vkm-rwl = wir informieren!

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Der erfolgreiche Angriff gegen die formell unwirksame Abmahnung – ein
Pyrrhussieg?
Zahlreiche Abmahnungen sind gerade auch im kirchlichen und diakonischen Bereich formell
unwirksam, insbesondere weil der betroffene Arbeitnehmer nicht vor Ausspruch der
Abmahnung von der Dienststellenleitung (im folgenden DL) ordnungsgemäß angehört
worden ist, vgl. § 3 Abs. 5 BAT-KF.
Der Arbeitnehmer kann zur Abmahnung eine Gegendarstellung verfassen und diese von der
DL zur Personalakte nehmen lassen. Er kann aber die DL auch – gegebenenfalls unter
Vorlage seiner Gegendarstellung und sinnvollerweise unter Fristsetzung zur Entfernung aus
der Personalakte auffordern. Ob die Entfernung dann tatsächlich auch - fristgerecht geschehen ist, kann er durch Personalakteneinsicht abklären, denn er hat in sachlich
begründeten Fällen wie dem hier vorliegenden einen Anspruch auf Gewährung von Einsicht
in seine vollständigen Personalakten. Ist die Abmahnung von der DL – hoffentlich dann auch
dauerhaft und nicht nur zeitweise – aus der Personalakte entfernt worden oder wird dem
Arbeitnehmer sein (schlimmstenfalls beim zuständigen Arbeitsgericht eingeklagter)
Abmahnungsentfernungsanspruch rechtskräftig zugesprochen, so ist diese formell
unwirksame Abmahnung aus der Akte rauszunehmen.
Aber was hat der scheinbar letztlich erfolgreiche Arbeitnehmer erreicht? Gegebenenfalls
spricht die DL kurzfristig erneut auf der gleichen Tatsachengrundlage, also unter Behauptung
desselben Arbeitsvertragsverstoßes, eine erneute, dann wohl in der Regel jedenfalls formell
wirksame Abmahnung aus. Denn durch die erste entweder zurückgenommene oder aber
aus der Akte heraus geklagte Abmahnung wurde der betreffende Sachverhalt im Hinblick auf
eine spätere, erneute Abmahnung nicht verbraucht!
Aber selbst wenn es dabei bleibt, dass die erste Abmahnung entweder außergerichtlich oder
aber aufgrund des Obsiegens des Arbeitnehmers im Abmahnungsentfernungsprozess aus
der Personalakte genommen wird, so dürfte dies nach der neueren Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts lediglich ein Pyrrhussieg sein, was zugleich in vielen Fällen bedeuten
wird, dass das an sich offenbar unter gewissen Spannungen weiterlaufende Arbeitsverhältnis
insbesondere durch den geführten Abmahnungsentfernungsprozess zusätzlich belastet und
damit zugleich in seinem künftigen Bestand gefährdet wäre.
Denn nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine verhaltensbedingte
Kündigung in der Regel nur dann sozial gerechtfertigt im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG, wenn
der betreffende Arbeitnehmer vor Ausspruch dieser Kündigung zumindest einmal
(einschlägig) abgemahnt worden ist. Die entscheidende Frage ist dabei, ob es erforderlich
ist, dass diese vorangegangene Abmahnung sowohl formell als auch materiell, also
inhaltlich, rechtswirksam war bzw. ist oder ob es im Zusammenhang mit einer
verhaltensbedingten Kündigung ausreicht, dass überhaupt zuvor abgemahnt worden ist,
auch wenn die Abmahnung formell unwirksam war und aus der Personalakte entfernt wurde
bzw. entfernt werden musste. In einer neueren Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom
19.02.2009 zum Aktenzeichen: 2 AZR 603/07 (veröffentlicht in NZA 2009, 894) weist der für
Kündigungssachen zuständige 2. Senat auf Folgendes hin:
Auch eine wegen Nichtanhörung des Arbeitnehmers formell unwirksame Abmahnung könne
die regelmäßig vor einer verhaltensbedingten Kündigung erforderliche Warnung darstellen.
Es komme für die Erfüllung der Warnfunktion auf die sachliche Berechtigung der Abmahnung
und darauf an, ob der Arbeitnehmer aus ihr den Hinweis entnehmen könne, der Arbeitgeber
erwäge für den Wiederholungsfall die Kündigung. Seien diese Voraussetzungen gegeben,
sei der Arbeitnehmer unabhängig von formellen Unvollkommenheiten der Abmahnung
gewarnt. Auch stehe die kündigungsrechtliche Bedeutung einer Abmahnung im engen
Zusammenhang mit dem Prognoseprinzip und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Aus der
formellen Unwirksamkeit einer Abmahnung könne der Arbeitnehmer nicht entnehmen, der
Arbeitgeber billige das abgemahnte Verhalten. Der Arbeitnehmer bleibe auch dann gewarnt,
wenn die Abmahnung an einem Formfehler leide. Ebenso wenig sei der
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beeinträchtigt, wenn die formell unwirksame Abmahnung ihre
kündigungsrechtliche Wirkung behalte. Der Formfehler ändere nichts daran, dass der
Arbeitgeber eine Pflichtverletzung zunächst nicht mit der Lösung des Arbeitsverhältnisses
beantworte, sondern dieses zu erhalten versuche, indem er dem Arbeitnehmer Rückkehr zur
Vertragstreue anempfehle.
Es bleibt festzuhalten, dass dem Arbeitnehmer für den Fall, dass es nicht zu einer
außergerichtlichen Lösung im Hinblick auf die Abmahnung kommt, zwar häufig anzuraten ist,
auch eine lediglich formell unwirksame Abmahnung gerichtlich anzugreifen, insbesondere
um den Arbeitgeber zu veranlassen, künftig auch die einschlägigen Formalien einzuhalten
und vor allem vor Ausspruch einer Abmahnung den Arbeitnehmer anzuhören und ihm damit
rechtliches Gehör zu gewähren. Muss der Arbeitgeber die Abmahnung dann aufgrund des
rechtskräftigen arbeitsgerichtlichen Urteils aus der Personalakte entfernen, so hat der
betreffende Arbeitnehmer im Hinblick auf eine eventuelle spätere Kündigung bzw. einen
eventuellen späteren Kündigungsschutzprozess aber letztlich nicht viel erreicht, außer das
noch vorhandene letzte Porzellan zerschlagen zu haben. Für und Wider einer
Klageerhebung auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte sollten daher
gemeinsam mit einer Fachfrau/einem Fachmann für Arbeitsrecht genau und in Ruhe
abgewogen werden.
RA Dr. Bernhard Schrameck, Fachanwalt für Arbeitsrecht
Tätigkeitsschwerpunkte:
Arbeitsrecht,
insbesondere
Individual-/Kollektiv- und Mitarbeitervertretungsrecht
Dürener Str. 220-222, 50931 Köln
Tel: 0221 / 940575-0
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