Anästhesie und Intensivmedizin - ReadingSample - Beck-Shop

Werbung
Anästhesie und Intensivmedizin
für die Fachpflege
Bearbeitet von
Prof. Dr. med. Reinhard Larsen
überarbeitet 2007. Buch. X, 1212 S. Hardcover
ISBN 978 3 540 72273 1
Format (B x L): 17 x 24,2 cm
Weitere Fachgebiete > Medizin > Pflege > Krankenpflege
Zu Inhaltsverzeichnis
schnell und portofrei erhältlich bei
Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft.
Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, eBooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programm
durch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr
als 8 Millionen Produkte.
63
Herzchirurgische Intensivmedizin
1
Psychosoziale Gesichtspunkte 1082
7
Atemtherapie 1087
7.1
2
Transport des Patienten zur Intensivstation 1082
7.2
Postoperative Routine­
nachbeatmung 1087
Nach der Extubation 1088
3
Aufnahme des Patienten 1083
4
Überwachung des Patienten 1083
8
Postoperative respiratorische Insuffizienz 1088
9
Intravenöse Flüssigkeitsund Elektrolytzufuhr 1089
9.1
9.2
9.3
Hypokaliämie 1089
Hyperkaliämie 1089
Hypernatriämie und Hypo­
natriämie 1089
Hypokalzämie 1089
4.1
4.2
4.3
Laborwerte 1083
Ein- und Ausfuhr 1084
Neurologische Überwachung 1084
5
Thoraxdrainagen 1084
10
5.1
Überprüfung einer Leckage 1085
Entfernen der Thorax-
drainagen 1085
Medikamenten­
zufuhr 1089
11
Lagerungen und körperliche
Aktivitäten 1089
12
Besonderheiten bei herz­
operierten Kindern 1090
12.1
12.2
12.3
12.4
Überwachung 1090
Herz-Kreislauf-Funktion 1091
Atemtherapie 1091
Flüssigkeits- und Elektrolyt­
therapie 1092
5.2
6
Herz-Kreislauf-
Funktion 1085
6.1
6.2
6.3
6.4
6.5
6.6
Postoperative Blutung 1085
Herztamponade 1086
Low-output-Syndrom 1086
Hypertonie 1086
Herzrhythmusstörungen 1086
Intraaortale Ballonpumpe 1086
9.4
1082
Kapitel 63 · Herzchirurgische Intensivmedizin
))
Nach Herzoperationen werden alle Patienten auf
der Intensivstation weiterbehandelt, meist unter
kurzzeitiger maschineller Beatmung. Bei unkompliziertem Verlauf kann die Mehrzahl der Patienten
bereits am nächsten oder übernächsten Tag auf
eine Überwachungsstation verlegt werden. Bei
schweren Komplikationen hingegen ist oft eine
aufwendige, mitunter langwierige Intensivbehandlung erforderlich.
Zu den Einzelheiten von Herzoperationen wird auf
7 Kap. 22 verwiesen; Herzkrankheiten werden außerdem in 7 Kap. 49 und 51 dargestellt.
Pflegeschwerpunkte:
4 sorgfältige und lückenlose Überwachung
der Herz-Kreislauf- und Atemfunktion
4 Behandlung postoperativer Schmerzen
4 frühzeitiges Erkennen von Komplikationen
4 Kontrolle der Flüssigkeitsein- und -ausfuhr
4 ausreichender Volumenersatz
4 Kontrolle und Pflege der Operationswunde
4 Überwachung und Pflege der Drainagen
4 frühzeitiges Erkennen postoperativer Infektionen
4 psychische Betreuung, Beruhigung und Anxiolyse
4 Unterstützung der Hustenfunktion, dabei
Sichern des Sternumverschlusses durch
Überkreuzen der Arme
4 Lagerungen: halbhoch bis sitzend, Seiten­
lage ist ebenfalls möglich
4 Frühmobilisation, wenn möglich bereits 6–
8 h nach unkompliziertem Verlauf
4 übliche Prophylaxen: Pneumonie, Thrombose, Obstipation, Dekubitus
63
1
Psychosoziale Gesichtspunkte
Nach Operationen mit der Herz-Lungen-Maschine
treten beim Erwachsenen häufiger psychische Störungen auf als nach anderen Operationen. Sie manifestieren sich v. a. in folgender Weise:
4 delirantes Syndrom,
4 Depressionen,
4 Wahn,
4 Verstimmungszustände,
4 Zerfahrenheit,
4 Koma.
Die Ursachen sind weitgehend unbekannt, als begünstigende Faktoren werden jedoch angesehen:
vorbestehende zerebrale oder neurologische Erkrankungen bzw. Störungen, präoperativ beeinträchtigte
Herz-Kreislauf-Funktion, lange extrakorporale Zirkulationszeit, präoperative psychische Störungen.
Postoperative psychische Störungen sollen einen
ungünstigen Einfluss auf die Langzeitprognose des
herzoperierten Patienten aufweisen. Durch einfühlsame psychologische Betreuung lässt sich die Häufigkeit postoperativer psychischer Störungen beim
Herzpatienten vermindern.
2
Transport des Patienten zur Intensivstation
Der Transport des herzchirurgischen Patienten vom
Operationssaal zur Intensivstation erfolgt im Intensivpflegebett. Hierdurch werden gefährliche Umlagerungsmanöver vermieden.
!Der Transport beginnt erst, wenn Herz-Kreislauf-Funktion und Atmung ausreichend stabil
bzw. unter Kontrolle sind.
Vorher wird ein transportabler Monitor angeschlossen, mit dem arterieller Blutdruck, EKG, psO2 und
etCO2 während des Transports kontinuierlich überwacht werden. Bei kritisch kranken Patienten sollten
für den Transport kardiovaskuläre Notfallmedikamente und, wenn erforderlich, ein batteriebetriebener Defibrillator mitgenommen werden.
Die Beatmung kann während des Transports mit
einem Atembeutel erfolgen. Hierzu wird der Lufteinlass des Atembeutels mit einer kleinen, am Bett
befestigten Sauerstoffflasche verbunden. Auf diese
Weise kann der Patient mit 100%igem Sauerstoff beatmet werden. Alternative: Beatmung mit Transportrespirator.
Der Transport wird immer mindestens durch 2
Personen durchgeführt; er muss schonend und
1083
4 · Überwachung des Patienten
63
überlegt erfolgen, damit der Patient nicht unnötig
gefährdet wird. Lange Wartezeiten vor Fahrstühlen
sind ebenso zu vermeiden wie rasende Fahrten über
lange Flure.
erwartende Komplikationen sollte besonders hingewiesen werden.
3
Vergleiche hierzu auch die 7 Kap. 8 und 48. Intensivüberwachung ist v. a. in den ersten Stunden nach
herzchirurgischen Eingriffen erforderlich. In den
ersten beiden Stunden werden die Vitalfunktionen
mindestens alle 5–10 min auf den Monitoren sowie
klinisch überwacht, die nächsten 4 h (wenn stabil)
alle 15 min, und danach (wenn stabil) alle 30 min.
Die wichtigsten Überwachungsgrößen sind:
4 arterieller Druck,
4 Herzfrequenz, Puls, EKG,
4 zentraler Venendruck,
4 Pulmonalarteriendruck (wenn indiziert),
4 linker Vorhofdruck (wenn indiziert),
4 Atmung, Beatmungsgerät,
4 Urinausscheidung,
4 Körpertemperatur.
Aufnahme des Patienten
Unmittelbar nach der Aufnahme des Patienten tritt
das Transportteam zurück, damit die Arbeit des Behandlungsteams nicht behindert wird. Folgende
Maßnahmen werden sofort durchgeführt:
Beatmungsgerät anschließen, Grundeinstellung:
4 Frequenz: 8–12/min,
4 Atemzugvolumen: 8–10 ml/kg,
4 inspiratorische O2-Konzentration: 100%,
4 Flow: niedrig, ca. 30 l/min,
4 PEEP: 5 mbar.
Nach 10–15 min: Beatmungseinstellung durch Blutgasanalyse überprüfen und, wenn erforderlich, korrigieren. Inspiratorische Sauerstoffkonzentration so
niedrig wie möglich; paCO2 35–45 mmHg.
Sofort Druckaufnehmer, EKG, Pulsoxymeter und
Kapnometer anschließen. Arteriellen Druck, ZVD,
Herzfrequenz, psO2 und etCO2 kontrollieren.
Pacemakerfunktion überprüfen.
Perfusoren mit kardiovaskulären Medikamenten
anschließen.
Thoraxdrainagen mit dem Sog (-20 cm H2O) verbinden; aktuellen Flüssigkeitsstand auf dem Überwachungsbogen vermerken.
Klinischen Zustand einschätzen:
4 Bewusstseinslage,
4 Pupillengröße und -reaktion,
4 Hautfarbe,
4 Körpertemperatur,
4 Tubuslage, Manschettendruck,
4 Atemgeräusch, Herztöne.
Nichtbeatmeten Patienten angefeuchteten Sauerstoff über Maske oder Tubus zuführen.
Während dieser anfänglichen Maßnahmen berichtet
der den Transport begleitende Anästhesist dem
diensthabenden Arzt und dem Pflegepersonal der
Intensivstation kurz die wichtigsten Einzelheiten
über Verlauf von Operation und Narkose. Auf zu
4
Überwachung des Patienten
Alle Drücke werden direkt über Druckaufnehmer
gemessen und kontinuierlich auf einem Monitor
angezeigt. Wesentliche Abweichungen nach oben
oder unten werden dem diensthabenden Arzt sofort
mitgeteilt. Welche Grenzwerte jeweils noch tolerierbar sind, sollte vorher vom Arzt schriftlich festgelegt werden.
!Blindes Vertrauen auf elektronische Überwachungsinstrumente ist falsch! Die gemessenen Werte müssen immer durch direkte klinische Beobachtung des Patienten ergänzt
werden.
Die Bewusstseinslage sollte in den ersten 12 h min­
destens alle 2 h kontrolliert werden (7 Kap. 62), nicht
nur um zu überprüfen, ob der Patient aus der Narkose erwacht ist, sondern auch, um neurologische
Komplikationen durch den herzchirurgischen Eingriff (Herz-Lungen-Maschine) frühzeitig zu erkennen.
1084
Kapitel 63 · Herzchirurgische Intensivmedizin
4.1
Laborwerte
Ein bestimmtes Routinelaborprogramm ist bei allen
herzchirurgischen Patienten in der postoperativen
Phase erforderlich. Hierzu gehören in erster Linie:
4 arterielle Blutgase,
4 Säure-Basen-Parameter,
4 Elektrolyte,
4 Hb, Hkt,
4 Blutgerinnung.
Unter den Elektrolyten ist das Serumkalium von besonderer Bedeutung:
!Eine Hypokaliämie kann lebensbedrohliche
Arrhythmien auslösen, v. a. beim digitalisierten Patienten.
Nicht immer besteht eine enge Beziehung zwischen
dem Serumkalium und dem intrazellulären Kalium
(das nicht gemessen werden kann). Bleiben Arrhythmien trotz Kaliumzufuhr per Infusion bestehen und
liegt dabei das Serumkalium im unteren Normbereich, ist wahrscheinlich das intrazelluläre Kalium
erniedrigt. Darum sollten postoperativ Serumkalium­
werte im oberen Normbereich angestrebt werden.
Häufig werden nachfolgende Laborwerte ergänzend zu den oben angeführten Routineparametern
bestimmt: Gesamteiweiß, Harnstoff, Kreatinin, Herzenzyme, Leberenzyme.
63
4.2
Ein- und Ausfuhr
Zur Kontrolle des Wasser- und Elektrolythaushalts
und der Nierenfunktion muss die Ein- und Ausfuhr
sorgfältig bilanziert werden:
4 zur Ausfuhr gehören: Urinausscheidung, Thoraxdrainagen, Magensonde, Erbrechen, Durchfälle, Schwitzen,
4 die Einfuhr umfasst: Volumen und Zusammensetzung der Infusionslösung, Spülflüssigkeiten,
oral zugeführte Flüssigkeiten.
4.3
Neurologische Überwachung
Sie bedient sich einfacher Methoden und soll
­Schädigungen des ZNS, z. B. durch Embolie von
Luft oder Teilchen, Hirnödem oder Hirnblutung feststellen. Überprüft werden vom Pflegepersonal:
4 Bewusstseinslage,
4 Pupillengröße und -reaktion,
4 Bewegung aller 4 Extremitäten,
4 Mitarbeit des Patienten.
Bei Verdacht auf eine zerebrale Schädigung muss
umgehend eine neurologische Konsiliarunter­
suchung durchgeführt werden. Durchgangssyndrome und psychische Störungen sind nach
Herzopera­tionen keine Seltenheit. Sie äußern sich
u. a. als:
4 Agitiertheit,
4 Unruhe,
4 motorische Überaktivität,
4 Verwirrtheit,
4 Wahnideen,
4 Stupor.
Gelegentlich werden die Störungen auch durch Alkohol- oder Medikamentenentzug oder Elektrolytstörungen hervorgerufen.
5
Thoraxdrainagen
Thoraxdrainagen dienen zur Ableitung von Blut aus
dem Wundgebiet und von Luft und Exsudat aus dem
Pleuraraum. Sie dürfen weder auf dem Transport
noch während der postoperativen Frühphase für
längere Zeit abgeklemmt werden, sondern lediglich
kurzfristig beim Wechsel der Sammelgefäße und zur
Überprüfung von Leckagen.
Beim längeren Abklemmen der Drainagen drohen folgende Gefahren:
4 Herztamponade, weil das Blut nicht mehr frei
abfließen kann.
4 Pneumothorax, weil die in den Pleuraspalt eindringende Luft nicht entweichen kann.
Sofort nach Ankunft des Patienten werden die Thoraxdrainagen an den Dauersog angeschlossen. Anfänglich kann für einige Sekunden ein Sog von etwa
60 cm H2O ausgeübt werden, danach wird ein Dauer­
sog von etwa 20 cm H2O eingestellt. Wichtig ist Folgendes:
1085
6 · Herz-Kreislauf-Funktion
Blutverlust über die Drainagen in den ersten beiden
Stunden mindestens alle 5 min und danach, wenn
Herz-Kreislauf-Funktion stabil, alle 15 min kontrollieren.
Drainageschläuche in den ersten beiden Stunden
mindestens alle 5–10 min und danach alle 30 min
ausmelken, damit das Blut nicht gerinnt und die
Drainagen verstopft.
Abknicken der Drainagen oder Herausrutschen aus
dem Thorax unbedingt vermeiden.
Blubbern in den Sauggefäßen weist auf Leckage
hin. Die Luft kann hierbei aus der Lunge oder aus
dem Wundkanal der Drainage stammen oder aber
über eine Undichtigkeit in den Schläuchen in das
System eindringen.
Ist zu Beginn der Drainage kein Blubbern nachweisbar, scheinen Lunge und/oder Pleura unversehrt
zu sein. Hört hingegen anfängliches Blubbern abrupt spontan auf, ist vermutlich die Drainage durch
die Blutgerinnsel verstopft.
5.1
Überprüfung einer Leckage
Blubbern die Sauggefäße, wird die Thoraxdrainage
mit 2 gegeneinander gesetzten Klemmen in unmittelbarer Nähe des Thorax abgeklemmt. Hört das
Blubbern jetzt auf oder lässt es merklich nach, liegt
das Leck vermutlich im Thorax. Bleibt das Blubbern
bestehen, liegt die Leckage außerhalb, und zwar unterhalb der Klemmen. Dann wird zusätzlich die
Drainage in Nähe der Absaugflasche abgeklemmt.
Ist das Blubbern immer noch zu hören, liegt die Leckage im Bereich zwischen den beiden abgeklemmten Stellen.
5.2
Entfernen der Thorax­drainagen
Die Thoraxdrainagen werden entfernt, wenn nur
noch minimale Flüssigkeitsmengen abfließen bzw.
keine weiteren Gerinnsel mehr auftreten oder keine
Leckage mehr nachweisbar ist.
63
Die Thoraxdrainagen können bei den meisten herzchirurgischen Patienten zwischen dem 1. und 3.
postoperativen Tag gezogen werden.
Hierzu werden die Verbände entfernt, die Haltenähte durchschnitten und das Wundgebiet mit einem
Desinfektionsmittel eingesprüht.
Die intraoperativ gelegte Tabakbeutelnaht wird
festgehalten, der Sog kurzfristig erhöht, die Haut
mit einer abgeschnittenen sterilen Kompresse
­bedeckt. Dann wird die Drainage rasch heraus­
gezogen und gleichzeitig die Tabakbeutelnaht zugezogen. Anschließend elastischer Pflasterverband.
Waren 2 Drainagen gemeinsam über ein Y-Stück an
den Sog angeschlossen, müssen sie vor dem Ziehen
abgeklemmt werden, damit nach Entfernen der
­ersten Drainage keine Luft über den Y-Schenkel in
die 2. Drainage und von dort in den Pleuraspalt
­gelangt.
Nach Entfernen der Thoraxdrainage wird eine Röntgenaufnahme durchgeführt. Ist ein geringer Pneumothorax vorhanden, wird der Patient sorgfältig
beobachtet; nach etwa 1 h wird die Röntgenaufnahme wiederholt. Sind keine wesentlichen Veränderungen eingetreten, wird nach 8 h erneut geröntgt. Danach 1-mal/Tag.
Ist hingegen nach Entfernen der Thoraxdrainage
ein deutlicher Pneumothorax vorhanden und besteht vermutlich ein Leck, muss erneut drainiert
werden.
6
Herz-Kreislauf-Funktion
In der unmittelbaren postoperativen Phase können
zahlreiche gefährliche Störungen der Herz-Kreislauf-Funktion auftreten, die sofort erkannt und behandelt werden müssen. Hierfür ist eine kontinuierliche und invasive Überwachung des Herz-Kreislauf-Systems erforderlich.
6.1
Postoperative Blutung
In den ersten 5 h nach der Herzoperation sind Blutverluste über die Thoraxdrainagen von mehr als
100 ml/h keine Seltenheit: diese Verluste sollten Auf-
1086
Kapitel 63 · Herzchirurgische Intensivmedizin
merksamkeit erregen. Werden in den ersten 12 h
mehr als 1200 ml Blut verloren, sollte rethorako­
tomiert werden, ebenso, wenn Verluste von 150–
300 ml/h länger als 4 h anhalten.
Plötzlich massive Blutverluste über die Drainagen bei bisher konstant niedrigen Verlusten weisen
immer auf eine größere chirurgische Blutung hin.
Hier muss rasch eine Entscheidung über die Rethorakotomie getroffen werden.
Gelegentlich sind Gerinnungsstörungen die Ursache postoperativer Blutungen; diese Blutungen
sind meist diffus.
Die Behandlung der Blutungen richtet sich
nach der Ursache. Stärkere chirurgische Blutungen
müssen chirurgisch behandelt werden: Rethorakotomie. Die laufenden Blutverluste werden mit Blut
ersetzt.
Blutungen durch Gerinnungsstörungen werden
mit Thrombozytenkonzentrat, Frischplasma usw.
behandelt.
6.2
63
Herztamponade
Eine Herztamponade entsteht durch Ansammlung
von Blut oder Gerinnseln im Perikard bzw. Mediastinum. Hierdurch werden die Kontraktion und Erschlaffung der Ventrikel behindert sowie die Vorhöfe und die V. cava komprimiert; die Folgen sind:
4 Herzzeitvolumen und arterieller Druck fallen
ab,
4 der zentrale Venendruck steigt an.
Ursache der Herztamponade ist die ungenügende
Drainage des Blutes aus dem Operationsgebiet. Die
Therapie erfolgt chirurgisch.
6.3
Low-output-Syndrom
Bei Low-output-Syndrom wirft das Herz ein zu
niedriges Herzzeitvolumen aus. Hierdurch werden
die Organe ungenügend durchblutet.
Die wichtigsten Zeichen sind:
4 Herz-Index (CI) unter 2,2 l/min/m2,
4 Urinausscheidung unter 20 ml/h,
4 niedriger arterieller Blutdruck (< 90 mmHg systolisch über mindestens 30 min),
4 Tachykardie,
4 periphere Pulse schwach oder nicht tastbar,
4 Haut blass oder zyanotisch,
4 metabolische Azidose,
4 PCWP > 15 mmHg,
4 Abfallen der gemischtvenösen O2-Sättigung.
Ursachen
Meist vielschichtig: ungenügender Myokardschutz
während der Operation, Luftembolie der Koronar­
arterien, akuter Myokardinfarkt, nicht korrigierter
Restdefekt, Herztamponade, vorbestehende Ventrikelfunktionsstörung, Hypoxie, Säure-Basen-Störungen usw.
Therapie
Sie richtet sich primär nach der Ursache. Unterstützende Maßnahmen sind:
4 maschinelle Beatmung,
4 Volumentherapie,
4 medikamentös: Katecholamine, Kalzium, Vasodilatatoren,
4 gelegentlich IABP.
6.4
Hypertonie
Eine Hypertonie tritt in der frühen postoperativen
Phase nicht selten auf, v. a. beim Erwachen aus der
Narkose. Zu diesem Zeitpunkt ist der Patient meist
unterkühlt und anämisch; das HZV ist erniedrigt,
der periphere Widerstand erhöht. Medikamentös
werden Analgetika (z. B. Dipidolor, Morphin) und
Sedativa sowie Vasodilatatoren (z. B. Nitroglyzerin,
Nipruss) gegeben.
6.5
Herzrhythmusstörungen
Herzrhythmusstörungen sind nach Herzopera­
tionen nicht ungewöhnlich. Sie können die Herzfunktion beeinträchtigen. Die Behandlung erfolgt,
je nach Störung, mit Herzschrittmacher oder medikamentös.
1087
7 · Atemtherapie
63
Pflegeschwerpunkte bei IABP:
4 Lagerung mit leicht erhöhtem Oberkörper,
kanüliertes Bein gestreckt
4 lückenlose Überwachung des Verlaufs der
intraaortalen Druckkurve, v. a. der diastolischen Drücke
4 Überwachung der Urinausscheidung (zu tief
sitzender Ballon kann die Nierendurchblutung und damit die Harnproduktion beeinträchtigen)
4 Überprüfung der Durchblutung der unteren
Extremitäten: Hautfarbe und -temperatur,
Fußpulse
4 Kontrolle neurologischer Funktionen: Bewusstsein, Pupillenreaktion, Motorik
4 Kontrolle der Gerätefunktion
. Abb. 63.1. Intraaortale Ballongegenpulsation. EKG und
Druckverlauf in der Aorta
6.6
Intraaortale Ballonpumpe
Dies ist ein mechanisches Gerät zur Unterstützung
der schwer beeinträchtigten Herzfunktion. Das Instrumentarium besteht aus einem aufblasbaren Ballon, der von der A. femoralis aus in die Aorta vorgeschoben wird, und einer Maschine, die Gas (CO2
oder Helium) in den Ballon pumpt und wieder absaugt (. Abb. 63.1). Der Vorgang wird elektronisch
gesteuert und auf Monitore übertragen. Der Ballon
wird jeweils während der Diastole aufgeblasen und
während der Systole abgelassen; dieser Vorgang wird
als intraaortale Ballongegenpulsation bezeichnet.
Durch die Gegenpulsation nimmt die Herzarbeit ab
(das Herz wird entlastet) und die Koronardurchblutung zu. Während der Gegenpulsation muss der Patient heparinisiert werden.
Indikationen
4 Pumpversagen,
4 Ventrikelseptumruptur,
4 Papillarmuskelruptur.
7
Atemtherapie
7.1
Postoperative Routine­
nachbeatmung
Die meisten Patienten werden nach einer Herzoperation etwa 6–24 h mit einem volumen- oder druckgesteuerten Respirator beatmet. Sedierung und Analgesie erfolgen hierbei wie in 7 Kap. 47 dargelegt.
Gründe für die postoperative Nachbeatmung sind:
4 der Patient ist unterkühlt,
4 die Anästhetika wirken noch nach (Atemdepression),
4 die Lungenfunktion ist vorübergehend gestört,
die Atemarbeit gesteigert.
Die anfängliche Respiratoreinstellung ist unmittelbar postoperativ nicht selten schwierig, weil der Ventilationsbedarf sich ständig ändern kann. Darum
sind in dieser Phase häufig Blutgasanalysen zur Kontrolle des pulmonalen Gasaustausches erforderlich.
Bestehen keine schwerwiegenden respiratorischen
oder hämodynamischen Störungen mehr, kann der
Patient extubiert werden, wenn die folgenden Kriterien erfüllt sind.
1088
Kapitel 63 · Herzchirurgische Intensivmedizin
Kriterien für die Extubation:
4 Herz-Kreislauf-Funktion stabil
4 keine wesentliche Nachblutung
4 ausreichende Atemfunktion:
– Vitalkapazität über 10–15 ml/kg
– Atemfrequenz unter 25/min
– Inspirationssog über 20–25 cm H2O
– paO2 über 60–80 mmHg unter Spontanatmung über T-Stück, jedoch ohne PEEP
oder CPAP
4 Sauerstoffbedarf normal:
– kein starkes Muskelzittern
– Körpertemperatur über 36°C, jedoch kein
hohes Fieber
4 ausreichender Sauerstofftransport:
– Hämatokrit über 25–30%
– keine schwere Alkalose (Linksverschiebung der O2-Bindungskurve)
4 ZNS: wacher und kooperativer Patient
63
Bei einigen Patienten muss von diesem Routinevorgehen abgewichen werden, z. B. bei Patienten mit
Mitralklappenersatz, pulmonaler Hypertonie oder
kardialer Kachexie. Diese Patienten sollten, selbst
wenn der pulmonale Gasaustausch in den ersten
Stunden ausreichend ist, behutsam vom Respirator
entwöhnt und nicht sofort extubiert werden. Denn
nicht selten erschöpfen sich die Patienten unter
Spontanatmung; oft treten dann auch noch Lungenfunktionsstörungen hinzu. Die Entwöhnung kann
über SIMV oder, wenn indiziert, CPAP erfolgen. Extubiert wird erst, wenn die Blutgase nach mehrstündiger Spontanatmung stabil geblieben sind.
7.2
Nach der Extubation
Bei den meisten Patienten ist in den ersten Tagen
nach der Operation der pulmonale Gasaustausch
gestört. Sie erhalten darum nach der Extubation zusätzlich Sauerstoff, am besten angefeuchtet über eine
Gesichtsmaske. Wird die Maske nicht toleriert, kann
ein Nasenkatheter verwendet werden (immer 2.
Wahl!). Zur Atemtherapie können, wenn erforderlich, ergänzend folgende Maßnahmen durchgeführt
werden:
4 inzentive Spirometrie,
4 Giebelrohr,
4 Thoraxphysiotherapie.
Die meisten Patienten können 24 h nach der Operation von der Intensivpflegestation auf die Allgemeinpflegestation verlegt werden.
8
Postoperative respiratorische
Insuffizienz
Bei einigen Patienten tritt in der postoperativen Phase (gewöhnlich innerhalb der ersten 24–48 h) eine
respiratorische Insuffizienz auf, die eine länger dau­
er­nde Respiratortherapie erfordert. Die wichtigsten
Ursachen sind Veränderungen der Lunge selbst:
4 Kollaps der Alveolen und Atemwege,
4 Schädigungen des Lungengewebes,
4 Flüssigkeitsverschiebungen in der Lunge,
4 Pneumonie.
Die Indikation zur maschinellen Beatmung ist gegeben, wenn die in 7 Kap. 57 dargestellten Kriterien
vorhanden sind. Die Langzeitbeatmung erfolgt über
einen orotrachealen Tubus mit Niederdruckmanschette mit einem volumenkonstanten Respirator.
Die Beatmungsform (assistiert, kontrolliert, SIMV)
hängt ganz wesentlich vom Grad der respiratorischen Insuffizienz ab. PEEP ist bei den meisten
Patienten indiziert, um die funktionelle Residualkapazität zu erhöhen und dadurch den pulmonalen
Gasaustausch zu verbessern. Unter PEEP kann die
inspiratorische Sauerstoffkonzentration meist reduziert werden. PEEP ist besonders wirksam bei diffusen Atelektasen und bei Flüssigkeitseinlagerung in
die Lunge (z. B. Lungenödem). Wird durch den
PEEP das HZV vermindert, müssen das Blutvolumen angehoben und positiv inotrope Substanzen
zugeführt werden. Alle Veränderungen des PEEP
(nach oben oder unten) müssen behutsam unter
Kontrolle der Herz-Kreislauf-Funktion erfolgen.
Über Entwöhnung von PEEP und maschineller Beatmung 7 Kap. 57.
1089
11 · Lagerung und körperliche Aktivitäten
9
Intravenöse Flüssigkeits- und Elektrolytzufuhr
Flüssigkeitsrestriktion ist in der frühen postoperativen Phase erforderlich. Als Erhaltungsbedarf werden nicht mehr als 1500–2000 ml Kristalloidlösung
zugeführt. Abnorme Verluste müssen jedoch extra
ersetzt werden. Nicht selten treten Störungen des
Elektrolytgleichgewichts auf:
9.1
Hypokaliämie
Dies ist die häufigste Elektrolytstörung nach einer
Herzoperation. Oft liegen eine präoperative Diuretikabehandlung und ungenügender präoperativer
Kaliumersatz zugrunde. Ausgiebige Diurese während der Operation fördert die Hypokaliämie zusätzlich.
Niedrige Kaliumspiegel prädisponieren zu
Herzrhythmusstörungen, besonders bei digitalisierten Patienten. Ist eine Hypokaliämie die Ursache
postoperativer Herzrhythmusstörungen, muss umgehend Kalium infundiert werden, z. B. in schweren
Fällen 40–60 mval in 250 ml Lösung innerhalb von
1½–2 h. Die Zufuhr erfolgt über einen zentralen
Venenkatheter unter kontinuierlicher EKG-Überwachung.
9.2
Hyperkaliämie
Sie wird manchmal postoperativ beobachtet, besondes wenn hyperkaliämische Kardioplegielösung
während der Operation verwendet wurde. Hohe Kaliumspiegel am 2. oder 3. postoperativen Tag beruhen meist auf zu ausgiebiger Kaliumtherapie in den
vorangegangenen Tagen.
Bei Kaliumwerten über 5,5 mmol/l wird die Kaliuminfusion abgestellt.
Steigt das Serumkalium auf über 6 mmol/l an,
kann hochprozentige Glukoselösung mit Insulinzusatz infundiert werden, um den Kaliumspiegel akut
zu senken. Diese Maßnahme sollte jedoch nur
durchgeführt werden, wenn im EKG die Zeichen der
Hyperkaliämie nachweisbar sind. Oft kann die
Kalium­ausscheidung durch ein Diuretikum (z. B.
Lasix) gefördert werden.
63
In einer Notsituation können die Auswirkungen
der Hyperkaliämie durch intravenöse Kalziuminjektionen vorübergehend antagonisiert werden.
Ist der Anstieg des Kaliumspiegel auch durch
Einläufe mit Ionenaustauschern nicht beherrschbar,
muss dialysiert werden.
9.3
Hypernatriämie und Hyponatriämie
Während eine Hypernatriämie postoperativ keine
wesentliche Rolle spielt, wird eine Hyponatriämie
v. a. bei präoperativer Kochsalzrestriktion, chronischer Diuretikatherapie und Verdünnung durch
den kardiopulmonalen Bypass beobachtet. Sind die
Natriumspiegel anhaltend unter 120 mmol/l erniedrigt und liegt keine Verdünnungshyponatriämie vor,
kann Kochsalzlösung infundiert werden.
9.4
Hypokalzämie
Sie tritt auf durch Verdünnung oder Zufuhr großer
Mengen ACD-Blut. Therapie: Kalzium i.v.
10
Medikamentenzufuhr
In der postoperativen Phase benötigt der herz­
chirurgische Patient häufig eine Vielzahl von Me­
dikamenten. Die meisten dieser Medikamente
­wirken negativ auf das Herz-Kreislauf-System
und müssen daher vorsichtig zugeführt werden.
Pflegefachkräfte müssen mit den Wirkungen, Nebenwirkungen und Dosierungen der Medikamente
vertraut sein, um schwerwiegende Irrtümer zu vermeiden. Zunächst werden alle Medikamente i.v.
injiziert, um eine sichere und berechenbare Wirkung zu erreichen.
11
Lagerungen und körperliche
Aktivitäten
Postoperative Schmerzen sind geringer, wenn der
Patient nicht ganz flach, sondern mit leicht erhöhtem Oberkörper gelagert wird. Im Übrigen gel-
1090
Kapitel 63 · Herzchirurgische Intensivmedizin
ten die Grundsätze der Lagerung von Intensivpatienten (7 Kap. 41). Seitenlagerungen können meist
2–3 h nach der Operation begonnen werden, wenn
die Herz-Kreislauf-Funktion ausreichend stabil ist.
Am Tag nach der Operation wird der Patient aufgesetzt, wenn möglich auch auf die Bettkante. Je nach
Fortschritt kann der Patient am 3. Tag in den Sessel
gesetzt werden, am besten 3- bis 4-mal/Tag für 15–
30 min.
12
Besonderheiten bei herzoperierten Kindern
12.1 Überwachung
Die Überwachung herzoperierter Kinder erfolgt
nach den gleichen Grundsätzen wie beim Erwachsenen. Sie beruht auf klinischer Beobachtung und invasiven Messverfahren.
12.1.1 Routineüberwachung bei
allen Kindern
63
4 Kontinuierliches EKG mit oberen und unteren
Alarmgrenzen für die Herzfrequenz,
4 kontinuierliche arterielle Blutdruckmessung mit
oberen und unteren Alarmgrenzen,
4 kontinuierliche Messung des zentralen Venendrucks,
4 kontinuierliche Messung der psO2,
4 Körpertemperatur kontinuierlich oder stündlich,
4 arterielle Blutgase alle 1–4 h und 10 min nach
jeder Neueinstellung des Respirators bzw. je
nach klinischem Zustand,
4 Ein- und Ausfuhr stündlich,
4 Labor: Elektrolyte, Blutzucker, Harnstoff, Kreatinin, Osmolarität, Hämatokrit, Gerinnungsstatus, Gesamteiweiß alle 4–24 h bzw. je nach klinischem Zustand des Kindes,
4 Körpergewicht 1- bis 2-mal/Tag,
4 Röntgenbild des Thorax bei Aufnahme, danach
1-mal täglich.
12.1.2
Überwachungsverfahren
bei besonderer Indikation
4 Pulmonaliskatheter für Pulmonalarteriendrücke, Wedge-Druck, HZV, Analyse gemischtvenösen Blutes,
4 linker Vorhofkatheter zur Messung des linken
Vorhofdrucks,
4 Echokardiographie,
4 12-Kanal-EKG zur Arrhythmiediagnostik.
Arterielle Kanülen
Arterienkanülen bzw. -katheter müssen bei kleinen
Kindern mit allergrößter Sorgfalt behandelt werden.
Die Durchgängigkeit sollte mit einer kontinuierlichen Druckspülung aufrechterhalten werden. Die
Punktionsstelle wird täglich neu verbunden und gereinigt. Gefäßspasmen müssen vermieden werden;
darum Katheterbewegungen im Gefäß auf ein Minimum reduzieren und beim Abnehmen von Blut keinen starken Sog ausüben.
Arterielle Kanülen nicht mit hohem Druck
durchspülen: Hierdurch können Gerinnsel oder Luft
retrograd in den arteriellen Kreislauf (Koronararterien, Hirngefäße) gelangen.
Arterielle Kanülen sollten so lange liegen bleiben, bis keine wiederholten Blutgasanalysen mehr
erforderlich sind; denn arterielle Punktionen beim
Kleinkind sind schwierig und zeitraubend.
Zentrale Venenkatheter
Bei Kindern mit Rechts-links-Shunt kann über die
zentralen Venenkatheter eine Luft- oder Teilchenembolie im arteriellen Kreislauf entstehen. Darum besondere Vorsicht bei allen Injektionen und Infu­
sionen. Beim Entfernen von linken Vorhofkathetern
können Blutungen auftreten.
Pulmonaliskatheter
Die Einführung des Katheters ist bei kleinen Kindern schwierig; oft gelingt sie nur unter Bildwandlerkontrolle. Bei Herzfehlern mit Rechts-links-Shunt
oder Obstruktion der rechten Ausflussbahn kann
der Katheter meist nur direkt während der Opera­
tion eingeführt werden. Der Katheter sollte nur bei
dringender Indikation gelegt werden.
1091
12 · Besonderheiten bei herzoperierten Kindern
12.2 Herz-Kreislauf-Funktion
12.2.1
Herzzeitvolumen
Hauptziel der postoperativen Behandlung ist ein
ausreichendes Herzzeitvolumen. Bei den meisten
Kindern kann das HZV klinisch eingeschätzt werden; eine direkte Messung ist gewöhnlich nicht erforderlich. Die Zeichen eines ausreichenden HZV
sind:
4 arterieller Blutdruck im Normbereich,
4 periphere Pulse gut gefüllt und leicht zu tasten,
4 Haut der Extremitäten warm und gut durchblutet,
4 rasche Kapillarfüllung beim Druck auf das Nagelbett,
4 Urinausscheidung über 0,5–1 ml/kg/h.
!Als pathologisch gilt ein Herz-Index unter
2 l/min/m2.
Der Erfolg einer Herzoperation zeigt sich daran, inwieweit sich die Funktion des operierten Herzens
dem eines normalen Herzens annähert.
12.2.2
Bradykardie
Sie wird von Kindern besonders schlecht toleriert,
weil die Größe des HZV in stärkerem Maße von der
Herzfrequenz abhängt als beim Erwachsenen. Die
langsame Herzfrequenz kann von einem supraventrikulären Schrittmacher ausgehen oder durch einen
Block der atrioventrikulären Überleitung entstehen.
Die häufigsten Ursachen einer Sinusbradykardie
sind Hypoxie und schwerer Blutdruckabfall. Hingegen beruht ein AV-Block meist auf einer chirurgischen Verletzung des Leitungsgewebes oder auf
einer Digitalisintoxikation.
Fällt durch die Bradykardie das HZV ab und
kann die Ursache der Bradykardie nicht beseitigt
werden, muss ein Herzschrittmacher gelegt werden.
12.2.3
Tachykardie
Sie tritt nach einer Herzoperation bei Kindern außerordentlich häufig auf, wird aber meist gut toleriert. Bevor beim Kinderherzen das HZV abfällt,
muss die Frequenz auf 180 und höher angestiegen
sein.
63
Wichtige Ursachen einer Tachykardie sind:
Schmerzen, Aufregung, Fieber, Hypovolämie, Hyperkapnie durch Hypoventilation. Andere wichtige
Gründe: ektopische Foki in Vorhöfen, AV-Knoten
oder Ventrikeln.
Fallen durch die Tachykardie das HZV und der
arterielle Blutdruck ab, sollte umgehend eine Kar­
dioversion (in Narkose) durchgeführt werden. ­Hierzu
sind, je nach Alter des Kindes und Art der Tachyarrhythmie, Stromstärken zwischen 10 und 50 Ws erforderlich.
12.2.4
Niedrige Füllungsdrücke
Bei guter Funktion der Ventrikel liegen die Drücke in
den beiden Vorhöfen etwa zwischen 5 und 12 mmHg.
Sind die Füllungsdrücke erniedrigt, fallen meist auch
HZV und arterieller Blutdruck ab. Darum ist es wichtig, dass in der postoperativen Frühphase Blut- und
andere Volumenverluste ausreichend ersetzt werden.
Der Volumenbedarf ist meist größer als durch einfache Ausfuhrbilanz errechnet wird. Dies gilt v. a. in
der Aufwärmphase, wenn die Gefäße sich erweitern.
Sind die Blutverluste größer als 10 ml/kg/h, muss
meist rethorakotomiert werden (unter laufendem
Blutersatz). Gerinnungsstörungen kommen ebenfalls
als Ursache postoperativer Blutungen in Frage. Der
Volumenersatz muss insbesondere bei kleinen Kindern behutsam, unter Kontrolle hämodynamischer
Parameter, erfolgen, um eine Überladung des Kreislaufs zu vermeiden.
12.2.5
Pulmonaler Hochdruck
Er tritt v. a. bei Herzfehlern mit Links-rechts-Shunt
auf, z. B. Vorhofseptumdefekt (ASD), Ventrikelseptumdefekt (VSD), Ductus Botalli oder Truncus arteriosus. Besteht ein pulmonaler Hochdruck, müssen
alle Faktoren, die den pulmonalen Gefäßwiderstand
erhöhen, vermieden werden. Hierzu gehören z. B.
Hyperkapnie, Hypoxie, Azidose, hoher Beatmungsdruck.
12.3 Atemtherapie
Atemstörungen in der postoperativen Phase treten
bei Kindern aus ähnlichen Gründen auf wie bei Er-
1092
Kapitel 63 · Herzchirurgische Intensivmedizin
wachsenen. Außerdem muss aber bei folgenden
Kindern in typischer Weise gehäuft mit Atemstörungen in der postoperativen Phase gerechnet werden:
4 schwere zyanotische Herzfehler,
4 pulmonaler Hochdruck,
4 Obstruktion der rechten Ausflussbahn vor der
Operation,
4 vorbestehende respiratorische Erkrankungen,
4 sehr lange Herz-Lungen-Maschinen-Zeit,
4 Unterernährung.
12.3.1
Frühe Extubation
Kinder in gutem klinischen Zustand, die ohne HerzLungen-Maschine operiert wurden, oder Kinder, bei
denen unter HLM ein unkomplizierter Herzfehler
korrigiert wurde, können meist kurz nach dem Eingriff extubiert werden. Voraussetzung ist ein wacher
Patient mit ausreichender Spontanatmung. Tatkräftige Anästhesisten extubieren meist im OP, vorsichtige hingegen nach dem Transport auf der Intensivstation.
12.3.2
63
Langzeitintubation und
Beatmung
Soll das Kind für längere Zeit, d. h. viele Stunden bis
Tage oder Wochen, postoperativ beatmet werden, so
erfolgt im OP am Ende der Operation eine nasotracheale Umintubation mit einem weichen Tubus (bis
zu etwa 8 Jahren ohne Manschette).
Die Indikationen und Kriterien für die Be­
atmung sind in 7 Kap. 57 zusammengestellt. Die Beatmungsform richtet sich nach der zugrunde liegenden Störung des pulmonalen Gasaustausches. PEEP
ist indiziert, wenn die FRK erniedrigt ist. Allerdings
dürfen die Alveolen hierbei nicht überdehnt werden.
Die Auswirkungen auf die Herz-Kreislauf-Funktion
müssen ebenfalls sorgfältig gegenüber dem Nutzen
für den pulmonalen Gasaustausch abgewogen werden.
Die Entwöhnung von kontrollierter Beatmung
kann über SIMV und CPAP erfolgen. Der Extuba­
tion geht die Entwöhnung von hohen Sauerstoffkonzentrationen voran (7 Kap. 57).
Die Extubation kann erwogen werden, wenn
folgende Kriterien erfüllt sind:
4 unter CPAP von 2–4 mbar und FIO2 von 0,4
bzw. 40% O2 ausreichende Blutgasanalysen
4 stabile Herz-Kreislauf-Funktion: normaler
Blutdruck, ausreichendes HZV, keine bedeutsamen Herzrhythmusstörungen
4 kein wesentlicher Blutverlust über die Thoraxdrainagen
4 ausgeglichener Wasser- und Elektrolythaushalt
4 Kind wach, Hustenreflexe normal, Sekrete
flüssig
Maßnahmen nach der Extubation 7 Kap. 57.
12.4 Flüssigkeits- und Elektrolyttherapie
Bei Kindern mit angeborenen Herzfehlern besteht
eine Tendenz zur Einlagerung von Wasser in Lunge,
Leber und Bauchraum. Darum darf die Flüssigkeitszufuhr in den ersten postoperativen Tagen nicht zu
hoch sein. Dies gilt besonders bei Kindern mit Herzinsuffizienz. Der normale Erhaltungsbedarf wird
mit Glukose 5% oder 10% gedeckt; der Zusatz von
Elektrolyten muss individuell nach dem jeweiligen
Bedarf erfolgen. In . Tab. 63.1 sind Anhaltswerte für
den Volumenersatz nach Herzoperationen angegeben. Sie sind auf die Körperoberfläche bezogen; in
zahlreichen Kliniken wird die Berechnung pro kg
Körpergewicht vorgezogen.
. Tab. 63.1. Volumenersatz nach Herzoperationen bei
Kindern
Tag
Mit HLM
[ml/m2]
Ohne HLM
[ml/m2]
OP-Tag
1. postop. Tag
2. postop. Tag
3. postop. Tag
4. postop. Tag
5. postop. Tag
750
1000
1250
1500
1750
2000
Bis 1000
1000–1500
1250–2000
1500–2000
Wunschmenge
Wunschmenge
12 · Besonderheiten bei herzoperierten Kindern
1093
63
Nachschlagen und Weiterlesen
Überprüfen Sie Ihr Wissen!
Larsen R (2005) Anästhesie und Intensivmedizin in Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie. 6. Aufl Springer, Berlin Heidelberg
1. Welche Überwachungsmaßnahmen sind in
den ersten Stunden nach Herzoperationen
erforderlich? (Abschn. 4)
2. Welche Gefahren drohen bei längerem
Abklemmen von Thoraxdrainagen in der
frühen postoperativen Phase? (Abschn. 5)
3. Wodurch entsteht beim herzchirurgischen
Intensivpatienten eine Herztamponade und
wie manifestiert sie sich? (Abschn. 6.2)
4. Nennen Sie die wichtigsten Ursachen eines
Low-output-Syndroms beim herzchirurgischen Patienten! (Abschn. 6.3)
5. Nennen Sie die Pflegeschwerpunkte bei
Patienten mit IABP! (Abschn. 6.6)
6. Welche Kriterien sollten erfüllt sein, bevor
der herzchirurgische Patient extubiert wird?
(Abschn. 7.1)
7. Welche Elektrolytstörungen können postoperativ beim herzchirurgischen Patienten
auftreten? (Abschn. 9)
8. Schildern Sie die Routineüberwachung
nach Herzoperationen bei Kindern! (Abschn. 12.1)
Vallbracht C, Kaltenbach M (2006) HerzKreislauf kompakt.
Steinkopff, Darmstadt
Zerkowski HR, Baumann G (2006) HerzAkutMedizin. Ein Manual für die kardiologische, herzchirurgische, anästhesiologische und internistische Praxis. 2. Aufl Steinkopff, Darmstadt
Internet
Deutsche Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie.
www.dgth.de
Herunterladen