Aus der Hals-Nasen-Ohrenklinik der - Heinrich-Heine

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Aus der Hals-Nasen-Ohrenklinik der
Heinrich Heine-Universität Düsseldorf
Direktor: Universitätsprofessor Dr. med. Schipper
FUNKTIONELLE RELEVANZ VON CHEMOKINEN IM
METASTASIERUNGSPROZESS VON
KOPF-HALS KARZINOMEN
Dissertation
zur Erlangung des Grades eines Doktors der Medizin
Der Medizinischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität
Düsseldorf
vorgelegt von
Christine Eulert
2008
Als Inauguraldissertation gedruckt mit der Genehmigung der Medizinischen Fakultät
der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
gez.: Univ.-Prof. Dr. med. Joachim Windolf
Dekan
Referent: Priv.-Doz. Dr. med. T.K. Hoffmann
Korreferent: Univ.-Prof. Dr. med. B. Homey
Inhaltsverzeichnis
Seite
1
Einleitung ........................................................................................................... 2
1.1
1.1.1
Pathogenese ......................................................................................... 3
1.1.2
Die Organspezifität der Metastasierung ................................................ 4
1.2
Chemokine ................................................................................................... 5
1.2.1
Die Chemokinsuperfamilie .................................................................... 5
1.2.2
Biologische Funktionen von Chemokinen und ihren Rezeptoren ........ 11
1.2.3
Funktion von Chemokinen in malignen Erkrankungen ........................ 12
1.3
Maligne Kopf-Hals Tumore ......................................................................... 13
1.3.1
Plattenepithelkarzinome ...................................................................... 15
1.3.2
Adenoid-zystische Karzinome ............................................................. 16
1.4
2
Metastasierung ............................................................................................. 3
Fragestellung ............................................................................................. 18
Material und Methoden ................................................................................... 19
2.1
Charakterisierung der Chemokinrezeptorexpression in AZK und PEK der
Kopf-Hals-Region .................................................................................................. 19
2.1.1
Zelllinien und Zellkultur ....................................................................... 19
2.1.2
Analyse der Chemokinrezeptorexpression auf RNS-Ebene mittels
quantitativer real–time PCR (Taq-Man®) ......................................................... 21
2.1.3
Analyse der Chemokinrezeptorexpression auf Proteinebene in vitro
mittels Durchflußzytometrie ............................................................................... 23
2.1.4
Analyse der Chemokinrezeptorexpression auf Proteinebene in vivo
mittels Immunhistochemie ................................................................................. 23
2.2
In vitro Funktion und Regulation tumorassoziierter Chemokinrezeptoren .. 25
2.2.1
Analyse von Migration und Invasion von Tumorzellen auf
Chemokingradienten mittels Chemotaxis Assays .............................................. 25
2.2.2
Modulation von Chemokinrezeptoren durch Chemotherapie .............. 26
2.2.3
Analyse intrazellulärer Signaltransduktionswege mittels Western-
Blotting zum Nachweis aktivierter Signalmoleküle ............................................ 27
2.2.4
3
Analyse chemokinvermittelter antiapoptotischer Signale .................... 28
Ergebnisse ....................................................................................................... 30
3.1
Tumorzelllinien von adenoid-zystischen Karzinomen und
Plattenepithelkarzinomen exprimieren distinkte Chemokinrezeptorprofile in vitro. 30
3.1.1
Chemokinrezeptorexpression von AZK und PEK auf RNS-Ebene ...... 30
3.1.2
Chemokinrezeptorexpression von AZK und PEK auf Protein-Ebene .. 33
3.2
AZK und PEK exprimieren distinkte Chemokinrezeptoren in vivo .............. 36
3.3
CXCR4 mediiert die gerichtete Migration von Tumorzellen in vitro ............ 39
3.4
Das antineoplastische Agens Cisplatin induziert CXCR4-Expression auf
Tumorzellen .......................................................................................................... 40
3.5
CXCL12/CXCR4-Interaktion führt zur Aktivierung von “survival pathways“ in
Tumorzellen .......................................................................................................... 43
4
Diskussion ....................................................................................................... 45
5
Literaturverzeichnis ........................................................................................ 52
6
Zusammenfassung .......................................................................................... 59
7
Anhang ............................................................................................................. 60
Abkürzungen _____________________________________________________________ 1
Abkürzungen
Abb
–
Abbildung
Akt
–
Proteinkinase B
AZK
–
adenoid-zystisches Karzinom
DNS
–
Desoxyribonukleinsäure
cAMP
–
zyklisches Adenosinmonophosphat
cDNA
–
complementary DNA
ERK1/2
–
extrazellulär Signal-regulierte Kinasen 1 und 2
GPCR
–
G-Protein gekoppelter Rezeptor
IP3
–
Inositoltrisphosphat
KHT
–
Kopf-Hals Tumore
MAPK
–
durch Mitogene aktivierte Proteinkinasen
mRNS
–
Boten-RNS
PE
–
Phycoerythrin
PEK
–
Plattenepithelkarzinom
PIP2
–
Phosphatidylinositolbiphosphat
PKB
–
Proteinkinase B, Akt
RNS
–
Ribonukleinsäure
RT-PCR
–
Reverse Transkriptase-Polymerase-Kettenreaktion
SDS PAGE –
Sodium Dodecyl Sulfate Polyacrylamid Gel Electrophorese
Tab
Tabelle
–
Einleitung ________________________________________________________________ 2
1 Einleitung
Metastasierung ist das Resultat multipler, aufeinanderfolgender Ereignisse und stellt
einen hochgradig organisierten, nicht zufälligen und organspezifischen Prozess dar1.
Gerichtete
Migration
von
Tumorzellen
sowie
ihre
invasive
Kapazität
sind
fundamentale Bestandteile des Metastasierungsprozesses. Obwohl eine Anzahl von
bekannten, physiologischen Molekülen für die Stimulation von Tumorzellmotilität und
-invasion von Bedeutung sind, sind die genauen molekularen Mechanismen, die die
gerichtete Wanderung/Metastasierung von Tumorzellen in spezifische Organe
vermitteln, weitestgehend unbekannt1-3.
Schlüsselprozesse stellen die Adhäsion an Endothelzellen, transendotheliale
Migration sowie die gerichtete Wanderung durch extrazelluläre Matrix dar. In den
letzten Jahren wurde gezeigt, daß Chemokine und deren Rezeptoren für die
Wanderung und das organspezifische "Homing" von Leukozyten von zentraler
Bedeutung sind4. Chemokine sind Vertreter einer Superfamilie von kleinen,
zytokinähnlichen Proteinen, die aufgrund ihrer Interaktion mit G-Protein-gekoppelten
Rezeptoren (GPCRs), die Polymerisation des Zytoskeletts, die feste Adhäsion an
das Endothel sowie die gerichtete Wanderung von Leukozyten vermitteln4. Diese
sezernierten Proteine interagieren in einer koordinierten Art und Weise mit
Zelloberflächenproteinen wie beispielsweise Integrinen, um das spezifische "homing"
von unterschiedlichen Subtypen hämatopoietischer Zellen in definierte anatomische
Kompartimente zu steuern4,5.
Muller et al. konnten 2001 erstmals die funktionelle Bedeutung von ChemokinRezeptor-Interaktionen für den Metastasierungsprozess zeigen6-9. Dabei wurde der
Chemokinrezeptor CXCR4 als zentraler Vermittler der hämatogenen Metastasierung
von
Mammakarzinomzellen
identifiziert
und
seine
Relevanz
in
Rezeptor-
Antagonisierungsstudien in vivo demonstriert6. Anknüpfend an diese Beobachtungen
sollte in der vorliegenden Arbeit die funktionelle Rolle von Chemokinen im Invasionsund Metastasierungsprozess von Kopf-Hals-Tumoren untersucht werden. Dabei
stellen insbesondere zwei Tumorentitäten innerhalb der Gruppe der malignen KopfHals-Karzinomen
aufgrund
ihres
distinkten
aber
unterschiedlichen
Metastasierungsmusters ein interessantes Untersuchungsobjekt dar: Während
Plattenepithelkarzinome (PEK) der oropharyngealen Mukosa durch eine hohe Rate
an lymphogenen Metastasen (~60%)10 bei insgesamt später und seltener
Einleitung ________________________________________________________________ 3
hämatogener Disseminierung (< 10%) charakterisiert sind11, zeigen die von den
Speicheldrüsen ausgehenden adenoid-zystischen Karzinome (AZK) eine hohe
Inzidenz an hämatogenen Metastasen (40-60%) bei gleichzeitig niedriger Inzidenz
von Lymphknotenmetastasen (<10%)12. Bisher ist ungeklärt, welche molekularen
Mechanismen diesen unterschiedlichen, annähernd reziproken Metastasierungsmustern zugrunde liegen.
1.1 Metastasierung
Die wesentlichen Kriterien für die Malignität einer Neoplasie sind ihre autonome,
invasive und destruktive Proliferation sowie die Fähigkeit zur Metastasierung. Unter
dem Begriff der Metastasierung versteht man die Absiedlung von Tumorzellen
abseits
des
Primärtumors.
Metastasierung
beruht
auf
dem
komplexen
Zusammenspiel verschiedener molekularer Ereignisse und stellt einen hochgradig
organisierten, nicht zufälligen und organspezifischen Prozess dar13,14 Statistisch
betrachtet gelangen täglich pro Gramm Primärtumor bis zu 4 Mio. Zellen in den
systemischen Kreislauf, wobei nur ein Bruchteil hiervon tatsächlich zur Entstehung
einer Metastase führt15.
1.1.1 Pathogenese
Die Metastasierung stellt einen komplexen, mehrstufigen Prozess dar. Im ersten
Schritt kommt es durch Veränderungen in den Zell-Zell-Kontakten zu einem Verlust
der Adhäsion und Lösung von Tumorzellen aus dem Verband des Primärtumors16.
Nachfolgend gewinnen Tumorzellen einzeln oder im Zellverbund Anschluß an das
Blut- bzw. Lymphgefäßsystem, ein Vorgang welcher als Intravasation bezeichnet
wird13,14,16. Von elementarer Bedeutung hierfür sind die Proteolyse extrazellulärer
Matrix sowie die gerichtete Migration/Invasion von Tumorzellen14. Nach erfolgreicher
Extravasation im Zielorgan stellen invasive Kapazität, Proliferation und Angiogenese
Schlüsselprozesse dar, welche für die Entstehung eines metastatischen Focus
notwendige
Voraussetzung
sind13,14,16.
Obwohl
eine
Anzahl
bekannter,
physiologischer Moleküle für die Stimulation von Tumorzellmotilität und -invasion von
Bedeutung sind (Tab.1), sind die genauen molekularen Mechanismen, die die
gerichtete Wanderung/Metastasierung von Tumorzellen in spezifische Organe
vermitteln, weitestgehend unbekannt3,14,15.
Einleitung ________________________________________________________________ 4
Tabelle 1. Molekulare Mechanismen der Metastasierung.
Biologische Funktion
Beispielmoleküle
Literaturstelle
Überleben
Insuline like Growth Factor IGF
Bogenrieder 200314
Adhäsion
Cell adhesion molecules CAMs,
Cadherine, Integrine
Hsu 200217
Chemokine, Met-SF/HGF-
Müller 20016
Signalweg
Boccaccio18
Proteolyse
MMPs, Heparanase
Egeblad 200219
immune escape
Verlust der MHC-Expression
Bogenrieder 200314
Migration
1.1.2 Die Organspezifität der Metastasierung
Bereits 1889 beobachtete der Chirurg Stephen Paget, daß bei Karzinompatienten
bestimmte Organe eine große Anzahl von Metastasen aufwiesen, während andere
kaum Metastasen zeigten20. Die Ursache hierfür blieb jedoch ein Rätsel, da die
beobachteten Metastasierungsmuster nicht allein durch anatomische Unterschiede in
Blut- und Lymphfluss verschiedener Organe erklärt werden konnten15,20. Bis heute
wurden drei verschiedene wissenschaftliche Konzepte entwickelt, die die Problematik
organspezifischer Metastasierung versuchen, zu erklären.
Das erste Konzept ist die sogenannte “growth factor theory”. Sie postuliert, daß
Tumorzellen in allen Organen in Abhängigkeit von der Hämodynamik extravadieren,
aber nur in solchen Organen multiplizieren, die entsprechende Wachstumsfaktoren
bereitstellen16.
Die “adhesion theory” besagt, daß die Extravasation von Tumorzellen durch
bestimmte Adhäsionsmoleküle gesteuert wird, die ihrerseits wiederum vom Endothel
in einer organspezifischen Art und Weise exprimiert werden21.
Die dritte Theorie ist die “chemoattractant theory“. In Studien wurde gezeigt, daß
Tumorzellen aufgrund von Chemokingradienten in bestimmte Organe metastasieren
können6,7,9,22 (Abb. 1). Chemokine sind chemotaktisch wirksame, zytokinähnliche
Moleküle, deren Struktur und Funktion im Folgenden näher erläutert wird.
Einleitung ________________________________________________________________ 5
Abbildung
1.
Chemokine
im
Metastasierungs-
prozess. Schematische Darstellung der funktionellen Relevanz
von Chemokinen im Metastasierungsprozess.
1.2 Chemokine
Chemokine sind kleine (8-14 kD), zytokinähnliche Proteine, die aufgrund der
Interaktion mit G-Protein-gekoppelten Rezeptoren (GPCR) verschiedene Zellen
anlocken
und
aktivieren
können.
In
ihrer
Paraderolle
kontrollieren
sie
physiologischerweise das Wanderungsverhalten von Leukozyten4,23,24.
1.2.1 Die Chemokinsuperfamilie
Typisches Merkmal der Chemokine ist ihre Aminosäuresequenz. In der Regel finden
sich vier konservierte Cystein-Aminosäuren. Anhand der Abfolge der ersten beiden
Cystein-Aminosäuren werden vier distinkte Chemokin-Subfamilien unterschieden
(Tab.2)23. Erstens, die CC-Chemokinfamilie, bei der die ersten beiden Cysteine in
direkter Nachbarschaft angeordnet sind, zweitens, die CXC-Chemokinfamilie mit
Separation der ersten beiden Cystein-Aminosäuren durch ein “Nicht-Cystein”;
drittens, die C-Chemokine, die als Besonderheit nur einen Cystein-Rest aufweisen
und viertens, die CX3C-Chemokinfamilie, deren Vertreter drei “Nicht-Cysteine”
Einleitung ________________________________________________________________ 6
zwischen den ersten beiden Cystein-Aminosäuren in der Aminosäuresequenz
zeigen4,23,24.
Tabelle 2. Struktur und Name der Chemokine.
Struktur
Name
NH2 - - C X C - -C - -C - -COOH
CXC – Chemokinfamilie (alpha)
NH2 - - C C - -C - -C - -COOH
CC – Chemokinfamilie (beta)
NH2 - - C - - - - - - - -C - -COOH
C – Chemokinfamilie (gamma)
NH2 - - C X3 C - -C - -C - -COOH
CX3C – Chemokinfamilie (delta)
Nach anfänglich uneinheitlicher Benennung der Chemokine regten die Drs Yoshie
und Zlotnik eine systematische Nomenklatur an (Keystone Conference 1999), die
mittlerweile von der WHO übernommen wurde und bei der sich der Name aus der
Chemokinsubfamilie (z.B. CC oder CXC) und dem Zusatz L für Ligand (Chemokin)
oder R für Rezeptor ergibt (IUIS/WHO Subcommittee on Chemokine Nomenclature,
2003). Bislang sind 25 humane CC-Chemokine, 15 humane CXC–Chemokine, zwei
humane C–Chemokine und ein humanes CX3C–Chemokin bekannt.
Einleitung ________________________________________________________________ 7
Tabelle 3. Systematische Nomenklatur für Chemokine (Keystone Meeting 1999).
CC Chemokin / Rezeptor Familie
Systematischer
Name
Humaner Ligand
Muriner Ligand
Chemokinrezeptor(en)
CCL1
I-309
TCA-3, P500
CCR8
CCL2
MCP-1, MCAF
MCP-1, JE
CCR2, CCR5
CCL3
MIP-1α, LD78α, LD78β, AT464.1,
AT464.2, GOS19-1, GOS19-2
MIP-1α
CCR1, CCR5
CCL4
MIP-1β, AT744.1, AT744.2, Act-2,
G-26, HC21, H400, LAG-1
MIP-1β
CCR1, CCR5, CCR8
CCL5
RANTES
RANTES
CCR1, CCR3,CCR4,
CCR5
CCL6
Unbekannt
C10, MRP-1
CCL7
MCP-3
NC28, FIC, MARC
CCR1, CCR2, CCR3
CCL8
MCP-2, HC14
MCP-2
CCR2, CCR3
CCL9/10
Unbekannt
MRP-2, CCF18,
MIP-1γ
Unbekannt
CCL11
Eotaxin
Eotaxin
CCR3
CCL12
Unbekannt
MCP-5
CCR2
CCL13
MCP-4, NCC-1, CKβ−10
Unbekannt
CCR2, CCR3
CCL14
HCC-1, HCC-3, NCC-2
Unbekannt
CCR1
CCL15
HCC-2, MIP-1δ, NCC-3, MIP-5,
Lkn-1
Unbekannt
CCR1, CCR3
CCL16
HCC-4, NCC-4, LEC, LMC
LCC-1
CCR1
CCL17
TARC, dendrokine
TARC
CCR4, CCR8
CCL18
DC-CK1, PARC, MIP-4, AMAC-1
Unbekannt
Unbekannt
CCL19
MIP-3β, ELC, exodus-3, Ckβ−11
MIP-3β
CCR7
CCL20
MIP-3α, LARC, exodus-1,
MIP-3α
CCR6
CCL21
6Ckine, SLC, exodus-2, TCA-4
6Ckine
CCR7
CCL22
MDC, STCP-1, DCtactin-β
ABCD-1
CCR4
CCL23
MPIF-1, MIP-3, CKβ8, CKβ8-1
Unbekannt
CCR1
CCL24
Eotaxin-2, MPIF-2, Ckβ−6
Unbekannt
CCR3
CCL25
TECK
TECK
CCR9 (GPR9-6)
CCL26
Eotaxin-3
Unbekannt
CCR3
CCL27
CTACK, ALP
CTACK, ALP
CCR10
CCL28
CCL28, MEC
CCL28
CCR10
Einleitung ________________________________________________________________ 8
CXC Chemokin / Rezeptor Familie
Systematischer
Name
Humaner Ligand
Muriner Ligand
Chemokinrezeptor(en)
CXCL1
GRO-1, GROα, MGSA-α
GRO/KC
CXCR2 > CXCR1
CXCL2
GRO2, GROβ, MIP-2α, MGSA-β
GRO/KC
CXCR2
CXCL3
GRO3, GROγ, MIP-2β
GRO/KC
CXCR2
CXCL4
PF4
PF4var1, PF4alt
Unbekannt
CXCL5
ENA-78
LIX
CXCR2
CXCL6
GCP-2
CKα-3
CXCR1, CXCR2
CXCL7
NAP-2
Unbekannt
CXCR2
CXCL8
IL-8, MDNCF, NAP-1, NCF
Unbekannt
CXCR1, CXCR2
CXCL9
Mig, Humig
Mig
CXCR3
CXCL10
IP-10
crg-2, mob-1
CXCR3
CXCL11
I-TAC, H174, b-R1
Unbekannt
CXCR3
CXCL12
SDF-1α, SDF-1β, PBSF
SDF-1α/β
CXCR4
CXCL13
BLC, BCA-1,
BLR1L, Angie
CXCR5
CXCL14
BRAK, bolekine
BRAK
Unbekannt
CXCL15
Unbekannt
Lungkine
Unbekannt
CXCL16
CXCL16
CXCL16
CXCR6 (STRL33)
C Chemokin / Rezeptor Familie
Systematischer
Name
Humaner Ligand
Muriner Ligand
Chemokinrezeptor
XCL1
Lymphotactin, SCM-1α,
ATAC
Lymphotactin
XCR1
XCL2
SCM-1β
XCR1
CX3C Chemokin / Rezeptor
Systematischer
Name
Humaner Ligand
Muriner Ligand
Chemokinrezeptor
CX3CL1
Fractalkine, neurotactin
Fractalkine
CX3CR1
Einleitung ________________________________________________________________ 9
Die biologischen Effekte von Chemokinen werden durch die Interaktion mit GProtein-gekoppelten Rezeptoren (GPCR), die sieben transmembranäre Domänen
besitzen, vermittelt (Abb.2). Ähnlich wie die Chemokinliganden zeigt die Familie der
Chemokinrezeptoren in den letzten Jahren eine deutliche Expansion. Zur Zeit
kennen wir 10 CC-, 6 CXC und je einen XC- sowie CX3C-Rezeptor (Tab.3). Neben
den identifizierten Chemokinrezeptoren gibt es jedoch eine Reihe weiterer
sogenannter “verwaister“ GPCR, für die bis heute noch kein Ligand identifiziert
werden konnte.
Ausgehend
von
rekrutierten
G-Proteinen
verwenden
Chemokinrezeptoren
verschiedene Signaltransduktionswege, um unterschiedliche biologische Funktionen
zu vermitteln (Tab.3, Abb.2)4,23,24.
Chemokine
CCR1-10
XCR1
CXCR1-6
CX3CR1
Abbildung 2. Signaltransduktion von Chemokinrezeptoren.
Chemokinrezeptoren umfassen sieben transmembranäre Domänen und sind an G-Proteine
gekoppelt. Zur Zeit kennen wir 10 CC-, 6 CXC-Rezeptoren, und je einen XC- und CX3C- Rezeptor.
Verschiedene Signaltransduktionswege werden von Chemokinrezeptoren verwendet, um biologische
Funktionen wie Integrinaktivierung, Apoptose, Genexpression, Adhäsion und Chemotaxis zu
vermitteln.
Einleitung _______________________________________________________________ 10
Interessanterweise existiert ein gewisser Grad an Promiskuität innerhalb der
Chemokinsuperfamilie. Dies äußert sich in der Tatsache, daß einige Liganden
denselben Rezeptor für die Vermittlung ihrer biologischen Funktionen verwenden
(Tab.3). Sortiert man Chemokinliganden nach ihrer chromosomalen Lage und ihrem
Rezeptorbindungsverhalten, so fällt auf, daß sogenannte „Cluster”-Chemokine, die
auf dem selben Chromosom lokalisiert sind und identische Rezeptoren binden,
existieren (Tab.3, Abb.3). Eine kleinere Anzahl an Chemokinen, die sogenannten
„Non-Cluster”-Chemokine, binden häufig einen spezifischen Rezeptor und haben
eine besondere chromosomale Lokalisation (Tab.3, Abb.3)3.
Betrachtet man die Chemokinsuperfamilie in ihrer Gesamtheit, so fällt auf, daß die
Vertreter, die als erstes identifiziert wurden, zu großen Mengen in vielen
verschiedenen Zelltypen gebildet werden (z.B. CCL3-5). Die Chemokine, die als
letztes gefunden wurden, zeigen im Gegensatz dazu ein sehr restriktives
Expressionsmuster und sind nur in sehr wenigen Geweben und Zellen vorhanden
(z.B. CCL25, CCL27, CCL28)3.
CXCR1
6
8
CXCR2
1
2
CXCR3
9 10 11
3
5
6
7
8
CCR1
3
5
CCR2
2
7 13
CCR3
5
7
CXCR4
12
CCR4
CXCR5
13
CCR5
3
CXCR6
16
CCR6
20
CCR7
19 21
XCR1
CX3CR1
2
1
1
7 13 14 15 16 23
8 11 13 15 24 26 8
17 22
4
CCR8
1
CCR9
25
CCR10
27 28
5
8
Abbildung 3. „Cluster”- versus „Non-Cluster”-Chemokine. Das Schema stellt die
Rezeptor/Liganden-Interaktionen sowie die chromosomale Lokalisation von Chemokinen dar (rot =
4q12-q13, orange = 4q21.21, gelb = 10q11.1, violett = 17q11.2, rosa = 2q33-q37, hellblau = 1q23,
dunkelblau = 19p13.2, hellgrün = 4q21, dunkelgrün = 16q13, tiefgrün = unbekannt, braun = 9p13, grau
= 5p13). Es können „Cluster”-Chemokine (Liganden, die identische chromosomale Lage aufweisen)
und „Non-Cluster”-Chemokine (Liganden in spezifischer chromosomaler Lokalisation) unterschieden
werden.
Einleitung _______________________________________________________________ 11
Nach Bindung des Chemokins an den spezifischen Rezeptor können verschiedene
Signalwege zur weiteren Signaltransduktion aktiviert werden, wie beispielsweise die
Erhöhung des intrazellulären Kalziumspiegels, Aktivierung der Phospholipase C und
Umwandlung von Phosphatidylinositolbiphosphat (PIP2) in Inositoltrisphosphat (IP3)
und Diacylglycerin, Aktivierung der Proteinkinase C, Phosphorylierung der Proteine
Akt und ERK, sowie die Beeinflussung des cAMP Spiegels2,25. Besondere
Erwähnung verdienen die Proteinkinase B (PKB), auch Akt genannt, und die durch
Mitogene aktivierten Proteinkinasen (MAPK), vor allem die extrazellulär Signalregulierten
Kinasen
1
und
2
(ERK1/2),
da
sie
in
den
verschiedenen
Signaltransduktionswegen Schlüsselpositionen besetzen26-29. Zentrale Elemente
dieser Transduktionswege sind die Phosphoinositid-3 Kinase, die ihrerseits zur
Phosphorylierung und Aktivierung von Akt führt und das Oncogen Ras, welches in
der Phosphorylierung und Aktivierung von
Funktionen
sind
beispielsweise
die
ERK1/2 mündet29,30. Die vermittelten
Induktion
von
Aktinpolymerisation
und
Chemotaxis31 sowie Zellreifung und Reduktion der Apoptoserate32,33. Darüber hinaus
konnte gezeigt werden, dass verschiedene Malignome eine erhöhte Akt-Aktivität
besitzen, was in einer verminderten Apoptoserate, einer vermehrten Proliferation und
Invasivität des jeweiligen Tumors resultiert27,34-37.
Auf zellulärer Ebene werden durch Chemokin/Rezeptor-Interaktionen zentrale
Prozesse reguliert26: der Zellzyklus, das Wachstum, die Zellmotilität sowie das
Überleben der Zelle26,28, wobei die Steuerung direkt über die Beeinflussung
regulatorischer Proteine oder indirekt über die Kontrolle der Transkription und des
Zellmetabolismus
erfolgen
kann29.
Die
biologischen
Funktionen,
die
durch
Chemokine und ihre Rezeptoren vermittelt werden können, wie z.B. Apoptose,
Genexpression, Integrinaktivierung, Reorganisation des Zytoskeletts, Adhäsion
sowie gerichtete Migration (Tab. 3, Abb. 2) werden im Folgenden näher
beleuchtet4,23,24.
1.2.2 Biologische Funktionen von Chemokinen und ihren Rezeptoren
In ihrer Paraderolle regulieren Chemokine die Leukozytenmigration. Zusammen mit
Adhäsionsmolekülen vermitteln Chemokine die feste Adhäsion von Leukozyten an
das Endothel, die transendotheliale Migration sowie Wanderung durch extrazelluläre
Matrix und bestimmen die spezifische Lokalisierung distinkter Leukozytensubpopulationen in peripheren Geweben4,23,24. Diese initialen Befunde zur Biologie
Einleitung _______________________________________________________________ 12
von Chemokinen identifizieren Angehörige dieser Proteinsuperfamilie als potente
Kandidaten,
die
die
Rekrutierung
von
pathogenetisch
relevanten
Leukozytensubpopulationen in periphere Organe steuern und somit sowohl in der
Initiierung als auch in der Chronifizierung von Erkrankungen eine wichtige Rolle
spielen4. Chemokine sind für das Zusammenspiel und die Funktion des
Immunsystems von elementarer Bedeutung. Sie regulieren die zielgerichtete
Migration naiver und auch reifer immunkompetenter Zellen, sie beeinflussen
wesentlich den Aufbau der primären und sekundären lymphatischen Organe, die Tund
B-Zellreifung
sowie
den
Tropismus
und
das
“Homing“
von
Leukozytensubpopulationen23,34,37. Auch bei vielen entzündlichen Erkrankungen
konnte die Schlüsselrolle von Chemokinen und ihren Rezeptoren gezeigt werden.
Akute Entzündungen wie beispielsweise Sepsis oder bakterielle Pneumonien werden
wesentlich von Chemokinen reguliert35,38 . Auch chronische oder rezidivierende
Entzündungen sind durch das Zusammenspiel spezifischer Chemokine und ihrer
Rezeptoren charakterisiert. Wichtige Beispiele sind die Multiple Sklerose33, die
chronisch entzündlichen Darmerkrankungen34, die rheumatoide Arthritis35, die
Psoriasis37 sowie Erkrankungen des atopischen Formenkreises38.
Mit Fortschreiten der Chemokinforschung konnten weitere biologische Funktionen
entdeckt werden. So werden zum Beispiel Angiogenese und Angiostase unter
anderem von Chemokinen beeinflusst23. In Tierversuchen führte das Fehlen des
Chemokin-Rezeptorenpaares
CXCL12/CXCR4
zu
schweren
kardiovaskulären
Fehlbildungen31. Darüber hinaus vermitteln Chemokine Veränderungen in der
Genexpression, die Reorganisation des Zytoskeletts und können die Apoptose von
Zellen beeinflussen4,23,24.
1.2.3 Funktion von Chemokinen in malignen Erkrankungen
Neben ihrer zentralen Bedeutung für die Leukozytenwanderung spielen Chemokine
eine komplexe Rolle im Tumormikromilieu. Dabei vermitteln Chemokine nicht nur die
Anti-Tumor-Immunantwort, sondern agieren als potentielle Tumorprogressoren
beispielsweise durch die Stimulation von Wachstumsfaktoren und angiogenetischen
Faktoren, durch Induktion von Matrix-Remodellierung oder Tumorzellmigration, durch
Modulation von Adhäsionsmolekülen und durch eine Umkehrung der Anti-TumorImmunantwort2. Darüber hinaus können Chemokine direkt Angiogenese induzieren2
und die Proliferation von Tumorzellen beeinflussen2. Ein Meilenstein gelang 2001
Einleitung _______________________________________________________________ 13
Müller et al., die die funktionelle Relevanz von Chemokin/Rezeptor-Interkationen für
die Migration und
Metastasierung von
Tumorzellen
im
Mammakarzinom
demonstrieren konnten6,7,9. Eine umfassende quantitative real-time PCR-Analyse
aller bekannten Chemokinrezeptoren (CCR1-CCR10, CXCR1-CXCR5, XCR1 und
CX3CR1) ergab, daß Zellen dieser Tumorentität Chemokinrezeptoren in definierter
Weise auf mRNS-Ebene exprimieren. Dabei zeigten Mammakarzinomzellen im
Vergleich zu normalen duktalen Mammaepithelzellen eine deutliche Überexpression
der Chemokinrezeptoren CXCR4 und CCR7. Diese Beobachtungen ließen sich auf
Proteinebene sowohl in vitro als auch in vivo bestätigen. Vergleichende, quantitative
PCR-Analysen der korrespondierenden Liganden für CXCR4, CXCL12, bzw. für
CCR7, CCL21, ergaben, daß diese Chemokine selektiv und am höchsten in Organen
gebildet werden, die primäre Metastasierungsziele des Mammakarzinoms darstellen
(Lunge, Leber, Knochenmark, Lymphknoten), jedoch auf signifikant niedrigerem
Niveau in Organen gebildet werden, die seltener Mammakarzinommetastasen
aufweisen (Haut, Skelettmuskel). In vitro induzierten CXCL12 und CCL21
Aktinpolymerisation, Pseudopodienbildung sowie Migration und Invasion von
Mammakarzinomzellen. Eine Neutralisation der CXCL12-CXCR4-Signaltransduktion
in vivo mittels eines blockierenden anti-CXCR4-Antikörpers führte zu einer
signifikanten
Reduktion
Mammakarzinomzellen
in
(65-83%)
Lunge
und
der
Metastasierung
Lymphknoten
in
von
humanen
einem
orthotopen
Mammakarzinommodell.
Diese Beobachtungen beschränken sich nicht nur auf das Mammakarzinom,
Chemokine scheinen prinzipiell für den Metastasierungsprozess maligner Tumoren
von Bedeutung zu sein39. Auch andere Gruppen konnten aktuell dieses Konzept
stützen und zeigen, daß beispielsweise die akute myeloische und lymphoblastische
Leukämie40, die chronische lymphatische Leukämie41, das Non-Hodgkin B-ZellLymphom42, das Ovarialkarzinom43 sowie das Pankreaskarzinom44 funktionell aktive
Chemokinrezeptoren ausprägen, welche die Migration von Tumorzellen vermitteln.
Weitere Beispiele sind auch das Bronchialkarzinom, das maligne Melanom und das
Endometriumkarzinom45-47.
1.3 Maligne Kopf-Hals Tumore
Unter dem Begriff der malignen Kopf-Hals-Tumore (KHT) wird eine Vielzahl
unterschiedlicher Neoplasien zusammengefasst, die im Bereich von Mund, Rachen
Einleitung _______________________________________________________________ 14
oder Kehlkopf entstehen. Mit einer weltweiten Inzidenz von über 500.000 Fällen
jährlich besitzen maligne KHT eine große epidemiologische Bedeutung und gehören
zu den häufigsten Malignomen48. Bezogen auf die deutsche Bevölkerung rechnet
man basierend auf den Daten der jeweiligen, landeseigenen Krebsregister mit einer
Inzidenz von ca. 13.000 Fällen jährlich. Hierbei sind Männer, abhängig von der
Tumorlokalisation, insgesamt drei- bis fünfmal häufiger betroffen als Frauen. Dieser
Unterschied spiegelt sich auch in der altersbereinigten Mortalitätsrate der 20
häufigsten Krebstodesursachen wider: während sich im Jahr 2003 maligne KHT an
sechster Stelle der häufigsten Krebstodesursachen der männlichen Bevölkerung
finden, stehen sie in der weiblichen Bevölkerung an 17. Stelle (GEKID, 2006).
Unterstrichen wird die Bedeutung dieser Zahlen durch die Tatsache, dass
Neoplasien
bis
zum
85.
Lebensjahr
die
häufigste
Todesursache
im
Erwachsenenalter darstellen49. Über 60% der Malignome des Kopf-Hals Bereichs
befinden sich zum Zeitpunkt der Diagnose in einem fortgeschrittenen Tumorstadium,
in
über
50%
der
Fälle
weisen
die
Patienten
bei
Erstdiagnose
bereits
Lymphknotenmetastasen auf50. Entscheidend für die Überlebensrate und die
Prognose von Tumorpatienten sind
vor allem das Tumorstadium und die
Metastasierung2,15,51. Obwohl durch Einschluss modernster Operationstechniken in
Kombination mit Chemotherapie- und Bestrahlungsprotokollen Fortschritte in der
lokoregionären Kontrolle erzielt wurden, hat sich die 5-Jahres-Überlebensrate seit
zwei Dekaden nicht wesentlich verbessert52.
Für die vorliegende Arbeit wurden zwei histologische Subtypen der Kopf-Hals
Tumoren gewählt, die sich durch ihr nahezu reziprokes Metastasierungsverhalten
(Tab.4)
als
Experimentalmodell
besonders
anbieten,
um
einen
möglichen
Zusammenhang zwischen der Chemokinrezeptorexpression und organspezifischer
Metastasierung der malignen KHT zu erforschen: das Plattenepithelkarzinom (PEK)
und das adenoid-zystische Karzinom (AZK).
Tabelle 4. Metastasierungsmuster von AZK und PEK.
Metastasierungsmuster
Lymphogen
Hämatogen
AZK
spät, selten
früh, häufig
PEK
früh, häufig
spät, selten
Einleitung _______________________________________________________________ 15
1.3.1 Plattenepithelkarzinome
Das Plattenepithelkarzinom (PEK) ist mit über 90% der häufigste histologische
Subtyp der Kopf-Hals-Tumore und entsteht aus mukosalen Keratinozyten der oberen
Schluck-Atemstraße48,53. Die wichtigsten Risikofaktoren für das Auftreten eines PEK
sind Nikotin- und Alkoholabusus51. Jeder dieser Faktoren erhöht für sich genommen
das Erkrankungsrisiko um das drei- bis neunfache, während beide gemeinsam das
Risiko an einem Plattenepithelkarzinom zu erkranken, um den Faktor Hundert
steigern51. Auch das Auftreten von Zweitneoplasien, die bei PEK im KopfHalsbereich in 20 bis 33% der Fälle auftreten und zu einer deutlichen Einschränkung
der
Lebenserwartung
führen,
werden
durch
fortbestehende
Rauch-
und
54
Alkoholgewohnheiten stark begünstigt . Histopathologisch können verschiedene
Differenzierungsgrade des PEK unterschieden werden: entdifferenziert/anaplastisch,
gering differenziert, mäßig und hoch differenziert. Das PEK zeichnet sich durch eine
frühe lymphogene Metastasierung aus, zum Zeitpunkt der Erstdiagnose bestehen
bereits in über 50% der Fälle bereits Lymphknotenmetastasen, eine hämatogene
selten und wenn überhaupt im verzögerten Intervall50.
Die Therapie der PEK des Kopf-Hals-Bereiches erfolgt stadienabhängig. In den
Stadien
I
und
II
Fernmetastasen)
(Tumorgröße
sind
die
unter
Operation
4cm
ohne
und/oder
Lymphknotenbefall
Bestrahlung
mit
oder
guten
Heilungserfolgen Therapie der Wahl47,50. Im häufigeren Fall der fortgeschrittenen
PEK der Stadien III und IV (Tumorgröße größer als 4cm mit Lymphknotenbefall oder
Fernmetastasen) erfolgt die Behandlung chirurgisch in Kombination mit Radiatio und
Chemotherapie oder durch eine primäre Radiochemotherapie. PEK der Stadien III
und IV besitzen jedoch trotz extensiver, multimodaler Therapiekonzepte eine
schlechte Prognose50. Deshalb wurde in zahlreichen Studien nach prognostisch
relevanten Faktoren geforscht. Es konnte gezeigt werden, dass neben dem
Tumorstadium vor allem die Ausprägung der lymphogenen Metastasierung
gemessen
an
Morphologie
der
der
Anzahl
befallenen
der
Lymphknotenmetastasen,
Lymphknoten
und
ein
einer
veränderten
Überschreiten
der
Lymphknotenkapsel Prognose-limitierend sind15,44,55 .
Trotz großer Anstrengungen, bestehende Therapiekonzepte zu optimieren und dem
erreichten Teilerfolg der höheren lokoregionären Kontrolle, konnte bisher keine
durchgreifende
Verbesserung
der
Prognose
48,50
metastasierten Stadium erzielt werden
.
von
Patienten
mit
KHT
im
Einleitung _______________________________________________________________ 16
1.3.2 Adenoid-zystische Karzinome
Das adenoid-zystische Karzinom (AZK) ist ein maligner epithelialer Tumor, der
seinen Ursprung von den Speicheldrüsen nimmt und mit 3-5% aller Kopf-Hals
Karzinome im Vergleich zum PEK (bis zu 90%) eine seltene Tumorentität darstellt56.
Bezüglich der Lokalisation und der Häufigkeit sind die großen und kleinen
Speicheldrüsen zu je 50% betroffen. Im Gegensatz zum Plattenepithelkarzinom des
Kopf-Hals-Bereiches gibt es keine bekannten Risikofaktoren für das AZK. Daher ist
diese Tumorentität keinen präventiven Maßnahmen zugänglich56. Histologisch lässt
sich das AZK anhand seines Wachstums in drei Formen einteilen: glandulärkribriform, tubulär und solide. Ein besonders typisches Merkmal der AZK sind ein
schwer beurteilbares, häufig unterschätztes, infiltratives Wachstum sowie die
Tendenz, sich entlang von Nervenstrukturen auszubreiten. Die Krankheitsprogression zeichnet sich durch zahlreiche Rezidive und einen protrahierten Verlauf
aus. Im Gegensatz zum PEK ist das AZK durch eine frühe, hämatogene
Metastasierung in distinkte Organe wie Lunge, Gehirn, Knochen und Leber
charakterisiert57. Fernmetastasen können aber auch nach Jahren aggressiver
Therapie und lokoregionärer Kontrolle des Primärtumors auftreten58,59. Perineurale
Invasion und eine ausgedehnte Tumorgröße sind wichtige Hinweise auf mögliche
Fernmetastasen60. Lymphogene Metastasen sind im Gegensatz zum PEK selten60.
Sowohl Fernmetastasen als auch Lymphknotenmetastasen werden als ungünstige
prognostische
Marker
gewertet61.
Die
Standardtherapie
besteht
in
einer
chirurgischen Intervention, dabei wird das Ausmaß des Eingriffs durch die
Lokalisation sowie die Größe des Primärtumors bestimmt. Bei ausgedehnten
Befunden empfehlen neuere Studien zur besseren lokoregionären Kontrolle eine
postoperative Radiatio61. Für den häufig vorzufindenden Fall des metastasierten AZK
(40-60%) wurde der Einsatz einer Vielzahl antineoplastisch wirksamer Substanzen
beschrieben, ohne daß sich bislang hieraus ein etabliertes Standardprotokoll
entwickelt
hätte.
Das
bei
malignen
KHT
am
häufigsten
verwendete
Chemotherapeutikum stellt Cisplatin dar50.
Wirkmechanismus von Cisplatin. Cisplatin (Cis-Diammindichloroplatinum (II)) ist
ein planarer Schwermetallkomplex, um dessen Platin–Zentralatom sich zwei
Aminogruppen und zwei Chloratome gruppieren62 Die zytotoxische Wirkung resultiert
aus einer Ereigniskette, an deren Ende der programmierte Zelltod, die Apoptose,
steht62,63. Dabei beruht der zytotoxische Effekt auf der Vernetzung der DNS mit
Einleitung _______________________________________________________________ 17
Bildung sogenannter “crosslinks“ durch Cisplatin62,64. Die Alteration der DNS wird
durch verschiedene Typen regulatorischer Proteine entdeckt und führt zu pro- sowie
antiapoptotischen Signalen. Zum einen werden Reperaturmechanismen initiert, zum
Beispiel durch Proteine der Xeroderma Pigmentosum Gruppe65. Zum anderen
werden proapoptotische Proteine, wie zum Beispiel p53, aktiviert63. Wichtig für die
Signaltransduktion bis zur Apoptose sind die Mitogen aktivierten Proteinkinasen
MAPK und ihre Effektoren ERK1/2, sowie die Kinase Akt63.
Cisplatin-Resistenzmechanismen.
Es gibt verschiedene Ursachen, die zur
Resistenz maligner Zellen gegen Cisplatin führen können63. Neben einer
gesteigerten Aktivität der DNS-Reperaturproteine können auch Veränderungen in der
Signaltransduktion zwischen DNS und effektiver Apoptose zu einer Cisplatinresistenz
führen63,66. Hierbei sind ebenfalls die vorher beschriebenen Moleküle Akt und
ERK1/2 von großer Bedeutung63,67.
Da neue therapeutische Substanzen häufig mit konventionellen Standardverfahren
kombiniert werden, ist es wichtig, die Wege ihrer Interaktion und Regulation zu
verstehen. Darüber hinaus entwickeln Tumorzellen, die eine Behandlung mit
ionisierenden Strahlen oder Chemotherapeutika überlebt haben, nicht selten einen
anderen Phänotyp im Vergleich zur Zellpopulation vor Therapie, bis hin zu einem
erhöhten metastastischen Potential68.
Einleitung _______________________________________________________________ 18
1.4 Fragestellung
Aufgrund der Tatsache, daß die lymphogene und hämatogene Metastasierung eine
der Hauptursachen für die tumorspezifische Letalität maligner Erkrankungen
darstellt, ist es von zentraler Bedeutung, die dem Metastasierunsprozess zugrunde
liegenden
molekularen
Mechanismen
besser
zu
verstehen,
um
neue
tumorspezifische Behandlungsstrategien entwickeln zu können. Tumorzellmigration
und
Metastasierung
zeigen
deutliche
Gemeinsamkeiten
mit
dem
Wanderungsverhalten von Leukozyten, das wesentlich von Chemokinen beeinflusst
wird14.
In der vorliegenden Arbeit wurden das PEK und das AZK aufgrund ihres nahezu
reziproken Metastasierungsverhaltens als Modell gewählt, um folgende zentrale
Fragen zu untersuchen:
a)
Ist das generelle Konzept, daß Chemokine von funktioneller Relevanz für
den Metastasierungsprozess sind, übertragbar auf maligne KHT, und
unterscheiden sich PEK und AZK in ihrem Chemokinrezeptorprofil? Hierfür
wurde die Expression aller Chemokinrezeptoren in vitro und in vivo in verschiedenen
Erkrankungsstadien von PEK und AZK untersucht.
b)
Welche Funktionen werden durch Chemokinrezeptoren in Tumorzellen
vermittelt?
Um
dieser
Frage
nachzugehen,
wurden
Chemokin/Rezeptor-
Interaktionen an etablierten Zellinien von PEK und AZK durch funktionelle in vitroAssays untersucht, sowie nach intrazellulären Mechanismen der Signaltransduktion
geforscht.
c)
Wie werden tumorassozierte Chemokinrezeptoren reguliert? Hierfür
wurde der Effekt verschiedener, für das “tumor microenvironment“ relevanter
Faktoren einschließlich Chemokine, Wachstumsfaktoren und proinflammatorische
Zytokine auf die Chemokinrezeptorexpression untersucht. Ein weiterer Aspekt war
die Untersuchung der Interaktion zwischen Chemokinrezeptorexpression und
Chemotherapie.
19
Material und Methoden
2 Material und Methoden
In der vorliegenden Arbeit wurde die Rolle von Chemokinen und ihren Rezeptoren
im Metastasierungsprozess von Tumoren der Kopf-Hals-Region untersucht. Dabei
wurden zwei histologische Entitäten einander gegenüber gestellt, die sich klinisch
durch
ihr
distinktes
Metastasierungsmuster
unterscheiden:
das
Plattenepithelkarzinom (PEK) mit überwiegend lymphogener Metastasierung und das
adenoid-zystische Karzinom (AZK) mit vorwiegend hämatogener Disseminierung.
Methodische Schwerpunkte finden sich in folgenden molekularbiologischen und
zellbiologischen Bereichen:
•
Zellkultur primärer Tumorzellen
•
quantitative real-time PCR
•
Durchflußzytometrie
•
Immunhistochemie
•
Chemotaxis-Assays
•
Western-Blotting
•
Apoptose-Nachweis
2.1 Charakterisierung der Chemokinrezeptorexpression in AZK
und PEK der Kopf-Hals-Region
Zur Charakterisierung der Chemokinrezeptorexpression in humanen AZK und PEK
wurden zunächst umfassende Analysen aller Chemokinrezeptoren
quantitativer
real-time
PCR,
Durchflußzytometrie
und
mittels
Immunhistochemie
durchgeführt.
2.1.1 Zelllinien und Zellkultur
Zur Charakterisierung des Chemokinrezeptorprofils von AZK und PEK der Kopf-HalsRegion in vitro wurden primäre Zellkulturen untersucht.
Zelllinien. Zelllinien von AZK sind im Gegensatz zu PEK schwierig zu etablieren.
Aus diesem Grund sind in der Weltliteratur nur wenige etablierte AZK-Linien bekannt.
Eine der am besten charakterisierten AZK-Zellinien stellt die ACC-3-Linie (ACC3/ACC T#3, Prof. Saku, Niigata, Japan) dar. Diese sowie die Zellinie ACC-2 (ACC2/ACC T#2, Prof. Qiu Wie-liu, Shanghai Second Medical University, P.R. of China),
20
Material und Methoden
welche aus AZK generiert wurden (He RG, 1986),
wurden der Arbeitsgruppe
freundlicherweise durch Dr. W.L. Qiu (Shanghai, China) zur Verfügung gestellt.
Die primären Zelllinien der PEK wurden von Primärtumoren im Kopf-Hals Bereich
(UD-SCC 1 – 4/SCC T#1 – 4, UD–SCC 6/SCC T#6, UD–SCC 7A/SCC T#7, UD–
SCC8/SCC T#8, UM-SCC 10A/SCC T#10, UM-SCC 17A/SCC T#17, UM-SCC
24A/SCC T#24) sowie deren zugehörigen Lymphknotenmetastasen (UD-SCC
7B/SCC M#7, UM-SCC 10B/SCC M#10, UM-SCC 17B/ SCC M#17, UM-SCC
24B/SCC M#24) etabliert. Eine detaillierte Ausführung zur Etablierung dieser
Zelllinien und deren Charakterisierung wurden von Ballò und Masters verfasst69.
Tabelle 5. Charakteristika der Zelllinien.
1
Zelllinie
Geschlecht1
Alter2
TNM
Ursprung
SCC T#1
m3
64
pT3pN2b
Tonsilla palatina
SCC T#2
m
58
pT1pN3
Hypopharynx
SCC T#3
m
45
pN+
Larynx
SCC T#4
m
45
pT3pN1
Zungengrund
SCC T#6
m
62
pT2N0M0
Zunge
SCC T#7
m
71
T2N2b
Valleculae
SCC T#8
m
43
unbekannt
Larynx
SCC T#10
m
57
T3N0M0
Stimmband
SCC M#10
m
58
T3N1M0
Lymphknotenmetastase
SCC T#17
4
w
47
T1N0M0
Supraglottis
SCC M#17
w
47
T1N0M0
Halsweichteile
SCC T#24
m
41
T2N0M0
Zunge
SCC M#24
m
41
T2N0M0
Hals, persistierende
Metastase
Geschlecht des Patienten, 2Alter bei Erstdiagnose, 3männlich, 4weiblich
Kultivierung. Die Tumorzellen wurden in 75cm² Falcon-Kulturflaschen Cellstar®
(Greiner bio-one, Essen, Deutschland) als Monolayer kultiviert. Die routinemäßige
Propagation der Zellen erfolgte in DMEM (Dulbeco’s Modified Eagle Medium von
Gibco, Eggenstein, Deutschland) und dem Zusatz von 10%, hitzeinaktiviertem
fetalem Kälberserum FCS (Gibco, Eggenstein, Deutschland) und 2mM L-Glutamin
(Gibco, Eggenstein, Deutschland) sowie einer antibiotisch-antimykotischen Lösung
(Gibco, Eggenstein, Deutschland). Als einzige Ausnahme ist die Zelllinie ACC T#2
(ACC-2) zu nennen, die RPMI (Gibco, Eggenstein, Deutschland) mit identischen
Zusätzen, also 10% hitzeinaktiviertem fetalem Kälberserum (FCS), 2mM L-Glutamin
21
Material und Methoden
und
1%
antibiotisch-antimykotischer
Lösung
als
Nährmedium
erhielt.
Für
Kontrollversuche wurden, nach regelrechter Einverständniserklärung der Spender,
primäre Keratinozyten aus gesunder Schleimhaut gewonnen und kultiviert. Hierzu
wurden Gewebeproben in schmale Streifen geschnitten und mit Dispase-I Lösung
(Roche Diagnostics, Mannheim, Deutschland) bei 4°C über Nacht inkubiert. Am
folgenden Tag wurden die mukosalen Keratinozyten vorsichtig von der Lamina
propria gelöst und mit Trypsin-EDTA Lösung (Boehringer, Mannheim, Deutschland)
bei 37°C für 30 Minuten inkubiert. Anschließend wurde eine homogene
Zellsuspension der primären mukosalen Keratinozyten in serumfreiem KeratinozytenMedium (Keratinocyte-SFM von Gibco, Eggenstein, Deutschland) mit dem Zusatz
von antibiotisch-antimykotischer Lösung (ebenfalls von Gibco) vorbereitet und in
75cm² Kulturflaschen ausgesät.
2.1.2 Analyse der Chemokinrezeptorexpression auf RNS-Ebene mittels
quantitativer real–time PCR (Taq-Man®)
Zur Charakterisierung des Chemokinrezeptorprofils von AZK und PEK auf RNSEbene dienten Analysen mittels quantitativer real-time PCR.
Hierzu musste zunächst wie nachfolgend beschrieben die RNS aus den Zellen
extrahiert, die Proben mit DNAse inkubiert und in komplementäre DNS (cDNS)
umgeschrieben werden.
RNS-Extraktion. Zur Extraktion der Gesamt-RNS wurden die Zellen nach Entfernen
des Kulturüberstandes in 5ml TRIZOL® aufgenommen. Nach Zugabe von 1ml
Chloroform wurden die Proben 20 min bei 10000 rpm und 4°C zentrifugiert, um die
RNS von der DNS- und Proteinphase zu trennen. Die wässrige, RNS-haltige Phase
wurde in ein sauberes Gefäß übernommen und das gleiche Volumen an –20°C
vorgekühltem Isopropanol zugegeben. Nun wurde die RNS über Nacht gefällt und
anschließend zentrifugiert. Nach Entfernung des Überstandes wurde das Pellet
luftgetrocknet
und
in
50µl
DEPC-Wasser
(Roth,
Karlsruhe,
Deutschland)
aufgenommen. Die beschriebenen Arbeitsschritte wurden auf Eis durchgeführt. Die
Bestimmung der Nukleinsäurekonzentration erfolgte durch Messung der Absorption
im Bereich von 260 nm, 280 nm und 320 nm mit einem Pharmacia Biotech Ultrospec
3000 Spektralphotometer. Die Konzentration und Reinheit wurde nach Sambrook et
al.70 berechnet. Für RNS entspricht eine Absorption A260 von 1 der Konzentration
von genau 40 µg RNS/ml.
22
Material und Methoden
Generierung der cDNS mittels Reverse Transkriptase PCR (RT-PCR). Zur
reversen Transkription der Gesamt-RNS zu cDNS (RT-PCR) wurden 4µg RNS in
10µl DEPC-H2O (Roth, Karlsruhe, Deutschland) mit 1µl DNAse I (Roche, Mannheim,
Deutschland), 1,5µl 5-fach RT-Buffer (Invitrogen, Karlsruhe, Germany), 1µl RNAseInhibitor (RNAsin, Roche, Mannheim, Deutschland) und 2,5µl DEPC-H2O für 20 min
bei 37°C gefolgt von 10 min bei 70°C im Thermocycler inkubiert. Im weiteren Verlauf
wurden die Proben nach Zugabe von 3,6µl Oligo dT (Invitrogen, Karlsruhe,
Deutschland und 0.4µl Random Hexamer (Promega, Madison, USA) für 10min bei
70°C im Thermocycler belassen, anschließend erfolgte das Annealing auf Eis. Nach
Zugabe von 4,5µl 5-fach Puffer (Invitrogen, Karlsruhe, Germany), 1,5µl dNTP
(Invitrogen, Karlsruhe, Germany), 1µl DTT (Invitrogen, Karlsruhe, Germany) und 1µl
RNAsin (RNAsin, Roche, Mannheim, Deutschland) wurden die Proben für 2min
wieder im Thermocycler bei 42°C inkubiert. Die eigentliche reverse Transkription
erfolgte nach Zugabe von 2µl Superscript II (Invitrogen, Karlsruhe, Deutschland) für
50 min bei 42°C und 10 min bei 70°C im Thermocycler. Im letzten Schritt wurde eine
cDNS
Konzentration
von
10
mg/µl
eingestellt,
basierend
auf
der
RNS-
Konzentrationsmessung vor der RT-PCR.
Quantitative real-time PCR. Als spezifische Primerpaare für die folgenden
Chemokine und Chemokinrezeptoren wurden verwendet4,71:
CCL1-CCL5 CCL7-CCL8, CCL11, CCL13, CCL14, CCL16-22, CCL24-CCL28
CXCL1-CXCL6, CXCL8-CXCL16
CCR1-10, CXCR1-6, XCL1, XCR1, CX3CL1, CX3CR1.
Primer und Probes wurden auf Kreuzreaktivität getestet und sind kommerziell
erhältlich (Applied Biosciences, Foster City, CA, USA). Quantitative real-time PCRReaktionen
verwendeten
SYBR-Green
als
Reporter
für
Reaktionen
mit
Chemokin/Rezeptor-spezifischen Primerkombinationen und FAM als Reporter für
Reaktionen
mit
Chemokin/Rezeptor-spezifischen
Primer/Probe-Kombinationen.
Probes für die interne Positivkontrolle (ribosomale 18S-RNS oder Ubiquitin) waren
mit dem VIC-Reporter assoziiert. Die Proben unterliefen folgende Stadien: Stadium
1, 50°C für 2 Minuten, Stadium 2, 95°C für 10 Minuten und Stadium 3, 95°C für 15
Sekunden, gefolgt von 60°C für 1 Minute. Stadium 3 wurde 40 Mal wiederholt.
Genspezifische PCR Produkte wurden mittels eines ABI PRISMÆ 7000 Sequence
Detection System (Perkin Elmer, Foster City, CA) kontinuierlich während 40 Zyklen
gemessen. Die Target-Genexpression zwischen verschiedenen Proben wurde
23
Material und Methoden
normalisiert basierend auf den Werten der internen Positivkontrolle. Plasmid-cDNS in
fünf definierten Konzentrationen wurde verwendet, um die genspezifische mRNSExpression zu quantifizieren.
2.1.3 Analyse der Chemokinrezeptorexpression auf Proteinebene in
vitro mittels Durchflußzytometrie
Die Untersuchung der Chemokinrezeptorexpression auf Proteinebene erfolgte mittels
Durchflußzytometrie. Die Versuche wurden wie vorbeschrieben durchgeführt5,72. Der
immunologische Nachweis erfolgte dabei entweder mit Antikörpern, an die der
Fluoreszenzfarbstoff
direkt
gebunden
ist,
oder
indirekt
über
Primär-
und
Sekundärantikörper. Für den Nachweis der folgenden Chemokinrezeptoren wurden
direkt an Phycoerythrin (PE)-konjugierte, humane Antikörper verwendet: CCR1,
CCR2, CCR3, CCR5, CCR7, CCR9 (alle von R&D Systems Inc., Minneapolis, MO,
USA) sowie CCR4, CCR6, CXCR1, CXCR2, CXCR3, CXCR4, CXCR5, CXCR6 (alle
von BD PharMingen, San Diego, CA, USA). Indirekte Färbungen erfolgten für die
Rezeptoren CCR8 und CCR10. Zur Detektion von CCR8 wurden zunächst
ungelabelte anti – CCR8 Antikörper (210-762-R100, goat IgG, Alexis Biochemicals,
Lausanne, Schweiz) und im nächsten Schritt PE-konjugierte Antikörper verwendet
(Caltag, Burlingame, CA, USA).
CCR10 wurde mit biotingebundenen anti-CCR10 Antikörpern (clone 1908; DNAX
Research Institute, Palo Alto, CA, USA) und anschließend mit PE-konjugiertem
Streptavidin gefärbt.
Für die intrazelluläre Färbung von CCR7 und CXCR5 wurde vor der oben
beschriebenen Färbung das IntraStain Kit (DAKO, Glostrup, Dänemark) angewandt.
2.1.4 Analyse der Chemokinrezeptorexpression auf Proteinebene in
vivo mittels Immunhistochemie
Die Untersuchung der Chemokinrezeptorexpression auf Proteinebene in vivo erfolgte
mittels Immunhistochemie in Proben aus Operationsresektaten der entsprechenden
Malignome.
Gewebeproben. Nach ausführlicher Aufklärung und schriftlichem Einverständnis
wurden je eine Probe pro Patient aus chirurgischen Exzidaten von PEK und AZK
verschiedener
Erkrankungsstadien
gewonnen,
sowie,
abhängig
von
der
24
Material und Methoden
Verfügbarkeit, Proben von Lymphknotenmetastasen. Die Grösse der entnommenen
Probe orientierte sich dabei an der Grösse des jeweiligen chirurgischen Exzidates,
sodaß keine Beeinträchtigung der diagnostischen Beurteilbarkeit auftrat. Da es sich
beim AZK um eine maligne Erkrankung mit geringer Inzidenz handelt, waren zwei
operative Zentren in die Patientenrekrutierung eingebunden. Als klinischer
Kooperationspartner diente die HNO-Universitätsklinik in Pittsburgh, USA. Mit
Einverständnis des IRB (Institutional Review Board), Pittsburgh, USA, und der
hiesigen Ethikkommission (Studien Nr.: 1945) standen 57 Proben von AZK in Form
von Paraffinschnitten zur Verfügung. Für die Entität des PEK konnten 29
verschiedene Primärtumorpräparate sowie 12 "matched pairs" (d.h. Primärtumor und
zugehörige
Lymphknotenmetase) verwendet werden. Vorraussetzung für weitere
Untersuchungen war die Bestätigung der histopathologischen Diagnose. Als
Kontrollen dienten Gewebeproben aus gesundem Speicheldrüsengewebe und
oropharyngealer Mukosa.
Immunhistochemie. Die Präparate wurden routinemäßig in Formalin fixiert,
anschließend in Paraffin eingebettet, um daraus 3 – 5µm dünne Schnitte
anzufertigen,
die
dann
mit
anti–humanen
Antikörpern
gegen
CXCR4,
beziehungsweise CCR7, wie vormals von Müller et al. beschrieben6, gefärbt wurden.
CXCR4-Färbung. Hierzu wurden die Schnitte bei 70°C fixiert und ausgehend von
Xylol in einer absteigenden Alkoholreihe je zwei Minuten pro Lösung bis zu Aqua
dest. entparaffiniert. Nach Antigen-Demaskierung
(VECTOR Antigen Unmasking
Solution, Vector Laboratories, Burlingame, CA, USA) wurden die Proben mit 0,6 %
H2O2 behandelt. Es folgten der Avidin- und Biotin-Blockierungsschritt. Die Inkubation
mit dem primären Antikörper gegen CXCR4, beziehungsweise dem Isotyp, wurde in
einer Konzentration von 3µg/ml durchgeführt und anschließend der biotinylierte
Sekundärantikörper zugegeben. Nach der Färbereaktion mit dem Avidin-BiotinKomplex (Vectastain ABC Peroxidase Kit, Vector Laboratories, Burlingame, CA,
USA) wurde die Färbereaktion mit dem AEC-Reagenz (VECTOR Peroxidase
Substrate Kit AEC, #SK-4200, Vector Laboratories, Burlingame, CA, USA)
durchgeführt und mit Hämatoxyllin Gill No. 1 (Sigma, #GHS 1 -32, Sigma Aldrich, St.Louis, MO, USA) gegengefärbt.
CCR7-Färbung. Hierfür wurden die Tumorschnitte in Aceton fixiert und mit H2O2
vorbehandelt. Darauf folgten der Avidin- und Biotin-Blockierungsschritt (VECTOR
Blocking Kit, Vector Laboratories, Burlingame, CA, USA). Die Färbung wurde mit
25
Material und Methoden
einem monoklonalen anti-humanen Antikörper gegen CCR7 (R&D Systems Inc.,
Minneapolis, MO, USA) beziehungsweise dem entsprechenden Isotyp (BD
PharMingen, San Diego, CA, USA) durchgeführt. Nach Behandlung mit dem AECReagenz
(DAKO
AEC
Kit)
wurde
eine
Gegenfärbung
mit
Hämatoxylin
angeschlossen.
Die histopathologische Beurteilung führten zwei unabhängige Untersucher durch, die
die Immunreaktion der jeweiligen Schnitte in eine Skala von negativ bis zweifach
positiv einteilten (0 = keine, + = schwache, ++ = starke immunhistochemische
Reaktion).
2.2 In
vitro
Funktion
und
Regulation
tumorassoziierter
Chemokinrezeptoren
Nach der Charakterisierung der Chemokinrezeptorprofile von AZK und PEK wurden
mögliche biologischen Funktion in vitro mittels Chemotaxis-Assays, Western-Blotting
und
Apoptose-Assays
analysiert
sowie
Untersuchungen
zur
Regulation
tumorassoziierter Chemokinrezeptoren durchgeführt.
2.2.1 Analyse von Migration und Invasion von Tumorzellen auf
Chemokingradienten mittels Chemotaxis Assays
Chemokine induzieren die spezifische Rekrutierung inflammatorischer Zellen in
distinkte anatomische Regionen4. Die molekulare Basis von Tumorzellmigration und
Invasion hingegen ist bis heute nicht vollständig geklärt, wobei jedoch schon seit
Längerem angenommen wird, daß externe Stimuli den Prozess der Zellmotilität
beeinflussen73. Alterationen der Zell-Zell-Adhäsion sowie die Sekretion und
Aktivierung proteolytischer Enzyme sind essentiell für die Tumorzellinvasion73 und
die Interaktion mit chemotaktischen Faktoren könnte einen kritischen Schritt in
diesem Prozess repräsentieren. Während sicher ist, daß Chemokine das “homing“
von
Leukozyten
in
periphere
Gewebe
mediieren4,
ist
das
biologische
Wirkungsspektrum dieser Moleküle auf Tumorzellen bisher nicht vollständig definiert.
2001 konnten Müller et al. zeigen, dass CXCR4 und CXCL12 Chemotaxis und
Invasion von Mammakarzinomzellen induzieren6, eine Beobachtung, die die
potentielle Rolle von Chemokinen im Metastasierungsprozess unterstreicht.
26
Material und Methoden
Anknüpfend daran sollte in der vorliegenden Arbeit die chemotaktische Antwort von
AZK- und PEK-Zellen des Kopf-Hals-Bereiches auf verschiedene Chemokine in
Transwell-Chemotaxis-Assays untersucht werden. Dabei wurden Transwell-Inserts
60min bei Raumtemperatur mit Fibronectin (Becton Dickinson, Sunnyvale, CA, USA)
5µg/ml vorbehandelt6. Als Negativkontrolle wurde DMEM ohne jeglichen Zusatz, als
Positivkontrolle DMEM mit 5% FCS in die Multiwell-Platten vorgelegt. Die übrigen
Wells wurden mit DMEM und dem Zusatz unterschiedlicher Konzentrationen an
CXCL12 (humanes rekombinantes CXCL12, R&D Systems Inc., Minneapolis, MO,
USA) vorbereitet. Anschließend wurden die mit Fibronectin vorbehandelten
Transwell-Inserts in die Multiwell-Platten eingesetzt und mit der entsprechenden
Tumorzellsuspension (0,5-1x105 Zellen) befüllt. Die Inkubation erfolgte über 9h (AZK)
beziehungsweise
15h
(PEK)
im
Brutschrank
unter
Standardbedingungen.
Anschließend konnten solche Zellen, die an der Unterseite des Inserts adhärierten,
angefärbt und lichtmikroskopisch quantifiziert werden. Die unterschiedlichen
Inkubationszeiten wurden basierend auf Beobachtungen in Vorversuchen gewählt.
Alle Chemotaxisassays wurden drei Mal in Tripletts durchgeführt.
2.2.2 Modulation von Chemokinrezeptoren durch Chemotherapie
Radiotherapie
und
Chemotherapie
repräsentieren
effektive
und
etablierte
Behandlungsmethoden bei PEK des Kopf-Hals-Bereiches, die meist im Rahmen
multimodaler Therapiekonzepte angewandt werden74,75. Hierbei ist Cisplatin das am
häufigsten verwendete Chemotherapeutikum in KHT76. Während kürzlich gezeigt
wurde, daß eine erhöhte Expression von Chemokinen in Tumorzellen mit einem
metastatischen Phänotyp assoziiert und durch chemotherapeutische Substanzen
induzierbar ist68, ist bisher nicht bekannt, ob dieser Zusammenhang auch für die
Expression von Chemokinrezeptoren auf Tumorzellen gilt. Aus diesem Grund wurde
in
der
vorliegenden
Arbeit
untersucht,
ob
die
in
vitro-Behandlung
mit
Chemotherapeutika mit einer Veränderung des Chemokinrezeptorprofils einhergeht.
Hierfür wurden die Zellen zunächst 72 Stunden einer Standardkultivierung zugeführt.
Für die anschließende Inkubation wurde frisches Nährmedium - entsprechend der
Zelllinie – und dem Zusatz von Cisplatin (Bristol Myers Squibb, München,
Deutschland) in den Konzentrationen 1, 3 oder 9µg/ml beziehungsweise 5µg/ml des
Transkriptions- und RNS-Polymerase-Inhibitors α-Amanitin (Sigma Aldrich, St.-Louis,
27
Material und Methoden
MO, USA) beziehungsweise einer Kombination von Cisplatin und α-Amanitin
verwendet.
In den anschließenden, wie oben vorbeschriebenen, durchflußzytometrischen
Analysen wurde die Chemokinrezeptorexpression untersucht.
Der
Antitumor-Effekt
wurde
mit
dem
3-(4,5-dimethylthiazol-2-yl)–2,
5–
diphenyltetrazolium Bromid Test (MTT, Sigma Aldrich, St.-Louis, MO, USA)
überprüft. Dabei wurde die mitochondrielle Aktivität in Zellen als Maß für die
zytotoxische Wirkung verwendet. Metabolisch aktive Zellen können MTT mittels des
mitochondrialen Enzyms Succinatdehydrogenase zum farbigen Formazan-Salz
umsetzen. Im nächsten Schritt wurde das wasserunlösliche Formazansalz mit
Isopropanol extrahiert, um die Absorbtion der Isopropanollösung bei 570nm zu
quantifizieren.
2.2.3 Analyse intrazellulärer Signaltransduktionswege mittels WesternBlotting zum Nachweis aktivierter Signalmoleküle
Chemokine
vermitteln
ihre
Signale
über
die
Bindung
an
spezifische
Chemokinrezeptoren, welche zur intrazellulären Signaltransduktion heterotrimere GProteine benötigen, man spricht daher von den sogenannten G-Protein-gekoppelten
Rezeptoren (GPCR)23. Wichtige Signaltransduktionsmoleküle in der weiteren
Signalkaskade sind die Proteinkinase B (PKB), auch Akt genannt, und die durch
Mitogene aktivierten Proteinkinasen (MAPK), vor allem die extrazellulär Signalregulierten Kinasen 1 und 2 (ERK1/2). Um die intrazelluläre Signaltransduktion in
malignen KHT nach Chemokin–Rezeptor-Interaktion zu überprüfen, wurde mittels
Western Blotting die Phosphorylierung der Proteinkinase B (AKT) und der
extrazellulär-regulierten Kinasen 1/2 (ERK1/2) untersucht. Dazu wurden AZK–Zellen
mit humanem, rekombinantem CXCL12 (500ng/ml, R&D Systems Inc., Minneapolis,
MO, USA) behandelt, wobei verschiedene Inkubationszeiten (5min, 15min, 30min,
60min) gewählt wurden. Nach einem kurzem Waschgang folgte die Zelllyse mit
doppelt konzentriertem SDS–Page Ladepuffer [125mM Tris; 4% (w/v) SDS; 20%
(v/v) Glycerin; 100mM DTT; 0,2% (w/v) Bromophenolblau (pH 6,8)]. Die gewonnenen
Proteine und die visköse DNS wurden durch eine 2sec-Sonifizierung und Erhitzen (35min bei 95°C) denaturiert. Anschließend wurden die Proben in die Geltaschen (15 –
20µl/Geltasche) der SDS–Polyacrylamidgele eingebracht und stromkontrolliert
(60mA) elektrophoretisch aufgeteilt.
28
Material und Methoden
Die verwendeten Puffer und SDS-Polyacrylamid Gele setzen sich im Einzelnen wie
folgt zusammen:
Lösungen:
Lösung 1: 30% (w/v) Acrylamid; 0,8% (w/v) Bisacrylamid
Lösung 2: 0,4% (w/v) SDS; 1,5 M Tris (8mM EDTA); pH 8,8
Lösung 3: 0,4% (w/v) SDS; 1,5 M Tris (8mM EDTA); pH 6,8
Polyacrylamidgel (10% bzw. 8% Acrylamid):
Trenngel 1 (10% Acrylamid): 33,3% (v/v) Lösung 1; 25% (v/v) Lösung 2; 41,7% (v/v)
H2O; 7 x 10-3% (v/v) APS; 7 x 10-4% (v/v) N,N,N’,N’ Tetramethylendiamin (TEMED)
Trenngel 2 (8% Acrylamid): 26,6% (v/v) Lösung 1; 25% (v/v) Lösung 2; 48,4% (v/v)
H2O; 7 x 10-3% (v/v) APS; 7 x 10-4% (v/v) TEMED
Sammelgel (4% Acrylamid): 13,4% (v/v) Lösung 1; 30% (v/v) Lösung 3; 56,6% (v/v)
H2O; 7,5 x 10-3% (v/v) APS; 7 x 10-4% (v/v) TEMED
Elektrodenpuffer: 0,2 M Glycin; 0,1 M Tris; 0,1% (w/v) SDS; pH 8,8
APS: 10 – 12% (w/v) Ammoniumperoxidsulfat
Die 1mm dicken Gele wurden in zwei Arbeitsschritten hergestellt: Im ersten Schritt
wurde das Trenngel gegossen und während des Polymerisierens mit Isopropanol
überschichtet. Nach Entfernen des Isopropanols wurde im zweiten Schritt das
Sammelgel gegossen. Die Gelläufe wurden in Novex-Minigel Kammern (Novex,
Frankfurt) durchgeführt, elektrophoretisch aufgetrennt und geblottet.
Für den spezifischen Proteinnachweis wurden polyklonale Antikörper – in der vom
Hersteller vorgegebenen Verdünnung - eingesetzt. Die Antikörper (Anti-phosphoERK1/2, Anti-total ERK1/2, anti-phospho-Akt (Ser473) und anti-total-Akt stammen
von Cell Signaling Technology (Beverly, MA, USA).
2.2.4 Analyse chemokinvermittelter antiapoptotischer Signale
Neben
der
gezielten
Rekrutierung
spezifischer
Zellpopulationen
vermögen
Chemokine auch die Apoptose zu beeinflussen77. Um die Bedeutung der ChemokinRezeptor Interaktion von CXCR4-CXCL12 bezogen auf die Apoptoserate von
Tumorzellen zu untersuchen, wurden AZK-Zellen für 24 Stunden mit Cisplatin, bzw.
einer Kombination aus Cisplatin und humanem CXCL12 behandelt und mit 5µg/ml
Hoechst 33342 (Sigma Aldrich, St.-Louis, MO, USA) gefärbt. Als Negativkontrolle
dienten unbehandelte Zellen. Anschließend wurden die apoptotischen Zellen anhand
Material und Methoden
29
der typischen Morphologie mit Chromatinkondensation und –fragmentierung mittels
Fluoreszenz identifiziert und quantifiziert.
30
Ergebnisse
3 Ergebnisse
3.1 Tumorzelllinien
von
adenoid-zystischen
Plattenepithelkarzinomen
Karzinomen
exprimieren
und
distinkte
Chemokinrezeptorprofile in vitro
Zunächst
wurde
untersucht,
ob
adenoidzystische
Karzinome
(AZK)
und
Plattenepithelkarzinome (PEK) charakteristische Chemokinrezeptorprofile aufweisen,
welche mit den nahezu reziproken klinischen Metastasierungsmustern dieser beiden
Tumorentitäten korrelieren.
Hierzu wurde eine umfassende quantitative real-time PCR Analyse aller bekannten
Chemokinrezeptoren (CCR1-10, CXCR1-6, CX3CR1 und XCR1) an humanen
Zelllinien von AZK und PEK durchgeführt (Abb.4).
3.1.1 Chemokinrezeptorexpression von AZK und PEK auf RNS-Ebene
Abbildung 4 zeigt die Chemokinrezeptorexpression auf mRNS Ebene in Zellinien von
adenoidzystischen Karzinomen (n=2), primären Zelllinien von Primärtumoren von
Plattenepithelkarzinomen (n=10) und korrespondierenden Lymphknotenmetastasen
(n=3) im Vergleich zu primären mukosalen Keratinozyten.
Während mukosale Keratinozyten ein äußerst begrenztes Rezeptorrepertoir
exprimierten mit Hochregulation eines einzigen Chemokinrezeptors, CXCR1
(Abb.4m), wiesen AZK und PEK-Zellen eine Überexpression unterschiedlicher
Chemokinrezeptoren auf (Abb.4).
AZK-Zellen zeigten im Gegensatz zu Zelllinien von PEK eine besonders hohe
Expression des Chemokinrezeptors CXCR4 (Abb.4p) während mRNS von
verschiedenen anderen Rezeptoren nur in geringen Mengen detektiert werden
konnte (Abb.4).
PEK-Zellen hingegen exprimierten ein breiteres Spektrum an Chemokinrezeptoren
(Abb.4). So fand sich eine Überexpression von CXCR1 und CXCR2 (Abb.4m,n),
Chemokinrezeptoren,
die
im
Zusammenhang
mit
Interleukin-8
vermittelter
Proliferation und Invasion von Tumorzellen beschrieben wurden78. CXCR1 und
CXCR2-mRNS wurde von der Mehrzahl der PEK -Zellen ausgeprägt, während diese
Ergebnisse
31
Rezeptoren in AZK-Zellen nicht nachweisbar waren (Abb.4m,n). Darüber hinaus fand
sich in PEK-Zellen eine konstante Hochregulierung auf mRNS-Ebene für CCR3,
CCR7, CXCR3, CXCR5 und CXCR6 (Abb.4c, 4g, 4o, 4q, 4r). Vor allem CCR7
(Abb.4g) und CXCR5 (Abb.4q) wurden konstant von den verschiedenen PEKZelllinien exprimiert, während sich keine oder nur eine äußerst geringe Expression in
AZK-Zelllinien fand (Abb.4g, 4q). Interessanterweise wurde für CCR3, CCR7 und
CXCR5 eine Assoziation mit Metastasierung in lokoregionale Lymphknoten für
andere Tumorentitäten bereits beschrieben79-82.
Eine Überexpression der Chemokinrezeptors CXCR4 ließ sich in PEK-Zelllinien im
Gegensatz zu AZK-Zellen nicht nachweisen (Abb.4p).
32
Ergebnisse
Abbildung
4.
PEK
und
AZK
exprimieren
spezifische
Chemokin-
rezeptorprofile auf mRNS Ebene in vitro. Umfassende quantitative real-time RT-PCR
Analyse aller bekannten Chemokinrezeptoren (CCR1-10 (a-j), CXCR1-6 (m-r) CX3CR1 (k) und XCR1
(l)) in AZK (n=2) und PEK Zelllinien, welche von verschiedenen Primärtumoren (T; n=10) oder den
zugehörigen Lymphknotenmetastasen (M; n=3; 3 matched pairs) generiert wurden, im Vergleich zu
primären mukosalen Keratinozyten (MK; n=1). Menge der Genexpression in fg/ 25ng Gesamt-cDNS.
33
Ergebnisse
3.1.2 Chemokinrezeptorexpression von AZK und PEK auf ProteinEbene
Durchflußzytometrische
Analysen
für
CXCR4
bestätigten
eine
hohe
Oberflächenexpression dieses Chemokinrezeptors auf AZK-Zellen (25–95%) (Abb.5a
und Tab.6), während PEK-Zellen und primäre mukosale Keratinozyten keine oder
nur eine geringe (<4%) CXCR4-Proteinexpression zeigten (Abb.5b und Tab.6).
Für CCR7 konnte trotz der hohen Expression auf
RNS-Ebene (Abb.4g) keine
signifikante Oberflächenexpression auf PEK-Zellen detektiert werden (Abb.5c und
Tab.6). Um zu klären, ob dieser Rezeptor in intrazellulären Pools im Zytoplasma von
PEK-Zellen
gespeichert
wird,
wurden
intrazelluläre
Färbungen
für
CCR7
durchgeführt. Hierfür wurden drei repräsentative PEK-Zelllinien ausgewählt (SCC
T#1, SCC T#6 und SCC T#24), welche eine deutliche CCR7-Expression auf RNS–
Ebene aufwiesen, und einer AZK-Zelllinie (ACC T#3) gegenüberstellt. Wie in
Abbildung 5d dargestellt, fand sich für PEK-Zellen eine hohe intrazelluläre
Konzentrationen an CCR7-Protein, während AZK-Zellen diesen Rezeptor nicht
exprimierten (Daten nicht gezeigt). Diese intrazelluläre Expression von CCR7 konnte
zusätzlich in immunzytochemischen Analysen für die Gewebeschnitte bestätigt
werden (Abb.5e, 5f).
Um zu determinieren, welchen Regulationsmechanismen die Proteinexpression von
CCR7 in PEK-Zellen in vitro unterliegen könnte, wurde der Einfluß des Mikromilieus
auf die CCR7-Oberflächenexpression näher untersucht. Hierfür wurden PEK-Zellen
mit
verschiedenen
proinflammatorischen
Zytokinen
und
Wachstumsfaktoren
einschliesslich TNF-α, TGF-β und EGF in vitro inkubiert und die Oberflächenexpression von CCR7 durchflußzytometrisch analysiert. Zusammenfassend führte
keiner der genannten Stimuli zu einer signifikanten Hochregulierung der CCR7Oberflächenexpression auf PEK-Zellen (Daten nicht gezeigt).
Ähnlich wie CCR7 war auch CXCR5 trotz signifikanter Expression auf RNS-Ebene
(Abb.4q) nicht als Oberflächenprotein auf PEK-Zellen nachweisbar (Abb.5g und
Tab.6).
Allerdings
zeigten
intrazelluläre
Färbungen
dieses
Rezeptors
eine
signifikante CXCR5-Proteinexpression im Zytoplasma von PEK-Zellen (Abb.5h).
Darüber hinaus führte ein 24-stündiger Serumentzug zu einer Induktion der
Oberflächenexpression von CXCR5 auf PEK-Zellen (15% CXCR5-positive Zellen)
(Abb.5i).
34
Ergebnisse
Weitere Chemokinrezeptoren, welche auf der Oberfläche von PEK-Zellen detektiert
werden konnten, waren CCR3 und CCR6, allerdings zeigte sich hier nur eine
schwache Oberflächenexpression (Tab.6). Andere Rezeptoren wurden nicht konstant
an der Oberfläche von PEK-Zellen, AZK-Zellen oder primären mukosalen
Keratinozyten exprimiert (Tab.6). Darüber hinaus fand sich kein signifikanter
Unterschied
im
Chemokinrezeptorprofil
in
PEK-Zelllinien
generiert
von
Primärtumoren im Vergleich zu Lymphknotenmetastasen (Abb.4 und Tab.6).
Tabelle 6. Oberflächenexpression der Chemokinrezeptoren in AZK und PEK
CCR1
CCR2
CCR3
CCR4
CCR5
CCR6
CCR7
CCR8
CCR9
-
-
-
-
-
22
-
-
-
2
-
-
-
-
-
-
SCC T #1
-
-
-
-
-
2
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
SCC T#2
-
-
2
-
-
4
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
SCC T#3
-
-
2
-
-
3
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
SCC T#4
-
-
2
-
-
4
-
-
-
-
-
3
-
2
-
-
SCC T#6
-
-
-
-
-
4
5
-
-
-
-
2
-
4
-
-
SCC T#7
-
-
2
-
-
3
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
SCC T#8
-
-
2
-
-
5
-
-
-
-
-
-
-
3
-
-
SCC T#10
-
2
4
2
-
-
2
-
5
-
6
-
-
2
3
-
SCC M #10
-
-
4
-
-
4
-
-
2
12
7
-
-
2
6
-
SCC T#17
-
-
2
-
-
6
-
-
-
-
-
-
2
-
-
-
SCC M#17
-
-
2
-
-
4
-
-
-
-
-
2
-
-
-
-
SCC T#24
-
-
2
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
SCC M#24
-
-
-
-
-
3
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
ACC T#2
-
-
-
-
-
6
-
-
4
-
-
-
-
25
-
-
ACC T#3
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
95
-
-
MK1
3
4
1
MK, mukosale Keratinozyten -
2
CCR10 CXCR1 CXCR2 CXCR3 CXCR4 CXCR5 CXCR6
3
Prozentsatz positiverZellen – T, Zelllinie mit
Primärtumor als Ursprung - 4M, Zelllinie mit Lympknotenmetastase als Ursprung
35
Zellzahl
Zellzahl
Zellzahl
Zellzahl
Ergebnisse
Abbildung 5. Spezifische Chemokinrezeptorexpression in AZK- und PEKZelllinien auf Proteinebene. Durchflußzytometrische Analysen der CXCR4-Expression von
AZK (T#3) (a) und PEK-Zellen (T#1) (b). Durchflußzytometrische Analysen der Oberflächen-(c) und
intrazellulären (d) CCR7-Expression in PEK-Zellen (T#1). Immunzytochemische Analysen von PEKZellen (T#1) mit einem spezifischen CCR7-Antikörper (f), bzw. dem entsprechenden Isotyp (e). 200x
Vergrößerung. Durchflußzytometrische Analysen der Oberflächen-(g) und intrazellulären CXCR5-
36
Ergebnisse
Expression (h) in PEK-Zellen (T#6) sowie CXCR5-Oberflächenexpression nach 24h Serumentzug (i).
Die grau gefüllten Histogramme entsprechen der Isotypfärbung, die schwarz umrandeten
Histogramme CXCR4, CCR7, bzw. CXCR5.
3.2 AZK und PEK exprimieren distinkte Chemokinrezeptoren in
vivo
Um die in vivo Relevanz der Expression von CXCR4 und CCR7 zu untersuchen,
erfolgten immunhistochemische Analysen an Gewebeproben von Primärtumoren
AZK (n=57) sowie an primären PEK (n=29) mit den korrespondierenden
Lymmphknotenmetastasen in 12 Fällen.
Während sich CXCR4 in Gewebeproben normaler Speicheldrüsen nicht nachweisen
ließ (Abb.6a), zeigten 56 von 57 der AZK (98%) eine starke CXCR4-Expression (2fach positiv) (Abb.6a) und lediglich eine AZK-Probe eine schwache Expression (1fach positiv) (Daten nicht gezeigt).
Im Gegensatz hierzu stellten sich 19 von 29 der primären PEK (66%) negativ für
CXCR4 dar (Abb.6b), während interessanterweise 23 von 26 Fälle (88%) eine hoch
positive Färbereaktion für CCR7 aufwiesen (Abb.6g, 6h).
Im Detail stellte sich die Verteilung von CXCR4 in PEK wie folgt dar: 9 von 29 der
Tumore (31%) waren schwach positiv (Abb.6c) und nur eine PEK-Probe (3%) war
stark positiv, die überwiegende Mehrzahl (66%) jedoch zeigte keine CXCR4Expression (Abb.6b). Darüber hinaus ließ sich in zwei der CXCR4-positiven Proben
eine Betonung der CXCR4-Expression im Bereich der invasiven Front des
Primärtumors nachweisen (Abb.6d), was die Vermutung nahe legt, daß CXCR4 für
die Tumorinvasion eine bedeutende Rolle spielen könnte.
Um festzustellen, ob Primärtumore ein anderes Rezeptorexpressionsmuster
aufweisen als die zugehörigen Lymphknotenmetastasen wurden 12 sogenannte
"matched pairs" immunhistochemisch untersucht (Abb.6e-h). CXCR4 ließ sich in 5
von 12 Primärtumoren sowie in 7 von 12 Lymphknotenmetastasen nicht nachweisen
(Abb.6e-f, Tab.7). 6 von 12 Primärtumoren und 5 von 12 Lymphknotenmetastasen
zeigten eine schwach positive Reaktion für CXCR4 (Daten nicht gezeigt) während
sich in nur einem Primärtumor eine stark positive Färbereaktion für CXCR4 fand
(Daten
nicht
gezeigt).
Zwischen
der
Chemokinrezeptorexpression
von
Primärtumoren und zugehöriger Lymphknotenmetastase zeigte sich kein signifikanter
Unterschied in der Expression von CXCR4.
Ergebnisse
37
Im Gegensatz hierzu wurde CCR7 in allen 12 Primärtumoren und in 10 von 12
korrespondierenden Lymphknotenmetastasen exprimiert (Abb.6g-h, Tab.7). Dabei
fand sich in 8 von 12 Primärtumoren und in 5 von 12 Lymphknotenmetastasen eine
stark positive Färbereaktion für diesen Rezeptor (Abb.6g-h, Tab.7). In Analogie zum
Expressionsmuster von CXCR4 fand sich auch für CCR7 kein Unterschied in der
Expression zwischen Primärtumoren und Lymphknotenmetastasen.
Zusammenfassend weist die distinkte Expression von CXCR4 in AZK und CCR7 in
PEK darauf hin, daß diese Rezeptoren eine wichtige Rolle bei der hämatogenen
(CXCR4) bzw. lymphogenen (CCR7) Metastasierung dieser beiden Tumorentitäten
spielen könnten.
38
Ergebnisse
Abbildung 6. CXCR4- und CCR7-Expression in Operationsresektaten von
AZK und primären PEK mit zugehörigen Lymphknotenmetastasen. Repräsentative
Ergebnisse der immunhistochemischen Analysen für CXCR4 (a-f) und CCR7 (g, h). Primärtumore von
AZK zeigen eine deutliche und homogene CXCR4 Expression (a; rechte Seite) während das gesunde
Speicheldrüsengewebe keine CXCR4-Expression aufweist (a; linke Seite). (b)Variable CXCR4Expression in Primärtumoren von PEK. Fehlende CXCR4 Proteinexpression in einem primären PEK;
CXCR4 exprimierende Endothelzellen (Pfeil). (c) Schwache CXCR4 Expression in einem anderen
primären PEK (Pfeile) und fehlende CXCR4-Expression in gesunder Mukosa (c, links). (d) Betonung
der CXCR4-Expression im Bereich der invasiven Front (Pfeile) eines primären PEK (repräsentativ für
2/29 PEK). Fehlen von CXCR4 (e, f) bei gleichzeitig deutlicher CCR7-Expression (g, h) im Sinne einer
Membranfärbung
(g,
inset)
in
einem
PEK
Primärtumor
(e,g)
Lymphknotenmetastase (f,h). Vergrößerungen: 250x (a, b) und 100x (c-h).
und
der
zugehörigen
39
Ergebnisse
Tabelle 7. CXCR4- und CCR7-Expression in Primärtumoren von PEK und
zugehörigen Lymphknotenmetastasen
Chemokinrezeptorexpression
CXCR4
CCR7
1
0
1+
2+
T1 (n=12)
5
6
1
M2 (n=12)
7
5
0
T (n=12)
0
8
4
M (n=12)
2
7
3
T, Primärtumor – 2M, Lymphknotenmetastase
3.3 CXCR4 mediiert die gerichtete Migration von Tumorzellen in
vitro
CXCL12, der korrespondierende Ligand von CXCR4, wird konstitutiv in hohem Maße
in
Lunge
und
Leber
exprimiert,
Organe
welche
die
häufigsten
Metastasenlokalisationen bei AZK repräsentieren6,12 und mediiert die gerichtete
Migration von Zellen in vitro und in vivo4.
Nach Identifizierung distinkter Chemokinrezeptorprofile in PEK und AZK-Zellen und
dem Feststellen einer
hohen CXCR4-Expression in AZK, wurde untersucht, ob
CXCR4 in Tumorzellen funktionell aktiv ist.
In durchflußzytometrischen Analysen führte eine Inkubation der CXCR4-positiven
AZK-Zellinie ACC T#2 mit CXCL12-Protein zu einer zeitabhängigen Internalisierung
des Rezeptors mit Abnahme der Oberflächenexpression von CXCR4 (Abb.7)
Abbildung
7.
Zeitabhängige
Zellzahl
Internalisierung von CXCR4 in das
Zytoplasma.
Durchflußzytometrische
Analysen der CXCR4-Oberflächenexpression
von AZK Zellen nach CXCL12 Exposition
(500ng/ml)
zu
den
jeweils
angegebenen
Zeitpunkten.
CXCR4
Darüber hinaus zeigten AZK-Zellen in Chemotaxis Assays eine gerichtete Migration
auf CXCL12-Gradienten in einer dosisabhängigen Art und Weise (Abb.8, p<0,05).
40
Ergebnisse
PEK-Zellen, welche CXCR4-negativ waren, zeigten keine chemotaktische Antwort
Zellzahl
nach CXCL12-Exposition (Abb.8).
Abbildung 8. Chemotaktische Antwort von AZK Zellen auf CXCL12. AZK-Zellen
zeigen im Gegensatz zu PEK-Zellen eine chemotaktische Antwort auf einen CXCL12-Gradienten (1,
10, 100, 1000, 1500ng/ml) in dosisabhängiger Weise. Transwell-Migrationsassay von AZK-Zellen
(ACC T#3, schwarze Histogramme) und PEK-Zellen (SCC T#1, gestreifte Piktogramme). Die
Ergebnisse sind als durchschnittliche Anzahl der migrierten Zellen pro 5 Gesichtsfelder mit
Standardabweichung dargestellt (*p < 0,05 im Vergleich zur Kontrolle nach dem Student’s T-Test).
3.4 Das antineoplastische Agens Cisplatin induziert CXCR4Expression auf Tumorzellen
Cisplatin
stellt
ein
sehr
wirkungsvolles
und
häufig
eingesetztes
chemotherapeutisches Agens in der Behandlung von malignen KHT dar76,77,83,84. Um
festzustellen, ob Cisplatin zu einer Veränderung der Chemokinrezeptorexpression
auf Tumorzellen führt, wurden hoch CXCR4-exprimierende
AZK-Zellen mit
ansteigenden, sublethalen Dosen von Cisplatin (1, 3, und 9 µg/ml) in vitro inkubiert.
Dabei
entsprachen
die
gewählten
Konzentrationen
den
therapeutischen
Wirkkonzentrationen, die im Serum von Patienten mit malignen KHT während einer
Cisplatintherapie gemessen werden können85,86. In vitro wurde der Antitumor-Effekt
mittels eines MTT-Assays determiniert, welcher die mitochondriale Aktivität als Maß
für die zytotoxische Wirkung eines Agens verwendet. In MTT-Assays zeigte sich bei
den
oben
genannten
Konzentrationen
von
Cisplatin
eine
Hemmung
der
Zellvermehrung von 24-78% (Daten nicht gezeigt).
Interessanterweise führte die Cisplatin-Exposition zu einer dosisabhängigen
Induktion
der
CXCR4-Proteinexpression
auf
AZK-Zellen
(Abb.9a-b).
Nach
Ergebnisse
41
24stündiger Inkubationszeit mit Cisplatin vervielfachte sich die mittlere Fluoreszenz
für CXCR4 um den Faktor 1,5 bis 2 (Abb.9b). Um die zugrunde liegenden
Mechanismen dieser Hochregulierung näher zu beleuchten, wurden AZK-Zellen mit
einer Kombination aus Cisplatin und α-Amanitin, einem Inhibitor der RNSPolymerase-II vermittelten Transkription, behandelt. Im Falle der Koinkubation mit αAmanitin konnte die Cisplatin-vermittelte Induktion von CXCR4 um bis zu 85%
reduziert werden (Abb.9c). Diese Ergebnisse weisen darauf hin, daß die Induktion
von CXCR4 durch Cisplatin eine erhöhte Gentranskription voraussetzt.
42
Zellzahl
Zellzahl
Ergebnisse
Abbildung 9. AZK-Zellen zeigen eine erhöhte CXCR4-Expression nach
Behandlung mit Cisplatin (a-c) und weisen eine gesteigerte Überlebensrate bei
CXCL12-Exposition auf (d, e). (a) Oberflächenexpression von CXCR4 auf unbehandelten
AZK-Zellen (schwarze Linie), bzw. Cisplatin-behandelten AZK-Zellen (1µg/ml Cisplatin - gepunktete
Linie, 3µg/ml - gestrichelte Linie, 9µg/ml - graue Linie). Das grau gefüllte Histogramm zeigt die IsotypKontrolle. (b) Relative mittlere Fluoreszenz der CXCR4-Oberflächenexpression auf AZK-Zellen nach
Cisplatin-Inkubation. Die Fluoreszenz ist als relative mittlere Fluoreszenz im Vergleich zu
unbehandelten Zellen angegeben mit der Standardabweichung für drei unabhängige Experimente. (c)
Durchflußzytometrische Analysen von CXCR4 bei unbehandelten AZK-Zellen (schwarze Linie),
Cisplatin-behandelten Zellen (3µg/ml Cisplatin - gestrichelte Linie) oder Cisplatin (3µg/ml) und αAmanitin-behandelten (5µg/ml) AZK-Zellen (graue Linie). (d) CXCL12 induziert die Phosphorylierung
von Akt und ERK1/2 in AZK-Zellen. AZK- Zellen wurden mit CXCL12 (500ng/ml) inkubiert und
43
Ergebnisse
Zelllysate zu unterschiedlichen Zeitpunkten mittels Western-Blot untersucht. Als Positivkontrolle diente
humanes EGF (10ng/ml) ein bekannter Aktivator von Akt und ERK1/2. Die Ergebnisse stellen
repräsentative Daten aus drei unabhängigen Experimenten dar. (e) Prozentsatz apoptotischer AZKZellen, nachgewiesen mit dem Farbstoff Hoechst 33342, welche entweder unbehandelt waren oder
mit Cisplatin (9µg/ml) allein bzw. einer Kombination aus Cisplatin (9µg/ml) und CXCL12 (500ng/ml)
inkubiert wurden. Bei den Ergebnissen handelt es sich um die Durchschnittwerte von vier
unabhängigen Experimenten unter Angabe der jeweiligen Standardabweichung (*** p < 0,001;
Student’s t-Test).
3.5 CXCL12/CXCR4-Interaktion führt zur Aktivierung von “survival
pathways“ in Tumorzellen
Um zu determinieren, ob CXCL12/CXCR4-Interaktionen zu einer Aktivierung von
Signaltransduktionswegen führen, welche Zellüberleben und Proliferation vermitteln,
untersuchten wir die Aktivierung der Akt/Proteinkinase B (Akt/PKB) und der über
extrazelluläre Signale regulierten Kinasen ERK1 und ERK2. Akt/PKB ist ein
“downstream“-Effektor
der
Phosphatidylinositol
3’-Kinase
(PI3K),
welche
antiapoptotische Signale in Zellen aktiviert87. Die mitogen-aktivierten Proteinkinasen
(MAPK) ERK1 und 2 spielen ein Rolle für die Zellproliferation, Differenzierung und
das Überleben29.
Zunächst wurden AZK-Zellen in serum-freiem Medium zusammen mit 500ng/ml
CXCL12-Protein
inkubiert
und
Zelllysate
zu
unterschiedlichen
Zeitpunkten
gewonnen. Mittels Western Blot-Analyse wurde dann der Gehalt an phosphoryliertem
und damit aktiviertem Akt/PKB und aktiviertem ERK1/2 bestimmt (Abb.9d). Wie
Abbildung 9d verdeutlicht, werden Akt/PKB und ERK1/2 durch CXCL12-Stimulation
in signifikantem Maße aktiviert. Diese Aktivierung zeigte sich für beide Kinasen nach
fünf Minuten und erreichte nach 15 Minuten ein Maximum (Abb.9d). Während die
Phosphorylierung von Akt/PKB auch nach 60 Minuten auf konstantem Niveau
nachweisbar blieb, sank die Aktivierung von ERK1/2 nach 60 Minuten wieder auf das
Kontrollniveau (Abb.9d).
Diese Ergebnisse lassen vermuten, dass CXCL12/CXCR4-Interaktionen in AZKZellen zu einer Aktivierung von intrazellulleren Signalttransduktionswegen führen,
welche Zellüberleben und Proliferation unterstützen und damit Tumorprogression
fördern.
Um zu untersuchen, ob die Aktivierung von Akt/PKB und ERK1/2 durch CXCL12
tatsächlich das Überleben von Tumorzellen begünstigt, wurden AZK-Zellen mit
Ergebnisse
44
Cisplatin alleine oder mit einer Kombination aus Cisplatin und CXCL12 inkubiert,
anschließend mit HOECHST 33342 gefärbt und der Anteil apoptotischer Zellen
ermittelt. Dabei lag die basale Apoptose-Rate in unbehandelten AZK-Zellen
durchschnittlich bei 2,5%. Cisplatin alleine induzierte bei einer Konzentration von
9µg/ml nach 24h eine signifikanten Erhöhung der Apoptose in AZK-Zellen auf 44%,
während durch Koinkubation mit CXCL12 diese Steigerung der Apoptose wiederum
signifikant gesenkt werden konnte(Abb.9e, p<0,001).
Diese Ergebnisse legen nahe, daß CXCL12 tatsächlich die Cisplatin-induzierte
Apoptose zu hemmen vermag und damit das Überleben von AZK-Zellen begünstigen
kann.
45
Diskussion
4 Diskussion
Die Fähigkeit zur Metastasierung stellt ein zentrales Charakteristikum des malignen
Phänotyps dar39. Klinisch repräsentiert sie den wichtigsten prognostischen Faktor,
welcher entscheidend die tumorbedingte Morbidität und Lethalität bei den meisten
Tumorentitäten beeinflusst50. Molekularbiologisch betrachtet, ist Metastasierung das
Resultat multipler, aufeinander folgender Ereignisse und stellt einen nicht-zufälligen
und organspezifischen Prozess dar, welcher durch eine Vielzahl von Molekülen
beeinflusst wird14. Welche molekularen Mechanismen der gerichteten Wanderung
von Tumorzellen in spezifische Organe zugrunde liegen, ist bislang nicht vollständig
geklärt.
In der vorliegenden Arbeit wurden zellspezifische Merkmale untersucht, die für die
Organotropie der Metastasierung von malignen KHT von Bedeutung sein könnten.
Dabei wurden zwei histologische Entitäten der malignen KHT ausgewählt, welche
sich
aufgrund
unterscheiden:
ihres
PEK
nahezu
reziproken
und AZK50,60.
Metastasierungsmusters
deutlich
Während PEK überwiegend lymphogen
metastasieren50, erfolgt die Disseminierung bei AZK vor allem hämatogen60. Daher
eignen sich die beiden Tumorentitäten besonders als Modell, um das Phänomen der
organspezifischen Metastasierung näher zu untersuchen.
Der
Metastasierungsprozess
zeigt
wesentliche
Gemeinsamkeiten
mit
dem
Wanderungsverhalten von Leukozyten, welches maßgeblich durch Chemokine und
ihre Rezeptoren reguliert wird88. Im Jahr 2001 konnte erstmals in Studien im
Mammakarzinom
belegt
werden,
daß
Chemokin/Rezeptor-Interaktionen
das
“homing“ von Tumorzellen in distinkte Organe mediieren6. In der vorliegenden Arbeit
konnte gezeigt werden, daß PEK und AZK distinkte Chemokinrezeptorprofile
aufweisen, welche ursächlich für das differente Metastasierungsmuster dieser beiden
Tumorentitäten sein könnten.
So präsentierten PEK-Zellen eine grössere Bandbreite an Chemokinrezeptoren,
während AZK-Zellen überwiegend den Chemokinrezeptor CXCR4 ausprägten. Die
Mehrheit der PEK-Zelllinien zeigte eine signifikante Hochregulierung der Rezeptoren
CXCR1 und CXCR2. Dabei ist der Ligand, CXCL8, unter anderem ein potenter
angiogenetischer Faktor23,89. Durch Interaktion mit CXCR1 und CXCR2 auf
Endothelzellen reguliert CXCL8 die Proliferation und Migration von Endothelzellen
und vermittelt anti-apoptotische Signale in diesen Zellen90. Darüber hinaus führt
46
Diskussion
CXCL8 zur Einwanderung immunkompetenter Zellen in inflammatorische Gewebe
und beeinflusst die Leukozytenaktivierung89. In aktuellen Studien in malignen
Erkrankungen wie dem malignen Melanom91, dem hepatozellulären Karzinom92, dem
Bronchialkarzinom93 und dem Pankreaskarzinom94 konnte gezeigt werden, daß
CXCL8 die Proliferation, das Überleben und die Invasion von Tumorzellen fördern
sowie Angiogenese induzieren kann90,93.
Für das Prostatakarzinom wurde eine
positive Korrelation zwischen einer CXCR1- bzw. CXCR2-Überexpression und einem
fortgeschrittenen Tumorstadium festgestellt95. Es ist anzunehmen, daß diese
Chemokinrezeptoren auch beim PEK der Kopf-Hals-Region eine wichtige Rolle für
die Proliferation und Invasion von Tumorzellen spielen und somit Tumorprogression
fördern können. Einen autokrinen, pro-proliferativen Mechanismus für CXCL8CXCR1/CXCR2-Interaktionen vermuteten erstmals Watanabe et al., die nachwiesen,
daß PEK-Zellen CXCL8 exprimieren96. Darüber hinaus wurde in PEK-Zellen eine
Überexpression des Chemokins CXCL5 gefunden, welches über Bindung an CXCR1
bzw. CXCR2 eine wichtige Rolle bei der Proliferation, Invasion und Metastasierung
spielen soll97.
In der vorliegenden Arbeit zeigten PEK-Zellen neben einer Überexpression von
CXCR1 und CXCR2 eine Hochregulation der Chemokinrezeptoren CCR7 und
CXCR5. Im Gegensatz dazu wurden diese Rezeptoren in normalen, mukosalen
Keratinozyten sowie in AZK–Zellen nicht oder nur auf geringem Niveau exprimiert.
Die korrespondierenden Liganden CCL19 und CCL 21 für CCR7 bzw. CXCL13 für
CXCR5 werden unter homöostatischen Bedingungen im Lymphknoten gebildet98,99.
Aufgrund dieser Tatsache stellen CCR7 und CXCR5 vielversprechende Kandidaten
dar, welche die Metastasierung von PEK in Lymphknoten vermitteln könnten.
Unter physiologischen Bedingungen vermitteln die Chemokine CCL19 und CCL21
bzw. CXCL13 die Wanderung von T- und B-Lymphozyten, dendritischen und
weiteren immunkompetenten Zellen in lymphatische Organe99-101. Sekundäre
lymphatische Organe besitzen einen komplexen Aufbau und eine charakteristische
Kompartimentierung100.
Bemerkenswerterweise
werden
diese
Chemokine
in
unterschiedlichen Bereichen lymphatischer Gewebe exprimiert99,100. Durch diese
spezifischen Chemokingradienten können unterschiedliche Zellpopulationen in
distinkte Kompartimente lymphatischer Organe dirigiert werden. Dies ermöglicht die
Ontogenese und die Aufrechterhaltung der Kompartimentierung der sekundären
lymphatischen
Organe98-100.
Das
komplexe
Zusammenspiel
zwischen
der
47
Diskussion
koordinierten CXCR5- bzw. CCR7-Expression verschiedener Zellen einerseits und
der distinkten Chemokinexpression in lymphatischem Gewebe andererseits bilden
somit die Basis für ein funktionierendes Immunsystem.
Betrachtet man CCR7 und CXCR5 jeweils für sich, so spielt CCR7 eine wichtige
Rolle für die Migration naiver Lymphozyten und reifer dendritischer Zellen in die
drainierenden Lymphknoten88. So gelangen CCR7-positive T-Zellen deutlich
schneller und in größerer Anzahl in afferente Lymphbahnen und zu den
drainierenden Lymphknoten als CCR7-negative T-Zellen102. Auch in malignen
Prozessen
vermittelt
Tumorentitäten
wie
CCR7
dem
wichtige
Signale.
Kolonkarzinom103,
80
Ösophaguskarzinom , dem Melanom
105
In
dem
verschiedenen
soliden
Magenkarzinom104,
und dem Mammakarzinom
106
dem
konnte eine
CCR7-Expression auf Tumorzellen nachgeweisen werden. Dabei fand sich
interessanterweise in einigen dieser Studien eine Korrelation zwischen der CCR7Expression und dem Ausmaß der Lymphknotenmetastasierung80,103-106. Darüber
hinaus korrelierte in hämatologischen Neoplasien eine CCR7-Überexpression
klinisch mit einer ausgeprägten Lymphadenopathie der betroffenen Patienten81.
In der vorliegenden Arbeit konnte CCR7-Protein in vitro lediglich intrazellulär
detektiert werden. Im Gegensatz hierzu ließ sich in den immunhistochemischen
Färbungen CCR7 membranständig nachweisen. Diese Ergebnisse legen die
Vermutung nahe, daß der Transport des Rezeptors zur Zelloberfläche von Faktoren
abhängt, die sich eher unter in vivo-Bedingungen finden. Bei den PEK-Zellen konnte
durch Serum-Entzug oder eine Behandlung mit pro-inflammatorischen Zytokinen und
Wachstumsfaktoren keine CCR7-Oberflächenexpression in vitro induziert werden.
Demzufolge scheint die Kombination mehrerer der genannten Faktoren oder ein
bislang unbekanntes Agens für die Präsentation von CCR7 an der Zelloberfläche
notwendige Voraussetzung zu sein. Insgesamt zeigte die Mehrzahl der humanen
PEK-Gewebeproben eine deutliche CCR7-Expression in den Primärtumoren sowie
den korrespondierenden Lymphknotenmetastasen. Daher könnte CCR7 eine
zentrale Rolle bei der Absiedlung von PEK-Zellen in den drainierenden Lymphknoten
spielen. Eine ähnliche Schlußfolgerung zogen Tsuzuki et al., die in aktuellen
Untersuchungen an oralen PEK zeigten, daß eine erhöhte CCR7-Expression mit
verschiedenen klinischen Parametern der Tumorerkrankung korrelierte107. In diesem
Zusammenhang
wurden
die
Größe
der
Lymphknotenmetastasen,
ein
fortgeschrittenes Tumorstadium, eine erhöhte Rezidivhäufigkeit und Karzinom-
48
Diskussion
assoziierte Mortalität sowie eine insgesamt ungünstige Prognose genannt107. Wang
und Mitarbeiter postulierten in einer weiteren Studie, dass PEK-Zellen während der
lymphatischen
Metastasierung
das
Differenzierungs-
und
Migrationsmuster
dendritischer Zellen nachahmen108. Bei dendritschen Zellen findet sich der
CCR6+CCR7-Phänotyp in der Haut während der CCR6-CCR7+ Phänotyp zu den
lokal drainierenden Lymphknoten wandert109. In der vorliegenden Arbeit konnten
jedoch keine Unterschiede in der CCR7-Expression von Primärtumoren und
zugehörigen
Lymphknotenmetastasen
auf
mRNS-Ebene
oder
Proteinebene
detektiert werden. Zu einem ähnlichen Resultat kommen Ding et al.80, die eine
vergleichbar hohe Expression von CCR7 in PEK des Ösophagus und den
zugehörigen Lymphknotenmetastasen nachweisen konnten. Mittlerweile belegen
zahlreiche Studien, daß die Chemokinrezeptorexpression in Primärtumoren und
korrespondierenden
Lymphknotenmetastasen
nicht
signifikant
unterschiedlich
ist110,111. Somit scheint die Regulierung der Chemokinrezeptorexpression einen
frühen Schritt in der Tumorgenese darzustellen.
CXCR5 trägt wesentlich zur gerichteten Migration von T- und B-Lymphozyten in
sekundäre lymphatische Organe bei98,99. In Malignomen wurde bislang vor allem in
hämatologischen Neoplasien eine erhöhte CXCR5-Expression beobachtet112-116. In
diesen Zellen induziert der CXCR5-Ligand CXCL13 eine gerichtete Migration114 und
vermag Apoptose zu hemmen116. Darüber hinaus korrelierte die CXCR5-Expression
signifikant mit der Akkumulation maligner Zellen innerhalb lymphatischer Organe115.
Klinisch bestand ein deutlicher Zusammenhang zwischen der CXCR5-Expression
und einer verstärkten Lymphadenopathie117.
In der vorliegenden Arbeit zeigten die untersuchten PEK-Zelllinien eine hohe
CXCR5-Expression sowohl auf der mRNS- als auch Proteinebene. Diese
Beobachtungen untermauern das postulierte Konzept, daß Metastasierung und
Leukozytenwanderung grundlegende molekulare Mechanismen teilen, und daß
CXCL13/CXCR5-Interaktionen neben CCR7 eine wesentliche Rolle bei
der
lymphogenen Ausbreitung diese Tumorentität spielen könnten.
Der einzige Chemokinrezeptor, der auf hohem Level von AZK-Zellen, nicht jedoch
von PEK-Zellen exprimiert wurde, war CXCR4. Dieser Rezeptor bindet in
monogamer Weise das Chemokin CXCL124,6. CXCL12/CXCR4-Interaktionen haben,
49
Diskussion
basierend auf ihre Fähigkeit die gerichtete Migration unterschiedlichster Zellentypen
zu induzieren, elementare Bedeutung für die Embryogenese/Organogenese, die
Hämatopoese
und
Leukozytenwanderung
sowie
Angiogenese23.
So
halten
CXCL12/CXCR4 während der Organogenese eine Schlüsselposition inne, indem sie
die gezielte Wanderung embryonaler Vorläuferzellen in definierte Kompartimente
vermitteln41. Diese zentrale Rolle von CXCR4 in der embryonalen Entwicklung wird
durch die Beobachtung unterstrichen, daß ein Gen-“knock-out“ in murinen
Embryonen bereits früh zu embryonaler Lethalität führt41. Auch die Entwicklung des
ZNS und seine Plastizität werden durch CXCR4 und CXCL12 beeinflusst118. Darüber
hinaus trägt dieses Ligand-Rezeptor-Paar entscheidend zum Aufbau und der
Kompartimentierung lymphatischer Organe bei30. So dirigieren CXCL12/CXCR4Interaktionen die gerichtete Migration von Lymphozyten und koordinieren die Reifung
immunkompetenter
Zellen119,120.
Zusätzlich
mediieren
sie
das
“homing“
unterschiedlicher Vorläuferzellen in Leber und Knochenmark4,30,119.
In der vorliegenden Arbeit führte die Aktivierung von CXCR4 auf AZK-Zellen zur
gerichteten Migration, eine Beobachtung, die eine mögliche Rolle von CXCR4 im
Metastasierungsprozess unterstreicht. Interessanterweise stellt CXCR4 den am
häufigsten beschriebenen Chemokinrezeptor in malignen Erkrankungen dar39,121.
Wie funktionelle Untersuchungen zeigen, induziert CXCR4 die gezielte Migration von
Tumorzellen in vitro122 und fördert die Entstehung von Fernmetastasen in
verschiedenen murinen Modellen6,123.
Klinisch findet sich beim AZK ein überwiegend hämatogenes Metastasierungsmuster
in Lunge und Leber12,124. Dabei wird der korrespondierende Ligand, CXCL12, gerade
in diesen Organen auf hohem Niveau exprimiert6. Die Überexpression von CXCR4
im vorwiegend hämatogen metastasierenden AZK legt den Schluß nahe, daß
CXCR4 eine Steuerungsfunktion für AZK-Zellen während der hämatogenen
Disseminierung übernimmt.
Im Gegensatz zur häufigen hämatogenen Metastasierung finden sich bei dieser
Tumorentität
selten
Lymphknotenmetastasen12,125,
obwohl
CXCL12
auch
in
lymphatischen Geweben eine hohe Expression zeigt. Trotz der Tatsache, daß einige
Studien CXCR4 eine gewisse Bedeutung für den Prozess der lymphogenen
Metastasierung
einräumen126,127,
kommt
die
überwiegende
Zahl
an
Veröffentlichungen zu der Schlussfolgerung, daß CXCR4 nicht maßgeblich an der
50
Diskussion
lymphogenen Streuung von Tumoren beteiligt ist128. In Lymphknoten wird CXCL12 in
der Umgebung hochendothelialer Venolen exprimiert120 und ist an der Rekrutierung
von Memory T-Zellen über den Blutstrom nicht aber über das Lymphgefäßsystem
beteiligt119. Aus diesem Grund könnte die mikroanatomische Verteilung der
Expression von CXCL12 ursächlich für die seltene lymphogene Metastasierung des
AZK sein.
Neben der hohen Expression von CXCR4 in AZK fand sich in der vorliegenden Arbeit
auch in einigen wenigen Plattenepithelkarzinomen eine Überexpression dieses
Rezeptors in vivo. Bemerkenswerterweise zeigte sich hier histologisch eine deutlich
randbetonte Expression von CXCR4 im Bereich der invasiven Front des
Primärtumors, eine Beobachtung, welche eine Rolle für CXCR4 bei der Invasion des
Primärtumors für das PEK vermuten lässt. Studien beim Prostatakarzinom129 und
das Ovarialkarzinom130 unterstützen dieses Konzept.
Die Induktion von Apoptose in Tumorzellen stellt das Hauptziel einer systemischen
Chemotherapie
dar.
Das
in
malignen
KHT
am
häufigsten
verwendete
Chemotherapeutikum Cisplatin76 entfaltet seine zytotoxische Wirkung über eine
Interkalierung der DNS62, welche wiederum über komplexe Signalwege in der
Induktion von Apoptose mündet63. Es werden aber auch Signalwege aktiviert, die das
Überleben von Tumorzellen begünstigen können63,131. Dabei wird das endgültige
Schicksal der Zellen durch das Gleichgewicht zwischen “pro-apoptotischen“ und
“pro-survival“-Signalen bestimmt.
Wie die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit zeigen, führte eine Behandlung von
AZK-Zellen mit Cisplatin in subletaler Dosierung zu einer Induktion der CXCR4Expression auf der Zelloberfläche. Da die Hochregulierung von CXCR4 in
Anwesenheit des Transskriptionsinhibitors α-Amanitin deutlich gehemmt werden
konnte, scheint eine veränderte Gentranskription Voraussetzung für die Induktion
von CXCR4 zu sein.
Darüber hinaus ließ sich in der vorliegenden Studie durch CXCL12 eine Aktivierung
intrazellulärer Signaltransduktionswege via Akt und ERK1/2 nachweisen, Proteine,
welche den Zellzyklus regulieren sowie die Proliferation und das Überleben von
Zellen beeinflussen28,132,133. Diese Beobachtung ist im Einklang mit den Ergebnissen
51
Diskussion
verschiedener anderer Studien, die zeigen konnten, dass über CXCL12/CXCR4 „prosurvival"
sowie
Proliferationssignale
an
unterschiedliche
Zelltypen,
wie
beispielsweise CD4+T-Zellen87, embryonale neurale Zellen134 und interessanterweise
auch
an
Karzinomzellen,
Prostatakarzinomzellen77,137,
Mammakarzinomzellen135,136,
wie
Pankreaskarzinomzellen44
und
Glioblastomzellen77,110,138 vermittelt. Neben der Tatsache, dass CXCL12/CXCR4Interaktionen
zu
einer
Aktivierung
von
Überlebenssignalen
in
Tumorzellen
führen29,139, konnte in der vorliegenden Arbeit gezeigt werden, daß CXCL12 die
durch Cisplatin induzierte Apoptoserate in AZK-Zellen senkt. Es scheint daher
wahrscheinlich, daß die Suppression von Apoptose via CXCL12/CXCR4 zu einer
erhöhten Tumorzellvitalität während einer Chemotherapie führt und damit zu einer
erhöhten Cisplatin-Resistenz beiträgt.
Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit, daß die
Unterschiede im Metastasierungsverhalten zweier histologisch unterschiedlicher
maligner KHT, dem AZK und dem PEK, mit distinkten Chemokinrezeptorprofilen
assoziiert sind. Das spezifische Rezeptorprofil des AZK ist darüber hinaus mit
intrazellulären Signaltransduktionwegen verknüpft, welche das Überleben und die
Proliferation von Tumorzellen begünstigen.
Aktuell wird intensiv nach Chemokinrezeptorantagonisten bzw. Antikörpern gesucht,
welche zur Behandlung des disseminierten Tumorstadiums eingesetzt werden
können. Dabei scheint es, dass die Effektivität konventioneller Therapien
einschließlich der Chemotherapie durch die Kombination mit Chemokinrezeptorneutralisierenden Therapeutika gesteigert werden kann, da hierdurch „survival
pathways“ unterdrückt und die Apoptoserate gesteigert werden kann. Diese und
weitere
Strategien
stellen,
basierend
auf
den
vorliegenden
Ergebnissen,
vielversprechende neue Ansätze in der Behandlung metastasierter Karzinome dar.
Literaturverzeichnis
52
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Zusammenfassung
59
6 Zusammenfassung
Funktionelle Relevanz von Chemokinen im Metastasierungsprozess von KopfHals-Karzinomen
Maligne Kopf-Hals-Tumore sind histopathologisch und klinisch heterogen. Während sich die häufigste
Entität der Plattenepithelkarzinome (PEK) durch eine lymphogene Metatstasierung auszeichnet,
erfolgt die Metatstasierung adenoid-zystischer Karzinome (AZK) vornehmlich auf hämatogenem Weg.
Obwohl eine Anzahl von bekannten, physiologischen Molekülen für die Stimulation von
Tumorzellmotilität und -invasion von Bedeutung sind, sind die genauen molekularen Mechanismen,
die die gerichtete Wanderung/Metastasierung von Tumorzellen in spezifische Organe vermitteln,
weitestgehend
unbekannt.
Tumorzellmigration
und
Metastasierung
zeigen
deutliche
Gemeinsamkeiten mit dem Wanderungsverhalten von Leukozyten. Schlüsselprozesse stellen die
Adhäsion an Endothelzellen, transendotheliale Migration sowie die gerichtete Wanderung durch
extrazelluläre Matrix dar. In den letzten Jahren wurde gezeigt, daß Chemokine und deren Rezeptoren
für die Wanderung und das organspezifische "Homing" von Leukozyten von zentraler Bedeutung sind.
Chemokine sind Vertreter einer Superfamilie von kleinen, zytokinähnlichen Proteinen, die aufgrund
ihrer Interaktion mit "G-protein coupled" Rezeptoren (GPCRs), die Polymerisation des Zytoskeletts,
die feste Adhäsion an das Endothel sowie die gerichtete Wanderung von Leukozyten vermitteln. Diese
sezernierten Proteine interagieren in einer koordinierten Art und Weise mit Zelloberflächenproteinen
wie beispielsweise Intergrinen, um das spezifische "Homing" von unterschiedlichen Subtypen
hämatopoietischer Zellen in definierte anatomische Kompartimente zu steuern. Um die zellulären und
molekularen Mechanismen der organspezifischen Metastasierung zu untersuchen, wurden PEK- /
AZK-Zelllinien und Gewebeproben verwendet, die von Patienten mit Primärtumor bzw. mit
metastasiertem Tumorleiden stammten. Umfassende Analysen menschlicher Chemokinrezeptoren auf
mRNA und Proteinebene zeigten, dass PEK- und AZK-Zellen ein spezifisches, nicht-zufälliges
Chemokinrezeptormuster exprimieren. PEK exprimierten hauptsächlich Chemokinrezeptoren, die
physiologischerweise zum Erhalt der Homöostase in Lymphknoten exprimiert werden, als wichtigste
Vertreter seien hier der CC-Chemokinrezeptor (CCR) 7 und der CXC-Chemokinrezeptor (CXCR) 5
genannt. Ein Unterschied bezüglich der Chemokinrezeptorexpression ließ sich zwischen Primärtumor
und entsprechender Metastase bei PEK nicht nachweisen. Im Gegensatz zu PEK exprimierten AZK
den Rezeptor CXCR4, der gleichzeitig als zentraler Vermittler der hämatogenen Metastasierung gilt.
In Chemotaxisassays zeigten AZK eine gradientenabhängige chemotaktische Reaktion auf CXCL12,
den Liganden von CXCR4. Die Behandlung von AZK-Zellen mit Cisplatin zeigte eine Hochregulierung
der CXCR4- Expression an der Zelloberfläche, diese Hochregulation wiederum konnte durch die
zusätzliche Gabe von dem Transkriptionshemmstoff -Amanitin gehemmt werden. Die Behandlung
von AZK-Zellen mit CXCL12 führte zur Aktivierung von Akt und ERK1/2 Signaltransduktionswegen.
Darüber hinaus supprimierte die CXCL12-Behandlung die Cisplatin-induzierte Apoptoserate in AZKZellen und legt nahe, dass die CXCR4 induzierte Signalkaskasde Teil eines TumorzellÜberlebensprogramms darstellt.
Die Charakterisierung der distinkten Chemokinrezeptorprofile von PEK und AZK in vitro und in
Tumorgewebeproben (in vivo) und der Nachweis ihrer funktionellen Relevanz für Migration und
Überleben der malignen Zellen bilden die Grundlage, für das Verständnis des spezifischen
Metastasierungsverhalten von PEK und AZK sowie für die Entwicklung neuer therapeutische Ansätze
gerade in der klinisch problematischen Metastasierungssituation.
Anhang
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Danksagung
Ich danke Herrn Prof. Dr. med. J. Schipper und Herrn Prof. Dr. med. U. Ganzer für
die Möglichkeit, meine Dissertation an der Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde
durchführen zu können.
Mein besonderer Dank gebührt Dr. med. Anja Müller-Homey, PD Dr. med. Thomas
K. Hoffmann und Prof. Dr. med. B. Homey für die gemeinschaftliche Bereitstellung
des Themas, ihre stets vorhandene Diskussionsbereitschaft sowie ihre engagierte
Unterstützung bei der Niederschrift der Arbeit.
Besonders herzlich möchte ich den Mitarbeitern des dermatologischen Labors und
der Arbeitsgruppe von Bernhard Homey für ihre uneingeschränkte Hilfsbereitschaft,
die wertvollen Ratschläge und das freundschaftliche Arbeitsklima danken.
Von Herzen danke ich meiner Familie, die mich begleitet und unterstützt hat.
61
Anhang
CURRICULUM VITAE
PERSÖNLICHE DATEN
Name
Christine Suzanne Käthe Eulert
* am 25.10.1979 in Tübingen
Anschrift
Judenbühlweg 10
97082 Würzburg
SCHULBILDUNG
1986 – 1990
1990 – 1996
1996 – 1999
Grundschule St. Burkard, Würzburg
St. Ursula Gymnasium, Würzburg
Matthias-Grünewald Gymnasium, Würzburg
Abschluss: Allgemeine Hochschulreife
STUDIUM
1999 – 2001
Studium der Humanmedizin, Julius-Maximilians
Würzburg
Abschluss: Ärztliche Vorprüfung
2001 – 2006
Studium
der
Humanmedizin,
Heinrich-Heine-Universität
Düsseldorf
Abschluss: Staatsexamen der Humanmedizin
Universität
PRAKTISCHES JAHR
1. Tertial
2. Tertial
3. Tertial
Otorhinolaryngologie, Universitätsklinik Düsseldorf
Chirurgie, New Royal Infirmary, University of Edinburgh,
Schottland
Innere Medizin, Universitätsklinik Düsseldorf
Rotation: internistische Notaufnahme und Kardiologie
AKTUELLE TÄTIGKEIT
seit Januar 2007
wissenschaftliche Mitarbeiterin der Medizinischen Klinik I der
Universität Würzburg
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