Diplomarbeit Anatomische Grundlagen des OberkieferFrontzahnbereichs Periapikale Messung der Knochendicke anhand digitaler Volumentomographien eingereicht von Andreas H. Penn zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Zahnheilkunde (Dr. med. dent.) an der Medizinischen Universität Graz ausgeführt an der Klinik für zahnärztliche Chirurgie, -Radiologie, Mund- und Kieferheilkunde, Universität Basel unter Anleitung der Betreuer Prof. Dr. Andreas Filippi Dr.in Dorothea Dagassan-Berndt Ao.Univ.-Prof. Dr. med. univ. Kurt Ebeleseder Graz, am 17.Juli 2015 Andreas Penn Anatomische Grundlagen des Oberkiefer-Frontzahnbereichs I. Eidesstattliche Erklärung Ich erkläre hiermit ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet habe und die in den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Graz, am 17.Juli 2015 Andreas H. Penn, eh. II Andreas Penn Anatomische Grundlagen des Oberkiefer-Frontzahnbereichs II. Danksagungen Ich möchte mich vor allem bei meinem Betreuer Prof. Dr. Andreas Filippi für das Bereitstellen des Themas, seine stetige Hilfsbereitschaft bei allen Fragestellungen sowie für die ausgezeichnete Zusammenarbeit bedanken. Weiters gilt mein Dank dem gesamten Team an der Klinik für zahnärztliche Chirurgie, -Radiologie, Mundund Kieferheilkunde in Basel für die herzliche Aufnahme während meiner Studienaufenthalte in der Klinik. Ich habe mich bestens betreut und sehr wohl gefühlt. Speziell richte ich meinen Dank an Frau Dr. Dorothea Dagassan-Berndt, die mir bei der Datenerhebung an der Klinik in Basel sowie während aller Phasen der Fertigstellung sehr geduldig mit ihrem Know-how zur Seite gestanden ist. Ein großes Dankeschön möchte ich auch an meinen Betreuer der Medizinischen Universität Graz, Prof. Dr. med. univ. Kurt Ebeleseder, richten. Bei kniffligen Fragen durfte ich mich immer an ihn wenden und er hat mich sowohl in der initialen als auch in der finalen Phase dieser Arbeit sehr unterstützt. Besonderer Dank gilt natürlich auch meinen Eltern Brigitte und Helmut, die mich während des gesamten Studiums in jeder erdenklichen Art und Weise unterstützt und mir somit eine unbeschwerte Zeit ermöglicht haben. Ohne sie wäre mein großer Wunsch, meine Diplomarbeit in Basel zu schreiben, nicht realisierbar gewesen. Zuletzt danke ich meinen Freunden und Kommilitonen, die dazu beigetragen haben, dass die Studienzeit für immer unvergesslich bleiben wird. III Andreas Penn Anatomische Grundlagen des Oberkiefer-Frontzahnbereichs III. Zusammenfassung Einleitung: Im Zuge der Anästhesie bei Nasenendoskopien durch den HNO-Arzt berichteten PatientInnen von Sensibilitätsstörungen in der Frontzahnregion. Dieses Phänomen könnte gezielt als Anästhesie in der Zahnheilkunde eingesetzt werden. Um eine Grundlage für die klinische Anwendung zu schaffen, ist es das Ziel der vorliegenden Studie, die anatomische Situation um die Wurzelspitzen der Frontzähne im Oberkiefer systematisch zu vermessen. Material und Methode: Für die vorliegende Studie wurden 200 digitale Volumentomographien der Oberkiefer-Frontzähne ausgewertet. Es wurden die Abstände der Wurzelspitzen der Frontzähne im Bereich der Zähne 13-23 zu den jeweiligen knöchernen Begrenzungen nach bukkal/palatinal/apikal sowie die Dicke der Kompakta der jeweiligen Regionen vermessen. Des Weiteren wurde die Ausrichtung der Foramina apicalia dokumentiert. Ergebnisse: Am Häufigsten wurden die Zähne 12 mit 456 und 22 mit 447 Auswertungen Wurzelspitzen vermessen. in Vergleicht man die apikaler/bukkaler/palatinaler Knochendicke Richtung um zeigt die sich erwartungsgemäß bukkal der dünnste Knochen. Die dünnste Kompakta ist bei Patientinnen im Milchgebiss sowie im bleibenden Gebiss und bei Patienten im bleibenden Gebiss apikal der Wurzelspitze zu finden. Die dünnste Kompakta bei Patienten im Milchgebiss liegt bukkal der Wurzelspitze. Die Foramina apicalia liegen bei beiden Geschlechtern im Milchgebiss zu 44,4% und im bleibenden Gebiss zu 54,7% in apikaler Ausrichtung am jeweiligen Zahn. Diskussion: Die apikal überwiegend dünne Kompakta ist eine entscheidende Voraussetzung für eine erfolgreiche Diffusion des Anästhetikums zur Wurzelspitze. Außerdem könnte die apikale Ausrichtung der Foramina apicalia einen relevanten Faktor darstellen. Diese anatomisch radiologische Grundlagenstudie zeigt günstige anatomische Verhältnisse für eine solche neuartige Lokalanästhesie. Weitere klinische Tests sind notwendig um diese auch in der Anwendung zu bestätigen. IV Andreas Penn Anatomische Grundlagen des Oberkiefer-Frontzahnbereichs IV. Abstract Introduction: All medical subjects are developing continuously; so does local anesthesia. At nasal endoscopy by ENT specialists, patients reported sensory disturbances in the anterior teeth region due to the nasal local anesthesia. This side-effect could be used purposely for a new method of local dental anesthesia. To test the feasibility of such a new approach for local anesthesia we wanted to characterize the anatomical situation of the frontal teeth roots in detail. Material and methods: For this study, 200 cone-beam computer tomographies were analyzed. The distances between the apices of the front teeth in the range 13-23 to the nasal floor as well as the thickness of the respective compact bone was measured. Furthermore, the orientation of the apical foramen was documented. Results: The results show a high accuracy in the three series of measurements. Most measurements were done on teeth 12 and 22 with 456 and 447 evaluations, respectively. In terms of bone thickness, this study shows that for all measured teeth the thinnest point is buccally of the apex and the thinnest compact bone in women (both primary dentition and permanent teeth) as in men’s permanent teeth is found apically of the apex. The thinnest compact bone in men in primary dentition is found buccally of the apex. The apical foramen is located apically in 44.4% of primary dentition and in 54.7% of permanent teeth. Conclusion: This study shows that the anatomic conditions theoretically allow a needle-free local frontal teeth anesthesia via the nasal floor. As it is an anatomicalradiological basic study, further clinical tests are necessary to confirm these results in practice. V Andreas Penn Anatomische Grundlagen des Oberkiefer-Frontzahnbereichs V. Inhaltsverzeichnis I. Eidesstattliche Erklärung .................................................................................. II II. Danksagung ..................................................................................................... III III. Zusammenfassung ......................................................................................... IV IV. Abstract............................................................................................................. V V. Inhaltsverzeichnis ...........................................................................................VI VI. Glossar und Abkürzungen........................................................................... VIII VII. Abbildungsverzeichnis.................................................................................. IX VIII. Tabellenverzeichnis...................................................................................... XI 1 Einleitung ........................................................................................................ 1 1.1 Rechtslage.................................................................................................. 1 1.2 Indikationen für eine Anästhesie................................................................. 1 1.3 Varianten der Lokalanästhesie ................................................................... 2 1.3.1 Klassische Methoden der Lokalanästhesie ........................................... 2 1.3.1.1 Infiltrationsanästhesie ...................................................................... 2 1.3.1.1.1 Anwendungsgebiete .................................................................. 3 1.3.1.2 Leitungsanästhesie .......................................................................... 3 1.3.1.2.1 Anwendungsgebiete .................................................................. 3 1.3.1.3 Oberflächenanästhesie .................................................................... 4 1.3.1.3.1 Oberflächenanästhetika ............................................................. 4 1.3.2 Moderne Methoden der Lokalanästhesie .............................................. 6 1.3.2.1 Computergesteuerte Lokalanästhesie ............................................. 6 1.3.2.2 Intraossäre Anästhesie .................................................................... 6 1.3.2.3 Nadelfreie Lokalanästhesie ............................................................. 7 1.4 Unterstützende Maßnahmen ...................................................................... 7 1.5 Aspekte der Zahntraumatologie.................................................................. 7 1.6 Digitale Volumentomographie..................................................................... 8 1.7 Aspekte der Hals-Nasen-Ohren Heilkunde ................................................. 8 1.8 Ziel der Studie ............................................................................................ 9 2 Material und Methode ................................................................................... 10 2.1 Datenherkunft und PatientInnenkollektiv .................................................. 10 2.2 Technische Grundvoraussetzungen ......................................................... 10 2.3 Messbereich ............................................................................................. 10 2.4 Einschlusskriterien .................................................................................... 11 2.5 Ausschlusskriterien ................................................................................... 11 2.6 Auswertungsgrundlagen ........................................................................... 12 2.7 Messvorgang ............................................................................................ 12 2.8 Statistik ..................................................................................................... 16 3 Ergebnisse .................................................................................................... 17 3.1 Datensätze ............................................................................................... 17 3.1.1 Messgenauigkeit ................................................................................. 17 3.1.2 Verteilung der Zahnpositionen ............................................................ 19 3.2 Foramen apicale ....................................................................................... 20 3.2.1 Foramina apicalia: Aufteilung nach Zahnposition ............................... 22 3.2.2 Foramina apicalia: Seitenvergleich ..................................................... 23 3.3 Messwerte für die Knochendicke .............................................................. 25 3.3.1 Knochendicke: Aufteilung nach Zahnpositionen ................................... 26 VI Andreas Penn Anatomische Grundlagen des Oberkiefer-Frontzahnbereichs 3.3.2 Knochendicke: Seitenvergleich ............................................................ 28 3.3.3 Zusammenhang zwischen Knochendicke und Alter ............................. 29 3.4 Messwerte für die Kompakta .................................................................... 31 3.4.1 Kompakta: Aufteilung nach Zahnposition ............................................ 32 3.4.2 Kompakta: Seitenvergleich................................................................... 34 3.4.3 Zusammenhang zwischen Kompakta und Alter .................................. 35 4 Diskussion .................................................................................................... 36 4.1 Stärken und Limitationen: ......................................................................... 38 4.2 Zusammenfassung ................................................................................... 38 5 Literaturverzeichnis...................................................................................... 39 VII Andreas Penn Anatomische Grundlagen des Oberkiefer-Frontzahnbereichs VI. Glossar und Abkürzungen a apikal Abb. Abbildung b bukkal BG bleibendes Gebiss d distal db distobukkal dp distopalatinal DVT digitale Volumentomographie For.ap. Foramen apikale FOV Field of view HNO Hals-Nasen-Ohren ICC Intra-Klassen-Korrelationskoeffizient LA Lokalanästhesie Lj. Lebensjahr m mesial max Maximum mb mesiobukkal MG Milchgebiss min Minimum ml Milliliter mm Millimeter mp mesiopalatinal MZ Milchzahn N Anzahl p palatinal Standardabw. Standardabweichung Tab. Tabelle VIII Andreas Penn Anatomische Grundlagen des Oberkiefer-Frontzahnbereichs VII. Abbildungsverzeichnis Abb.1: Unzureichender Kontrast ..........................................................................12 Abb.2: DVT vor der orthogonalen Ausrichtung.....................................................13 Abb.3: DVT nach der orthogonalen Ausrichtung..................................................13 Abb.4: Messung des Abstands der Wurzelspitze bis zum Rand der Kompakta...14 Abb.5: Messung der Dicke der Kompakta............................................................15 Abb.6: Messfehler Distanz....................................................................................18 Abb.7: Messfehler Kompakta................................................................................18 Abb.8: Verteilung der Zahnpositionen (Gesamtzahl) ...........................................19 Abb.9: Graphische Darstellung der Lokalisation der Foramina apicalia bei Frauen im Milchgebiss .........................................................................................20 Abb.10: Graphische Darstellung der Lokalisation der Foramina apicalia bei Männern im Milchgebiss ........................................................................21 Abb.11: Graphische Darstellung der Lokalisation der Foramina apicalia bei Frauen im bleibenden Gebiss ................................................................21 Abb.12: Graphische Darstellung der Lokalisation der Foramina apicalia bei Männern im bleibenden Gebiss..............................................................22 Abb.13: Graphische Darstellung der Anatomie der Foramina apicalia im Zusammenhang mit der Zahnposition ...................................................23 Abb.14: Graphische Darstellung der Ausrichtung der Foramina apicalia im Seitenvergleich ......................................................................................24 Abb.15: Graphische Darstellung der Messwerte +/- Standardabweichung für die Distanz getrennt nach Geschlecht, Gebiss und Richtung......................26 Abb.16: Graphische Darstellung der Distanz, aufgeteilt nach Ausrichtung, Zahnposition und Entwicklungsstadium des Gebisses .........................27 Abb.17: Graphische Darstellung der Distanz, aufgeteilt nach Ausrichtung, Zahnposition und Entwicklungsstadium des Gebisses .........................28 Abb.18: Zusammenhang des Alters mit der apikalen Distanz ............................29 Abb.19: Zusammenhang des Alters mit der bukkalen Distanz ...........................30 Abb.20: Graphische Darstellung der Messwerte für die Kompakta, getrennt nach Geschlecht, Gebiss und Richtung .........................................................32 Abb.21: Graphische Darstellung der Messwerte für die Kompakta, getrennt nach Zahnposition ..........................................................................................33 IX Andreas Penn Anatomische Grundlagen des Oberkiefer-Frontzahnbereichs Abb.22: Graphische Darstellung des Seitenvergleiches der Kompakta...............34 X Andreas Penn Anatomische Grundlagen des Oberkiefer-Frontzahnbereichs VIII. Tabellenverzeichnis Tab.1: Verteilung von Geschlecht und Entwicklungsstadium des Gebisses.........17 Tab.2: Alter der PatientInnen.................................................................................17 Tab.3: Deskriptive Statistik der Messgenauigkeit..................................................17 Tab.4: Lokalisation der Foramina apicalia.............................................................20 Tab.5: Foramina apicalia im Zusammenhang mit der Zahnposition......................22 Tab.6: Ausrichtung der Foramina apicalia im Seitenvergleich...............................23 Tab.7: Messwerte für die Distanz getrennt nach Geschlecht, Gebiss und Richtung......................................................................................................25 Tab.8: Messwerte für die Distanz, aufgeteilt nach Ausrichtung, Zahnposition und Entwicklungsstadium des Gebisses ...........................................................27 Tab.9: Distanz aufgeteilt nach Ausrichtung, Gebiss und Seite..............................28 Tab.10: Korrelationen zwischen Alter und Distanz................................................29 Tab.11: Messwerte für die Kompakta, getrennt nach Geschlecht, Gebiss und Richtung...................................................................................................31 Tab.12: Messwerte für die Kompakta, getrennt nach Zahnposition......................33 Tab.13: Kompakta im Seitenvergleich...................................................................34 Tab.14: Korrelation zwischen Alter und der Dicke der Kompakta.........................35 XI Andreas Penn Anatomische Grundlagen des Oberkiefer-Frontzahnbereichs 1 Einleitung Als Nebenwirkung des bei Nasenendoskopien durch den HNO-Arzt verwendeten topischen Lokalanästhetikums (LA) berichteten PatientInnen von reversiblen Sensibilitätsstörungen der Oberkiefer-Frontzähne. Ziel der vorliegenden Studie ist die Vermessung der Abstände der Wurzelspitzen der Oberkiefer-Frontzähne zum Nasenboden. Diese Werte werden mit dem jeweiligen Abstand zur bukkalen oder palatinalen Knochenbegrenzung verglichen. Die Anästhesie hat die großen chirurgischen Erfolge unseres Jahrhunderts erst möglich gemacht. Bis 1846 als Horace Wells und William Morton zeitgleich mit Äther als Anästhetikum experimentierten, mussten die PatientInnen bei Operationen und Zahnextraktionen erhebliche Schmerzen erdulden. Seit den Anfängen der modernen Anästhesie, als der Österreicher Dr. Koller im Jahr 1884 mit Kokain als Lokalanästhetikum bei Operationen am Auge experimentierte (1), hat die Entwicklung der Lokalanästhesie unaufhaltsam ihren Lauf genommen. Seither wurden weit über eintausend verschiedene lokalanästhetisch wirksame Substanzen gefunden. Die zahlreichen Methoden, die in den vergangenen Jahren entwickelt und verfeinert wurden, werden in Kapitel 1.3. genauer beschrieben. 1.1 Rechtslage Jeder Patient hat das einklagbare Recht auf eine ausreichende Schmerztherapie (2,3) und sollte – nach dem Stand der aktuellen Rechtsprechung – über jegliche Komplikationen und Risiken, sowie über etwaige Alternativen aufgeklärt werden. (3,4,5,6) 1.2 Indikationen für eine Anästhesie Eine adäquate Lokalanästhesie ist meist Voraussetzung für die Durchführung der meisten zahnärztlichen Eingriffe. (7) Eine ausreichende Anästhesie ist sowohl für den Erfolg der Behandlung durch den Arzt, als auch für den Komfort des Patienten essentiell. Darüber hinaus ist die 1 Andreas Penn Anatomische Grundlagen des Oberkiefer-Frontzahnbereichs Einstellung des Patienten gegenüber der zahnärztlichen Behandlung von bereits gemachten Erfahrungen mit Lokalanästhesie abhängig. Viele PatientInnen wählen ihren Zahnarzt nach dem Angebot einer schmerzfreien Behandlung aus. (8) Es wird empfohlen, das Lokalanästhetikum möglichst nah an den zu anästhesierenden Nerven(endigungen) zu applizieren. (9) Aktuellen Studien zufolge besteht ein Unterschied in der Schmerzwahrnehmung zwischen Frauen und Männern. (10,11) Grundsätzlich unterscheidet man sechs verschiedene Applikationsformen des Anästhetikums: Oberflächen-, Infiltrations-, Leitungs-, intraossäre-, nadelfreie-, und computergesteuerte Anästhesie werden im Folgenden dargestellt: 1.3 Varianten der Lokalanästhesie 1.3.1 Klassische Methoden der Lokalanästhesie Im Oberkiefer wird in der Regel eine Infiltrationsanästhesie bzw. eine Leitungsanästhesie am Tuber maxillae sowie eine Leitungsanästhesie des Nervus palatinus angewandt. (12,13) In Einzelfällen kommt auch eine Leitungsanästhesie am Nervus infraorbitalis in Frage. (14) Im Unterkiefer bedient man sich der Leitungsanästhesie des Nervus alveolaris inferior und im gleichen Zug auch des Nervus lingualis. Zusätzlich können gewisse Behandlungen auch in Infiltrationsanästhesie durchgeführt werden. Eine intraligamentäre Anästhesie kann bei jedem Zahn, in jedem Kiefer, unabhängig vom Alter und der Konstitution des Patienten durchgeführt werden. 1.3.1.1 Infiltrationsanästhesie Bei der Infiltrationsanästhesie unterscheidet man zwischen der Plexusanästhesie - hierbei wird ein subperiostales Depot angelegt - und der nur in der Frontzahnregion angewandten intramukösen Anästhesie, die in der Bildung einer Quaddel besteht. Eine weitere Form der Infiltrationsanästhesie stellt die intraligamentäre Anästhesie dar. Hierbei wird das Anästhetikum mittels eines speziellen Instrumentariums in das Ligament des Parodontalspaltes injiziert. (15) 2 Andreas Penn Anatomische Grundlagen des Oberkiefer-Frontzahnbereichs Ziel der Infiltrationsanästhesie ist es, die Reizleitung eines einzelnen Zahnes bzw. einer Zahngruppe zu unterbrechen. 1.3.1.1.1 Anwendungsgebiete Bei den Frontzähnen im Oberkiefer wird der Plexus dentalis des Nervus maxillaris des jeweiligen Zahnes mittels Infiltrationsanästhesie von bukkal anästhesiert..(16) Der hier nur 1 bis 3 mm dicke Knochen ermöglicht eine Diffusion der Anästhetika in ausreichender Menge. (17) Darüber hinaus lässt sich jeder Zahn einzeln im Rahmen einer Infiltrationsanästhesie ausschalten. 1.3.1.2 Leitungsanästhesie Sie ermöglicht die Anästhesie einer ganzen Zahngruppe bzw. eines ganzen Quadranten. Hierbei setzt man das Depot des Anästhetikums im Unterkiefer in die Umgebung des Foramen mandibulae um die Reizleitung des Nervus alveolaris inferior zu unterbrechen oder in die Wangenschleimhaut am Nervus buccalis. Für eine Leitungsanästhesie des 1. oder des 2. Quadranten ist es notwendig möglichst nah am Foramen palatinum majus zu injizieren um den Nervus palatinus major zu anästhesieren. Weiters bestehen die Möglichkeiten das Anästhetikum am Tuber maxillae oder extraoral am Nervus infraorbitalis für die jeweiligen Regionen zu injizieren. (13,14) 1.3.1.2.1 Anwendungsgebiete Bei den Frontzähnen im Oberkiefer der Regio 13-23 betäubt man den Nervus incisivus mittels einer Leitungsanästhesie von palatinal. (16) Um die Zähne 14-18 bzw. 24-28 zu anästhesieren muss man auf Höhe von 17 bzw. 27 von palatinal einstechen um das Anästhetikum möglichst nahe am Foramen palatinum und somit unmittelbar am Nervus palatinus major zu applizieren. Um eine isolierte Anästhesie der Oberkiefermolaren des jeweiligen Quadranten zu erzielen, gilt es das Anästhetikum am Tuber maxillae zu injizieren. 3 Andreas Penn Anatomische Grundlagen des Oberkiefer-Frontzahnbereichs Mit der extraoralen Anästhesie am Nervus infraorbitalis erzielt man eine Betäubung der Regio 11-14 bzw. 21-24, wobei diese Methode nur in Sonderfällen zur Anwendung kommt. (16) Die Anästhesie am Foramen mandibulae bewirkt eine Hemmung der Reizweiterleitung an den Nervus alveolaris inferior und des Nervus lingualis aller Zähne des anästhesierten Quadranten im Unterkiefer, sowie die angrenzende Mund- und Wangenschleimhaut und die Zunge halbseitig. Im Rahmen einer Anästhesie des Nervus buccalis wird die bukkale Wangenschleimhaut im Molarenbereich des zu anästhesierenden Quadranten betäubt. 1.3.1.3 Oberflächenanästhesie Die modernen Oberflächenanästhetika wurden um 1980 entwickelt und werden seit Mitte der 1990er Jahre in diversen medizinischen Fachrichtungen im täglichen Gebrauch eingesetzt. (18) Um Kindern und ängstlichen Erwachsenen den Einstich bei der Anästhesie erträglicher zu gestalten, wird ein Oberflächenanästhetikum auf die Mukosa aufgetragen um die Einstichstelle lokal zu betäuben. Da diese Studie die Grundlage für eine Anästhesierung der Frontzähne durch Applikation von Oberflächenanästhetika auf die Schleimhaut des Nasenbodens bilden soll, wird im folgenden Abschnitt genauer auf die hierfür am häufigsten verwendeten Medikamente eingegangen. 1.3.1.3.1 Oberflächenanästhetika Die Oberflächenanästhesie beruht auf der lokalen Diffusion der wirkenden Substanzen Tetracain und Lidocain durch die Haut beziehungsweise durch die Schleimhaut. (19,20) “Lidocain-hydrochlorid ist ein effektives und verlässliches hydrophiles Lokalanästhetikum, dessen primäre Vorteile ein rascher Wirkungseintritt, eine mittelmäßig lange Wirkdauer und eine geringe systemische Toxizität sind“. (21) Die Applikation kann durch Pellets, durch Sprays, durch Aufbringen von Salben, Gele oder durch Lutschbonbons sowie mukoadhäsive Tabletten (22) erfolgen. Die zuvor genannten Substanzen werden in 0,5-3%iger 4 Andreas Penn Anatomische Grundlagen des Oberkiefer-Frontzahnbereichs Konzentration verwendet und müssen 2-3 Minuten einwirken. Die Dauer der Wirkung beträgt etwa 10 Minuten. (23) Durch Zugabe einer Adrenalinlösung (Stammlösung 1:1000) kann die Resorption von Lösungen verzögert und die Toxizität herabgesetzt werden. Adrenalin wirkt zusätzlich abschwellend. Hierbei sollte die Dosierung von 1:1000 auf 1ml Tetracain, nicht überschritten werden. (24) Viele Studien haben gezeigt, dass bei flexiblen Nasenendoskopien in der HalsNasen- und Ohrenheilkunde viele der aufgetretenen Beschwerden auf den subjektiv schlechten Geschmack des topischen Lidocains zurückzuführen sind. (25,26,27,28) Dies kann auch für die potentielle Anwendung als topische Anästhesie der Nasenbodenschleimhaut zur Betäubung der Oberkiefer- Frontzähne angenommen werden. Um diesen negativen Effekt zu reduzieren und um das Wohlbefinden des Patienten während der Behandlung zu steigern, kann man den Patienten vor der Applikation des Oberflächenanästhetikums mit einem Mundwasser spülen lassen. Die Spülung mit Listerine (Johnson & Johnson Inc., New Brunswick, USA) reduzierte die negativen Impressionen um bis zu 50%. (29) Eine weitere Alternative zu konventionellen Oberflächenanästhetika stellt „Eutectic Mixture of Local Anesthetics“ (EMLA) dar. Hierbei handelt es sich um eine Kombination der Wirkstoffe Lidocain und Prilocain. (30) Die ausreichende Wirksamkeit bei oralen Eingriffen wird jedoch in Frage gestellt. (31) Klinisch haben sich bei Kindern bis zum 12. Lebensjahr Produkte wie Oraqix (Dentsply Pharmaceutical, York, USA) (32), Dentinox (Lenk & Schuppan KG, Berlin, Deutschland) oder auch eine Mischung aus 2,5% Lidocain und 2,5% Prilocain als nützlich erwiesen. Auch Tetracain wird eine sehr gute anästhetische Wirkung zugeschrieben. (62) 5 Andreas Penn Anatomische Grundlagen des Oberkiefer-Frontzahnbereichs 1.3.2 Moderne Methoden der Lokalanästhesie 1.3.2.1 Computergesteuerte Lokalanästhesie Hierbei kann ein „computer-controlled local anesthetic delivery system“ (CCLADS), wie „The Wand“, welches 1997 von Hochman eingeführt wurde und heute als „Single-Tooth-Anaesthesia-System“ (STA-System), (Milestone Deutschland GmbH, Rödermark, Deutschland) (33), „Quicksleeper“ (Dental Hi Tec, Mazières en Mauges, Frankreich) oder Calaject (Ronvig, Daugaard, Dänemark) von Nutzen sein, da die computergesteuerte Lokalanästhesie sowohl gewebeschonender als auch schmerzfreier erfolgt als die konventionellen Methoden und darüberhinaus weniger Anästhetikum für den gleiche Effekt appliziert werden muss. (34) Hierbei wird die Injektionszeit dem gemessenen Gewebegegendruck des Desmodonts angepasst und das Anästhetikum sehr langsam appliziert. (17) Alle computergesteuerten Lokalanästhesiemethoden sind, auch aus Gründen der Schmerzarmut bei Applikation des Lokalanästhetikums, eine Erleichterung bei der Behandlung von Kindern. (35) Aktuelle Studien stehen dieser Variante jedoch etwas kritischer gegenüber und widerlegen die klaren Vorteile beim Einsatz in der pädiatrischen Zahnkeilkunde. (36) 1.3.2.2 Intraossäre Anästhesie Es wurde postuliert, dass mit den computergesteuerten Methoden auch neue Wege der intraossären Anästhesie möglich sind. (37,38,39) Für diese Methode spricht: die sofortige Schmerzlinderung, eine profunde Betäubung, das Auskommen mit einer geringeren Menge des Anästhetikums und das dadurch resultierende kürzer anhaltende Taubheitsgefühl. Da für die Anwendung der intraossären Anästhesie eine spezielle Apparatur bzw. spezielle Kanülen verwendet werden müssen, kann der Kostenfaktor als Nachteil angesehen werden. Ebenso diverse Fehlerquellen bei der Anwendung, wie zum Beispiel die Verstopfung der Nadel und eine mögliche Traumatisierung der Gingiva. Voraussetzung für eine erfolgreiche intraossäre Anästhesie ist das Vorhandensein einer intakten Spongiosa. 6 Andreas Penn Anatomische Grundlagen des Oberkiefer-Frontzahnbereichs 1.3.2.3 Nadelfreie Lokalanästhesie Eine mögliche Methode der nadelfreien Applikation von Lokalanästhetika stellt das üblicherweise in der Insulin-Applikation von Diabetes mellitus PatientInnen eingesetzte und für die Zahnmedizin modifizierte INJEX™-System (Rösch AG Medizintechnik, Berlin, Deutschland) dar. Das „INJEX™-System“ ist zwar grundsätzlich zur zahnärztlichen Lokalanästhesie geeignet. Es hat jedoch ein sehr enges Anwendungsspektrum. Da das Gerät exakt rechtwinklig auf die Schleimhautoberfläche aufgesetzt werden muss, kann es nur im Frontzahnbereich eingesetzt werden. Somit kann beispielweise eine Leitungsanästhesie nicht ersetzt werden. Die Studie von Krug et al. zeigte, dass die meisten PatientInnen das Aufsetzen des Gerätes – mit dem für eine sichere Applikation notwendigen Druck - als unangenehm bzw. schmerzhaft empfanden. (40) Andere Autoren stehen dieser Methode mit dem Injektionsgerät „Syrijet Mark II Needleless Injector“ (Keystone Industries GmbH, Cherry Hill, USA) jedoch optimistischer gegenüber. (41) 1.4 Unterstützende Maßnahmen Auch mittels Akupunktur (42,43) und Hypnose (44,45,46) wurden Erfolge unterstützend zur Anästhesie bei Kindern und ängstlichen Erwachsenen erzielt. Diese wirken gegen den Würgereiz, Schmerzen, sowie gegen Anspannungen und Angstgefühle. 1.5 Aspekte der Zahntraumatologie Zahntraumata bei Schulkindern betreffen primär den Oberkiefer Frontzahnbereich. Untersuchungen haben ergeben, dass etwa 30 Prozent der Jungen und über 20 Prozent der Mädchen Frontzahnverletzungen an den bleibenden Zähnen erleiden. (47) 7 Andreas Penn Anatomische Grundlagen des Oberkiefer-Frontzahnbereichs 1.6 Digitale Volumentomographie Die digitale Volumentomographie ist ein dreidimensionales bildgebendes radiologisches Verfahren, welches seit 1998 in der Zahnmedizin zur Anwendung kommt. (48) Das Haupteinsatzgebiet der digitalen Volumentomographie ist die Beurteilung von Hochkontraststrukturen im Gesichtsschädelbereich. (49) Durch eine koordinierte Bewegung des Sensors und der Röntgenröhre werden durch eine meist 360° Drehung viele Projektionen gescannt, die durch bildverarbeitende Programme zu einem dreidimensionalen Datensatz weiterverarbeitet werden. Hierdurch ist eine Visualisierung der Hartgewebe in allen drei Raumebenen möglich. Der Cone-Beam-Technologie wird unter anderem eine hohe Dimensionstreue und Genauigkeit in der Abbildung knöcherner Strukturen attestiert. (50,51) Die Modelle unterscheiden sich im Aufnahmevolumen (FOV), mit einer Spannweite von 5x3,7 cm bis hin zu 24x19 cm. Die Auflösung liegt zwischen 0,076mm und 0,4mm zur [52-Ritter]. herkömmlichen Die digitale Volumentomographie kann im Vergleich Computertomographie eine deutlich geringere Strahlenbelastung für den Patienten aufweisen. (53,54,55) Jedoch sind die Dosiswerte bei den unterschiedlichen Herstellern der DVT-Geräte sehr unterschiedlich. Es besteht ein Mittelwert von 221 ± 275 µSv effektiver Dosis. (53) 1.7 Aspekte der Hals-Nasen-Ohren Heilkunde In der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde werden Lokalanästhetika verwendet um trans- und intranasale Untersuchungen und Eingriffe durchführen zu können. Dabei werden topische Präparate (z.B. Lidocain-Gel bzw. Prilocain-Gel) verwendet, die auf die Nasenschleimhaut aufgetragen werden. (56) Diese diffundieren ins Gewebe und gewährleisten dem Patienten einen schmerzfreien Eingriff. PatientInnenberichten zufolge kommt es nach transnasalen Eingriffen durch den HNO-Facharzt, bei denen topische Anästhetika verwendet wurden, gehäuft zu Taubheitsgefühlen in der Frontzahnregion. Die in der HNO-Heilkunde auf diese Weise als Nebenwirkung erreichte Anästhesie der Frontzähne erscheint als vielversprechender Ansatz für eine gezielte Verwendung in der Zahnheilkunde. (57,58) 8 Andreas Penn Anatomische Grundlagen des Oberkiefer-Frontzahnbereichs 1.8 Ziel der Studie Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die anatomischen Verhältnisse und die Dicke des Knochens zwischen Nasenhöhle und Frontzahnwurzeln in einem umfangreichen PatientInnenkollektiv mittels digitaler Volumentomographie zu vermessen. 9 Andreas Penn Anatomische Grundlagen des Oberkiefer-Frontzahnbereichs 2 Material und Methode 2.1 Datenherkunft und PatientInnenkollektiv Digitale Volumentomographien, die im Zeitraum vom 24.05.2005 bis 16.12.2011 in der Klinik für zahnärztliche Chirurgie, -Radiologie, Mund- und Kieferheilkunde der Universitätskliniken für Zahnmedizin in Basel im Oberkiefer-Frontzahnbereich inklusive der Eckzähne durchgeführt wurden, wurden für die vorliegende Studie retrospektiv ausgewertet. Indikationen der DVTs waren Trauma oder Implantatplanungen. 2.2 Technische Grundvoraussetzungen Die gesamte Vermessung wurde bei Tageslicht am stets selben Arbeitsplatz durchgeführt. Die Daten zur vorliegenden Studie wurden an einem Computer mit Microsoft Windows XP Betriebssystem (Redmond, USA), an einem medizinischen Spezialbildschirm mit der Produktbezeichnung ViewMedic (ReinMedical, Willich, Deutschland) erhoben. Die dazu verwendete Software „iDixel“ stammt vom Hersteller des Volumentomographen, der Firma Morita (Kyoto/Japan). 2.3 Messbereich Mittels der in der Software integrierten Messinstrumente wurde der kürzeste Abstand von der Wurzelspitze des jeweiligen Zahnes zur äußeren knöchernen Begrenzung des Processus palatinus maxillae in den drei Raumrichtungen bukkal/palatinal/apikal gemessen (siehe Kapitel 2.7). Der Strecke von der Wurzelspitze zur äußeren Kompakta der jeweiligen Richtung wird in dieser Studie vereinfacht als „Distanz“, die Werte für die Dicke der Kompakta als „Kompakta“, bezeichnet. Der Eintrittspunkt des Plexus dentalis des N. maxillaris in den Zahn kann von der absoluten Wurzelspitze abweichen. Es wurde auch die Lage des Foramen apicale der zu vermessenden Zähne beweist. 10 Andreas Penn Anatomische Grundlagen des Oberkiefer-Frontzahnbereichs 2.4 Einschlusskriterien Es wurden nur Datensätze für diese Studie herangezogen, in denen zumindest einer der Frontzähne des Oberkiefers (13, 12, 11, 21, 22, 23) vollständig dargestellt sowie der Wurzelkanal beziehungsweise das Foramen apicale sichtbar ist. Ein weiteres Einschlusskriterium war die Sichtbarkeit der knöchernen Begrenzung. Mindestens eine knöcherne Begrenzung (apikal, bukkal, palatinal) musste deutlich abgrenzbar sein. 2.5 Ausschlusskriterien DVT-Scans in denen retinierte oder nicht durchgebrochene Zähne sowie angeborene Defekte – wie zum Beispiel eine Gaumenspalte – dargestellt sind, wurden aufgrund einer unphysiologischen Lage der Zähne zum umgebenden Knochen ausgeschlossen. Ein weiteres Ausschlusskriterium stellt das „Wechselgebiss“ dar, da sich die Zähne der ersten und zweiten Dentition überlagern. Diesbezüglich wurden die Schneidezähne von PatientInnen, die sich zum Zeitpunkt der Aufnahmen im achten und neunten Lebensjahr befanden sowie die Eckzähne der PatientInnen im zwölften und dreizehnten Lebensjahr nicht in die Studie mit einbezogen. (59) Datensätze mit metallischen Fremdkörpern (Implantate, Schienen, Drähte) wurden aufgrund der Artefaktbeeinflussung aus der Studie ausgeschlossen. Teilweise lagen die knöchernen Begrenzungen, zumeist bei Canini, außerhalb des Messfeldes, was ebenfalls ein Ausschlusskriterium war. ). Weiterhin wurden jene Datensätze ausgeschlossen, bei denen der Kontrast unzureichend war (Abbildung 1). 11 Andreas Penn Anatomische Grundlagen des Oberkiefer-Frontzahnbereichs Abb.1: Unzureichender Kontrast 2.6 Auswertungsgrundlagen Die Daten waren pseudoanonymisiert und wurden bezüglich Alter und Geschlecht ausgewertet. 2.7 Messvorgang Das DVT-Volumen wurde entsprechend der Zahnachse für die einzelnen Messungen orthogonal ausgerichtet (Abbildung 2 und 3). 12 Andreas Penn Anatomische Grundlagen des Oberkiefer-Frontzahnbereichs Abb.2: DVT vor der orthogonalen Ausrichtung Abb.3: DVT nach der orthogonalen Ausrichtung 13 Andreas Penn Anatomische Grundlagen des Oberkiefer-Frontzahnbereichs Bei einzelnen Aufnahmen musste der Kontrast nachjustiert werden. Mit Hilfe des im Programm integrierten Lineals (in den Abbildungen als gelbe Linie ersichtlich) wurde der kürzeste Abstand von der Wurzelspitze nach apikal, bukkal und palatinal zum äußeren Rand der Kompakta vermessen („Distanz“) (Abbildung 4). Abb.4: Messung des Abstands der Wurzelspitze bis zum Rand der Kompakta Ebenso wurde die Dicke der Kompakta an denselben Stellen wie die Distanz vermessen (Abbildung 5). 14 Andreas Penn Anatomische Grundlagen des Oberkiefer-Frontzahnbereichs Abb.5: Messung der Dicke der Kompakta Alle Messvorgänge wurden drei Mal durch den immer gleichen Untersucher wiederholt. Zudem wurde bei jedem Zahn die Lokalisation des jeweiligen Foramen apicale (apika, bukkal, mesial, distal, mesiobukkal, distobukkal, palatinal, mesiopalatinal, distopalatinal) festgehalten. Aus anatomischen und messtechnischen Gründen konnten nicht bei jedem Datensatz alle Werte (Foramen apicale, Distanz, Kompakta) erhoben werden. Deshalb unterscheidet sich die Gesamtanzahl der Messungen für Distanz, Kompakta und Foramen apicale im Ergebnisteil. 15 Andreas Penn Anatomische Grundlagen des Oberkiefer-Frontzahnbereichs 2.8 Statistik Die Daten wurden von einer Statistikerin der Medizinischen Universität Graz mit dem Programm Microsoft Excel sowie mit dem Programm SPSS 22.0 (IBM, Armonk, USA) ausgewertet. Es handelt sich um eine deskriptive Statistik. Unterschiede zwischen den Frontzähnen untereinander bzw. der Seite wurden mittels einfaktorieller Varianzanalyse getestet. Für die Darstellung eines Zusammenhangs zwischen Alter und Distanz bzw. Kompakta wurde der Pearson Korrelationskoeffizient verwendet. Ferner wurden die Daten einer Reliabilitätsprüfung mit dem IntraklassenKorrelationskoeffizienten (ICC) unterzogen. 16 Andreas Penn Anatomische Grundlagen des Oberkiefer-Frontzahnbereichs 3 Ergebnisse 3.1 Datensätze Im Rahmen der vorliegenden Studie wurden 61 Milchzähne sowie 722 bleibende Zähne vermessen. Bei 200 untersuchten PatientInnen ergibt das eine Gesamtzahl von 783 vermessenen Zähnen. Darunter befinden sich 411 Zähne von 105 weiblichen, sowie 372 Zähne von 95 männlichen Patienten (Tabelle 1). Das Alter des PatientInnenkollektives kann der Tabelle 2 entnommen werden. MG BG Gesamt Frauen [N] 30 381 411 Männer [N] 31 341 372 Gesamt [N] 61 722 783 % 7,8 92,2 100 Tab.1: Verteilung von Geschlecht und Entwicklungsstadium des Gebisses Alle Frauen Männer DVT [N] 200 105 95 Min [Jahre] 10 11 10 Max [Jahre] 83 83 79 Mittelwert [Jahre] 32,5 32,8 32,1 Standardabw. [Jahre] 19,1 19,0 19,2 Tab.2: Alter der PatientInnen 3.1.1 Messgenauigkeit Die Reliabilitätsprüfung mit dem ICC ergab für die Distanz einen signifikanten Koeffizienten von ICC = 0,998 und für die Kompakta einen ICC = 0,953 mit einem p-Wert <0,0001 für beide Messreihen. Die Übereinstimmung zwischen den Messwiederholungen ist deshalb bei beiden Messwerten sehr hoch. Distanz 6687 Min [mm] 0,00 Kompakta 6403 0,00 N Max [mm] 0,850 Mittelwert [mm] 0,072 Standardabw. [mm] 0,087 0,538 0,045 0,051 Tab.3: Deskriptive Statistik der Messgenauigkeit 17 Andreas Penn Anatomische Grundlagen des Oberkiefer-Frontzahnbereichs In den folgenden Graphiken werden die Abweichungen der einzelnen Messungen der Distanz (Abbildung 6) und der Kompakta (Abbildung 7) vom jeweiligen Mittelwert als Messfehler in Millimetern dargestellt. Distanz Messfehler 1,0 0,9 0,8 Messfehler 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0,0 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 Distanz Abb.6: Messfehler Distanz Kompakta Messfehler 0,6 0,5 Messfehler 0,4 0,3 0,2 0,1 0,0 0,0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 Distanz Abb.7: Messfehler Kompakta 18 Andreas Penn Anatomische Grundlagen des Oberkiefer-Frontzahnbereichs 3.1.2 Verteilung der Zahnpositionen Die Zähne wurden, wie in Abbildung 8 dargestellt, im Frontzahnbereich 13 bis 23 vermessen. Die meisten Messungen, mit jeweils 152 beziehungsweise 149 Zähnen, haben an den Zähnen 12 und 22 stattgefunden. Gesamtzahl: Verteilung der Zahnpositionen (N) 152 142 145 149 101 94 13 12 (52) 11 (51) 21 (61) 22 (62) 23 Abb.8: Verteilung der Zahnpositionen (Gesamtzahl) 19 Andreas Penn Anatomische Grundlagen des Oberkiefer-Frontzahnbereichs 3.2 Foramen apicale Die Lokalisation des Foramen apicale, dem Eintrittsort des Plexus dentalis der jeweiligen Zähne liegt bei PatientInnen beider Geschlechter sowohl im Milch- wie auch im bleibenden Gebiss am Häufigsten apikal. Eine detaillierte Auflistung der geschlechterspezifischen Werte für das Milchgebiss und das bleibende Gebiss sowie deren prozentuelle Anteile können Tabelle 4 entnommen werden und sind in den Abbildungen 9-12 dargestellt. For. apicale apikal bukkal distal distobukkal distopalatinal mesial mesiobukkal mesiopalatinal palatinal MG 13 3 5 2 0 2 2 0 1 Frauen % BG 44,4 174 11,1 23 18,5 39 7,4 17 0,0 24 7,4 6 7,4 5 0,0 1 3,7 28 % 54,7 7,3 12,3 5,4 7,6 1,9 1,6 0,3 8,9 MG 8 3 2 2 1 1 1 1 1 Männer % BG 40,0 141 15,0 33 10,0 46 10,0 21 5,0 19 5,0 3 5,0 3 5,0 0 5,0 18 % 49,5 11,7 16,3 7,4 6,7 1,1 1,1 0,0 6,4 Tab.4: Lokalisation der Foramina apicalia Milchgebiss, Frauen (%) p 3,7 b 11,1 db 7,4 d 18,5 a 44,4 m 7,4 mp 0 p 3,7 dp 0 Abb.9: Graphische Darstellung der Lokalisation der Foramina apicalia bei Frauen im Milchgebiss 20 Andreas Penn Anatomische Grundlagen des Oberkiefer-Frontzahnbereichs Milchgebiss, Männer (%) mb 5 b 15 db 10 a 40 m 5 mp 5 p 5 d 10 dp 5 Abb.10: Graphische Darstellung der Lokalisation der Foramina apicalia bei Männern im Milchgebiss Bleibendes Gebiss, Frauen (%) mb 1,6 b 7,3 db 5,4 d 12,3 a 54,7 m 1,9 mp 0,3 p 8,9 dp 7,6 Abb.11: Graphische Darstellung der Lokalisation der Foramina apicalia bei Frauen im bleibenden Gebiss 21 Andreas Penn Anatomische Grundlagen des Oberkiefer-Frontzahnbereichs Bleibendes Gebiss, Männer (%) mb 1,1 b 11,7 db 7,4 d 16,3 a 49,5 m 1,1 mp 0 p 6,4 dp 6,7 Abb.12: Graphische Darstellung der Lokalisation der Foramina apicalia bei Männern im bleibenden Gebiss 3.2.1 Foramina apicalia: Aufteilung nach Zahnposition Wie in Tabelle 5 dargestellt und in Abbildung 13 graphisch veranschaulicht überwiegt die streng apikale Ausrichtung des Foramen apicale sowohl bei den mittleren und seitlichen Schneidezähnen als auch bei den Eckzähnen. 1er a b d db dp m mb mp p Anzahl 140 30 18 22 11 5 4 1 11 2er % 41,8 48,4 19,6 51,2 25,0 41,7 36,4 50,0 22,9 3er Anzahl 114 15 54 8 26 1 1 % 34,0 24,2 58,7 18,6 59,1 8,3 9,1 29 60,4 Anzahl 81 17 20 13 7 6 6 1 8 % 24,2 27,4 21,7 30,2 15,9 50,0 54,5 50,0 16,7 Tab.5: Foramina apicalia im Zusammenhang mit der Zahnposition 22 Andreas Penn Anatomische Grundlagen des Oberkiefer-Frontzahnbereichs Foramina apicalia: Zahnposition (N) 1er a b d db 2er 140 3er 114 81 30 1517 18 54 20 22 813 dp 11 26 7 m 516 mb 41 6 mp 1 1 p 11 29 8 Abb.13: Graphische Darstellung der Anatomie der Foramina apicalia im Zusammenhang mit der Zahnposition 3.2.2 Foramina apicalia: Seitenvergleich Wie in Tabelle 6 dargestellt und in Abbildung 14 graphisch veranschaulicht gibt es keinen relevanten Zusammenhang in der Ausrichtung der Foramina apicalia im Seitenvergleich zwischen den Frontzähnen der linken und rechten Seite des Oberkiefers. rechts a b d db dp m mb mp p N 180 29 50 17 18 6 5 % 53,7 46,8 54,3 39,5 40,9 50,0 45,5 23 47,9 links N 155 33 42 26 26 6 6 2 25 % 46,3 53,2 45,7 60,5 59,1 50,0 54,5 100,0 52,1 Tab.6: Ausrichtung der Foramina apicalia im Seitenvergleich 23 Andreas Penn Anatomische Grundlagen des Oberkiefer-Frontzahnbereichs Foramina apicalia: Seitenvergleich (N) rechts a b links 180 29 d 155 33 50 42 db 17 26 dp 18 26 m 66 mb 56 mp p 2 23 25 Abb.14: Graphische Darstellung der Ausrichtung der Foramina apicalia im Seitenvergleich 24 Andreas Penn Anatomische Grundlagen des Oberkiefer-Frontzahnbereichs 3.3 Messwerte für die Knochendicke In Tabelle 7 sind die Messwerte für die Distanz (zur Messung siehe Abb. 4) getrennt nach Geschlecht, Gebiss und der Messrichtung (apikal/bukkal/palatinal) dargestellt. Zudem werden die berechneten Werte für den kürzesten (Min) und den längsten (Max) Abstand von der Wurzelspitze zur äußeren Begrenzung der Kompakta sowie der Mittelwert für die jeweilige Richtung und dessen Standardabweichung angegeben. Die graphische Veranschaulichung der Werte aus Tabelle 7 zeigt Abbildung 15. Distanz M Milchgebiss bleibendes Gebiss F Milchgebiss bleibendes Gebiss N apikal bukkal palatinal apikal bukkal palatinal apikal bukkal palatinal apikal bukkal palatinal 26 27 28 326 326 331 30 30 27 377 362 377 Min [mm] 1,40 2,40 5,76 0,22 0,50 1,43 1,25 1,58 3,33 0,44 0,26 2,01 Max Mittelwert Standardabw. [mm] [mm] [mm] 9,09 4,98 2,08 8,65 4,44 1,61 10,47 7,77 1,24 15,71 7,01 3,00 9,98 2,67 1,41 16,37 8,18 2,25 8,34 4,14 1,95 7,31 4,12 1,30 10,67 6,85 2,01 14,55 6,48 2,70 10,18 2,27 1,45 13,42 6,90 1,96 Tab.7: Messwerte für die Distanz getrennt nach Geschlecht, Gebiss und Richtung 25 Andreas Penn Anatomische Grundlagen des Oberkiefer-Frontzahnbereichs Distanz 4,98 a 4,44 7,77 7,01 2,67 8,18 b p a b p Milchgebiss Bleibendes Gebiss Männer 4,14 a 4,12 6,85 b p Milchgebiss 6,48 2,27 6,90 a b p Bleibendes Gebiss Frauen Abb.15: Graphische Darstellung der Messwerte +/- Standardabweichung für die Distanz, getrennt nach Geschlecht, Gebiss und Richtung 3.3.1 Knochendicke: Aufteilung nach Zahnpositionen Der statistische Vergleich (Einfaktorielle Varianzanalyse) zeigt beim bleibenden Gebiss in allen 3 Richtungen (bukkal/apikal/palatinal) signifikante Unterschiede zwischen den unterschiedlichen Zahnpositionen (jeweils p < 0,001). Vor allem die seitlichen Schneidezähne und Eckzähne unterscheiden sich dabei. Den dünnsten apikalen Knochen weisen die Eckzähne im bleibenden Gebiss mit im Mittel 6mm auf, den dicksten Knochen hingegen die seitlichen Schneidezähne mit im Mittel 7,mm. Beim Milchgebiss gibt es keine statistischen Unterschiede. Die apikale Knochendicke beläuft sich hierbei bei allen vermessenen Milchzähnen im Mittel um 4,5mm. Die Werte hierfür sind der Tabelle 8 zu entnehmen und sind in der Abbildung 16 graphisch dargestellt. 26 Andreas Penn Anatomische Grundlagen des Oberkiefer-Frontzahnbereichs Gebiss Ausrichtung MG apikal Zahn 1er 2er 1er 2er 1er 2er 1er 2er 3er 1er 2er 3er 1er 2er 3er bukkal palatinal BG apikal bukkal palatinal N 32 24 32 25 31 24 246 272 185 240 269 179 246 271 191 Min 1,33 1,25 1,58 2,45 3,33 3,60 0,22 1,03 1,02 0,27 0,26 0,30 1,43 2,01 2,03 Max Mittelwert Standardabw. 9,00 4,56 1,99 9,09 4,50 2,13 6,48 3,97 1,28 8,65 4,69 1,60 10,67 7,70 1,65 9,93 6,79 1,68 14,82 6,54 2,86 15,71 7,42 2,88 13,25 5,95 2,56 9,03 2,36 1,34 8,82 2,71 1,47 10,18 2,18 1,47 12,40 7,60 1,83 15,57 6,60 1,91 16,37 8,68 2,44 Tab.8: Messwerte für die Distanz, aufgeteilt nach Ausrichtung, Zahnposition und Entwicklungsstadium des Gebisses Distanz: Zahnposition 1er 4,6 4,5 4,0 4,7 7,7 6,8 apikal bukkal palatinal Milchgebiss 6,5 7,4 6,0 apikal 2,4 2,7 2,2 2er 3er 7,6 6,6 8,7 bukkal palatinal Bleibendes Gebiss Abb.16: Graphische Darstellung der Distanz, aufgeteilt nach Ausrichtung, Zahnposition und Entwicklungsstadium des Gebisses 27 Andreas Penn Anatomische Grundlagen des Oberkiefer-Frontzahnbereichs 3.3.2 Knochendicke: Seitenvergleich Im statistischen Vergleich (Einfaktorielle Varianzanalyse) gibt es keinen signifikanten Unterschied zwischen der linken und rechten Seite. Die jeweiligen Werte können der Tabelle 9 entnommen werden und sind in Abbildung 17 graphisch dargestellt. Gebiss Ausrichtung Seite MG apikal rechts links bukkal rechts links palatinal rechts links BG apikal rechts links bukkal rechts links palatinal rechts links N 29 27 31 26 31 24 347 356 338 350 346 362 Min 1,33 1,25 2,40 1,58 4,29 3,33 0,44 0,22 0,31 0,26 1,43 3,16 Max Mittelwert Standardabw. 9,09 4,63 2,13 9,00 4,42 1,97 8,65 4,54 1,57 6,78 3,96 1,26 10,16 7,44 1,48 10,67 7,16 1,99 15,71 6,73 2,89 14,82 6,73 2,82 10,18 2,57 1,56 9,03 2,35 1,32 16,37 7,34 2,24 15,69 7,64 2,15 Tab. 9: Distanz aufgeteilt nach Ausrichtung, Gebiss und Seite Distanz: Seite 4,6 4,4 apikal rechts 4,5 4,0 bukkal 7,4 7,2 palatinal 6,7 6,7 apikal 2,6 2,4 bukkal 7,3 links 7,6 palatinal Bleibendes Gebiss Milchgebiss Abb.17: Graphische Darstellung der Distanz aufgeteilt nach Ausrichtung, Gebiss und Seite 28 Andreas Penn Anatomische Grundlagen des Oberkiefer-Frontzahnbereichs 3.3.3 Zusammenhang zwischen Knochendicke und Alter Um einen Zusammenhang zwischen Alter und Distanz zu ermitteln wurde (für die Werte des bleibenden Gebisses) der Pearson Korrelationskoeffizient berechnet (siehe Tabelle 10): Je näher der Koeffizient r bei +1 oder -1 ist, desto stärker ist der Zusammenhang. apikal bukkal palatinal Alter und Distanz r = 0,326 r = -0,376 r = -0,027 Tab.10: Korrelationen zwischen Alter und Distanz Ein Zusammenhang zeigt sich nur für apikale und bukkale Distanz. Der bukkale Koeffizient ist deutlich negativ. Das heißt, der Zusammenhang ist indirekt proportional. Die bukkale Distanz verringert sich mit zunehmendem Alter. Dieser Zusammenhang zwischen der apikalen bzw. der bukkalen Distanz mit dem Alter sind zusätzlich als Streudiagramme in Abbildung 18 und Abbildung 19 dargestellt. Abb.18: Zusammenhang des Alters mit der apikalen Distanz 29 Andreas Penn Anatomische Grundlagen des Oberkiefer-Frontzahnbereichs Abb.19: Zusammenhang des Alters mit der bukkalen Distanz 30 Andreas Penn Anatomische Grundlagen des Oberkiefer-Frontzahnbereichs 3.4 Messwerte für die Kompakta Tabelle 11 zeigt die Messwerte für die Dicke der Kompakta getrennt nach Geschlecht, Gebiss und der Richtung. Zudem werden die berechneten Werte für die dünnste (Min) und die dickste (Max) Kompakta, sowie der Mittelwert für die jeweilige Richtung und deren Standardabweichung angegeben. Abbildung 20 veranschaulicht die Werte aus Tabelle 11. Kompakta M Milchgebiss bleibendes Gebiss F Milchgebiss bleibendes Gebiss N apikal bukkal palatinal apikal bukkal palatinal apikal bukkal palatinal apikal bukkal palatinal 26 25 28 291 325 318 30 30 26 354 359 362 Min [mm] 0,46 0,60 0,55 0,15 0,00 0,46 0,57 0,54 0,58 0,26 0,13 0,33 Max [mm] 1,70 1,99 1,84 2,48 2,75 2,87 1,54 1,77 1,91 4,00 2,40 2,71 Mittelwert Standardabw. [mm] [mm] 1,08 0,33 1,05 0,38 1,14 0,38 0,96 0,34 1,14 0,41 1,27 0,40 0,93 0,24 1,08 0,28 1,11 0,32 1,02 0,37 1,02 0,36 1,20 0,37 Tab.11: Messwerte für die Kompakta, getrennt nach Geschlecht, Gebiss und Richtung 31 Andreas Penn Anatomische Grundlagen des Oberkiefer-Frontzahnbereichs Kompakta 1,08 1,05 1,14 0,96 1,14 1,27 0,93 1,08 1,11 1,02 1,02 1,20 a b p a b p a b p a b p Milchgebiss Bleibendes Gebiss Männer Milchgebiss Bleibendes Gebiss Frauen Abb.20: Graphische Darstellung der Messwerte für die Kompakta, getrennt nach Geschlecht, Gebiss und Richtung 3.4.1 Kompakta: Aufteilung nach Zahnposition Tabelle 12 zeigt zusätzlich eine Aufschlüsselung anhand der Zahnpositionen (graphisch dargestellt in Abbildung 21). Im statistischen Vergleich (Einfaktorielle Varianzanalyse) zeigen sich im bleibenden Gebiss bei der apikalen und bukkalen Kompakta signifikante Unterschiede zwischen den Zahntypen (jeweils p < 0,001). Beim Milchgebiss gibt es keine signifikanten Unterschiede. 32 Andreas Penn Anatomische Grundlagen des Oberkiefer-Frontzahnbereichs Gebiss Ausrichtung Zahntyp MG apikal 1er 2er bukkal 1er 2er palatinal 1er 2er BG apikal 1er 2er 3er bukkal 1er 2er 3er palatinal 1er 2er 3er N 32 24 31 24 31 23 221 253 171 233 270 181 230 270 180 Min 0,46 0,59 0,54 0,68 0,58 0,55 0,15 0,44 0,29 0,00 0,13 0,27 0,39 0,33 0,42 Max 1,70 1,54 1,87 1,99 1,84 1,91 2,21 2,84 4,00 2,70 2,37 2,75 2,29 2,87 2,64 Mittelwert Standardabw. 0,98 0,31 1,02 0,27 1,02 0,36 1,13 0,28 1,13 0,34 1,12 0,36 0,93 0,32 1,07 0,35 0,96 0,38 0,97 0,36 1,10 0,38 1,20 0,40 1,20 0,38 1,24 0,39 1,27 0,37 Tab.12: Messwerte für die Kompakta, getrennt nach Zahnposition Kompakta: Zahntyp 0,98 1,02 1,02 1,13 apikal bukkal Milchgebiss 1er 1,13 1,12 palatinal 2er 3er 0,93 1,07 0,96 0,97 1,10 1,20 1,20 1,24 1,27 apikal bukkal palatinal Bleibendes Gebiss Abb.21: Graphische Darstellung der Messwerte für die Kompakta, getrennt nach Zahnposition 33 Andreas Penn Anatomische Grundlagen des Oberkiefer-Frontzahnbereichs 3.4.2 Kompakta: Seitenvergleich Wie aus Tabelle 13 zu entnehmen ist, ergibt der statistische Vergleich mittels einfaktorieller Varianzanalyse keinen signifikanten Unterschied für die Kompakta im Seitenvergleich zwischen den Frontzähnen im Oberkiefer. Die grafische Veranschaulichung der Werte ist in Abbildung 22 dargestellt. Gebiss Richtung MG apikal bukkal palatinal BG apikal bukkal palatinal Seite rechts links rechts links rechts links rechts links rechts links rechts links N 29 27 29 26 30 24 319 326 338 346 332 348 Min 0,56 0,46 0,54 0,60 0,55 0,58 0,31 0,15 0,21 0,00 0,48 0,33 Max 1,70 1,54 1,87 1,99 1,84 1,91 2,48 4,00 2,40 2,75 2,87 2,71 Mittelwert 1,02 0,97 1,06 1,07 1,11 1,15 0,98 1,01 1,08 1,08 1,24 1,23 Standardabw. 0,29 0,30 0,36 0,30 0,37 0,32 0,32 0,38 0,39 0,39 0,38 0,39 Tab.13: Kompakta im Seitenvergleich Kompakta: Seitenvergleich 1,02 0,97 apikal 1,06 1,07 bukkal Milchgebiss rechts 1,11 1,15 palatinal 0,98 1,01 apikal 1,08 1,08 bukkal 1,24 links 1,23 palatinal Bleibendes Gebiss Abb.22: Graphische Darstellung des Seitenvergleiches der Kompakta 34 Andreas Penn Anatomische Grundlagen des Oberkiefer-Frontzahnbereichs 3.4.3 Zusammenhang zwischen Kompakta und Alter Um einen Zusammenhang zwischen dem Alter und der Kompakta zu ermitteln, wurde auch für diesen Parameter beim bleibenden Gebiss der Pearson Korrelationskoeffizient berechnet. Wie in Tabelle 14 dargestellt zeigt sich für keine der Messrichtungen ein relevanter Zusammenhang. apikal bukkal palatinal Alter und Kompakta r = -0,156 r = 0,007 r = 0,085 Tab.14: Korrelation zwischen Alter und der Dicke der Kompakta 35 Andreas Penn Anatomische Grundlagen des Oberkiefer-Frontzahnbereichs 4 Diskussion Aufgrund der Anästhesie der Nasenschleimhaut im Rahmen nasaler Untersuchungen berichten zahlreiche PatientInnen über Taubheitsgefühle in den Frontzähnen. Deshalb wurden in der vorliegenden Untersuchung die Abstände der Wurzelspitzen der Frontzähne im Bereich 13-23 zum Nasenboden vermessen um in weiterer Folge einen neuen Zugang zur Anästhesie der Frontzahnregion zu entwickeln. (58) Aufgrund der hohen Prävalenz von Frontzahnverletzungen, insbesondere bei Schulkindern (siehe Kapitel 1.4) erscheint es notwendig, neue, wenig invasive lokale Methoden der Frontzahnanästhesie zu entwickeln. Die Lokalisation der Foramina apicalia könnte für den Erfolg dieser Anästhesie von Bedeutung sein und wurde im Rahmen der vorliegenden Studie ebenfalls erhoben. Zu 44,4% im Milchgebiss sowie zu 54,7% im bleibenden Gebiss männlicher Patienten und bei 40% im Milchgebiss beziehungsweise bei 49,5% im bleibenden Gebiss weiblicher Patienten war das Foramen apicale nach apikal ausgerichtet. Auch im Vergleich der einzelnen Zahnposition untereinander ist die apikale Ausrichtung des Foramen apicale deutlich dominierend. Der Seitenvergleich zwischen dem rechten und dem linken Oberkieferfronzahnbereich ergab keinen signifikanten Unterschied. Eine vergleichbare Studie beschreibt die Anatomie des Wurzelkanals von Eckzähnen. (60) Es zeigen sich Variationen in der Ausrichtung des Foramen apicale mit einem Abstand des Foramen apicale von der tatsächlichen Wurzelspitze von im Mittel 0,27mm. Es bleibt offen, ob eine Abweichung des Foramen apicale von unter einem halben Millimeter tatsächlich eine klinische Relevanz hat. (61) Dies genauer zu untersuchen war jedoch nicht Gegenstand der vorliegenden Studie und wurde deshalb auch bei der Erhebung der Daten nicht berücksichtigt. Die Dicke des Processus palatinus maxillae, im Sinne einer für die Diffusion des Lokalanästhetikums zu überwindende Strecke, kann als Kriterium für die Wirksamkeit von Lokalanästhetika gewertet werden. (65) Die vorliegenden Ergebnisse zeigen eine deutlich geringere apikale Distanz im Milchzahngebiss (im Mittel 4,5mm) im Vergleich zu den bleibenden Zähnen (im Mittel knapp 7mm). Die vorgeschlagene Anästhesiemethode könnte deshalb – und auch aufgrund des 36 Andreas Penn Anatomische Grundlagen des Oberkiefer-Frontzahnbereichs größeren Foramen apicale bei Milchzähnen – insbesondere bei Kindern Verwendung finden. Erwartungsgemäß gibt es weder im bleibenden noch im Milchgebiss einen signifikanten Unterschied der apikalen, bukkalen und palatinalen Distanz zwischen der rechten und linken Seite des Oberkiefers. Zwischen den einzelnen Zahngruppen zeigen die äußeren Schneidezähne die größte und die Eckzähne die kleinste apikale Distanz. Es besteht ein schwacher Zusammenhang zwischen der apikalen Distanz und dem Alter. Dieser könnte sich auf das Schädelwachstum zurückführen lassen. Die durchschnittlich etwa 1mm dicke Kompakta stellt aufgrund der Knochendichte die größte Diffusionsbarriere für das Lokalanästhetikum dar. Sie zeigt keinen relevanten Zusammenhang mit dem Alter. Ähnlich wie bei der Distanz zeigt der Seitenvergleich keinen statistischen Unterschied. Die einzelnen Zahnpositionen zeigen lediglich im bleibenden Gebiss einen statistischen Unterschied zwischen der apikalen, bukkalen und palatinalen Kompakta. Auch hier findet man bei den seitlichen Schneidezähne die dickste apikale Kompakta. Erste Versuche in Richtung transnasaler topischer Anästhesie haben bereits Ciancio et al. beschreiben. Hierbei wurde erwachsenen PatientInnen eine Mischung von Tetracain mit Oxymetazolin als Spray nasal verabreicht und mit einer Lidocain-Adrenalin-Infiltrationsanästhesie verglichen. PatientInnen die den Spray erhielten bekamen zusätzlich eine Injektion, wie bei einer Infiltrationsanästhesie des Oberkiefer Frontzahnbereichs, nur ohne Wirkstoff. Bei restaurativen Frontzahnbehandlungen führte die Behandlung mit dem Tetracain Spray bei 83,3% der PatientInnen zu einer suffizienten Anästhesie. Die Ergebnisse müssen noch in einer Folgestudie bestätigt werden. (57) Die Mischung von Tetracain mit Oxymetazolin dürfte sich als ein probates Anästhetikum eignen. (57,62) Andere Autoren verweisen auf die wirksame Anästhesie durch Lidocain und Prilocain sowie auf die Wirksamkeit von Bupivacain. (56,63) 37 Andreas Penn Anatomische Grundlagen des Oberkiefer-Frontzahnbereichs 4.1 Stärken und Limitationen: Als Stärke der vorliegenden Arbeit kann die umfangreiche Stichprobengröße genannt werden. Vergleichbare Studien umfassen geringere Fallzahlen. (64) Das Geschlechterverhältnis ist ausgeglichen und das PatientInnenkollektiv umfasst ein breites Altersspektrum, wenngleich eine linksschiefe Altersverteilung vorliegt. Eine Stärke der Arbeit ist weiterhin die hohe Standardisierung und das strukturierte Vorgehen bei den Messungen sowie die gute Reproduzierbarkeit der Messungen. Insgesamt ist der Anteil an Milchzähnen unterrepräsentiert, was zum Teil durch vermehrten Ausschluss von Wechselgebiss-Situationen erklärt werden kann. Das untersuchte PatientInnenkollektiv besteht vorwiegend aus Kaukasiern, weshalb die Ergebnisse nicht ohne weiteres auf andere Ethnien übertragen werden können. Knochenqualität und -dichte wurden in der vorliegenden Arbeit nicht berücksichtigt. Auch konnte die Weichgewebssituation nicht mitbeurteilt werden. Die Mukosadicke und deren Durchblutung können weitere relevante Faktoren sein, die eine Oberflächenanästhesie in diesem Bereich beeinflussen können. Dies gilt es zu beachten und in weiteren Studien zu untersuchen. 4.2 Zusammenfassung Diese Arbeit beschreibt systematisch die anatomischen Knochenverhältnisse des Oberkieferfrontzahnbereichs. Die für eine transnasale topische Anästhesie relevantesten apikalen Knochendicken weisen eine gewisse Variabilität auf. Weitere klinische Tests müssen den Erfolg eines solchen neuen Anästhesieverfahrens bestätigen. 38 Andreas Penn Anatomische Grundlagen des Oberkiefer-Frontzahnbereichs 5 Literaturverzeichnis 1. Koller C. Vorläufige Mitteilung über lokale Anästhesierung am Auge. Klin Monatsbl Augenheilk. 1884;22: Beilageheft p.60-3. 2. Uhlenbruck W. Die Rechtspflichten des Arztes zu ausreichender Schmerztherapie. In: Lehmann KA, Hrsg. Der postoperative Schmerz. Springer; 1994. 3. 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