Hauptthema · Main Topic Viszeralmedizin 2010;26:283–288 DOI: 10.1159/000322151 Online publiziert: 19. November 2010 Gastroenteropankreatische neuroendokrine Tumoren: Molekulargenetische Charakteristika Martin Anlaufa Anja Schmittb Sebastian Heikausa Matthias Schottc Holger S. Willenbergc Andreas Raffeld Markus Krauschd Kenko Cupistid Nikolas Stoeckleind Juliane Bauersfelde Wolfram T. Knoefeld Paul Komminothe Aurel Perrenb Günter Klöppelf a Institut für Pathologie, Universitätsklinikum Düsseldorf, Deutschland Institut für Pathologie, Inselspital, Universität Bern, Schweiz c Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Rheumatologie, d Klinik für Allgemein-, Visceral- und Kinderchirurgie, Universitätsklinikum Düsseldorf, Deutschland e Institut für Pathologie, Triemli Hospital, Zürich, Schweiz f Konsultationszentrum für Pankreas und Neuroendokrine Tumoren, Institut für Pathologie, Klinikum Rechts der Isar, Technische Universität München, Deutschland b Schlüsselwörter Gastrointestinal · Pankreas · Neuroendokriner Tumor · Expressions-Array · Komparative genomische Hybridisierung · LOH · Verlust der Heterozygosität · Mutationsanalyse Keywords Gastrointestinal · Pancreas · Neuroendocrine tumor · Expression array · Comparative genomic hybridization · LOH · Loss of heterozygosity · Mutation analysis Zusammenfassung Neuroendokrine Tumoren des gastroenteropankreatischen Systems (GEP-NET) sind charakterisiert durch die Expression neuroendokriner Marker sowie die Synthese, Speicherung und Sekretion von Peptidhormonen und/ oder biogenen Aminen. Es handelt sich um mehr als 50 unterschiedliche Tumorentitäten mit klinisch sehr unterschiedlichem Verlauf. Sie können sporadisch oder familiär auftreten. Die hohe biologische und klinische Vielfalt äußert sich in unterschiedlichen genetischen Profilen auf DNA- und mRNA-Ebene, welche wie folgt zusammengefasst werden können: 1. NET unterscheiden sich genetisch von den häufigen nichtneuroendokrinen Karzinomen des Verdauungstraktes. 2. Die klinisch-pathologische Heterogenität der GEP-NET spiegelt sich auch auf genetischer Ebene wider. 3. Bei pankreatischen NET finden sich deutliche genetische Unterschiede zwischen Insulinomen und anderen Entitäten. 4. Die Tumorprogression geht bei pankreatischen NET mit einer Zunahme von genetischen Veränderungen einher. 5. Pankreatische NET unterscheiden sich genetisch von gastrointestinalen NET. 6. Sporadische GEP-NET unterscheiden sich genetisch von hereditären (familiären) GEP-NET. Summary Gastroenteropancreatic Neuroendocrine Tumors: Molecular Genetic Features Neuroendocrine tumors of the gastroenteropancreatic system (GEP-NET) are defined by their expression of specific endocrine marker proteins and their capacity to synthesize, store, and secrete peptide hormones and/or biogenic amines. More than 50 tumor entities can be differentiated. They can occur sporadically or can be associated with a hereditary background. The high biological and clinical variability of NET can also be shown on the level of DNA and mRNA. Recent studies show: 1. NET differ genetically from the common non-neuroendocrine carcinomas of the digestive tract. 2. The clinico-pathological heterogeneity of GEP-NET is also obvious at the genetic level. 3. Among pancreatic NET, insulinomas differ clearly in their genetic changes from non-insulinomas. 4. Tumor progression of pancreatic NET is associated with an increase in genetic changes. 5. Pancreatic NET differ genetically from gastrointestinal NET. 6. Sporadic GEPNET differ genetically from hereditary GEP-NET. © 2010 S. Karger GmbH, Freiburg Fax +49 761 4 52 07 14 [email protected] www.karger.com Accessible online at: www.karger.com/vim PD Dr. Martin Anlauf Institut für Pathologie Endokrines Tumorzentrum am Universitätsklinikum Düsseldorf Moorenstraße 5, 40225 Düsseldorf, Deutschland Tel. +49 221 811-8610, Fax -8339 [email protected] Einleitung Gastroenteropankreatische neuroendokrine Tumoren (GEPNET) sind charakterisiert durch die Expression neuroendokriner Marker und die Synthese, Speicherung und Sekretion von Peptidhormonen und/oder biogenen Aminen. Trotz einer starken Gleichförmigkeit in Morphologie und Funktion können mehr als 50 Tumorentitäten bei den GEP-NET unterschieden werden [1]. Von großem Interesse ist dabei die Abgrenzung der hereditären GEP-NET, da ihre genotypischen Besonderheiten in starkem Maße zur Aufklärung der Genetik der sporadischen GEP-NET beitragen. Etwa 5–10% der GEP-NET gehören zu den familiären Tumorleiden. Alle diese hereditären GEP-NET treten im Vorderdarmbereich, nicht aber im Mittel- und Enddarm auf. In den meisten Fällen liegt eine Multiple Endokrine Neoplasie Typ 1 (MEN1) vor. Seltener handelt es sich um ein Von-Hippel-Lindau-Syndrom (VHL), eine Neurofibromatose Typ 1 (NF1) oder eine tuberöse Sklerose (TSC) [2]. Im Gegensatz zu den hereditären GEP-NET, bei denen eine autosomal dominante Keimbahnmutation der ursächlichen Gene vorliegt, sind bei den sporadischen NET keine spezifischen Genveränderungen bekannt. Die molekularen Mechanismen der Tumorentstehung und die Tumorausbreitung sind nach wie vor nur wenig erforscht. In der vorliegenden Übersichtsarbeit werden die wichtigsten genetischen Alterationen der GEP-NET zusammengefasst und Besonderheiten herausgestellt. Pankreatische endokrine Tumoren (PET) Komparative genomische Hybridisierung (CGH) Vier umfangreiche CGH-Studien an insgesamt 102 Fällen zeigten, dass chromosomale Verluste sehr viel häufiger sind als Amplifikationen [3–6]. Weiterhin wurde deutlich, dass die Tumorprogression, gemessen am Tumorvolumen und an der Metastasierung, mit einer Zunahme an genetischen Alterationen einhergeht [3, 6]. Generell ist die Anzahl chromosomaler Aberrationen in verschiedenen PET unterschiedlich. So zeigen Insulinome eine deutlich niedrigere Anzahl chromosomaler Aberrationen als andere PET [3, 4, 6]. Chromosomale Alterationen treten hier nicht randomisiert, sondern in typischen Regionen auf: Ein Zugewinn von genetischem Material ist häufig nachweisbar in den Regionen 4pq (17% der Tumoren), 5q (25%), 7pq (41%), 9q (28%), 12q (23%), 14q (32%), 17pq (31%) und 20q (27%). Hingegen ist ein Verlust chromosomalen Materials vor allem nachweisbar auf 1p (21%), 3p (19%), 6q (28%), 10pq (14%), 11q (30%) sowie dem Y- (31%) und dem XChromosom (31%) [3, 4, 6]. Typisch für Insulinome ist ein Zugewinn von Chromosom 9q32 und ein Verlust von 22q13.2. Diese chromosomalen Aberrationen sind bereits in einem frühen Stadium der Tumorgenese nachweisbar [4, 7]. Für ma- 284 Viszeralmedizin 2010;26:283–288 ligne Insulinome sind mehr als 20 chromosomale Veränderungen charakteristisch. Bestimmte chromosomale Aberrationen finden sich häufig in frühen Stadien der Tumorgenese bei unterschiedlichen PET. Dies ist der Verlust von Chromosom 1 und 11q oder der Zugewinn auf Chromosom 9q. Diese chromosomalen Veränderungen werden häufig in benignen Tumoren mit einem Durchmesser unter 2 cm nachgewiesen [4]. Einige Defekte, wie Verluste von 3q, 6pq und 10 pq und Zugewinne auf 5q, 12q und 20q, sind hingegen mit Malignität assoziiert. Der Verlust von 21q und Amplifikation der Chromosomen 4 und 7 sind häufig in Metastasen nachweisbar [6]. Genmutation und Allelverlust Die bei Adenokarzinomen des Pankreas und Kolon in hoher Frequenz mutiert gefundenen Gene k-RAS, p16, p53, DPC4/ Smad4 sind in PET nur sehr selten alteriert und spielen daher für die Tumorgenese von PET keine Rolle [8–11]. Wichtig scheint dagegen das MEN1-Gen auf Chromosom 11q13 zu sein. Annähernd alle PET, einschließlich der bei MEN1-Patienten sehr häufig vorkommenden Mikroadenome (Tumoren mit einem Durchmesser unter 0,5 cm), zeigen einen allelischen Verlust des Wildtyps auf 11q13 [11, 12]. Somatische Mutationen des MEN1-Gens sind durchschnittlich bei 21% der sporadischen PET nachweisbar. Dabei variiert die Frequenz somatischer Mutationen des MEN1-Gens in unterschiedlichen PET-Entitäten. Bei Insulinomen beträgt sie 7,7%, in nichtfunktionellen PET 8%, in Gastrinomen 37%, in VIPomen 44% und in Glukagonomen 67%. Im Gegensatz zur niedrigen Rate von MEN1-Mutationen zeigen etwa 70% der PET einen Verlust des Chromosomenabschnitts 11q13 und/oder von distalen Anteilen des langen Arms von Chromosom 11 [13–17]. Diese hohe Rate des Verlusts der Heterozygosität (LOH) für 11q13 und seine Umgebung könnte für eine Beteiligung weiterer, bislang noch nicht identifizierter Tumorsuppressorgene auf diesem Chromosomenabschnitt sprechen. PET treten gehäuft bei VHL, NF1 und TSC auf, jedoch ist die Rolle dieser Gene in der Tumorgenese von PET noch wenig bekannt [2]. Bei VHL, dessen Gen auf dem Chromosomenabschnitt 3p liegt, sind somatische Mutationen sehr selten [11, 18]. Dagegen findet sich eine LOH für 3p bei etwa 18% der PET mittels FISH. Diese Tumoren scheinen prognostisch ungünstiger zu sein als sporadische PET ohne Deletion des VHL-Genlocus [18, 19]. Die PCR- oder FISH-gestützte LOH-Analyse identifiziert identische Chromosomenabschnitte wie die vorangehend beschriebene CGH. Im Vergleich zur CGH ist die Rate genomischer Aberrationen jedoch doppelt so hoch wie bei der CGH. In den Regionen 3p23, 6q22, 9p, 11q13, 18q21 und 22q12.1 treten die Unterschiede besonders deutlich hervor. Möglicherweise sind solche umschriebenen (in der CGH nicht erkennbaren) Deletionen beteiligt an der Tumorgenese von PET [11, 20, 21]. Anlauf/Schmitt/Heikaus/Schott/Willenberg/ Raffel/Krausch/Cupisti/Stoecklein/Bauersfeld/ Knoefel/Komminoth/Perren/Klöppel Abb. 1. Nachweis von MEN1-Mutationen: Abnormales Bandemuster bei 2 Patienten (hier Patient 9 und 14) in den Exonen 3 und 9 des MEN1-Gens, jeweils im Vergleich zu Negativ- und Positivkontrollen (ctrl –/+) visualisiert mittels Denaturierender Gradienten-Gelelektrophorese (DEGG). Die anschließend durchgeführte PCRgestützte Mutationsanalyse zeigt für Patient 9 eine Missense-Mutation in Exon 3 mit Austausch einer Aminosäure (TGG-TGC; W183C) mRNA-Expressionsanalyse mRNA-Mikroarray-Untersuchungen, die eine umfassende Analyse von Transkripten ermöglichen, wurden an benignen und malignen PET durchgeführt. In der umfangreichsten mRNA-Expressionsstudie wurden 12 benigne PET mit 12 metastasierten PET verglichen. Bei den metastasierten PET fanden sich im Gegensatz zu benignen PET 72 hochregulierte Gene und 51 herunterregulierte Gene. Es handelte sich um Gene der Angiogenese, Signaltransduktion über Tyrosinkinasen, Kalzium-abhängigen Signaltransduktionswege und von therapierelevanten Molekülen [22]. Ein anderer Ansatz wurde von Maitra et al. [23] verfolgt. In dieser Studie wurden Transkripte von 8 gut differenzierten, funktionell nicht aktiven PET mit Transkripten von aufgereinigten Pankreasinseln verglichen. Zwei der PET waren metastasiert. Die Autoren identifizierten in PET 66 hochregulierte Transkripte mit einer dreifachen Überexpression sowie 119 unterexprimierte Transkripte. Die unterexprimierten Gene umfassten Gene des Zellzyklus (p21, MICT), der DNA-Reparatur und der genomischen Stabilität (O-Methylguanin-DNAMethyltransferase und GADD 45). In einer weiteren Studie derselben Gruppe wurde die differentielle Expression von Genen aus 7 gut differenzierten metastasierten mit 5 nicht metastasierten PET verglichen [24]. Hierbei konnten in den metastasierten PET 65 überexprimierte und 57 unterexprimierte Transkripte identifiziert werden. Von der Überexpression waren vor allem Gene der Wachstumsregulation, des Cholesterinstoffwechsels, der osmotischen Regulation und der Hypoxie-Induktion betroffen. Unterexpremiert waren Gene der Zellzyklusregulation, der Zelldifferenzierung und der DNA-Reparatur. Maligne Tumoren zeigten eine Aktivierung der IGF-Signalkaskade. In der Studie von Capurso et al. [25] war die Anzahl der hochregulierten oder herunterregulierten Gene deutlich höher als in den vorgenannten Studien. Beim Vergleich von 13 funktionell inaktiven PET (8 Primärtumoren und 5 Metastasen) mit Extrakten von normalen Inseln fanden sich 990 differentiell regulierte Gene. Nur 20 dieser Gene deckten sich mit den oben genannten publizierten Studien, was die Bedeutung dieser Expressionsuntersuchungen generell einschränkt. Interessant ist, dass die Autoren ähnliche Expressionsprofile bei Primärtumoren und deren Metastasen beschrieben. Dies spricht dafür, dass das metastatische Potenzial bereits im Primärtumor verankert ist. In der Studie von Missiaglia et al. [26] konnte gezeigt werden, dass eine Unterexpression der Tumorsuppressorgene TSC2 und PTEN charakteristisch ist für PET. Diese Gene sind Schlüsselinhibitoren des mTOR-Signalwegs. Niedrige TSC2- und PTEN-Expressionen waren in dieser Studie assoziiert mit einer stärkeren Aggressivität der PET. Darüber hinaus war die Expression des FGF13-Gens mit der Metastasierung bei PET assoziiert. Weiterhin konnten die Autoren zeigen, dass das Genclustering von Insulinomen sich von jenem bei nichtfunktionellen PET unterscheidet. CGH und LOH-Analyse Bislang wurden nur zwei CGH-Studien [28, 29] und eine Studie [30], die auf dem Einsatz von 137 Mikrosatellitenmarkern zur LOH-Analyse basierte, für gastrointestinale NET (GINET) publiziert. Aus diesen Arbeiten geht hervor, dass in GI-NET deutlich weniger chromosomale Veränderungen nachzuweisen sind als bei PET. Es fand sich auch keine Korrelation zwischen der Anzahl der Aberrationen und dem Tumorstadium. Die chromosomalen Verluste konzentrieren sich auf Chromosom 18. Ein Verlust des gesamten oder des langen Arms von Chromosom 18 war bei den drei oben genannten Studien, die vornehmlich GI-NET des Mitteldarms untersuchten, in 38%, 50% und 88% der Fälle nachweisbar. Die hohe Rate von 88% basierte auf einer Mikrosatelliten-basierten LOH-Analyse [30], die für den Nachweis von kleinen Deletionen sehr viel sensitiver ist als die CGH. Der ausgeprägte quantitative Verlust von genetischem Material auf Chromosom 18 legt nahe, dass auf diesem Chromosom Tumorsuppressorgene lokalisiert sein könnten, die für die Entstehung von GI-NET verantwortlich sind. Der Verlust von Chromosom 18 ist charakteristisch für die NET des Mitteldarms, insbesondere des Ileums, und tritt nur selten in PET und bronchialen NET auf. Zusätzlich zum Verlust von Chromosom 18 zeigen etwa 50% der ilealen NET einen Verlust von Chromosom 9p. Auch diese chromosomale Aberration ist nur sehr selten in PET nachweisbar. Patienten mit MEN1 entwickeln neben PET gehäuft multiple NET im Duodenum und Magen (Abb. 1). Im Magen han- Molekulare Pathologie von GEP-NET Viszeralmedizin 2010;26:283–288 Schließlich wurde in einer Mikroarray-Studie gezeigt, dass die nach der WHO-Klassifikation prognostisch stratifizierten Tumorgruppen sehr gut mit unterschiedlichen Genclustern korrelieren («benignes Cluster» vs. «malignes Cluster») [27]. Gastrointestinale endokrine Tumoren 285 delt es sich um NET der sog. enterochromaffin-like (ECL) Zellen und im Duodenum um Gastrin und Somatostatin produzierende NET [31, 32]. NET des Mittel- und Enddarms kommen bei MEN1 nicht vor. Der allelische Verlust (LOH) des Genlocus des MEN1-Gens auf 11q13 ist in annähernd allen MEN1-assoziierten Tumoren nachweisbar [32–35]. Der Verlust von 11q ist ein initiales Ereignis in der Tumorgenese MEN1-assoziierter NET, da dieser im Duodenum den Übergang von der G-Zell-Hyperplasie zum G-Zell-Mikroadenom kennzeichnet [32] (Abb. 2). Ein Verlust des Chromosomenlocus 11q13 ist häufig in NET des Vorderdarms nachweisbar (ECL-Zell-NET des Magens bei Typ A Gastritis < 10%; MEN1-assoziierte ECLZell-NET des Magens > 80%, Duodenum-NET 60%), während die gleiche Veränderung in Mitteldarm-NET (Ileum) nur bei 14% der Fälle zu finden ist. Im Kolon und Rektum steigt sie dagegen wieder auf 50% [13, 28, 33–36]. Mutationsanalyse Mit Ausnahme der sporadischen Gastrinome wurden nur wenige GI-NET auf Mutationen des MEN1-Gens untersucht. Etwa 31% der duodenalen sporadischen Gastrinome zeigen Mutationen des MEN1-Gens, vergleichbar dem Befund bei pankreatischen NET [36]. In Mittel- und Enddarm-NET wurden somatische MEN1Mutationen nur vereinzelt nachgewiesen. Mutationen des MEN1-Gens scheinen somit häufiger in GI-NET des Vorderdarms als in NET des Mittel- und Enddarms vorzukommen. Während Mutationen des Tumorsuppressorgens p16 weder in GI-NET noch in PET nachgewiesen werden konnten, fand sich eine Methylierung des p16-Genpromotors in 52% aller Gastrinome sowie in weiteren GI-NET [37]. Eine vergleichbar hohe Rate an Promotermethylierungen in GI-NET wurde kürzlich auch für die Gene APC, MEN1, HIC1 und RASSF1a beschrieben [38]. Eine Mikrosatelliteninstabilität konnte in GI-NET und PET nicht nachgewiesen werden. Das hMLH1-Gen ist nicht methyliert [39]. p53-Mutationen sind nur sehr selten in GI-NET nachweisbar – ein Befund, der mit einer Häufigkeit von 25% bei Becherzellkarzinoiden der Appendix, also exokrin-endokrinen Mischtumoren, deutlich kontrastiert [40]. Die am häufigsten berichtete Mutation in GI-NET betrifft das B-Catenin-Gen. Mutationen in Exon 3 dieses Gens wurden in 38% (27/72 der GI-NET) nachgewiesen. Da immunhistochemisch die nukleäre Positivität für B-Catenin bei 79% der Fälle lag [41], muss angenommen werden, dass möglicherweise bislang nicht bekannte Mechanismen für die Akkumulation dieses Proteins im Kern verantwortlich sind. In einer späteren Studie lag die nukleäre Translokation von B-Catenin jedoch nur bei 30%, und Exon-3-Mutationen konnten nicht nachgewiesen werden [42]. Weitere für Adenokarzinome charakteristische Onkogene wie HER2 oder k-RAS scheinen für die Tumorgenese von NET nicht von Bedeutung zu sein [43]. Auch Mutationen des BRAF-Gens treten in GI-NET nur selten auf [44]. 286 Viszeralmedizin 2010;26:283–288 Abb. 2. Tumorent1RUPDO 7XPRU wicklung bei MEN1: Der Verlust des zweiten Allels des MEN1Gens auf dem ChroC11 mosomenlocus 11q13 zusätzlich zur bestehenden Keimbahnmu0(1 tation des MEN1-Gens ist charakteristisch für MEN1-assoziierte NET. Häufig handelt es sich um einen kompletten Verlust des korrespondierenden Chromosomenarms 11q oder einen Verlust des gesamten zweiten Chromosoms 11. Die FISH-Analyse zeigt dann nur noch ein Signal für den noch erhaltenen mutierten MEN1-Genlocus (rot) sowie ein Signal für die Zentromerregion 11 (C11; grün). mRNA-Expressionsanalyse Es liegen zum jetzigen Zeitpunkt nur zwei größere Studien zur mRNA-Expression in sporadischen GI-NET vor. Die Studie von Duerr et al. [27] zeigte ein unterschiedliches genetisches Clustering von PET und intestinalen NET. Verglichen wurden in dieser Arbeit 5 gut differenzierte NET des terminalen Ileums mit 24 PET. Insgesamt wurden 385 Gene mit deutlich unterschiedlicher Expression zwischen den beiden Gruppen identifiziert, davon 157 hochregulierte und 228 herunterregulierte Gene. Hochreguliert waren insbesondere Gene des Ionentransports, der Kanalproteine und des Neurotransmittertransports. Dagegen waren Gene auf Chromosom 9 und 18 herunterreguliert, was mit den Befunden der CGH und LOH an NET des Ileums übereinstimmt. Als möglicherweise therapeutisch relevantes Antigen konnte eine Überexpression der Tyrosinkinase-RET gezeigt werden. In der Studie von Leja et al. [45] wurde Mukosa des terminalen Ileums mit NET des terminalen Ileums und deren Lebermetastasen verglichen. Es zeigte sich, dass sich primäre NET des terminalen Ileums im Genclustering zwar deutlich von der normalen Mukosa, nicht jedoch von ihren Lebermetastasen unterscheiden. Mit CXCL14, einem Chemokin, und NKX2–3, einem Transkriptionsfaktor, wurden zwei in Metastasen herunterregulierte Gene identifiziert. Schlussfolgerungen Zusammenfassend ergeben sich aus Untersuchungen zur Genetik von NET folgende Schlussfolgerungen: GEP-NET sind nicht nur klinisch-pathologisch, sondern auch genetisch äußerst heterogen. Sie grenzen sich jedoch als Gruppe deutlich gegen die genetische Signatur der nichtneuroendokrinen Tumoren des Verdauungstraktes ab. Die Anlauf/Schmitt/Heikaus/Schott/Willenberg/ Raffel/Krausch/Cupisti/Stoecklein/Bauersfeld/ Knoefel/Komminoth/Perren/Klöppel bei den nichtneuroendokrinen Adenokarzinomen des GITraktes und des Pankreas häufig auftretenden Mutationen der Gene K-ras, p53, p16 und DPC4/Smad4 sind nur sehr selten in gut differenzierten GEP-NET anzutreffen. Diese Gene scheinen daher für die Tumorgenese von GEP-NET kaum eine Rolle zu spielen. Die genetische Heterogenität, die die GEP-NET untereinander zeigen, wird besonders deutlich bei den PET. So grenzen sich vor allem Insulinome von anderen PET ab. Für sie ist bereits in einem frühen Stadium der Tumorgenese ein Zugewinn von Chromosom 9q32 und ein Verlust von 22q13.2 typisch. Außerdem unterscheiden sie sich durch ein spezielles Genclustering von anderen PET. Im Vergleich zu intestinalen NET zeigen PET deutlich mehr chromosomale Aberrationen. Bei intestinalen NET stehen Verluste von Chromosom 9q und 18q im Vordergrund, welche bei pankreatischen NET nur selten nachweisbar sind. Korrespondierend hierzu zeigen Mikroarray-Analysen an intestinalen NET eine Herunterregulation von Genen auf den Chromosomen 9 und 18. Zusätzlich finden sich in GI-NET deutlich häufiger eine Methylierung des p16-Gens und Mutationen des BCatenin-Gens als in PET. MEN1-Deletionen sind in NET des Mitteldarms (Ileum und Appendix) nur sehr selten nachweisbar, hingegen ein häufiger Befund in sporadischen und MEN1assoziierten NET von Duodenum und Pankreas; ein Befund, der die unterschiedliche embryologische Herkunft von NET des Vorderdarms und Mitteldarms verdeutlicht. Als initiales Ereignis der Tumorgenese bei MEN1-assoziierten NET, welche multifokal in Duodenum und Pankreas auftreten, ist der Verlust des zweiten Allels des MEN1-Gens auf dem Chromosomenlocus 11q13 zusätzlich zur bestehenden Keimbahnmutation des MEN1-Gens anzunehmen. Bei sporadischen PET und GI-NET sind hingegen die initialen Ereignisse in der Tumorgenese noch ungeklärt. Tumorpro- gression und Metastasierung gehen – zumindest bei PET – einher mit einer deutlichen Zunahme der chromosomalen Aberrationen, die in den Primärtumoren gefunden werden. In Mikroarray-Analysen an PET gelang es, unterschiedliche Gencluster zu identifizieren («benignes Cluster» vs. «malignes Cluster»), die mit den nach der WHO-Klassifikation prognostisch stratifizierten Tumorgruppen korrelierten. Als erste Kandidatengene für Malignität von PET wurden TSC2 und PTEN als Inhibitorgene des mTOR-Signalwegs identifiziert. Für die GI-NET liegen vergleichbare Untersuchungen noch nicht vor. Insbesondere ist bislang noch nichts darüber bekannt, welche tumorrelevanten Gene auf dem Chromosomenabschnitt 18q mit der Tumorgenese der GINET verbunden sind. Insgesamt sind die bislang gewonnenen Erkenntnisse vielversprechend und könnten helfen, langfristig die Diagnostik, Behandlung und Prognose von betroffenen Patienten im Rahmen einer personalisierten Medizin zu verbessern. Unsere Zusammenfassung bisheriger molekulargenetischer Untersuchungen bei gastroenteropankreatischen Tumoren verdeutlicht aber auch, dass nur relativ wenige Daten in diesem Bereich verfügbar sind, und zeigt damit auch einen dringenden Forschungsbedarf auf. Dank Für die Förderung von interdisziplinären Projekten zu den neuroendokrinen Tumoren danken wir der Novartis Oncology, Nürnberg, und der Ipsen Pharma GmbH, Ettlingen. Disclosure The author declared no conflict of interest. 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