Radioblitze aus der Tiefe des Weltalls Radio bursts from deep space

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Jahrbuch 2016/2017 | Spitler, Laura | Radioblitze aus der Tiefe des W eltalls
Radioblitze aus der Tiefe des Weltalls
Radio bursts from deep space
Spitler, Laura
Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Bonn
Korrespondierender Autor
E-Mail: [email protected]
Zusammenfassung
Seit zehn Jahre entdecken Radioastronomen immer w ieder flüchtige, starke Blitze von Radiow ellen,
ausgesandt von unbekannten astronomischen Quellen außerhalb unserer eigenen Galaxie. Die Entdeckung
dieser sogenannten schnellen Radioblitze, oder FRBs gemäß der Abkürzung im Englischen, hat vor allem
deshalb für große Aufregung gesorgt, da die geschätzte Entfernung der FRBs 100 Millionen bis einige Milliarden
Lichtjahre beträgt. Es ist ein astrophysikalisches Rätsel, w as für eine Quelle einen so starken Radioblitz
erzeugen kann.
Summary
For the last 10 years radio astronomers have been detecting short-duration, strong bursts of radio w aves
from unknow n astronomical sources outside our ow n Galaxy. The discovery of these fast radio bursts (FRBs)
sparked a lot of interest, because the estimated distances to the FRBs is 100s of millions to billions of light
years. It is an astrophysical puzzle how radio bursts of such intensity can be produced.
A bb. 1: Die Ve rte ilung de r be k a nnte n FR Bs (Q ua dra te ) a m
Him m e l und de re n Dispe rsionsm a ß (DM). Da s Doppe l-Q ua dra t
be i (51º,-55º) ste ht für zwe i FR Bs, die a n na he zu ide ntische r
Ste lle a uftra te n. Da s Hinte rgrundbild ze igt da s m a x im a le DM
unse re r Ga la x ie in de r e ntspre che nde n R ichtung. Da die DMs
de r FR Bs vie l höhe r sind, de ute t a lle s a uf e ine
e x tra ga la k tische He rk unft hin. De r FR B 121102 e ntspricht de m
Q ua dra t ga nz re chts.
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© 2017 Max-Planck-Gesellschaft
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Achtzehn schnelle Radioblitze (fast radio bursts, FRBs) sind bisher bekannt (Abb. 1) und davon w urden 16 mit
dem Parkes Radioteleskop (Abb. 2, rechts) in Australien gefunden. Mit Parkes hatten Astronomen den
allerersten FRB entdeckt [1] und seine extragalaktische Herkunft bew iesen [2]. Obw ohl die Population der
FRBs noch relativ klein ist, zeigt sie schon eine Vielfalt an gemessenen Eigenschaften mit unterschiedlicher
Polarisation, Zeitstruktur und unterschiedlichem Spektrum [3]. Die meisten FRBs sind einmalige Ereignisse, w o
bisher nur ein Blitz pro Quelle gemessen w orden ist. Im vergangenen Jahr w urde die einzige Ausnahme
veröffentlicht, als von FRB 121102 ein Dutzend w eitere Blitze gemessen w erden konnten [4]. Diese
Entdeckung hat w ichtige Ausw irkungen auf die Untersuchungen von FRBs. Forscher am Max-Planck-Institut für
Radioastronomie sind seit fast zehn Jahren an der Untersuchung der FRBs maßgeblich beteiligt.
Es ist immer noch völlig unklar, w as für astronomische Quellen die Ursache für FRBs sind und w ie ein so starker
Radioblitz physikalisch erzeugt w erden kann, w enn FRBs tatsächlich von Quellen in Milliarden von Lichtjahren
Entfernung stammen. Viele unterschiedliche Modelle für die eigentliche Quelle der FRBs w urden bisher
vorgeschlagen, darunter extreme Beispiele von bekannten astronomischen Objekten, aber auch völlig neue
astrophysikalische Prozesse. Aber all diese Modelle sagen klar voraus, ob nur ein Blitz erzeugt w erden kann,
oder ob mehrere zu erw arten sind. Zum Beispiel, w enn der Blitz in einem verheerenden Ereignis erzeugt
w urde, das die Quelle zerstört, dann ist nur ein Blitz pro Quelle zu erw arten. Wenn aber der Blitz von einem
seltenen, sich w iederholenden Prozess stammt, so könnten mit ausreichender Geduld w eitere Blitze
gemessen w erden. Die Entdeckung von FRB 121102 w ar diesbezüglich besonders w ichtig, w eil er all jene
Modelle w iderlegt, die FRBs als Folge eines katastrophalen Ereignisses erklären.
A bb. 2: Da s Are cibo R a diote le sk op in P ue rto R ico, USA (link s).
Da s P a rk e s R a diote le sk op in P a rk e s, Austra lie n (re chts).
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Wie weit weg sind die Quellen der FRBs?
Bisher sind die Entfernungen von FRBs nicht direkt gemessen, sondern nur aus dem sogenannten
Dispersionsmaß des Radioblitzes abgeschätzt w orden. Die Dispersion der Radiow ellen entsteht in der
ionisierten Materie, die den Raum zw ischen den Sternen und den Galaxien füllt. Radiow ellen kommen auf der
Erde zuerst bei höheren und dann bei niedrigeren Frequenzen an (Abb. 3). Das Ausmaß dieser Verzögerung
heißt Dispersionsmaß und misst die Anzahl der Elektronen, die zw ischen der Quelle und der Erde liegen. Wenn
man die Dichte der Materie kennt, dann kann man aus dem Dispersionsmaß eine Entfernung ausrechnen.
Unsere Kenntnisse dazu sind allerdings stark modellabhängig und deshalb w äre eine direkte Messung
entscheidend. Der nächste Durchbruch im Forschungsbereich der FRBs w ird die Bestimmung der Heimatgalaxie
eines
FRBs
sein,
w as
eine
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direkte
Entfernungsbestimmung
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erlauben
w ürde.
Damit
könnten
viele
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Ungew issheiten beseitigt w erden. So w äre dadurch der Energiehaushalt des Radioblitzes besser bekannt,
w as für die Modelle der FRB-Erzeugung sehr w ichtig ist.
A bb. 3: Ein R a dioblitz (schwa rz) vom FR B 121102, de r m it
de m Effe lsbe rg 100-m R a diote le sk op ge m e sse n wurde . Die
fre que nza bhä ngige Ank unftsze it de s Blitze s a ufgrund
Dispe rsion ist de utlich sichtba r.
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Um die Heimatgalaxie eindeutig zu bestimmen, muss die Himmelsposition des FRBs sehr genau gemessen
w erden, aber diese Messungen sind derzeit äußerst schw ierig durchzuführen. Die zurzeit betriebenen
Radioteleskope haben eine grundsätzliche Einschränkung. Sie haben entw eder ein großes Blickfeld und eine
grobe räumliche Auflösung oder ein kleines Blickfeld und eine hohe räumliche Auflösung. Um FRBs zu finden, ist
ein größeres Blickfeld von Vorteil, aber um die Heimatgalaxie zu bestimmen, ist eine hohe räumliche Auflösung
notw endig. Der w iederholende FRB, FRB 121102, ist hier w ieder besonders hilfreich.
FRB 121102 w urde mit dem Arecibo Radioteleskop in Puerto Rico, USA (Abb. 2, links), dem damals größten und
empfindlichsten Radioteleskop der Welt, entdeckt und auch als w iederholende Quelle identifiziert. Astronomen
konnten dann die Quelle w eiter mit dem Very Large Array (VLA) in New Mexico, USA beobachten, das eine 200mal höhere räumlich Auflösung als Arecibo hat. Nach 80 Stunden Messzeit ist es den Forschern gelungen, neun
Blitze von FRB 121102 mit dem VLA zu messen und die Himmelsposition mit einer Genauigkeit von einer
Bogensekunde zu bestimmen [5]. An der Stelle am Himmel haben die Astronomen mit dem VLA eine
persistente Radioquelle gefunden. Auf optischen Aufnahmen zeigte sich eine schw ache Galaxie, die als
Kandidat für die Heimatgalaxie von FRB 121102 in Frage kommt.
Eine längere Beobachtung der Kandidatengalaxie mit dem Gemini North Teleskop auf Haw aii, USA, hat ein
Spektrum ergeben und die ersten Vermutungen bestätigt. Es handelt sich tatsächlich um die Heimatgalaxie
von FRB 121102, die 3 Milliarden Lichtjahre entfernt ist, w as der Entfernung entspricht, die vom
Dispersionsmaß des FRBs abgeschätzt w urde [6]. Obw ohl die Entfernung genau zu den Erw artungen passt,
w ar doch der Typ der Heimatgalaxie eine große Überraschung. Die Heimatgalaxie von FRB 121102 ist eine
sogenannte Zw erggalaxie. Ihr Durchmesser beträgt nur 13.000 Lichtjahre, 10-mal kleiner als unsere Galaxie.
Allerdings w erden viele neue Sterne und vielleicht sogar besonders große in der Galaxie geboren. Das könnte
ein Hinw eis auf die Quelle der Radioblitze sein.
Wie werden FRBs erzeugt?
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W ir kennen Radioblitze von Quellen in unserer Galaxie, die viel Ähnlichkeit mit FRBs haben – sogenannte
Radiopulsare. Von Radiopulsaren messen Astronomen eine Folge von Radioblitzen mit regulären zeitlichen
Abständen. Inzw ischen w issen w ir, dass ein Radiopulsar ein schnell rotierender Neutronenstern mit einem
starken Magnetfeld ist [7]. Wenn die Achse der Drehung und die Achse des Magnetfeldes voneinander
abw eichen, kann ein gebündelter Radiostrahl entstehen und w enn die Richtung dieses Strahls w ährend einer
Rotation des Neutronensterns in Richtung Erde zeigt, messen w ir ein kurzen Puls. Ein Radiopulsar ist also ein
astronomischer Leuchtturm - w ir sehen einen kurzen Blitz, w enn der „Radioscheinw erfer“ des Sternes über die
Erde streicht.
Radiopulsare zeigen auch eine Vielfalt an Radioblitzen, aber die meisten davon sind zu schw ach, um aus
großer Entfernung detektierbar zu sein. Eine Ausnahme sind sogenannte Riesenpulse, die besonders kurz und
stark sind. Das klassische Beispiel für Riesenpulse ist der Krebspulsar. Der Krebspulsar w urde in einer
Supernovaexplosion im Jahr 1054 nach Christus geboren und ist dementsprechend ein besonders junger
Pulsar. Seine Riesenpulse sind die stärksten Radioblitze, die w ir vor der Entdeckung der FRBs kannten, und
könnten sogar noch von Nachbargalaxien aus beobachtet w erden. Ein vielversprechendes Modell schlägt vor,
dass FRBs noch stärkere und seltenere Riesenpulse von extragalaktischen Neutronensterne sind, die ähnlich
dem Krebspulsar oder sogar noch jünger und energetischer sind [8]. Die Heimatgalaxie von FRB 121102 passt
zu diesem Modell, denn sie hat das Potenzial, genau die richtigen Sterne hervorzubringen, die am Ende ihres
Lebens zu Neutronensternen w erden.
Ein eher spekulatives Modell hat mit der Lokalisierung des FRB 121102 an Bedeutung gew onnen. In der
Heimatgalaxie und genau auf der Stelle der Quelle der Blitze ist eine kompakte, persistente Radioquelle zu
sehen, die mit dem European VLBI Netw ork (EVN) gemessen w orden ist. Das EVN besteht aus mehreren
Radioteleskopen in Europa, darunter das 100-m Radioteleskop in Effelsberg, Deutschland und hat noch eine
höhere räumliche Auflösung als das VLA. Die Vermessung der kompakten Quelle und des FRB 121102 mit dem
EVN hat gezeigt, dass die blitzende Quelle und die persistente Quelle maximal 100 Lichtjahre voneinander
entfernt sind [9]. Die Eigenschaften der persistenten Quelle sind mit denen sogenannter aktiver Galaxiekerne
(Active Galactic Nucleus, AGNs) vergleichbar. In einem AGN beschleunigt ein riesiges Schw arzes Loch Materie,
die einen Radiojet bildet.
Ob ein Radiojet einen FRB erzeugen kann ist derzeit noch völlig unklar. Möglich ist auch, dass die Quelle der
Blitze doch ein Neutronenstern ist, mit einer Umlaufbahn um das Schw arze Loch. Die persistente Quelle könnte
auch die Radiostrahlung eines jungen Supernovaüberrests sein, in dem ein Neutronenstern entstanden ist.
Dieser Überrest w äre allerdings viel heller als alle bisher bekannten. Astronomen w ollen jetzt mit w eiteren
Messungen nach einer Periodizität in der blitzenden Quelle suchen. Diese w ürde sofort bestätigen, dass die
Quelle ein Neutronenstern ist und Rückschlüsse auf seinen Typ erlauben.
Es ist noch unklar, ob alle FRBs die gleiche Art von Quelle haben oder durch die gleichen physikalischen
Prozessen erzeugt w erden. Obw ohl alle bekannten FRBs regelmäßig beobachtet w erden, ist FRB 121102
immer noch der einzige w iederholende FRB. Ist die Quelle etw as Besonderes? Blitzt die Quelle von FRB
121102, w as auch immer sie sein mag, einfach häufiger als die anderen? Haben FRBs eine Vielfalt von
Radioblitzen, w ie w ir sie von Radiopulsaren kennen, oder gibt es mehrere astrophysikalische Quellen, die
Radioblitze erzeugen, und hat FRB 121102 tatsächlich eine unterschiedliche Herkunft als die anderen FRBs?
Dieses Szenario ist von Gammablitzen bekannt. Gammablitze w erden durch zw ei völlig unterschiedliche
Prozesse erzeugt. Die Antw orten auf diese Frage erfordert die Entdeckung von mehr FRBs. Radioteleskope,
die in den nächsten Jahrzehnten in Betrieb genommen w erden, darunter MeerKAT und das Square Kilometre
Array (SKA), w erden mehrere FRBs am Tag mit genauen Positionen entdecken und solche w ichtigen Fragen
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beantw orten helfen.
Literaturhinweise
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