06-13 Transgene Tiere

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NATUR Genmanipulation
Er leuchtet neonrot und trägt den patentierten Namen
GloFish. Der kleine Fisch ist das erste gentechnisch
veränderte Haustier, das direkt aus dem Labor in den
Verkauf gelangte. Er steht am Anfang einer Besorgnis
erregenden Entwicklung.
Text: Marcel A. Robischon
A
quarienfische, die angeblich im
Dunkeln leuchten, waren die
ersten gentechnisch veränderten Tiere, die in den Handel
kamen. Eigentlich sind sie ganz normale
kleine Fische, doch tragen sie in jeder
Zelle ein von Menschen gebautes Konstrukt aus fremden Genen, das ihnen eine
von der Natur nicht vorgesehene Eigenschaft verleiht: Die Fischlein fluoreszieren und darum tragen sie jetzt den Markennamen GloFish und kosten 5 Dollar.
Genmanipulation NATUR
in den USA seiner annahmen. Seitdem
fluoresziert er im Dunkeln rot und trägt
den Markennamen GloFish und kostet
fünf Dollar.
Sein in Asien vermarktetes Pendant
ist der in Japan beheimatete Reisfisch
Medaka (Oryzias latipes). Auch er war
ein ganz normaler kleiner Fisch, der
heute, nachdem ihn der Mensch im Labor
behandelt hat, fluoreszieren kann – allerdings in Grün. Und auch er trägt jetzt
einen Markennamen: Night Pearl.
Zierfisch und Versuchsobjekt
Medaka und Zebrafisch sind anspruchslos und vermehren sich schnell. Sie sind
beliebte, einfach zu haltende Aquarienfische. Sie schwimmen allerdings nicht
nur zum Vergnügen im Aquarium, denn
alles, was sie zu pflegeleichten Haustieren macht, kommt auch Forschern entgegen. Da die Entwicklung des Embryos
ausserhalb des Körpers stattfindet und
das Tier transparent ist, kann genau verfolgt werden, was im Fisch so vor sich
Foto: GloFish (Montage AZ Fachverlag)
Vor drei Jahren noch machten sie eine
grosse Welle, doch diese ist, so schnell
wie sie gekommen ist, auch wieder abgeflaut. Man hat sich an sie gewöhnt – und
das ist eben das Besondere an ihnen: Sie
sind nichts Besonderes mehr.
Der Leuchtfisch heisst eigentlich
«Danio rerio» oder Zebrafisch. Er ist etwa
fünf Zentimeter gross, gestreift und ein
ganz normaler kleiner Fisch – oder war es
jedenfalls, bevor sich die Forschung, die
Biotechnologie und der Zierfischhandel
NATUR Genmanipulation
geht. Veränderungen in Entwicklungsprozessen werden am lebenden Tier
nachvollzogen.
In der Hand der Forscher hat der Fisch
daher schon so manches erleiden müssen:
Hunderte Klone mit Gendefekten, die die
Entstehung von Krankheiten erklären
können, wurden erzeugt.
Fette Fische
gegen den Hunger
Ein anderes Projekt war die Übertragung
bestimmter Gene auf die Fische, um
die Folgen der erhöhten Genaktivität zu
untersuchen. Methoden des Gentransfers
in Fische werden seit den 80er-Jahren
angewendet und sind heute bei etwa
einem Dutzend Arten routinemässig
möglich.
In den vergangenen Jahren beschäftigte sich die molekularbiologische Forschung an Fischen zunehmend mit der
Zucht von Speisefisch. Auf Kuba und in
den USA, in Kanada und China arbeitet
man an genveränderten Lachsen, Karpfen
und Tilapia, die schneller wachsen, und
letzten Endes vermutlich ähnlich groteske Ausmasse und Körperformen annehmen wie die krank gezüchteten
Schweine und Rinder der Agrarindustrie.
Trotz gewaltiger Umweltschäden wird
immer mehr tierisches Eiweiss aus wirtschaftlichen Gründen aus Meer und Binnengewässern herausgeholt. Dass dieser
Raubbau, wie so oft behauptet, der Verbesserung der Nahrungsmittelversorgung
der Dritten Welt dienen soll, ist aber fraglich. Ein fetter Fisch ist gentechnisch einfach zu erzeugen. Einen Fisch, der durch
Labor als Brutstätte: Künstlich zusammengesetzte Tiere sind im Kommen
korrupte Regime, kriegslüsterne Staatschefs, lähmende Kastensysteme und gierige Konzerne verschuldete Verteilungsprobleme lösen kann – den wird die Gentechnik aber noch lange nicht
hervorbringen können.
Schalt den Fisch an
Die Gewinn bringenden Speisefische sind
nicht das einzige Ziel der aquatischen Biotechnologie. Die Forscher beschäftigen
sich auch mit einem kleinen, leuchtenden
Zierfisch, der ausser dem Geldbeutel der
Händler keinen Menschen sättigt.
Das Forscherteam wollte ursprünglich
einen Fisch züchten, der zu leuchten beginnt, sobald ein Schadstoff im Wasser vorhanden ist. Durch solche Systeme liessen
sich Umwelteinflüsse rasch nachweisen.
Genmanipulation NATUR
Zu Markte getragen
In einem ersten Schritt entstand bei diesem Experiment ein Fisch, der dauernd
und unabhängig von Umwelteinflüssen
ein fluoreszentes Eiweiss produziert –
und so wurde aus dem Versuchstier ein
dauernd leuchtender Zierfisch. Zwei Studenten aus Texas hörten zufällig von
diesen Arbeiten. Sie kauften die Marktrechte und beauftragten zwei Fischzuchtfarmen in Florida mit der Produktion der
Leuchtfische. «Wir begannen im Jahr
Gentechnik – wie geht das?
Gentechnik umfasst alle Techniken, mit
deren Hilfe der Mensch einer Zelle oder
einem ganzen, ein- oder vielzelligen Lebewesen auf molekularem Wege befehlen
kann, etwas Bestimmtes zu tun.
Ein Gen ist ein Abschnitt der Sequenz einer
Desoxyribonukleinsäure (DNS), in dem durch
die Abfolge der einzelnen Elemente dieses
Moleküls, der Kernbasen, der Bauplan für
ein bestimmtes Eiweiss festgeschrieben ist.
Da alle stoffwechselaktiven und strukturbildenden Elemente eines Lebewesens
Eiweisse sind, bestimmen diese sein Aussehen und Verhalten. Der «Bauplan» wird
mittels einer anderen Nukleinsäure, der
RNS, den eiweissbildenden Einheiten mitge-
teilt.
Das Übertragen eines
fremden Gens in die
DNS eines Zellkerns
erfordert zunächst, dass
der dieses Gen enthaltende DNS-Abschnitt
in ein transportables DNS-Molekül, den so
genannten Vektor, verpackt wird. Mit dessen
Hilfe kann es dann in die zelleigene DNS eingebaut werden.
Gelingt es, solch ein Konstrukt in eine Zelle
zu übertragen, so wird quasi deren ursprünglicher Bauplan verändert. Mit andern
Worten: Die Zelle wird zum Beispiel dazugebracht, ein neues Eiweiss herzustellen,
das wie beim GloFish im Dunkeln leuchtet.
2003 mit der Produktion», bestätigt die
Firma. Nun ist der Fisch unter dem
patentrechtlich geschützten Namen GloFish im Handel. Etwa zur selben Zeit kam
in Taiwan ein rot fluoreszierender Zebrafisch und der grün fluoreszierende
Medaka-Fisch unter dem Namen «Night
Pearl» auf den Markt.
Importiert, freigelassen
und verwildert
Fotos: Bildagentur Waldhäusl
Gentechnisch ist es machbar, dass in Gegenwart bestimmter Schadstoffe ein «molekularer Schalter» betätigt wird. Bei Kontakt
mit dem Stoff wird den Genen des Fisches
sofort aufgetragen, ein erforderliches Eiweiss zu produzieren, das leuchtet.
Wie bei allen genveränderten Lebewesen
bestehen auch bei diesen Zierfischen Bedenken, dass sie sich verselbstständigen
und in natürliche Ökosysteme eindringen könnten. Eine Lieferung fluoreszenter Medakas wurde deshalb bei der
Einfuhr nach Singapur vorsichtshalber
beschlagnahmt. Der Import nach Japan
und Kanada wurde, bereits kurz nachdem
der Verkauf begonnen hatte, beendet.
Nach Europa und in die Schweiz darf der
Fisch aufgrund bestehender Gesetze gar
nicht erst hinein.
Das hat seine Berechtigung. Gerade
Fische liefern nämlich auch ohne jede gentechnische Veränderung einige der dramatischsten Beispiele der Zerstörung von Ökosystemen durch exotische Arten. Durch das
Fehlen natürlicher Feinde vermehren sich
die Exoten ungehemmt, wie zum Beispiel
der Nilbarsch im Viktoriasee.
Auch der Zebrafisch ist bereits weltweit verwildert. Er kommt mittlerweile
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in Sri Lanka, Amerika und Japan in Gewässern vor. «1974 wurde er erstmals in
Florida gefunden», erzählt Pam Fuller
vom Center for Aquatic Resources Studies in Gainesville Florida, einem Staat,
dessen Gewässer von eingeschleppten
Fischen wimmeln. Wenig später sichtete
man ihn in Kalifornien, in den Grossen
Seen und im Staat New York, wo er sich
bis zu einer Kälteperiode 1978 hielt.
Wohler fühlt er sich freilich in den
Gewässern der Neuwelttropen. In Kolumbien brütet er in den Einzugsgebieten
des Orinoko und des Magdalena-Flusses.
Selbst in Europa ist er hin und wieder
verwildert aufgetreten – in den warmen
Strömen von Kühlwasser aus Kraftwerken zum Beispiel. Anekdotisch ist belegt,
dass er sich auch in Gewässern auf einzelnen griechischen Inseln und auf dem
Kanarischen Archipel angesiedelt haben
soll.
Harmlos –
und darum gefährlich
Ein beinahe ebenso erfahrener Weltbürger ist der Reisfisch geworden. Er lebt
heute in den Gewässern Turkmenistans,
Kasachstans und des benachbarten Irans.
Dies geht auf Versuche in den 50er-Jahren
zurück, als die innerasiatischen Sowjet-
Infobox
Literatur
• Schenkel: «Transgene Tiere», Verlag Springer 2006, ISBN: 3-540-28267-X, Fr. 42.50
• Hiss: «Der GENaue Blick», Verlag Ökom
2003, ISBN: 3-936581-01-0, Fr. 28.60
• Fischer: «Das Genom», Verlag Fischer
Taschenbuch 2002,
ISBN: 3-596-15362-X, Fr. 16.50
• Jefferis: «Was ist Gentechnik?», Verlag
Loewe 2002, ISBN: 3-7855-4280-1, Fr. 7.30
• Müller: «Lasst uns Menschen machen!»,
Verlag Kohlhammer 2004,
ISBN: 3-17-018528-4, Fr. 43.80
Internet
• www.gentechnologie.ch/zeitung/
34_glowfish.htm
• de.wikipedia.org/wiki/Transgen
• www.gensuisse.ch
• www.brainworker.ch/Globalisierung/
gentechnologie.htm
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Noch ist es «nur» ein Fisch –
aber was kommt morgen?
republiken mit seiner Hilfe gegen die
Mückenplage kämpften. Bereits in den
zwanziger Jahren wurde er mit derselben
Mission auch auf Hawaii ausgesetzt.
Allerdings sind die Wildformen von
Zebrafisch und Medaka bisher noch nirgendwo zur Plage geworden. Die Gesundheitsbehörde der USA bescheinigte dem
GloFish die «Abwesenheit eines klaren
Risikos für die Gesundheit der Bevölkerung» und bestätigte, dass es keinen Hinweis darauf gebe, «dass der gentechnisch
veränderte Zebrafisch ein grösseres Risiko
für die Umwelt darstellt als die nicht
gentechnisch veränderten Tiere, die seit
langem in den USA verkauft werden».
Die unerwünschte Ausbreitung vom
gentechnisch veränderten Zebrafisch ist
also zwar das vordergründigste, nicht
aber das grösste Problem. Vielleicht ist
das gerade das Gefährliche an ihm, dass
er so ungefährlich ist, denn mit ihm wurde
eine Grenze überschritten und leichtfertig
ein grosser Schritt zu einem anderen Umgang mit dem Leben getan. Vielleicht
beginnt mit dem GloFish eine ganz neue
Geschichte von Mensch und Natur.
Menschgemachtes Kuriosum
Seit Jahrtausenden hat der Mensch Freude
an Zierfischteichen. 1856 beschrieb eine
deutsche Zeitschrift das «Süsswasseraquarium» als eine Neuheit. Es sei ein
Mittel, um Menschen «an den Umgang
mit der Natur zu gewöhnen». Heute stellt
sich die Frage, ob es überhaupt noch ein
«Umgang mit der Natur» ist, wenn der
Fisch gentechnisch verändert und ebenso
nicht von der Natur hervorgebracht wurde.
Das eigentliche Interesse liegt ja in diesem
Fall nicht an einem Stück Natur, sondern
an dem gentechnischen Trick.
Der Schriftsteller Max Frisch spricht
von «Technik als Kniff, die Welt so einzurichten, dass wir sie nicht mehr erleben
müssen» – und das gilt auch für die Biotechnologie. Tatsächlich geht das wirkliche
Naturerleben beim Betrachten von Aquariumfischen durch Einsatz des biotechnischen «Kniffs» verloren. Das ist einigen
Menschen immerhin fünf Dollar wert.
Einen solchen Fisch zu halten, weil
er eben gentechnisch verändert und ein
von Menschenhand gemachtes Kuriosum
ist, stellt keine Auseinandersetzung mit
der Natur mehr dar. Es ist vielmehr
die Faszination dessen, was man mit
der Natur so alles anstellen kann. Ein
Lebewesen wird zu einem technischen
Spielzeug degradiert.
Zur Belanglosigkeit
degradierte Naturwunder
Beginnt das vielleicht schon bei der
konventionellen Zucht von Zierfischen
und anderen Tieren? Obwohl auch Monstrositäten bei der Zucht herbeigeführt
und zum Teil Grenzen überschritten
werden, wird das Erbgut der Tiere dabei
nicht verändert. Die gentechnische Veränderung des Fischs geht jedoch einen
entscheidenden Schritt weiter. Wohl hat
die Natur selbst das Wunder der leuchtenden Proteine hervorgebracht – doch
wenn diese verwendet werden, um ein
anderes, fremdes Lebewesen für den
Kommerz aufzupeppen, hat dies nichts
mehr mit Betrachtung der Natur zu tun.
Es ist, als würde ein Stück aus einem
Gemälde herausgeschnitten und zusammenhanglos reproduziert. Wie eine aus
dem Text gerissene Gedichtzeile, irgendwo
zitiert. Das mag einen kuriosen Effekt ergeben, doch vom Gedicht, vom Kunstwerk
ist nichts mehr da. Es lehrt uns nichts
mehr. Genauso wird beim transgenen
Leuchtfisch ein Stück des Naturwunders
zur Belanglosigkeit degradiert. Das Leuch-
Genmanipulation NATUR
Problematik Rechnung tragen. Beispielsweise hat Kalifornien die Vermarktung
des Fischs verboten. Das Gesetz, so berichtete die Kalifornische Hauptstadtzeitung «Sacramento Bee» im Mai letzten
Jahres, sieht die Produktion von Heimtieren nach individuellen Wünschen
und Vorstellungen als keine angebrachte
oder gerechtfertigte Anwendung der
Gentechnik.
Auch wenn der Fisch noch so harmlos ist, so scheinen doch viele Menschen
zu spüren, dass eine ungute Entwicklung ins Rollen gekommen ist. Die Frage
bleibt allerdings, inwieweit der zukünftige Gang der Dinge hiervon beeinflusst
wird.
Zurückhaltende
Aquarienliebhaber
ten des transgenen Fischs, wo es eben nicht
der Forschung, sondern nur als «kleine
Sensation» dient, ist aus dem biologischen
Zusammenhang gerissen.
Und schön ist es auch nicht mehr.
Merkwürdig, ein bisschen gespenstisch
und hohlwangig sieht der bleichgrün
fluoreszierende Medaka aus. Wie der britische Wissenschaftsjournalist Colin Tudge
es in einem Artikel zu den Exzessen der
Viehzucht und der verfehlten Anwendung
der Gentechnik ausdrückte: «Gier zerstört
die Schönheit der Geschöpfe.»
Die Vermarktung des GloFish hat
eine Grenze überschritten – und es stellt
sich die Frage, was als nächstes kommt,
wie die Geschichte weitergeht.
rium» die Veränderung des Fisches gar
«genetische Verstümmelung».
Vereinzelt hat es auch politische Entscheidungen gegeben, die der ethischen
Ob der GloFish Vorreiter einer ganzen
Welle von Kommerzialisierungen transgener Tiere ist, wird vermutlich letzten
Endes vom wirtschaftlichen Erfolg abhängen. Alan Blake, einer der beiden
Texaner, die für die Vermarktung des
GloFish verantwortlich sind, erzählte
mehrfach Journalisten, dass ein gewaltiges Interesse bestünde und die Nach-
Leuchtende Eiweisse aus dem Meer
Tausende Tierarten und Mikroben besitzen die
die GFPs. Die vielen Möglichkeiten, die dieses
Fähigkeit Eiweisse herzustellen, mit deren
Gen für die Forschung bietet, wurden in der
Hilfe als Signal Licht abgestrahlt werden kann.
nicht-wissenschaftlichen Presse von der faszi-
Die «blaue Biotechnologie», die sich mit den
nierenden Eigenschaft grün zu «leuchten»
biotechnischen Möglichkeiten von Wasser-
gewissermassen überstrahlt. Merkwürdige
lebewesen befasst, hat inzwischen ein ganzes
Dinge wie der von selbst leuchtende Christ-
Regenbogenspektrum solcher licht-
baum, fluoreszierendes Bier und grün strah-
abstrahlender, also fluoreszierender Proteine
lende Blumen geisterten durch die Zeitungen.
bis zur Anwendung entwickelt. Der Klassiker,
Das Pressebild von grün leuchtenden Mäusen
«Genetische Verstümmelung»
das «green fluorescent protein» GFP, stammt
in der Hand eines Forschers wurde berühmt
Welch zwiespältige Gefühle der Fisch
hervorruft zeigt sich im Medienecho in
Europa und Amerika. «Die neuen Biotech-Heimtiere verursachen ungute Gefühle», titelte die «Washington Post».
Über «Mutanten im Aquarium» berichtete
die Berliner Tageszeitung «TAZ» und von
«Genetischen Spässen» sprach ihre Konkurrenz «Die Welt». Der amerikanische
Fischzüchter Spencer Glass nannte in einem 2004 erschienenen Artikel der Zeitschrift «Freshwater and Marine Aqua-
ursprünglich aus der grün fluoreszierenden
als ästhetisch-skurriles Fotokunstwerk.
Meeresqualle «Aequorea victoria». Die rote
Aber: Im Gegensatz zu der von Glühwürmchen
Riffkoralle «Discosoma» liefert eine rote
und einigen Leuchtfischen gezeigten Biolumi-
Variante. Weitere Proteine fluoreszieren in
neszenz, bei der durch Umwandlung chemi-
Cyan, Gelb, Orange und Smaragdgrün.
scher Energie Licht erzeugt wird, entsteht bei
Fluoreszenz kein Licht. Das Leuchten von
Selbst leuchtende Christbäume
«GloFish» und «NightPearl» entsteht erst, wenn
Gene, die fluoreszente Proteine herstellen,
diese mit speziellen UV- oder Schwarzlicht-
gehören zu den wichtigsten Instrumenten der
lampen angestrahlt werden. Wer also erwartet,
Molekularbiologie. Ende der neunziger Jahre
allein mit dem GloFish sein Wohnzimmer in
herrschte gewissermassen ein Boom rund um
farbiges Licht zu tauchen, wird enttäuscht.
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NATUR Genmanipulation
frage enorm sei. «Während der Fisch
momentan nur in den Vereinigten Staaten
erhältlich ist, haben wir Anfragen aus
Dutzenden anderen Staaten bekommen»,
antwortet die Firma auf Nachfragen,
macht aber keine Angaben, aus welchen
Staaten und will auch keine genaueren
Verkaufszahlen preisgeben.
Schlechte Presse
für den Wunderfisch
In einigen Zeitungen war dagegen zu
lesen, dass der Fisch durchaus nicht so
gut ankommt wie gewünscht. «Bisher
verkaufen sich die neuartigen genetisch
veränderten Tiere nur schleppend», liess
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der in Florida erscheinende «Talahassee
Democrat» verlauten. «Sie sehen nicht
im Entferntesten wie auf den Werbebildern aus», lässt «The Philadelphia
Enquirer» den enttäuschten Besitzer einer Tierhandlung zu Wort kommen, und
«wir hatten überhaupt keine Nachfrage»,
erzählte die Sprecherin einer der grössten
Tierhandelsketten der USA der «New
York Times».
Dem entsprechen die Kommentare
einiger Aquaristik-Fachleute. «Mir gefallen sie nicht und ich würde sie mir nicht
halten», sagt Bob Krampetz vom Aquarienverein Greater Portland Aquarium
Society – und fügt hinzu: «In unserem
Verein hält sie keiner.»
Rasch erloschene Euphorie
«Es hat ein bisschen Furore gemacht –
positiv und negativ, als der Fisch neu
herauskam, aber das hat sich schnell gelegt. Manchmal sehe ich den Fisch noch
im Handel, aber so richtig den Durchbruch hat er nie geschafft», sagt David
Boruchowitz, Herausgeber des «Tropical
Fish Hobbyist»-Magazins.
Im besten Falle spiegelt sich hier
wirklich eine informierte Reaktion von
Kunden wider. Im schlimmsten Falle
bedeuten die niedrigen Verkaufszahlen
allerdings nur eines, nämlich, dass auch
der gentechnisch veränderte Fisch schon
wieder langweilig geworden ist, so wie
zuvor die Natur selbst, mit allen Farben
Genmanipulation NATUR
und Geheimnissen für manche – oder
viele? – Menschen langweilig geworden
zu sein scheint.
«Die Neuheit hatte bald ihren Reiz
verloren», sagt Nick Zarlinga, Fischbiologe am Cleveland Metropolitan Zoo.
«Viele Leute haben sie gezüchtet und
dann rasch das Interesse verloren.»
Was kommt als nächstes?
«Die Neuheit hatte bald ihren Reiz verloren» bedeutet, dass der GloFish vielleicht einfach durch etwas Neues auf dem
Markt abgelöst werden wird – etwas, das
noch stärker leuchtet oder eine noch
grellere Farbe hat. Vielleicht müssen
immer neue, immer groteskere Erscheinungen erschaffen werden?
Tatsächlich wird schon jetzt an weiteren transgenen Heimtieren gearbeitet.
Auf den Internetseiten der Uni Singapur
war von fluoreszenten Goldfischen zu
lesen, und von Fischen, die temperaturabhängig die Farbe wechseln sollen. Der
Weg, der mit GloFish eingeschlagen
wurde, scheint weiterverfolgt zu werden
– und nicht nur das. Es werden nicht
mehr nur zu Forschungszwecken erzeugte transgene Tiere als genetischer
Spass missbraucht, sondern auch Tiere
eigens zum Zweck der Unterhaltung
transformiert. Die Firma Taikong kündigte golden und mehrfarbig leuchtende
Versionen des «Night Pearl»-Fisches an.
Haustiere in allen Formen
und Farben
Doch die Entwicklung beschränkt sich
nicht auf Fische. Inzwischen ist auch die
Rede von Hunden ohne Haarausfall und
Katzen, die beim Menschen keine allergischen Reaktionen auslösen. Wird es
irgendwann Haustiere in allen Farben,
Formen und Grössen, mit allen erdenklichen Spezialeffekten geben? Werden
Firmen etwas für alle Ansprüche liefern
und jede skurrile Idee in die Tat und ins
Tier umsetzen?
Es werden dann Tiere mit irgendwelchen Eigenschaften sein, die für den
Menschen interessant oder amüsant sind,
die aber mit dem Tier, das die Natur hervorgebracht hat, nichts zu tun haben. Irgendwie wird es zum Amusement der Konsumenten zurechtgeschustert werden, bis
das nächste Modell in Mode kommt.
■
Collage: KlappBilderBuch / Parabel-Verlag
Tiermonster
für den Konsum:
Gentechnisch wild
zusammengesetzte
Haustiere für jeden
Geschmack könnten
bald Wirklichkeit sein
Leidet der Leuchtfisch?
Das Gen, das den GloFish zum Leuchten
über das komplexe Zusammenspiel von
bringt, mache das Tier nicht krank, behauptet
Lichtrezeptoren, hormonellen und nervlichen
die Firma, die GloFish verkauft. Es störe ihn
Signalen?
nicht weiter.
Der Zebrafisch lebt in flachen Gewässern und
Doch vielleicht macht sie sich die Sache
sucht seine Nahrung unter der Wasserober-
damit so einfach, wie manche Angler, die
fläche. Auf Licht reagiert er sensibel, das
meinen, Fische empfänden wegen des
zeigt sich darin, dass er bei deutlich verstärk-
Hakens keinen Schmerz. Doch wer kann das
tem Lichteinfall mit der Eiablage beginnt.
so genau nachprüfen? Das gilt auch für die
Welche anderen Vorgänge beim Zebrafisch
Sache mit dem fluoreszierenden Protein. Wer
auch noch durch Licht gesteuert werden, ist
kann denn schon überzeugend nachweisen,
nicht bekannt, ebenso wenig, ob der Einsatz
dass ein Tier, das von Natur aus nicht fluores-
von UV- und Schwarzlichtlampen sein Wohl-
zent ist, nicht darunter leidet, wenn seine
befinden beeinträchtigen.
Haut auf einmal völlig andere Eigenschaften
Das bedeutet: Niemand kann mit Gewissheit
der Lichtreflexion aufweist? Was wissen wir
sagen, ob der Fisch unter seiner gentechni-
schon über die Fotobiologie des Zebrafischs,
schen Veränderung leidet oder nicht.
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