NATUR Genmanipulation Er leuchtet neonrot und trägt den patentierten Namen GloFish. Der kleine Fisch ist das erste gentechnisch veränderte Haustier, das direkt aus dem Labor in den Verkauf gelangte. Er steht am Anfang einer Besorgnis erregenden Entwicklung. Text: Marcel A. Robischon A quarienfische, die angeblich im Dunkeln leuchten, waren die ersten gentechnisch veränderten Tiere, die in den Handel kamen. Eigentlich sind sie ganz normale kleine Fische, doch tragen sie in jeder Zelle ein von Menschen gebautes Konstrukt aus fremden Genen, das ihnen eine von der Natur nicht vorgesehene Eigenschaft verleiht: Die Fischlein fluoreszieren und darum tragen sie jetzt den Markennamen GloFish und kosten 5 Dollar. Genmanipulation NATUR in den USA seiner annahmen. Seitdem fluoresziert er im Dunkeln rot und trägt den Markennamen GloFish und kostet fünf Dollar. Sein in Asien vermarktetes Pendant ist der in Japan beheimatete Reisfisch Medaka (Oryzias latipes). Auch er war ein ganz normaler kleiner Fisch, der heute, nachdem ihn der Mensch im Labor behandelt hat, fluoreszieren kann – allerdings in Grün. Und auch er trägt jetzt einen Markennamen: Night Pearl. Zierfisch und Versuchsobjekt Medaka und Zebrafisch sind anspruchslos und vermehren sich schnell. Sie sind beliebte, einfach zu haltende Aquarienfische. Sie schwimmen allerdings nicht nur zum Vergnügen im Aquarium, denn alles, was sie zu pflegeleichten Haustieren macht, kommt auch Forschern entgegen. Da die Entwicklung des Embryos ausserhalb des Körpers stattfindet und das Tier transparent ist, kann genau verfolgt werden, was im Fisch so vor sich Foto: GloFish (Montage AZ Fachverlag) Vor drei Jahren noch machten sie eine grosse Welle, doch diese ist, so schnell wie sie gekommen ist, auch wieder abgeflaut. Man hat sich an sie gewöhnt – und das ist eben das Besondere an ihnen: Sie sind nichts Besonderes mehr. Der Leuchtfisch heisst eigentlich «Danio rerio» oder Zebrafisch. Er ist etwa fünf Zentimeter gross, gestreift und ein ganz normaler kleiner Fisch – oder war es jedenfalls, bevor sich die Forschung, die Biotechnologie und der Zierfischhandel NATUR Genmanipulation geht. Veränderungen in Entwicklungsprozessen werden am lebenden Tier nachvollzogen. In der Hand der Forscher hat der Fisch daher schon so manches erleiden müssen: Hunderte Klone mit Gendefekten, die die Entstehung von Krankheiten erklären können, wurden erzeugt. Fette Fische gegen den Hunger Ein anderes Projekt war die Übertragung bestimmter Gene auf die Fische, um die Folgen der erhöhten Genaktivität zu untersuchen. Methoden des Gentransfers in Fische werden seit den 80er-Jahren angewendet und sind heute bei etwa einem Dutzend Arten routinemässig möglich. In den vergangenen Jahren beschäftigte sich die molekularbiologische Forschung an Fischen zunehmend mit der Zucht von Speisefisch. Auf Kuba und in den USA, in Kanada und China arbeitet man an genveränderten Lachsen, Karpfen und Tilapia, die schneller wachsen, und letzten Endes vermutlich ähnlich groteske Ausmasse und Körperformen annehmen wie die krank gezüchteten Schweine und Rinder der Agrarindustrie. Trotz gewaltiger Umweltschäden wird immer mehr tierisches Eiweiss aus wirtschaftlichen Gründen aus Meer und Binnengewässern herausgeholt. Dass dieser Raubbau, wie so oft behauptet, der Verbesserung der Nahrungsmittelversorgung der Dritten Welt dienen soll, ist aber fraglich. Ein fetter Fisch ist gentechnisch einfach zu erzeugen. Einen Fisch, der durch Labor als Brutstätte: Künstlich zusammengesetzte Tiere sind im Kommen korrupte Regime, kriegslüsterne Staatschefs, lähmende Kastensysteme und gierige Konzerne verschuldete Verteilungsprobleme lösen kann – den wird die Gentechnik aber noch lange nicht hervorbringen können. Schalt den Fisch an Die Gewinn bringenden Speisefische sind nicht das einzige Ziel der aquatischen Biotechnologie. Die Forscher beschäftigen sich auch mit einem kleinen, leuchtenden Zierfisch, der ausser dem Geldbeutel der Händler keinen Menschen sättigt. Das Forscherteam wollte ursprünglich einen Fisch züchten, der zu leuchten beginnt, sobald ein Schadstoff im Wasser vorhanden ist. Durch solche Systeme liessen sich Umwelteinflüsse rasch nachweisen. Genmanipulation NATUR Zu Markte getragen In einem ersten Schritt entstand bei diesem Experiment ein Fisch, der dauernd und unabhängig von Umwelteinflüssen ein fluoreszentes Eiweiss produziert – und so wurde aus dem Versuchstier ein dauernd leuchtender Zierfisch. Zwei Studenten aus Texas hörten zufällig von diesen Arbeiten. Sie kauften die Marktrechte und beauftragten zwei Fischzuchtfarmen in Florida mit der Produktion der Leuchtfische. «Wir begannen im Jahr Gentechnik – wie geht das? Gentechnik umfasst alle Techniken, mit deren Hilfe der Mensch einer Zelle oder einem ganzen, ein- oder vielzelligen Lebewesen auf molekularem Wege befehlen kann, etwas Bestimmtes zu tun. Ein Gen ist ein Abschnitt der Sequenz einer Desoxyribonukleinsäure (DNS), in dem durch die Abfolge der einzelnen Elemente dieses Moleküls, der Kernbasen, der Bauplan für ein bestimmtes Eiweiss festgeschrieben ist. Da alle stoffwechselaktiven und strukturbildenden Elemente eines Lebewesens Eiweisse sind, bestimmen diese sein Aussehen und Verhalten. Der «Bauplan» wird mittels einer anderen Nukleinsäure, der RNS, den eiweissbildenden Einheiten mitge- teilt. Das Übertragen eines fremden Gens in die DNS eines Zellkerns erfordert zunächst, dass der dieses Gen enthaltende DNS-Abschnitt in ein transportables DNS-Molekül, den so genannten Vektor, verpackt wird. Mit dessen Hilfe kann es dann in die zelleigene DNS eingebaut werden. Gelingt es, solch ein Konstrukt in eine Zelle zu übertragen, so wird quasi deren ursprünglicher Bauplan verändert. Mit andern Worten: Die Zelle wird zum Beispiel dazugebracht, ein neues Eiweiss herzustellen, das wie beim GloFish im Dunkeln leuchtet. 2003 mit der Produktion», bestätigt die Firma. Nun ist der Fisch unter dem patentrechtlich geschützten Namen GloFish im Handel. Etwa zur selben Zeit kam in Taiwan ein rot fluoreszierender Zebrafisch und der grün fluoreszierende Medaka-Fisch unter dem Namen «Night Pearl» auf den Markt. Importiert, freigelassen und verwildert Fotos: Bildagentur Waldhäusl Gentechnisch ist es machbar, dass in Gegenwart bestimmter Schadstoffe ein «molekularer Schalter» betätigt wird. Bei Kontakt mit dem Stoff wird den Genen des Fisches sofort aufgetragen, ein erforderliches Eiweiss zu produzieren, das leuchtet. Wie bei allen genveränderten Lebewesen bestehen auch bei diesen Zierfischen Bedenken, dass sie sich verselbstständigen und in natürliche Ökosysteme eindringen könnten. Eine Lieferung fluoreszenter Medakas wurde deshalb bei der Einfuhr nach Singapur vorsichtshalber beschlagnahmt. Der Import nach Japan und Kanada wurde, bereits kurz nachdem der Verkauf begonnen hatte, beendet. Nach Europa und in die Schweiz darf der Fisch aufgrund bestehender Gesetze gar nicht erst hinein. Das hat seine Berechtigung. Gerade Fische liefern nämlich auch ohne jede gentechnische Veränderung einige der dramatischsten Beispiele der Zerstörung von Ökosystemen durch exotische Arten. Durch das Fehlen natürlicher Feinde vermehren sich die Exoten ungehemmt, wie zum Beispiel der Nilbarsch im Viktoriasee. Auch der Zebrafisch ist bereits weltweit verwildert. Er kommt mittlerweile Natürlich | 8-2006 9 NATUR Genmanipulation in Sri Lanka, Amerika und Japan in Gewässern vor. «1974 wurde er erstmals in Florida gefunden», erzählt Pam Fuller vom Center for Aquatic Resources Studies in Gainesville Florida, einem Staat, dessen Gewässer von eingeschleppten Fischen wimmeln. Wenig später sichtete man ihn in Kalifornien, in den Grossen Seen und im Staat New York, wo er sich bis zu einer Kälteperiode 1978 hielt. Wohler fühlt er sich freilich in den Gewässern der Neuwelttropen. In Kolumbien brütet er in den Einzugsgebieten des Orinoko und des Magdalena-Flusses. Selbst in Europa ist er hin und wieder verwildert aufgetreten – in den warmen Strömen von Kühlwasser aus Kraftwerken zum Beispiel. Anekdotisch ist belegt, dass er sich auch in Gewässern auf einzelnen griechischen Inseln und auf dem Kanarischen Archipel angesiedelt haben soll. Harmlos – und darum gefährlich Ein beinahe ebenso erfahrener Weltbürger ist der Reisfisch geworden. Er lebt heute in den Gewässern Turkmenistans, Kasachstans und des benachbarten Irans. Dies geht auf Versuche in den 50er-Jahren zurück, als die innerasiatischen Sowjet- Infobox Literatur • Schenkel: «Transgene Tiere», Verlag Springer 2006, ISBN: 3-540-28267-X, Fr. 42.50 • Hiss: «Der GENaue Blick», Verlag Ökom 2003, ISBN: 3-936581-01-0, Fr. 28.60 • Fischer: «Das Genom», Verlag Fischer Taschenbuch 2002, ISBN: 3-596-15362-X, Fr. 16.50 • Jefferis: «Was ist Gentechnik?», Verlag Loewe 2002, ISBN: 3-7855-4280-1, Fr. 7.30 • Müller: «Lasst uns Menschen machen!», Verlag Kohlhammer 2004, ISBN: 3-17-018528-4, Fr. 43.80 Internet • www.gentechnologie.ch/zeitung/ 34_glowfish.htm • de.wikipedia.org/wiki/Transgen • www.gensuisse.ch • www.brainworker.ch/Globalisierung/ gentechnologie.htm 10 Natürlich | 8-2006 Noch ist es «nur» ein Fisch – aber was kommt morgen? republiken mit seiner Hilfe gegen die Mückenplage kämpften. Bereits in den zwanziger Jahren wurde er mit derselben Mission auch auf Hawaii ausgesetzt. Allerdings sind die Wildformen von Zebrafisch und Medaka bisher noch nirgendwo zur Plage geworden. Die Gesundheitsbehörde der USA bescheinigte dem GloFish die «Abwesenheit eines klaren Risikos für die Gesundheit der Bevölkerung» und bestätigte, dass es keinen Hinweis darauf gebe, «dass der gentechnisch veränderte Zebrafisch ein grösseres Risiko für die Umwelt darstellt als die nicht gentechnisch veränderten Tiere, die seit langem in den USA verkauft werden». Die unerwünschte Ausbreitung vom gentechnisch veränderten Zebrafisch ist also zwar das vordergründigste, nicht aber das grösste Problem. Vielleicht ist das gerade das Gefährliche an ihm, dass er so ungefährlich ist, denn mit ihm wurde eine Grenze überschritten und leichtfertig ein grosser Schritt zu einem anderen Umgang mit dem Leben getan. Vielleicht beginnt mit dem GloFish eine ganz neue Geschichte von Mensch und Natur. Menschgemachtes Kuriosum Seit Jahrtausenden hat der Mensch Freude an Zierfischteichen. 1856 beschrieb eine deutsche Zeitschrift das «Süsswasseraquarium» als eine Neuheit. Es sei ein Mittel, um Menschen «an den Umgang mit der Natur zu gewöhnen». Heute stellt sich die Frage, ob es überhaupt noch ein «Umgang mit der Natur» ist, wenn der Fisch gentechnisch verändert und ebenso nicht von der Natur hervorgebracht wurde. Das eigentliche Interesse liegt ja in diesem Fall nicht an einem Stück Natur, sondern an dem gentechnischen Trick. Der Schriftsteller Max Frisch spricht von «Technik als Kniff, die Welt so einzurichten, dass wir sie nicht mehr erleben müssen» – und das gilt auch für die Biotechnologie. Tatsächlich geht das wirkliche Naturerleben beim Betrachten von Aquariumfischen durch Einsatz des biotechnischen «Kniffs» verloren. Das ist einigen Menschen immerhin fünf Dollar wert. Einen solchen Fisch zu halten, weil er eben gentechnisch verändert und ein von Menschenhand gemachtes Kuriosum ist, stellt keine Auseinandersetzung mit der Natur mehr dar. Es ist vielmehr die Faszination dessen, was man mit der Natur so alles anstellen kann. Ein Lebewesen wird zu einem technischen Spielzeug degradiert. Zur Belanglosigkeit degradierte Naturwunder Beginnt das vielleicht schon bei der konventionellen Zucht von Zierfischen und anderen Tieren? Obwohl auch Monstrositäten bei der Zucht herbeigeführt und zum Teil Grenzen überschritten werden, wird das Erbgut der Tiere dabei nicht verändert. Die gentechnische Veränderung des Fischs geht jedoch einen entscheidenden Schritt weiter. Wohl hat die Natur selbst das Wunder der leuchtenden Proteine hervorgebracht – doch wenn diese verwendet werden, um ein anderes, fremdes Lebewesen für den Kommerz aufzupeppen, hat dies nichts mehr mit Betrachtung der Natur zu tun. Es ist, als würde ein Stück aus einem Gemälde herausgeschnitten und zusammenhanglos reproduziert. Wie eine aus dem Text gerissene Gedichtzeile, irgendwo zitiert. Das mag einen kuriosen Effekt ergeben, doch vom Gedicht, vom Kunstwerk ist nichts mehr da. Es lehrt uns nichts mehr. Genauso wird beim transgenen Leuchtfisch ein Stück des Naturwunders zur Belanglosigkeit degradiert. Das Leuch- Genmanipulation NATUR Problematik Rechnung tragen. Beispielsweise hat Kalifornien die Vermarktung des Fischs verboten. Das Gesetz, so berichtete die Kalifornische Hauptstadtzeitung «Sacramento Bee» im Mai letzten Jahres, sieht die Produktion von Heimtieren nach individuellen Wünschen und Vorstellungen als keine angebrachte oder gerechtfertigte Anwendung der Gentechnik. Auch wenn der Fisch noch so harmlos ist, so scheinen doch viele Menschen zu spüren, dass eine ungute Entwicklung ins Rollen gekommen ist. Die Frage bleibt allerdings, inwieweit der zukünftige Gang der Dinge hiervon beeinflusst wird. Zurückhaltende Aquarienliebhaber ten des transgenen Fischs, wo es eben nicht der Forschung, sondern nur als «kleine Sensation» dient, ist aus dem biologischen Zusammenhang gerissen. Und schön ist es auch nicht mehr. Merkwürdig, ein bisschen gespenstisch und hohlwangig sieht der bleichgrün fluoreszierende Medaka aus. Wie der britische Wissenschaftsjournalist Colin Tudge es in einem Artikel zu den Exzessen der Viehzucht und der verfehlten Anwendung der Gentechnik ausdrückte: «Gier zerstört die Schönheit der Geschöpfe.» Die Vermarktung des GloFish hat eine Grenze überschritten – und es stellt sich die Frage, was als nächstes kommt, wie die Geschichte weitergeht. rium» die Veränderung des Fisches gar «genetische Verstümmelung». Vereinzelt hat es auch politische Entscheidungen gegeben, die der ethischen Ob der GloFish Vorreiter einer ganzen Welle von Kommerzialisierungen transgener Tiere ist, wird vermutlich letzten Endes vom wirtschaftlichen Erfolg abhängen. Alan Blake, einer der beiden Texaner, die für die Vermarktung des GloFish verantwortlich sind, erzählte mehrfach Journalisten, dass ein gewaltiges Interesse bestünde und die Nach- Leuchtende Eiweisse aus dem Meer Tausende Tierarten und Mikroben besitzen die die GFPs. Die vielen Möglichkeiten, die dieses Fähigkeit Eiweisse herzustellen, mit deren Gen für die Forschung bietet, wurden in der Hilfe als Signal Licht abgestrahlt werden kann. nicht-wissenschaftlichen Presse von der faszi- Die «blaue Biotechnologie», die sich mit den nierenden Eigenschaft grün zu «leuchten» biotechnischen Möglichkeiten von Wasser- gewissermassen überstrahlt. Merkwürdige lebewesen befasst, hat inzwischen ein ganzes Dinge wie der von selbst leuchtende Christ- Regenbogenspektrum solcher licht- baum, fluoreszierendes Bier und grün strah- abstrahlender, also fluoreszierender Proteine lende Blumen geisterten durch die Zeitungen. bis zur Anwendung entwickelt. Der Klassiker, Das Pressebild von grün leuchtenden Mäusen «Genetische Verstümmelung» das «green fluorescent protein» GFP, stammt in der Hand eines Forschers wurde berühmt Welch zwiespältige Gefühle der Fisch hervorruft zeigt sich im Medienecho in Europa und Amerika. «Die neuen Biotech-Heimtiere verursachen ungute Gefühle», titelte die «Washington Post». Über «Mutanten im Aquarium» berichtete die Berliner Tageszeitung «TAZ» und von «Genetischen Spässen» sprach ihre Konkurrenz «Die Welt». Der amerikanische Fischzüchter Spencer Glass nannte in einem 2004 erschienenen Artikel der Zeitschrift «Freshwater and Marine Aqua- ursprünglich aus der grün fluoreszierenden als ästhetisch-skurriles Fotokunstwerk. Meeresqualle «Aequorea victoria». Die rote Aber: Im Gegensatz zu der von Glühwürmchen Riffkoralle «Discosoma» liefert eine rote und einigen Leuchtfischen gezeigten Biolumi- Variante. Weitere Proteine fluoreszieren in neszenz, bei der durch Umwandlung chemi- Cyan, Gelb, Orange und Smaragdgrün. scher Energie Licht erzeugt wird, entsteht bei Fluoreszenz kein Licht. Das Leuchten von Selbst leuchtende Christbäume «GloFish» und «NightPearl» entsteht erst, wenn Gene, die fluoreszente Proteine herstellen, diese mit speziellen UV- oder Schwarzlicht- gehören zu den wichtigsten Instrumenten der lampen angestrahlt werden. Wer also erwartet, Molekularbiologie. Ende der neunziger Jahre allein mit dem GloFish sein Wohnzimmer in herrschte gewissermassen ein Boom rund um farbiges Licht zu tauchen, wird enttäuscht. Natürlich | 8-2006 11 NATUR Genmanipulation frage enorm sei. «Während der Fisch momentan nur in den Vereinigten Staaten erhältlich ist, haben wir Anfragen aus Dutzenden anderen Staaten bekommen», antwortet die Firma auf Nachfragen, macht aber keine Angaben, aus welchen Staaten und will auch keine genaueren Verkaufszahlen preisgeben. Schlechte Presse für den Wunderfisch In einigen Zeitungen war dagegen zu lesen, dass der Fisch durchaus nicht so gut ankommt wie gewünscht. «Bisher verkaufen sich die neuartigen genetisch veränderten Tiere nur schleppend», liess 12 Natürlich | 8-2006 der in Florida erscheinende «Talahassee Democrat» verlauten. «Sie sehen nicht im Entferntesten wie auf den Werbebildern aus», lässt «The Philadelphia Enquirer» den enttäuschten Besitzer einer Tierhandlung zu Wort kommen, und «wir hatten überhaupt keine Nachfrage», erzählte die Sprecherin einer der grössten Tierhandelsketten der USA der «New York Times». Dem entsprechen die Kommentare einiger Aquaristik-Fachleute. «Mir gefallen sie nicht und ich würde sie mir nicht halten», sagt Bob Krampetz vom Aquarienverein Greater Portland Aquarium Society – und fügt hinzu: «In unserem Verein hält sie keiner.» Rasch erloschene Euphorie «Es hat ein bisschen Furore gemacht – positiv und negativ, als der Fisch neu herauskam, aber das hat sich schnell gelegt. Manchmal sehe ich den Fisch noch im Handel, aber so richtig den Durchbruch hat er nie geschafft», sagt David Boruchowitz, Herausgeber des «Tropical Fish Hobbyist»-Magazins. Im besten Falle spiegelt sich hier wirklich eine informierte Reaktion von Kunden wider. Im schlimmsten Falle bedeuten die niedrigen Verkaufszahlen allerdings nur eines, nämlich, dass auch der gentechnisch veränderte Fisch schon wieder langweilig geworden ist, so wie zuvor die Natur selbst, mit allen Farben Genmanipulation NATUR und Geheimnissen für manche – oder viele? – Menschen langweilig geworden zu sein scheint. «Die Neuheit hatte bald ihren Reiz verloren», sagt Nick Zarlinga, Fischbiologe am Cleveland Metropolitan Zoo. «Viele Leute haben sie gezüchtet und dann rasch das Interesse verloren.» Was kommt als nächstes? «Die Neuheit hatte bald ihren Reiz verloren» bedeutet, dass der GloFish vielleicht einfach durch etwas Neues auf dem Markt abgelöst werden wird – etwas, das noch stärker leuchtet oder eine noch grellere Farbe hat. Vielleicht müssen immer neue, immer groteskere Erscheinungen erschaffen werden? Tatsächlich wird schon jetzt an weiteren transgenen Heimtieren gearbeitet. Auf den Internetseiten der Uni Singapur war von fluoreszenten Goldfischen zu lesen, und von Fischen, die temperaturabhängig die Farbe wechseln sollen. Der Weg, der mit GloFish eingeschlagen wurde, scheint weiterverfolgt zu werden – und nicht nur das. Es werden nicht mehr nur zu Forschungszwecken erzeugte transgene Tiere als genetischer Spass missbraucht, sondern auch Tiere eigens zum Zweck der Unterhaltung transformiert. Die Firma Taikong kündigte golden und mehrfarbig leuchtende Versionen des «Night Pearl»-Fisches an. Haustiere in allen Formen und Farben Doch die Entwicklung beschränkt sich nicht auf Fische. Inzwischen ist auch die Rede von Hunden ohne Haarausfall und Katzen, die beim Menschen keine allergischen Reaktionen auslösen. Wird es irgendwann Haustiere in allen Farben, Formen und Grössen, mit allen erdenklichen Spezialeffekten geben? Werden Firmen etwas für alle Ansprüche liefern und jede skurrile Idee in die Tat und ins Tier umsetzen? Es werden dann Tiere mit irgendwelchen Eigenschaften sein, die für den Menschen interessant oder amüsant sind, die aber mit dem Tier, das die Natur hervorgebracht hat, nichts zu tun haben. Irgendwie wird es zum Amusement der Konsumenten zurechtgeschustert werden, bis das nächste Modell in Mode kommt. ■ Collage: KlappBilderBuch / Parabel-Verlag Tiermonster für den Konsum: Gentechnisch wild zusammengesetzte Haustiere für jeden Geschmack könnten bald Wirklichkeit sein Leidet der Leuchtfisch? Das Gen, das den GloFish zum Leuchten über das komplexe Zusammenspiel von bringt, mache das Tier nicht krank, behauptet Lichtrezeptoren, hormonellen und nervlichen die Firma, die GloFish verkauft. Es störe ihn Signalen? nicht weiter. Der Zebrafisch lebt in flachen Gewässern und Doch vielleicht macht sie sich die Sache sucht seine Nahrung unter der Wasserober- damit so einfach, wie manche Angler, die fläche. Auf Licht reagiert er sensibel, das meinen, Fische empfänden wegen des zeigt sich darin, dass er bei deutlich verstärk- Hakens keinen Schmerz. Doch wer kann das tem Lichteinfall mit der Eiablage beginnt. so genau nachprüfen? Das gilt auch für die Welche anderen Vorgänge beim Zebrafisch Sache mit dem fluoreszierenden Protein. Wer auch noch durch Licht gesteuert werden, ist kann denn schon überzeugend nachweisen, nicht bekannt, ebenso wenig, ob der Einsatz dass ein Tier, das von Natur aus nicht fluores- von UV- und Schwarzlichtlampen sein Wohl- zent ist, nicht darunter leidet, wenn seine befinden beeinträchtigen. Haut auf einmal völlig andere Eigenschaften Das bedeutet: Niemand kann mit Gewissheit der Lichtreflexion aufweist? Was wissen wir sagen, ob der Fisch unter seiner gentechni- schon über die Fotobiologie des Zebrafischs, schen Veränderung leidet oder nicht. Natürlich | 8-2006 13