Sie kommen zum ersten Mal in unsere Praxis, vielleicht wurden Sie von einem Kollegen zur parodontalen Behandlung überwiesen, vielleicht haben Sie selber Probleme an Ihrem Zahnhalteapparat festgestellt wie - Bluten, gerötetes und geschwollenes Zahnfleisch, Mundgeruch und/oder unangenehmer Geschmack im Mund, das Zahnfleisch zieht sich zurück, empfindliche Zahnhälse, Eiteraustritt, Lockerungen…, vielleicht kommen Sie auch nur zur Kontroll-Untersuchung. In jedem Fall werden wir zunächst eine sog. allgemeine Anamnese durchführen. Hierbei achten wir auf Allgemeinerkrankungen, Medikamente, Allergien etc. weil dies für die Behandlung allgemein aber auch im Besonderen für die Behandlung von Erkrankungen des Zahnhalteapparates wichtig sein kann. Besonders der Diabetes spielt eine große Rolle; denn Diabetes und parodontale Erkrankungen beeinflussen sich wechselseitig: Ein schlecht eingestellter Diabetes verschlimmert eine Parodontitis und eine unbehandelte, schwere Parodontitis kann die Blutzuckerkontrolle erschweren und einen Diabetes verstärken (siehe „Parodontitis und Diabetes“). Aber auch Herz-Kreislauferkrankungen, Bluterkrankungen, genetische Erkrankungen, Infektionserkrankungen, sowie hormonelle Störungen beeinflussen die parodontale Gesundheit. Wenn wir Sie nach Ihrem Rauchverhalten fragen, so hat dies einen Grund: bei Rauchern ist im Vergleich zu Nichtrauchern das Risiko, an einer Parodontitis zu erkranken um das 6-fache erhöht. Das ist natürlich abhängig von der Anzahl der Zigaretten. Auch das Ergebnis der Behandlung ist deutlich verschlechtert gegenüber Nichtrauchern. Stress und Alkoholabusus wirken sich ebenfalls negativ aus. Nun fragen wir nach Ihren subjektiven Beschwerden. Haben Sie Mundgeruch, Zahnfleischbluten, Zahnlockerungen, Zahnwanderungen, Schmerzen? Haben Sie auch schon Entzündungen am Zahnfleisch gehabt? Gab es bei Ihren Familienmitgliedern bereits Probleme mit dem Zahnhalteapparat, haben Ihre Eltern noch ihre Zähne? Gerade bei aggressiven Verlaufsformen ist eine familiäre Häufung der Erkrankung typisch. Nach einer kurzen Untersuchung des Gesichtes und Kontrolle der Lymphknoten, Aussehen der Gesichtshaut, Asymmetrien des Kopfes, Schwellungen, Narben und die Mundöffnung, schauen wir uns die Mundhöhle an. Nicht nur die Zähne und evtl. Karies interessieren uns, sondern alle Mundschleimhäute. So schauen wir in den Rachen, sehen uns die Zunge und den Bereich unter der Zunge, die Wangenschleimhäute und die Umschlagfalte an; denn wir wollen keine Veränderungen der Schleimhäute, was sehr unangenehmen Folgen haben könnte, übersehen. Nun schauen wir uns Ihren Zahnhalteapparat an. Die Schwere Ihrer Krankheit wird in einem Code, dem sog. PSI-Code festgehalten: Code 0 = alles in Ordnung, keine weitere Behandlung notwendig, Code 1 = Blutung, kein Zahnstein, hier ist eine Reinigung und eine Verbesserung der Mundhygiene sinnvoll Code 2 = Blutung, Zahnstein, defekte Kronenränder; hier empfiehlt sich zusätzliche ein PZR (= Professionelle Zahnreinigung , s. dort) Code 3 = neben Blutungen und evt. Belagsbildung und Zahnstein werden tiefere „Taschen“ (über 3 mm) gemessen; dies macht eine system. Parodontalbehandlung notwendig Code 4 = Die vorliegenden „Taschen“ sind hier noch tiefer (über 6 mm). Auch hier sind weitere therapeutische Maßnahmen notwendig. Ab Code 2 besprechen werden mit Ihnen über die Bedeutung der regelmäßigen und gründlichen Mundhygiene reden. Während der Mundhygienephase mit Aufklärung, Beratung und intensivem Üben einer geeigneten Reinigungstechnik, zeigen wir Ihnen Hilfsmittel zur Beseitigung des Biofilms. Den können Sie sich wie die Oberfläche dieser Kiwi vorstellen. Es folgen die Mundhygienedemonstrationen, bei denen die für Sie optimale Putztechnik bestimmt wird. Besondere Aufmerksamkeit gilt der Reinigung zwischen den Zähnen. Dazu gibt es entsprechende Hilfsmittel, die eine schnelle und einfache Reinigung ermöglichen. Wichtig ist hier die richtige Größe, die richtige Anwendung, wir helfen Ihnen dabei. Inderdentalbürstchen für jeden Zahnzwischenraum, farblich kodiert. Die Kosten dazu werden nicht von den Krankenkassen getragen. Ohne das Beherrschen der entsprechend geeigneten Mundhygiene darf die Krankenkasse jedoch nicht die Kosten der nachfolgenden parodontalen Therapie übernehmen: „ Patienten, die …nicht ausreichend mitarbeiten oder unzureichend Mundhygiene betreiben“ muss die Behandlung beendet werden, heißt es in den Richtlinien von 2004. Als flankierende Maßnahmen werden Füllungen, die zu erneuern sind, ersetzt (s. Füllungsmaterialien), Karies wird entfernt, überstehende Kronenränder geglättet, so möglich, oder vielleicht auch durch Provisorien ersetzt, damit Sie auch die Mundhygiene durchführen und sich Keime nicht unnötig anheften können. Zähne, die nicht erhalten werden können, werden entfernt und ggf. ein laborgefertigtes Provisorium eingegliedert. (Bei überwiesenen Patienten wird dies durch den Hauszahnarzt durchgeführt). Nun wird eine umfangreiche klinische Untersuchung durchgeführt. Es werden die „Taschen“ gemessen, genauer gesagt: die Sondierungstiefen. Gemessen wird dabei von Zahnfleischsaum bis Knochenkontakt. Keine Angst, das klingt dramatische als es ist und piekst nur wenig. Sollte es für Sie trotzdem zu unangenehm sein, können wir auch mit einem nach Banane schmeckendem Spray die Oberflächen betäuben. Die Bisslage wird kontrolliert und ggf. wird die Kaufläche eingeschliffen, denn eine unpassende Bisslage fördert das Fortschreiten der Parodontitis. Gelockerte Zähne werden in Grad I-III eingestuft, notiert und ggf. geschient. Die Teilnahme an einem Raucherentwöhnungsprogramm bei Rauchern wäre wünschenswert. Freiliegende Zahnhälse und ein Furkationsbefall (Abgabelung der Zahnwurzeln ist nicht mehr mit Knochen bedeckt) werden notiert. Ein wichtiges Hilfsmittel sind Röntgenbilder. Wir fertigen Einzelaufnahmen (digital) an, da die großen Aufnahmen nur Übersichtsbilder sind, die den Knochenverlauf nicht exakt darstellen. Ein Vergleich mit älteren Bildern ist ebenfalls sinnvoll. Weiterführende Diagnostik kann mit Hilfe des Interleukin-1(IL-1)-Tests, der das ParodontontitisRisiko bestimmt, durchgeführt werden. Zur Bestätigung der klinischen Diagnose kann eine mikrobiologische Testung durchgeführt werden. Dazu werden Proben der Plaque unterhalb des Zahnfleischsaumes entnommen und mit DNA-Sonden analysiert. Nun wird die abschließende Diagnose gestellt und eine Prognoseeinschätzung vorgenommen. Dabei wird der Erhalt der Zähne als sicher, zweifelhaft und hoffnungslos in Abhängigkeit von verschiedenen Faktoren beurteilt. Aus dem Risikoprofil des Einzelzahnes und der Bewertung des Patienten wird ein entsprechender Therapieplan ausgearbeitet. Welche Zähne müssen entfernt werden? Entscheidend ist dabei einmal die parodontale Erhaltungswürdigkeit. Hier konnten wir zeigen, dass auch als hoffnungslos eingestufte Zähne bei Patienten mit guter Mitarbeit und regelmäßigen Kontrollen über mehrere Jahre erhalten werden können (keine Kassenleistungen!!!). In die Entscheidungsfindung muss allerdings auch eine evtl. zusätzliche Erkrankung des „Nervens“ einfließen. Es muss überlegt werden, ob ein Zahn wieder aufgebaut werden kann oder soll er gar für einen Pfeiler herhalten? Dies besprechen wir mit Ihnen ganz ausführlich und entscheiden dann gemeinsam. Die Krankenkasse übernimmt die Kosten der Behandlung zu 100 % - allerdings nicht an jedem Zahn. Zähne, die unsicher sind, deren Prognose „zweifelhaft“ oder „hoffnungslos“ ist DARF die Krankenkasse - laut Gesetzgeber - nicht übernehmen, denn die Krankenkassen unterliegen der Wirtschaftlichkeit. Ihren Wünschen entsprechend, fertigen wir nun einen Heil- und Kostenplan an, so dass Sie genau wissen, welche Kosten evtl. auf Sie zukommen. Nun erklären wir Ihnen ausführlich wie die Behandlung aussieht: Zu Beginn wird eine Professionelle Zahnreinigung vorgenommen, wobei harte und weiche Beläge, die oberhalb des Zahnfleischsaumes vorhanden sind, entfernt werden. Es schließt sich eine Zahnglättung an. Der zweite Schritt ist die Reinigung der Wurzeloberfläche und die Entfernung der Mikroorganismen aus der parodontalen Tasche. Dies sollte unter Anästhesie erfolgen („Spritze“, s. Aufklärung zur lokalen Betäubung). Auch das Einbringen von schmerzlindernden Gelen in die Zahnfleischtasche ist möglich und zeigt in einer aktuellen Studie ähnliche klinische Ergebnisse wie die „Spritze“, ist jedoch sehr viel angenehmer. Außerdem ist die Betäubung vorbei, wenn Sie die Praxis verlassen – also auch sehr angenehm für diejenigen, die anschließend noch arbeiten/sprechen müssen. Wir arbeiten nach dem sog. Full-Mouth-System, bei dem die Behandlung nach 2 aufeinander folgenden Behandlungstagen beendet ist. Außerdem wird durch die Instrumentierung aller Taschen innerhalb von 24 eine Reinfektion bereits bearbeiteter Stellen durch noch nicht gereinigte Taschen vermieden. Zusätzlich werden chlorhexidinbasierte Antiseptika eingesetzt. Zur Entfernung des mineralisierten und nichtmineralisierten Bestandteil des Biofilms werden von uns neben Handinstrumenten vor allem mit piezo-elektrische Ultraschallinstrumente durchgeführt. Da die Instrumente zierlich sind und wir zwar sorgsam aber auch wenig verletzend vorgehen, kommt es zu keinen Schmerzen oder Beschwerden nach der Behandlung. Ganz selten auftretende Fieberschübe weisen auf die Freisetzung von parodonto-pathogenen Bakterien und ihrer Gifte hin. Im Bild ist der Zustand nach 23 Stunden, kurz vor der Behandlung der linken Patientenseite) zu sehen. Die rechte Seite des Patienten (im Bild die linke Seite) wurde bereits behandelt. Sie sehen keinerlei Verletzungen. Aber das Zahnfleisch ist bereits jetzt rosig gegenüber der linken Seite, die nun behandelt werden soll. Hier ist noch eine bläulich-livide und entzündete Gingiva erkennbar. In den meisten Fällen ist die Behandlung wie beschrieben ausreichend. Bei schweren Erkrankungsformen ist jedoch die zusätzliche Gabe von Antibiotika sinnvoll (niemals alleinig, immer nur in Verbindung mit der Entfernung des Biofilms, denn erst durch die Beseitigung des Biofilms können die Bakterien erreicht werden). Nach der Behandlung muss eine sehr gute Mundhygiene betrieben werden. In der Woche nach der Behandlung verzichten Sie jedoch auf Interdentalbürstchen, sparen Sie beim Zähneputzen das Zahnfleisch aus. Bitte spülen Sie bis zum Termin der Abschlussuntersuchung (in der Regel 6 Wochen nach der Behandlung) 2 x täglich mit CHX. Dabei engem Kontakt von Mensch zu Mensch auch Parodontalkeime übertragen werden können, sollte idealerweise auch ihr Partner untersucht und ggf. mitbehandelt werden. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------Die Behandlung ist, da vorsorglich lokal anästhesiert wird, nicht schmerzhaft. Die Eingriffe verlaufen in aller Regel komplikationslos, auch nach dem Eingriff sind – da sehr schonend vorgegangen wird – Beschwerden selten. Eventuelle Überempfindlichkeiten, die sich anschließen können, werden heute wirksam durch Liner behandelt. Verletzungen von Mundschleimhaut, Zunge oder sehr selten von Knochen durch zahnärztliche Instrumente können trotz aller Vorsicht auftreten. Nach fachgerechter Versorgung heilt die Wunde meist komplikationslos. Genuss von Tee, Kaffee und Nikotin vermeiden! Keine Schmerzmittel nehmen, die nicht ärztlich verordnet wurden! Solange die Betäubung wirkt, wird von essen oder trinken abgeraten. -------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------Nach den Kontrolluntersuchungen führen wir nach 6 Wochen eine erneute Messung der Taschen durch. Was wollen wir erreichen? - Das Zahnfleisch wird blassrosa und fest Die Blutungen gehen zurück Lockerungen verringern sich Die Taschentiefen werden ebenfalls geringer Der schlechte Geschmack verschwindet ebenso wie der Mundgeruch Der Therapieerfolg wird dabei beeinflusst durch - Zahntyp und Zahnform (furkationsbetroffene mehrwurzelige Zähne sprechen schlechter auf die Behandlung an) Mitarbeit des Patienten Einhalten des Recalls (s. dort) Anatomische Besonderheiten (Schmelz- oder Zementperlen) Patientenbezogene Faktoren wie Diabetes, Stress, AIDS etc. Sind wir und Sie mit dem Behandlungserfolg zufrieden, so schließt sich die UPT bzw. das Recall an. In individuell zu bestimmenden Zeitabständen werden Taschenmessungen und Nachreinigungen, Remotivationen und Polituren durchgeführt. Nur das Einhalten des Recalls verhindert ein Wiederauftreten der parodontalen Erkrankung. Alleinige regelmäßige PZR ist zwar gut aber nicht ausreichend, denn damit kann man kein Parodontitsrezidiv identifizieren oder therapieren. Mit der Instrumentierung der Tasche kann zusätzlich die photodynamische Laser-Therapie angewendet werden. Damit werden die Ergebnisse nochmals verbessert. Hierbei wird ein Photosensibilisator in die parodontale Tasche appliziert und die anschließende Belichtung mit einem niedrigenergetischen Laser führt zur Abtötung parodontaler Bakterien. Diese Therapie ist auch gut in der anschließenden UPT/Recall zu verwenden. Besonders mehrwurzelige Zähne mit Verlust des Zahnhalteapparates im Bereich zwischen den Wurzeln können oftmals nicht durch die genannte Therapie alleinig erfolgreich behandelt werden. Verbleiben noch tiefe Resttaschen, so sollte sich eine chirurgische Therapie anschließen (s. resektive und regenerative Parodontalchirurgie). Die Systematik im Überblick