Medizin & Wissen Künstlicher Ellenbogen Tagebuch einer Operation D ienstag, 29. Juli 2008, der Tag vor der Operation. Was mache ich, wenn etwas schiefgeht und danach ist es schlimmer als jemals zuvor? Bleib ruhig, nur nicht reinsteigern. Die Instabilität des Gelenks, die Schmerzen, das Kribbeln, die fehlende Kraft. Deswegen bin ich hier in der Klinik. Und es läuft bisher gut: Mit dem Anästhesisten die Wachlagerung vereinbart, das heißt, ich werde vor der Narkose einmal vorführen wie ich für die OP gelagert werden will. Mit dem Stationsarzt besprochen, welche Schmerzmedikamente ich gut und welche ich schlecht vertrage. Mit dem Operateur geklärt, dass für mich nur eine RehaKlinik infrage kommt, die auf rheumatische Erkrankungen spezialisiert ist und einen gewissen pflegerischen Aufwand leisten kann. Also, Augen zu und durch. 1. August, Freitag Ich habe es hinter mir! Gestern stand die Euphorie im Vordergrund, es mal wieder geschafft zu haben. Heute bin ich eher im Tief, weil ich nun daliege und mich kaum rühren kann. Bin fix und fertig, vollgestopft mit Schmerzmitteln und spüre die Nachwirkungen der Narkose. Aber ich habe kaum Schmerzen, war mit der PlexusAnästhesie und der Schmerzpumpe medikamentös gut eingestellt. Der Operateur ist mit dem Ergebnis zufrieden: Das neue Gelenk sitzt gut. Weil mein Oberarmknochen so dünn ist, hat er sich für die schmalste gekoppelte Ellenbogenprothese entschieden. 12 3. August, Sonntag Bin zu k.o. um Musik zu hören oder zu lesen. Ich mag diesen Zustand nicht – man MOBIL 1/2009 Foto: privat „Warum eigentlich morgen operieren? Meinem Ellenbogen geht es doch gar nicht so schlecht …“ Kommen Ihnen diese Gedanken bekannt vor? Katrin Becker, an Rheumatoider Arthritis erkrankt, hat bei ihrer letzten Operation Tagebuch geführt. 2. August, Samstag Die Krankenkasse hat die Reha in einem Rheumazentrum (mit Pflegestation) genehmigt. Hurra! Später fragte mich eine Krankenschwester, wie ich das geschafft hätte, denn das Problem, nicht in die Wunsch-Reha-Klinik zu können, hätten mehrere Patienten. Da gehört, neben einer guten Begründung im Antrag und Hartnäckigkeit, wohl auch Glück dazu … ist so auf sich selbst zurückgeworfen. Wie lange wird es dauern, bis ich in mein normales Leben zurückkehren darf? 5. August, Dienstag Heute wurde mir in der Ergotherapie eine neue Armschiene angepasst – aus ganz leichtem Material und mit Klettverschlüssen, sodass die Handhabung leichter ist. Wieder eine Etappe geschafft. 7. August, Donnerstag Meinem Ellenbogen geht es gut, die Beugung geht etwas über 90 Grad, die Streckung wird noch nicht erzwungen, auch die Drehung geht besser, nur die Hand ist ! aufgeblasen wie ein Luftballon. Aktiv strecken darf ich den Arm erst nach drei und gegen Widerstand erst nach sechs Wochen. Die Schiene bleibt mindestens drei Wochen dran, im Moment denke ich, dass ich sie niemals hergeben werde – sie bietet Schutz und Halt. 9. August, Samstag Heute geht’s mir von meiner Rheumatoiden Arthritis her nicht gut – meine Schultern, meine Finger, meine Halswirbelsäule tun weh, alles ist eingeschränkt und steif. Es wird Zeit, mein Basismedikament wieder nehmen zu dürfen. Beste Ablenkung: Besuche und Anrufe! Sieben Wochen nach der OP Die Reha ist bald geschafft. Die Therapeuten und ich haben hart an meinem Ellenbogen gearbeitet – die Beweglichkeit ist richtig gut, vor allem die Beugung ermöglicht mir schon das Haarewaschen und Kämmen. Aktiv komme ich noch nicht ganz in die Streckung, da fehlt es noch an Kraft. Aber ich mag mein kleines, neues Gelenk. Es ist stabil, macht keine Schmerzen, bewegt sich gut. Ich nehme es als Geschenk, auch wenn ich einen gewissen Preis dafür zahle – Mühe, Kraft und Überwindung. Ende gut, alles gut. Zumindest bis zur nächsten Operation. ❚ Katrin Becker, Redaktion mobil Das Ellenbogengelenk Die Funktion des Ellenbogengelenks bestimmt in hohem Maße die Gebrauchsfähigkeit des gesamten Arms. Das macht sich in vielen Alltagssituationen bemerkbar – ob Abstützen des Oberkörpers, Körperpflege oder eigenständiges Essen. Das Ellenbogengelenk setzt sich aus drei Gelenkanteilen zusammen, die es ermöglichen, den Arm zu beugen, zu strecken und zu drehen. Ist beim Rheumatiker der Ellenbogen betroffen, leidet darunter zunächst die Beweglichkeit des Arms. Sind die Gelenkinnenhäute entzündet (Synovialitis), schwillt das Gewebe im Ellenbogen an und der Arm lässt sich nicht mehr richtig strecken. Viele Betroffene nehmen das erst spät als Einschränkung wahr und benutzen oft zunächst den anderen Arm beziehungsweise die andere Hand. Häufig verbessert sich die Situation nach einiger Zeit dem äußeren Anschein nach, dabei sind in Wirklichkeit zusätzlich zur Entzündung Bänder im Ellenbogen gelockert oder zerstört. Dadurch entsteht der Eindruck, der Ellenbogen ließe sich plötzlich wieder leichter bewegen. Um die Erkrankung des Ellenbogens genau zu diagnostizieren, fragt der Arzt, 1/2009 MOBIL wie lange die Beschwerden schon andauern, wie schmerzhaft sie sind und inwieweit sie tägliche Aktivitäten einschränken. Zusätzlich wird das Gelenk in der Regel geröntgt und eventuell ergänzend per Ultraschall untersucht. Auf diese Weise können typische Veränderungen entdeckt und die Zerstörung des Gelenks in verschiedene Stadien eingeteilt werden. Diese Stadien, LDE-Stadien genannt, sind genau definiert und reichen von 0 („normales“ Gelenk) bis 5 (starke Gelenkzerstörung, aufgelöste Gelenkflächen). Bei der Therapie der Rheumatoiden Arthritis im Ellenbogen müssen verschiedene Ansätze zusammenspielen. Voraussetzung ist eine Basismedikation, die durch Kortisonspritzen ins Gelenk ergänzt werden kann, sowie durch Radiosynoviorthese (Einspritzen einer radioaktiven Substanz in das Gelenk). Hält die Entzündung der Gelenkinnenhaut trotzdem mehr als drei Monate lang an, muss eine Operation erwogen werden. Unterschieden werden gelenkerhaltende und gelenkersetzende Verfahren. Bei gelenkerhaltenden Eingriffen wird die entzündete Gelenkinnenhaut entfernt (Synovektomie), um zu verhindern, dass das Gelenk weiter zerstört wird. Die Wahl des geeigneten Eingriffs hängt davon ab, welchem LDE-Stadium das Gelenk zugeordnet wird. In den LDE-Stadien 1 und 2 wird meist eine Synovektomie empfohlen, die arthroskopisch (als kleiner Eingriff „durchs Schlüsselloch“) ausgeführt wird. In den Stadien 2 bis 4 ist die Synovektomie oft nicht mehr arthroskopisch möglich und wird deshalb als „offene“ Operation ausgeführt. Der gelenkerhaltende Eingriff reduziert die Schmerzen und verbessert die Funktion, in der Regel kann der Unterarm wieder besser gedreht werden. Für die LDE-Stadien 4 und 5 kommt eine Prothese infrage. Ziel sind Schmerzreduktion und gute Beweglichkeit, um Tätigkeiten des Alltags durchführen zu können. Schwere Lasten oder Arbeiten sollten damit jedoch nicht bewegt beziehungsweise verrichtet werden. Fazit: Der Ellenbogen gerät bei Rheumatoider Arthritis oft in Vergessenheit. Er sollte jedoch genau wie andere Gelenke regelmäßig beobachtet werden, damit frühzeitig gelenkerhaltend eingegriffen werden kann. Dr. Jan-Hauke Jens, Chefarzt, Zentrum für Endoprothetik, Klinikum Eilbek/Orthopädie und Unfallchirurgie, Schön Kliniken, Hamburg 13