Komplettes Heft Onkologische Welt 5/2011

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E 45120
ISSN 1869-0874
Onkologische
Welt
5/2011
Gesundheitspolitik
Nationaler Krebsplan
Gastro-Onkologie
Zielgerichtete Therapien
bei GI-Tumoren
Supportiv- und
Palliativmedizin
Onkopedia-Leitlinie VTE
bei Tumorpatienten
Pneumo-Onkologie
Neue ASCO-Empfehlungen
zum NSCLC
Uro-Onkologie
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Onkologische Welt 2011; 2: 197–248
November
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Harnblasenkarzinome
Zu diesem Heft
© Schattauer 2011
Die Farbe Grau
Das Deutsche Ärzteblatt hat in seiner Ausgabe vom 16. September 2011 die Diskussion aufgegriffen, was wirklich hinter dem
Begriff der „personalisierten“ oder „individualisierten Medizin“ steckt. Diese Initiative war wichtig, sie greift aber zu kurz, wenn
man dieses Konstrukt nur unter dem
Aspekt der Effizienzsteigerung der Arzneimittelforschung und -therapie sowie deren
Finanzierbarkeit betrachtet.
Grundlagenforschung und translationale Forschung in der Onkologie konnten in
den vergangenen Jahren eine Reihe von Biomarkern identifizieren, die für Diagnostik,
Staging, Prognoseabschätzung und als Ansatzpunkte für individualisierte Therapien
großen klinischen Wert haben. Diese beeindruckenden Erfolge dienen heute als Vorlage, nach denen sich auch die die anderen
medizinischen Fächer richten sollen.
Die Zulassungsbehörden in Europa und
den USA sehen in der breiten Implementierung prognostischer und prädiktiver Marker bei der Neuzulassung von Medikamenten das neue Allheilmittel. Wohin dabei die
Reise gehen soll, kann man beispielsweise
dem von der EMA zur Diskussion ins Internet gestellten Entwurf zu dem Methodenpapier „methodological issues associated
with pharmacogenomic biomarkers in relation to clinical development and patient
selection” entnehmen.
Der durch die Protagonisten der personalisierten Medizin verkündete Innovations- und Alleinvertretungsanspruch als
der „Medizin der Zukunft“ provoziert – zu
Recht! – Widerspruch. Die Medizin war
schon immer bemüht, die Behandlung an
die Situation des Einzelnen im Rahmen der
Möglichkeiten anzupassen. Die neuesten
Entwicklungen in der humangenetischen
Analyse eröffnen über die traditionel-
len Vorgehensweisen hinaus durch die Einbeziehung molekularer Marker ganz neue
Optionen für prädiktive und prognostische Aussagen. Von daher ist die personalisierte Medizin eine Erweiterung der traditionellen Ansätze zum Verständnis und zur
Behandlung von Krankheiten, aber mit einer deutlich größeren Präzision.
Dieses Konstrukt darf jedoch nicht, wie
vielfach gemacht, auf die Entwicklung immer zielgenauerer Biomarker und Pharmakotherapien reduziert werden. Mich beschleicht Unbehagen, wenn auf onkologischen Fachkongressen in extenso die Möglichkeiten einer Dritt- und Viertlinientherapie diskutiert werden, ohne dass auch
nur einmal daran gedacht wird, wie viele
Patienten diese Optionen überhaupt noch
nützen können.
Denn es gibt auch noch eine andere Dimension, die in der Diskussion um eine effizienzoptimierte personalisierte Medizin
verloren zu gehen droht. Rund 80% der onkologischen Erkrankungen enden in einer
palliativen Behandlungssituation, wo die
zielgerichtete Therapie an ihre Grenzen
stößt. Denn nicht alles, was möglich ist,
muss auch sinnvoll sein, d. h. im Interesse
des Patienten.
Die personalisierte Medizin ist zu wichtig, um sie den Pharmakologen und den
Krankenkassen allein zu überlassen. Die
Wahrheit ist hier nicht weiß oder schwarz,
wir wählen nicht zwischen Fortschritt und
Rückschritt. Auch Grau kann bei näherer
Betrachtung eine ganz attraktive Farbe
sein.
Dr. Alexander Kretzschmar
Dr. Alexander Kretzschmar, München
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197
Inhalt
Contents
199
Zu diesem Heft
197
A. Kretzschmar
Die Farbe Grau
Brennpunkt Gesundheitspolitik
201
Nationaler Krebsplan – Grenzen der selbstverwaltung erreicht?
Gastro-Onkologie
203
Kongressnachlese:
13. ESMO Weltkongress Gastrointestinale Tumoren
Die Entwicklung zielgerichteter Therapien im Blick
212
Post-ASCO 2011:
Rektumkarzinom – Capecitabin in der Neoadjuvanz
Supportiv- und Palliativmedizin
213
I. Pabinger et al.
Onkopedia-Leitlinie:
Venöse Thrombembolien bei Tumorpatienten
Onkopedia-Leitlinie in Kooperation mit der
Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung e. V.
und der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin
223
D. Brummer; A.-K. Fladung; B.J. Connemann
Tumorassoziierte Fatigue
226
Supportivtherapie:
Thrombembolin, Thrombose und chronische Obstipation
228
Palliativmedizin:
Fallbericht – verbesserte Alltagskompetenz nach Opioidwechsel
229
Kongressnachlese:
Palliativtag 2011 in Saarbrücken – besserer interdisziplinärer
Erfahrungsaustausch angestrebt
230
Forum Palliativmedizin:
Tumorbedingte Durchbruchschmerzen – dem Patienten
Freiheit und Autonomie wiedergeben
234
ASCO-Empfehlungen zur:
Chempotherapie des fortgeschrittenen
nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms im Stadium IV
235
Kongressnachlese:
14th World Conference on Lung Cancer (WCLC)
Personalisierte Tumortherapie auf dem Vormarsch
Pneumo-Onkologie
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Inhalt
Contents
200
Uro-Onkologie
241
243
244
Kongressnachlese:
Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU)
Harnblasenkarzinome – wann adjuvante Therapie?
Internationale Literatur:
Postatakarzinom – verbesserte Diagnostik mit moderner Bildgebung?
keine ausreichende
Schmerzlinderung
keine ausreichende
Schmerzlinderung
Stufe 1
mäßige Schmerzen
Stufe 2
starke Schmerzen
nicht opiathaltige
Analgetika
schwache Opiate
+
nicht opiathaltige
Analgetika
+ adjuvante
Maßnahmen
+ adjuvante
Maßnahmen
Uro-Onkolgie:
metastasiertes kastrationsresistentes Prostatakarzinom,
radionuklidtherapie bei Knochenmetastasen,
ESMO-Leitlinien zum Harnblasenkarzinom
Stufe 3
sehr starke Schmerzen
starke Opiate
+
nicht opiathaltige
Analgetika
+ adjuvante
Maßnahmen
positives Knochenszintigramm + Schmerzen
= Indikation für Quadramet®
Spektrum Onkologie
247
Kopf-Hals-Tumoren,
tuberöse Sklerose und subependymales Riesenzellastrozytom,
rezidivierendes Platin-sensibles Ovarialkarzinom
Titelbild
Goya y Lucientes 1746–1828, Selbstporträit mit Dr. Arrieta ©visipix.com
Onkologische Welt 5/2011
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Brennpunkt
Gesundheitspolitik
201
Nationaler Krebsplan
Grenzen der Selbstverwaltung
erreicht?
Nationaler Krebsplan –
eine einmalige Chance
Im Juni 2008 veröffentlichte die Bundesregierung gemeinsam mit der Deutschen
Krebsgesellschaft (DKG), der Deutschen Krebshilfe (DKH) und der Arbeitsgemeinschaft
Deutscher Tumorzentren (ADT) den „Nationalen Krebsplan“ mit dem Ziel, dass Krebspatienten in Deutschland zukünftig besser versorgt werden (1).
Da die Neuerkrankungs- und Überlebensraten
immer weiter steigen, soll besonders auf onkologische Problembereiche zum Beispiel bei
Krebsfrüherkennung oder Patientenversorgung
fokussiert werden. Über die Bewertung des bisher Erreichten diskutierten drei Jahre später
Mitglieder der Krebsgesellschaft und zahlreiche Vertreter der Gesundheitspolitik, Kostenträger und Klinik in Berlin.
Der während der Nixon-Administration –
mittels des Dezember 1971 in Kraft getretenen
„National Cancer Act“ – ausgerufene, staatlich
initiierte „Kampf gegen Krebs“ lenkt seither
enorme Finanzmittel in die Erforschung, in die
Früherkennung und viele weitere Schwerpunktbereiche der Onkologie. Weitaus mehr als
die Gesundheitsaktivistin Mary Lasker jemals
hatte bewegen können.
Jahrzehnte später, ab Beginn des 21. Jahrhunderts, entwickelte dann endlich auch die
Europäische Kommission konzertierte Aktivitäten gegen den Krebs. Gründe hierfür gab und
gibt es genug – beispielsweise reicht die
Spannbreite
der
Gesamt-Krebsmortalität/100 000 je nach europäischem Land von 98
bis 182 (Frauen) resp. 151 bis 337 (Männer) (2).
Auch die gerade abgeschlossene Eurocare
4-Studie zeigt dramatische Unterschiede innerhalb von Europa (3). Eines der Ziele, der 2009
schließlich gegründeten, über 100 Partner umfassenden, „European Partnership Action
Against Cancer” (EPAAC) (4), ist die Förderung,
Entwicklung und Koordination von Nationalen
Krebsplänen.
Anders als andere europäische Staaten besaß die Bundesrepublik bis 2008 keinen eigenen „Nationalen Krebsplan“, sondern formulierte diesen erst parallel zu den EU-Aktionen
gegen Krebs. Der „Focus“ sah damals, mit einem Wort des DKG-Präsidenten Prof. Werner
Hohenberger, Erlangen, umschrieben, „in der
Onkologie das Ende der gefühlten zugunsten
der bewiesenen Qualität gekommen“. Zunächst wurde der Schwerpunkt des Nationalen
Krebsplans auf vier Handlungsfelder gelegt:
1. Weiterentwicklung der Krebsfrüherkennung
2. Weiterentwicklung der onkologischen Versorgungsstrukturen und der Qualitätssicherung
3. Sicherstellung einer effizienten onkologischen Behandlung (Schwerpunkt zunächst
auf der onkologischen Arzneimitteltherapie)
4. Stärkung der Patientenorientierung/Patienteninformation.
Für die Zeit ab 2011 soll dann der Handlungsbedarf in weiteren Feldern der Krebsbekämpfung bestimmt werden (insbesondere Primärprävention, Krebsforschung, umwelt-, arbeitsplatz- und verbraucherbezogener Krebsschutz). Je nach Ergebnis dieser Analysen werden zusätzliche Handlungsfelder in den Krebsplan aufgenommen. Gemeinsam mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung
(BMBF), das ebenfalls ein Partner im Nationalen Krebsplan ist, kam man überein, dass die
Krebsforschung, insbesondere die Versorgungsforschung, in der ersten Phase des Krebsplans als Querschnittsthema in allen Handlungsfeldern berücksichtigt werden soll. Ob der
Nationale Krebsplan bislang mehr geschafft
hat als Energie und Engagement vieler Experten zu absorbieren, ob mehr erreicht wurde als
was ohnehin im Rahmen anderer Initiativen
bereits geplant war (zum Beispiel verstärkter
Ausbau von Krebsregistern) und andere Fragen
wurde in einer Podiumsrunde kontrovers diskutiert.
Dr. Antonius Helou (Bundesgesundheitsministerium – BMG)
In vielen Handlungsfeldern sind wir in der
Konzeption gemeinsamer Programme und
Umsetzungs-Empfehlungen schon sehr
weit gekommen. Da aber so viele Beteiligte
auf Bund- und Länderebene mitspielen, und
oftmals auch rechtliche Rahmenbedingungen fehlen – Beispiel beim geplanten, einladungsbasierten
Kolonkarzinom-Screening – hapert es oft noch bei der Umsetzung. Und natürlich nicht zuletzt auch an
der Finanzierung durch die unterschiedlichen Akteure.
Gerd Nettekoven
(Deutsche Krebshilfe e.V.)
Es ist schon dürftig, wenn das BMG als Initiator des Nationalen Krebsplans jetzt die
Verantwortung abschieben möchte. Eigentlich müsste das Ministerium die verantwortungsvolle Rolle des Prozessmanagers übernehmen. Es ist auch oftmals keine Frage des
Geldes: Zum Beispiel, wenn Patienten vermehrt in qualifizierten Zentren nach unserem Dreistufenmodell behandelt werden
sollen. Benötigt ist aber ein deutlich erkennbares politisches Bekenntnis.
Rolf Stuppardt (Bundesverband
der Innungskrankenkassen)
Wir fragen uns, wie die vom BMG angeschobene Prozesssteuerung des ja durchaus
sinnvollen Nationalen Krebsplans überhaupt flächendeckend breite Relevanz bekommen kann. Den Beteiligten fehlt eine
gemeinsame „strategische Intelligenz“, um
diesen Plan überhaupt umzusetzen. Deshalb prognostiziere ich, dass letztlich der
Staat mit Hilfe gesetzlicher Regelungen dies
tun wird.
Dr. Bernd Metzinger
(Krankenhausgesellschaft)
Neue Qualitätsstandards müssen im Krankenhausbereich zu einer Art „freiwilliger
Einsicht“ führen, wenn wegen fehlender
Qualität kein Marktzugang mehr möglich
sein sollte (Qualitätsbewertung zum Beispiel auf Grundlage von §137a SGBV und
der Daten der Krebsregister).
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Brennpunkt
Gesundheitspolitik
202
Dr. Bernhard Rochell (Kassenärztliche Bundesvereinigung)
Prof. Ferdinand Hofstädter
(Arbeitsgemeinschaft Deutscher
Tumorzentren)
Ein Problem auch beim Nationalen Krebsplan wird die Finanzierung sein. Ich glaube,
dass wir deshalb Nachhilfe vom Gesetzgeber bräuchten, damit wir zum Beispiel
Zielvereinbarungen treffen können, für die
dann ein Teil der Gesamtvergütungen aufgewendet werden darf. Hinsichtlich der
Qualität können wir viele Leistungserbringer entsprechend der Onkologievereinbarung, egal wie groß deren Nachbesserungsbedarf ist, bereits jetzt mitnehmen. Es
gibt Mindestmengenregelungen, Qualitätsund Strukturanforderungen etc. Und das ist
zulassungsrelevant – wer diese Kriterien
nicht erfüllt, fliegt raus. Dies zeigt letztlich,
was in der Selbstverwaltung möglich ist.
Dr. Ulrich Weigeldt
(Hausärzteverband)
Letztlich glaube ich, dass die Zielsetzungen
des Nationalen Krebsplanes umsetzbar
sind. Klar ist aber auch, dass hierzu einiges
an Druck notwendig ist, zum Beispiel vom
BMG aus. Die Frage nach Gewinnern und
Verlieren kann leicht etwas zynisch wirken:
Wenn wir es nämlich nicht schaffen, die Ziele des Nationalen Krebsplanes zu realisieren, dann ist letztlich immer der Patient der
Verlierer. Dies verpflichtet uns dazu, im Interesse der Patienten den Plan möglichst
rasch umzusetzen.
Dr. Johannes Bruns (Deutsche
Krebsgesellschaft)
Der Nationale Krebsplan gibt erstmals die
einmalige Chance, ein Konzept zu entwickeln, das nicht maßgeblich von der Gewinner-Verlierer-Diskussion bei den verschiedenen Playern in der Onkologie beeinflusst ist.
Bitte vergessen Sie nicht, der Nationale
Krebsplan ist doch nicht die erste Initiative
zur Optimierung der Onkologie: Vor 20 Jahren
hatten wir noch keine Leitlinien, heute haben
wir so viel neue Evidenz! Wir haben eine
enorme Entwicklung in der Versorgung durch
die Versorgungsstrukturengesehen (Spitzenzentren, onkologische Zentren, Organkrebszentren), die zwar nicht gesetzlich verankert
sind, die aber dennoch einen enormen Einfluss auf die Versorgung haben. Die Patienten
sehen dies, auch die Leistungserbringer, wodurch in Zukunft enormer Druck von außen
erzeugt wird, auch Ziele des Nationalen
Krebsplans umzusetzen (zum Beispiel flächendeckend Krebsregister einzurichten).
Literatur
1. BMG et al. Nationaler Krebsplan. Bonn, Berlin,
2011 http://bit.ly/qjH0tn
2. NN: 1.5 Mortality from Cancer (p 34–35). In:
OECD EU: Health at a Glance – Europe 2010. DOI:
10.1787/health_glance-2010-en;
http://bit.ly/
np96zM
3. Projektbeschreibung Eurocare (EUROpean CAncerREgistry-based study on survival and CARE of
cancer patients), 2011. IstitutoSuperiore di Sanità,
Roma; Fondazione IRCCS – IstitutoNazionale per
la cura e lo studio deiTumori, Milano; http://bit.
ly/r1tP6r
4. European Partnership Action Against Cancer.
http://epaac.eu
Quelle: „Brennpunkt Onkologie – Der Nationale
Krebsplan in Deutschland – Stand und Ausblick – Expertendiskussion“ in Berlin am 6.4.2011. Veranstalter:
Deutsche Krebsgesellschaft (DKG), Bundesgesundheitsministerium (BMG).
Gerd Nettekoven
(Deutsche Krebshilfe e.V.)
Die Chance, so etwas wie den Nationalen
Krebsplan zu initiieren, werden wir nicht
noch mal bekommen. Ich sehe allerdings
überhaupt nicht, dass wir hier schon auf der
Zielgraden wären. Das kann ja auch gar
nicht sein, weil die gesamte Initiative ja längerfristig angelegt ist. Zudem werden in
nächster Zeit auch immer wieder neue Themen kommen (zum Beispiel „Versorgungssektor Ambulante Onkologie“). Deshalb
brauchen wir diese Plattform, um gemeinsam auf allen Ebenen die onkologische Versorgung weiterzuentwickeln. Ich glaube,
dies ist möglich. Nötig ist aber auch, dass
nicht die Krebshilfe oder andere private
Sponsoren, sondern das BMG eine Anschubfinanzierung realisiert, damit eine
notwendige Infrastruktur für die weitere
Entwicklung vorhanden ist.
Rainer H. Bubenzer, Berlin
Onkologische Welt 5/2011
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Kongressnachlese
WCGC 2011
203
13. ESMO Weltkongress Gastrointestinale Tumoren
Die Entwicklung zielgerichteter
Therapien im Blick
Der 13. Weltkongress zu gastrointestinalen Tumoren stand in diesem Jahr unter der
Leitung von Mario Dicato, MD vom Luxembourg Medical Center und Eric Van Cutsem,
MD, PhD, vom Universitätskrankenhaus Gasthuisber, Leuven, Belgien. Der Kongress
thematisiert die Malignitäten aller Teile des Gastrointestinaltrakts sowie Aspekte, die
im Zusammenhang mit der Betreuung von Patienten mit GI-Tumoren stehen, inklusive
Screening, Diagnose und den neuesten Behandlungsoptionen für häufige und seltene
Tumore, betonen Dicato und Van Cutsem in ihrem Geleitwort zum Kongress.
Mehr als 3400 Teilnehmer aus 107 Nationen
trafen sich zu diesem Weltkongress. Ihnen bot
sich die Gelegenheit, sich in einer hohen Zahl
von Sitzungen, geleitet von 64 internationalen
Experten über die gesamte Themenbreite der
GI-Tumoren einen aktuellen Überblick zu verschaffen. Rund 450 Abstracts zum aktuellen
Forschungsstand wurden zur Publikation akzeptiert (Annals of Oncology 2011; 22: Supplement 5).
Aflibercept bei mCRC
Patienten mit einem metastasiertem Kolorektalkarzinom (mCRC) profitieren in der Zweitlinientherapie von Aflibercept in Kombination
mit FOLFIRI. Dieses Ergebnis präsentierte Van
Cutsem erstmals in Barcelona (38). In der multi-nationalen Phase-III-Studie EFC10262-VELOUR erhielten die Patienten nach Versagen einer Oxaliplatin-basierten Therapie zunächst Irinotecan/5-FU (FOLFIRI) und wurden dann randomisiert 1:1 auf Aflibercept (n = 614) oder
Placebo (n = 612), gegliedert nach ±Bevacizumab.
Aflibercept ist ein lösliches Fusionsprotein
der extrazellulären Domäne von VEGFR-1 und
VEGFR-2. Es bindet sich an VEGF-alpha und
-beta sowie PIGF mit hoher Affinität und einer
Halbwertszeit von 17 Tagen. Auf diese Weise
imitiert es die Aktivität von Bevacizumab.
Primärer Endpunkt der VELOUR-Studie war
das Gesamtüberleben (OS). Das Medianes OS
unter Aflibercept betrug 13,50 Monate vs.
12,06 Monate für Placebo (p = 0,0032). Der sekundäre Endpunkt progressionsfreies Überleben (PFS) betrug 6,90 vs. 4,67 Monate (p =
0,00007) zu Gunsten von Aflibercept, das Gesamtansprechen 19,8% vs. 11,1% (p =
0,0001).
HCC-Therapie heute und
Ansätze für die Zukunft
Ziel jeder Therapie des HCC sei es, das Überleben zu verlängern, gab Jordi Bruix, Universität Barcelona, zu Beginn seines Vortrags zu
bedenken. Hierbei gilt es sich zu fragen, ob es
eine Standardbehandlung gibt, ob sich geeignete Patienten identifizieren lassen und ob es
World Congress on Gastrointestinal Cancer
absolute Kontraindikationen gibt. Aufschluss
dazu gibt die klinische Forschung, wobei die
Evidenz großer randomisierter placebo-kontrollierter Studien am größten ist und über kleinere Fallzahlen hin zu Fallkontrollstudien, Kohortenbeschreibungen bis zur persönlichen
Meinung hin geringer wird.
So bietet die Leitlinie des National Comprehensive Cancer Network, NCCN zum HCC einen Therapiealgorithmus an (1). Bruix diskutierte die Einstufung und die Behandlungsstrategie (씰Abb. 1). So ist zum Beispiel eine
chirurgische Resektion die beste Option ohne
Vorliegen einer Zirrhose. Die Mortalität liegt
unter 1–3%. Für BCLC B Patienten ist die Transarterielle Chemoembolisation, TACE, indiziert
bei einem auf die Leber begrenzten HCC ohne
vaskuläre Invasion und extrahepatischer Ausdehnung. Zweitlinienoption ist Sorafenib
(Nexavar®), so Bruix.
Neue Substanzen zur Behandlung
Leberkrebs ist die sechsthäufigste Krebserkrankung weltweit, mahnte Prof. Anrew X. Zhu,
MD, PhD, Harvard Medical School. Die erste
Substanz, die eine Verbesserung im Gesamtüberleben in einer Phase-III-Studie zeigen
konnte, war Sorafenib (SHARP = Sorafenib HCC
Assessment Randomized Protocol) (2), wobei
die Patientenselektion wichtig für ein frühes
wirksames Signal ist, so Zhu. Der Hauptnutzen
manifestierte sich jedoch eher in einer Krankheitsstabilisierung anstelle eines Ansprechens.
Ungelöste Fragen der SHARP-Studie sind:
● Welche Mechanismen liegen der Wirksamkeit von Sorafenib zu Grunde, die den klinischen Vorteil verursachen?
● Können Patienten mit Child B Zirrhose von
Sorafenib profitieren?
● Resistenzmechanismen?
● Bringt Sorafenib einen Vorteil in der adjuvanten Therapie (nach Resektion, TACE
usw)?
● Ist eine verbesserte Ansprechrate noch relevant für ein HCC?
Zu den potenziellen Strategien für Neuentwicklungen der HCC-Therapie zählen für Zhu
● Die Entwicklung weiterer molekularer Zielsubstanzen.
● Die Kombination von Zielsubstanzen mit
Chemotherapieregimen (z.B. Doxorubicin,
Capecitabine, S1, GEMOX, FOLFOX).
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WCGC 2011
204
Abb. 1 BCLC Stadien und Behandlungs-Strategie (nach: AASLD guidelines 2005 & 2010, WGO guidelines 2010, Llovet JM et al. Semin Liver Dis 1999; 19:
329–338, Bruix J, Llovet JM. Lancet 2009; 373: 614–616; Abkürzungen: BCLC = Barcelona Clinic Liver Cancer, PS = Performance Status)
●
Die Kombination von molekularen Zielsubstanzen die unterschiedliche Signalübertragungswege hemmen oder die unterschiedlichen Stellen innerhalb eines Weges der Hepatokarzinogenese blockieren.
Angriffspunkt VEGF(R)
Eine Strategie dem HCC zu begegnen könnte
die Antiangiogenese sein, da das HCC ein vaskulärer Tumor ist. Beim HCC werden erhöhte
Spiegel an vascular endothelial growth factor
(VEGF), beobachtet ebenso eine höhere Dichte
Tab. 1
von Mikrogefäßen und erhöhte VEGFR-Expression. Letztere ist mit einem geringeren Überleben des HCC assoziiert (3). Eine ganze Reihe
von Substanzen können in den VEGFR-Signalweg eingreifen (씰Tab. 1). In einer Phase-IIIStudie (4), deren Daten auf dem diesjährigen
ASCO präsentiert wurden, ergab sich für Sunitinib (Sutent®) (37,5 mg tgl., 529 Patienten) vs.
Sorafenib (400 mg bid, 544 Patienten) ein signifikant längeres Gesamtüberleben von knapp
2 Monaten. Das progressionsfreie Überleben
und die Zeiten bis zur Progression waren nicht
signifikant verschieden (씰Tab. 2).
Auf VEGFR zielende Substanze beim HCC
Substanz/Ziel
VEGFR1
Sorafenib
VEGFR2
VEGFR3
PDGFR-beta
c-KIT
FLT-3
Andere
+
+
+
+
+
RAF
+
+
+
RET
Sunitinib
+
+
Cediranib
+
+
+
+
+
Vatalanib
+
+
+
+
+
Panzopanib
+
+
+
+
Vandetanib
+
Brivanib
+
+
+
+
+
+
ABT-869
+
TSU-68
+
Angriffspunkt EGFR
EGFR
+
FGFR
+
+
Brivanib, in Phase-II-Studien bei fortgeschrittenem HCC an 55 Patienten in der Erstlinie und 41 Patienten in der Zweitlinientherapie ergab ein Gesamtüberleben von etwa 10
Monaten (5, 6).
Linifanib, in Phase II bei 44 Patienten mit
fortgeschrittenem HCC Child-Pugh A und
Child-Pugh B, resultierte ebenfalls in einem Gesamtüberleben von knapp 10 Monaten (7).
Ramucirumab, ein rekombinater monoklonaler humaner Antikörper, der an die extrazelluläre Domäne von VEGFR-2 bindet, erhielten
in einer Phase II-Studie 42 Patienten mit fortgeschrittenem HCC Child A/B. Das Gesamtüberleben betrug 12 Monate (8). Wichtig für die
weitere Entwicklung der VEGF(R) Inhibitoren
nach Sorafenib sei, folgerte Zhu aus den Ergebnissen der Phase II Studien, eine bessere Wirksamkeit, dass sich die Substanzen in ihren Wirkprofilen unterscheiden und nicht überlappen
sowie bessere Sicherheitsprofile aufweisen.
FGFR
Zirka 60–80% der HCCs sind EGFR-positiv.
Beim HCC werden EGF, TGF-alpha und der Heparin Binding Epidermal Growth Factor exprimiert. Eine Deregulation von EGFR-Signalen ist
assoziiert mit Tumorproliferation, erläuterte
Zhu. In Phase-II-Studien konnte das Gesamt-
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Kongressnachlese
WCGC 2011
206
Tab. 2
Sunitinib beim fortgeschrittenen HCC
Dosierung und Stichprobengöße
37,5 mg
2 on / 2 off
(N = 34)
Zhu et al. JCO
2009
Objektives Ansprechen, n (%)
1 (2,9)
Krankheits Kontroll Rate
50 mg
4 on / 2 off
(N = 37)
Faivre et al. Lancet
Oncol 2009
1 (2,7)
37,5 mg
kontinuierlich
(N = 45)
Koeberle D et al.
Oncologist 2010
1 (2,2)
52%
38%
42%
Gesamtüberleben (Monate)
9,8
8,0
9,3
Zeit bis zur Progression (Monate)
4,1
Progressionsfreies Überleben
(Monate)
3,9
Tab. 3
2,8
3,7
2,8
nem HCC an 22 Patienten verlängerte das Gesamtüberleben um 8,4 Monate (9).
HGF/c-Met
Die Rationale für dieses Ziel ist die Dysregulation, die beim HCC auftritt. Wird die Expression
von c-Met eingedämmt, so ist das HCC-Wachstum in HCC-Zellen und im Tumor-Modell gehemmt, erläuterte Zhu. Erste klinische Erfahrungen gibt es zu ARQ197, einem selektiven,
nicht-ATP-kompetetiven Inhibitor für MET Tyrosinkinase und Cabozantinib, einem dualen
MET/VEGFR-Inhibitor (10, 11).
Perspektive Kombinationstherapie
Auf EGFR zielende Substanzen in Phase II Studien beim HCC
Jahr
Anzahl
Patienten
Ansprechrate (%)
Median
Progressionsfreies Überleben (PFS)
(Monate)
Median Gesamtüberleben
(OS)
(Monate)
Erlotinib (1)
2005
38
9
3,2
13,0
Erlotinib (1)
2007
40
0
3,1
6,3
Lapatinib (3)
2009
40
5
2,3
6,2
Lapatinib (4)
2009
26
0
2,3
6,2
Cetuximab (6)
2007
32
0
1,9
12,6
Cetuximab (6)
2007
30
0
1,4
9,6
GEMOX +
Cetuximab (7)
2008
45
0
4,7
9,5
GEMOX = Gemcitabin + Oxaliplatin
1. Philip Pa et al. J Clin Oncol 2005; 2. Thomas MB et al J Clin Oncol 2005; 3. Ramanathan RK et al.
Cancer Chemother Pharmacol 2009; 4. Bekall-Saab T et al. Clin Cancer Res 2009; 5. Gruenwald V et
al. J Clin Oncol 2007; 25(22S): Abstract 4598; 6. Zhu AX et al. Cancer 2007; 7. Asucios A et al Cancer
2008
Wird eine Doxorubicin-Therapie um Sorafenib
ergänzt so konnte dies in einer Phase-II-Studie
die Zeit bis zum Progress signifikant verlängern
(Median 6,4 vs. 2,8 Monate, p = 0,02) ebenso
wie das Gesamtüberleben (Median 13,7 Monate vs. 6,5 Monate, p = 0,006) (12). Eine PhaseII-Studie zu Bevacizumab (Avastin®) mit Erlotinib (Tarceva®) an 40 Patienten ergab für das progressionsfreie Überleben zu Woche 16 eine Rate
von 62,5% und ein medianes Gesamtüberleben
von 15,7 Monaten (13). Wird Everolimus mit Sorafenib kombiniert bei fortgeschrittenem HCC so
lag bei 30 Patienten die Zeit bis zum Progress in
einer Phase-I-Studie bei etwa 3,5 Monaten (14).
Eine weitere Phase-I-Studie (17 Patienten, fortgeschrittenes HCC) kombinierte Sorafenib mit
Bevacizumab (15). Zusätzlich sind weitere Zielsubstanzen/Therapieregimen in der Phase-IIIEntwicklung (씰Kasten 1).
Fazit
überleben mittels EGFR-Zielsubstanzen zwischen 6 und 13 Monaten im Median verlängert
werden (씰Tab. 3).
mTOR
Substanzen und Therapieregimen in Phase III-Entwicklung
●
●
Erstline
Ein Schlüssel in der Wachstumsfaktor-Signalkaskade ist mTOR (mammalian Target of Rapamycin), eine intrazelluläre Serin/Thronin-Kinase. Eine Aktivierung von mTOR fördert Zellwachstum und -proliferation, Angiogenese und
den Metabolismus von Krebszellen durch die
vermehrte Nährstoffaufnahme und -verwertung durch die Krebszelle. Eine Phase-I/II-Studie zu Everolimus (Afinitor®) bei fortgeschritte-
●
●
●
●
●
Sorafenib/Erlotinib
Sorafenib/Doxorubicin
Sunitinib
Brivanib
Linifanib (ABT-869)
●
Zweitline
●
●
●
Brivanib
everolimus
Rimacirumab
●
Sorafenib ist die erste und einzige systemische Wirksubstanz, die zur Behandlung des
HCC anerkannt ist.
Die Angiogenese ist wichtig in der Hepatokarzinogenese und verschiedene antiangiogene Substanzen sind in der Entwicklung.
Erste Evidenzen für eine Antitumoraktivität
konnten gezeigt werden für Sunitinib, Bevacizumab und Linifanib (ABT 869).
Andere neue Substanzen, die zum Ziel haben EGFR, c-MET/HGF, IGF/IGFR, MEK und
mTOR befinden sich in unterschiedlichen
Entwicklungsphasen zur Therapie des fortgeschrittenen HCC.
Wenn man die der Hepatokarzinogenese zu
Grunde liegenden Mechanismen besser ver-
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WCGC 2011
●
●
207
stehen wird, dann sollte sich auch der Einsatz zielgerichteter Substanzen verbessern
lassen.
Die Identifikation von relevanten Surrogatmarkern und die molekulare Klassifikation
von Tumoren sind wichtig, um das Ansprechen vorhersagen zu können.
Ein vernünftiges Studiendesign für Kombinationstherapien verspricht das Ergebnis
für HCC-Patienten zu verbessern.
Gastrointestinale Stromatumoren (GIST)
Neues nach Imatinib
Ein Problem der Therapie mit Imatinib (Glivec®)
ist die Resistenz, erklärte Prof. John R.
Zalcberg, Peter MacCallum Cancer Centre,
Melbourne, Australien: 14% aller GIST-Patienten zeigen eine primäre Resistenz, das heißt eine frühe Tumorprogression innerhalb von 6
Monaten nach Beginn der Imatinib-Therapie.
50% aller GIST-Patienten entwickeln einen Tumorprogress innerhalb von zwei Jahren nach
Beginn einer Imatinib-Therapie, was eine sekundäre Resitenz bedeutet (16, 17).
Die primäre Resistenz tritt häufiger bei den
Genotypen KIT-Exon-9-Mutation, PDGFRAD842V-Mutation und nicht detektierbaren Mutationen (WT KIT/PDGFRA-Genotyp) auf.
Die sekundäre Resistenz ist häufig mit dem
Auftreten neuer Kinasemutationen assoziiert, erklärte Zalcberg. Ursachen für eine GIST-Progession liegen in mangelnder Compliance, Therapiepausen oder -Abbrüchen, patientenspezifischen
pharmakokinetischen Faktoren, die eine subtherapeutische Wirkstoffkonzentration verursachen
und in Mutationen, so Zalcberg (18, 19).
Bei einer sekundären Resistenz sollte die
Progression bestätigt werden, da eine wirkungsvolle Therapie nicht geändert werden
sollte. Wichtig ist es auch, zunächst die Compliance des Patienten zu hinterfragen. Eine Möglichkeit ist eine Dosis-Eskalation von Imatinib.
oder den TKI zu wechseln (Sunitinib oder andere TKIs). Bei Chirurgie/Ablation von lokalisierter
oder fokaler Pankreatikoduodenektomie (PD)
soll mit dem TKI im Anschluss weiterbehandelt
werden.
Das aufblasbare Kolon ist ein 2,4 m hohes begehbares Modell des Menschlichen Kolons, welches unter
anderem die verschiedenen Stadien des Kolorektalkarzinomns modellhaft darstellt. Digestive Cancers
Consultancy und Europacolon haben dieses Modell gemeinsam entwickelt (Foto: P. Henning).
Nilotinib bei GIST
Nilotinib (Tasigna®) ist hochselektiv für KIT und
PDGFR-Rezeptor-Kinase und erreicht 7- bis
10-fach höhere intrazelluläre Konzentrationen
als Imatinib in GIST-Zell-Linien. Für Nilotinib allein oder in Kombination mit Imatinib konnte
eine Aktivität in Patienten mit fortgeschrittenen Imatinib-resistenten GIST gezeigt werden
und ergab einen klinischen Vorteil für intensiv
vorbehandelte GIST-Patienten. In der Drittlinien-Studie ergab sich kein signifikanter Unterschied im Progressionsfreien Überleben und im
Gesamtüberleben für Nilotinib im Vergleich zu
den Kontrollarmen (20). Eine Erstlinientherapie-Studie mit nicht-resezierbaren/metastatischen nicht vorbehandelten GIST-Patienten Nilotinib 400 mg/bid vs. Imatinib 400 mg/d
(ENESTg1) ist vorzeitig abgebrochen worden,
da sich kein Vorteil zu Gunsten von Nilotinib
abzeichnete (21).
Regorafenib
Regorafenib, ein oraler TKI, zeigt eine inhibitorische Aktivität gegen mehrere Kinasen (inkl. KIT,
PDGFR, FGFR, VEGFR2, 3, TIE-2 und B-RAF). Die
Substanz resultiert in mindestens 2 bioaktiven
Metaboliten mit langer Halbwertszeit (etwa 24
Stunden). Ein akademischer investigator-initiated Trial an 34 Patienten mit Regorafenib bei
GIST nach Versagen von Imatinib und Sunitinib
wurde dieses Jahr auf dem ASCO präsentiert und
ergab einen klinischen Vorteil bei 73% der Pa-
tienten (95% CI: 55%-87%) mit einem progressionsfreien Überleben von 10 Monaten (22).
Sorafenib
Sorafenib blockiert die RAF-Kinase, eine kritische Komponente des RAF/MEK/ERK-Signalwegs, der Zellteilung und -proliferation kontrolliert; außerdem die VEGFR-2/PDGFR-betaSignalkaskade und auf diesem Wege die
Tumorangiogenese hemmt. Sorafenib wird in
einer Phase-II-Studie an metatsasierten GISTPatienten untersucht, bei denen es unter Imatinib und Sunitinib zu Therapieversagen kam.
Dasatinib
Strukturell verwandt mit Imatinib ist das Dasatinib (Sprycel®). Es ist aktiv gegen c-KIT, ABL,
SRC und PDGFR. Es verfügt über eine höhere
Affinität zu c-KIT als Imatinib. In vitro ist Dasatinib aktiv gegen Loop-Mutationen wie D816V,
D816Y und gegen PDGFR 842V. Die FDA hat
Dasatinib freigegeben für die Imatinib-resistente CML im Juni 2006.
Valatanib
Der oraler TKI Valatanib (VEGFR 1–3, PDGFRalpha und -beta, KIT) ergab für Imatinib-resistente GIST in Phase II (26 Patienten) einen klinischen Benefit von 67% bei einer progressionsfreien Zeit von im Median 8,5 Monaten, erklärte Zalcberg.
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208
Tab. 4
WHO-Kategorien der Neuroendokrinen Neoplasien (nach: [23])
Kategorie
Verhalten
Funktionelle Aktivität Charakteristik
Neuroendokriner Tumor, NET G1 (WHO 1)
benigne - geringgradig maligne*
variabel
Neuroendokriner Tumor, NET G2 (WHO 2)
benigne - geringgradig maligne*
variabel
Neuroendokrines Karzinom, NEC** (WHO 3)
(klein- oder großzelliger Typ)
hochgradig maligne
fehlend/variabel
Tumorzellen zeigen einen neuroendokrinen Phänotyp
Gemische adeno-neuroendokrine Karzinome,
MANEC
Ausgeglichene Menge an neuroendokrinen und exokrinen Tumorzellen
Hyperplastische & präneoplastische Läsionen
Tumor-ähnliche Läsionen
*abhängig vom Stadium; **G3 per definitionem
Genotyporientierter Einsatz von
Sunitinib optimiert GIST-Therapie
„Bei Progress unter Imatinib oder Imatinib-Unverträglichkeit ist Sunitinib die einzige zugelassene und etablierte Therapieoption bei GIST“,
betonte Dr. Marcus Schlemmer, Klinikum der
Universität München-Großhadern, auf einer
Presseveranstaltung von Pfizer Oncology. Bei
der Behandlung mit Sunitinib empfahl Schlemmer ein gezieltes Vorgehen auf der Basis der
Mutationsanalyse: „Ist die Art der primären
und sekundären Exon-Mutationen bekannt,
kann sehr spezifisch behandelt werden. Ein
Therapieansprechen ist dann wahrscheinlich –
ein enormer Fortschritt in der GIST-Therapie.“
Am häufigsten mit rund 60% ist die
Exon-11-Mutation des KIT-Rezeptors, gefolgt
von der Exon-9-Mutation (ca. 10%), während
andere KIT-Mutationen wie die der Exons 13
oder 17 selten vorkommen (34, 35). Bei etwa
19% liegt ein Wildtyp-KIT ohne nachweisbare
Mutation vor.
Viele Patienten, die unter Imatinib progredient werden, haben eine zusätzliche ExonMutation erworben. Es ließ sich aber zeigen,
betonte Schlemmer, dass Patienten mit allen
wesentlichen Primärmutationen von einer
Zweitlinientherapie mit Sunitinib einen klinischen Nutzen haben (36).
Laut Schlemmer erhalten Patienten mit
Exon-9-Mutation
als
Erstlinie-Therapie
Imatinib in doppelter Standarddosierung
(800 mg). Für alle anderen Mutationen gilt: Bei
GIST-Patienten mit einer Progression unter
400 mg Imatinib sollte die Dosis auf 2 x
400 mg/Tag erhöht werden. Es sollte erwogen
werden Patienten mit gutem Performance
score frühzeitig mit Sunitinib zu behandeln, da
gerade diese Patienten besonders von Sunitinib
profitieren (37).„Zudem weist Sunitinib im Vergleich zu 800 mg Imatinib ein akzeptables Toxizitätsprofil auf“, wie Schlemmer anführte.
Neuroendokrine
Neoplasien
Klassifikation der
Neuroendokrinen Neoplasien
Zwar sind die Neuroendokrinen Neoplasien
selten, jedoch steiget ihre Inzidenz, so Guido
Rindi, Universita Cattolica del Sacro Cuore Policlinico A. Gemelli, Rom, Italien. Die Klassifikation der Neoplasien reflektiert das Wissen um
die Tumorbiologie in verschiedene Entitäten
und um die Lage des Tumors (씰Tab. 4)
Die WHO 2010 Klassifikation führte ein Grading nach Anzahl der Mitosen im HPF von
2 mm2 (High Power Field = Gesichtsfeld gößter
Auflösung ) und ein TNM-Staging ein (23). Die
Therapie hängt grundsätzlich vom Typ der Neoplasie und der Klassifizierung ab.
Everolimus bei pNET
Abb. 2 Das progressionsfreies Überleben unter Everolimus ist unabhängig von den CgA-Ausgangswerten und im Vergleich zu Placebo mindestens doppelt so lang (nach: [28]).
Etwa 65% der pankreatischen neuroendokrinen Tumoren (pNET) werden erst in einem fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert (24), darauf verwies Frau Prof. Marianne Pavel,
Charité Berlin. Die meisten pNET sezernieren
Chromogranin A (CgA), einen Biomarker für allgemeine Tumorlast. Falls das CgA nicht erhöht
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209
ist, so ist die Neuron-spezifische Enolase (NSE)
ein nützlicher Biomarker (25).
In der RADIANT-3-Studie konnte für den
oralen mTOR-Inhibitor Everolimus ein statistisch und klinisch signifikant verbessertes progressionsfreies Überleben (PFS) von 6,4 Monaten gezeigt werden: Das mediane PFS betrug
11,0 Monate unter Everolimus vs. 4,6 Monate
unter Placebo (Hazard ratio: 0,35; 95% CI,
0,27-0,45; p<0,001) (26).
Everolimus bewirkt eine schnelle und anhaltende Abnahme des CgA- und NSE-Gehalts
(27), die signifikant größer sind als unter Placebo: Bereits nach dem ersten Zyklus von Everolimus 10 mg reduziert sich das CgA (Ausgangswert = 1) signifikant auf 0,57-fach (95% CI,
0,45-0,73; p<0,0001). Auch das NSE reduzierte
sich unter Everolimus 10 mg (0,50 nach dem 1.
Zyklus, 95% CI, 0,32-0,80, p<0,0001) (28, 29).
Die Grundwerte von Cga und NSE liefern eine
Prognose für das progressionsfreie Überleben.
Der Vorteil von Everolimus konnte für Patienten mit und ohne erhöhte Ausgangswerte
für CgA und NSE gezeigt werden (26, 28). Everolimus verbessert signifikant das progressionsfreie Überleben bei Patienten mit progressiven,
fortgeschrittenen pNET, unabhängig davon, ob
die Biomarker CgA (씰Abb. 2) und NSE anfangs
erhöht sind oder nicht, so das Ergebnis der von
Pavel in Barcelona vorgestellten Studie (28).
Die FDA hat im Mai 2011 Everolimus zur Behandlung von progressivem, nicht resektierbarem, lokal fortgeschrittenem oder metastatiertem pNet freigegeben, so die Expertin.
Sunitinib bei pNET
Sunitinib (Sutent®) ist in der Erstlinientherapie
des metastasierten Nierenzellkarzinoms
(mRCC) etabliert (30). Ebenfalls verankert ist
der orale Multikinaseinhibitor in der Behandlung von gastrointestinalen Stromatumoren
(GIST), nachdem eine Therapie mit Imatinib versagt hat oder von den Patienten nicht vertragen wurde (31). „In der GIST-Therapie kommt
es darauf an, Sunitinib gezielt auf der Basis einer Mutationsanalyse einzusetzen“, sagte Dr.
Marcus Schlemmer auf einer Presseveranstaltung von Pfizer Oncology. Wenn die Erstlinien-Therapie mit Imatinib versagt hat, biete
sich bei GIST-Patienten mit Mutation des Exons
11 im KIT-Rezeptor eine Umstellung auf Sunitinib an, erläuterte der Oberarzt am Klinikum
Großhadern der Universität München. Außer in
Abb. 3
Das progressionsfreies Überleben unter
Sunitinib bei pNET ist
im Vergleich zu Placebo mehr als verdoppelt. (Nach: [32])
den etablierten Indikationen mRCC und GIST
„kristallisiert sich Sunitinib auch in der Behandlung gut differenzierter fortgeschrittener
pankreatischer neuroendokriner Tumoren
(pNET) mit Krankheitsprogression bei Erwachsenen als wichtige Therapieoption heraus“, ergänzte Dr. Ulrich-Frank Pape, Oberarzt am Virchow-Klinikum der Charité. Die Erfahrungen
mit Sunitinib in der Erstlinien-Therapie von
pNET sind noch begrenzt.
Jedoch spräche die in der Phase-III-Zulassungsstudie im Vergleich zu Placebo gezeigte
Verlängerung des progressionsfreien Überlebens (PFS) (씰Abb. 3) sowie die ebenfalls erhobenen Daten zur Lebensqualität für den Einsatz des Medikaments in der komplexen pNETTherapie, berichtete der Experte (32). Sunitinib
hat im November 2010 in Europa und im Mai
2011 in den USA eine Zulassung in dieser Indikation erhalten.
„Seit der Zulassung zur Behandlung progredienter, kurativ nicht resezierbarer, gut differenzierter (G1/2) pNET steht uns in dieser komplexen Indikation seit langem wieder eine neue
Therapieoption zur Verfügung“, sagte Pape. Sunitinib, das mit Somatostatinanaloga zur
Symptomkontrolle der unkontrollierten Hormonsekretion gut kombiniert werden könne,
blockiere multiple Tyrosinkinasen, zu denen die
VEGF-Rezeptoren, die PDGF-Rezeptoren alpha
und beta, KIT, FLT-3, FGF-Rezeptor-1 und RET
gehören (씰Tab. 1). „Daher hemmt Sunitinib
das pNET-Wachstum nicht nur durch direkte
Antitumoreffekte, sondern zusätzlich über antiangiogenetische Mechanismen“, wie Pape erklärte. Die Erfahrungen mit Sunitinib in der
Erstlinien-Behandlung von pNET sind derzeit
allerdings noch begrenzt.
Sunitinib verlängert PFS bei pNETPatienten um mehr als das Doppelte
In der randomisierten Phase-III-Zulassungsstudie SUN 11114 wurden Patienten mit gut differenzierten G1-oder G2-Tumoren, die für eine
kurative Operation nicht in Frage kamen und
vor Studienbeginn eine progrediente Erkrankung hatten, bis zur Progression mit täglich
37,5 mg Sunitinib oder Placebo behandelt. Eine
Zwischenanalyse ergab eine PFS-Verlängerung
auf median 11,4 vs. 5,5 Monate (HR = 0,42,
p<0,001), die durch eine zentrale Auswertung
bestätigt wurde (12,6 vs. 5,8 Monate, HR =
0,315, p<0,0001). Das Mortalitätsrisiko war in
der Sunitinib-Gruppe vermindert (HR = 0,41, p
= 0,02). Ein Update im weiteren Verlauf ergab
kein signifikant verbessertes Gesamtüberleben
unter Sunitinib im Vergleich zu Placebo (30,5
vs. 24,4 Monate, HR = 0,737, p = 0,1926) (33).
Pape führte die numerische, aber nicht-signifikante Verbesserung des Gesamtüberlebens
(OS) in der aktuellen Auswertung auf den
Cross-over-Effekt bei Patienten der PlaceboGruppe zurück, deren Behandlung auf Grund
von Progression bzw. nach dem vorzeitigen
Studienabbruch (auf Empfehlung des Data Monitoring Committee nach Interimsanalyse) auf
Sunitinib umgestellt worden war.
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212
Fortgeschrittenes Rektumkarzinom
Capecitabin als „Strahlensensitizer“
in der Neoadjuvanz
Neben 5-FU dürfte sich Capecitabin (Xeloda®) als weiterer Standard bei der neoadjuvanten sowie der adjuvanten Behandlung des fortgeschrittenen Rektumkarzinoms
etablieren. Diese Ansicht vertrat Prof. Ralf-Dieter Hofheinz, Mannheim, bei einem
Pressegespräch. Seine Einschätzung basiert auf den Daten einer Phase III-Studie, die
auf dem ASCO 2011 vorgestellt wurde. Dabei zeigte sich nach seinen Worten kein signifikanter Unterschied beim Gesamtüberleben (OS), jedoch mit einem deutlichen
Trend zur Überlegenheit des Capecitabin-basierten Regimes.
In der Studie wurden 401 Patienten mit lokal
fortgeschrittenem Rektumkarzinom adjuvant
oder neoadjuvant mit einer Capecitabin- oder
5-FU-basierten Radiochemotherapie behandelt. Die Daten der randomisierten, stratifizierten und auf den Nachweis der Nicht-Unterlegenheit ausgelegten Studie umfassen einen Beobachtungszeitraum von fünf Jahren. Primärer
Endpunkt war das Gesamtüberleben, als sekundäre Endpunkte waren das krankheitsfreie
Überleben sowie das Sicherheitsprofil definiert.
Neben der Nicht-Unterlegenheit beim OS
gab es signifikante Vorteile der oralen Chemotherapie beim krankheitsfreien Überleben nach
drei Jahren, ferner traten statistisch signifikant
weniger Fernmetastasen auf. „Außerdem erzielte Capecitabin bei weiteren klinischen Parametern wie etwa der Lymphknoten-Negativi-
tät, dem T-Downstaging und der Rate pathologisch-kompletter Remissionen tendenziell bessere Ergebnisse als 5-FU“, so der Onkologe. Für
ihn gilt damit als belegt, dass Capecitabin der
herkömmlichen Behandlung mit 5-FU nicht unterlegen ist und darüber hinaus sogar Vorteile
für den Patienten besitzt. Der Wirkstoff scheint
nach Hofheinz unter anderem die Empfindlichkeit gegenüber einer Radiotherapie zu steigern: „Wir können ihn praktisch als Strahlensensitizer nutzen“.
Pluspunkt auch beim
Sicherheitsprofil
Für Capecitabin spricht auch das günstige Sicherheitsprofil, wobei bei den Nebenwirkun-
Sport gegen Krebs – nicht teuer und sehr wirksam
Groß angelegte Studien haben gezeigt, dass Sport nicht nur vorbeugend wirkt, sondern
auch die Prognose der Krebserkrankung verbessert. Weitere wissenschaftliche Studien
des Klinikum rechts der Isar und des Rotkreuzklinikum München werden geplant.
Insbesondere angelsächsische Studien, zeigen, dass Krebspatienten, die nach der Erkrankung körperlich aktiv sind, eine deutlich
bessere Prognose haben (KolonCa: Verbesserung von 14-47%; MammaCa: bis zu 40%).
Sport und körperliche Aktivität sind eine effektive Therapie, in aller Regel gut verträglich
und im Grunde umsonst.
Die Daten entstammen großen epidemiologischen Studien mit 40 000-120 000 Teilnehmern. Es fehlen aber prospektiv randomisierte Studien, um den Zusammenhang zwi-
schen körperlicher Aktivität, Sport und Prognoseverbesserung bei Tumorleiden zu erhärten.
Das Klinikum rechts Isar und das Rotkreuzklinikum München bereiten jetzt dazu Studien vor.
● Eine randomisierte prospektive Multicenterstudie zur Intervention von körperlichem Training bei Patienten mit Darmkrebserkrankung
● Interventionsstudie zu Sport und Ernährung
bei Patientinnen mit MammaCa oder genetischer Veranlagung
gen vor allem das Hand-Fuß-Syndrom (HFS) im
Vordergrund stand. Das Auftreten der Hautreaktionen ist andererseits mit einem deutlich
besseren 3-Jahres-krankheitsfreien Überleben
und einem besseren 5-Jahres-Gesamtüberleben assoziiert. So ist die 5-Jahres-Überlebensrate mit 91,4% besonders hoch bei Patienten, die unter Capecitabin ein HFS entwickeln. Bei Patienten, die keine Hautreaktion
zeigen, liegt sie dagegen bei 68% vs. 66,6%
unter 5-FU.
Wichtig aber ist nach Hofheinz, dass die Patienten bei Beginn der Therapie über die Möglichkeit einer solchen Nebenwirkung aufgeklärt werden und auch darüber, dass sie in einem solchen Fall direkt vorstellig werden sollten. Denn die Behandlungsintensität muss
dann etwas zurückgenommen werden, damit
das HFS abklingen kann. Zu Einbußen bei den
Therapieerfolgschancen kommt es Studien zufolge dadurch nicht.
Christine Vetter, Köln
Literatur
1. Hofheinz A et al. Capecitabine (Cape) versus
5-fluorouracil (5-FU)-based (neo)adjuvant chemoradiotherapy (CRT) for locally advanced rectal
cancer (LARC): Long-term results of a randomized,
phase III trial. ASCO 2011, J Clin Oncol 29: 2011
(suppl; abstr 3504).
Quelle: Pressegespräch „Hohe Wirksamkeit bei mehr
Lebensqualität: Xeloda® in der Therapie des metastasierten Mammakarzinoms und gastrointestinaler Tumore“ am 6. Juli 2011, Frankfurt/Main. Veranstalter:
Roche Pharma AG.
●
Randomisierte Interventionsstudie zur Implementierung einer Trainingstherapie für
Prostata- und MammaCa-Patienten und
Etablierung von Krebssportgruppen in
München mit landesweiter Ausdehnung
Prof. Martin Halle, Direktor der Sportmedizin
am Klinikum rechts der Isar, und Prof. Michael Schoenberg, Chefarzt der Chirurgie am
Rotkreuzklinikum München, sind sich einig:
„Unser Ziel ist es, die Patienten aus dem „Bermudadreieck“ Fernseher, Couch und Depression herauszulocken und ihnen durch Bewegungsprogramme die Möglichkeit zu geben,
aktiv gegen ihre schwere Erkrankung zu
kämpfen.“
red.
Quelle: Pressemitteilung Klinikum rechts der Isar der
Technischen Universität München
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Onkopedia-Leitlinie
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Venöse Thrombembolien
bei Tumorpatienten
-Leitlinie* in Kooperation mit der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung e. V. und
der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin
I. Pabinger1; B. Alt-Epping2; F. Demarmels Biasutti3; F. Langer4; B. Wörmann5; H. Riess6
1Klinische Abteilung
für Hämatologie und Hämostaseologie, Universitätsklinik für Innere Medizin I, Medizinische
Universität Wien; 2Abteilung Palliativmedizin, Universitätsmedizin Göttingen; 3Universitätsklinik für Hämatologie und
Hämatologisches Zentrallabor, Inselspital, Bern; 4II. Medizinische Klinik und Poliklinik, Onkologie, Hämatologie und
KMT mit der Sektion Pneumologie, Universitätsklinikum Eppendorf, Hubertus-Wald-Tumorzentrum, Universitäres
Cancer Center Hamburg; 5Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie, Berlin; 6Medizinische Klinik und
Poliklinik mit Hämatologie/Onkologie, Campus Virchow Klinikum, Charité Universitätsmedizin Berlin
Keywords
Schlüsselwörter
Cancer, tumour, venous thrombosis, pulmonary embolism, venous thromboembolism
Krebserkrankung, Tumor, Venenthrombose,
Pulmonalembolie, Venöse Thromboembolie
Summary
Zusammenfassung
Venous thrombembolism (VTE) is one of the
most frequent complication in cancer patients. The current options in prophylaxis and
therapy have to be balanced against the risks
of major bleeding and the burden for the patients. The Gesellschaft für Thrombose- und
Hämostaseforschung, the Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin and the German
speaking Societies of Hematology and Oncology have recently published guidelines on VTE
in cancer patients. Recommendations include
diagnostics, individual prophylaxis and treatment.
Venöse Thrombembolien (VTE) gehören zu
den häufigen Komplikationen bei Tumorpatienten und sind ein prognostisch ungünstiges
Zeichen. Die aktuellen und effizienten Möglichkeiten der medikamentösen Prophylaxe
und Therapie sind abzuwägen gegen das Blutungsrisiko und die Belastungen für den Patienten. Gemeinsam mit der Gesellschaft für
Thrombose- und Hämostaseforschung und
der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin haben die deutschsprachigen Fachgesellschaften der Hämatologie und Onkologie
kurzgefasste Leitlinien erarbeitet. Schwerpunkte sind die rationelle Diagnostik, Indikationen zur Prophylaxe in Abhängigkeit von
den individuellen Risikofaktoren und die Differenzialtherapie.
Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. med. Ingrid Pabinger
Medizinische Universität Wien, Universitätsklinik für Innere Medizin I, Klinische Abteilung für Hämatologie
und Hämostaseologie
Währinger Gürtel 18–30, 1090 Wien
Tel. +43/1/404 00 44 48
E-Mail: [email protected]
Venous thrombembolism in tumour patients
Onkologische Welt 2011; 2: 213–222
Nachdruck aus:
Hämostaseologie 2011; 31: 281–290
doi:10.5482/ha-1147
Definition und Basisinformationen
Venöse Thrombembolien (VTE) gehören
zu den häufigen Komplikationen bei
Tumorpatienten.
Der Begriff VTE umfasst akute Venenthrombosen einschl. der Katheter-induzierten
Thrombosen und Lungenembolien.
Die Inzidenz klinisch diagnostizierter Ereignisse liegt bei Tumorpatienten insgesamt
vier- bis siebenfach höher als bei Nicht-Tumorpatienten. Das individuelle Risiko ist abhängig von Art und Stadium der Grundkrankheit, Art und Intensität der kausalen
Therapie, der supportiven Therapie, von
prädisponierenden Faktoren und Komorbidität (6, 7, 14) (씰Tab. 1). Venöse Thrombembolien sind bei Tumorpatienten ein prognostisch ungünstiges Zeichen. Bei Personen ohne erkennbare Risikofaktoren können sie das
erste Symptom einer bisher nicht diagnostizierten, malignen Grundkrankheit sein.
Verschiedene Organisationen haben in
den vergangenen fünf Jahren Empfehlungen zur Prophylaxe und Therapie von VTE
allgemein (ACCP, S2– und S3-Leitlinie)
und speziell bei Tumorpatienten publiziert
(14, 15, 23).
Risikofaktoren
* Onkopedia ist ein Kooperationsprojekt von DGHO Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie,
OeGHO Österreichische Gesellschaft und SGH+SSH.
Zahlreiche, allgemeine und tumorassoziierte Faktoren sind mit einem erhöhten RiOnkologische Welt 5/2011
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213
214
I. Pabinger et al.: VTE bei Tumorpatienten
siko für das Auftreten venöser Thrombembolien assoziiert (1, 2, 10). Wichtige Parameter bei Tumorpatienten sind in 씰Tabelle 1 zusammengefasst.
Prädisposition und
Komorbidität
●
●
●
Tumor
●
●
●
Tumortherapie
●
●
●
●
●
●
supportive
Therapie
●
●
●
Laborparameter
●
●
●
●
●
●
●
Die diesbezüglichen Studien sind methodisch sehr unterschiedlich in Bezug auf
Patientenpopulation, Datenerhebung, Art
der Auswertung und Nachbeobachtungs-
hereditäre Thrombophilie
VTE in der Vorgeschichte
internistische Komorbidität
(z. B. Adipositas, Herzinsuffizienz, COPD)
Tab. 1
Risikofaktoren für
venöse Thrombembolien bei Tumorpatienten
Tumorart: relativ höchstes Risiko bei
Primärtumoren von Pankreas, Magen, Niere,
Gehirn, Lunge, Ovar, Lymphom
Tumorstadium: fortgeschrittenes Stadium
(Metastasierung)
Zeit nach Tumordiagnosestellung: höheres
Risiko innerhalb von 6–12 Monaten nach
Diagnosestellung
Operation
Bestrahlung
Chemotherapie
antihormonelle Therapie
immunmodulatorische Therapie
antiangiogenetische Therapie
Transfusionen
Erythropoese stimulierende Substanzen (ESA)
zentraler Venenzugang (ZVK, Port)
Leukozytose > 11 000/μl
Thrombozytose > 350 000/μl
C-reaktives Protein erhöht
D-Dimere erhöht
Prothrombin-Spaltprodukte erhöht
Faktor VIII erhöht
lösliches P-Selektin erhöht
VTE: venöse Thrombembolie;
COPD: chronische obstruktive Lungenerkrankung
VTE
Symptome
Venenthrombose
●
●
●
●
●
●
Lungenembolie
●
●
●
●
●
●
●
Tab. 2
Schmerzen, oft belastungsabhängig
verstärkte oberflächliche Venenzeichnung
bläulich livide Verfärbung
Schwellung von Knöchel, Unterschenkel und/oder des
gesamten Beins
Druckschmerz im Bereich des Verlaufs der tiefen Venen
Phlegmasia caerulea dolens bei rasch progredienter
Thrombosierung aller Venen mit Ödem und sekundärer
Beeinträchtigung der arteriellen Blutversorgung
Dyspnoe, Tachypnoe, oft belastungsabhängig
akute einseitige Thoraxschmerzen, oft atemabhängig
Husten
Hämoptysen
Tachykardie, Herzrhythmusstörungen
Zyanose
Stauung der Halsvenen
Symptome bei
Venenthrombose der
unteren Extremitäten
und bei Lungenembolie
zeit. Viele der Parameter sind voneinander
nicht unabhängig. Als Eingangskriterien
für die randomisierten klinischen Studien
zur Prophylaxe venöser Thrombembolien
wurde bisher vor allem Parameter wie Diagnose, Alter, Hospitalisation oder Art der
Therapie gewählt.
Klinisches Bild
Venenthrombosen
Die häufigste Lokalisation venöser
Thrombembolien sind Venenthrombosen
der unteren Extremitäten und der Beckenvenen. Die klinischen Symptome (씰Tab. 2)
können unspezifisch oder nur gering ausgeprägt sein.
Thrombosen der oberen Extremitäten
machen nur 1–4% der Venenthrombosen
aus. Sie sind in mehr als zwei Drittel der
Fälle sekundär bedingt, z. B. durch tumorbedingte Stenose oder durch zentrale Venenkatheter. Die klinische Symptomatik
bei Thrombosen der Arm- und Schultervenen ist bestimmt von Schmerzen, verstärkter oberflächlicher Venenzeichnung,
Verfärbung und Schwellung der betroffenen Extremität. Aufgrund lokaler Gewebeveränderungen können Thrombosen bei
Tumorpatienten in fast allen anderen Körperregionen entstehen. Weitere Prädilektionsstellen sind
● Vena cava inferior und superior,
● Vena subclavia und
● Pfortader (besonders bei Tumoren des
Gastrointestinaltraktes und bei myeloproliferativen Erkrankungen) sowie
● Nierenvenenthrombosen
(besonders
bei Nierenzellkarzinom).
Lungenembolie
Alle Thromboselokalisationen können zu
Lungenembolien führen mit Ausnahme
der Milzvenen- und Pfortaderthrombose.
Die überwiegende Anzahl von Lungenembolien ist asymptomatisch. Bei Tumorpatienten werden sie oft im Rahmen von
Stadienbeurteilungen und Kontrolluntersuchungen aufgedeckt. Zeichen der symptomatischen Lungenembolie sind in 씰Tabelle 2 aufgelistet.
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I. Pabinger et al.: VTE bei Tumorpatienten
Tab. 3
Diagnose
Klinischer Verdacht auf VTE
Bei Verdacht auf VTE ist die objektivierende Diagnostik unverzüglich einzuleiten. Eine Ausnahme können Patienten mit sehr
weit fortgeschrittenem Tumorleiden und/
oder schlechtem Allgemeinzustand sein,
wenn die Diagnose einer VTE nicht Therapie-relevant ist. Bei diesen Palliativpatienten ist ein individualisiertes Vorgehen nötig.
Venenthrombose der unteren
Extremitäten und der Beckenvenen
Das Vorgehen bei Tumorpatienten entspricht dem Vorgehen bei Nicht-Tumorpatienten. Die klinische Symptomatik ist so
unspezifisch, dass eine Diagnosestellung
nur aufgrund der klinischen Symptomatik
und des körperlichen Untersuchungsbefundes nicht ausreichend ist. Die Festlegung der klinischen Wahrscheinlichkeit
erfolgt aufgrund der ärztlichen Erfahrung
oder durch Anwendung eines PunkteScore (씰Tab. 3) aus anamnestischen Angaben und klinischen Befunden (씰Tab. 2).
Ein diagnostischer Algorithmus ist in
씰Abbildung 1 dargestellt. Allerdings muss
beim vorgeschlagenen Algorithmus bedacht werden, dass die meisten Patienten
mit einer Tumorerkrankung D-DimerWerte über dem Referenzbereich aufweisen, auch wenn keine akute Thrombose
vorhanden ist (25).
Score zur Ermittlung
der klinischen Wahrscheinlichkeit einer
Venenthrombose
(TVT) (25)
Parameter
Variable
Punkte
aktive Krebserkrankung
1
Lähmung oder kürzliche Immobilisierung der
Beine
1
Bettruhe (> 3 Tage); große Chirurgie
(< 12 Wochen)
1
Schmerz / Induration entlang der tiefen Venen
1
Schwellung gesamtes Bein
1
Schwellung des Unterschenkels > 3 cm gegenüber Gegenseite
1
eindrückbares Ödem am symptomatischen Bein 1
Kollateralvenen
1
frühere, dokumentierte TVT
1
alternative Diagnose mindestens ebenso wahrscheinlich wie tiefe Venenthrombose
–2
≥2
klinische Wahr- hoch
scheinlichkeit
nicht hoch
<2
TVT: Bein- oder Beckenvenenthrombose
weiteren Beurteilung dienen Parameter des
Kreislaufs (RR, Herzfrequenz) und der
rechtskardialen Belastung:
● Echokardiographie,
● Troponin,
● BNP oder NT-proBNP.
Andere Lokalisationen
Die D-Dimer-Bestimmung ist nur für die
tiefe Venenthrombose der unteren Extremität sowie Lungenembolie ausreichend
validiert und bei Tumorpatienten nur ein-
Lungenembolie
Bei klinischem Verdacht auf eine Lungenembolie ist die Diagnostik unverzüglich einzuleiten. Auch sie wird analog dem Vorgehen
bei Nicht-Tumorpatienten durchgeführt.
Validierte Scores (Wells-Score und revidierter Genfer Score) für die Ermittlung der klinischen Wahrscheinlichkeit sind in 씰Tabelle 3 zusammengefasst (12, 26).
Der Algorithmus zum diagnostischen
Vorgehen für instabile Patienten ist in
씰Abbildung 2a dargestellt. Besonders zu
berücksichtigen sind bei diesen Patienten
die Prognose und das individuelle Blutungsrisiko. Den Algorithmus für stabile
Patienten stellt 씰Abbildung 2b dar. Zur
Abb. 1 Diagnostik bei klinischem Verdacht auf Venenthrombose (S2 Leitlinie)
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216
I. Pabinger et al.: VTE bei Tumorpatienten
Abb. 2
Diagnostik bei Verdacht auf Lungenembolie mit hohem
klinischem Risiko
a) instabiler Patient
(20);
b) stabiler Patient
(21)
*Bei niedriger klinischer Wahrscheinlichkeit (oder bei unwahrscheinlicher
Lungenembolie, d. h.
< 4 Punkte nach
dem dichotomisierten Wells-Score)
kann der Ausschluss
einer Lungenembolie
auch mit einem qualitativen Bedside-Test
anstelle eines ELISATests erfolgen. Bei
hospitalisierten Patienten ist der diagnostische Stellenwert
der D-Dimer-Bestimmung gering.
a)
b)
geschränkt aussagekräftig. Bei Verdacht auf
eine andere Lokalisation sind die adäquaten bildgebenden Verfahren heranzuziehen, z. B. Sonographie, Computertomographie, Magnetresonanztomographie oder
Phlebographie.
Tumorsuche bei venösen Thrombembolien unklarer Genese
Bei 10–15% der Patienten mit neu aufgetretener VTE ohne erkennbare Ursache wird
innerhalb der folgenden 12 Monate ein Malignom diagnostiziert, bei der Mehrzahl dieser Patienten innerhalb von 4–6 Monaten
nach klinischer Manifestation der VTE (3).
Bei Durchführung einer sachgerecht intensivierten Tumorsuche werden deutlich
mehr dieser Malignome in einem lokalen
bzw. lokoregionären Stadium mit potenziell
kurativer Behandlungsmöglichkeit entdeckt
als wenn auf unübersehbare klinische
Symptome gewartet wird. Allerdings konnte
bisher nicht gezeigt werden, dass eine um-
fangreiche Tumorsuche bei diesen Patienten
zum Zeitpunkt des Auftretens des thrombembolischen Ereignisses zu einer Verlängerung der Überlebenszeit führt (18). Bei fehlenden anamnestischen/klinischen Hinweisen auf eine zugrunde liegende Tumorerkrankung werden für diese Patienten Untersuchungen empfohlen, deren Wert in der
Früherkennung bei Patienten ohne Thrombose anerkannt sind (씰Tab. 5).
und werden hinsichtlich ihrer Wirksamkeit
bei Tumorpatienten im Einzelnen besprochen:
● Heparin:
– unfraktioniertes Heparin (UFH),
– niedermolekulares Heparin (NMH),
● Vitamin-K-Antagonisten (VKA) und
● orale Faktor-Xa- oder Thrombin-Inhibitoren.
Informationen zum Zulassungsstatus sind
in 씰Tabelle 6 zusammengefasst.
Fondaparinux
Fondaparinux ist ein synthetisches Pentasaccharid, welches selektiv die Wirkung
von Antihrombin gegenüber Faktor Xa
verstärkt. Es wird subkutan appliziert. Seine Wirkung wurde vor allem in multizentrischen Studien zur postoperativen VTEProphylaxe, zur VTE-Therapie sowie bei
Patienten mit akutem Koronorsyndrom
gezeigt. Fondaparinux ist effektiv in der
VTE-Prophylaxe von akut erkrankten und
hospitalisierten internistischen Patienten.
In der Zulassungsstudie waren auch Tumorpatienten behandelt worden. Regelmäßige Laborkontrollen zur Überprüfung
der optimalen Dosierung sind nicht erforderlich.
Bei schwerer Niereninsuffizienz besteht Kumulationsgefahr, die durch Dosisanpassung
(Prophylaxe) oder Anti-FXa-Aktivitätsbestimmung (Therapie) berücksichtigt wird.
Kritische Nebenwirkung ist die erhöhte
Blutungsneigung, die Halbwertszeit ist mit
15–18 Stunden relativ lang. Das Risiko einer Thrombozytopenie ist niedrig.
Prophylaxe und Therapie
Heparin
Tumorpatienten haben ein erhöhtes Risiko
für venöse Thrombembolien. Maßnahmen
zur Prophylaxe, vor allem mit Antikoagulanzien, sind in Betracht zu ziehen.
Niedermolekulares Heparin (NMH)
Antikoagulanzien
Die folgenden Wirkstoffe (aufgeführt in alphabetischer Reihenfolge) sind für die Prophylaxe und Therapie der VTE zugelassen
Aus unfraktioniertem Heparin kann durch
chemische Prozesse eine Fraktion niedermolekularer Heparine gewonnen werden.
Diese kürzeren Polysaccharidketten haben
unterschiedliche pharmakologische Eigenschaften, u. a. eine deutlichere Verstärkung
der Antithrombinaktivität gegenüber Faktor Xa als unfraktioniertes Heparin. Sie
werden subkutan oder – wesentlicher seltener – intravenös appliziert.
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I. Pabinger et al.: VTE bei Tumorpatienten
Niedermolekulare Heparine sind effektiv in der Prophylaxe und Therapie venöser
Thrombembolien bei Tumorpatienten. In
vergleichenden Studien zur VTE-Therapie
war die Thrombose-Rezidivrate bei den
Tumorpatienten meist niedriger als bei Anwendung von oralen Vitamin-K-Antagonisten. Regelmäßige Laborkontrollen zur
Überprüfung der optimalen Dosierung
sind nicht erforderlich.
Tab. 4
Ermittlung der klinischen Wahrscheinlichkeit einer Lungenembolie mit dem Wells-Score (25)
und revidiertem Genfer Score (12)
Punkte
WellsScore
Variable
frühere Bein- oder Beckenvenenthrombose
oder Lungenembolie
1,5
frische Operation oder Immobilisation
1,5
Krebserkrankung
1
Hämoptyse
1
Herzfrequenz > 100 Schläge/Minute
1,5
klinische Zeichen einer TVT
3
alternative Diagnose unwahrscheinlicher als
Lungenembolie
3
klinische Wahrscheinlichkeit*
niedrig
0–4
hoch
>4
Variable
Alter > 65 Jahre
1
frühere Bein- oder Beckenvenenthrombose
oder Lungenembolie
3
Operation oder Knochenfraktur innerhalb des
vergangenen Monats
2
aktive Krebserkrankung
2
einseitiger Beinschmerz
1
Hämoptyse
2
●
Herzfrequenz
75–94 Schläge/Minute
● ≥ 95 Schläge/Minute
3
5
Schmerz bei Palpation einer tiefen Beinvene,
einseitiges Ödem
4
niedrig
0–3
mittel
4–10
hoch
≥ 10
Kritische Nebenwirkung ist die erhöhte
Blutungsneigung, sie ist dosisabhängig.
Sehr selten ist auch eine Heparin-induzierte
Thrombozytopenie Typ II (HIT II). Studien
zum direkten Vergleich der verschiedenen
Präparationen von niedermolekularem Heparin gibt es bei onkologischen Patienten
kaum. Bei Patienten mit schwerer Niereninsuffizienz ist das Kumulationsrisiko der verschiedenen NMH unterschiedlich.
revidierter
Genfer
Score
Besonders bei therapeutischer Antikoagulation und schwerer Niereninsuffizienz sollte
die Dosierung laboranalytisch ca. drei Stunden nach subkutaner Applikation überprüft
werden.
Unfraktioniertes Heparin
Heparin bindet u. a. mit hoher Affinität an
Antithrombin III (ATIII) und beschleunigt
dadurch die Inaktivierung gerinnungsfördernder Serinproteasen, insbesondere Faktor II (Thrombin) und Faktor Xa. Heparin
wird intravenös oder subkutan appliziert.
Es ist effektiv in der Prophylaxe und der
Therapie venöser Thrombembolien. In
vergleichenden Studien zur peri- und postoperativen Prophylaxe war die VTE-Rate
im Vergleich zu niedermolekularem Heparin in einer Metaanalyse statistisch signifikant höher.
Wegen
hoher
interindividueller
Schwankungen wird die Effektivität der
Dosis mittels regelmäßiger Laborkontrolle
der aPTT bzw. der Thrombinzeit überwacht. Ein entzündlicher Prozess kann die
Verlässlichkeit der aPTT als Maß der Antikoagulationsintensität stören, dieses Problem ist bei der Thrombinzeit nicht vorhanden. Eine Standardisierung der unterschiedlich empfindlichen aPTT-Reagenzien ist bisher nicht erfolgt.
klinische Wahrscheinlichkeit
TVT: Bein- oder Beckenvenenthrombose; *dichotomisiert
Tab. 5
Diagnostik bei venösen Thrombembolien
unklarer Genese
●
●
●
●
●
●
●
komplette körperliche Untersuchung
Test auf okkultes Blut im Stuhl (Guajak-Test, FOBT) bei Personen
> 50 Jahre (D)
Koloskopie bei > 55-Jährigen (D), falls nicht innerhalb der vergangenen
fünf Jahre ohne Befund durchgeführt
Mammographie bei Frauen > 50 Jahre (D), falls nicht innerhalb der
vergangenen 12 Monate durchgeführt
vaginale Untersuchung bei nicht-hysterektomierten und/oder
-adnektomierten Patientinnen
rektale Untersuchung und PSA-Bestimmung bei Männern
[S3-Leitlinie Prostatakarzinom, AWMF]
gezielte, weiterführende Diagnostik bei symptomatischen Patienten
(D): gültig in Deutschland; PSA: Prostata-spezifisches Antigen;
FOBT: fäkaler okkulter Bluttest
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217
218
I. Pabinger et al.: VTE bei Tumorpatienten
Kritische Nebenwirkungen von unfraktioniertem Heparin sind eine erhöhte Blutungsneigung (im Vergleich zu Placebo)
und die Heparin-induzierte Thrombozytopenie vom Typ II (am häufigsten innerhalb
von 5–10 Tagen nach Therapiebeginn) und
langfristig ein erhöhtes Osteoporoserisiko.
Orale Faktor-Xa- und
Thrombin-Inhibitoren
tive Dosierung mittels regelmäßiger Laborkontrolle überwacht, der therapeutische
Bereich liegt bei 2,0–3,0 INR.
Kritische Nebenwirkungen von Vitamin-K-Antagonisten sind eine erhöhte
Blutungsneigung, Lebertoxizität sowie sel-
Tab. 6
Eine neue Gruppe von Antikoagulanzien
sind die oralen Inhibitoren von Faktor Xa
(Apixaban, Rivaroxaban) oder Thrombin
(Dabigatran) (7). Regelmäßige Laborkontrollen zur Überprüfung der optimalen
Dosierung sind bei diesen Medikamenten
für Patienten mit normaler Nieren- bzw.
Leberfunktion nicht erforderlich. Ihre
Wirksamkeit wurde bisher in großen randomisierten Studien zur postoperativen
Prophylaxe bei Operationen zum Gelenkersatz, beim Vorhofflimmern sowie in der
Therapie der tiefen Venenthrombose und
beim akuten Koronarsyndrom gezeigt.
Spezifische Studiendaten für Tumorpatienten liegen bisher nicht vor.
Zulassungsstatus für Medikamente der Prophylaxe und Therapie venöser Thrombembolien
Wirkstoff
Zulassung
Anmerkungen
Certoparin
ja
●
●
Dalteparin
ja
●
●
Enoxaparin
ja
Vitamin-K-Antagonisten
●
●
Die zugelassenen Präparate gehören zur
Gruppe der Kumarinderivate. Sie interferieren mit dem Vitamin-K-Metabolismus.
In der internationalen Literatur ist Warfarin der Standard, in einigen europäischen
Ländern werden trotz limitierter Studienlage Phenprocoumon oder Acenocoumarol eingesetzt. Vitamin-K-Antagonisten
werden oral appliziert. Sie sind effektiv in
der Sekundärprophylaxe venöser Thrombembolien, auch bei Tumorpatienten.
Der Einsatz bei Tumorpatienten wird durch
Arzneimittelinteraktionen, Leberfunktionsstörungen, verminderte Vitamin-K-Aufnahme, intestinale Resorptionsstörungen bzw.
Erbrechen beeinträchtigt.
In vergleichenden Studien zur Sekundärprophylaxe war zudem die Rezidivrate im
Vergleich zu niedermolekularem Heparin
höher. Wegen der hohen inter- und intraindividuellen Schwankungen wird die effek-
tene Hautnekrosen. In der Einleitungsphase der oralen Antikoagulation werden die
Vitamin-K-Antagonisten solange überlappend mit Akutantikoagulanzien gegeben,
bis die INR an zwei aufeinanderfolgenden
Tagen zwischen 2,0 und 3,0 liegt.
Fondaparinux
ja
●
●
●
Heparin
(unfraktioniert)
ja
Nadroparin
ja
●
●
●
●
Phenprocoumon ja
●
●
Reviparin
ja
●
●
Tinzaparin
ja
●
●
Prophylaxe
– peri- und postoperativ
– bei nichtchirurgischen Patienten mit einem erhöhten
Risiko (z. B. Atemwegs-, Herz- und Gefäßerkrankungen,
Infekt, gastrointestinale oder , neurologische Krankheiten)
Therapie
Prophylaxe
– peri- und postoperativ
– bei internistischen Erkrankungen mit mittlerem oder
hohem Risiko (z. B. Herzinsuffizienz, schwere Infektion,
respiratorisch)
Therapie (auch prolongiert bei Malignom-Patienten)
Prophylaxe
– peri- und postoperativ
– bei akuten, schweren internistischen Erkrankungen
(Herzinsuffizienz, Infekt, respiratorisch)
Therapie
Prophylaxe
– postoperativ bei Patienten mit hohem Risiko
– bei akuten, schweren internistischen Erkrankungen
(z. B. Herzinsuffizienz, Infekt, respiratorisch)
Therapie
Therapie der oberflächlichen Thrombophlebitis
Prophylaxe
Therapie
Prophylaxe peri- und postoperativ
Therapie
Prophylaxe
Therapie und Sekundärprophylaxe
Prophylaxe
– peri- und postoperativ
– bei traumatisierten, immobilisierten Patienten
Therapie
Prophylaxe niedriges oder mittleres Risiko
(z. B. Allgemeinchirurgie)
Therapie
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I. Pabinger et al.: VTE bei Tumorpatienten
Primärprophylaxe
Medikamentöse Primärprophylaxe ist effektiv. Gegen den Nutzen sind die Nebenwirkungen, vor allem das erhöhte Blutungsrisiko, die Belastungen für den individuellen Patienten sowie die Kosten abzuwägen. Die Empfehlungen orientieren sich
an den Ergebnissen prospektiv randomisierter Studien. Mechanische Maßnahmen
haben einen Stellenwert bei Patienten mit
Kontraindikationen gegen eine medikamentöse VTE-Prophylaxe (21). Ein Algorithmus ist in 씰Abbildung 3 dargestellt.
Peri- und postoperativ
Die medikamentöse Prophylaxe reduziert
das Risiko für VTE (8). Seit Anfang der
1970er Jahre wurde die Behandlung mit
unfraktioniertem Heparin durchgeführt.
Niedermolekulare Heparine haben geringeres Nebenwirkungspotenzial, vor allem
für die Heparin-induzierte Thrombozytopenie. Sie werden nur einmal täglich appliziert. Die randomisierten klinischen Studien mit niedermolekularen Heparinen und
mit Fondaparinux wurden z. T. in Patientenkollektiven mit einem hohen Anteil von
Tumorpatienten, z. T. ausschließlich bei
Tumorpatienten durchgeführt.
Als Indikationen werden alle chirurgischen Eingriffe (z. B. Laparatomie, laparoskopische Operation, Thorakotomie, thorakoskopische Operation) mit einer voraussichtlichen Dauer von ≥ 30 Minuten
angesehen. Wenn zusätzliche patientenspezifische Risikofaktoren vorliegen, sollte
auch bei kleineren Operationen, besonders
bei mehrtägig eingeschränkter Mobilität,
eine medikamentöse VTE-Prophylaxe erfolgen.
Die Prophylaxe wird für die Dauer des
stationären Aufenthaltes durchgeführt: im
Durchschnitt über 6–10 Tage. Bei tumorchirurgischen Eingriffen im Abdomen
und im Becken reduziert darüber hinaus
eine Prophylaxe über 28–35 Tage das Risiko
für venöse Thrombembolien signifikant.
Akute Hospitalisation
Akut hospitalisierte, internistische Patienten haben ein erhöhtes ThrombembolieRisiko. Unfraktioniertes Heparin, nieder-
Abb. 3 Primärprophylaxe
1RF:
Risikofaktor ist die Therapie eines Multiplen Myeloms mit Lenalidomid oder Thalidomid;
akute Hospitalisation zur internistischen Betreuung; 3Tumorchirurgie mit einer voraussichtlichen Dauer
über mehr als 30 Minuten; 4Kontraindikationen: Blutung, prolongierte Thrombozytopenie mit Thrombozyten < 30 000/μl; 5LMWH/UFH: niedermolekulares/unfraktioniertes Heparin
2
molekulare Heparine und Fondaparinux
senken das VTE-Risiko signifikant, ohne
kritische Steigerung des Blutungsrisikos.
Der Anteil von Tumorpatienten in den Studien lag bei 10–15%.
Bei akut hospitalisierten, Tumorpatienten wird die medikamentöse Prophylaxe
für die Zeit des stationären Aufenthaltes
empfohlen, wenn keine Kontraindikationen bestehen. In anderen Situationen, z. B.
bei nicht akut hospitalisierten, jedoch
kompromittierten oder eingeschränkt mobilen Patienten in häuslicher oder stationär-pflegerischer Versorgung, soll in Übertragung der Studien bei hospitalisierten Patienten über eine VTE-Prophylaxe in Abhängigkeit von weiteren Risikofaktoren individuell entschieden werden.
Tumorpatienten mit spezifischen
Risikofaktoren
Antihormonelle Therapie
Antihormonelle Therapie ist bei Frauen
(z. B. Tamoxifen) und Männern mit einem
erhöhten Risiko für venöse Thrombembolien assoziiert. Das individuelle Risiko ist
abhängig vom Wirkstoff und anderen, vorbestehenden Risikofaktoren. Daten randomisierter klinischer Studien zur Wirksamkeit einer medikamentösen Prophylaxe liegen nicht vor. Sie wird bei Patienten unter
antihormoneller Therapie ohne zusätzliche Risikofaktoren nicht empfohlen.
Glioblastom
Patienten mit Glioblastom haben ein
Thrombembolierisiko von > 10%. Die primärprophylaktische Gabe von niedermole-
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I. Pabinger et al.: VTE bei Tumorpatienten
kularem Heparin senkt die Inzidenz nicht
signifikant (17).
Multiples Myelom: Therapie mit
Lenalidomid oder Thalidomid
In den ersten Studien zum Einsatz von
Thalidomid oder Lenalidomid bei Patienten mit Multiplem Myelom wurden venöse
Thrombembolien bei bis zu 25% der Patienten beobachtet (4, 16). Daraufhin wurde für alle Patienten eine antithrombotische Prophylaxe empfohlen.
Die retrospektive Analyse der Effizienz
gibt kein klares Bild, weder zu den geeigneten Substanzen noch zur erforderlichen
Dosierung (4). In einer aktuellen randomisierten klinischen Studie war niedermolekulares Heparin etwas wirksamer als Azetylsalizylsäure, der Unterschied war aber nicht
signifikant. In beiden Armen lag die VTE Inzidenz unter 5%. Ein zusätzlicher Risikofaktor für venöse Thrombembolien ist die
Kombination der immunmodulatorischen
und/oder antiangiogenetischen Substanzen
mit hochdosiertem Dexamethason, siehe
auch Leitlinie Multiples Myelom.
Für Patienten mit Multiplem Myelom
unter Therapie mit Lenalidomid oder Thalidomid wird eine medikamentöse Prophylaxe mit niedermolekularem Heparin oder
Azetylsalizylsäure empfohlen.
Pankreaskarzinom
Patienten mit fortgeschrittenem Pankreaskarzinom haben auch im Vergleich mit anderen Tumorentitäten eine erhöhte Rate
venöser Thrombembolien. Die Prophylaxe
mit niedermolekularem Heparin senkt das
Risiko signifikant, hat aber keinen Einfluss
auf die Überlebenszeit (20).
Für ambulante Patienten mit Pankreaskarzinom ohne zusätzliche Risikofaktoren
wird eine medikamentöse Prophylaxe nicht
empfohlen. Bei Durchführung einer Chemotherapie sollte eine medikamentöse
Prophylaxe in Betracht gezogen werden.
Tumorpatienten ohne zusätzliche
Risikofaktoren
Diese Patientengruppe definiert sich durch
Abgrenzung zum Kapitel 씰Tumorpatienten mit spezifischen Risikofaktoren.
Seit den 1930er Jahren gibt es Hinweise
auf eine direkte oder indirekte Beeinflussung des Tumorwachstums durch Antikoagulanzien. Klinische Studien mit verschiedenen Antikoagulanzien in unterschiedlichen Dosierungen und über unterschiedlich lange Zeiträume wurden mit
dem Ziel einer Verlängerung der Überlebenszeit durch die multifaktorielle Wirkung dieser Medikamente initiiert. Andere
Studien haben das primäre Ziel einer Reduktion des VTE-Risikos.
Während das Ziel einer Verlängerung
der Überlebenszeit in den meisten Studien
nicht erreicht wurde, zeigte eine Metaanalyse eine signifikante Senkung der Mortalität nach einem Jahr (14). Patienten, die mit
Vitamin-K-Antagonisten behandelt wurden, hatten ein erhöhtes Risiko für schwere
Blutungen. Eine Definition der Patienten,
die von einer Antikoagulation profitieren,
d. h. mit einem günstigen Risiko/NutzenVerhältnis, steht aus.
Das Risiko für thrombembolische Komplikationen kann auch bei ambulanten Tumorpatienten durch medikamentöse Prophylaxe gesenkt werden. In der Mehrzahl
der Studien ist der Unterschied aber nicht
statistisch signifikant (19).
Für ambulante Tumorpatienten ohne
zusätzliche Risikofaktoren wird eine medikamentöse Prophylaxe nicht empfohlen.
Zentrale Venenkatheter
Patienten mit zentralen Venenkathetern
(einschl. Portkatheter) haben ein erhöhtes
Risiko für die Bildung lokaler Thrombosen. Die Inzidenz schwankt in den publizierten Studien zwischen < 5 und 20% in
Abhängigkeit von den Diagnoseparametern (klinisch, bildgebend) und dem Patientenkollektiv (22). Weit mehr als die
Hälfte der ZVK-assoziierten Thrombosen
sind klinisch asymptomatisch. In randomisierten Studien zur Prophylaxe klinisch
manifester VTE wurde weder mit VitaminK-Antagonisten noch mit niedermolekularen Heparinen eine signifikante Senkung
des VTE Risikos erzielt.
Für ambulante Patienten mit liegenden
zentralen Venenkathetern ohne zusätzliche
Risikofaktoren wird eine medikamentöse
Prophylaxe nicht empfohlen. Hinweise zur
Prophylaxe von ZVK-Infektionen finden
sich in der 씰Leitlinie ZVK-Infektionen.
Lebensende
Abb. 4
Therapie und Sekundärprophylaxe
(NMH/UFH: niedermolekulares/unfraktioniertes Heparin)
In der Finalphase sollen sich alle Maßnahmen nach dem Behandlungsziel bestmöglicher Lebensqualität und unmittelbarer
Symptomkontrolle richten. Maßnahmen
der primären oder sekundären VTE-Prophylaxe sind daher in der Regel nicht mehr
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I. Pabinger et al.: VTE bei Tumorpatienten
indiziert. Bei weit fortgeschritten erkrankten Tumorpatienten, die sich jedoch nicht
in der Sterbephase befinden, kann der Einsatz gerinnungshemmender Substanzen
Bestandteil der Maßnahmen zur therapeutischen oder prophylaktischen Symptomkontrolle (z. B. Schmerz, Spannungsgefühl,
Dyspnoe) sein (24).
Dies erfordert eine häufige, bei den
meisten Patienten tägliche Neubewertung
der klinischen Situation und des Verhältnisses von Nutzen und Belastung, unter
Einbezug des Patienten und seiner Angehörigen.
Therapie
●
●
Die Behandlung der akuten VTE besteht
aus Primärtherapie (1–2 Wochen) und Sekundärprophylaxe (9, 11). Aus den randomisierten klinischen Studien lassen sich in
Bezug auf die onkologischen Patienten folgende Empfehlungen ableiten:
● Standard
in der Behandlung von
Patienten mit neu diagnostizierter venöser Thrombembolie ist die Gabe von
parenteralen Antikoagulanzien. Informationen zum Zulassungsstatus sind in
씰Tabelle 6 zusammengefasst.
● Heparin-Präparate sind in der Initialtherapie effektiver als Vitamin-K-Antagonisten. Beim Einsatz von VitaminK-Antagonisten werden diese initial
überlappend mit Heparinen bis zum Erreichen einer therapeutischen Dosierung nach INR gegeben (씰Antikoagulanzien).
● Niedermolekulare Heparine sind den
unfraktionierten Heparinen mindestens gleichwertig, in Metaanalysen wurde eine Überlegenheit gezeigt. Sie haben
ein günstigeres Nebenwirkungsprofil
und erfordern keine Laborkontrollen
zur optimalen Dosierung.
● Fondaparinux ist niedermolekularem
Heparin in der Gesamtheit aller Patienten mit Venenthrombosen gleichwertig,
bei Tumorpatienten gibt es keine speziellen Studien.
● Bei Patienten mit lebens- und/oder organfunktionsbedrohlicher VTE können
sehr selten zusätzliche, interventionelle
Maßnahmen
wie
Thrombolyse,
Thrombembolektomie oder die Implantation eines Vena-cava-inferior-Filters indiziert sein.
Katheter-assoziierte (Zentralvenöse Katheter, Portkatheter) Thrombosen werden analog zur Beinvenenthrombose
durch eine initiale voll-therapeutische
Antikoagulation behandelt (22). Solange der Katheter funktioniert, korrekt
liegt und nicht infiziert ist, kann er weiter benutzt werden (21). Die Sekundärprophylaxe sollte für mindestens drei
Monate oder solange fortgeführt werden wie der Katheter in situ ist und danach für mindestens weitere sechs Wochen.
Bei thrombotischen Katheterverschlüssen lässt sich in aller Regel die Durchgängigkeit durch lokale Applikation von
Thrombolytika, z. B. 10 mg rekombinantem Gewebeplasminogenaktivator (rt-PA) oder 10 000 IE Urokinase,
wieder herstellen. Eine systemische Antikoagulation ist nur bei intravenösem
Thrombusnachweis indiziert.
Ein Algorithmus für Therapie und Sekundärprophylaxe ist in 씰Abbildung 4 dargestellt.
Sekundärprophylaxe
An die Initialtherapie schließt sich übergangslos die Phase der Sekundärprophylaxe an. Aus den randomisierten klinischen
Studien lassen sich in Bezug auf die onkologischen Patienten folgende Empfehlungen ableiten:
● Niedermolekulare Heparine sind effektiver in der Rezidivprophylaxe als Vitamin-K-Antagonisten. Vitamin-K-Antagonisten stellen aber eine Alternative bei
Kontraindikationen gegen Heparine
dar.
● Die Dauer der Sekundärprophylaxe soll
drei bis sechs Monate betragen. Bei Risikopatienten mit fortbestehendem Tumorleiden kann eine Dauer über sechs
Monate indiziert sein.
● Beim Auftreten venöser Thrombembolien unter effektiver medikamentöser
Tumortherapie ist eine Neubewertung
des Nutzen/Risiko-Verhältnis der Behandlung erforderlich.
Interessenkonflikte
B. Alt-Epping erklärt, dass kein Interessenkonflikt vorliegt. I. Pabinger erhielt
Honorare für Tätigkeiten als Gutachterin
und Beraterin der Unternehmen Bayer,
Boehringer Ingelheim und Sanofi-Aventis.
F. Demarmels Biasutti besitzt Aktien der
Firmen Novartis und Roche. F. Langer erhielt Honorare für Tätigkeiten als Gutachter und Berater für die Unternehmen
Bayer Healthcare, CSL Behring, Hexal,
Leo Pharma, Novartis, Pfizer, und SanofiAventis. H. Riess erhielt Honorare für Tätigkeiten als Gutachter und Berater verschiedener Pharmaunternehmen.
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Supportivtherapie
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Tumorassoziierte Fatigue
D. Brummer; A.-K. Fladung; B. J. Connemann
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie III, Universitätsklinikum Ulm
Schlüsselwörter
Keywords
Fatigue, Tumor, Stimulanzien, Erythropoetin
Cancer, fatigue, psychostimulants, erythropoetin
Zusammenfassung
Summary
Das Fatigue-Syndrom bei Krebspatienten ist ein
häufiges Problem, das die Therapieadhärenz
gefährdet. Die Pathogenese ist nach wie vor
nicht ganz verstanden, jedoch scheinen physische, emotionale und medikamentöse Ursachen eine Rolle zu spielen. Dieser Artikel fasst
den aktuellen Kenntnisstand bei tumor-assoziierter Fatigue zusammen und erörtert pharmakologische und supportive Maßnahmen.
Fatigue is a commonly reported symptom in
patients with cancer putting compliance at
risk. Pathophysiology is not fully understood,
physiologic complications, treatment-related
adverse effects and psychological comorbidities are contributing factors. This article presents an overview of clinical trials regarding
nonpharmacologic and pharmacologic interventions.
Korrespondenzadresse
Dr. med. Dagmar G. Brummer
Universitätsklinikum Ulm
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie III
Leimgrubenweg 12, 89075 Ulm
Tel. 0731/500–61500, Fax –61502
[email protected]
Cancer-related fatigue
Onkologische Welt 2011; 2: 223–225
Nachdruck aus:
Nervenheilkunde 2011; 30: 610–612
Das Fatigue-Syndrom bei Krebspatienten
ist ein die Lebensqualität stark beeinträchtigender Beschwerdekomplex, der mit quälender Müdigkeit, Konzentrationsstörungen und ausgeprägtem Erschöpfungsgefühl einhergeht. Begleitend können Lustund Antriebslosigkeit, psychosoziale Probleme, verminderte körperliche Belastbarkeit und somatische Beschwerden wie
Kopfschmerzen oder Atemnot bestehen.
Im Gegensatz zur gewöhnlichen Erschöpfung handelt es sich bei dem tumorassoziierten Fatigue-Syndrom (TFS) nicht um eine vorübergehende Erscheinung, sondern
um einen chronischen Symptomenkomplex, der nicht oder nur unzureichend
durch Schlaf oder andere Maßnahmen gelindert werden kann.
Unterschätzte
Auswirkungen
Die Prävalenz wird in vielen Studien mit
über 60% angegeben (26, 31), in den ersten
Monaten einer Tumorerkrankung zum Teil
mit über 90% (10). Umso erstaunlicher ist,
dass diese Beschwerden von ärztlicher Seite
oft wenig beachtet werden. Eine Untersuchung an 419 Patienten und 205 Onkologen konnte zeigen, dass das Symptom
„Schmerz“, welches von Ärzten als sehr
wichtig wahrgenommen wird, von Patienten als untergeordnet eingeschätzt wurde
(33), Patienten das Fatigue-Syndrom hingegen als sehr beeinträchtigend erlebten.
Viele Tumorpatienten berichten einen negativeren Einfluss auf Lebensqualität, Leistungsfähigkeit und Alltagsbewältigung
durch die Fatigue-Symptomatik als durch
Schmerzen, Depressionen oder Übelkeit;
aufgrund des TFS sei eine normale Lebensführung nicht denkbar (13). Wie wichtig es
ist, das TFS in seiner Bedeutung nicht zu
unterschätzen, zeigen auch die Ergebnisse
einer Studie: 46% der Patienten mit TFS
spielten mit dem Gedanken eines Behandlungsabbruchs und stellten die Fortführung der Therapie in Frage (20).
Während noch bis zu den 80er-Jahren
diese Symptomatik als mehr oder weniger
unvermeidbar und in Anbetracht der lebensbedrohlichen Grunderkrankung als
akzeptabel hingenommen wurde, gibt es in
den letzten Jahren Bestrebungen, Patienten
mit TFS durch verschiedene Maßnahmen
Symptomreduktion zu ermöglichen. Mittlerweile ist das TFS in der ICD-10 als eigene
Entität aufgelistet, diagnostische Methoden zur Beurteilung des Schweregrades
wurden entwickelt. Eine Messung ist im
Augenblick mit Selbst- und Fremdeinschätzungsbögen möglich, bei den Patientenselbsteinschätzungen werden eindimensionale und multidimensionale Fragebögen unterschieden. Am gebräuchlichsten sind der aus 30 Fragen bestehende multidimensionale Fragebogen der European
Organization of Research and Treatment of
Cancer (EORTC) QLQ-C30 (1) und der 47
Fragen umfassende, ebenfalls multidimensionale Functional Assessment of Cancer
Treatment – Anemia-(FACT-An-)Fragebogen (35).
Obwohl viele Modelle zur ätiologischen
Klärung postuliert und untersucht wurden, scheinen die Auslöser bzw. Ursachen
vielfältig und oft sich gegenseitig begünstigend. Letztendlich besteht Evidenz für metabolische Ursachen, endokrinologische
und neurophysiologische Veränderungen
und Cytokine. Nicht zuletzt scheinen chemo- und radiotherapeutische Behandlungsschemata eine Rolle zu spielen, wobei
sowohl der Toxizität der Behandlung selbst
als auch der Akkumulation zerstörter Tumorzellprodukte ätiologische Bedeutung
zukommt (11). Diskutiert wird immer wieder die These, dass die Energieanforderungen durch die Tumorerkrankung bzw.
durch die begleitend auftretende B-Symptomatik mit Fieber, Nachtschweiß und GeOnkologische Welt 5/2011
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D. Brummer; A.-K. Fladung; B. J. Connemann: Tumorassoziierte Fatigue
wichtsverlust einen Einfluss haben (17).
Auch die Verminderung der Skelettmuskelmasse, die möglicherweise durch den Tumornekrosefaktor TNF mitinduziert ist,
besitzt nach Angabe einiger Autoren Bedeutung für den Erschöpfungsgrad von Tumorpatienten (32). Prädisponierende Faktoren für die Entwicklung eines TFS sind
Nebenwirkungen der Krebsbehandlung,
internistische Komplikationen (Anämie,
Infektionen, metabolische oder endokrinologische Störungen), aber auch Schlafstörungen oder komorbide psychiatrische
Erkrankungen (2).
Therapiemöglichkeiten
Die möglichen Behandlungsansätze umfassen unter anderem ursächliche Therapien, beispielsweise die Behandlung einer
Anämie oder endokrinologischen Störung
und sollten in jedem Fall zunächst voll ausgeschöpft werden. Bei Fortbestehen der
Symptomatik trotz suffizienter Behandlung zugrunde liegender Ursachen sollten
nicht pharmakologische und pharmakologische Therapieansätze erwogen werden.
US-amerikanische Leitlinien (NCCN, National Comprehensive Cancer Network)
sehen für beide Maßnahmen Evidenz,
empfehlen aber immer zunächst nicht medikamentöse und ursächliche Behandlungsmethoden (29). Evidenz bezüglich
nicht medikamentöser Therapieansätze
besteht für körperliches Training, welches
direkte Effekte auf einen Rückgang der Fatigue-Symptomatik hat; auch ausreichende
und gesunde Nahrungszufuhr und ein regelmäßiger Tagesablauf mit ausreichendem Schlaf können die Ausprägung der
TFS reduzieren (24). Antwort auf die Frage
nach pharmakologischen Maßnahmen geben Untersuchungen an Patienten mit verschiedensten Tumorarten. In einer systematischen Metaanalyse wurden sowohl hämatopoetisch wirkende Medikamente als
auch Kortikosteroide, Antidepressiva und
Stimulanzien untersucht und einander gegenübergestellt (9). Die mit Abstand meisten prospektiven und placebokontrollierten Studien gibt es für die Stoffgruppe der
hämatopoetischen Substanzen, die untersuchten Präparate waren Epoetin alpha
und das länger wirkende Darbepoetin al-
pha. Zusammenfassend und übereinstimmend konnte gezeigt werden, dass hämatopoetische Substanzen bei krebsassoziierter
Anämie zu einem Anstieg der Hämoglobinwerte führen und somit ein wirksamer
Therapieansatz sind. Die Symptome wie
Müdigkeit, Antriebsarmut, Aktivitätsniveau bessern sich, die Besserung korreliert mit dem Anstieg der Hämoglobinkonzentration (16, 19). Zur Beurteilung der
Wirksamkeit von Stimulanzien wurde am
häufigsten Methylphenidat (MPH) untersucht, vereinzelt gibt es Berichte zu Amphetaminen. MPH führt im dopaminergen
System über die Inhibition des präsynaptischen Dopamintransporters, an den es
hochaffin bindet, zu einer Erhöhung der
Dopaminkonzentration im synaptischen
Spalt und ist strukturell den Amphetaminen ähnlich. Der Wirksamkeitsnachweis
für Fatigue-Symptomatik bei anderen
chronischen Erkrankungen, z. B. HIV oder
Encephalomyelitis disseminata, wurde für
MPH bereits erbracht (7, 4, 34).
Fünf Untersuchungen (n = 426) wurden
zur Beurteilung der Effektivität von Psychostimulanzien beurteilt, hier konnte in
vier Studien eine signifikante Symptomreduktion gegenüber der Behandlung mit
Placebo bei Tagesdosen von 10 bis 20 mg
MPH erzielt werden (5, 8, 21, 22). Im Rahmen einer Metaanalyse von 2010, in der 31
Studien mit einer Gesamtpatientenzahl n =
4 752 miteinbezogen wurden, ergab sich bei
Betrachtung aller untersuchten symptomatischen medikamentösen Therapieansätze die höchste Evidenz für MPH, wobei das Nutzen-Nebenwirkungsrisiko positiv beurteilt wurde (23). Studien zur Wirkung von Glukokortikoiden bei Tumorpatienten mit Fatigue-Symptomatik zeigten
vor allem Verbesserungen im Hinblick auf
das Schmerzempfinden, was zu einer mess-
Fazit
Zusammenfassend bleibt zu sagen, dass für
Patienten erfreulich die Aufmerksamkeit für
dieses Krankheitsbild zugenommen hat und
dass in vielen Bereichen Bestrebungen unternommen werden, optimale Behandlungsmethoden zu entwickeln. Es bleibt abzuwarten, welche Maßnahmen in Zukunft möglich
sein werden.
baren Verbesserung der Lebens- und
Schlafqualität führte (6).
Im Hinblick auf die klinische Überlappung zwischen Fatigue-Symptomatik und
depressiver Symptomatik war es naheliegend, auch die Wirkung von Antidepressiva
systematisch zu untersuchen. Für den
Wirkstoff Bupropion fanden sich Hinweise
auf gute Wirksamkeit und Verträglichkeit
bei Patienten mit Encephalomyelitis disseminata und Fatigue-Symptomatik (14,
15). Für Tumorpatienten mit Fatigue gab es
zwei offene Beobachtungsstudien mit Bupropion. In diesen Untersuchungen konnten günstige Effekte vor allem auf Müdigkeit und Antriebsarmut gezeigt werden (12,
28). Die Wirkung von SSRIs wurde in zwei
doppelblinden, placebokontrollierten Studien untersucht. In beiden Studien besserten sich zwar die depressiven Symptome,
nicht aber die Fatigue-Symptomatik (27,
30). Auch für Modafinil, ein zentral wirkendes Stimulans, zugelassen für die Behandlung der Narkolepsie und des obstruktiven Schlafapnoe-Syndroms, gab es
offene prospektive Untersuchungen. Die
Ergebnisse waren uneinheitlich. Während
in einer Gruppe von an Brustkrebs erkrankten Frauen eine Besserung gezeigt
wurde (25), fand die andere Studie keine
signifikanten Veränderungen der FatigueScores bei Tumorpatienten (18).
Unbestritten ist zwischenzeitlich, dass
die TFS ein schweres, das Leben signifikant
beeinträchtigendes Krankheitsbild ist, das
eine medikamentöse Behandlung rechtfertigt, nicht zuletzt vor dem Hintergrund,
dass TFS die Compliance gefährden und
damit unter Umständen lebensverkürzend
wirken kann. Einigkeit besteht, dass zugrunde liegende internistische oder psychiatrische Erkrankungen zunächst ursächlich zu behandeln sind. Nicht medikamentöse Maßnahmen können hilfreich sein,
werden jedoch oft als unzureichend erlebt
und sollten dann medikamentös ergänzt
werden. Diesbezüglich beseht die höchste
Evidenz für MPH, weswegen diese Therapie in der aktuellen NCCN-Leitlinie (National Comprehensive Cancer Network
2010) als Medikation erster Wahl empfohlen wird (29). Wichtig wird sein, in Zukunft
prospektive, placebokontrollierte Untersuchungen an größeren Fallzahlen durchzuführen, um differenziertere Aussagen da-
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rüber machen zu können, ob spezifische
Tumorerkrankungen
unterschiedlicher
Behandlung bedürfen und ob die vorangegangene oder begleitende tumorsupprimierende Therapie einen Einfluss auf die
Wahl des Medikaments haben sollte. Auch
andere medikamentöse Optionen, wie beispielsweise Tumornekrosefaktor-blockierende Präparate lohnen eine systematische
Untersuchung.
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225
Supportivtherapie
226
Thromboseprophylaxe bei Krebspatienten
Semuloparin verhindert zwei Drittel
aller VTE
Zytostatisch behandelte Krebspatienten haben ein hohes Risiko für venöse Thromboembolien (VTE). Jetzt hat sich ein neues, ultra-niedermolekulares Heparin (UNMH) bewährt:
In der Phase-III-Studie SAVE-ONCO verhinderte Semuloparin im Vergleich zu Placebo fast
zwei Drittel aller symptomatischen tiefen Venenthrombosen (TVT) und Lungenembolien.
Krebstherapeuten unterschätzen oft die Häufigkeit von VTE bei Tumorpatienten: „Zwischen
60% und 70% aller tödlichen Lungenembolien
(LE) werden erst post mortem entdeckt“, kritisierte Prof. Daniel George, Durham/USA.
Krebspatienten haben bereits grundsätzlich ein
erhöhtes VTE-Risiko, das durch eine Chemotherapie als zusätzlichem Risikofaktor noch verstärkt werden kann. Dennoch wird eine Thromboseprophylaxe bei ambulanten Tumorpatienten derzeit wegen widersprüchlicher Studiendaten nicht routinemäßig empfohlen.
Das sollte sich künftig aufgrund der Daten
der multinationalen Phase-III-Studie ONCOSAVE mit dem UNMH Semuloparin ändern. Semuloparin hat ein Molekulargewicht von nur
2000–3000 Da und zeichnet sich durch eine
hohe anti-Faktor Xa-Aktivität bei minimaler
Faktor IIa-Aktivität aus. „Aufgrund dieser Ei-
genschaften hebt sich Semuloparin eindeutig
von anderen Heparinen ab“, betonte George.
Die Halbwertszeit der Substanz liegt zwischen
16 und 20 Stunden, sodass die einmal tägliche
Gabe ausreicht. Die Bioverfügbarkeit nach subkutaner Injektion ist mit 98% sehr hoch.
Für ONCO-SAVE wurden 3200 Patienten mit
lokal fortgeschrittenen oder metastasierten soliden Tumoren rekrutiert, bei denen eine mindestens dreimonatige Chemotherapie initiiert
wurde. „Aufgrund der hohen Patientenzahl ist
ONCO-SAVE die größte Studie ihrer Art“, so
George. Parallel zur Zytostase erhielten sie randomisiert Semuloparin 20 mg s.c. qd oder Placebo während der gesamten Dauer der Zytostase. Primärer Endpunkt war die Inzidenz
symptomatischer tiefer Venenthrombosen
(TVT) sowie tödlicher und nicht-tödlicher LE.
Tumorprogression und Gerinnungsaktivierung
Thrombosetherapie mit Tinzaparin
bei Tumoren
25 bis 50% aller Erstereignisse einer venösen Thromboembolie (VTE) sind idiopathisch, nach zwei Jahre entwickeln 10% dieser Patienten eine Krebserkrankung (1).
VTE sind wiederum zweithäufigste Todesursache bei Tumorpatienten (2).
„Die Ursachen dieser Assoziation sind bislang
noch nicht ganz geklärt“, erläuterte Prof. Stefan
Schneider, Mannheim. So ist beispielsweise die
Metastasierung ein dynamischer Vorgang, der
entscheidend von der Interaktion der Tumorzelle
mit der Gefäßwand abhängt. In dieser Kommunikation mit dem Endothel werden Signalmoleküle
sezerniert, die Wandrezeptoren aktivieren. „Wir
konnten zeigen, dass diese Moleküle der Gerinnungskaskade entstammen und ein Zusammen-
hang zwischen Tumorprogression und Gerinnungsaktivierung besteht“, so Schneider. Tumorzellen exprimieren den Tissue Factor und können
so Thrombin generieren. Außerdem stellen sie vasoaktive Substanzen bereit, die Endothelzellen
aktivieren und sie dadurch hoch adhäsiv machen,
u.a. durch Beteiligung des von-Willebrand-Faktors und des P-Selektins. Lange Fibrinfäden werden gebildet, die mit den entstandenen hohen
Relative Risikoreduktion
um 64%
Die Studie erreichte ihr angestrebte Ziel, nämlich
eine ca. 50%-ige Risikoreduktion durch das
UNMH: Im Placeboarm entwickelten 3,4% aller
Patienten eine symptomatische TVT oder LE, unter Semuloparin dagegen nur 1,2%. Der Unterschied entspricht einer relativen Risikoreduktion
um 64% (HR 0,36; p<0,0001), die ohne gehäuftes Auftreten von Blutungen erreicht wurde. Die
Rate klinisch relevanter Blutungen als primärer
Sicherheitsendpunkt war gegenüber Placebo
nur leicht erhöht (2,8% vs. 2,0%), schwere Blutungen waren in beiden Armen selten (1,2% vs.
1,1%). George attestierte Semuloparin daher
ein günstiges Nutzen/Risiko-Profil.
Eine routinemäßige VTE-Prophylaxe wird
heute bereits bei operierten und hospitalisierten
bzw. akut erkrankten Tumorpatienten in Leitlinien empfohlen. Aufgrund der Ergebnisse von
SAVE-ONCO sollte diese Maßnahme künftig
auch bei Tumorpatienten ab Beginn der Chemotherapie erwogen werden, resümierte George.
Dr. Katharina Arnheim, Freiburg
Quelle: Agnelli G et al. Jahrestagung 2011 der American Society of Clinical Oncology (ASCO), Oral Abstract
Session “Patient and Survivor Care” am 6. Juni 2011,
Chicago, Abstract LBA9014.
Scherkräften Thrombozyten effektiv binden und
klinisch zur Thrombose führen.
Alle prothrombisch wirkenden Moleküle
werden in ihrer Funktion durch Heparin gehemmt, wirken so auch anti-metastatisch, was
in vitro und im Tiermodell nachgewiesen werden konnte. „Niedermolekulare Heparine verbessern so die Prognose und das therapeutische
Ansprechen der Tumortherapie bei einer Vielzahl
von Tumorpatienten bei vergleichsweise wenig
Nebenwirkungen“, folgerte Schneider.
Individuelle
Risikostratifizierung nötig
„Eine langfristige Antikoagulation nach thrombotischen Ereignissen ist bei Tumorpatienten
dennoch bislang nicht die Regel, da es an sicheren und kosteneffektiven Konzepten fehlt“, so
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Supportivtherapie
227
Prof. Michael Spannagl, München. Spannagel
betont in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit
einer
individuellen
Risikostratifizierung, die die Genese, Lokalisation und
die Anzahl der Thrombosen berücksichtigt. Den
Empfehlungen der Leitlinien von 2010 zufolge
wird Tumorpatienten bei akuter VTE in den ersten 3 bis 6 Monaten NMH verordnet. Im Anschluss kann auf Vitamin-K-Antagonisten umgestellt werden, doch erleiden jährlich etwa
20% der Patienten darunter ein Rezidiv und etwa 10% haben ein hohes Blutungsrisiko.
„Neue Entwicklungen, wie der Einsatz von
niedermolekularen Heparinen (NMH) sowohl
für die Therapie der akuten VTE als auch zur Sekundärprophylaxe, wurden von den Onkologen
bislang ungenügend wahrgenommen“, beklagte Prof. Rupert Bauersachs, Darmstadt.
Der Überlebensvorteil wurde bereits für verschiedene NMH überprüft (Übersicht in [3]).
Die im Rekrutierungsstadium befindliche
CATCH-Studie (4) vergleicht nun die 6-monatige VTE-Therapie mit Tinzaparin in voller therapeutischer Dosis (innohep® 175 IU/kg) gegenüber VKA plus initial (5-10 Tage) Tinzaparin im
Hinblick auf weitere Reduzierung der Rezidive.
An der Studie sind mehr als 160 Zentren weltweit beteiligt; sie soll 900 Patienten einschließen.
Tinzaparin zeichnet sich aus durch die vergleichsweise höchste TFPI-Freisetzung, eine relativ ausgeglichene, multifaktorielle Wirkweise
und Anwendungssicherheit auch bei älteren
Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion
und Polypharmazie sowie einer Inaktivierung
bei blockiertem renalen Eliminationsweg ohne
Kumulation. Seine Wirkung im Tumorbereich ist
vermutlich auch dem höchsten Molekulargewicht unter den NMH zuzuschreiben.
Dr. Iris Weiche, Tübingen
Chronische Obstipation
Prucaloprid – Reserve-Doping für
die Peristaltik
Die Lebensbedingungen und Ernährungsgewohnheiten in den westlichen Industrieländern sind nach Ansicht von Priv.-Doz. Dr. Jutta Keller, Hamburg, nicht allein die Ursache für Obstipationen. Davon abzugrenzen sind Patienten mit einer „slow transit constipation“ infolge neurologischer Erkrankungen – Diabetes mellitus, M. Parkinson –
oder Medikamenten-induziert, beispielsweise durch Psychopharmaka oder Opioide.
Diagnostisch wegweisend sind oft die Beschreibungen der Patientinnen. „Ich kann nicht
zur Toilette gehen, ich werde es nicht los“
spricht nicht für eine slow transit constipation
sondern für ein rektales Entleerungsproblem.
Sagt der Patient „ich kann nicht zur Toilette gehen, da ist nichts, mein Bauch quillt auf“, so
deutet dies auf eine slow transit constipation
hin (Hinton-Test).
Prof. Michael Schemann, München, erläuterte, dass bei chronischer Obstipation die Peristaltik im Darm sensomotorisch gestört ist.
Damit sie funktioniert, erfolgt eine Stimulation
proximal des Bolus durch erregte und distal
durch gehemmte Nervenzellen. Erst seit kurzem ist bekannt, dass Serotonin auch verantwortlich für den peristaltischen Reflex ist.
Prof. Thomas Frieling, Krefeld, erinnerte
daran, dass über Pressen und ein Gefühl der inkompletten Entleerung geklagt wird. 47% der
Patienten sind trotz Behandlung unzufrieden.
Er empfiehlt eine gründliche Anamnese, bevor
eine aufwändige Diagnostik betrieben wird.
Möglich ist eine probatorische Pharmakotherapie, wenn man organische Ursachen ausgeschlossen (Koloskopie) hat. Patienten, die
nicht auf Medikamente ansprechen, sollte man
an ein spezialisiertes Zentrum überweisen.
Prof. Michael Karaus, Göttingen, berichtete, dass es zwar gute Daten für Ballaststoffe
gibt. Sie verkürzen die Transitzeit und vermehren das Stuhlvolumen. Das aber ist besonders
ausgeprägt bei Gesunden. Probiotika scheinen
ihre Verträglichkeit zu verbessern, zeigen jedoch keine eigene Wirksamkeit.
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antagonist (Warfarin) for the treatment of venous
thromboembolism (VTE) in cancer. ClinicalTrials.gov Identifier: NCT01130025. Available at:
http://clinicaltrials.gov
Quelle: Pressegespräch „Thrombosetherapie bei onkologischen Patienten“ am 08. September 2011 und Satellitensymposium „VTE-Therapie im Spannungsfeld zwischen
Theorie und Praxis“ am 09. September 2011 in Frankfurt im
Rahmen der DGA-Tagung; Veranstalter: LEO Pharma.
Prucaloprid (Resolor®) ist ein hochaffiner
und selektiver 5-HT4-Agonist. Per Film demonstrierte Schemann ein Wettrennen zwischen „gedoptem und nicht-gedoptem“ Darm: Prucaloprid transportierte schneller. Eine Tachyphylaxie
sei nicht vorstellbar, so Schemann. Der Wirkstoff
ist für Frauen mit chronischer Obstipation zugelassen, die auf die Stufentherapie nicht angesprochen haben. Drei Studien an 2000 therapierefraktären Patienten haben für Prucaloprid gezeigt, dass 20–30% mindestens drei vollständige Stuhlentleerungen in der Woche erreichen
konnten. Die Dosis von 4 mg war dabei nicht effektiver als 2 mg. Man sollte die Patientinnen darüber informieren, dass es zu Bauch- oder Kopfschmerzen oder Durchfällen kommen kann, aber
nur in den ersten 1–2 Tagen. Es gibt keine Verlängerung des QTc-Intervalls.
Die 2-mg-Filmtablette sollte man über 8–12
Wochen einnehmen. Dann folgt ein Auslassversuch. Ist nach zwei Wochen kein Ansprechen
auf Prucaloprid zu sehen, muss man von einem
Therapieversagen ausgehen, so Karaus.
Dr. med. Nana Mosler, Leipzig
Quelle: Satellitensymposium „Prucaloprid: Präzisionswerkzeug am Serotoninrezeptor“ anlässlich der 66.Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Verdauungsund Stoffwechselkrankheiten, Leipizig, 16. September
2011. Veranstalter: Shire Deutschland GmbH, Berlin.
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Palliativmedizin
228
Fallbericht
Verbesserte Alltagskompetenz
nach Opioidwechsel
Mit einem Opioidwechsel konnte eine körperliche Inaktivität sowie vollständige Bettlägerigkeit durchbrochen und die Funktionsfähigkeit sowie Aktivität deutlich gesteigert werden. Eine erfolgreiche Umstellung der Analgesie verbesserte die Gesamtsituation eines bettlägerigen Patienten mit fortgeschrittener Krebserkrankung spürbar, wie Dr. Wolfgang Schwarz, Leiter des St. Marianus-Zentrums für Schwerkranke,
Bardowick bei Lüneburg, anhand eines Beispiels zeigt.
Mitte Juli 2010 wird ein 44-jähriger Patient stationär im St. Marianus-Zentrum für Schwerkranke aufgenommen. Der Patient leidet an einem metastasierten Prostatakarzinom sowie
diffusen Knochenmetastasen in der Brustwirbelsäule, Lendenwirbelsäule, im Becken und im
Kreuzbein. Der Tumorpatient hat bereits diverse Chemotherapien durchlaufen. Im März 2010
wurde eine pathologische Beckenfraktur mittels einer Osteosyntheseoperation stabilisiert.
Beim ersten Gespräch liegt der Patient flach
auf dem Rücken ohne Kopfkissen im Bett. Ein
Aufstellen des Kopfteils verursacht bereits nach
zwei Minuten heftige, brennende, ausstrahlende Schmerzen im Beckenbereich und an den
Außenseiten beider Beine. Auch ein schmerzfreies Liegen auf der Seite ist nicht möglich. Die
flache Liegeposition unterbindet längeres Lesen oder Fernsehen. Die Aufnahme sowohl flüssiger als auch fester Nahrung erfolgt im Liegen.
Nach Aussagen des Patienten verbrachte er die
letzten sechs Monate in dieser Position.
Die vorhandene Medikation mit einem
transdermalen WHO-Stufe III Opioid (225 μg
Fentanyl TTS) erreicht eine insgesamt zufriedenstellende und stabile Schmerzlinderung des
nozizeptiven Schmerzes in der Liegeposition
(VRS 2–3). Jedoch rufen Bewegungen zum Beispiel beim Lagewechsel, bei der Körperpflege,
beim Anheben des Kopfes oder auch nur beim
Einnehmen einer aufrechten Sitzposition
Schmerzspitzen (VAS 6–8) für rund 15 Minuten
hervor. Als Komedikation erhält der Patient
Zoledronsäure, ein trizyklisches Antidepressivum und ein Antikonvulsivum.
Therapie und Verlauf
Um die Gesamtsituation des Patienten zu verbessern, wird eine Woche nach der stationären
Aufnahme eine Opioidrotation auf OROS®-Hydromorphon (Jurnista®) 48 mg (32 mg +
16 mg) durchgeführt. Die Komedikation wird
unverändert beibehalten. Der Wechsel führt zu
einer umfassenden Verbesserung: Der Patient
kann wieder über 90 Minuten aufrecht im Bett
sitzen und sich mit Lesen, Fernsehen und Computerarbeit selbst beschäftigen. Auch Laufen
mit Hilfe eines Gehwagens ist zweimal am Tag
für etwa 20 Minuten möglich. Darüber hinaus
geht die Anzahl der Durchbruchschmerzepisoden massiv zurück. Der Patient verstirbt acht
Wochen später gut schmerzkontrolliert.
Fazit für die Praxis
Eine Schmerztherapie ist mehr als nur eine Reduktion des Schmerzes. Sie umfasst neben somatischen Gesichtspunkten und der Schmerzlinderung auch Aspekte wie körperliche Rollenfunktion, Vitalität und Aktivität, soziale Funktionsfähigkeit, Steigerung des emotionalen
Wohlbefindens und der Lebensfreude.
Dieser Fall zeigt, dass eine vernünftige
Grundtherapie einen Patienten aus einer
scheinbar ausweglosen Situation befreien
kann, indem sie sowohl die somatischen als
auch die psychosozialen Aspekte umfassend
verbessert und aktivierend wirkt. Und damit
dem Patienten in den verbleibenden Tagen Le-
Neues Kompendium
Palliativmedizin
„Palliativmedizin ist integraler Bestandteil
jeden ärztlichen Handelns und das älteste
Fachgebiet überhaupt“, beschreibt Dr. Wolfgang Schwarz, Leiter des Palliativzentrums
St. Marianus, Bardowick, die Spezialisierungsrichtung in einem neuen Kompendium,
das er gemeinsam mit Janssen-Cilag entwickelt hat. Darin stellt er wissenschaftliche
Standards und Kenntnisse aus der Palliativmedizin dar – ergänzt durch praxisnahe
Tipps. Ab sofort können die ersten drei Kapitel zu Grundlagen, Definitionen und Strukturen, SAPV- und Hospizbedürftigkeit sowie
Neurophysiologie der Schmerzbahn über
den Außendienst angefordert werden. Weitere Module zur Pharmakotherapie, Symptomkontrolle und Palliativ Care sind in Arbeit.
red.
bensqualität zurück geben kann. Denn das Ziel
einer guten Schmerztherapie ist nicht alleine
die Schmerzlinderung, sondern die damit zu erzielende Verbesserung der Lebensqualität.
Grund für den Therapieerfolg war bei dem
Patienten die Umstellung auf den stark
schmerzlindernden Wirkstoff Hydromorphon in
Kombination mit der OROS®-Galenik. Dies ermöglichte eine effektive Schmerztherapie über
24 Stunden bei nur einmal täglicher Einnahme.
Entscheidend für den Therapieerfolg war weniger die Wirkstoffauswahl als vielmehr die Qualität der Galenik, die einen gleichmäßigen
Wirkstoffspiegel und somit eine verlässliche
Schmerzlinderung ermöglichte.
Korrespondenzadresse
Dr. Wolfgang Schwarz
FA für Allgemeinmedizin mit
Zusatzbezeichnung Palliativmedizin
St. Marianus Zentrum für Schwerkranke
Schlöpkeweg 8
21357 Bardowick
Hinweis: Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Janssen-Cilag GmbH, Neuss.
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Kongressnachlese
Pavlliativmedizin
229
Palliativtag 2011 in Saarbrücken
Neuropsychiatrie-Update
Besserer interdisziplinärer
Erfahrungsaustausch angestrebt
Neue Daten zur Behandlung neuropsychiatrischer Symptome in der Palliativmedizin stellte
Dr. Jürgen Guldner, Püttlingen, vor. Eine groß
angelegte Expertenbefragung zum Stellenwert
von Antidepressiva in der Palliativmedizin zeigte insgesamt keine hohe Evidenz für Wirkunterschiede zwischen den einzelnen Substanzen
(7). Unter Berücksichtigung der Nutzen-RisikoRelation schneiden jedoch Miratazapin, Sertralin und Citalopram am besten ab. Trizyklische
Antidepressiva können bei Patienten mit neuropathischen Schmerzen vorteilhaft sein.
Ältere Studien haben bei palliativmedizinischen Patienten einen besonders hohen Anteil von Fällen mit einem Delir gefunden – bis
85%. Neuere Studie zeigen jedoch übereinstimmend, so Guldner, deutlich niedrigere Werte, die um 40% liegen (2, 5). Differenzialdiagnostisch muss davon ein nonkonvulsiver Status
epilepticus abgegrenzt werden, der in rund 5%
der Fälle mit dem Verdacht auf Delir auftritt (6).
Unter dem Motto „Gemeinsam in der Vielfalt – der Mensch im Mittelpunkt“ fand Mitte September der Palliativtag 2011 der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin
(DGP) in Saarbrücken statt. Auf dem Palliativtag wurden zwei Projekte mit einem
DGP-Förderpreis ausgezeichnet, die sich mit dem interdisziplinären Erfahrungsaustausch und der Verbesserung der Kommunikation bei der Betreuung Schwerstkranker
beschäftigen.
Ein Kooperationsprojekt der Universitäten Witten-Herdecke und der Universität Düsseldorf
entwickelte ein interpersonelles Seminar zur
Palliativversorgung alter Menschen. Dabei
wurde zunächst eine Literaturrecherche zur
curricularen Lehre von Kommunikation am Lebensende vorgestellt (3). Sie zeigte, dass es im
deutschsprachigen Raum keine randomisierten, kontrollierten Studien über Lehrinterventionen oder offene Studien zu den Effekten zur
curricularen palliativmedizinischen Lehre vorliegen. Auch die im angloamerikanischen
Sprachraum gefundene Literatur hatte nur einen Evidenzgrad C.
Die Recherche ergab einen deutlichen Mangel an Konsistenz über die Inhalte palliativmedizinischer Lehre im Medizinstudium und eine
zu geringe formale Evaluation von Kommunikationscurricula in der Palliativmedizin. Auffällig war auch, so die Untersucher, dass der Fokus
auf der Wissens- und Fertigkeitsvermittlung bei
gleichzeitigem Fehlen von Konzepten zur Vermittlung einer palliativmedizinischen Haltung
lag. Anhand von weiteren Experteninterviews
und -evaluationen wurde eine interprofessionelle videobasierte Seminarreihe mit insgesamt acht Lehreinheiten entwickelt und
durchgeführt.
Die Evaluation ergab Veränderungen im
Kommunikationsverhalten,
beispielsweise
beim Abbau von Vorurteilen und Missverständnissen durch verstärkten interprofessionellen
Kontakt (4). Dieser interprofessionelle Ansatz
soll weiter vertieft und zu einem generalisierbaren Lehransatz ausgebaut werden.
Palliativmedizin im
Großklinikum
Mit einem Förderpreis der DGP wurde auch die
Freiburger Forschergruppe Palliativmedizin
ausgezeichnet (1). Ziel ihrer Studie war die Ermittlung des palliativmedizinischen Betreuungsbedarfs an einem Klinikum der Maximalversorgung sowie die Erstellung einer Datenbank zum quantitativen und qualitativen palliativmedizinischen Betreuungsbedarf. Mithilfe
dieser Datenbank soll die Prädiktion des palliativmedizinischen Betreuungsbedarfs ermöglicht werden. Modellobjekt war das Klinikum
Freiburg.
Die Auswertung von insgesamt 39 849 Behandlungsfällen zeigten bei 6,9% (n = 757) einen palliativmedizinischen Betreuungsbedarf.
Bei Patienten mit einem Durchschnittalter ≥65
Jahren waren es sogar 9,1%. Von den identifizierten 2757 Patienten hatten 67% (n = 1836)
eine Tumorerkrankung. Bei den insgesamt
11 584 Tumorbehandlungsfällen lag in 15,8%
ein palliativmedizinischer Betreuungsbedarf
vor.
Ein besonders hoher Betreuungsbedarf lag
bei Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren (28,3%),
malignen Melanom (26%) und Hirntumoren
(18,2%) vor. Das Vorliegen einer Tumorerkrankung erhöht die Wahrscheinlichkeit eines des
palliativmedizinischen Betreuungsbedarfs um
den Faktor 3,63; bei Patienten in der metastasierten Situation lag die Odds Ratio beim 12-fachen des Normalwerts.
Dr. Alexander Kretzschmar, München
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für Palliativmedizin (DGP) vom 9. bis 10. September
2011, Saarbrücken.
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Palliativmedizin
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Bedarfstherapie bei tumorbedingten Durchbruchschmerzen – worauf es in der Therapie wirklich ankommt
Dem Patienten Freiheit und
Autonomie wiedergeben
Durchbruchschmerz ist ein häufiges und belastendes Symptom bei Tumorpatienten.
Unter der Leitung von Dr. Jutta Hübner, Frankfurt/Main, diskutierten die Teilnehmer
auf dem Palliativtag 2011 in dem Symposium „Worauf es wirklich ankommt: Kooperation und Kommunikation“ über wirksame Konzepte, die Schmerzspitzen zu kupieren, um dem Patienten seine Selbstbestimmung wieder zu geben, so Hübner. Dabei
profitieren die Patienten von einer frühen palliativen Intervention. Neue Studien mit
deutschen Patientenkollektiven bestätigen darüber hinaus den hohen Stellenwert von
Fentanyl-Buccaltabletten (Effentora®) beim Erhalt der Patientenautonomie.
Eine der größten Sorgen von Patienten mit Tumorerkrankungen ist, dass sie mit dem Fortschreiten der Krankheit ihre Kräfte und damit
die Kontrolle über ihr Leben verlieren. Diese
Sorgen sind nicht unbegründet, denn tatsächlich schränken sich zumindest physisch, häufig
auch geistig und psychisch die eigenen Möglichkeiten immer weiter ein. Gerade in der letzten Lebensphase geht es in der Palliativmedizin
nicht nur um den retrospektiven Sinn mit dem
Blick auf das bisher gelebte, sondern auch darum, für die Betroffenen die Sinnhaftigkeit ihres
Lebens zu bewahren, betonte Hübner.
Die Schmerztherapie verbindet viele dieser
physischen, psychischen, sozialen und spirituellen Aspekte. In dem Satellitensymposium
„Worauf es wirklich ankommt: Kooperation
und Kommunikation“ kamen daher sowohl die
körperliche wie auch die geistig-spirituelle
Ebene einer suffizienten Schmerztherapie zur
Sprache.
Mehr Freiheit und
Autonomie
Schmerz kann für die Autonomie des Patienten
ein deutlich einschränkendes Symptom sein.
Die Palliativmedizin kann in dieser Situation
entscheidend zur Verbesserung beitragen, unterstrich Priv.-Doz. Dr. Winfried Meißner,
Chefarzt der Abteilung für Palliativmedizin und
Bereichsleiter Schmerztherapie am Universitätsklinikum Jena. In der täglichen Praxis wird
dieses Ziel jedoch nicht selten verfehlt. Er sieht
eine Ursache in einer ungenügenden Differen-
zierung zwischen einer effektiven Schmerzkontrolle durch eine Opioid-Basistherapie und der
adäquaten Bedarfstherapie bei Schmerzspitzen. Dauerschmerzen über mehr als 12 Stunden sind ein klarer Hinweis auf eine ungenügende analgetische Basistherapie, nicht jedoch
eine Indikation für eine Behandlung von Durchbruchschmerzen, erklärte Meißner (1).
Kennzeichen tumorbedingter Durchbruchschmerzen sind spontane, temporäre Schmerzattacken trotz suffizienter Basistherapie. Die
Schmerzepisoden erreichen in wenigen Minuten ihre maximale Ausprägung (mediane Zeit
bis zur Spitzenintensität drei Minuten), sie sind
von hoher Intensität und oft von relativ kurzer
Dauer. Rund ein Drittel aller Durchbruchschmerzepisoden dauern weniger als 15 Minuten, knapp zwei Drittel 30 Minuten oder
weniger (5).
Oft wird der Schmerz durch eine Handlung
des Patienten ausgelöst („Incidental Pain“).
Dieser kann sehr intensiv sein und das auslösende Ereignis längere Zeit überdauern. Beispiele sind belastungs- und bewegungsabhängige Schmerzen bei Skelettmetastasen oder
Schluckbeschwerden bei Tumoren der Speiseröhre. Darüber hinaus „sind wir zu oft in den alten Therapietraditionen verhaftet“, beispielsweise die Gabe von Morphin s.c. beim Durchbruchschmerz, beklagte Meißner. Bis dessen
Wirkung eintritt, ist die Episode meist schon
vorüber, seine Wirkung hält jedoch 4 Stunden
an, was für die Patienten eine unnötige Wirkstoffbelastung darstellt.
Zur Behandlung von Durchbruchschmerzen mit
„Rapid Onset Opioids“ hat sich heute Fentanyl
in verschiedenen Darreichungsformen durchgesetzt. Die Substanz hat eine etwa 100-mal
höhere analgetische Potenz als die von oralem
Morphin. Darüber hinaus eignet sich das Analgetikum aufgrund seiner hohen Lipophilie und
dem geringen Molekulargewicht sehr gut für
die Resorption über die Schleimhaut, beispielsweise als Buccaltablette.
Für die Therapie von Durchbruchschmerzen
mit oralen unretardierten Opioiden wird eine
Einzeldosis empfohlen, die in der Regel 1/6 bis
1/10 der täglichen Opioid-Basismedikation betragen sollte. Diese Empfehlung basiert jedoch
auf empirischen Überlegungen und ist nicht
durch harte Studiendaten belegt. Bei den transmukosalen Fentanylpräparaten konnten die
meisten kontrollierten Studien keine lineare
Dosis-Wirkungs-Beziehung zur Opioid-Basismedikation finden. Daher wird meistens empfohlen, mit der niedrigsten Dosierung zu beginnen (2). Wirklich befriedigend ist diese Situation im klinischen Alltag jedoch für Meißner
nicht (3, 4).
Effektiv und schnell
wirksam
Praktische Hinweise und Erfahrungen im Umgang mit der Fentanyl-Buccaltablette, beispielsweise die Dosierungsfindung, geben zwei
neue Studien, die Meißner auf dem Palliativtag
in Saarbrücken vorstellte. Vor wenigen Wochen
wurde eine offene Phase-IIIb/IV-Multicenterstudie zur Behandlung von Durchbruchschmerzen mit Fentanyl-Buccaltabletten abgeschlossen. Teilnehmer waren Tumorpatienten aus 135
Zentren in sieben Ländern. „Die Patientencharakteristika entsprachen denjenigen Patienten,
die wir auch täglich in unserer Praxis sehen“,
so Meißner.
Die Patienten erhielten eine Opioid-Basistherapie mit mindestens 60 mg oralem Morphin oder einer equianalgetischen Dosis eines
anderen Opioids. Der Beobachtungszeitraum
betrug maximal 1 Monat. Das primäre Studienziel war der Anteil derjenigen Patienten, die mit
einer Startdosis von 100 bzw. 200 μg eine adäquate Linderung ihrer Durchbruchschmerzen
für zwei aufeinander folgende Episoden erreichten.
Sekundäre Endpunkte waren die klinische
Wirksamkeit und Verträglichkeit der Buccaltablette sowie eine globale Einschätzung der
subjektiven Lebensqualität. Die Patienten er-
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hielten zunächst eine Startdosis von 100 oder
200 μg Fentanyl, danach wurde die Dosis auftitriert, bis eine zufriedenstellende Analgesie
erreicht worden war. Daran schloss sich eine
Behandlungsphase an, in der bis zu acht Durchbruchschmerzepisoden mit der in der Titrationsphase ermittelten Dosierung behandelt
wurden.
Eine erste Interimsanalyse basiert auf den
Daten der deutschen Studienteilnehmer (n =
90). Die Statistik zeigt, dass die große Mehrheit
(88,9%) der Patienten vor Studienbeginn
durchschnittlich 2–4 Schmerzepisoden erlitt.
Die häufigste Tumorentität war das Mammakarzinom (26,4%), davon waren 70% ambulant behandelte Patientinnen. Der Hintergrundschmerz hatte eine mittlere Intensität von 5,44
auf einer 11-teiligen numerischen Ratingskala.
42,2% der Patienten gaben eine mittlere Latenz zwischen Beginn und maximaler Schmerzstärke von 10 Minuten an.
Nach der siebentägigen Titrationsphase
waren die meisten Teilnehmer (41,6%) auf eine
wirksame Dosierung von 200 μg Fentanyl
eingestellt. Weitere 25% der Patienten benötigten 100 μg, 400 μg waren in 23% der Fälle
notwendig, die beiden höchsten Dosierungen
von 600 bzw. 800 μg waren nur bei 8,3 bzw.
2,1% der Teilnehmer notwendig. Die Behandlung mit der Buccaltablette empfanden insgesamt 72% der Patienten als sehr einfach
handhabbar und schnell wirksam (씰Abb. 1).
Der Vergleich der Patientenzufriedenheit bei
der Befragung nach 2 und 4 Wochen zeigt weiter, dass die Patienten auch im Hinblick auf ihre subjektive Lebensqualität und Funktionsstatus profitierten (씰Abb. 2). Damit einher
gingen auch eine Verbesserung ihrer psychischen Stimmungslage sowie ihrer sozialen
Aktivitäten.
Erfahrungen aus dem
klinischen Alltag
Diese Interimsergebnisse werden durch die
vorläufigen Daten einer aktuellen prospektiven, offenen, multizentrischen, nicht-interventionellen Studie bestätigt, die im Rahmen des
Risikomanagementplanes durchgeführt wurde. Der Vorteil dieser Studien ist, so Meißner,
„dass die Patienten hier nicht so hochgradig
selektioniert sind wie in kontrollierten, klinischen Studien“. Teilnehmer waren 440 Tumorpatienten mit Durchbruchschmerzen, die
Abb. 1
Patienten-Einzelbewertung: Ergebnis
der deutschen Studienkohorte einer europäischen Multicenterstudie (V2, V4 =
Befragung nach 2
und 4 Wochen)
Abb. 2
Lebensqualität and
Funktionsstatus:
Ergebnis der deutschen Studienkohorte einer europäischen Multicenterstudie (mediane
Werte)
Beobachtungsdauer betrug 8 Wochen. Davon
erlitten 326 Teilnehmer vor Studienbeginn täglich 2–4 Schmerzattacken.
Die Auswertung ergab hier eine vergleichbare Verteilung der zur Kappung der Schmerzspitzen notwendigen Dosierung. Rund ein Drittel der Teilnehmer benötigte 200 μg sowie jeweils knapp ein Viertel erhielt 100 bzw. 400 μg
Fentanyl. Höhere Dosierungen (600 bzw. 800
μg Fentanyl) waren nur in rund 10% der Fälle
erforderlich.
Durch die Therapie mit der Fentanyl-Buccaltablette wurde die Schmerzintensität bei
Durchbruchschmerzen als auch die Anzahl der
Schmerzepisoden deutlich reduziert. Insgesamt 64% der Patienten berichteten in den
Fragebögen über eine ausreichende Schmerzlinderung innerhalb von 10 Minuten nach der
Einnahme (씰Abb. 3).
Rund 80% der Patienten waren mit der
Schmerzbehandlung zufrieden und bewerteten
die Handhabung der Buccaltablette als „einfach“ oder „sehr einfach“ (씰Abb. 4).
Unerwünschte
Arzneimittelwirkungen
(UAW) wurden in weniger als 1% aller Patienten berichtet. Sie wurden von den Studienärzten als nicht schwerwiegend eingestuft. Neue
Signale hinsichtlich des Verträglichkeits- und
Sicherheitsprofils im Vergleich zur Fachinformation wurden nicht beobachtet.
Fazit für die Praxis
Beide Studien zeigen laut Meißner, dass die
weit überwiegende Mehrheit der Patienten mit
einer Fentanyl-Buccaltablette in den Dosierungen zwischen 100 und 400 μg eine deutliche
Linderung der Durchbruchschmerzen verspürte. Die Handhabung wurde als sehr einfach beschrieben. Die Lebensqualität besserte sich sowohl hinsichtlich der körperlichen Funktion als
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auch im Hinblick auf die emotionale Befindlichkeit. Dies drückte sich auch in einer gestiegenen sozialen Aktivität aus. Welche „Titrationsphilosophie“ am besten ist, wird die endgültige
Auswertung der internationalen Phase-IIIb/IVStudie zeigen, so Meißners Fazit.
Interdisziplinäre Kooperation
und Kommunikation
Onkologische Erkrankungen münden in rund
80% aller Fälle in eine palliative Behandlungssituation. Dies ist für Dr. Bernd Oliver Maier,
Leiter der Abteilung Palliativmedizin an den Dr.
Horst Schmidt Kliniken, Wiesbaden, Anlass, sich
über das Verhältnis der Onkologie und der Palliativmedizin sowie die Folgen für den betroffenen Patienten Gedanken zu machen.
Die Palliativmedizinischen Therapiekonzepte wenden sich an Menschen mit fortschreitenden, weit fortgeschrittenen Erkrankungen mit
begrenzter Lebenserwartung. Sie verfolgen das
Ziel trotz Unabänderlichkeit des absehbar tödlichen Verlaufs einer Krankheit den Betroffenen
eine Perspektive zu vermitteln, die neben körperlichem Wohlbefinden auch Impulse zur
Sinnstiftung trotz bestehender und zu erwartender Einschränkungen gibt.
Das „onkologische Palliativverständnis“
beschreibt dabei herkömmlich eine reine Behandlungsintention. Ziel ist nicht Heilung, sondern „Lebenszeit“ für den Betroffenen durch
Verzögerung des Tumorwachstums zu erreichen. Das „Palliative Palliativverständnis“ beschreibt einen multiprofessionellen Ansatz, der
das subjektive Befinden anstelle der objektivierbaren Befunde setzt.
Aus der unterschiedlichen Sprache von Onkologen und Palliativmedizinern entsteht eine
Vielzahl möglicher Missverständnisse über die
Frage, wessen Aufgabe die palliative Behandlung letztlich ist.
Die frühzeitige Integration der Palliativmedizin in die Onkologie ist nach Ansicht von Maier ein zukunftsweisendes Konzept. Die vermehrte interprofessionelle Kommunikation
kann dazu beitragen, dass der Patient trotz einer weit fortgeschrittenen, nicht kurativ behandelbaren Erkrankung seine Situation als
selbstbestimmt erfährt und er von Synergieeffekten im Hinblick auf die somatische Behandlung profitiert.
Unter einer frühen Einbindung der Palliativmedizin versteht Maier den Zeitpunkt, wenn
die Patienten erfahren, dass sie an einer unheilbaren Tumorerkrankung leiden. Maier sieht in
dieser Situation mehrere Kommunikationsebenen. Aus der Sicht des Patienten stellt sich die
Abb. 3
Beurteilung der
Schmerzlinderung
und der Dauer bis
zur ausreichenden
Schmerzlinderung
(Nichtinterventionelle Studie in Deutschland)
Abb. 4
Handhabbarkeit und
Zufriedenheit
im Patientenurteil
(Nichtinterventionelle Studie in Deutschland)
Information der Diagnose oft wie die Verkündigung eines Urteils dar. Dies setzt starke Emotionen frei – nicht nur beim Patienten, sondern
auch, wie mehrfach nachgewiesen, beim Behandler. Eine zweite Kommunikationsebene ist
die Entscheidung für die „richtige“ Therapie
angesichts eines sich rasch wandelnden Therapieangebotes. Dies empfindet der Patient nicht
selten ebenso als „Lotteriespiel“ wie die die
Suche des Patienten nach verlässlichen Verbündeten auf seiner Reise durch die Krankheit.
Maier: „Es ist leicht vorstellbar, dass in diesem
Kontext die Fülle der potenziell verfügbaren
Ansprechpartner nicht zwangsläufig garantiert, dass damit eine Qualität in der Patientenbegleitung gewährleistet ist.“
Vorteile auch bei harten
onkologischen Endpunkten
Inzwischen liegen auch Daten vor, dass die frühe Einbeziehung palliativer Interventionen in
das Behandlungskonzept auch zu Vorteilen bei
harten onkologischen Endpunkten wie dem
Gesamtüberleben führen kann, unterstrich
Maier. Er verwies auf die so genannte „TemelStudie“, die von einer Arbeitsgruppe um Prof.
Jennifer Temel vom Massachusetts General
Hospital in Boston/USA durchgeführt und 2010
im renommierten New England Journal of Medicine veröffentlicht wurde (6). In der Studie
wurde die Wirkung palliativmedizinischer
Maßnahmen bei 151 Patienten mit einem fortgeschrittenen nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) untersucht, wenn diese unmittelbar nach Diagnosestellung und danach während der gesamten Behandlungszeit in Anwendung kommen.
Die Patienten erhielten dabei entweder eine
standardisierte onkologische Behandlung plus
palliativmedizinische Maßnahmen oder ausschließlich eine standardisierte onkologische
Behandlung. Der Beobachtungszeitraum betrug 12 Wochen.
Die Auswertung zeigte für die Palliativgruppe ein signifikant längeres Überleben von 11,6
Monaten vs. 8,9 Monaten (p = 0,002), „obwohl
in der Palliativgruppe signifikant weniger Patienten eine aggressive „End-of-life“-Behandlung erhalten hatten (33% vs. 45%; p = 0,05)“,
wie die Autoren betonen. Gleichzeitig verzeichnete die Palliativgruppe eine signifikant bessere Lebensqualität auf der FACT-L-Skala
(p=0,03) und weniger depressive Symptome
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(p=0,01) als die standardisiert onkologisch behandelten Patienten. Die Studie macht deutlich, hob Maier hervor, dass der frühe Einsatz
palliativer Maßnahmen nicht nur bei „weichen“ Studienendpunkten wie der Lebensqualität und Spiritualität Vorteile bringt, sondern
auch bei „harten“ und in der Onkologie anerkannten
Endpunkten
wie
dem
Gesamtüberleben erfolgreich ist.
Die Daten der Temel-Studie haben inzwischen eine intensive Diskussion über die zugrunde liegenden Ursachen ausgelöst. Wenngleich die Tremel-Studie bislang nicht bestätigt
ist, so verleiht sie der eher auf „Common Sense“ (gesunder Menschenverstand) statt „Evidence“ (Evidenz) basierten Forderung der Palliativmedizin nach möglichst frühzeitiger Einbindung in die Behandlung der betroffenen Patienten Nachdruck.
Maier hebt hier als Vermittlungsansatz vor
allem den Aspekt der Kommunikation sowohl
zwischen Behandlern und Patienten als auch
den Behandlern verschiedener Fachbereiche
untereinander hervor. „Um derartige Modelle
zu entwickeln, benötigen wir eine veränderte
Kommunikationskultur“, betonte Maier.
Ideologische Hürden
Dieser Ansatz wird auf beiden Seiten nicht nur
mit Sympathie verfolgt. Zwischen Onkologen
und Palliativmedizinern bestehen ideologische
Differenzen, die sich auffallend gleichen. Beide
Seiten werfen sich eine fehlende Expertise für
das andere Fach vor und beklagen eine unzureichende Bereitschaft, diese Expertise einzuholen und entsprechend zu berücksichtigen.
Zu den weiteren Hindernissen gehört die unzureichende Berücksichtigung der interprofessionellen Kommunikation in der ärztlichen Ausund Weiterbildung. Maier: „Ärzte sollten weniger Angst vor dem falschen Wort haben.“
Auf Seiten der Fachgesellschaften beklagte
er das Fehlen von Leitlinien zu Therapiebegrenzung und-abbruch, mangelnde Standardisierung von Alternativangeboten sowie die Zeitintensität, die durch das geltendende Honorarsystem nicht belohnt wird.
Onkologe
Therapie
Schmerz
Sterbephase
Untersuchung
Progress
Schmerz
Schmerztherapeut
Erstdiagnose
Hausarzt
Schmerz
Schmerz
Palliativmediziner
Zeit
Abb. 5 Die frühe Integration der Palliativmedizin in den onkologischen Behandlungspfad erleichtert
dem Patienten die Orientierung und gibt dem Patienten Orientierung im Krankheitsprozess. Fragen und
Bedürfnisse des Patienten erhalten einen zentralen Stellenwert.
Dem Patienten mehr
Orientierung geben
Die frühe Integration der Palliativmedizin bereits ab dem Zeitpunkt der Erstdiagnose schafft
in den Augen von Maier einen ordnenden Rahmen für Patienten und Angehörige. Denn die
„Patientenkarriere“ des Umherirrens zwischen
den verschiedenen Ansprechpartnern sieht in
dieser Lebens- und Behandlungssituation oft
sehr ungeordnet aus (씰Abb. 5). Maier: „Dadurch wird gewährleistet, dass das, was passiert, koordiniert abläuft, die wichtigen Punkte
gesehen und angesprochen werden und die Patienten und ihre Angehörigen wissen, an wen
sie sich wenden können.“ Er sieht dies derzeit
weniger als eine Spezifität einer bestimmten
Fachdisziplin als vielmehr als Maßstab der
Qualität der Kommunikation und Problemhaltung.
Die nachfolgende Diskussion mit dem Plenum zeigte, dass an den Kliniken sehr unterschiedliche Beteiligungs- und Kommunikationsstrukturen zwischen Onkologen und Palliativmediziniern existieren. Maier machte deutlich, dass sich Veränderungen zugunsten einer
vermehrten Mitsprache der Palliativmedizin
nicht „über Nacht“ erreichen lassen.
Er hat an seiner Klinik die Erfahrung gemacht, dass sich allein die Anwesenheit eines
palliativmedizinischen Vertreters im Tumorboard sehr positiv auf die Kommunikationskultur
auswirkt. Das kann bei der Frage sein, was der
Betroffene in dieser Behandlungssituation eigentlich will, bis hin zu konsiliarischen Anfragen, die eher am Rande dieser Konferenzen behandelt werden.
Dr. Alexander Kretzschmar, München
Literatur
1. Davies AN et al. The management of cancer-related
breakthrough pain: recommendations of a task
group of the Science Committee of the Association
for Palliative Medicine of Great Britain and Ireland.
Eur J Pain. 2009; 13(4): 331–338.
2. Hagen NA et al. A titration strategy is needed to manage breakthrough cancer pain effectively: observations from data pooled from three clinical trials. J
Palliat Med. 2007; 10(1): 47–55.
3. Hanks GW et al. Morphine and alternative opioids
in cancer pain: the EAPC recommendations. Br J
Cancer. 2001; 84(5): 587–593.
4. Mercadante S. The use of rapid onset opioids for
breakthrough cancer pain: The challenge of its dosing. Crit Rev Oncol Hematol 2011;
doi:10.1016/j.critrevonc.2010.12.002
5. Portenoy RK et al. The nature of opioid responsiveness and its implications for neuropathic pain: new
hypotheses derived from studies of opioid infusions. Pain 1990; 43(1): 279–286.
6. Temel JS et al. Early Palliative Care for Patients with
Metastatic Non-Small-Cell Lung Cancer. N Engl J
Med 2010; 363(8): 733–742
Quelle: Satellitensymposium „Worauf es wirklich ankommt: Kooperation und Kommunikation“ im Rahmen
des Palliativtages 2011 der Deutschen Gesellschaft für
Palliativmedizin am 10. September 2011, Saarbrücken.
Veranstalter: Cephalon GmbH, München.
Hinweis: Dieser Beitrag entstand mit freundlicher
Unterstützung der Cephalon GmbH, München.
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PneumoOnkologie
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Fortgeschrittenes nicht-kleinzelliges Lungenkarzinom
Neue ASCO-Empfehlungen
zur Chemotherapie beim NSCLC
im Stadium IV
Wie soll die Chemotherapie künftig beim fortgeschrittenen nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (NLSCLC) aussehen? Die ASCO (American Society of Clinical Oncology)
hat jetzt ihre Empfehlungen zu den klinischen Praxisrichtlinien für eine Chemotherapie beim NSCLC im Stadium IV aus dem Jahr 2009 aktualisiert (1, 2).
In den aktuellen Empfehlungen wurde versucht, einige Fragen zu beantworten, die seit
2009 zur Therapie des NSCLC Stadium IV verstärkt diskutiert werden:
● Welches ist die beste Chemotherapie zur
Therapie von Patienten mit einem Performance Status (PS) 2 sowie für ältere Patienten über 65 oder 70 Jahre?
● Ist Cisplatin wirksamer als Carboplatin in
der Erstlinientherapie?
● Inwieweit profitieren die Patienten von einer zielgerichteten Therapie in Bezug auf
das Gesamtüberleben, die Toxizität sowie
die Lebensqualität/Symptombessserung?
● Welche Bedeutung hat eine Drittlinientherapie?
● Welche Bedeutung hat die Molekulargenetik bei der Versorgung von Chemotherapeutika?
Neuere Daten aus mehreren Phase-III-Studien
haben gezeigt, so die ASCO-Task-Force, dass
bei Patienten mit NSCLC im Stadium IV, die vier
Zyklen einer Erstlinien-Chemotherapie erhalten hatten und deren Erkrankung nicht fortgeschritten war, ein unmittelbarer Wechsel zu
einer alternativen Chemotherapie mit einer
Monosubstanz das progressionsfreie Überleben, und in manchen Fällen auch das Gesamtüberleben verlängern kann. Alternativ
kann nach einer Krankheitsprogression eine
Therapie mit einer Zweitliniensubstanz durchgeführt werden.
Die Empfehlungen werteten insgesamt sieben kontrollierte, randomisierte Studien mit
Carboxyaminoimidazol, Docetaxel, Erlotinib,
Gefitinib, Gemcitabin, und Pemetrexed aus, die
auf die Erstlinientherapie angesprochen hatten
und bei denen direkt danach mit einer Erhaltungstherapie mit einer neuen Substanz begonnen wurde („Switch-Maintenance“ ).
Was sich geändert hat
Die ASCO-Task-Force leitete daraus eine Neufassung der Empfehlung A6 ab
● Bei Patienten mit NSCLC im Stadium IV soll
die zytotoxische Erstlinien-Chemotherapie
bei Eintreten einer Krankheitsprogression
sowie bei Patienten mit stabiler Erkrankung
ohne Therapieresponse nach vier Zyklen beendet werden.
● Therapieregime mit zwei Chemotherapeutika sollen über maximal sechs Zyklen verabreicht werden.
● Bei Patienten mit stabiler Erkrankung oder
einer Response nach vier Zyklen kann als
Folgebehandlung eine Monotherapie mit
einem Chemotherapeutikum wie beispielsweise Pemetrexed bei Patienten mit NichtPlattenepithelkarzinomen sowie Docetaxel
oder Erlotinib bei einer unselektierten Patientenpopulation gewählt werden. Alternativ kann nach dem Ende der zytotoxischen Chemotherapie zu einem festgelegten Zeitpunkt mit einer Zweitlinien-Chemotherapie bei einer Krankheitsprogression
begonnen werden.
Darüber hinaus können Patienten, die Cisplatin
oder Vinorelbin erhalten, von einer Kombination mit Cetuximab profitieren. Bevacizumab
eignet sich als Kombinationspartner mit Carboplatin und Paclitaxel mit Ausnahme von Patienten mit einem Plattenepithelkarzinom...
Bislang gibt es laut ASCO keine ausreichenden Daten, um den Einsatz von Erlotinib und
Gefitinib bei Patienten mit EGFR-Mutationen in
der Erstlinien- von der Zweitlinien- oder Erhaltungstherapie abzugrenzen. Keine Empfehlung
wird auch gegeben bezüglich einer „SwitchMaintenance-Therapie“ bei Patienten, die in
der Erstlinientherapie Cetuximab oder Bevacizumab erhalten haben. Hier gibt es zum Zeitpunkt der Aktualisierung der Empfehlungen
noch keine Daten zum Gesamtüberleben.
In der Drittlinientherapie wird bei Patienten
mit einem PS 0–3 Erlotinib empfohlen, wenn
die Patienten zuvor weder Erlotinib noch Gefitinib erhalten hatten. Keine ausreichenden Daten gibt es für eine konkrete Empfehlung pro
oder contra Drittlinien-Chemotherapie.
Routinemäßige molekularbiologische Typisierung?
Nicht erfüllt hat die ASCO die Erwartungen einer positiven Haltung für eine molekularbiologische Typisierung, weil das NSCLC eine Reihe
biologisch sehr unterschiedlicher Erkrankungen umfasst. Zum jetzigen Zeitpunkt rät die ASCO noch nicht dazu, routinemäßig eine molekularbiologische Testung durchzuführen, da es
bislang keinen Nachweis gibt, dass dies zu einer Verlängerung des Gesamtüberlebens führt.
„Für Patienten mit einer EGFR-Mutation mag
Erlotinib oder Gefitinib die beste Erstlinientherapie sein, aber sie ist auch sehr gut als Zweitoder Drittlinientherapie, so die Aussage der
Fachorganisation.
Allerdings wird den behandelnden Ärzten
geraten, bei einer Biopsie so viel Gewebe zu
entnehmen, dass später weitere Untersuchungen aus wissenschaftlichem Interesse durchgeführt werden können.
Dr. Alexander Kretzschmar; München
Literatur
1. Azzoli CG et al. 2011 Focused update of 2009 American Society of Clinical Oncology clinical practice
guideline update on chemotherapy for stage IV
non-small-cell lung cancer. J Oncol Pract 2011; 29:
3825–3831.
http://jco.ascopubs.org/cgi/
doi/10.1200/JCO.2010.34.2774
2. Azzoli CG et al. American Society of Clinical Oncology clinical practice guideline update on chemotherapy for stage IV non-small-cell lung cancer. J
Oncol Pract 2010; 6(1): 39–43.
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Kongressnachlese
WCLC 2011
235
14th World Conference on Lung Cancer (WCLC)
Personalisierte Tumortherapie
auf dem Vormarsch
Die 14. WCLC stand in diesem Jahr unter dem Motto „Better Care through Personalized Medical Approaches“. Entsprechend beinhaltete das Kongressprogramm zahlreiche Sitzungen zu Biomarkern, molekularer Pathologie und neuen Ansätzen der „targeted therapy“.
Ähnlich wie seit einigen Jahren beim Mammakarzinom ist in letzter Zeit auch beim nichtkleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) eine
Aufsplittung in zahlreiche molekulare Subgruppen zu verfolgen. „Wir differenzieren den
Lungenkrebs heute nicht mehr allein auf Basis
der Histologie, sondern zunehmend auf Basis
genomischer Veränderungen, die auch therapeutische Angriffspunkte liefern“, konstatierte
Prof. Pasi A. Jänne, Boston, USA. Erstes Target
beim NSCLC war der EGF-Rezeptor (EGFR), gegen den der molekulare Antikörper Cetuximab
sowie die Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) Erlotinib und Gefitinib entwickelt wurden. Vor einigen Jahren wurde u. a. durch Arbeiten von Jänne mit den EGFR-Mutationen ein molekularer
Prädiktor für die Effektivität dieser TKIs identifiziert.
Affinität zum mutierten als zum Wildtyp-(WT)
EGFR besitzt, maßen sie die Aufnahme von
11C-markiertem Erlotinib in das Tumorgewebe
mittels PET bei je 5 Patienten mit Wildtyp-(WT)
und mutiertem EGFR.
Tumoren mit positivem Mutationsstatus fielen durch eine signifikant höhere Aufnahme
von [11C]-Erlotinib in den Tumor auf als Tumoren mit WT-EGFR. Auch zeigte sich eine Korrelation zwischen TKI-Aufnahme und Ansprechen:
Eine Response auf Erlotinib wurde nur bei Tumoren mit starker Aufnahme festgestellt. Dagegen korrelierte die EGFR-Expression im Tumor nicht mit der Aufnahme von [11C]-Erlotinib: Eine hohe Rezeptor-Expression wiesen fünf
Patienten mit mutiertem und vier Patienten mit
WT-EGFR auf. „Das PET mit [11C]-Erlotinib erlaubt es uns also, mutationspositive und -negative Patienten zu unterscheiden. Die Technik er-
scheint daher vielversprechend, um Patienten
zu selektieren, die von der TKI-Therapie profitieren“, resümierte Bahce.
EGFR-Score als prädiktiver
Marker
Für den Erfolg der TKI-Therapie ist die EGFR-Expression im Tumor nicht relevant. Eine neue
Analyse der FLEX-Studie hat jetzt aber gezeigt,
dass dieser Parameter als Prädiktor für das Gesamt-Überleben unter platinbasierter Chemotherapie plus Cetuximab herangezogen werden kann (2). Die FLEX-Studie verglich bei mehr
als 1100 NSCLC-Patienten das Regime Cisplatin/Vinorelbin mit oder ohne zusätzliche Gabe
des Antikörpers. Die Intent-to-treat-Analyse
hatte vor einigen Jahren einen moderaten Benefit der Cetuximab-Addition mit einer Überlebensverlängerung um gut einem Monat ergeben. Die aktuelle, auf dem WCLC präsentierte
Auswertung hat jetzt erstmals eine Assoziation
zwischen Ausmaß der EGFR-Expression im Tumor und Überleben zeigen können: Patienten
mit hohem EGFR-Score (IHC ≥200), die 31%
des Gesamtkollektivs stellten, überlebten bei
alleiniger Chemotherapie lediglich 9,6 Monate,
bei zusätzlicher Antikörper-Gabe dagegen
zwölf Monate (씰Abb. 1). Die 1-Jahres-Überlebensrate stieg von 37% im Cisplatin/Vinorelbin-Arm auf 50% im Cetuximab-Arm, die
2-Jahres-Rate von 15% auf 24%. Bei Patienten
PET zur EGFR-Mutationstestung
„Aktivierende EGFR-Mutationen sind bei rund
10% aller Patienten mit fortgeschrittenen Adenokarzinomen der Lunge vorhanden“, informierte Dr. Idris Bahce, Amsterdam, Niederlande. Ihr Nachweis erfordert bislang die molekularpathologische Aufarbeitung von Tumorgewebe mit Sequenzierung der Exon 19 und 21
des EGFR-Gens. Laut Bahce ist dieses Vorgehen
allerdings oftmals eine Herausforderung, da
bronchoskopisch gewonnene Gewebeproben
für die Mutationsanalyse vielfach nicht ausreichen. Sinnvoll sei daher die Entwicklung nicht
invasiver Verfahren für den Nachweis von
EGFR-Mutationen.
Seine Arbeitsgruppe prüfte den Stellenwert
der Positronen-Emissionstomografie (PET) bei
der Identifizierung von Patienten mit positivem
Mutationsstatus (1). Da Erlotinib eine höhere
Abb. 1 FLEX-Studie: signifikante Überlebensverlängerung durch zusätzliche Gabe von Cetuximab
zur Platin-Doublette bei NSCLC-Patienten mit hohem EGFR-Score (*wenn ausgeglichen für den prognostischen Faktor: HR 0,67 [95% KI 0,52-0,87], p = 0,002).
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WCLC 2011
236
Endsonografie ist Mediastinoskopie überlegen
Tagungsort war das
Amsterdam RAI Convention Centre (Foto:
K. Arnheim, Freiburg)
mit niedrigem EGFR-Score fand sich dagegen
kein Benefit der Antikörper-Addition.
Von Cetuximab profitierten Patienten mit
hoher EGFR-Expression unabhängig von der
Tumorhistologie: Bei Patienten mit Adenokarzinomen verlängerte sich das Gesamt-Überleben
von 13,6 Monaten im Kontrollarm auf 20,2 Monate im Cetuximab-Arm. „Diese Patienten hatten also einen erheblichen Nutzen von der zusätzlichen Cetuximab-Gabe“, betonte Dr. Robert Pirker, Wien, Österreich. Ähnliches gilt für
Patienten mit Plattenepithelkarzinomen: Nur
zytostatisch behandelte Patienten überlebten
median 8,9 Monate, zusätzlich mit Cetuximab
behandelte Patienten dagegen 11,2 Monate
(HR 0,62). Cetuximab ist damit die erste „targeted therapy“, die auch beim Plattenepithelkarzinom aktiv ist.
Die Verträglichkeit des Cetuximab-Regimes
war bei Patienten mit hohem und niedrigem
EGFR-Socre vergleichbar, obwohl Patienten mit
hohem Score eine deutlich höhere kumulative
Dosisintensität erhielten (3). Das Nutzen/Risiko-Profil der Cetuximab-Therapie wurde damit
deutlich verbessert, betonte Prof. Kenneth
O’Byrne, Dublin, Irland.
Fusionsgen EML4-ALK als
neues Target
Mit EML4-ALK wurde vor kurzem ein weiteres
Schlüsselmolekül der Onkogenese beim NSCLC
identifiziert, berichtete Prof. Tony Mok, Hongkong, China. Das Fusionsgen führt zur Bildung
chimärer zytoplasmatischer Proteine mit kon-
stitutiver Kinase-Aktivität. EML4-ALK charakterisiert eine eigenständige molekulare NSCLCSubgruppe, bei der eine gezielte Hemmung,
beispielsweise mit dem oralen Inhibitor Crizotinib möglich ist.
Derzeit läuft eine Phase-II-Studie, in der Crizotinib bei meist intensiv vorbehandelten ALKpositiven Patienten geprüft wird (4). Bislang
wurden 136 der geplanten 400 Patienten rekrutiert. Es handelt sich überwiegend um Nie- oder
Ex-Raucher (96%) und Patienten mit Adenokarzinomen (96%). Jeder zweite Patient (51%)
sprach auf Crizotinib an, davon einer mit einer
kompletten Remission, berichtete Prof. Gregory
Riely, New York, USA. Bei einem weiteren Drittel
(34%) stabilisierte sich der Tumor. Häufigste Nebenwirkung von Crizotinib sind leichte Sehstörungen (Grad 1/2) bei etwa 60% der Patienten
sowie ebenfalls meist leichte gastrointestinale
Beschwerden. Häufigste Nebenwirkungen vom
Grad 3/4 sind erhöhte Leberwerte und Neutropenien bei 6,6% bzw. 5,1% der Patienten.
Laut einer retrospektiven Analyse führt die
Crizotinib-Therapie bei NSCLC-Patienten mit
Rearrangements im ALK-Gen zu einer deutlichen Überlebensverlängerung (5). Während
historische Kontrollen, d. h. Crizotinib-naive
ALK-positive Patienten unter einer Zweit- oder
Drittlinientherapie median nur sechs Monate
überlebten, war der Überlebens-Median bei
mit Crizotinib behandelten Patienten im gleichen Setting noch nicht erreicht. „Mit Crizotinib scheinen wir den natürlichen Verlauf des
ALK-positiven NSCLC grundlegend ändern zu
können“, resümierte Dr. Alice Tsang Shaw,
Boston, USA.
Bei Patienten mit potenziell operablem NSCLC
galt die Mediastinoskopie lange als Goldstandard beim Staging. Zwei auf dem WCLC vorgestellte Studien zeigen nun, dass kombinierte
Strategien mit endo-ösophagealem (EUS) und
endobronchialem Ultraschall (EBUS) und anschließendem operativem Staging im Falle eines
negativen Ultraschallbefunds dem alten Verfahren eindeutig überlegen sind. In der ASTER-Studie, in der 241 Patienten zu Mediastinoskopie
oder zu EUS/EBUS plus eventuellem chirurgischem Staging randomisiert wurden, war die
Sensitivität des endoskopischen Vorgehens mit
85% höher als die der Mediastinoskopie mit
79%. Mit einer Sensitivität von 94% schnitt das
kombinierte Vorgehen allerdings am besten ab,
berichtete Dr. Robert Rintoul, Cambridge, UK.
Zudem war die Lebensqualität der Patienten im
Endoskopie-Arm bei ähnlichen Kosten signifikant besser als die im Standardarm (6).
Untermauert werden die Ergebnisse durch
eine Serie von mehr als 600 Patienten, bei denen
die diagnostische Aufarbeitung mittels EUS oder
EBUS durchgeführt wurde. Ein invasives Restaging bei negativem Befund erfolgte durch transzervikale erweiterte mediastinale Lymphadenektomie (TEMLA), erläuterte Dr. Marcin Zielinski, Zakopane, Polen. Seine Arbeitsgruppe ermittelte eine Sensitivität von 88,9% für die sonografischen Techniken und von 98,6% für den
kombinierten Ansatz mit TEMLA (7). Aufgrund
dieser Daten empfahl Rintoul die Endoskopie für
das initiale Staging und invasive Methoden nur
als „Backup“, wenn die Endoskopie keinen Hinweis auf einen Tumor ergibt.
Dr. Katharina Arnheim, Freiburg
Literatur
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
Bahce I et al. WCLC 2011; Abstr. 1910
Pirker R et al. WCLC 2011; Abstr. 1557
O’Byrne K et al. WCLC 2011; Abstr. O31.03
Riely GJ et al. WCLC 201; Abstr. 1618
Shaw AT et al. WCLC 2011; Abstr. 1207
Rintoul RC et al. WCLC 2011; Abstr. 840
Zielinski M et al. WCLC 2011; Abstr. 2593
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WCLC 2011
237
EGFR-Tyrosinkinase-Inhibitoren
Europäische Patienten profitieren
Weitere Daten sprechen dafür, dass bei EGFR-positiven NSCLC-Patienten ein EGFR-Tyrosinkinase-Inhibitor wie Erlotinib oder Gefitinib eingesetzt werden sollte. Der Nachteil vieler Studien dazu war, dass in den Untersuchungen oft nur asiatische Patienten erfasst
wurden. Diesen Nachteil überwindet jetzt die zum WCLC vorgestellte EURTAC-Studie (1).
In der prospektiven, randomisierten, kontrollierten Phase-III-Studie, die die 1st-Line-Therapie mit
Erlotinib versus einer platinbasierten Chemotherapie bei Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC
mit aktivierenden EGFR-Mutationen prüft, wurden erstmals nur westliche Patienten einbezogen.
Nach Auskunft von Studienleiter Prof. Radj Gervais, Caen/Frankreich, weisen bis zu 10% aller
NSCLC-Patienten solche Mutationen auf.
In der EURTAC-Studie bewirkte die Gabe von
Erlotinib im Vergleich zu einer platinbasierten
Chemotherapie eine signifikante Verlängerung
der Zeit bis zum Fortschreiten der Erkrankung und
gleichzeitig erwies sich das Verträglichkeitsprofil
des EGFR-Inhibitors als besser. Die Studie wurde
aufgrund des gezeigten Vorteils vorzeitig beendet. Der primäre Endpunkt – das progressionsfreie Überleben (PFS) – wurde durch Erlotinib nahezu verdoppelt. Es betrug 9,4 Monate im Erlotinib-Arm und 5,2 Monate im Chemotherapie (HR:
0,37; p<0,0001). Ebenfalls beobachtet wurde ein
positiver Trend zu einem verbesserten Gesamtüberleben (22,9 Monate vs. 18,8 Monate, p =
0,42). Gervais wies daraufhin, dass wahrscheinlich wie in den meisten momentan vorgelegten
Firstline-Studien beim NSCLC kein signifikanter
Vorteil beim Gesamtüberleben zu erwarten ist, da
ein starker Crossover erlaubt war und stattfand.
Resistenzen überwinden
In Amsterdam wurde auch über die Entwicklung von Resistenzen gegen EGFR-Inhibitoren
wie Erlotinib und Gefitinib diskutiert. Die Zeit-
Literatur
Amsterdams Grachten (Foto: P. Henning, Stuttgart)
Sterotaktische ablative Bestrahlung (SABR)
Therapieoption für ältere Patienten
Häufig weisen neudiagnostizierte NSCLC-Patienten mit einem geringen Krankheitsstadium ein höheres Alter von 75 Jahre und mehr auf. Sollte man eine Behandlung anbieten, oder sich auf eine gute supportive Therapie beschränken? Einen Ausweg aus
diesem Dilemma könnte die ablative sterotaktische Bestrahlung (SABR) bieten. Diese
Methode – oft auch als „stereotactic body radiotherapy“ bezeichnet – kann in ambulanter Manier erfolgen und umfasst nur 3 bis 5 Bestrahlungen.
Laut Dr. Suresh Senan, Amsterdam/Niederlande, ist bei den meisten dieser älteren Patienten
aufgrund eines eingeschränkten Gesundheits-
räume, bis solche Resistenzen entstehen, variieren von Patient zu Patient. Im Median treten
diese erst nach mehr als einem Jahr auf, doch es
gibt auch Betroffene, die bereits nach 2 bis 3
Monaten eine Resistenzentwicklung zeigen.
Andere Lungenkrebspatienten können dagegen jahrelang erfolgreich mit EGFR-Inhibitoren
behandelt werden, ohne dass es jemals zu Resistenzen kommt, berichtete Prof. Michael
Boyer, Syndney/Australien (2).
Neue Daten aus seiner Phase-II-Studie demonstrieren nun, dass diese Entwicklung vorangeht. In dieser aktuellen Untersuchung wurde PF299804, ein irreversibler EGFR-Inhibitor
mit Erlotinib bei Patienten mit einem fortgeschrittenen NSCLC verglichen, die einen Progress schon nach einem Zyklus Chemotherapie
erlitten. Die experimentelle Substanz zeigte
sich Erlotinib überlegen mit einem PFS von 12,4
Monaten vs. 8,3 Monate (p = 0,012). Die meisten unerwünschten Nebenwirkungen des neuen Medikaments waren Diarrhöe und Rash. Auf
der Basis dieser Ergebnisse wird momentan eine Phase-III-Studie begonnen.
Bettina Reich, Hamburg
zustands keine Operation mehr durchführbar.
Zudem ist die normale Bestrahlung ebenfalls
nur eingeschränkt einsetzbar, denn sie umfasst
1. Gervais R et al. 14th World Conference on Lung
Cancer (WCLC) vom 3. bis 7. Juli 2011, Amsterdam,
Abstract 733.
2. Boyer M. et al. 14th World Conference on Lung
Cancer (WCLC) vom 3. bis 7. Juli 2011, Amsterdam,
Abstract 1348.
eine tägliche Bestrahlung über 6 oder 7 Wochen und ist mit einer hohen Rückfallrate verbunden. Daher lehnen viele Patienten diese Behandlung von Beginn an ab oder sie ist nur
schlecht bei ihnen durchführbar.
Die in der Presidential Session präsentierte
Studie zur Klärung dieser Frage analysierte Daten aus dem niederländischen Krebsregister
(1). Eingeschlossen wurden 4605 Patienten im
Alter von ≥75 Jahren, die zwischen den Jahren
2001 und 2009 mit einem NSCLC im Stadium I
diagnostiziert worden sind. In diesem Zeitraum
stieg der Anteil der Patienten, die eine Bestrahlung erhielten, von 31,2 auf 37,7%. Gleichzeitig nahm der Anteil der unbehandelten Patienten von 31,9% auf 24,9% ab.
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238
ausgegangen werden kann, dass rund 90%
dieser Population eine SABR bekommen. „Therapeutischer Nihilismus ist es jedenfalls, den
Patienten keine Behandlung zu geben, denn
uns steht mit der SABR eine effektive Option
auch für ältere Patienten zur Verfügung“, so Senan abschließend.
Bettina Reich, Hamburg
Über die Grachten
konnten die Waren
bequem zu den Handelshäusern transportiert werden (Foto: P. Henning, Stuttgart)
Das mediane Überleben dieser Patienten
stieg in dem beobachteten Zeitraum durch die
Bestrahlung um 10 Monate von 16,8 auf 26,1
Monate an (p<0,0001). Senan verwies darauf,
Literatur
1. Senan S et al. 14th World Conference on Lung Cancer (WCLC) vom 3. bis 7. Juli 2011, Amsterdam,
Abstract 1252.
Quelle: 14th World Conference on Lung Cancer, Amsterdam, 3.-7. Juli 2011
dass in den Niederlanden immerhin 70% aller
Patienten im Untersuchungszeitraum mit SABR
bestrahlt worden sind. Die Zahl steigt seiner Erfahrung an immer mehr an, sodass jetzt davon
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239
Was tun nach der Erstlinientherapie des NSCLC?
Die wissenschaftliche Evidenz
für die Erhaltungstherapie wächst
Die auf dem 14. WCLC-Kongress vorgestellten Studien verstärken die wissenschaftliche Evidenz für eine Erhaltungstherapie nach Erstlinientherapie des fortgeschrittenen
nichtkleinzelligen Lungenkarzinoms (Non Small Cell Lung Carcinoma, NSCLC). Die Vorteile sind ein verlängertes progressionsfreies Überleben bei akzeptabler Lebensqualität und der Hoffnung auf ein verlängertes Überleben.
Heute gilt die Tumorhistologie zusammen mit
der Mutationsanalyse als wichtiger therapeutischer Wegweiser. Auf dem WCLC befasste sich
ein von der Johns Hopkins Universität organisiertes Symposium unter dem Vorsitz von Prof.
David Ettlinger, Baltimore/USA, mit den daraus entstandenen Konsequenzen für künftige
Therapiealgorithmen des NSCLC.
Mit der Entwicklung der gegen EGFR gerichteten „Small Molecules“ Erlotinib und Gefitinib sowie der monoklonalen VEGF-Antikörper Bevacizumab und Cetuximab haben die für
Prognose und die therapeutische Entscheidung
maßgeblichen Kriterien eine entscheidende Erweiterung erfahren, die heute als ein Standpfeiler einer personalisierten Therapie des
NSCLC gilt (2).
Allerdings gibt es hinsichtlich der Vergleichbarkeit der histologischen Studienbefunde und
zur Qualitätskontrolle noch offene Fragen. Derzeit ist nur die lichtmikroskopische histologische Beurteilung, auch als Basis für eine nachfolgende Mutationsanalyse, für die Verwendung in Studien ausreichend validiert, nicht jedoch die Immunhistochemie.
„Continuation
Maintenance“ oder
„Switch Maintenance“
Paradigmenwechsel ausgelöst, so Ettlinger. Damit hat die Histologie einen Einfluss nicht nur
auf die Wahl der Erstlinientherapie, sondern
auch auf die Folgetherapie.
Für eine Erhaltungstherapie bieten sich laut
Prof. Silvia Novello, Turin/Italien, eine „Continuation Maintenance1“ oder eine „Switch
Maintenance2“ an (씰Tab. 1). Eine Fortführung
der eingeleiteten platinhaltigen Kombinationstherapie über 3 oder 4 Zyklen hinaus als Variante der „Continuation Maintenance“ möchte sie
aber wegen der kumulativen Toxizität nicht
1
2
Continuation Maintenance: Fortführung der begonnenen Therapie mit einer Monosubstanz, welche bereits in den ersten 4 Zyklen der primären
Kombination enthalten war (z. B. Monotherapie
mit Bevacizumab oder Cetuximab).
Switch Maintenance: Fortführung der Therapie mit
einer Monosubstanz, welche in der eingeleiteten
Kombination noch nicht vorgekommen ist.
Tab. 1
Zukunft der personalisierten
Therapie des NSCLC
Über die Behandlungsstrategie und die Prognose von Patienten mit einem NSCLC werden künftig vor allem vier Domänen entscheiden
Histologische und molekulare Marker zur Typisierung und Therapiewahl (mod. nach [2])
Kategorie
Wirkstoffklasse
Marker
Klinisch
EGFR-TKI
Frauen, Nichtraucher, Asiaten (?)
Bevacizumab
Keine Hemoptysis oder Gehirnmetastasen, Alter <70
Jahre (?)
EGFR-TKI
Adenokarzinome
Bevacizumab
Keine Plattenepithelkarzinome wg. Blutungsrisiko
Pemetrexed
Nicht-Plattenepithelkarzinome
Pemetrexed
Thymidylat-Synthetase
Platinderivate
ERCC1/RRM1
Gemcitabin
RRM1
EGFR-TKI
EGFR-Mutation (+) und FISH (-) K-ras-Mutation
Cetuximab
EGFR-IHC; EGFR-FISH (?)
Tumorhistologie
Für Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC
empfiehlt die 2009 aktualisierte ASCO-Guideline bisher insgesamt 4 bis 6 Zyklen einer platinbasierten Chemotherapie, gefolgt von einem
Intervall „Watch and Wait“. Die Erweiterung
der diagnostischen Tumordifferenzierung hat
jedoch bei der Neu-Konzeptualisierung der
Therapie des fortgeschrittenen NSCLC einen
empfehlen. Grundsätzlich muss man auch Grad
1/2-Toxizitäten sehr ernst nehmen, da auch sie
die Lebensqualität stark einschränken können.
Für die italienische Onkologin kommt es bei
der Erhaltungstherapie stark auf die richtige
Patientenselektion an. Die Patienten müssen
die platinbasierte Erstlinientherapie gut toleriert haben, einen guten Allgemeinzustand (PS
0 oder 1) ohne relevante Toxizitäten aufweisen
und den Wunsch nach einer Weiterführung der
Behandlung äußern. Bei Patienten, die sich für
eine Watch-and-Wait-Strategie entscheiden,
muss eine engmaschige Kontrolle gewährleistet sein, um eine beginnende Progression frühzeitig zu erkennen.
Ein wichtiger Meilenstein in der Untermauerung der wissenschaftlichen Evidenz für
eine Erhaltungstherapie ist die Phase-III-Studie
„Paramount“ (4). Paramount ist die erste prospektive randomisierte Studie einer „Continuation Maintenance“ mit Pemetrexed nach Induktion mit Cisplatin/Pemetrexed. Die Studie
untersuchte die Frage, ob durch eine längere
Therapiedauer, also eine Erhaltungstherapie
mit geringerer Intensität, die Zeit bis zum Progress und möglicherweise auch das Gesamtüberleben verlängert werden kann (씰Kasten).
Molekular
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WCLC 2011
240
Paramount-Studie
Patientenrelevante
Vorteile bestätigt
Die Paramount-Studie bestätigt als erste prospektive Studie einer „Continuation Maintenance1“ die Effektivität von Pemetrexed (Alimta®) nach Induktionstherapie mit Cisplatin/
Pemetrexed bei Patienten mit Nicht-Plattenepithelkarzinomen. Damit wird auch der Nutzen einer histologischen Typisierung unterstrichen.
Die Patienten, die unter einer First-LineTherapie mit Pemetrexed und Cisplatin nicht
progredient waren, bekamen im Anschluss
randomisiert weiterhin Pemetrexed (n = 359)
in der gleichen Dosierung (500 mg/m2 alle
drei Wochen) bis zum Fortschreiten der Erkrankung oder eine optimale supportive Behandlung (Best Supportive Care, BSC; n =
180).
Das progressionsfreie Überleben wurde
als primärer Endpunkt durch die Erhaltungstherapie mit Pemetrexed signifikant verlängert. Die Patienten lebten im Mittel 3,9 Monate (95% KI 3,0–4,2) ohne Progress, während
die Erkrankung bei Patienten ohne
Pemetrexed bereits im Mittel nach 2,6 Monaten fortgeschritten war (95% KI 2,2-2,9). Auch
der Anteil der Patienten, bei denen die Erkrankung zunächst kontrolliert werden konnte,
(씰Tab. 2). Darüber hinaus ist nach Ansicht der
Experten ist eine Präzisierung der Indikationsstellung für die Erst- und Zweitlinientherapie mit
platinhaltigen Substanzen, Pemetrexed und den
neuen molekularbiologischen Therapien unter
Berücksichtigung weiterer Therapie-Prädiktoren
wie die molekularen Marker TS, ERCC1 (Excision
Repair Cross-Complementation Group 1) und
RRM1 (Ribonucleotide Reductase M1) notwendig. ERCC1 ist als prädiktiver Marker für Platinresistenz geeignet, und RRM1 bietet sich als Effektivitätsprädiktor für Gemcitabin an (1).
war unter der Erhaltungstherapie signifikant
höher (71,8% vs. 59,6%; p = 0,009). Daten
zum Gesamtüberleben liegen noch nicht vor.
Nebenwirkungen Grad 3/4 waren im
Pemetrexed-Arm signifikant höher (9,2% vs.
0,6). Die Drop-Out-Rate betrug unter
Pemetrexed 5,5% vs. 3,3% unter Placebo. Auf
dem WCLC wurden neue Daten zur Langzeitsicherheit vorgestellt. Der Vergleich der Patienten mit >10 Zyklen Pemetrexed mit den
Patienten mit <10 Zyklen verzeichnete dabei
bei der Grad 3/4 Toxizität nur eine numerische
Steigerung der Laborparameter (13,1% vs.
8,0%; p = 0,194), die Nicht-Laborparameter
(8,3% vs. 9,1%) veränderten sich, ebenso wie
die Inzidenz von Infektionen (1,2% vs. 2,9)
kaum. Signifikant häufiger traten Neutropenien auf (8,3% vs. 2,2%; p = 0,015) (3)
Zusätzlich wurde in Amsterdam ein Studienvergleich präsentiert, der zeigt, dass die Daten der Paramount-Induktionstherapie die Ergebnisse der JMDB-Studie zur Erstlinientherapie mit Pemetrexed/Cisplatin beim fortgeschrittenen NSCLC bestätigen (5). Beide
Studien zeigen konsistente Ergebnisse hinsichtlich der Response und der Krankheitskontrolle, so die Autoren. Auch das Toxizitätsprofil war insgesamt vergleichbar, wenngleich in
der JMDB-Studie wegen der höheren Anzahl
von Zyklen mit Cisplatin einige Toxizitäten
und der Bedarf an Antiemetika etwas höher
waren.
Eine weitere Option ist die Kombination
neuer molekularbiologischen Therapien. Damit
sollen nicht nur synergistische Effekte ausgenutzt werden, sondern auch die Überwindung von Resistenzen, beispielsweise gegen
Substanzen mit EGFR als therapeutischem Target. Entscheidend ist letztlich immer die Abwägung zwischen möglichen Toxizitäten und dem
Überlebensvorteil für den einzelnen Patienten,
so Ettlingers Fazit.
Dr. Alexander Kretzschmar, München
Tab. 2
Determinanten für eine individualisierte
Therapie des NSCLC
TumorCharakteristika
●
●
●
PatientenCharakteristika
●
●
●
TNM-Stadium
Histologie
Tumor-Biomarkerprofil
Gesundheitszustand
Alter und Komorbidität
Patienten-Biomarkerprofil
PatientenPräferenz
●
Toxizitäten
ArztPräferenz
●
Erfahrung mit dem
Medikament
Literatur
1. Bepler G et al. ERCC1 and RRM1 in the international adjuvant lung trial by automated quantitative in
situ analysis. Am J Pathol 2011; 178(1): 69–78.
2. Gandara DR et al. Individualizing therapy for nonsmall-cell lung cancer: a paradigm shift from empiric to integrated decision-making. Clin Lung Cancer 2009; 10(3): 148–150.
3. Gridelli C et al. Safety, resource use, and quality of
life (Qol) results from PARAMOUNT. WCLC 2011,
Abstract O11.06.
4. Paz Ares L et al. PARAMOUNT: Phase III trial results of maintenance pemetrexed plus best supportive care (BSC) versus placebo plus BSC immediately following induction treatment with pemetrexed plus cisplatin for advanced nonsquamous nonsmall cell lung cancer (NSCLC). WCLC 2011, Abstract O01.05.
5. Scagliotti GV First line chemotherapy with pemetrexed plus cisplatin in advanced nonsquamous
non-small cell lung cancer (NSCLC)f – a comparison of two phase 111trials. WCLC 2011, Abstract
O11.06.
Quellen: Satellitensymposium “Histology matters:
personalized therapy for patients with NSCLC” im
Rahmen der 14. World Conference of Lung Cancer
(WCLC), Amsterdam, 3. Juli 2011 und Satellitensymposium “The evolution from empiric to personalized
treatment – the interrelationship of histology, biomarkers, and maintenance therapy” im Rahmen der 14.
World Conference of Lung Cancer (WCLC), Amsterdam, 4. Juli 2011.
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241
Harnblasenkarzinome
Wann ist eine adjuvante Therapie
indiziert?
Auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Urologie stellte Prof. Arnulf
Stenzl, Tübingen, den derzeitigen Diskussionsstand für eine (neo)adjuvante Therapie
beim lokal fortgeschrittenem Harnblasenkarzinom vor. Die aktuellen Empfehlungen
der EAU und ICUD sind hier beim muskel-invasiven Harnblasenkarzinom weiterhin
sehr zurückhaltend. Ein zunehmend wichtiger Orientierungspunkt ist für sie die Qualität des vorangegangenen chirurgischen Eingriffs.
Der „Motor“ für die Etablierung präoperativer
neo-adjuvanter und adjuvanter Therapiestrategien – topische und systemische Chemotherapie, topische Hormontherapie sowie Strahlenund physikalische Therapie – ist die makroskopisch möglichst vollständige operative Entfernung des Harnblasenkarzinoms. Stenzl: „Es geht
hier um eine Verbesserung des operativen Eingriffes und Ausloten einer möglichen Heilung.“
Dies gilt auch für muskelinvasive Harnblasenkarzinome mit Lymphknotenbefall. Immerhin kann
bei 25% dieser Patienten mit normalem präoperativem CT-Befund mikroskopisch bereits ein Befall von Lymphknoten nachgewiesen werden.
Nicht-muskel-invasives
Harnblasenkarzinom
Beim nicht-muskel-invasiven Harnblasenkarzinom (Ist-T1) stellt die adjuvante Instillation mit
Mitomycon C, Anthrazyklinen oder BCG dar. In
einer großen Phase-III-Studie (EORTC 30911)
mit einer mittleren Nachbeobachtungszeit von
9,2 Jahren wurde die postoperative Instillation
von Epirubicin, BCG allein oder in Kombination
mit Isoniazid bei 837 Patienten geprüft (7). Im
Langzeitverlauf konnte ein signifikanter Vorteil
für die BCG-Instillation vs. Epirubicin-Instillation hinsichtlich der Rezidivrate (p<0,001), der
Fernmetastasierung (p = 0,046) und dem Gesamtüberleben (OS) (p = 0,023) gezeigt werden. Dieser Vorteil wurde nicht nur für die
Hochrisikogruppe gezeigt.
Neue Daten zum Gemcitabin zeigen, dass diese Substanz auch in der Instillationstherapie seinen
Platz hat, so Stenzl. Ein weiterer Ansatz ist die Kombination von Chemotherapeutika mit Polyglyzerolen. Derzeit wird in Phase-II-Studien geprüft, ob die-
se klebrigen Substanzen ein besseres Anhaften der
Chemotherapeutika an der Blasenwand ermöglichen. Eine Erhöhung der Kontaktzeit versucht man
auch mithilfe der Erzeugung elektrischer Felder
(EMDA, Electromotive Drug Administration).
Ein weiterer Fokus ist die verbesserte Identifikation von Hochrisikopatienten, denn der
EORTC-Risikoscore „ist nicht so gut wie manche
denken“, so Stenzl. Der Urologe verwies auf den
Versuch, die Progress- bzw. Rezidivwahrscheinlichkeit mithilfe des Genexpressionsprofils zu
bestimmen. Als Kandidaten wurden in einer retrospektiven Pilotstudie mit 16 Patienten mit einem Harnblasenkarzinom Ta G2/3 bei Erstdiagnose eine Deregulierung der Genexpression von
CCND3, HRAS, VEGFR2 und VEGF mit einem erhöhten Rezidivrisiko identifiziert (1).
Muskelinvasives
Harnblasenkarzinom
Der Stellenwert der adjuvanten Chemotherapie
beim lokal fortgeschrittenen muskelinvasiven
Harnblasenkarzinom wird derzeit kontrovers
diskutiert. Die 2011 aktualisierten EAU-Guide-
Biomarker als Prognoseprädiktoren
Für die zukünftige Planung von klinischen Studien ist eine Risikostratifizierung von
Zystektomiepatienten anhand einer Kombination von pathologischen und/oder serologischen/molekularen Risikoparametern von besonderer Bedeutung.
Ein aktuelles Beispiel für die postoperative Risikostratifizierung von Patienten nach radikaler Zystektomie ist der TNR-C-Score, so Stenzl.
Er wurde als prognostischer Score auf der Basis des präoperativen Serum-CRP-Werts und
etablierten pathologischen Risikofaktoren
entwickelt und könnte ein leicht in der klinischen Routine zu bestimmender, serologischer Markers für das tumorspezifische Überleben nach Zystektomie sein (2).
In diesem neuen Prognosemodell konnte
die prognostische Aussagekraft etablierter
pathologischer Risikovariablen wie lokales Tumorstadium, Lymphknotendichte und Resektionsstatus durch Hinzufügen des Serum-CRPWerts als kontinuierliche Variable signifikant
erhöht werden (p = 0,01). Der präoperative
Serum-CRP-Wert könnte künftig als Parameter zu einer Verbesserung der Voraussage eines lokal fortgeschrittenen Stadiums bei der
Zystektomie führen und die klinische Bedeutung von prädiktiven und prognostischen Nomogrammen zum invasiven Harnblasenkarzinom weiter verbessern.
Noch wichtiger als bei den oberflächlichen
Harnblasenkarzinomen wären Biomarker bei
muskelinvasiven Tumoren für eine individualisiertere Therapie, so Stenzl. „Wir sehen in einzelnen Studien immer wieder Patienten, die
auf eine adjuvante Therapie ansprechen.“ Inzwischen arbeiten international mehrere Arbeitsgruppen am Nachweis zirkulierender Tumorzellen während der Zystektomie oder mittelbar postoperativ.
Eine aktuelle Metaanalyse der bisher vorliegenden Daten ergab eine Sensitivität von
durchschnittlich 35,1% (27–55%), die Spezifität zwischen 70 und 100% (∅ 89,4%) (4). Damit ist ein Screening zur Diagnosebestätigung
zwar noch nicht möglich. Patienten mit einem
positiven Befund haben aber um das Fünffache erhöhtes relatives Risiko eines fortgeschrittenen Harnblasenkarzinoms.
Die Hoffnungen, dass ein positiver
p53-Nachweis ein Prädiktor für ein Ansprechen auf eine Chemotherapie ist, wurde in der
Zwischenzeit durch eine randomisierte, kontrollierte Studie widerlegt. Dagegen scheint
eine FGRF3-Mutation (Fibroblast Growth
Factor Receptor 3) prädiktiv für das Vorliegen
eines niedriggradigen Harnblasenkarzinoms
mit guter Prognose zu sein (3).
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242
lines beziffern die 5-Jahres-Überlebensraten
nach radikaler Zystektomie bei Patienten mit
lokal
fortgeschrittenem
Tumorstadium
(≥pT3aN0 bzw. pN+) trotz extendierter Lymphadenektomie nur mit 47% bzw. 34%. Lediglich etwa 50% der Patienten nach radikaler
Zystektomie kommen aufgrund ihres postoperativen Allgemeinzustandes und der Nierenfunktion für eine cisplatinbasierte Chemotherapie in Frage (6).
Für das muskelinvasive Harnblasenkarzinom
wurden 2011 neben den EAU-Guidelines auch
die revidierten Empfehlungen des International
Consultation on Urological Diseases (ICUD) vorgestellt. Die ICUD-Leitlinien bewerten die Interventionen anhand des Evidenzlevels (LE) und
geben eine graduierte Empfehlung ab (GR). Bei
dieser Tumorentität hat man nach radikaler Zystektomie bei organbegrenzten Tumoren zwar eine gute Chance auf Rezidivfreiheit. Diese sinkt
jedoch bei extravesikalem und noch mehr bei
Lymphknotenbefall beträchtlich.
Im Gegensatz zum neoadjuvanten Ansatz
können die vorliegenden Daten laut Stenzl den
prognostischen Vorteil einer adjuvanten Chemotherapie in Metaanalysen nicht endgültig
bestätigen. Die initial vielversprechenden Daten einer Metaanalyse von Ruggieri et al. zeigten eine signifikante Verbesserung des OS und
rezidivfreien Überlebens (RFS) nach adjuvanter
Chemotherapie (OS Risk Ratio 0,74; 95% KI
0,62–0,88; p = 0,001) und RFS (RR 0,65; KI
0,54–0,78; p<0,001) (5). Die in der Folge
durchgeführten Studien, darunter vier Phase-
III-Studien wurden jedoch frühzeitig wegen Rekrutierungsschwierigkeiten abgebrochen oder
zeigten nur einen moderaten Vorteil für eine
adjuvante Chemotherapie.
Aufgrund dieser methodischen und statistischen Einschränkungen fur die vorliegende Evidenz nach radikaler Zystektomie in der Hochrisikokonstellation (≥pT3 bzw. pN+) kann auch weiterhin eine adjuvanten Chemotherapie nur im
Rahmen klinischer Studien empfohlen werden,
wobei eine ausreichend gute Nierenfunktion
(GFR>60 ml/min) und ein guter Allgemeinzustand (ECOG-Performance-Status ≤1) wichtige Voraussetzungen sind: ICUD-Evidenzlevel
(LE) 2a, Empfehlungsgrad (GR) B). Keine Indikation für eine adjuvante Chemotherapie sieht die
ICUD bei fraglichen positiven Schnitträndern
(Rx) sowie bei N1 bei extendierter Lymphadenektomie. Dies weist darauf hin, dass sich die Guidelines stark an der Qualität des chirurgischen
Eingriffes orientieren. Stenzl: „Das ist ein wichtiger Aspekt, auf den wir unser Augenmerk in Zukunft verstärkt richten werden.“
Adjuvante Radiotherapie
Die Durchführung einer postoperativen Radiotherapie bietet ähnlich zur adjuvanten Chemotherapie den Vorteil, dass Risikopatienten anhand definierter pathologischer Risikofaktoren
(lymphonodale Metastasierung, positiver Resektionsrand) identifiziert werden können. Ein
bedeutender Nachteil einer postoperativen Be-
Immer häufiger Osteoporose bei Männern
Von etwa 8 Millionen Deutschen, die an Osteoporose leiden, sind etwa ein Drittel
Männer – Tendenz zunehmend. „Angesichts unserer häufig älteren männlichen Patienten sind Urologen für die Risikoabklärung von Osteoporose beim Mann gefragt“, sagt Prof. Oliver Hakenberg.
Der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Urologie e.V. (DGU) sieht die Notwendigkeit, das Bewusstsein für Osteoporose
beim Mann zu schärfen. Denn oft werde eine
entsprechende Diagnose zu spät – erst nach
Knochenbrüchen bei geringsten Anlässen –
gestellt. Frühzeitige Kenntnis über das Osteoporoserisiko, das mit steigender Lebenserwartung zwangsläufig zunehme, ermögliche jedoch wirksame Präventionsmaßnahmen.
Prof. Sabine Kliesch, Urologin und Andrologin am Universitätsklinikum Münster:
„Bei Männern diagnostizieren wir mehrheitlich sekundäre Osteoporosen. Bei ihnen ist die
Suche nach den krankheitsbedingten Ursachen vorrangig, um eine kausale Therapie einleiten zu können.“ Die DGU-Pressesprecherin
sieht den Hypogonadismus, also den Mangel
am Sexualhormon Testosteron, als einen
wichtigen Risikofaktor für Osteoporose beim
Mann. Besonders bei Prostatakrebs-Patienten
werde ein solcher Mangel durch eine antiandrogene Therapie induziert. Da durch die Behandlung die Lebenserwartung dieser Patien-
strahlung stellen zwei dosislimitierende Strukturen im kleinen Becken dar. Diese sind einerseits der Darm und die orthotope Neoblase (mit
der Gefahr von strahlenbedingten Neoblasenperforationen) sowie die uretero-/urethrointestinalen Anastomosen.
Aufgrund des geringen Evidenzlevels gibt
die ICUD derzeit keine Empfehlung für eine adjuvanten Radiotherapie bei Patienten mit Risikofaktoren (≥pT3a; pN+; pR+) zur Verbesserung des Überlebens beim Harnblasenkarzinom ab (LE 3, GR C). Besser sieht die Datenlage beim Adenokarzinom der Harnblase aus.
Hier kann nach postoperativer Radiatio des gesamten Beckens mit 50 Gy eine Verlängerung
des rezidivfreien Überlebens und der lokalen
Tumorkontrolle beim lymphonodal negativen,
lokal fortgeschrittenen Adenokarzinom der
Harnblase erreicht werden (LE 2a; GR B).
Dr. Alexander Kretzschmar, München
Literatur
1. Birkhahn M et al. Eur Urol. 2010; 57(1): 12–20.
2. Gakis G et al. BJU Int. 2011 Apr 20.
doi:10.1111/j.1464–410X.2011.10234.x.
3. Lott S et al. Modern Pathology 2009; 22: 627–632.
4. Msaouel P et al. BMC Cancer. 2011; 11: 336.
5. Ruggeri EM et al. Cancer 2006, 106(4): 783–788.
6. Stenzl A et al. Eur Urol 2011, 59(6): 1009–1018.
7. Sylvester RJ et al. Eur Urol 2010; 57: 766–773.
Quelle: Stenzl A. Adjuvante Therapie bei urologischen
Tumoren. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für
Urologie am 16. September 2011, Hamburg.
ten deutlich zunehme, steige deren Osteoporoserisiko im Alter.
Dr. Axel Schroeder, Präsident des Berufsverbandes der Deutschen Urologen e.V. (BDU),
empfiehlt Männern jenseits der 50, bei ihren
Routineterminen beim Urologen auch ihr Osteoporoserisiko abklären zu lassen – besonders
wenn sie zu den Risikogruppen gehörten oder
typische Symptome zeigten. Eine Röntgen-Messung der Knochendichte gebe klaren Aufschluss.
Grundsätzlich hält er für ältere Männern eine
Osteoporose-Prophylaxe mit ausreichend Bewegung und einer ausgewogenen, kalziumreichen Ernährung für wichtig. Der wichtigste präventive Faktor sei jedoch regelmäßige körperliche Aktivität – und zwar je früher, desto besser.
red.
Quelle: Pressemitteilung der DGU zur Jahrestagung 2011
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Internationale
Literatur
243
Prostatakarzinom
Verbesserte Diagnostik
mit moderner Bildgebung?
die unterschiedliche Diffusion der Wassermoleküle unterscheiden sich Low-risk- von Highrisk-Karzinomen. Möglicherweise bestehe hier
das Potenzial für die nicht-invasive Unterscheidung hoch- und gering-differenzierter Tumoren.
Dr. med. Susanne Krome, Melle
Der Verdacht auf ein Prostatakarzinom ergibt sich aus den Ergebnissen von PSA, Palpation und transrektalem Ultraschall. Sensitivität und Spezifität der Methoden sind
unbefriedigend. Alternativen und Kombinationen der verfügbarer Techniken sollen die
Detektionsrate und die Zuverlässigkeit verbessern.
Pinto et al. stellten in einer Übersichtsarbeit Studien zu den Erfahrungen mit weiterentwickelten
Ultraschallmethoden, der Elastographie und
funktionellen Kernspintomographien (MRT) zusammen. Die Autoren erhoffen sich zwar von allen Methoden einen diagnostischen Zugewinn,
die Schnelligkeit der technischen Entwicklungen
mit immer neuen Botschaften erschwere aber
deren zuverlässige Einordnung.
TRUS und innovative
Sonographietechniken
Das Hauptmanko des transrektalen Ultraschalls (TRUS) liegt in der geringen Spezifität,
insbesondere beim unerfahrenen Untersucher.
Zu den innovativen Sonographietechniken gehören drei- und vierdimensionale Darstellungen, die zu einer exakteren Lokalisation hypoechogener Läsionen beitragen und die Rate
übersehener Karzinome reduzieren könnten.
Die Kontrast-verstärkte Sonographie mit
Mikrobläschen führte in Kombination mit dem
Farbdoppler zu einer verstärkten Signalintensität hypervaskularisierter Gebiete. Verschiedene
Studien ergaben mit diesem Verfahren eine höhere Detektionsrate mit gezielten Biopsien. Insbesondere bei Rezidivverdacht war die Methode günstig. In Untersuchungen mit dem IHI (Intermittent Harmonic Imaging) waren Regionen
mit mikrovaskulärer Anreicherung des Kontrastmittels besonders betont. Eine definitive
Abgrenzung zwischen gut- und bösartigen Prozessen sei aber nicht überzeugend gelungen.
Die Elastographie als präbioptische Orientierungshilfe hatte eine höhere Sensitivität als
der TRUS und die digital-rektale Untersuchung
(93 vs. 59 und 55%). Besonders die Kombination von Elastographie und TRUS sollten in Folgestudien untersucht werden. Eine besondere
Hoffnung läge in der Fusion von TRUS und MRT.
Dies beträfe vor allem anteriore Karzinome, die
in der „Grauzone“ des TRUS lägen.
MRT und ergänzende
funktionale Techniken
Bei den MRT liegt der Schwerpunkt der Weiterentwicklung auf ergänzenden funktionalen
Techniken. Multiparametrische Methoden beziehen anatomische, metabolische und physiologische Aspekte ein. Die MRT-Spektroskopie
hatte mit ihrer Darstellung des Metabolismus
eine hohe Sensitivität (95%) und hohe Spezifität (91%) für die Detektion eines Prostatakarzinoms.
Dies galt aber nur in Kombination mit dem
Standard-MRT. Beide Techniken allein konnten
diese Werte nicht erreichen. Die Kombination
war auch der Sextantenbiopsie überlegen mit
einem Zugewinn insbesondere im Apexbereich. Nachteile waren die hohen Kosten,
langen Aquisitionszeiten und Fehlresultate bei
vorangegangenen Biopsien.
Die dynamische Kontrast-MRT verbesserte
in Kombination mit der MRT die diagnostische
Genauigkeit (T2-Wichtung). Die Nachteile dieser Methode lägen in der ungenügenden Darstellung der Übergangszone von Patienten mit
hypervaskulärer benigner Prostatahyperplasie.
Auch Diffusions-MRT erhöhten die Detektionsrate. Die Technik hat eine Besonderheit: Durch
Literatur
1. Pinto F et al. Imaging in prostate cancer diagnosis:
present role and future perspectives. Urol Int 2011;
86(4): 373–382.
Oberländer-Preis
Professor Axel Semjonow
ausgezeichnet
Die Deutsche Gesellschaft für Urologie hat in
Hamburg anlässlich ihres 63. Jahreskongresses Herrn Prof. Dr. Axel Semjonow, stellvertretender Direktor der Klinik und Poliklinik
für Urologie des Universitätsklinikums
Münster (UKM), den Felix Martin Oberländer-Preis für seine besonderen Verdienste
um die Fort- und Weiterbildung der Urologen
zur Diagnostik und Therapie des Prostatakarzinoms verliehen.
Semjonow ist seit 2003 Leiter des Prostatazentrums am UKM. Für seine Forschungen
wurde er schon mehrfach ausgezeichnet, u.
a. drei Mal mit dem Paul-Mellin-Preis der
Nordrhein-Westfälischen Gesellschaft für
Urologie sowie dem Peter-Bischoff-Preis der
Norddeutschen Gesellschaft für Urologie.
Der Preis erinnert an den in Dresden tätigen Urologen Felix Martin Oberländer
(1851–1915), der sich in den Fachbereichen
der Infektiologie und Endoskopie bleibende
Verdienste erworben hat. Der Felix Martin
Oberländer-Preis ist eine der bedeutendsten
Auszeichnungen auf dem Gebiet der Urologie in Deutschland.
red.
Quelle: Pressemitteilung
Münster (UKM)
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Universitätsklinikum
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UroOnkologie
244
Metastasiertes kastrationsresistentes Prostatakarzinom
Cabacitaxel in der Praxis
Seit der Zulassung von Cabacitaxel (Jevtana®) im April 2011 liegen erste Erfahrungen außerhalb von klinischer Studien zur Second-line-Behandlung von Patienten mit metastasiertem kastrationsresistentem Prostatakarzinom (mKRPC) vor: Intensiv vorbehandelte
Patienten lassen sich bei gutem Nebenwirkungsmanagement sicher behandeln.
Eine Therapie nach Docetaxelversagen muss die
Taxanresistenz überwinden können, erläuterte
Dr. Bernhard Heinrich, Hämatologisch-Onkolgische Praxis, Augsburg. In der Zulassungsstudie
TROPIC für Cabacitaxel ergab sich für die Kombination aus Cabacitaxel + Prednison vs. Mitoxantron + Prednison bei Docetaxel-vorbehandelten Patienten im primären Endpunkt ein signifikant verbessertes Gesamtüberleben von 15,1 vs.
12,7 Monaten (p<0,0001) (1). In seiner eigenen
Praxis hat Heinrich erste Erfahrungen an 5 Patienten gesammelt (씰Tab. 1). Diese Patienten erhielten zur Therapie Cabacitaxel in der StandardDosierung von 25 mg/m2 Körperoberfläche über
1 h alle 3 Wochen sowie durchgehend Prednison
5 mg 2 x 1 Tabl. Zur Prämedikation eingesetzt
wurden Antihistaminikum, Dexamethason, Antiemetikum (Serotoninantagonist). Als Begleitmedikation setzt Heinrich bei allen Patienten mit
>1 Vorbehandlung prophylaktisch G-CSF (Gra-
Nr
Alter Vorchemotherapien
Symptome
Metastasen
1
77
6
Knochenschmerzen
Knochen
2
52
1
Knochenschmerzen
Leber
Lymphknoten
Knochen
3
75
5
Knochenschmerzen
Knochen
4
74
3
Knochenschmerzen
Knochen
Lymphknoten
5
75
5
Knochenschmerzen
Knochen
Lymphknoten
Tab. 1
Patientencharakteristika aus der Praxis
von Dr. Bernhard
Heinrich
Radionuklidtherapie bei Knochenmetastasen
Den Jahren Leben hinzufügen
Menschen mit Krebserkrankung leben heute länger als vor einigen Jahren. Das bedeutet auch, dass (z. B. beim Prostatakarzinom) ossäre Metastasen wahrscheinlicher werden. Für Prof. Manfred Fischer, Kassel, ist dann besonders auf die Lebensqualität zu
achten, gelte es doch „den Jahren Leben hinzuzufügen“.
Wie dies durch effektive Schmerztherapie
(씰Abb. 1) geschehen kann, erklärte der OnkoUrologe Dr. Christian Arsov aus Düsseldorf.
Etwa 50 bis 70% der Krebspatienten seien von
Tumorschmerzen betroffen. Ihre Zunahme weise oft auf das Fortschreiten der lebenslimitierenden Erkrankung hin. Außerdem führen
Schmerzen zur Immunosuppression. Das alles
nulocyte-Colony Stimulating Factor) ein, um einer febrilen Neutropenie vorzubeugen. Alle Patienten erhielten zudem ein Rezept für Loperamid und Ciprofloxacin (analog Handhabung bei
Irinotecan bei kolorektalem Karzinom) für den
sofortigen Einsatz bei Durchfall.
Therapieverlauf
Alle 5 Patienten erhalten noch die Therapie. Sie
befinden sich zurzeit im Zyklus 7, 4, 3, 3, 2. Bei
3 von 5 Patienten zeigte sich ein PSA-Rückgang
um 50%. Die verbleibenden 2 Patienten sind
wegen niedrigem PSA bei Therapiebeginn nicht
beurteilbar. Bisher zeigen 3 von 5 Patienten eine deutliche Schmerzbesserung. Laut Heinrich
ist der Schmerzrückgang häufig das erste Zeichen für die Wirksamkeit der Therapie.
Selbst bei einer ungünstigen Patientenselektion (massive Vorbehandlung) wie bei diesen Patienten zeigte Cabacitaxel einen guten palliativen Effekt, begleitet von einem PSA-Rückgang
und einer guten Verträglichkeit, wenn entsprechende Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden,
so die Erfahrungen von Heinrich.
Dr. Peter Henning, Stuttgart
Literatur
1. de Bono JS et al. Prednisone plus cabazitaxel or mitoxantrone for metastatic castration-resistant prostate cancer
progressing after docetaxel treatment: a randomized
open-label trial. The Lancet 2010; 376: 1147–1154.
Quelle: Sanofi-aventis Fachpresse-Workshop „2. Expertise Prostata“ am 29. Juni 2011 in Eltville am Rhein.
sei mit hohen Folgekosten verbunden. Trotzdem blieben in Deutschland zwei Drittel der Tumorschmerzpatienten unterversorgt. Laut
Arsov sind hier individuelle Therapiekonzepte
im Rahmen der interdisziplinären Behandlung
gefragt. Dazu gehöre auch die palliative Radiotherapie singulärer ossärer Metastasen.
Die Schmerztherapie mit Quadramet®
153
( Sm-EDTMP) erklärte der Nuklearmediziner
Prof. Holger Palmedo aus Bonn. Beim Prostata- und Mammakarzinom gäbe es Erfolgsraten
um 80% bei schmerzhaften Knochenmetastasen mit osteoblastischer Komponente (erkennbar an der Nuklidspeicherung im Knochenszintigramm). Vorteile der effektiven Schmerztherapie mit Quadramet® sind laut Palmedo
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UroOnkologie
●
●
●
245
der relativ schnelle Eintritt der Wirkung in
ein bis zwei Wochen,
eine Ansprechzeit bis zu 18 Monaten und
die Schmerzreduktion, die
– komplett in 25% sowie
– partiell bei 75% der Patienten sei.
Als Nuklearmediziner empfiehlt Palmedo den
Einsatz von Quadramet besonders bei multiplen Knochenmetastasten in hormonrefraktären Stadien. Die mehrfache Wiederholung der
Therapie, die Kombination mit Bisphosphonaten und/oder Chemotherapie sowie die Hochdosis sind aktuelle Ansätze. So werde beispielsweise in der randomisierten, multizentrischen
Phase-III-Studie SAMDOCET bei Patienten mit
metastasiertem Prostatakarzinom die Kombination aus 153Sm-EDTMP, Docetaxel und
Prednison mit der von Docetaxel und Prednison
bezüglich der Zeit bis zur Progression verglichen. In dieser Studie werden auch Ansprechen
des Tumors, Gesamtüberleben, Lebensqualität,
Schmerzintensität und Toxizität bewertet.
keine ausreichende
Schmerzlinderung
keine ausreichende
Schmerzlinderung
Stufe 1
mäßige Schmerzen
Abb. 1
Indikation für Quadramet® nach WHOStufenschema
Stufe 3
sehr starke Schmerzen
Stufe 2
starke Schmerzen
nicht opiathaltige
Analgetika
schwache Opiate
+
nicht opiathaltige
Analgetika
+ adjuvante
Maßnahmen
+ adjuvante
Maßnahmen
starke Opiate
+
nicht opiathaltige
Analgetika
+ adjuvante
Maßnahmen
positives Knochenszintigramm + Schmerzen
= Indikation für Quadramet®
Detaillierte Informationen sind zu finden
unter 씰www.knochenmetastasen-info.de sowie 씰www.quadramet.de.
Dr. Barbara Tshisuaka, Stuttgart
Quelle: Lunchsymposium „Quadramet® – ein effektiver Weg zur Verbesserung der Lebensqualität“ am 14.
April 2011 in Bregenz im Rahmen der Gemeinsamen
Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und
Schweizerischen Gesellschaften für Nuklearmedizin;
Veranstalter: CIS bio GmbH, Berlin
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UroOnkologie
246
Aktualisierte ESMO-Leitlinien zum Harnblasenkarzinom
Vinflunin derzeit „einzige zugelassene Therapie nach Platinversagen“
Die European Society for Medical Oncology (ESMO) veröffentlichte kürzlich ihre aktualisierten Leitlinien zu Diagnostik, Therapie und Follow-up des Harnblasenkarzinoms. Darin wurde Vinflunin (Javlor®) als die derzeit „einzige zugelassene Therapie
nach Platinversagen“ aufgenommen. Die Leitlinien heben hervor, dass für die Substanz eine Phase-III-Studie mit den bislang höchsten Evidenzgrad in der Zweitlinientherapie des metastasierten Harnblasenkarzinoms vorliegt.
ner multivariaten Cox-Analyse nach Adjustierung der vorab definierten prognostischen Faktoren ein statistisch signifikanter Überlebensvorteil mit einer medianen Gesamtüberlebenszeit von 6,9 Monaten vs. 4,3 Monate mit einer
„Best Supportive Care“ (BSC) errechnet (HR
0,77; 95% KI 0,61–0,98; p = 0,036). Darüber
hinaus belegten die Studienergebnisse, dass
mit Vinflunin eine adäquate Krankheitskontrolle erreicht wurde, was sich auch in einem Erhalt
der Lebensqualität und einer guter Symptombeherrschung widerspiegelte (2).
Fazit für die Praxis
In der Therapie des fortgeschrittenen oder metastasierten Harnblasenkarzinoms nach Platinversagen ist die Datenlage insgesamt laut
ESMO-Guidelines sehr heterogen. Bisher gab
es keinen therapeutischen Standard. Häufig kamen reine Supportivtherapien (BSC) oder empirisch entwickelte, palliative Behandlungen, beispielsweise Gemcitabin plus Paclitaxel oder
Monochemotherapien zum Einsatz. Für die
Chemotherapien bestehen jedoch keine entsprechenden Zulassungen.
Die ESMO-Leitlinien weisen darauf hin, dass
die Zulassungsstudie von Vinflunin die bisher
einzige valide, randomisierte Phase-III-Studie
mit dem höchsten, bisher erreichten Evidenzgrad für die die Behandlung von Patienten mit
metastasiertem Harnblasenkarzinom bei Progress nach einer Platin-haltigen Erstlinientherapie ist. Sie betonen zudem, dass Vinflunin in
Europa als einziges Medikament für diese Indikation eine Zulassung hat und es unklar ist, ob
andere Substanzen in diesem Setting einen
ähnlichen Benefit erzielen können (1).
Vinflunin wird bereits seit 2010 von der EAU
(European Association of Urology) als Standard
in der Zweitlinientherapie des metastasierten
Harnblasenkarzinoms bei Progression nach einer
platinhaltigen Chemotherapie empfohlen (3).
Mit Vinflunin steht erstmals eine wichtige Therapieoption in der metastasierten Situation zur
Verfügung. Ihr hoher Stellenwert in der Zweitlinientherapie des metastasierten Harnblasenkarzinoms bei Progression nach einer platinhaltigen Chemotherapie wird durch die Aufnahme
in die ESMO- und EAU-Leitlinien unterstrichen.
red.
Höchster Evidenzgrad in
der Zweitlinientherapie
In der Phase-III-Studie hatten 370 Patienten
entweder den dem Mikrotubuli-Inhibitor Vinflunin und BSC oder BSC allein erhalten. Primärer Endpunkt war das Gesamtüberleben. Neben der Intention-to-treat (ITT)-Population
wurde auch die „eligible population“ ausgewertet. Diese repräsentierte die vorgesehene Studienpopulation (Patienten mit Versagen
einer platinhaltigen Erstlinientherapie) am besten. Für die „eligible population“ wurde in ei-
Literatur
1. Bellmunt J et al. Bladder cancer: ESMO Clinical
Practice Guidelines for diagnosis, treatment and
follow-up. Ann Oncol 2011; 22(Suppl 6): vi45-vi49.
2. Bellmunt J et al. Phase III trial of vinflunine plus best
supportive care compared with best supportive care
alone after a platinum-containing regimen in patients
with advanced transitional cell carcinoma of the urothelial tract. J Clin Oncol 2009; 27: 4454–4461.
3. Stenzl A et al. Muscle invasive and metastatic bladder cancer. Im Internet unter: www.uroweb.org/gls/
pdf/07_%20Bladder%20Cancer.pdf.
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Spektrum
Onkologie
247
Kopf-Hals-Tumoren
Strategien zur Optimierung
der konservativen Therapie
In den vergangenen Jahren wurde die konservative Therapie der Kopf-Hals-Tumoren
durch neue Strategien optimiert. Dazu gehören laut Prof. Jürgen Debus, Heidelberg,
Kombinationstherapien (Radiochemotherapie, Radioimmuntherapie), die Intensivierung der Systemtherapie (Induktionstherapie) oder neue radioonkologische Techniken
wie die intensitätsmodulierte Strahlentherapie (IMRT).
Als besonders vielversprechend, insbesondere
für Patienten, die auf eine konventionelle Bestrahlung nicht ausreichend ansprechen, sieht
Debus die derzeit an der Klinik für Radioonkologie und Strahlentherapie des Heidelberger Ionenstrahl-Therapiezentrums (HIT) in Studien
evaluierte Behandlung mit Schwerionenstrahlung an.
Bei den meist in fortgeschrittenen Stadien
befindlichen Kopf-Hals-Tumoren sind multimodale Therapiekonzepte angezeigt. Für die
Therapiewahl spielt neben der Beurteilung
durch das Tumorboard der Wunsch des Patienten, zum beispiel nach Organerhalt, eine entscheidende Rolle. Die Radioimmuntherapie mit
Cetuximab (Erbitux®) spielt in modernen Kon-
zepten eine wichtige Rolle, da sie bei besserer
Verträglichkeit nach Ergebnissen der TREMPLIN-Studie (1) ebenso wirksam ist wie eine
Cisplatin-basierte Radiochemotherapie.
Diese Studie zeigt, so Priv.-Doz. Dr. Jürgen
Krauss, Heidelberg, was die konservative Therapie vermag. Patienten mit lokal fortgeschrittenen Larynx- oder Hypopharynx-Plattenepithelkarzinomen (SCC), die nach 3 Zyklen TPF
(Docetaxel, Cisplatin, 5-Fluorouracil) mindestens eine partielle Remission erreicht hatten,
wurden zwischen einer Strahlentherapie plus
Cisplatin (eine laut Krauss insbesondere nach
TPF sehr toxische Therapie) oder Cetuximab
randomisiert. Drei Monate nach Therapieende
betrug der Anteil der Patienten mit Kehlkopfer-
Tuberöse Sklerose und subependymales
Riesenzellastrozytom
Everolimus als erste zielgerichtete
medikamentöse Therapie verfügbar
Die Tuberöse Sklerose (TS) entsteht auf der Basis einer genetischen Störung und ist
mit Fehlbildungen und meist benignen Tumoren in nahezu allen Organen assoziiert. Im
Gehirn sind die Malignome für den Neurochirurgen oft nur schwer zugänglich. Für
Priv.-Doz. Dr. Pablo Hernaiz Driever, Berlin, bewertete daher die Zulassung für Everolimus (Votubia®) zur Behandlung von Patienten ab drei Jahren mit TS, assoziiert mit
subependymalem Riesenzellastrozytom (SEGA), auf einer Pressekonferenz als großen
therapeutischen Zugewinn.
Die TS ist mit einer Inzidenz von 1:6000 eine
seltene Tumorentität. Die klinische Symptomatik ist laut Dr. Christoph Hertzberg, Berlin, vor
allem durch epileptische Anfälle (70–80%),
mentale Retardierung (30–40%) und Autismus
(20–30%) geprägt. Typisch sind „weiße Flecken“ auf der Haut und faziale Angiofibrome.
Bei rund 10% aller Patienten kommt es zu Hirn-
halt (primärer Endpunkt) 95% vs. 93% (p =
0,63), die Wahrscheinlichkeit eines funktionellen Kehlkopferhalts nach 18 Monaten 87% vs.
82% (p = 0,68). Auch im Gesamtüberleben
fand sich kein Unterschied (92% vs. 89%, p =
0,44).
Derzeit prüft das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen Heidelberg (NCT) in einer
Studie (REACH), ob sich die Ergebnisse bei KHT
durch eine Intensivierung sowohl der Systemtherapie als auch der Strahlenbehandlung weiter verbessern lassen. Wie Dr. Alexandra
Jensen, Heidelberg, erläuterte, werden Patienten mit lokal fortgeschrittenen Oro-/Hypopharynx- bzw. Larynx-SCC mit IMRT in Kombination mit Chemotherapie (Carboplatin, 5-Fluorouracil, 1. + 5. Bestrahlungswoche) sowie wöchentlich mit Cetuximab behandelt.
Dr. Günther Springer, Frankfurt
Literatur
1. Lefebvre J et al. Sequential chemoradiotherapy for
larynx preservation: results of a randomized phase
II TREMPLIN study. J Clin Oncol 2011; 29 (Suppl):
Abstr 5501.
Quelle: Klinikworkshop „Der interdisziplinäre Behandlungsweg von Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren“
im Universitätsklinikum Heidelberg am 22. August
2011, Heidelberg. Veranstalter: Merck Serono
Deutschland, Darmstadt
tumoren aus Riesenzellen und Verkalkungen.
Bisher behandelte man die TS (neuro)chirurgisch oder symptomatisch-medikamentös je
nach klinischem Bild.
Bei der TS/SEGA spielt der mTOR-Signalweg
eine entscheidende Rolle, so Hertzberg. Kürzlich wurde der mTOR-Inhibitor Everolimus als
Votubia® EU-weit für TS-Patienten ab drei Jahre zugelassen – als erste zielgerichtete medikamentöse Therapie. Die Zulassung basiert auf einer prospektiven, offenen, einarmigen PhaseII-Studie mit 28 Patienten (medianes Alter: 11
Jahre). Die Patienten zeigten nach sechsmonatiger Therapie mit Everolimus bei 75% der Behandelten eine signifikante Reduktion des SEGA-Volumens von mindestens 30% (p<0,001).
Bei 32% verringerte sich das Tumorvolumen
um mindestens 50%. Kein Patient zeigte neue
Läsionen. Zudem sank unter Everolimus die
Häufigkeit von epileptischen Anfällen. Eine
Auswertung nach einer medianen Therapiedauer von etwa drei Jahren bestätigte, dass die
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Spektrum
Onkologie
248
Reduktion des SEGA-Volumens über diesen
Zeitraum stabil blieb.
Je größer der Tumor, desto
besser das Ansprechen
„Je größer der Tumor, desto besser das Ansprechen“, betonte Hernaiz Driever. Das bestätigt
auch die EXIST-1-Studie bei 117 Patienten: Bei
35% war eine Reduktion des SEGA-Volumens
um mindestens 50% messbar. Dabei war Everolimus in Tablettenform gut verträglich: Es gab
keinen Studienabbrecher, die unerwünschten
Effekte wurden überwiegend als Grad 1/2-Nebenwirkungen eingestuft. Die Stomatitis war
häufig (<30%). Das wirft die Frage auf, ob man
das Medikament lebenslang verabreichen sollte, oder aber drei Monate mit einer anschließenden Pause von drei Monaten. Dazu benötigt man jedoch Therapieerfahrungen über längere Zeiträume.
Rezidivierendes Platin-sensibles Ovarialkarzinom
Besserer Wirkstofftransport für
Doxorubicin
Pegyliert liposomales Doxorubicin (PLD; Caelyx®) bleibt eine wichtige Therapieoption
beim Platin-sensiblen Ovarialkarzinom. Dies machte Prof. Uwe Wagner, Marburg, kürzlich auf einem Pressegespräch im Rahmen des AGO-Symposium „State of the Art“ in
Berlin deutlich.
PLD ist für die Therapie von Patientinnen mit
fortgeschrittenem Ovarialkarzinom nach Versagen platinhaltiger First-Line-Chemotherapie
zugelassen und wird von der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) neben
anderen Therapieoptionen zur Rezidivtherapie
beim Platin-sensiblen Ovarialkarzinom empfohlen (1).
Wagner berichtete in Berlin über eine aktuelle Auswertung der Phase-III-Studie CALYPSO
(CAeLYx in Platinum-Sensitive Ovarian Cancer). Geprüft wurden Wirksamkeit und Verträglichkeit von PLD/Carboplatin gegenüber Paclitaxel/Carboplatin an insgesamt 976 Patientinnen mit platinsensiblem Ovarialkarzinom. Die
Ergebnisse zeigten effektivere Wirksamkeit
Initiative „Psyche hilft Körper“
Ringbuch für Patienten dokumentiert Therapie
Hilfreiche Maßnahmen für den einzelnen
Krebspatienten und seine Erkrankung zu finden – das ist das Anliegen von „Psyche hilft
Körper“, 2009 mit Unterstützung von GlaxoSmithKline (GSK) gegründet. Der jetzt aktuell
erhältliche Patientenordner „Alles im Blick“,
als weiterer Baustein des Materialienangebots der Initiative entwickelt und umgesetzt,
folgt ganz diesem Ansatz und bietet dem Patienten umfassende Möglichkeiten, seinen individuellen Therapieverlauf selbstständig zu
dokumentieren.
„Gemeinsam mit GlaxoSmithKline ist es gelungen, nach dem ‚Adressverzeichnis für Psychoonkologen‘ nun in einem weiteren Schritt
dieses Ringbuch zu entwerfen. Es soll dem
Krebspatienten helfen, die Übersicht über die
Krankheit zu bewahren“, betont der Beirat der
Initiative, dem der Psychoonkologe Alf von
Kries, Prof. Ulrike Nitz, Brigitte OverbeckSchulte, Dr. Stefan Fuxius und Prof. Petra
Feyer angehören, in seinem Vorwort.
Das Ringbuch ermöglicht den Betroffenen,
den Therapieverlauf zu organisieren. Arztbriefe,
Everolimus ist nach ersten Pilotstudien
möglicherweise auch zur Therapie von Akustikus-Neurinomen, pilozytischen Astrozytomen
und der Neurofibromatose Typ II erfolgversprechend, so die Prognose von Hernaiz Driever.
Dr. Nana Mosler, Leipzig
Quelle: Pressekonferenz „Zulassung von Votubia® –
neue Perspektive in der Behandlung von TSC SEGA“
am 31. August 2011, Nürnberg. Veranstalter: Novartis
Oncology, Nürnberg.
und bessere Verträglichkeit für die Kombination Carboplatin/PLD (2). Das progressionsfreie
Überleben lag mit median 11,3 Monaten signifikant höher als mit 9,4 Monaten unter Paclitaxel/Carboplatin (p = 0,005). Die Abbruchrate
aufgrund schwerer nicht-hämatologischer Nebenwirkungen war unter dem Paclitaxel-haltigem Regime signifikant höher als unter Carboplatin/PLD (15% vs. 6%, p = 0,001).
Jürgen W. Setton, Chemnitz
Literatur
1. Empfehlung für die Diagnostik und Therapie maligner Ovarialtumoren. Aktualisierte Empfehlungen
der Kommission Ovar auf Grundlage der S2k-Leitlinie September 2010. www.ago-online.de
2. Pujade-Lauraine E et al. J Clin Oncol 2010; 28(20):
3323–3329.
Quelle: Pressegespräch „Behandlung des rezidivierenden Ovarialkarzinoms – Caelyx® im Licht aktueller
Empfehlungen der AGO-Kommission Ovar” im Rahmen des AGO-Symposiums „State of the Art“ am 17.
Juni 2011, Berlin. Veranstalter: Janssen-Cilag, Neuss.
Originalbefunde, Beipackzettel oder Notizen
können praktisch abgeheftet werden. Dazu
findet der Patient Artikel und Tipps zu Behandlungswegen und Therapiemaßnahmen sowie
ein Glossar mit medizinischen Fachausdrücken, die ihn aus dem „Wörterdschungel herausführen“. Das Ringbuch kann kostenfrei
über den behandelnden Facharzt bezogen
werden. Ärzte können das Ringbuch für ihre
Patienten bestellen unter www.gsk-onkolo
gie.de
red.
Quelle: Nach Informationen von medandmore communication
Onkologische Welt 5/2011
© Schattauer 2011
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