Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie

Werbung
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
1
Klinik fürund
Psychiatrie
und
Klinik für Psychiatrie
Psychotherapie
Psychotherapie Bethel
Zwangsmaßnahmen - gibt es Alternativen?
Faktoren zur Gewaltreduzierung
„high noon?“
Gewalt und Deeskalation in Sozial- und
Gesundheitseinrichtungen
Wien, 21.10.2016
Dr. med. Regina Ketelsen
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
•
•
•
•
Historischer Rückblick
Zwangsmaßnahmen in heutiger Zeit
Wahrnehmung der Betroffenen
Schlussfolgerungen
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Historischer Rückblick
Regina Ketelsen
4
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Psychiat Prax 2011; 38(7): 348-351
Regina Ketelsen
5
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Zwangsbett
Zwangsstehen
Zwangskorb
Zwangswiege
Zwangshemd
Zwangsschrank
Mundbirne zur Verhinderung des Schreiens
Cox´sche Maschine (hohe Drehbeschleunigungen)
Ekelkuren/Sturzbäder/Tauchbäder/Strahlduschen
Regina Ketelsen
6
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
• Cox’ Schaukel (von engl. Cox’
swing): Ein im 19. Jahrhundert
verwendetes Gerät zur Therapie
von Geisteskranken, bis zu 100
Umdrehungen/Minute
• Darwinscher Stuhl: bei diesem
Gerät ist der Stuhl oder Käfig mit
dem Patienten senkrecht an einer
Kurbelwelle aufgehängt und wird
von einem Helfer durch Kurbeln in
Rotation versetzt.
http://de.wikipedia.org/wiki/Cox%E2%80%99_Schaukel
Regina Ketelsen
7
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Regina Ketelsen
8
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Pinel (1745-1826)
• Reformen der „Irrenanstalten“ – Befreiung der
Geisteskranken von ihren Ketten
• Dennoch: Eiskalte Duschen, Zwangsjacken, Drehstuhlbehandlung, Untertauchen in Wasser, Hungerkuren
http://de.wikipedia.org/wiki/Philippe Pinel
Regina Ketelsen
9
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
• Robert Gardiner Hill (1811-1876) „Non-RestraintPrinzip“: 1830: 39 von 92 Pat. fixiert, 1837: 2 von 120
• John Conolly (1794 -1866) veröffentlichte das Buch
1856 „Treatment of the insane without mechanical
restraints“
− Prinzipien: Geduld, Gerechtigkeit und Güte (Tugenden
für den Psychiater), tgl. ärztl. Visite, soziale
Veranstaltungen mit gemeinsamer Teilnahme von
Männern und Frauen, Beschäftigung (Handwerk,
Landwirtschaft).
http://de.wikipedia.org/wiki/John_Conolly
Rapold, Nadine, Der psychisch Kranke – zum Wandel der Sichtweise psychiatrischer
Erkrankungen. Diplomarbeit. GRIN-Verlag, 2008
Regina Ketelsen
10
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
• Antipsychiatrie: politische und soziale Bewegungen
mit kritischer bis ablehnender Haltung gegenüber der
Psychiatrie ab 1955, u. a. Weglaufhäuser,
therapeutische Wohngemeinschaften
• Loren Mosher (1933-2004) gründete 1971 erste
Soteria in Kalifornien/Luc Ciompi 1984 in Bern
− Personelle Kontinuität
− Wohnliche Einrichtung
− Einfühlsame Psychosenbegleitung in reizarmem
Zimmer
− Milieutherapeutisches Klima möglichst lebensnah
http://de.wikipedia.org/wiki/Soteria
Regina Ketelsen
11
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Zwangsmaßnahmen in heutiger Zeit
Regina Ketelsen
12
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Freiheitsbeschränkende
Maßnahmen/Zwangsmaßnahmen
• Zwangseinweisung
• geschlossene Station/Behandlung gegen den Willen der
Betroffenen
• Isolierung
• Fixierung
• Festhalten
• Zwangsmedikation
• andere (Steckbretter, Fixierung im Stuhl, Netzbett u. a.)
Regina Ketelsen
13
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Profil 3 - 14. Jänner 2008; Umstrittene Netzbetten – Ungerechtfertigtes
Fesseln von Patienten oder Notwendiges Mittel zur Ruhigstellung
Tobender ?
Regina Ketelsen
14
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Inzidenz von Zwangsmaßnahmen bei unfreiwilligen
Behandlungen im europäischem Vergleich
• Anzahl der von Zwangsmaßnahmen betroffenen Fälle [%]
21 – 59 (BRD 43)
• Häufiger bei Diagnose Schizophrenie und BPRS-Score ↑
• Keine signifikante Korrelation von Bettenzahl/100000EW,
MA-Besetzung/Bett und durchschnittliche Bettenzahl/
Zimmer
• Soziokulturelle Faktoren und Behandlungsgewohnheiten
als wahrscheinlichste Ursache für Unterschiede zwischen
den Ländern
Raboch et al. Use of Coercive Measures During Involuntary Hospitalization: Findings From Ten
European Countries. Psychiatric Services 2010; 61:1012-1017
Regina Ketelsen
15
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Fixierung/Isolierung im internationalen Vergleich
• Anteil der von Maßnahmen betroffenen Aufnahmen %
0/2,5 - 35,6
• Durchschnittliche Anzahl der Maßnahmen pro Patient
0/1,4 – 5,6
• durchschnittliche Dauer pro Zwangsmaßnahme in
Stunden
0/9 min. – 294/1182
Steinert et al. Incidence of seclusion and restraint in psychiatric hospitals: a literature review and survey
of international trends. Soc Psychiat Epidmiol (2010) 45:889-897
Regina Ketelsen
16
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Anwendung von Isolierung und Fixierung/Festhalten im internationalen Vergleich
Anzahl der von
ZM betroffenen
Aufnahmen %
Art der ZM
Durchschnittliche Dauer
der ZM (h)
Anzahl
der
ZM/Fall
In US
eingegangene
Aufnahmen
4,5
3,3
1784
Fixierung/
Isolierung/
Netzbett
1. 7,3 Festh.
0,2 Isol.
2. 2,5 Festh.
20 min.
4,17
1516
10 min.
4,05
8600
Festhalten
Isolierung
Festhalten
Finnland
5,0 Fix.
8,3 Isol.
11,1
22,8
1,4
713
Fixierung/
Isolierung
Deutschland
9,1
9,6
4,7
36690
Fixierung/
Isolierung
Island
0
0
0
Keine
Angaben
Österreich
England
35,6
Keine
Steinert et al. Incidence of seclusion and restraint in psychiatric hospitals: a literature review and survey
of international trends. Soc Psychiat Epidmiol (2010) 45:889-897
Regina Ketelsen
17
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Anzahl der von ZM Durchschnittbetroffenen Fälle
liche Dauer
%
der ZM (h)
Anzahl In US
der
eingegangene
ZM/Pat. Aufnahmen
Art der ZM
Japan
4,1 Fix
4,9 Isol.
68,0
98,0
1,6
46628
Fixierung/
Isolierung
Niederlande
11,6 Isol.
1,2 Fix.
294
1182
3,0 Isol.
18800
Fixierung/
Isolierung
Neuseeland
15,6 Isol.
6,5 zus. Festh.
14,0
2,2 Fix.
539
Festhalten/
Isolierung
7,9
3,0
4,7 Fix.
5,6 Isol.
42911
Fixierung/
Isolierung
Norwegen
2,6 Fix.
0,07 Isol.
Spanien
13,5
16,4
1,4
827
Fixierung/
Isolierung
Schweiz
11,8
41,6
1,4
2145
Fixierung/
Isolierung
9 min.
3,2
1108
Festhalten/
Isolierung
Wales
5,7 Festh.
0,03 Isol.
Regina Ketelsen
18
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Regina Ketelsen
19
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
• Japan: Pat. mit Isolierung/Fixierung 2008: 58,6% F2,
Median Dauer Isolierung/Fixierung 204/82 h.
Hypothese bez. langer Dauer: größere Stationen,
schlechtere Besetzung personell, keine ausreichende
Fortbildung zum Umgang mit Pat. mit F2 (Noda et al.
2013)
• Griechenland: N=282; 11% ZM; 9,55% Isolierung,
1,76% Fixierung, durchschnittliche Dauer 64,9 h
(Bilanikis et al. 2009)
• Niederlande: Isolierung durchschnittliche Dauer 58h
mit Reduktion der Dauer nach Investitionen zur
Reduktion der ZM, Gesetzgebung in NL verändert
Vereinfachung der Gabe von Zwangsmedikation
(Steinert et al. 2014)
Regina Ketelsen
20
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Arbeitskreise in der BRD
•„Arbeitskreis Gewalt und Zwang in der Psychiatrie“,
gegründet 1996
• „Arbeitskreis zur Prävention von Gewalt und Zwang
in der Psychiatrie“, gegründet 1997
Regina Ketelsen
21
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Zwangsmaßnahmen im Vergleich an 10 psychiatrischen
Kliniken
• Anzahl der von Zwangsmaßnahmen betroffenen Fälle [%]
2,2 - 13,5
• Anzahl der Zwangsmaßnahmen pro Fall
3,2 - 8,5
• kumulative Dauer der Zwangsmaßnahmen pro Fall [h]
26,2 – 120,9
• durchschnittliche Dauer pro Zwangsmaßnahme [h]
5,6 - 16,8
Langzeitendenz bis 2012: Anteil der von ZM Betroffenen
sank von 8,2 auf 6,2% und Standardabweichung
zwischen den Kliniken nahm um 20% ab.
Martin et al. 2007; Steinert et al. 2015;
Regina Ketelsen
22
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Fixierungen und Isolierungen im Vergleich an 6
psychiatrischen Kliniken
• Anzahl der von Zwangsmaßnahmen betroffenen Fälle [%]
2,3-7,4
• Anzahl der Maßnahmen pro Fall
1-6,6
• Kumulative Dauer der Maßnahmen pro Fall [h]
2-41,9
• Durchschnittliche Dauer pro Fixierung [h]
0,6-8,2
• Dauer der ZM bei Diagnosegruppe F0 und F2 am
längsten, bei Männern signifikant länger als bei Frauen
Ketelsen et al. Zwangsmaßnahmen im Vergleich an sechs psychiatrischen Abteilungen.
Gesundheitswesen 2011; 73: 105-111
Regina Ketelsen
23
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Int J Nurs Stud. 2013 Dec; 50:1599-606
Regina Ketelsen
24
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
• Untersuchung auf 61 chirurgischen, internistischen und
Intensivstationen an 4 somatischen Akutkrankenhäusern
innerhalb von 3 Monaten 3x
• 11,8% freiheitsbeschränkende Maßnahme (Bettgitter,
Fixierung einer Hand/beider Hände, Tischbrett,
Bauchgurt)
• Durchschnittsalter 65±18
• Risikofaktoren: hohes Alter, Magensonde, Blasenkatheter,
Intensivstation
• Keine Angabe zur Rechtsgrundlage
• Bes. ältere Menschen von Maßnahmen betroffen als
vulnerable Pat.-gruppe und häufigeres Vorkommen als an
psychiatrischen Kliniken*
* Steinert & Ketelsen, Fixierungen im somatischen Krankenhaus häufiger als in der Psychiatrie?
Psychiat Prax 2014; 41(01): 52-53
Regina Ketelsen
25
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Interventionen zur Reduktion von
Zwangsmaßnahmen
• Untersuchungen u. a. im Prä-Post-Vergleich
• Randomisiert kontrollierte Untersuchungen
In Untersuchungen z. B. wirksam
• positive Haltung und Empathie bei Mitarbeitenden
• Veränderung des Stationsmilieus und Einbeziehung der
Pat. in die Therapieplanung, Reduktion ZM noch nach 10 J.
• Beraterteam, Reduktion im Verlauf um weitere 27%
• Standardisierte Risikoeinschätzung mit der Brøset Violence
Checklist 3 Tage nach Aufnahme
• Six Core Strategies/Safewards
Papadopoulos et al. 2012; Yang et al. 2014; Borckhardt et al. 2011; Madan et al 2014;
Ketelsen et al. 2011; Abderhalden et al. 2008; Van de Sande et al. 2011; Putkonen et al. 2013;
Bowers et al. 2016
Regina Ketelsen
26
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Regina Ketelsen
27
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Staatliches Krankenhaus in USA
• Einführung verschiedener Interventionen:
− Training zu Traumatisierung von Pat.
− Training zu Auswirkungen von Regeln und
Sprachgebrauch auf Station
− Training zur Einbeziehung von Patienten in die
Therapieplanung
− Veränderung zur Verbesserung des Stationsmilieus
• Erfassung von Fixierung und Isolierung vor und nach
den Veränderungen
• Befragung von Patienten und Personal (Fragebogen
Quality of Care)
Regina Ketelsen
28
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Veränderungen im Stationsumfeld
•
•
•
•
Anstrich mit warmen Farben
Pflanzen und Teppiche
Erneuerung von altem Mobiliar
Veränderte Anordnung von Mobiliar, um
Patientenkontakte besser zu ermöglichen
• Regelmäßige Gruppentreffen von Personal und
Patienten
Regina Ketelsen
29
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Ergebnisse
• Reduktion von Isolierung und Fixierung um 82,3 %
• Signifikante Korrelation mit Veränderung des
Stationsmilieus
• Verbesserungen aus Patientensicht:
− Veränderung des Stationsmilieus
− Einbeziehung der Patienten in die Therapieplanung
Regina Ketelsen
30
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
10 Jahre weitere Untersuchung der ZM, in den ersten
Monaten erneuter Anstieg, dann über 82 Monate auf
niedrigem Niveau stabil bis Juli 2012
Regina Ketelsen
31
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Randomisiert kontrollierte Untersuchungen
• standardisierte Risikoeinschätzung neu aufgenommener
Pat. in den drei ersten Tagen nach der Aufnahme bzw.
während der gesamten Behandlung
• Instrument: Brøset Violence Checklist
• Signifikante Reduktion von aggressiven Vorfällen
• Reduktion bei der Anwendung von Zwangsmaßnahmen
um 27% bzw. signifikante Reduktion der Dauer, aber
nicht in der Inzidenz
Abderhalden et al. Structured risk assessment and violence in acute psychiatric wards: randomised
Controlled trial. 2008; BJP: 193: 44-50
Van de Sande et al. Aggression and seclusion on acute psychiatric wards: effects of short-term risk
assessment . 2011; BJP; 199: 473-478
Regina Ketelsen
32
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Regina Ketelsen
33
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
• 4 besonders gesicherte Stationen mit 88 Betten für
schizophren kranke Männer wurden randomisiert
• Auf den beiden Interventionsstationen wurden alle
Berufsgruppen fortgebildet (six core strategies)
• Im Anschluss 6 Monate kontinuierliche Supervision
• Isolierung/Fixierung/room observation sank von 30 auf
15% auf Interventionsstationen vs. 25 auf 19%
• Dauer der Maßnahmen sank von 110 auf 56 h/
Patiententage vs. Anstieg von133 auf 150h.
• Kein Anstieg von aggressiven Vorfällen
Regina Ketelsen
34
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Reduktion von Konflikten um 15% und von Zwangsmaßnahmen um 26,4%
Regina Ketelsen
35
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
http://www.safewards.net/de/
Regina Ketelsen
36
36
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Weitere Interventionen zur Prävention bzw.
Reduktion von Zwangsmaßnahmen
• Leadership (Leitung erklärt den Verzicht auf ZM als
Ziel/starke Unterstützung durch Leitung)
• Integration von „Peers“ in die Teams
• Einbeziehung der Sichtweise von Patienten, wie ZM
hätte vermieden werden können
• Integration von Recovery-Ansatz
• Kooperative Entscheidungsfindung
• Türöffnung
• Behandlungsvereinbarungen
• Einführung einer verpflichtenden 1:1 Überwachung
• Erhöhte Anforderungen an Dokumentation
Regina Ketelsen
37
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
•
•
•
•
•
•
•
Verkürzung der Überprüfungsintervalle bei ZM
Hospitation in England (physical restraint)
Geeignete Architektur
DGPPN-Leitlinie/klinikinterne Leitlinien
Erhöhte Rate von Mitarbeitenden : Patienten
Verbesserte Behandlungsplanung
Erfassung von Zwangsmaßnahmen und u. a.
Rückmeldung an Stationen
• Nachbesprechung von aggressivem
Verhalten/Zwangsmaßnahmen
• Vermeidung einer Konzentration von Pat. mit erhöhtem
Gewaltrisiko und Überbelegung
Frueh 2005; Abderhalden 2006; Henderson et al. 2004; Gaskin et al. 2007; BJP; Ashcraft & Anthony 2008;
Martin et al. 2007; Lang et al. 2010; Khazaal 2014; Sollberger & Lang 2014; Steinert et al. 2015;
Cibis et al. 2016; Huber et al. 2016; Rohe et al. 2016;
Regina Ketelsen
38
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Zusammenfassung
• Erhebliche Spannbreite bei der Häufigkeit und Dauer von
ZM zwischen Kliniken und Ländern
• Anwendung unterschiedlicher ZM ohne klare Indikationen
• Soziokulturelle und Umgebungsfaktoren und Behandlungsgewohnheiten als wahrscheinlichste Ursache für
Unterschiede
• Haltung und Verhalten von MA spielen eine entscheidende
Rolle bei der Häufigkeit von ZM
• Einführung von verschiedenen Maßnahmen können zu
einer Reduktion von ZM beitragen
Regina Ketelsen
39
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Wahrnehmung der Betroffenen
Bei wahrgenommenem Zwang - Zusammenhang mit
• schlechter therapeutischer Beziehung
• ineffektiver Behandlung, fehlender Partizipation,
mangelndem Respekt
Erleben von Traumatisierung
• 69 % der befragten Pat. mit psychotischer Störung
Frauen>Männer
• 34% formal freiwillig aufgenommener Pat. empfand
Zwang
• Impact of Event Scale (IES-R)
5 % PTBS
• Ohnmachtsgefühl und Niedergeschlagenheit bei ZM
Sheehan & Burns, 2011; Katsakou et al. 2011; Pakasarian et al. 2014; Birk 2012; Fugger et al. 2016
Regina Ketelsen
40
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Regina Ketelsen
41
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Review: qualitative Studien zum Erleben von Pat.
bezüglich aggressiver Situationen:
• Fördernde Faktoren: instabiles psychisches Befinden,
rigides, hierarchisches Klima, Mangel an Respekt/
Engagement /Dialog/Personal, zu wenig Fürsorge,
fehlende sinnvolle Aktivitäten, geschlossene Türen
(Gefühl von Isolation und Angst)
• Präventive Faktoren: einfühlsames, aufmerksames,
fürsorgliches, unterstützendes Personal, reale Dialoge,
Deeskalation von aggressiven Vorfällen, frühzeitiges
Handeln bei Warnzeichen, verlässliche und sinnvolle
Aktivitäten, Stresstoleranzstrategien
Regina Ketelsen
42
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
...All die komplizierten
Strategien brechen
zusammen, und es bleibt nur
noch das Einfache. Eine
ruhige Stimme. Nette Augen.
Klare Anweisungen…
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Schlussfolgerungen
• Inzidenz und Dauer von Zwangsmaßnahmen sind
veränderbar, d. h. es gibt Alternativen!
• Haltung von Leitung und Mitarbeitenden, angemessene
Kommunikation mit partnerschaftlichem Kooperationsstil,
kontinuierliche Beziehung, räumliche und personelle
Bedingungen incl. Deeskalationstraining,
• Patientenorientierte und alltagsnahe Behandlungsplanung
mit konsequenter Einbeziehung des Pat. und Integration
des Recovery-Ansatzes
• Integration von Psychiatrie-Erfahrenen in Teams (Ex-In)
• Alternative und frühzeitige Behandlungsoptionen
außerhalb der stationär psychiatrischen Behandlung
Regina Ketelsen
44
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/038-022k_abgelaufen.pdf
Aktuell Erarbeitung der S3 LL „Vermeidung von Zwang:
Prävention und Therapie aggressiven Verhaltens bei
Erwachsenen“
Regina Ketelsen
45
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Schlussfolgerungen
• Quantitativ und qualitativ ausreichende Personalausstattung
• Geeignete Architektur
• Keine Konzentration von Pat. mit erhöhtem Gewaltpotential
und keine Überbelegung psych. Stationen
• Möglichst offene Stationstüren
• Einbeziehung von Angehörigen bzw. sozialem Umfeld
• Behandlungsvereinbarungen
• Berücksichtigung von geschlechts- und kulturspezifischen
Bedürfnissen
• Öffentlichkeitsarbeit (Reduktion von Stigmatisierung)
• Zusammenarbeit mit dem gemeindepsychiatrischem
Hilfesystem
Regina Ketelsen
46
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
[email protected]
Regina Ketelsen
47
Herunterladen