der Stotterrate im
Therapieverlauf zum Ausfüllen
per Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225
Das Anforderungs- und KapazitätenModell zur individuellen Anpassung . . 227
Das Anforderungs- und KapazitätenModell (nach Starkweather) . . . . . . . 228
Tabelle Differenzialdiagnostik Stottern . 229
Stolperstein – Fragebogen zu den
Auswirkungen des Stotterns für Schüler . 230
Stolperstein – Auswertung des
Fragebogens zu den Auswirkungen
des Stotterns für Schüler . . . . . . . . . 233
XVI
Inhalt
12.12
Stolperstein-E: - Fragebogen zu den
Auswirkungen des Stotterns für Eltern
jüngerer Kinder . . . . . . . . . . . . . . 237
Stolperstein-E: Auswertung des Fragebogens
zu den Auswirkungen des Stotterns für
Eltern jüngerer Kinder . . . . . . . . . . 239
Merkblatt für Eltern . . . . . . . . . . . . 242
Merkblatt für Lehrerinnen . . . . . . . . 243
Merkblatt für Erzieherinnen . . . . . . . 245
Informationsabend für Erzieherinnen
und Lehrer . . . . . . . . . . . . . . . . . 247
Therapiebausteine mit dem Kind
in Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . 249
Therapiebausteine für die Arbeit
mit den Bezugspersonen:
Beratung – Information – Training . . . 250
12.13
12.14
12.15
12.16
12.17
12.18
12.19
13
Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251
14
Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . 259
Internet-Materialien . . . . . . . . . . . 264
1
Klinik des Stotterns
1.1
Versuch einer Definition
–2
1.2
Häufigkeit und Verbreitung
1.3
Unterscheidung und Definition von Kern- und
Begleitsymptomen – 3
1..3.1
Abke
ehr von überholten Begrriff
iffen
1.3.2
Fun
nk
nktionelle
Unflüssigkeite
en vss. Symptomatische Unflüssigk
gkeiten
n
1.3.3.
Ke
ernsymptomatik
1.3.4
Begleitsymptomatik und Co
Copingstrategien – 4
1.4
Abgrenzung Sprechunflüssigkeiten –
beginnendes Stottern – Stottern – 7
1.4.1
1
Altersgemäße Spre
echunflüssigkeiten
1.4
4.
4.2
Beginnendess Stotttern
1..4.3
Manifestes Stotttern
1.5
Abgrenzung gegen andere Auffälligkeiten des Redeflusses
1.5.1
Poltern (Clutttering) – 11
1.5.2
Tachylaalie
1.5.3
Neuro
ogen
nes Stottern – 13
1.5.4
Worttfi
find
dungsstörungen
1.5.5
Verb
bale Entwicklungsdyspra
raxie
e
1.6
Strukturelle Gemeinsamkeiten des Stotterns – 14
1.6.1
Ko
onsisstenzeffekt
1.6.2
Adap
ptationseffekt
1.6.3
Kom
mmunikationsveranttwo
ortlichkeit
1.6.4
Einfl
fluss motorischer Ele
eme
ente auf den Rede
efluss
–3
–3
–3
–4
–7
–8
– 11
– 12
– 14
– 14
– 14
– 15
5
– 15
– 17
7
– 11
2
Kapitel 1 · Klinik des Stotterns
7
Stottern ist kein einheitliches Krankheitsbild, sondern ein Syndrom, das sich aus individuell sehr unterschiedlichen sprachlichen, motorischen und psychosozialen Symptomen zusammensetzt. Die Redewendung »Wenn zwei das Gleiche tun, ist es noch lange
nicht dasselbe« hat für das Störungsbild Stottern große
Gültigkeit. Unterschiedliche Lern- und Entwicklungsgeschichten beeinflussen die Ausformung der Symptomatik erheblich. So ist das Erscheinungsbild trotz
vieler Gemeinsamkeiten individuell sehr verschieden,
da selbst gleiche Symptome verschiedenartige Ursachen haben können. Die folgenden Kapitel bilden mit
der Beschreibung von Symptomen und Regelhaftigkeiten des Stotterns sowie der Abgrenzung zu anderen Störungen des Redeflusses die Grundlage der Diagnostik und der am Einzelfall orientierten Therapieplanung.
8
1.1
1
2
3
4
5
6
9
10
Versuch einer Definition
Stottern ist kein ein
einheitliliche
c s Krankh
kheitsbild,
d, sondern
der
n ein
ein Syn
Syndrom, das
ass si
s ch au
aus individ
duell seh
hr
hr
unterschiedlich
ichen
e sprach
en
hlic
li hen
n, motoris
ischen
und
d psych
psychosozialen
en Sy
S mpto
om n zusamm
omen
mensetzt
zt.
zt
13
14
15
16
Vielfältige Auffälligkeiten. Stottern ist eine intermittierend auftretende Störung des Sprechablaufs, die
bei längerem Bestehen die gesamte Kommunikation
und Sozialisation des Stotternden stark beeinträchtigen kann.
Auffälligkeiten im Redefluss. Die Rede ist gekennzeichnet von häufigen Unterbrechungen durch Wiederholungen, Dehnungen oder völligen Blockierungen
von Lauten, Silben und Wörtern. Die Sprechunflüssigkeiten können in Begleitung anderer Auffälligkeiten auftreten, welche die Kommunikation und die
Lebensqualität des Stotternden zusätzlich stören.
17
18
19
20
21
Psychosoziale Einschränkungen. Auch im Bereich
psychosozialer Fähigkeiten kommt es möglicherweise
zu deutlichen Beeinträchtigungen. Eine große Rolle
spielt hierbei ein durch spezifische Ängste verursachtes sprachliches und situatives Vermeideverhalten,
mit dessen Hilfe unangenehme Momente entweder
vermieden oder erträglicher gemacht werden sollen.
Diese Verhaltensweisen haben häufig eine zunehmende soziale Isolation des Stotternden zur Folge. In
. Übersicht 1.1 sind die möglichen betroffenen Teilbereiche zusammenfassend dargestellt.
> Beachte
11
12
. Üb
bersicht 1.1
1
Mögllicche
h Auffällig
gkeiten in
nnerhalb
a dess Syndroms
ms Stottern
4 Stö
törrung der Re
ede
4 Sprracchliche Phään
nom
omene
4 Auff
ffäll
ä igk
ig eiten im Be
Berreic
ei h nonverbaler Kom
mmunika
katio
ion
4 Mitbewegu
egunge
ng n
4 Psychosozial
ale
e Auffä
uff lligkeiten
Gestörte Kommunikation. Dazu gehören sowohl
sprachliche Phänomene (z. B. der Einsatz von Füllwörtern, das Weglassen, Ersetzen oder Hinzufügen
einzelner Laute und Wörter) als auch nichtsprachliche Erscheinungen wie Mitbewegungen des Gesichtes (z. B. Blinzeln, Tremore der Lippen, des Kiefers
und der Wangen) und des Oberkörpers sowie Veränderungen der Atmung. Reduzierte Gestikk und Mimik
können die nonverbale Kommunikation behindern.
Bei länger bestehender und fortgeschrittener Ausformung der Symptomatik gerät bei vielen Stotternden
dann im Jugendlichen- und Erwachsenenalter die gesamte Lebensgestaltung zunehmend unter das Diktat des Stotterns, sodass die Auswirkungen des Stotterns oft bedeutsamer sind als die Sprechunflüssigkeiten selbst.
Flüssige und unflüssige Phasen können einander
abwechseln. Die Symptomatik ist häufig von äußeren
Faktoren abhängig. So können sich bestimmte Situationen, wie z. B. Telefonieren oder Hektik, negativ auf
den Redefluss auswirken. Auch interne Faktoren wie
die subjektiv erlebte oder tatsächliche Kommunikationsverantwortlichkeit haben Einfluss auf das Stottern
(7 Kap. 1.6.3).
3
1.3 · Unterscheidung und Definition von Kern- und Begleitsymptomen
Fazit
4 Ein
ne einheitliiche
h Definiition de
des Stottterns ist
au
ufgru
g nd derr Ko
Komplexittät
ä der Störung un
nd
ihrrer vielfältige
en Ursachenkon
ko stellatio
kon
tio
ion
nen
ersscchw
hwert.
4 Stotte
tern
rn ist in der Reg
ege
el kein konstantes Ph
hänomen
n, sond
o ern tritt situa
uativ
t v in un
unter
tersc
sch
hied
iedlicher Ausp
sprrägu
äg ng auf.
4 Betroffen istt di
d e ges
ge amte Kommunikation.
1.2
Häufigkeit und Verbreitung
Bei aller individu
duell
el en Sym
ell
ymptomatikk zeigt das
as
Syndro
Syn
drom
m Stot
St tern doch
och
ch auch statistisch
c belegt
gte
gt
Gemeinsamkei
keiten
te
en. Diese
e Daten
n können
n beglei-tend
d zur
zur Elternberatu
attung verrwendet
d werd
den.
Spontanremissionen. In
der
Bundesrepublik
Deutschland weisen 3–5% aller Kinder, jedoch nur
noch 1% aller Erwachsenen eine Stottersymptomatik auf. Bei vielen Kindern kommt es, spontan oder
bedingt durch eine Therapie, zu einer Remission der
Störung. Johannsen (2001b) beschreibt jene Faktoren,
die eine Rückbildung der Symptomatik erschweren:
4 früher Beginn des Stotterns, ohne vorherige
Phase flüssigen Sprechens, bei ansonsten weitgehend unauffälliger Sprachentwicklung,
4 männliches Geschlecht,
4 weitere stotternde Familienmitglieder,
4 hartnäckige, schwer beeinflussbare Symptomatik,
4 Linkshändigkeit.
Das Verhältnis von männlichen zu weiblichen Stotternden verschiebt sich von 3:1 in der Kindheit auf ca.
9:1 im Erwachsenenalter.
Physiologische Unflüssigkeiten. Etwa 80% aller
Kinder (vgl. Böhme 2003, S. 123; Johannsen u. Johannsen 1998, S. 478) machen eine Phase mehr oder minder ausgeprägter physiologischer Unflüssigkeit im
Rahmen ihrer Sprachentwicklung mit, die sich nach
wenigen Wochen bis Monaten wieder legt.
Frühe Entstehung. 66% aller Stotternden entwickeln die Störung bis zum 6. Lebensjahr (vgl. Wirth
2000). Auch der Eintritt in die Pubertät gilt als kritische Phase zur Entstehung von Stottern. Erwachsene
1
beginnen sehr selten zu stottern. Die Ursachen hierfür dürften überwiegend neurogener oder psychogener Natur sein.
Fazit
4 Stotterrn entstehtt mei
m st in
n der
d sensiblen
n
Phase des Sprache
herwe
r rbes.
4 In dieserr Phase komm
mmt
mt es eher zu Spontan
nremission
re
ne
en
n.
Unterscheidung und Definition
von Kern- und Begleitsymptomen
1.3
Die Klassifikation auftretender Sy
Sympt
m ome istt für
ü
Diagnostik, Therap
piep
ieplanung sowie zu
zur prognosstische
ti
h n Beur
B rtei
teilun
lu g gleiche
chermaßen relev
evant. In
diesem Kapitel ist neben
be einer
er Auseinander
ersetzung
zun
g mit der Te
T rminologiie eine
e
ge
genaue Bescchre
h ibung von Kern- und
u Begleitsym
ymptom
ym
omen zu finden.
1.3.1
Abkehr von überholten Begriffen
Lange Jahre wurden die Begriffe Primär- und Sekundärsymptomatik zur Beschreibung des Stotterns verwendet. Diese Nomenklatur wird in der neueren Fachliteratur (z. B. Sandrieser u. Schneider 2008, Ochsenkühn u. Thiel 2005) übereinstimmend als nicht mehr
haltbar beschrieben, da Beobachtungen von Entwicklungsverläufen keine zwingende Reihenfolge der Entstehung von Symptomen belegen konnten (z. B. Ambrose u. Yairi 1999, Onslow u. Packman 1999b). Aus
diesem Grund werden inzwischen die Begriffe Kernund Begleitsymptomatik (7 Kap. 1.3.3 und 1.3.4) präferiert. Auch wird auf die Begriffe »klonisches« und
»tonisches« Stottern zugunsten einer qualitativen
Beschreibung von Stotterereignissen verzichtet.
1.3.2
Funktionelle Unflüssigkeiten vs.
Symptomatische Unflüssigkeiten
Nicht jede auftretende Sprechunflüssigkeit ist als Stottersymptom zu bewerten. Funktionelle Unflüssigkeiten entstehen meist als Folge von Unregelmäßigkeiten
in der Sprach-Handlungs-Planung. Sie dienen dabei
4
1
2
3
4
Kapitel 1 · Klinik des Stotterns
dem Zeitgewinn für den Wortabruf, der syntaktischen
Planung bzw. der gedanklichen Strukturierung der
Aussage und kommen bei allen Sprechern vor. Natürlich können diese Unflüssigkeiten auch bewusst eingesetzt werden, um nicht unterbrochen zu werden. Typische funktionelle Unflüssigkeiten sind Wiederholungen ganzer Phrasen oder die lockere Wiederholung
eines ganzen Wortes, der Einschub von Flicklauten
wie »ähm« aber auch Unflüssigkeiten, die in Folge von
Umstrukturierungen des Satzes während des Sprechens entstehen. Sie alle sind anstrengungsfrei, beein-
5
trächtigen das natürliche Zusammenspiel von Prosodie
und Sprechrhythmus nicht und wirken daher auf den
6
14
Zuhörer auch bei größerer Auftretenshäufigkeit nicht
unbedingt störend.
Symptomatische Unflüssigkeiten hingegen betreff
fen kleinere Einheiten: Es werden Silben und Laute
wiederholt, die ursprüngliche Form des Wortes geht
zunehmend verloren. Sie sind meist begleitet von mehr
oder weniger stark ausgeprägtem Anstrengungsverhalten. Symptomatische Unflüssigkeiten führen zur
für das Stottern typischen »Zertrümmerung« der Wortform. Verzögerungen, Dehnungen und Blockierungen
stören den Sprechrhythmus und -ablauf. Je nach Ausprägung kann sekundär auch die Sprechatmung mit
betroffen sein. Auf quantitativer Beschreibungsebene
spricht man erst von Stottern, wenn mehr als 3% der
gesprochenen Silben den symptomatischen Unflüssigkeiten zuzuordnen sind (Ambrose u. Yairi 1999).
So lange die auftretenden Unflüssigkeiten weniger als 3% der gesprochenen Silben betragen, sollten
der Qualität der Unflüssigkeiten sowie der Dauer der
Störung besonders große Aufmerksamkeit hinsichtlich der Differenzialdiagnose »beginnendes Stottern«
gewidmet werden (7 Kap. 1.4.2).
15
1.3.3.
7
8
9
10
11
12
13
16
17
18
19
20
21
Kernsymptomatik
Für die Diagnose Stottern relevante Symptome des
Redeflusses bezeichnet man als Kernsymptome. Sie
bestehen aus:
Ganzwortwiederholungen: wenn sie spannungsreich sind und mit schnellen Wiederholungen hervorgebracht werden (vgl. Ambrose u. Yairi 1999)
Teilwortwiederholungen: »Be-be-be-be-bestimmt
gewinne ich wieder!«
Iterationen von Lauten: »K-k-k-k-kann ich noch
was haben?
Lautdehnungen: »Sssssssiehst du das Auto da
unten?«
unfreiwilligen Blockierungen: » Ich b- - rauche noch
eine Schere.« Sie werden i. d. R. von großem Kraftein-
satz begleitet; oft mit sichtbarer Anspannung der an
der Artikulation beteiligten Muskulatur.
> Beachte
Da das Ausmaß der Beeinträchtigung des Sprechablaufes durch die Kernsymptome sehr unterschiedlich
sein kann, sollten sie stets durch Attribute wie »spannungsreich«, »eher locker« o. ä. und ggf. mit Hinweis auf ihre Häufigkeit näher beschrieben werden.
(7 Kap. 5.5.2)
1.3.4
Begleitsymptomatik und
Copingstrategien
Individuelle Symptomatik. Begleitende Auffälligkeiten entstehen aus dem Bedürfnis des Stotternden, die Kontrolle über seinen Sprechablauf wieder
zu erlangen und entwickeln sich individuell. Während man die unbewussten Bewältigungsreaktionen als Begleitsymptome bezeichnet, wird jegliches
bewusste und absichtliche Bewältigungsverhalten als
Copingstrategie bezeichnet. Dabei verlaufen nicht alle
Bewältigungsversuche gleichermaßen erfolgreich.
Einige dieser Kompensationsversuche erscheinen
zwar zunächst erfolgreich (z. B. Vermeidung unangenehmer Sprechsituationen), haben jedoch unmittelbar negative Konsequenzen für das Kind (z. B. soziale Isolation oder die Entwicklung von Sprechängsten). Positive Copingstrategien hingegen tragen zur
Verbesserung des Redeflusses bei, so z. B. die Verlangsamung des Sprechtempos oder weiche Stimmeinsätze. Eine eindeutige Unterscheidung von negativen
Copingstrategien und Begleitsymtomatik ist häufig
nicht möglich, da allein aus der Beobachtung selten
erkennbar ist, ob die Bewältigungsreaktion des Kindes auf seine Unflüssigkeiten bewusst gesteuert oder
durch zufällige, unbewusste Lernprozesse entstanden
ist. Tragfähige Hinweise auf das Vorhandensein von
Copingstrategien sind daher nur über konkrete Aussagen des Kindes, z. B. durch den Fragebogen »Stolperstein« (7 Kap. 5.4.5) zu gewinnen.
> Beachte
Während v. a. bei motorischen Begleitstörungen noch
nicht hinreichend geklärt ist, ob sie unabhängig von
der Kernsymptomatik entstehen können, spricht das
Vorhandensein negativer Copingstrategien eindeutig
für bewusste Ankämpfreaktionen gegen das Stottern
und damit für vorhandenes Störungsbewusstsein.
5
1.3 · Unterscheidung und Definition von Kern- und Begleitsymptomen
> Beachte
Eine synonyme Verwendung der Begriffe »Begleitsymptomatik« und »negative Copingstrategie« sollte
daher vermieden werden.
Zur genauen Erstellung des Befundes sollte nicht nur
beschrieben werden, was ein Stotternder macht, es
müssen auch Hypothesen gebildet und später überprüft werden, warum er sich auf diese Weise verhält.
Hieraus werden Ansatzpunkte für das therapeutische
Vorgehen entwickelt.
Die Beschreibung möglicher Begleitsymptome
und Copingstrategien folgt zur besseren Orientierung
dem Aufbau des Befundbogens. Eine Kopiervorlage
des Protokolls befindet sich im Internet.
Sprachliche Ebene
Embolophrasien und Embolophonien. Sie sind
sogenannte »Flickwörter« und »Flicklaute« und werden eingesetzt, um eine spannungsreiche Blockierung
so lange zu verzögern, bis das Wort evtl. flüssig oder
mit geringerer Anspannung gesprochen werden kann.
Sie sind somit eine Symptom des sog. Aufschubverhaltens. Beispiel: »hm«, »äh«, »nnnn«, »eben«, »also so«
aber auch sinnlose Lautfolgen wie »anga«, »obba« o.ä.
Werden die Füllwörter geschickt gesetzt, fallen sie teilweise erst bei genauerem Hinhören auf. Mitunter ist
ihre Abgrenzung von Startern schwierig.
Starter. Als Starter werden Silben, Wörter oder Redewendungen bezeichnet, die vom Stotternden relativ sicher flüssig gesprochen werden. Häufig werden
sie in Situationen erhöhten Sprechdrucks eingesetzt
und dienen als »Starthilfe« für schwierig empfundene
Wörter und Wortanfänge. Beispiel: »also, ich meine«,
»ich sag mal«.
Stop-and-go. Der Stop-and-go-Mechanismus bezeichnet einen Zyklus von mehrmaligen Anfängen und
Abbrüchen des Wortes nach der Blockade. Es kommt
dabei zu einem Zurückschnellen mit zum Teil sehr
hoher Geschwindigkeit. Ziel dieses Verhaltens ist das
Hinauszögern des Weitersprechens bis die Spannung
weitgehend reduziert und damit die eigentlich Blockierung überwunden werden kann. Z. B. »mein Lie-- mein
Lie-- mein Liii-- mein Lilliliee-- mein Liiieblingstier«;
Möglich sind auch Neuanfänge mit anderen Wörtern.
Beispiel: »Der D-d-d- der D-d-d-d-d- der Schulleiter«.
Eine starke Beschleunigung des Sprechtempos im Satz
wird als Propulsion bezeichnet.
1
Verbales Vermeiden. Verbales Vermeiden ist das
Ergebnis des Versuches, Blockaden sprachlich zu
umgehen. Dazu gehören der Ersatz von Wörtern oder
Satzteilen durch subjektiv einfacher auszusprechende
Wörter oder Phrasen, Satzabbrüche mit und ohne
Neustrukturierung und Umschreibungen.
> Beachte
Je besser der Wortschatz und die sprachlichen Fähigkeiten entwickelt sind, desto geschickter und unauff
fälliger kann vermieden werden (z. B. »meine T-- die
Schwester meiner Mutter«, »Der Mann, der die Post
bringt«).
Schwa-Laut. Der sog. Schwa-Laut (»Halbvokal«) tritt
bei Wiederholungen anstelle des Vokals auf. Er ist ein
wichtiger differenzialdiagnostischer Hinweis auf Stottern (7 Kap. 1.4.2), da nicht nur die Struktur des Wortes zerstört, sondern auch der Vokal selbst in seiner
Qualität verändert wird. Als Folge einer missglückten Koartikulation1 hat das Kind z. B. bei dem gestotterten Wort »H∂-H∂-Hand« das Ansatzrohr während
der Bildung des Lautes /h/ noch nicht auf die Vorbereitung des nachfolgenden Vokals /a/ eingestellt. Da
der Schwa-Laut mit geringerer Intensität gebildet wird
und daher leichter realisierbar ist, belässt das Kind
stattdessen die Artikulatoren in relativ neutraler Position (vgl. Randoll u. Jehle 1990, S. 140).
Additionen, Substitutionen und Elisionen. Trotz
gleicher Terminologie ist die hier beschriebene Veränderung der Aussprache nicht auf eine phonologische
Störung zurückzuführen. Vielmehr können sie der
Vermeidung schwieriger Laute oder Lautverbindungen dienen und treten normalerweise erst bei älteren
Kindern mit ausgeprägter Lautfurcht auf. Bei derartigen Veränderungen muss immer auch differenzialdiagnostisch an Poltern oder eine Polterkomponente
gedacht werden. Im Zusammenhang mit Poltern entstehen diese Symptome vor allem durch Flüchtigkeit
und durch eine mangelhafte Integration der am Sprechen beteiligten Komponenten (7 Kap. 1.5.1).
Auffälliges Sprechverhalten. Auffälliges Sprachverhalten kann bedeuten, dass ein Kind begonnen
1 Um ein flüssiges Sprechtempo zu gewährleisten, werden
die Laute eines Wortes physiologischerweise nicht einzeln
realisiert, sondern immer in Bezug auf den Folgelaut. So
verändert sich die Einstellung des Ansatzrohres bei der
Bildung des Lautes je nach folgendem Laut z. T. ganz entschieden.
6
Kapitel 1 · Klinik des Stotterns
6
hat, sich zurückzuziehen und nur noch in bestimmten, besser kontrollierbaren Situationen spricht bzw.
dass es Situationen, in denen es wenig sprechen
muss, bevorzugt. Andere Kinder hingegen verfallen auf das genaue Gegenteil: Sie werden zu »Dauersprechern« (vgl. Dell 1996), neben denen es schwer
ist, sich sprachlich durchzusetzen. Unterschiedliche
Gründe können das Kind zu diesem Verhalten veranlassen. Vielleicht glaubt es, nur so die Aufmerksamkeit
auf sich lenken zu können, oder es will einer Unterbrechung durch den Zuhörer zuvorkommen, da jeder
Neuanfang beim Sprechen ein erhöhtes Risiko zu stottern bedeutet. Auch der Einsatz künstlicher »Denkpausen« dient oft der Vermeidung und wird zum auff
fälligen Sprechverhalten gezählt.
7
> Beachte
1
2
3
4
5
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
Veränderungen im Bereich des Sprechverhaltens sind
oftmals bewusst gewählte Copingstrategien im Umgang mit auftauchenden Stottersymptomen.
Nicht-sprachliche Ebene
Mitbewegungen. Als Parakinesen bezeichnet man
Mitbewegungen der Extremitäten, des Oberkörpers
oder des Kopfes. Gestik und Gebärden werden häufig
durch Behelfshandlungen wie Fingerschnippen, auf
die Oberschenkel schlagen oder Ähnliches ersetzt. Bei
sehr ausgeformter Symptomatik ergeben sich manchmal ganze Abfolgen verschiedenster Mitbewegungen
beim Versuch, Blockaden zu überwinden. Wurde die
ursprüngliche Strategie unwirksam, kann eine neue
Mitbewegung hinzukommen. Bei Vorschulkindern
findet man eher selten Mitbewegungen, da die Redeflussstörung zur Ausformung mehrerer Mitbewegungen oftmals noch nicht lange genug besteht.
Tremore des Kiefers oder der Lippen, die infolge
erhöhter körperlicher Anspannung im Block entstehen, sind dagegen auch bereits bei jüngeren stotternden Kindern zu finden. Auch orale Geräusche wie
Schmatzen oder Schnalzen treten mitunter bei sehr
spannungsreichen Blockierungen auf und dienen dem
zeitlichen Aufschub oder als Starthilfe.
Veränderung des non-verbalen Kommunikationsverhaltens. Mimik und Gestik können als Reaktion
auf das Stottern reduziert oder übertrieben beobachtet werden. Die Haltung kann unnatürlich unbewegt
und starr wirken. Möglicherweise ist der Blickkontakt
nur im Block oder aber allgemein reduziert. Auch dies
ist ein Hinweis auf vorhandenes Störungsbewusstsein
und hat differenzialdiagnostische Bedeutung.
Vegetative Reaktionen. Erröten, Zittern, Schweißausbrüche, erhöhter Puls oder Magenschmerzen können infolge von erhöhtem Stress begleitend auftreten.
Stimmstörung. Infolge des allgemein erhöhten Körpertonus kann es zu einer hyperfunktionellen Stimmgebung kommen. Der Ventilton ist bei Blockaden mit
deutlich erhöhter Anspannung oft hörbar. Beim Glottisstopp wird die Stimmgebung während der Phonation unvermittelt auf Glottisebene abgeschnürt.
Suprasegmentale Elemente. Durch die Zunahme
der Anspannung während der Blockade kann es zu
einem Anstieg der Lautstärke und/oder der Tonhöhe kommen. Weiter kann es zu Veränderungen des
Sprechtempos, des Rhythmus und der Atmung kommen. Bei den Atemauffälligkeiten treten Atemvorschub (spannungsreiche, hörbare Ausatmung vor dem
Sprechbeginn), inspiratorisches Sprechen, Sprechen
auf Restluft aufgrund der Überziehung der Atemmittellage, Schnappatmung oder paradoxe Atembewegungen auf (7 Kap. 1.7.3, Abschn. »Prosodie und
sprachliche Komplexität«).
Psychische Ebene
Störungsbewusstsein und Leidensdruck. Das Vorhandensein von Störungsbewusstsein und ggf. von
Leidensdruck (7 Kap. 4.2.2) ist im Sinne der Differenzialdiagnose bezüglich beginnenden Stotterns und
Entwicklungsunflüssigkeiten von großer Bedeutung
(siehe auch 7 Kap. 1.4).
> Beachte
Störungsbewusstsein zeigt sich auf viele verschiedene Arten und äußert sich gerade bei Vorschulkindern in den seltensten Fällen durch eindeutige Äußerungen über das Stottern (7 Kap. 4.2.2, Abschn.
»Reaktion des Kindes: Störungsbewusstsein und Copingstrategien« sowie 7 5.4.4, Abschn. »Störungsbewusstsein und Leidensdruck«).
Eingeschränkte Frustrationstoleranz. Durch fortgesetzte negative Erfahrungen mit dem Redefluss kann
es zu einer allgemeinen Einschränkung der Frustrationstoleranz kommen. Die Erwartung vom Misserfolgen schwebt über dem Kind in allen anderen Bereichen. Es kann nicht verlieren, kann nicht abwarten
oder kann Grenzen nur schlecht akzeptieren.
Ängste. Manche Kinder werden allgemein ängstlich, entwickeln Wort- und Lautängste und/oder neigen zu situativem Vermeideverhalten indem sie z. B.
andere für sich sprechen lassen oder bestimmte Situ-
7
1.4 · Abgrenzung Sprechunflüssigkeiten – beginnendes Stottern – Stottern
ationen und Personen meiden. Sie trauen sich allgemein immer weniger zu und entwickeln infolgedessen
ein negatives Selbstkonzept.
Weitgehende soziale Einschränkungen. Bleiben
diese Symptome unbehandelt, werden sie sich zunehmend auf die Kontakte und damit auf die soziale Integration des Kindes auswirken. Möglicherweise wählt
sich das Kind seine Hobbys oder seinen späteren
Beruf allein nach dem Kriterium der sozialen Anforderung aus. Tatsächliche Interessen und Fähigkeiten
werden dabei nicht berücksichtigt.
Fazit
4 Syymp
ptomatische Unflüssigkkeiten besste
t he
en im Wesentlich
hen aus Te
Teilwortwiederh
e olun
nge
en, spannung
gsreichen
n Blockierung
gen
un
nd Dehnungen. Sie werden
n auch alss Kernsym
mpttome des Stott
ttterns bezeichnet.
4 Die Beg
egleitsymptomaatik
t kann sich auf der
spracchliichen, der nicht-spr
spr
prachlichen un
nd/
oder der emo
e tionalen Ebene man
anif
ifestieren
und präg
ägt das individuelle Erscheinungsbild
des Stotter
erns.
4 Bewusste Ver
ersuc
s he Unflüssigkeiten zu verändern werden als Cop
Co ing
ngstr
s ategien bezeich
chnet. Sie können sich pos
positi
i v oder negativv auf
d Redefluss auswirken.
den
Vor
or allem
em die psychische Ebene der Begleitsymptomat
atik sol
so lte wegen ihrer Bedeutung für die
Gesamtent
ntwicklu
klung des Kindes mit großer Sorgfalt beurteilt we
werden
n.
1.4
Abgrenzung Sprechunflüssigkeiten – beginnendes Stottern –
Stottern
Der differenzialdiagnostische Befu
ef nd zwischen
en
alters
alt
ersgem
gemäße
äßen
n Unflüssigkeiten, beg
ginn
in endem
und manifestem Stotte
ttern
r bestimmt die Au
A swahl
der therapeutis
tische
chen Methode
che
oden. Im Rahmen
en der
Verlaufskontrollen ist jede
ed Verän
nder
d ung des Befund
fun
des ei
ein mögl
mög icher Indika
kator
t fürr die
to
d Wirksamkeit der ausgewähl
äh
hlten
te Therapie
emet
m ho
oden (vgl.
7 Kap. 5.6).
1.4.1
1
Altersgemäße
Sprechunflüssigkeiten
Begriffsvielfalt. Synonym verwendet werden physiologische Disfluency, Entwicklungsunflüssigkeiten, frühkindliche Sprechunflüssigkeiten und frühe
Unflüssigkeiten. Von der Verwendung der Begriffe
»physiologisches Stottern« oder »Entwicklungsstottern« wird wegen der Implikation eines pathologischen Zustandes abgeraten. Gerade in der Elternberatung können derartige Begriffe zu Verwirrung und
Verunsicherung führen.
Unreifes Sprachsystem. Im Rahmen der kindlichen Sprachentwicklung kommt es im Alter von 2 bis
5 Jahren häufig zu funktionellen Unflüssigkeiten der
Rede, die auf die Unreife des gesamten Sprachsystems
zurückzuführen sind 7 Kap. 1.3.2. Um einen Satz zu
sagen, muss das kleine Kind viele, noch nicht gefestigte Einzelleistungen, wie z. B. Wortfindung, Satzplanung, artikulatorische Planung und schließlich die
motorische Realisation koordinieren. Daneben wirken auf das Kind unterschiedliche situative Anforderungen ein (7 Kap. 2). Es ist nahe liegend, dass ein
Vorschulkind dabei öfter »ins Stolpern« gerät als ein
Kind mit weitgehend abgeschlossener Sprachentwicklung.
Erscheinungsbild. Die Form des Wortes bleibt
erhalten. Es kommt zu anstrengungsfreien Satzteil-,
Wort- und gelegentlichen Silbenwiederholungen.
Die wiederholte Einheit ist somit relativ groß. Es treten Pausen, kurze, spannungsfreie Dehnungen (unter
1 Sekunde) und Interjektionen auf, die der Planung
dienen und den normalen Sprechfluss in Rhythmus
und Prosodie nicht stören. In der Regel dauert diese
Verunsicherung des Systems nicht wesentlich länger
als ca. 6 Monate.
i Tipp
Bei längerem Bestehen der in . Übersicht 1.2 beschriebenen Unflüssigkeiten sollte neben einer sorgfältigen Stotterdiagnostik auch die allgemeine Sprachentwicklung umfassend begutachtet werden, da
bestehende sprachliche Defizite für die auftretenden
Unflüssigkeiten verantwortlich sein können. Zur genaueren Beschreibung der einzelnen Faktoren vgl.
7 Kap. 2.3.4 sowie 7 Kap. 5.4.4, Abschn. »Der Einfluss der Sprachentwicklung«.
Konsequenzen der Diagnose. Werden Entwicklungsunflüssigkeiten diagnostiziert, sollte im Rahmen eines Elterngespräches auf mögliche Verunsiche-
8
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
Kapitel 1 · Klinik des Stotterns
. Übersicht 1.2
Kennzeichen funkt
kttioneller Unfl
flüssigkeite
en
4 Maximal 6 Wie
ederholunge
en je 100 Wörte
er 4 Wiederholung
g von Satzte
eilen und Wörterrn
(maximal 2-m
mal) weil, we
eil, weil ich ... 4 Gelegentliche
e Wiederholung von Silben (maximal 3-mal je Teilwortwie
ederholung): wewe-we-wenn 4 Auftreten von In
nterjektionen (max
maxiimal 3 je
100 Wörter) 4 Stille Pausen zur Or
Organisation der Äußerung
4 Vereinzelt spannungsfre
freie Dehnungen, kür
fre
ürür
ze
er als 1 Sekunde 4 Unv
nvollständige Sätze und Wörter im Sinne
e err Revision (maximal 3 je 100 Wörter) ein
4 Vo
Vorkom
mmen von maximal 3 verschiedenen
Forrmen
m de
d r hier genannten Sprechunflüssigkeitsttype
y n
Die oben besschr
c ieb
bene
e n Kriterien sind eine Zusammenstellung
g pra
p xissrel
re evanter Beobachtungen folgender Auto
oren
re : : Rand
andoll
oll u.
u Je
Jehle
hle 1990,
19
: Johnson (1989), : Wend
en landt 1998. Die hierr
zusammengetragenen Daten diene
nen
n ledi
lediglich als
Anhaltspunkte zur besseren Einschätzung und
stellen keine verbindlichen Schwellenwerte dar.
. Üb
bersicht 1.3
Krritissche Signale, diie engere Ko
Kontrollen von
En
ntw
wicklungsunflüsssigkeiten
n oder eine Ku
urzze
eitintervention erffordern
4 Die Auftretensh
häufigkeit der
d Symptomaatik
überschreitet diie oben gen
nannten Wer
erte.
4 Es sind mehr als 3 Sprechunfl
flüss
ü ig
gke
eitstypen zu beo
ob
obachten
(vgl. . Übersiccht 1.2).
4 Dass Kind zeigt weitere
e Auffälligkeiten in sei
eiei
ner Sprachentwicklung.
4 Ess lieg
gt eine familiäre Disposition für Stottern
n ode
er Sprachstörungen vor.
4 Das Ki
Kind befi
b ndet sich in einer problematischen
n fami
f miliä
l ren Situation (Trennung, Umzug, Tod, fin
finanzziel
i le Sorgen o. Ä.).
4 Eltern oder Kin
Kind werd
erden durch die auftretenden Sprechun
nflüs
fl sigkei
keiten
ten stark
stark beu
beunruhigt.
4 Auf die Familie wird von Personen des näheren Umfeldes (Erzieher, Großeltern, Freunde
e .) wegen der Unflüssigkeiten Druck ausetc
geü
eübt.
b
1.4.2
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
rungen eingegangen werden. Zur Veranschaulichung
kann hierbei die . Tabelle 1.1 »Gegenüberstellung
von altersgemäßen Unflüssigkeiten und beginnendem
Stottern« herangezogen werden.
i Tipp
Die Möglichkeit, bei Bedarf erneut Kontakt zur Therapeutin aufnehmen zu können, wirkt sich in den meisten Fällen auf die familiäre Situation entlastend aus
und beeinflusst damit die weitere Entwicklung der
Sprechunflüssigkeiten indirekt positiv.
> Beachte
Ist der Befund für die Therapeutin nicht eindeutig,
muss das Kind in jedem Fall in regelmäßigen Abständen betreut und beobachtet werden, bis eine klare Entscheidung gefällt werden kann. Als Indikatoren
für dieses Vorgehen sind die in . Übersicht 1.3 genannten kritischen Signale zu betrachten.
Beginnendes Stottern
Die Verwendung des Begriffes »beginnendes Stottern«
weist auf qualitative Unterschiede zu physiologischen
Unflüssigkeiten hin. Die Symptomatik ist in ihrem
Erscheinungsbild noch nicht eindeutig festgelegt: Es
treten altersgemäße Unflüssigkeiten gepaart mit echten Stottersymptomen auf. Die Dauer der bestehenden
Symptomatik sollte hierbei eine untergeordnete Rolle
spielen, da einige Kinder lange Zeit in diesem »Schwebezustand« verharren, während andere sehr schnell
eine eindeutige Stottersymptomatik entwickeln.
Beginn
Der Beginn des Stotterns ist nicht an einen bestimmten Zeitpunkt innerhalb der Sprachentwicklung
gebunden. Zwar zeigen die meisten Kinder eine
zunächst unauffällige Entwicklung des Redeflusses,
bevor sie zu stottern beginnen; dennoch gibt es immer
wieder Kinder, die bereits mit dem ersten Wort stottern. Hier ist mit großer Wahrscheinlichkeit eine organische Komponente anzunehmen, die jedoch in dieser
Altersgruppe meist nicht eindeutig geklärt werden
kann. Je weiter ein Kind in seiner Sprachentwicklung
fortgeschritten ist und je gefestigter die erworbenen
9
1.4 · Abgrenzung Sprechunflüssigkeiten – beginnendes Stottern – Stottern
1
. Tabelle 1.1. Gegenüberstellung von altersgemäßen Unflüssigkeiten und beginnendem Stottern
Symptomatik
physiologische Unflüssigkeiten
beginnendes Stottern
Wort- und Silbenwiederholungen
ja
ja
Lautwiederholungen
–
ja
stumme Blockaden
–
ja
Dehnungen
kurz und spannungsfrei
Spannung bemerkbar;
Dauer länger als 1 Sek.
Zahl der Unflüssigkeiten/
100 Wörter
symptomatische Unflüssigkeiten:
max. 3 und funktionelle Unflüssigkeiten: max. 6
über 3 symptomatische
Unflüssigkeiten
Pausen
ja, zur linguistischen Planung
ja, zur linguistischen Planung und
als Folge von Blockierungen der
Atmung und Artikulation
Atmung
unauffällig; Schnappatmung bei
engagiertem Erzählen
Atemauffälligkeiten vor oder im
Wort
Schwa-Laut
–
ja
Phonationsabbruch
–
ja
Veränderung des Sprechtempos
–
ja
Veränderung des
Sprechrhythmus
–
ja
Störungsbewusstsein
–
unklar
Begleitsymptomatik
–
–
Fähigkeiten sind, desto unwahrscheinlicher ist es, dass
das Kind noch zu stottern beginnt. Im späten Jugendlichen- und Erwachsenenalter entstandenes Stottern
findet sich häufig in Verbindung mit neurologischen
Grunderkrankungen (7 Kap. 1.5.3).
Symptomatik
Beim beginnenden Stottern dürfen alle Eigenheiten der
normalen Sprechunflüssigkeiten, jedoch nur wenige des
manifesten Stotterns vorkommen. Die Kennzeichen des
beginnenden Stotterns sind in . Übersicht 1.4 genau
aufgestellt.
Im Gegensatz zu Entwicklungsunflüssigkeiten
geht beim Stottern die natürliche Form der gesprochenen Wörter verloren 7 Kap. 1.3.2. Bei funktionellen Unflüssigkeiten werden Wortgrenzen beibehalten,
bei beginnendem Stottern kommt es zu symptomatischen Unflüssigkeiten: das Wort wird auch außerhalb seiner natürlichen Grenzen »zertrümmert«. Es
kommt zu Lautwiederholungen; bei Silbenwiederholungen kann aufgrund von Problemen der Koartikulation der Schwa-Laut eingeschoben werden. Auch
ein Abbruch der Phonation bei Vokalen, der sog.
Glottisstopp, gekennzeichnet mit // (z. B. Wi–Wi–
Wiese), spricht für beginnendes Stottern.
Warnsignale
Sowohl die Verwendung des Schwa-Lautes
(7 Kap. 1.3.4, Abschn. »Sprachliche Ebene«) als auch
des Glottisstopps sprechen für den Versuch des Kindes, bestehende Wiederholungen zu überwinden.
Diese Bemühungen stellen somit eine ungünstige
Copingstrategie für auftretende Unflüssigkeiten dar
und müssen unbedingt als Warnsignal verstanden werden.
Weiter kann es zu einer Steigerung der Anspannung beim Sprechen kommen, die sich in Dehnungen (maximal 1 Sekunde), in stummen Blockaden, in
10
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
Kapitel 1 · Klinik des Stotterns
. Üb
bersicht 1.4
Kenn
nzeichen des be
eginnenden
n Stotternss
4 Es sind mehr alss 3 Sprechu
unflüssigkeitstypen hörb
bar .
4 Es treten mehr als 3% sym
mptomatische Unflüssigkeiten au
uf .
4 Das Kind zeigt Ve
eränderunge
gen des Sp
Sprechrhythmus und des Sprechtempos bei
rh
Siilben- und Wortwi
wiederholungen.
wi
4 Es kommt zu Lautde
ehnu
h ngen (>1 Sekunde)
e))
, .
4 Be
Bei Wiederholungen wird der
er Schwa
Schwa
hwa-Laut
ein
ngeffügt
ü (m∂–m∂–meine Puppe) , , .
4 Das Ki
K nd
d produziert Glottisstopps (ge-gege-ge
geeesster
t n) und/oder stumme Blockaden , .
4 Atemauffäl
ällig
li kei
eiten
t vor oder in einem Wort
, sind hörrbar
b .
Die oben beschriebenen Krit
ri erien sind eine Zu
Zusammenstellung praxisrelevanter Beobachtungen folgender Autoren: Randoll u. Jehle
tu
(19
990)
9 , Johnson (1989), Wendlandt (1998),
Am
mbro
b se u. Yairi (1999).
11
12
13
Verspannungen der am Sprechakt beteiligten Muskulatur, in der Veränderung des Sprechtempos und/oder
des Rhythmus im Block sowie in Atemauffälligkeiten
äußern.
> Beachte
14
15
16
17
18
19
20
21
Schnappatmung, die bei kleineren Kindern bei engagiertem Erzählen relativ häufig auftritt, kann in diesem Zusammenhang nicht als Symptom des Stotterns bewertet werden.
! Cave
Scheinbar fehlender Leidensdruck und Störungsbewusstsein sind kein verlässlicher Parameter in der differenzialdiagnostischen Beurteilung des beginnenden Stotterns.
Differenzialdiagnose: entwicklungsbedingte Unflüssigkeiten –
beginnendes Stottern
Die Gefahr, dass beginnendes Stottern irrtümlich
als altersgemäße Sprechunflüssigkeiten eingeschätzt
wird, ist durchaus gegeben, da es sowohl Anteile funktioneller als auch symptomatischer Unflüssigkeiten
aufweist. Dies würde im schlechtesten Falle bedeu-
. Übe
ersiicht 1.5
Aussch
hlu
uss funktionelller Unflüsssigkeiten
n beim
Auftre
eten folgender Symptom
me
4 Sppannnungsreiche Blockadeen (Glottisstoopp,
stu
umme Blockaden
n)
4 Spaannnungsreiche Laautdehnungen
4 Schhw
waa-Laut
4 Veränndeerungen des Sprech
ec tempos inner
ech
erh
er
halb
eines Wortes
or
4 (Unklaree) Hi
Hinweise auf das Störungsbewusstsein
4 Mitbewegung
ngen
4 Vermeideverhaltten
e
Die beiden zuletzt genannten Symptome sind
D
ein
nd
deu
utig
tige Hinweise auf eine bereits ausgeformte Sto
otte
t rsy
symptomatik und sprechen somit auch
gegen das
as Vorha
rhandensein von beginnendem
Stottern.
ten, dass ein Kind nicht oder erst viel zu spät therapeutisch versorgt wird und sich die Störung u. U. bereits
verfestigt hat. Daher kommt der Differenzialdiagnose
hier ein besonders hoher Stellenwert zu. Zum besseren Überblick werden in . Übersicht 1.5 Symptome
aufgeführt, die eindeutig für das Vorhandensein von
Stottern sprechen und somit physiologische Unflüssigkeiten ausschließen.
Die . Tabelle 1.1 stellt altersgemäße Unflüssigkeiten und beginnendes Stottern zusammenfassend
gegenüber. Sie dient der Differenzialdiagnose und der
Beratung von Eltern normal unflüssiger Kinder.
i Tipp
In einer Kopie dieser Tabelle ( Ê Downloadbereich)
können Symptome angekreuzt und Schwerpunkte
der Störung optisch verdeutlicht werden.
Frühzeitiger Therapiebeginn. Je früher die Therapie
bei Kindern mit beginnendem Stottern aufgenommen
wird, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die
Ausformung des Stotterns aufzuhalten und die Symptomatik zurückzuführen ist. Es muss individuell entschieden werden, ob es sinnvoller ist, nur mit Kind oder
Eltern oder aber parallel mit Eltern und Kind zu arbeiten (7 Kap. 6.2).
11
1.5 · Abgrenzung gegen andere Auffälligkeiten des Redeflusses
1
> Beachte
In keinem Fall ist Abwarten die Vorgehensweise der
Wahl. Warten bedeutet, den Dingen ihren Lauf zu lassen und Kind und Eltern wichtige Hilfestellungen zu
verwehren.
1.4.3
Manifestes Stottern
unterschiedliche Folgen. Je älter das Kind ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Eltern bereits
intensiv beraten wurden, das Kind schon einige Therapieerfahrungen gesammelt hat und mitunter bereits
eine gewisse Ernüchterung bezüglich des Therapieziels eingetreten ist. Dies muss bei Aufnahme der Therapie und in der Beratung berücksichtigt werden.
Terminologie. Synonym werden häufig die Begriffe
chronisches Stottern oder Stottern verwendet. Manifestes Stottern unterscheidet sich vom beginnenden
Stottern in der Ausformung der Kern- und Begleitsymptomatik und dem Grad der Bewusstheit. Somit
besteht eine schlechtere Prognose hinsichtlich seiner
Rückbildungstendenzen.
Fazit
4 Die Ab
bgrenzung in
nnerhalb des Stotte
ersyndro
omss nach Schwe
eregrad hat therapeu
utiscche
e und prognosstische Konsequenzzen.
4 Die Un
nterscheidung
g zwischen
en ph
physi
ysio
ologisch
hen
n Unflüssigkeit
itten und beginnendem
Stotte
ern
n hat für die Prä
äve
v tion besondeven
re Bedeut
e tung
u , ist jedoch miitun
tunter
t sch
ter
schwierig.
hw
Bei Unkla
larhe
heiten sollte das Kind mehrmals
wieder vorge
rg st
stellt werden.
4 Es gibt für jed
de For
orm der Unflüssigkeiten sowohl charakterist
stisc
i he Mer
M kmale als au
uch
solche, die in anderen
n Stuf
Stufen der Unflüsssig
sigkeit vorkommen. Den »kritischen Signalen«
ke
so lte
sol
te die besondere Aufmerksamkeit des
Untters
e uch
chers gelten.
4 Das Alter
er dess Ki
Kindes ist kein differenzialdiagnostisches Kri
Kriterium
m.
Symptomatik. Alle Symptome des beginnenden Stotterns können auch beim manifesten Stottern auftreten. Die Zahl der Silbenwiederholungen nimmt zu, der
Kraftaufwand und die Körperspannung während der
Blockade als Versuch, diese zu überwinden, steigen.
Daher kommt es oft zu einem Anstieg von Tonhöhe
und Lautstärke im Block und zu Tremoren im Gesichtsbereich. Hinzu kommt eine mehr oder weniger ausgeformte Begleitsymptomatik
k mit Störungsbewusstsein/
Leidensdruck, Vermeidungsverhalten und ggf. emotionaler Beeinträchtigung wie Angst, Wut, Scham, Lautund Wortfurcht sowie negativer Selbstbewertung. Die
verschiedenen Symptome des manifesten Stotterns sind
in . Übersicht 1.6 zusammengefasst.
Berücksichtigung der Therapieerfahrung. Je nach
Alter des Kindes hat die Diagnose manifestes Stottern
. Übersicchtt 1.6
Symptoma
atiik des maniffesten St
Stotterns
4 Spannnunngsreiche Wiederhoolungen; Deehnung ode
er Blockieru
ungen >1
1 Sek
S und
nde
4 Mit Spaannnung verbund
ndene Pausen
nd
4 Tremoree im
m Mund- und Gesi
e chtsbereich
es
ch
h
4 Anstieg voon Ton
T höhe und Lautstärke
4 Auffälliger Blic
li kko
kk ntakt, symptomunabhängig
4 Sta
St rre Körperhaltung
g
4 SSprrach
a liches und soziales Vermeid
eidungsverhal
alten
te
4 Störunngs
gsb
bew
ewusstsein
4 Emotionalee Beei
Be intr
nträch
ä tigungen
N h Wendlandt (1998)
Nac
Abgrenzung gegen andere
Auffälligkeiten des Redeflusses
1.5
Stottern ist im Rahmen der Differe
erenzialdiagno
os
ostikk nicht nur gegen
n Entwicklungsunflü
E
flüssigkeiten,
n
n,
sond
dern auch
uch ge
gegen
g ander
dere Auffälligkeite
it n im
Redefluss, wie z. B. Pol
olter
ol
t n, Tach
te
achylalie, neurrogenes
gen
es Sto
Stotte
ttern
rn oder Wortfin
fin ung
find
gsst
s örungen
n aba
zugrenzen, da sich
h je nach Dia
iaagno
g se
e unterschiied
e liche Vorgehensweise
sen
n er
e geben.
n.
1.5.1
Poltern (Cluttering)
Neben vielen stotterähnlichen Symptomen kommt es
beim Poltern zu ganz spezifischen Symptomen, die
auch in der Therapieplanung berücksichtigt werden
müssen.
12
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
Kapitel 1 · Klinik des Stotterns
Definition und Ätiologie
Beim Poltern handelt es sich um eine sprachliche
Gestaltungsschwäche, die durch eine Störung der
Gedankenprogrammierung verursacht wird. Es ist die
Folge einer Serialitätsstörung (Störung der zeitlich
aufeinander abgestimmten Verarbeitung verschiedener Reize), bei der die zeitliche Integration einzelner
an der Sprachproduktion beteiligter Komponenten
misslingt (vgl. Graichen 1985, S. 39).
Symptomatisch bedeutsam sind nach Sick (2000,
S. 15) im Gegensatz zu früheren Annahmen nicht nur
die Parameter Sprechtempo und Unflüssigkeiten, sondern auch phonetische Auffälligkeiten.
Poltern tritt familiär gehäuft auf und kommt
wesentlich seltener vor als Stottern. Nur 0,78% der
Kinder in der Gruppe der 7- bis 8-Jährigen zeigen eine
Poltersymptomatik. Die Zahl der polternden Jungen
weicht mit 1,41% deutlich von den 0,12% polternder
Mädchen der vergleichbaren Stichprobe ab. (Böhme
2003, S. 135). Unklar ist, ob sich Poltern aus Stottern
entwickeln kann oder ob es sich um eine vom Stottern unabhängige Symptomatik handelt. Tatsächlich ähneln sich einige Stotter- und Poltersymptome.
Jedoch hat jedes der beiden Störungsbilder spezifische
und unverwechselbare Symptome, die entsprechend
zur Differenzialdiagnostikk zwischen Stottern und Poltern herangezogen werden.
Symptomatik des Polterns
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
Tachylalie. Das auffälligste Symptom des Polterns
ist die Tachylalie (hastige Sprechweise) mit undeutlicher und nachlässiger Artikulation. Es kommt zu Wiederholungen, Elisionen (Auslassungen) und Kontaminationen (Zusammenziehen) von Wörtern, Silben
und Lauten. Das Verschlucken von Wortendungen
und die Reduzierung von Konsonsantenclustern tragen oft zu einer erschwerten Verständlichkeit bei. Bei
der so genannten Antizipation werden die im Wort
später positionierten Laute oder Silben vorgezogen
(z. B. felefonieren statt telefonieren). Auch auf Satzebene findet man Umstellungen in der Wort- und Silbenabfolge, wie z. B.: »Das habe ich verlegentlich versehen« statt: »Das habe ich versehentlich verlegt«. Sick
(2000) betont den Stellenwert phonetisch-phonologischer Auffälligkeiten im Rahmen des Syndroms. Sie
»sind als eigenständige Symptome von Poltern zu
betrachten (...) Möglicherweise werden Unflüssigkeiten beim Poltern eher durch phonologisch/phonetische Störungen, als allein durch hohe Artikulationsraten verursacht.« (Sick 2000, S. 15) Dieser in der Therapie des Polterns neue Aspekt hat Konsequenzen für
die Gestaltung und Schwerpunktsetzung in der Therapie (7 Kap. 8.9, Abschn. Ȇbungen zur Verbesserung
der Artikulationsschärfe und Reduzierung der Artikulationsrate«).
Sprache in Aufruhr. Durch das stark erhöhte
Sprechtempo entstehen auf der Ebene der sprachlichen Gestaltung und der Wortfindung weitere Probleme. Flickwörter (Embolophonien) wie »äh« oder
»mm« haben hier die Funktion eines »Pausenfüllers«
und verhindern eine Unterbrechung durch den Zuhörer. Lockere Dehnungen sind weniger das Zeichen
einer Stotterkomponente als ein Hinweis auf strukturelle Schwierigkeiten in der gedanklichen Vorbereitung einer Äußerung.
Gestörter Rhythmus. Schwankungen im Sprechtempo
verursachen Veränderungen im Sprechrhythmus.
Dadurch entstehen Stockungen oder starke Beschleunigungen im Sprechablauf (Propulsionen) sowie Auff
fälligkeiten im Bereich der Sprechatmung.
Auswirkungen auf den nichtsprachlichen Bereich.
Die Poltersymptomatik erstreckt sich auch auf den
nichtsprachlichen Bereich. Psychomotorik und Gestik
sind möglicherweise ebenso ungesteuert und überschießend wie der Sprechablauf selbst. Im Kommunikationsverhalten fällt häufig eine gewisse Missachtung
von Gesprächsregeln auf (ins Wort fallen, monologisieren etc.), die bisweilen weit reichende soziale Konsequenzen haben kann.
Begleitstörungen. Häufige Begleitstörungen des
Polterns sind Sprachentwicklungsstörungen, mangelnde Konzentrationsfähigkeit, Wortfindungsstörungen, Lese-Rechtschreib-Schwäche und auditive Verarbeitungsstörungen (vgl. Sick 2000, S. 16) sowie Lernstörungen, die nicht mit einer Intelligenzminderung
verbunden sind (St. Louis u. Myers 1998, S. 1).
> Beachte
Ein für Polternde typisches mangelndes Störungsbewusstsein erschwert die Therapie zum Teil erheblich.
Poltern tritt auch in Kombination mit Stottern
auf. Im Gegensatz zum Polternden weiß ein Stotternder, was er sagen möchte, auch wenn er vorübergehend nicht dazu in der Lage ist, es zu tun (vgl. St.
Louis u. Myers 1998, S. 1). Bei reinem Poltern ist keine
Begleitsymptomatik zu beobachten.
Dennoch fällt die genaue Diagnostik und die Zuordnung der Symptome zu den beiden Syndromen nicht
immer leicht und kann teilweise erst nach einigen
Sitzungen eindeutig vorgenommen werden. Die Kri-
13
1.5 · Abgrenzung gegen andere Auffälligkeiten des Redeflusses
1
. Tabelle 1.2. Relevante Parameter zur Abgrenzung von Stottern und Poltern modifiziert nach Wirth (2000) und Weiss
(1967)
Stottern
Poltern
Symptomatik
Teilwort- und Lautwiederholungen; Blockierungen
polternde Wiederholungen
größerer Einheiten
Sprechtempo
häufig insgesamt verlangsamt
meist stark erhöht
Aussprache
in der Regel unauffällig
nuschelnd, polternd, mit Elisionen
und Kontaminationen
Sprechen bei Zuwendung der
Aufmerksamkeit auf das Sprechen
schlechter
besser
Sprechen bei geringer Kommunikationsverantwortlichkeit
besser
schlechter
Gestik
evtl. reduziert
großzügig, unbehindert, z.T.
überschießend
Adaptationseffekt*
setzt ein
bleibt aus
Störungsbewusstsein*
vorhanden
fehlt
Lautfurcht*
meist vorhanden
fehlt
Verlauf der Störung
fluktuierend; evtl. schwere
sekundäre Symptome
kontinuierlich; keine sekundären
Symptome
* Die markierten Parameter sind nur bei älteren Kindern oder Jugendlichen aussagekräftig, da Vorschulkinder in der Regel noch keine
erkennbaren Lautängste oder Störungsbewusstsein entwickelt haben bzw. kleinere Schulkinder über zu schlechte Lesekenntnisse
verfügen, als dass man den Adaptationseffekt ausreichend beurteilen könnte.
terien in . Tabelle 1.2 erleichtern die Abgrenzung
von Poltern und Stottern.
1.5.2
Tachylalie
Unter Tachylalie versteht man eine sehr schnelle,
aber flüssige Sprechweise. Aufgrund des erhöhten
Sprechtempos und der daraus resultierenden verkürzten Planungsphase kann es zum Einsatz von Flicklauten oder Flickwörtern kommen. Ansonsten treten
keine für das Poltern oder Stottern typischen Symptome auf.
1.5.3
Neurogenes Stottern
Definition und Ätiologie. Der Beginn der Störung
lässt sich klar mit der Entstehung einer hirnorganischen Erkrankung in Beziehung setzen. Eine neurologische Grunderkrankung muss für eine eindeutige
Differenzialdiagnose nachgewiesen sein. Störungen
des Redeflusses sind nach Hirntraumen und bei chronisch verlaufenden hirnorganischen Erkrankungen, wie
z. B. bei Epilepsie und Tumoren oder nach Schlaganfällen, bekannt. Für die Diagnostik
k des kindlichen Stotterns sollte hierfür eine ausführliche Anamnese bezüglich des Kommunikationsverhaltens und der allgemeinen Sprachentwicklung vor dem Ereignis durchgeführt
werden. Früher bestehende Unflüssigkeiten können
durch die Erkrankung wieder hervorgetreten sein. In
diesem Fall dürfte eine eindeutige Unterscheidung
zwischen herkömmlichem Stottern und organisch
bedingtem Stottern – auch wegen der Möglichkeit
eines Mischbildes – schwierig sein. Die Differenzialdiagnose bei neurologischen Störungen vor Beginn der
Sprachentwicklung (z. B. durch eine perinatale Asphyxie oder eine Zerebralparese) ist erschwert bzw. oft
nicht möglich. Hier kann die Vorgeschichte nur einen
möglichen Anhaltspunkt zur Genese des Stotterns liefern (vgl. Johannsen u. Schulze 1992, S. 68f.).
Herunterladen