Aufruhr im Mundraum – Wechselwirkungen von dentalen Werkstoffen

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Aufruhr im Mundraum – Wechselwirkungen von dentalen Werkstoffen
Unterschiedliche Metallverbindungen bei Zahnersatz können zu Entzündungen, Allergien
und Geschmacksbeeinträchtigung führen
Univ.-Prof. Dr. Wilhelm Niedermeier, Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde,
Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik, Köln
Bei der Versorgung der natürlichen Zahnreihen mit Kronen, Brücken und Prothesen kommen
unterschiedliche Legierungen, also Metallverbindungen, zum Einsatz – je nach spezifischer
Anforderung. Dabei teilen sich die verwendeten Materialien prinzipiell in Edelmetall- und
Nichtedelmetall-Legierungen auf. Wie verhalten sich diese Verbindungen unter dem Einfluss
äußerer Kräfte oder in Wechselwirkungen mit anderen Metallverbindungen? Was bedeutet dies
für die Gesundheit?
Irritationen durch elektrische Spannungsfelder
Metallische Werkstoffe weisen mitunter erhebliche elektro-chemische Unterschiede auf. Werden
bei einem Patienten unterschiedliche Legierungen im Mund verwendet, erzeugen diese
elektrische Spannungsfelder in der Mundhöhle. Darauf reagieren die Metalle, was zu einer
Korrosion führt, das heißt, Metall-Ionen lösen sich und die Legierungen verändern sich
nachweislich. Das kann zu Vergiftungserscheinungen führen und allergische Reaktionen
hervorrufen. Zusätzlich können die aufgebauten Spannungsfelder das Nervensystem irritieren
und an der Zunge Störungen in der Wahrnehmung von Geschmacksstoffen erzeugen bzw.
ungewohnte Geschmacksqualitäten hervorrufen, wie etwa „metallischen“ Geschmack. Mitunter
klagen Patienten auch über Schleimhautbrennen oder Schmerzempfinden, für die es keine
erkennbare Ursache gibt. Meist klingen diese Beschwerden ab, wenn die metallischen
Werkstoffe, die Spannungsfelder aufbauen, aus dem Mund entfernt werden. In der einschlägigen
Literatur wird auch mehrfach auf den Zusammenhang zwischen elektrischen Feldern und
Veränderungen der Mundschleimhaut hingewiesen.
Abb. 1: Entzündung des Zungenrandes infolge erhöhter Spannungsdifferenzen zwischen den
Kronen auf den linken und den rechten Backenzähnen (Foto: privat)
(Zungenrand 1.jpg / Zungenrand 2.jpg)
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Alfred-Wegener-Str. 6 - 35039 Marburg - Dr. Karin Uphoff (verantwortlich), www.zahnersatz-spezial.de;
Tel.: 0 64 21 / 40 795 40 - Fax: 0 64 21 / 40 795 79 - [email protected]
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Abb. 2:
Präkanzeröser Lichen ruber (Leukoplakie) der
Wangenschleimhaut (eine Vorform von Krebs). Die
Ursache ist ein elektro-chemisches Spannungsfeld,
ausgelöst durch die hohen Potenzialdifferenzen
zwischen
Goldkronen
im
Oberkiefer
und
Amalgamfüllungen im Unterkiefer (Foto: privat).
(Lichen ruber.jpg)
Kariesbildung und Auflösung von Befestigungszement
Bereits vor 130 Jahren wurde der Einfluss elektro-chemischer Felder auf die Entstehung von
kariösen Läsionen, also die Auflösung von natürlicher Zahnhartsubstanz, beschrieben. Bekannt
ist auch, dass sich der Befestigungszement des Zahnersatzes elektrolytisch auflösen kann durch
elektrische Felder, die das Material von Kronen und Brücken erzeugen.
Labore müssen Mundsituation kennen
Der gemeinsame Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen hat sich ausführlich mit
der Verwendung von metallischen Werkstoffen in der Mundhöhle befasst. Er kam dabei zu dem
Ergebnis, dass prinzipiell nur dentale Legierungen bei ein und demselben Patienten verwendet
werden dürfen, die sowohl alleine wie auch in ihrer Kombination mit anderen Werkstoffen keine
korrosiven Erscheinungen erzeugen dürfen. Was medizinisch einleuchtend und vorteilhaft
scheint, wird in der Praxis nicht immer umgesetzt. So zeigt eine kürzlich von S. Köllner
durchgeführte bundesweite Studie, dass die unterschiedlichen Legierungen zwar
indikationsgerecht gewählt werden, dabei jedoch wenig Rücksicht auf eine Vereinheitlichung der
Materialien genommen wird. Ein Grund hierfür liegt häufig darin, dass das zahntechnische Labor
zwar die Materialauswahl für eine Versorgung sachgerecht nach dem mechanischen
Anforderungsprofil trifft. Dabei wird das Labor jedoch häufig nicht ausreichend darüber informiert,
welche Legierungen sich bereits im Mund des Patienten befinden, kann dies somit bei der
Auswahl nicht berücksichtigen. Damit nimmt die Gefahr der Legierungsvielfalt und der damit
verbundenen Probleme im Mund erheblich zu. Ziel muss es also sein, das mit der Herstellung des
Zahnersatzes beauftragte Labor umfassend über die jeweilige Patientensituation in Kenntnis zu
setzen. Eine enge Kooperation von Zahnarztpraxis und dem gewerblichen Dentallabor ist daher
von großem Vorteil und sollte von allen Beteiligten angestrebt werden.
Abb. 3:
Korrosion an einer Goldkrone am oberen
Schneidezahn, die durch elektro-chemische Lösung
nichtedler Bestandteile aus der benachbarten
Prothesenbasis bläulich anlief (Foto: privat).
(Korrosion Goldkrone.jpg)
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Abb. 4:
Verfärbung an der Prothesenbasis verursacht durch
Spannungsdifferenzen zwischen der
Prothesenbasis aus Edelmetall und kupferhaltigen
Edelmetallkronen im Gegenkiefer (Foto: privat)
(Verfaerbung Prothesenbasis.jpg)
Alternative und einheitliche Materialien
Eine Alternative zu herkömmlichen Versorgungsformen könnte in den mittlerweile sehr
maßhaltigen Nichtedelmetall-Legierungen liegen. Ihnen sagte man bislang Nachteile bezüglich
der Passform insbesondere bei der Anfertigung festsitzenden Zahnersatzes nach.
Ein Ausweg aus dem Dilemma von Beschwerden und Störungen, die durch den Einsatz von
Dentallegierungen hervorgerufen werden, kann hingegen der Austausch gegen nicht-metallische
Werkstoffe sein. Während Kunststoff für viele Einsatzbereiche zu instabil ist, bietet die moderne
Hochleistungskeramik gute Möglichkeiten, beispielsweise im Frontzahnbereich Zahnersatz
naturgetreu und ohne Gefahr gesundheitlicher Störungen zu integrieren.
Fazit
Moderne Hochleistungskeramiken sind heute deutlich stabiler und daher für viele Einsatzbereiche
gut geeignet. Allergien sind nicht bekannt. Für den Seitenzahnbereich, für abnehmbaren
Zahnersatz (Prothesen mit Klammern oder Bügeln) und bei starker Kaubelastung kommen häufig
Legierungen in Frage, wobei sehr genau darauf geachtet werden sollte, dass diese in ihrem
elektro-chemischen Verhalten neutral reagieren. Das heißt, es sollte möglichst nur eine Legierung
für alle Ersatzformen im selben Mund verwendet werden. Damit dies reibungslos funktioniert, ist
ein enger Austausch zwischen Zahnarztpraxis und Dentallabor nötig, um bei neuem Zahnersatz
auch bereits bestehende Versorgungen im Blick zu behalten.
Korrespondenzadresse:
Univ.-Prof. Dr. Wilhelm Niedermeier
Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde
Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik
Kerpener Str. 32
50931 Köln
Tel. +49 (0) 221 478 6337
Fax +49 (0) 221 478 5982
E-Mail: [email protected]
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