Fach- und Führungskräfte in Europa und ihre Gewerkschaften im 21. Jahrhundert Zwe i t e Au s g a b e 1 Dieses Dokument wurde mit Unterstützung der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht. Es spiegelt die Meinung der AutorInnen wider, und die Europäische Kommission haftet in keiner Weise für seinen Inhalt. Mai 2009 Fach- und Führungskräfte in Europa und ihre Gewerkschaften im 21. Jahrhundert Zwe i t e Au s g a b e Boulevard du Roi Albert II, 5, B - 1210 Bruxelles Tel : +32 2 224 0730, Fax : +32 2 224 07 33 www.eurocadres.org [email protected] Alle rechte vorbehalten 1 Diese Publikation ist eine Gemeinschaftsarbeit. Die Länderberichte wurden durchgeführt von Marion Vogt (FORBA) und Guy van Gyes (HIVA). Michel Rousselot, ehemaliger Präsident von EUROCADRES, gemeinsam mit Heikki Taulu (AKAVA) schrieben das erste Kapitel, dass einen europäischen Überblick über Fach- und Führungskräfte gibt. Maija Lyly-Yrjänäinen (Eurofound) stellte Daten zusammen über die Arbeitsbedingungen von Fach- und Führungskräften in Europa (Anhang Nr. 1). FORBA – Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt, Wien / Österreich HIVA – Institut für Beschäftigungsstudien der Universität Leuven, Leuven / Belgien Eurofound – Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen, Dublin / Irland AKAVA – Gewerkschaftsbund für Fach- und Führungskräfte, Helsinki / Finnland Grafik und Layout: Pierre Saysouk Übersetzung: Birgit Kaut Dieses Buch ist in englischer, französischer und deutscher Sprache veröffentlicht. 2 Vorwort ..................................................................................................... 5 Einleitung Fach- und Führungskräfte, wer sind sie?......................................... 6 Fach- und Führungskräfte, wie viele sind sie in Europa?.................. 8 Kapitel 1 Fach- und Führungskräfte in Europa?............................................ 11 Kapitel 2 Kapitel 3 Kapitel 4 Kapitel 5 Kapitel 6 Kapitel 7 Kapitel 8 Kapitel 9 Kapitel 10 Kapitel 11 Kapitel 12 Kapitel 13 Kapitel 14 Kapitel 15 Kapitel 16 Kapitel 17 Kapitel 18 Kapitel 19 Kapitel 20 Kapitel 21 Kapitel 22 Kapitel 23 Kapitel 24 Kapitel 25 Kapitel 26 Kapitel 27 Kapitel 28 Belgien, BELGIQUE – BELGIË......................................................... 45 Bulgarien, БЪЛГАРИЯ.................................................................. 55 Tschechische Republik, ČESKÁ REPUBLIKA ................................. 63 Dänemark, DANMARK . ............................................................... 69 DEUTSCHLAND ............................................................................ 77 Estland, EESTI ............................................................................ 83 Griechenland, EΛΛΆΔΑ............................................................... 87 Spanien, ESPAÑA........................................................................ 95 Frankreich, France.................................................................... 103 Kroatien, HRVATSKA................................................................... 117 Irland, EIRE - IRELAND................................................................ 123 Italien, ITALIA............................................................................. 133 Zypern, ΚΥΠΡΟΣ........................................................................ 141 Lettland, LATVIJA........................................................................ 147 LUXEMBURG.............................................................................. 153 Ungarn, MAGYARORSZÁG........................................................... 161 MALTA........................................................................................ 167 Die Niederlande, NEDERLAND..................................................... 173 Norwegen, NORGE...................................................................... 181 Österreich, ÖSTERREICH............................................................. 191 Polen, POLSKA........................................................................... 199 Portugal................................................................................ 205 Slowenien, SLOVENIJA................................................................ 213 Slowakei, SLOVENSKO............................................................... 219 Finnland, SUOMI - FINLAND........................................................ 225 Schweden, SVERIGE................................................................... 233 Vereinigtes Königreich, UNITED KINGDOM................................. 239 Anhang 1 – Arbeitsbedingungen von Fach- und Führungskräftenin Europa – ein Überblick........... 250 2 – Europäische Daten zu Fach- und Führungskräften ................ 274 [ Belgium ] [ Inhaltsverzeichnis ] 3 Wir nennen „Fach- und Führungskräfte“ in den anderen europäischen Sprachen: професионалните и управленски кадри (bulgarisch) řídící pracovníci (tschechisch) akademikere og ledere (dänisch) kutseline- ja juhtivpersonal (estnisch) στελεχών επιχειρήσεων (griechisch) cuadros y profesionales (spanisch) cadres (französisch) professional and managerial staff (englisch) profesionalno i menadžersko osoblje (kroatisch) quadri e alte professionalita’ (italienisch) Profesionālajam un vadības personālam (lettisch) kvalifikuoti specialistai ir vadybininkai (litauisch) Értelmiségiek és Vezetők (ungarisch) kaderpersoneel (niederländisch) funksjonærer i ledende stilling (norwegisch) pracownicy z wyższym wykształceniem i kadry kierownicze (polnisch) profissionais e quadros (portugiesisch) cadre (rumänisch) strokovno in vodstveno osebje (slowenisch) riadiaci pracovníci (slowakisch) koulutetut ryhmät ja ylemmät toimihenkilöt (finnisch) chefer och specialister (schwedisch) profesyonel yöneticiler (türkisch) 4 D ie erste Ausgabe von „Fach- und Führungskräfte in Europa“ wurde 2001 in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Gewerkschaftsinstitut erstellt und veröffentlicht. Darin wurde erstmals der Versuch unternommen, ein Gesamtbild der Fachund Führungskräfte in Europa und der Vielfalt ihrer gesetzlichen Definitionen und gewerkschaftlichen Organisationsformen in den einzelnen Ländern zu zeichnen. [ Vorwort ] [ Vorwort ] Die zweite Ausgabe aktualisiert und präzisiert die Darstellung dieser wachsenden Gruppe innerhalb der europäischen Erwerbsbevölkerung. Ihre Lage zu verstehen ist besonders wichtig, um die Wirtschafts- und Sozialkrise anzugehen und zugleich die europäischen Ziele des Zusammenhalts in der Gesellschaft und der Wettbewerbsfähigkeit im Kontext der Globalisierung neu zu beleben Dennoch reicht eine Darstellung dieser Art nicht aus, da die Realität der Fach- und Führungskräfte sich ständig verändert. Die Transformationsprozesse, die sich im Kontext der Schaffung einer wissensbasierten Gesellschaft und Wirtschaft vollziehen, bringen bedeutende Änderungen in der Arbeitsorganisation und im Bereich der beruflichen Qualifikationen mit sich. Daher ist eine Darstellungsform erforderlich, die sich ebenfalls weiterentwickelt und Einblicke vermittelt in die Neuerungen und neuen Herausforderungen, die sich in Bezug auf nichtformale Fertigkeiten und Fähigkeiten wie Autonomie, Verantwortung und Initiative für Fach- und Führungskräfte stellen. Aus dem Arbeiter, der im „Schweiße seines Angesichts“ arbeitete, ist der „Wissensarbeiter“ geworden, aber selbst Wissen, das kürzlich noch als “Fach- oder Management-Knowhow” galt, ist nun eine kulturelle oder besser gesagt eine humanistische Haltung. What was once the labour “by the sweat of one’s brow” is now knowledge work; but even what was, more recently, the technical or managerial know-how, is now cultural or better humanistic stance. Aus diesem Grund engagiert sich EUROCADRES für die Schaffung einer Beobachtungsstelle für Fach- und Führungskräfte im wissensbasierten Europa, die nicht nur ihre formalen Qualifikationen und ihre nichtformalen Fertigkeiten und Fähigkeiten hinsichtlich Autonomie, Verantwortung und Initiative erfasst, sondern auch ihre neuen Bedürfnisse in Bezug auf Bildung, Ausbildung und lebenslanges Lernen. Diese Beobachtungsstelle soll den Fach- und Führungskräften und ihren Gewerkschaften in den einzelnen Ländern helfen, neue europäische Räume für Mobilität, Innovation und Kreativität zu schaffen. Dieses Buch (das im Rahmen eines von der Europäischen Union geförderten Forschungsprojekts erstellt wurde) bildet die Grundlage und treibende Kraft für ein solches Instrument. Auf dem Weg zu einer Beobachtungsstelle wird es all diejenigen stimulieren und motivieren, die sich den Herausforderungen der Fachund Führungskräfte stellen. Carlo Parietti, Président 5 [ Einleitung ] Fach- und Führungskräfte, wer sind sie? Die Definition von Fach- und Führungskräften der ILO In dem „Compendium of Principles and Good Practices relating to the Employment of Professional Workers“, das vom leitenden Organ der Internationalen Arbeitsorganisation IAO (International Labour Organisation - ILO) im Anschluss an eine dreigliedrige Konferenz im Jahr 1977 angenommen wurde, wird eine Fach- oder Führungskraft definiert als: „eine Person: a) die über einen höheren Bildungs- und Berufsbildungsabschluss oder eine anerkannte gleichwertige Erfahrung auf einem wissenschaftlichen, technischen oder Verwaltungsgebiet verfügt und b)die in einem Angestelltenverhältnis überwiegend intellektuelle Aufgaben erfüllt, die ein hohes Maß an Urteilskraft und Initiative erfordern und ein relativ hohes Maß an Verantwortung mit sich bringen. Der Begriff sollte auch für Personen angewandt werden, denen zusätzlich zu den unter a) und b) oben genannten Eigenschaften von der Unternehmensleitung ihres Arbeitgebers die Verantwortung für die Planung, Führung, Kontrolle und Koordinierung der Tätigkeiten eines Teils eines Unternehmens oder einer Organisation einschließlich der damit einhergehenden Aufsicht über andere Personen übertragen wurde. Unter diesen Begriff fallen keine Führungskräfte der höchsten Ebene, denen weit reichende Befugnisse von ihrem Arbeitgeber übertragen wurden.“ Klassifizierung nach ISCO ISCO steht für International Standard Classification of Occupations (Internationale Standardklassifikation der Berufe). Die erste Fassung ISCO 58 wurde 1957 angenommen und mehrmals aktualisiert (ISCO 68 und ISCO 88). Die letzte Fassung ISCO 08 wurde im Dezember 2007 verabschiedet. 6 Hauptgruppe 1: Führungskräfte 11 Hauptgeschäftsführer, leitende Verwaltungsbedienstete und Angehörige gesetzgebender Körperschaften 12 Führungskräfte 13 Führungskräfte in der Produktion und in spezialisierten Dienstleistungen 14 Führungskräfte im Hotel- und Gaststättengewerbe, Einzelhandel und in anderen Dienstleistungen [ Einleitung ] Die ISCO-Klassifizierung umfasst 10 Hauptgruppen1, die beiden ersten Hauptgruppen entsprechen Fach- und Führungskräften: Hauptgruppe 2: Fachkräfte 21 Naturwissenschaftler und Ingenieure 22 Mediziner 23 Lehrkräfte 24 Unternehmensberatungs- und Organisationsfachkräfte und Verwaltungsfachkräfte 25 IKT-Fachkräfte 26 Juristen und Fachkräfte im Sozial- und Kulturbereich Das Statistische Amt der Europäischen Union (EUROSTAT) verwendet eine europäische Variante dieser Klassifikation unter der Bezeichnung ISCO 88 (COM), die folgende Fassung wäre dann ISCO 08 (COM). Die Definition von EUROCADRES Zur Abgrenzung der Gruppe der Fach- und Führungskräfte verwendet EUROCADRES die ISCO Hauptgruppen 1 und 2 gemäß der Definition der ILO. Diese beiden Gruppen2 entsprechen der höchsten ISCO-Qualifikationsstufe (4), die in der Regel durch Erwerb eines Hochschulabschlusses oder eines höheren Bildungsabschlusses nach drei- bis sechsjährigem Studium an einer Hochschule erlangt 1 Die ISCO umfasst folgende Hauptgruppen: 1: Führungskräfte, 2. Wissenschaftler; 3. Techniker und gleichrangige nichttechnische Berufe; 4. Bürokräfte, kaufmännische Angestellte; 5. Dienstleistungsberufe, Verkäufer in Geschäften; 6. Fachkräfte in der Landwirtschaft und Fischerei; 7. Handwerks- und verwandte Berufe; 8. Anlagen- und Maschinenbediener sowie Montierer; 9. Hilfsarbeitskräfte; 0 Soldaten. 2 Mit der Ausnahme der Untergruppe 1.4 (Führungskräfte im Hotel- und Gaststättengewerbe, Einzelhandel und in anderen Dienstleistungen), die der Qualifikationsstufe 3 entspricht. 7 wird (dies entspricht der Bildungsstufe 5a oder einer höheren Bildungsstufe der Internationalen Standardklassifikation für das Bildungswesen ISCED, International standard Classification of Education). Fach- und Führungskräfte, wie viele sind sie in Europa? Arbeitnehmer In Tausend Arbeitnehmern insgesamt ISCO 1 Prozentualer Anteil der Fach- und Führungskräfte an der Arbeitnehmerschaft Belgien 3731 273 786 1059 28,4% Bulgarien 2849 116 366 482 16,9% Tschechische Republik 4125 211 427 638 15,5% Dänemark 2550 143 376 518 20,3% 33649 1156 4421 5578 16,6% 597 67 90 157 26,4% Irland 1749 170 310 480 27,4% Griechenland 2900 60 483 542 18,7% Spanien 16760 406 2150 2556 15,2% Frankreich 22862 1339 2940 4279 18,7% Italien 17167 351 1482 1833 10,7% Zypern 301 9 49 58 19,2% Lettland 998 64 142 207 20,7% Litauen 1324 112 268 380 28,7% 188 6 44 50 26,6% 3440 204 465 669 19,4% 135 9 17 26 19,0% Deutschland Estland Luxemburg Ungarn Malta 8 ISCO 2 Fach- und Führungskräfte (ISCO 1 & 2) 7349 525 1362 1887 25,7% Österreich 3450 179 322 501 14,5% 11666 560 2122 2682 23,0% Portugal 3902 81 384 465 11,9% Rumänien 6197 153 853 1006 16,2% Slowenien 829 35 135 171 20,6% Slowakei 2044 88 203 292 14,3% Finnland 2178 161 415 576 26,4% Schweden 4060 178 786 965 23,8% Vereinigtes Königreich 25169 3662 3508 7169 28,5% Europäische Union 182166 10318 24906 35224 19,3% Kroatien 1266 18 135 153 12,0% Norwegen 2239 132 267 399 17,8% 12333 478 1154 1633 13,2 % Polen Türkei [ Einleitung ] Die Niederlande Quelle: EUROCADRES 2009; Daten: EUROSTAT, Arbeitskräfteerhebung 2007. Fach- und Führungskräfte entsprechend der ISCO-Klassifikation 1 und 2 stellen rund 19 % der Arbeitnehmer der Europäischen Union. Mit fast einem Fünftel aller Arbeitnehmer stellen sie einen bedeutenden Anteil der Erwerbsbevölkerung. Zudem steigt ihre Zahl seit einigen Jahren kontinuierlich an. Parallel dazu ist der Anteil anderer Arbeitnehmerkategorien, besonders der gering qualifizierten, gesunken. Dadurch hat das Gewicht der Fach- und Führungskräfte in der Zusammensetzung der Arbeitnehmerschaft zugenommen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass der durchschnittliche Wert zwar bei 19,3 % liegt, aber zwischen den europäischen Ländern erhebliche Unterschiede bestehen. So beträgt der Anteil der Fach- und Führungskräfte beispielsweise in Belgien, Litauen, Irland und im Vereinigten Königreich über 27 %, während sie in Italien und Portugal kaum 12 % erreichen. 9 Diese Unterschiede sind zum Teil auf Unterschiede in der Struktur der Industriesektoren zurückzuführen, vor allem auf die Bedeutung des Dienstleistungssektors, der mehr Fach- und Führungskräfte beschäftigt als die Industrie. Daneben spielen aber auch andere Faktoren eine Rolle, etwa ob die betreffenden Arbeitnehmer als Fach- und Führungskräfte definiert werden oder nicht; dies kann je nach soziologischen Gewohnheiten (Zugehörigkeit zu einer Gruppe) oder dem Einfluss von Tarifverhandlungen und der Rechtslage (Ausschluss oder Einbeziehung der Fach- und Führungskräfte vom bzw. in den Geltungsbereich von Tarifverträgen oder bestimmten Gesetzen) unterschiedlich ausfallen. Ita Po lien rt Sl uga ow l a Ös Ts ch te kei ec rre hi ich S sc he pan Re ien p Ru ub l De mä ik n ut sc ien hl a B Gr ulg nd a ie ch rie en n l Fr an and kr ei Eu ch ro M pa al ïs ch Zy ta p e Un ern io n U 27 Dä nga ne rn m Sl ow ark en Le ien ttl an d Sc Pol hw en Ni ed ede er n la n Es de tl Fin and Lu nla n xe m d bu Ve r re Irl g in an ig te B s K elg d ie ön n ig re i Lit ch au en Prozentualer Anteil der Fach- und Führungskräfte an allen Arbeitnehmern Quelle: EUROCADRES 2009; Daten: EUROSTAT, Arbeitskräfteerhebung 2007. 10 [ Kapitel 1 ] Fach- und Führungskräfte in Europa 11 [ Fach- und Führungskräfte in Europa ] Die Definition von Fach- und Führungskräften auf nationaler Ebene In der Einleitung wurde die internationale Definition von Fach- und Führungskräften dargestellt, die in der Regel verwendet wird. In den europäischen Ländern wird bei der Kategorisierung von Fach- und Führungskräften im Allgemeinen ein ähnlicher Ansatz angewandt. Sie werden generell nach der Selbständigkeit ihrer Entscheidungs- und Geschäftsführungsbefugnisse in einem für das Unernehmen wichtigen Bereich definiert. Sie unterscheiden sich somit dadurch von anderen Arbeitnehmern, dass ihnen bestimmte Befugnisse von der Unternehmensleitung übertragen werden. Aber auch andere Faktoren wie beispielsweise Bildungsabschlüsse können als Kriterien für die Zuordnung zu dieser Gruppe zugrunde gelegt werden. Zur Untersuchung der gesetzlichen Definition von Fach- und Führungskräften in den einzelnen Ländern und zur Klassifizierung der in der Studie erfassten Länder wurden die gesetzlichen und/oder tarifvertraglichen Definitionen hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf den Schutz von Fach- und Führungskräften bewertet. Es zeigt sich, dass manche gesetzlichen und/oder tarifvertraglichen Bestimmungen bezwecken, Fach- und Führungskräfte von sämtlichen oder einem Teil der arbeitsrechtlichen oder tarifvertraglichen Schutzbestimmungen auszuschließen. Umgekehrt gibt es Länder, in denen die gesetzlichen oder tarifvertraglichen Bestimmungen Fach- und Führungskräften Schutz oder eine Sonderstellung gegenüber den anderen Arbeitnehmergruppen gewähren. Die Untersuchung der einzelnen Länder ergibt drei Arten von Definitionen. Sie unterscheiden sich durch die gesetzlich oder tarifvertraglich geregelten Rechte, die aus der Definition der Fach- und Führungskräfte erwachsen. >> Die erste Gruppe bilden Definitionen, die Fach- und Führungskräfte von allen oder einem Teil der Bestimmungen von Tarifverträgen ausschließen. In diesem Fall sind als Fach- und Führungskräfte definierte Arbeitnehmer im Allgemeinen aus dem normalen Anwendungsbereich der Gesetze und Tarifverträge ausgeschlossen. Diese Definitionen sind demnach als negativ zu bezeichnen. >> Die zweite Gruppe umfasst Definitionen, die für Fach- und Führungskräfte bessere Arbeits- oder Vertretungsbedingungen als für andere Arbeitnehmergruppen gewähren. In diesem Fall werden Fach- und Führungskräften aufgrund gesetzlicher und/oder tarifvertraglicher Bestimmungen in bestimmten Bereichen 12 1.1. AusschlieSSende Definitionen Mehrere Länder in Europa wenden Definitionen oder Verfahrensweisen an, die sich negativ auf den Schutz von Fach- und Führungskräften auswirken, vor allem durch die Möglichkeit, Arbeitnehmer mit Verantwortung (insbesondere Führungsverantwortung) von allen oder bestimmten arbeitsrechtlichen Bestimmungen auszuschließen. Dies ist häufig der Fall bei Arbeitszeitregelungen. Im Vereinigten Königreich wurde durch die Umsetzung der europäischen Arbeitszeitrichtlinie in britisches Recht eine Definition der Fach- und Führungskräfte eingeführt – das entsprechende Gesetz sieht nämlich für die 48-Stunden-Woche eine Abweichung für „leitende Angestellte oder sonstige Personen mit selbstständiger Entscheidungsbefugnis“ vor. [ Fach- und Führungskräfte in Europa ] (wie Altersversorgung und Weiterbildung) zusätzliche Rechte gewährt. Diese Definitionen sind demnach als positiv zu bezeichnen. >> Die dritte Gruppe bilden verschwommene oder gänzlich fehlende Definitionen. In einigen Fällen fehlen gesetzliche oder tarifvertragliche Bestimmungen zur Definition von Fach- und Führungskräften. Sie werden nicht von den anderen Arbeitnehmern oder Angestellten unterschieden und genießen auch keine besonderen Vorteile. Diese Situation wird demnach als ungenaue oder fehlende Definition umschrieben. In den Niederlanden gilt das Arbeitszeitgesetz nicht für Arbeitnehmer, deren Einkommen mehr als dem dreifachen jährlichen Mindestgehalt entspricht. In Norwegen gelten keine Arbeitszeitbeschränkungen für Arbeitnehmer, deren Tätigkeit ein hohes Maß an Unabhängigkeit mit sich bringt, aber diese Arbeitnehmergruppe wird nicht näher definiert. In Belgien ist die Definition nach wie vor unpräzise, da „alle Beschäftigten in einer Vertrauensposition“ als Fach- und Führungskräfte gelten. Auf der Grundlage dieser Definition können Fach- und Führungskräfte im Gegensatz zu anderen Arbeitnehmern von den gesetzlichen Arbeitszeitbestimmungen ausgeschlossen werden, da diese den Ausschluss von allen Beschäftigten mit Verantwortung im Unternehmen ermöglichen.Allerdings muss hinzugefügt werden, dass in Belgien zwar die Gesetzeslage aufgrund des Ausschlusses der Fach- und Führungskräfte von den Arbeitszeitbestimmungen auf den ersten Blick negativ ist, es aber in Unternehmen ab einer bestimmten Größe oder mit einer bestimm13 ten Anzahl von Fach- und Führungskräften ein eigenes Vertretungssystem für sie gibt. Somit schließt die belgische Gesetzgebung zwar Fach- und Führungskräfte vom Arbeitszeitschutz aus, aber gewährt ihnen andere Vorteile. So ist in Unternehmen mit mehr als 100 Beschäftigten bzw. in Unternehmen mit mehr als 15 Fach- und Führungskräften im Rahmen des Betriebsrats ein besonderes Wahlkollegium einzurichten. Auch die Tarifverhandlungspraxis spiegelt nicht notwendigerweise die negative ausschließende Gesetzeslage wider, und in einigen Branchen werden Sondertarifverträge für Fach- und Führungskräfte oder Tarifverträge, die auch für sie gelten, abgeschlossen. In Luxemburg wird im Gesetz von 1965 lediglich darauf hingewiesen, dass die Arbeits- und Vergütungsbedingungen von Angestellten der oberen Leitungsebene nicht unter die Tarifverträge für Angestellte fallen. Da der Begriff „Fach- und Führungskräfte“ jedoch einen breiteren Personenkreis abdeckt als „Angestellte der oberen Leitungsebene“, ergibt sich in Luxemburg eine unklare Situation, die es ermöglicht, Fach- und Führungskräfte vor allem in der Privatwirtschaft von Tarifverträgen auszuschließen. In Deutschland ist die Definition von Fach- und Führungskräften zumindest teilweise negativ formuliert. Fach- und Führungskräfte gelten zwar mehrheitlich als Angestellte und sind somit tarifvertraglich abgesichert, aber außertarifliche Angestellte sind per Definition von Tarifverträgen ausgeschlossen. Leitende Angestellte sind gesetzlich definiert aber genießen gewisse Sonderrechte wie zum Beispiel das Recht auf ein eigenes Vertretungsgremium (Sprecherausschuss). In anderen Fällen werden nur Spitzenmanager im Unterschied zu anderen Fachund Führungskräften von Tarifverträgen ausgeschlossen. Dabei kann dieser Ausschluss relativ weit reichen. Unter anderem in Österreich, Griechenland und Schweden können Fach- und Führungskräfte von Tarifverträgen oder arbeitsrechtlichen Bestimmungen ausgeschlossen werden, und in Malta und in der Slowakei können Führungskräfte, die im Auftrag des Arbeitgebers den Tarifvertrag unterzeichnen, von gewerkschaftlichen Rechten ausgeschlossen werden. In Kroatien und in Bulgarien werden mit Spitzenmanagern keine Arbeitsverträge sondern Führungskräfteverträge abgeschlossen. Wie festzustellen ist, wirken sich die negativen Definitionen je nach Land unterschiedlich aus. Trotz ihres vollständigen oder teilweisen Ausschlusses von Tarifverträgen ist die Situation der Fach- und Führungskräfte von Unternehmen zu Unternehmen und Branche zu Branche anders. In der Praxis hat eine negativ formulierte Definition in den gesetzlichen oder tarifvertraglichen Bestimmungen nicht unbedingt zur Folge, dass Fach- und Führungskräfte einen schwieri14 1.2. Präzisierende Definitionen Positive gesetzliche und/oder tarifvertragliche Definitionen sind im Allgemeinen mit zusätzlichen und/oder besonderen Rechten für Fach- und Führungskräfte im Vergleich zu anderen Arbeitnehmergruppen verbunden. Dies trifft vor allem auf drei Länder zu. In Italien werden Fach- und Führungskräfte durch ein Gesetz aus dem Jahr 1985 als Arbeitnehmerkategorie zwischen leitenden Angestellten und Angestellten anerkannt. Neben der Kategorie der leitenden Angestellten (dirigenti), die bereits anerkannt waren, ermöglicht das Gesetz nun auch den quadri (Angestellten des mittleren Managements), ausdrücklich als Fach- und Führungskräfte anerkannt zu werden, und bietet eine gesetzliche Grundlage für den Abschluss fach- und führungskräftespezifischer Tarifverträge. [ Fach- und Führungskräfte in Europa ] geren Stand haben. Vereinbarungen auf Branchen- oder Unternehmensebene können diese negative Definition umgehen. Auf diese Vereinbarungen wird im Abschnitt über Tarifverhandlungen näher eingegangen. In Dänemark gilt das Beamten- und Angestelltengesetz (Funktionaerloven) zwar für Fach- und Führungskräfte wie für Angestellte im Allgemeinen, aber das Gesetz hat bestimmte Auswirkungen auf den Schutz für Fach- und Führungskräfte. In Frankreich werden Fach- und Führungskräfte im Wege der gesetzlichen und tarifvertraglichen Bestimmungen anerkannt. Dort werden spezielle Tarifverträge für Fach- und Führungskräfte abgeschlossen, meist aber werden für diese Gruppe besondere Klauseln in die für alle Arbeitnehmer geltenden Branchentarifverträge aufgenommen. Diese Verallgemeinerung der Definition, die häufiger auf dem Bildungsabschluss als auf selbständigen Entscheidungsbefugnissen beruht, hat außerdem dazu geführt, vor allem in Branchen- oder Unternehmenstarifverträgen Vereinbarungen oder Sonderklauseln für bestimmte Rechte der Fach- und Führungskräfte aufzunehmen (unter anderem Mobilität, Weiterbildung und Arbeitszeit). Ferner wurde durch den AGIRC-Vertrag von 1947 ein eigenes Zusatzrentensystem für Führungskräfte und gleichgestellte Angestellte eingeführt. Die hier als positiv eingestuften Definitionen leiten sich demnach aus Gesetzen oder Tarifverträgen ab und wirken sich je nach Land unterschiedlich aus. Zwischen diesen „positiven“ und „negativen“ Definitionsgruppen besteht eine Grauzone, in der die Definition von Fach- und Führungskräften entweder unpräzise ist oder – was häufiger der Fall ist – gänzlich fehlt. 15 1.3. Gemischte oder fehlende Definitionen In einigen Ländern werden Fach- und Führungskräfte weder gesetzlich noch tarifvertraglich genau definiert. Dies ist der Fall in Österreich, Estland, Irland, Lettland, Griechenland, Ungarn, Polen, Portugal, Spanien, und in geringerem Maße auch in Finnland, Norwegen und Schweden. In diesen Ländern fallen Fach- und Führungskräfte häufig unter die allgemeinen Tarifverträge und sind folglich durch tarifvertragliche und gesetzliche Bestimmungen geschützt, die meist nur zwischen Arbeitern und Angestellten unterscheiden, wobei die Definition von Angestellten über die der Fach- und Führungskräfte im eigentlichen Sinn hinausgeht. In Slowenien beispielsweise gibt es keine Definition von Fach- und Führungskräften. Das slowenische Gesetz über Beschäftigungsverhältnisse sieht jedoch vor, dass Arbeitsverträge von Führungskräften in Bezug auf Rechte, Pflichten und Zuständigkeiten von den tarifvertraglichen Bestimmungen abweichen können. In der Tschechischen Republik unterliegen Tarifverhandlungen für Fachund Führungskräfte den allgemeinen Vorschriften. Allerdings können für Fachund Führungskräfte eigene Bedingungen ausgehandelt und in die Tarifverträge auf Unternehmensebene aufgenommen werden. Dabei geht es meist um Gehalts- und Arbeitszeitregelungen. 1.4. Selbständige Entscheidungsbefugnisse, Leitungsbefugnisse, Bildungsabschluss In den meisten untersuchten Ländern stellt demnach der Begriff der autonomen Entscheidungs- oder Leitungsbefugnisse das zentrale Element der Definition von Fach- und Führungskräften dar, aber auch der Bildungsabschluss wird berücksichtigt. Festzustellen ist jedoch, dass gesetzliche Bestimmungen in diesem Bereich selbst in Ländern mit stark reguliertem Arbeitsmarkt wie Frankreich (Rolle der Branchentarifverträge), Belgien und Luxemburg (wo lediglich der Ausschluss von Fach- und Führungskräften von den gesetzlichen Arbeitszeitregelungen vorgesehen ist) eher begrenzt sind. In den meisten Fällen sind es Tarifverhandlungen, die eine Definition der Fach- und Führungskräfte aufstellen oder, was weit häufiger der Fall ist, soziale Leistungen begründen, die über die gesetzlichen Mindestleistungen hinausgehen. Dies müsste, zumindest theoretisch, die Rolle der Gewerkschaften in diesem Bereich stärken. 16 Mehr als 6 der 35 Millionen Fach- und Führungskräfte (Gruppen 1 und 2 der Standardklassifikation der Berufe ISCO) in Europa sind in einer Vielzahl unterschiedlicher Gewerkschaften organisiert. Die meisten von ihnen (5 Millionen bzw. rund 80 %) sind dem Europäischen Rat der Fach- und Führungskräfte - EUROCADRES – angeschlossen. EUROCADRES ist als europäischer Sozialpartner anerkannt und mit dem Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB) verbunden. 2.1. Organisationsformen In den meisten europäischen Ländern gibt es einen oder mehrere Gewerkschaftsbünde, die als Dachverbände für Einzelgewerkschaften fungieren. Die gewerkschaftliche Organisationsform ist durch die Geschichte und die wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen im jeweiligen Land geprägt. So kann die Vertretung der Fach- und Führungskräfte durch eigene Gewerkschaften oder durch Gruppen oder Strukturen innerhalb der Gewerkschaften mit einer breiteren Mitgliederbasis erfolgen. Daneben gibt es eine Minderheit von Gewerkschaften, die keinem Dachverband angeschlossen sind. [ Fach- und Führungskräfte in Europa ] 2. Gewerkschaftsorganisation von Fach- und Führungskräften Vor dem Hintergrund unterschiedlicher Kulturen und geschichtlicher Entwicklungen in den Ländern haben sich in Europa unterschiedliche gewerkschaftliche Organisationsformen entwickelt. Häufig spielen mehrere Gründe eine Rolle für die Schaffung gewerkschaftlicher Strukturen. In einigen Ländern beruhen diese Strukturen hauptsächlich auf wirtschaftlichen oder sektoralen Kriterien, in anderen Ländern auf Qualifikationsniveaus. Zusammenfassend lassen sich drei 3 Hauptformen der Gewerkschaftsorganisation unterscheiden: 2.1.1. Organisation auf Branchenebene Historisch gesehen sind viele Gewerkschaften aus der Organisation der Arbeitnehmer in einer bestimmten Branche entstanden und haben dazu geführt, dass vertikale Branchengewerkschaftsbünde eine vorherrschende Stellung einnehmen. In den meisten Ländern umfassen sie „vertikale Strukturen“, die zum Teil auch zwischen „Arbeitern“ und „Angestellten“ unterscheiden; diese letztge- 17 nannte Organisationsform wird als „Organisation nach Arbeitnehmerstatus“ bezeichnet. Vertikale Strukturen In diesem Fall sind Fach- und Führungskräfte neben anderen Arbeitnehmergruppen in den Gewerkschaften oder Verbänden der jeweiligen Branche organisiert. Die Dachverbände dieser Gewerkschaften (oder Gewerkschaftsbünde), die unterschiedliche Arbeitnehmergruppen organisieren, haben besondere Verbände für Fach- und Führungskräfte geschaffen. Dies bedeutet, dass Fach- und Führungskräfte gleichzeitig vertreten werden durch >> vertikale Branchenverbände, die auch andere Arbeitnehmergruppen vertreten, und durch >> horizontale Fach- und Führungskräfteverbände. Die Mehrheit der Mittelmeerländer und der mittel- und osteuropäischen Länder weist mehrere Gewerkschaftsbünde auf. In ein paar wenigen Ländern sind Fach- und Führungskräfte neben anderen Arbeitnehmergruppen in Gewerkschaften organisiert, aber verfügen innerhalb dieser Struktur nicht über eine eigene Vertretung. Dies ist in folgenden Ländern der Fall: >> In Bulgarien sind Fach- und Führungskräfte in mehreren Gewerkschaften organisiert, die den beiden größten landesweiten Gewerkschaftsbünden angeschlossen sind. Daneben bestehen einige kleine unabhängige Gewerkschaften, die viele Fach- und Führungskräfte unter ihren Mitgliedern zählen. >> In Kroatien sind viele Gewerkschaften, die auch Fach- und Führungskräfte vertreten, Gewerkschaftsdachverbänden angeschlossen. 18 In den meisten Ländern bestehen je nach Branche spezifische Fach- und Führungskräftegewerkschaften und allgemeine Gewerkschaften, die verschiedene Arbeitnehmergruppen (einschließlich Fach- und Führungskräften) organisieren. Durch die Mitgliedschaft dieser Gewerkschaften in zentralen Verbänden sind Fach- und Führungskräfte auch auf der Dachverbandsebene vertreten. In manchen Ländern existieren auch kleine unabhängige Fach- und Führungskräftegewerkschaften: >> In Frankreich gibt es fünf große Gewerkschaftsbünde, die jeweils über einen eigenen Verband für Fach- und Führungskräfte verfügen. Zu ihren Mitgliedsorganisationen gehören auch einige Fach- und Führungskräftegewerkschaften. >> In Italien haben die drei größten Gewerkschaftsbünde einen eigenen landesweiten Verband für Fach- und Führungskräfte geschaffen. Daneben bestehen einige Fach- und Führungskräftegewerkschaften und weitere Fachund Führungskräfteverbände. >> In Polen gibt es zwei große, unterschiedlich strukturierte Gewerkschaftsbünde. Fach- und Führungskräfte sind zusammen mit allen anderen Arbeitnehmern in Gewerkschaften organisiert. Manche von ihnen vertreten überwiegend und eine ausschließlich Fach- und Führungskräfte. >> In Portugal umfassen die beiden großen Gewerkschaftsbünde einige Mitgliedsgewerkschaften, die speziell Fach- und Führungskräfte organisieren, und verfügen auch über einen Fach- und Führungskräfteverband innerhalb ihrer eigenen Strukturen. Darüber hinaus bestehen einige unabhängige Gewerkschaften für Fach- und Führungskräfte. >> In Rumänien gibt es mehrere zentrale Gewerkschaftsverbände, deren Mitgliedsgewerkschaften verschiedene Arbeitnehmergruppen oder bestimmte Berufsgruppen wie zum Beispiel Forscher organisieren. >> In der Slowakei bestehen ein großer und zwei kleine Gewerkschaftsbünde, deren Mitgliedsgewerkschaften in vielerlei Hinsicht autonom sind. Einige von ihnen können als Fach- und Führungskräftegewerkschaften bezeichnet werden. >> Slowenien zählt sieben Gewerkschaftsbünde. Die meisten Fach- und Führungskräfte sind Mitglieder von Gewerkschaften, die den beiden größten [ Fach- und Führungskräfte in Europa ] >> In der Tschechischen Republik gibt es einen großen und mehrere kleinere Gewerkschaftsbünde. Der größte tschechische Gewerkschaftsbund umfasst mehrere Gewerkschaften, die zahlreiche Fach- und Führungskräfte vertreten. >> In Griechenland bestehen zwei Gewerkschaftsbünde; die Fach- und Führungskräfte werden im Rahmen der allgemeinen Gewerkschaftsstrukturen vertreten. 19 Gewerkschaftsbünden angeschlossen sind. Daneben bestehen einige unabhängige Gewerkschaften für bestimmte Fach- und Führungskräftegruppen wie beispielsweise Ärzte. >> In Spanien umfassen die beiden größten Gewerkschaftsbünde besondere Strukturen für Fach- und Führungskräfte. Ferner gibt es einige unabhängige Gewerkschaften, die ausschließlich Fach- und Führungskräfte organisieren. Organisation nach Arbeitnehmerstatus In einigen Ländern wird historisch zwischen Arbeitern und Angestellten und Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes unterschieden. In diesen Fällen bestehen mehrere Branchenverbände für Arbeiter und ein Verband für Angestellte in den verschiedenen privatwirtschaftlichen Sektoren. Fach- und Führungskräfte sind hauptsächlich in Angestelltengewerkschaften organisiert, die zum Teil eine eigene Struktur für sie geschaffen haben. Dieser Organisationsansatz hat in Österreich und Belgien zu ähnlichen Strukturen geführt: >> In Österreich gibt es einen Gewerkschaftsbund. Die meisten Fach- und Führungskräfte sind in fünf seiner Mitgliedsgewerkschaften organisiert (eine Angestelltengewerkschaft in der Privatwirtschaft und mehrere Gewerkschaften im öffentlichen Dienst), und auf nationaler Ebene werden sie durch eine eigene Struktur vertreten. >> In Belgien verfügt jeder der beiden großen Gewerkschaftsbünde über eine Sektion für Fach- und Führungskräfte innerhalb ihrer Angestelltengewerk- 20 In anderen Ländern findet sich eine Organisationsform zwischen vertikaler Organisation und Organisation nach Arbeitnehmerstatus. Die Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten hat jedoch auch hier gewisse Folgen. >> In Deutschland sind acht Gewerkschaften in einem großen Gewerkschaftsbund zusammengeschlossen. Fach- und Führungskräfte sind allen acht Mitgliedsgewerkschaften vertreten. Daneben bestehen mehrere Angestellten- und Fach- und Führungskräfteverbände. >> In den Niederlanden sind die meisten Fach- und Führungskräfte in Verbänden organisiert, die ihrerseits drei Gewerkschaftsbünden angeschlossen sind. Darunter befindet sich ein Angestelltengewerkschaftsbund, zu dessen Mitgliedern auch Fach- und Führungskräfte zählen. 2.1.2. Organisation nach Qualifikation [ Fach- und Führungskräfte in Europa ] schaft. Einige Fach- und Führungskräfte sind Mitglieder des drittgrößten Gewerkschaftsbundes, und es besteht auch eine unabhängige Gewerkschaft für Fach- und Führungskräfte. In einigen Ländern beruhte die gewerkschaftliche Organisation hauptsächlich auf dem Qualifikationsniveau der Arbeitnehmer und führte zur Entstehung getrennter Gewerkschaften für Arbeiter, Angestellte und Akademiker. Organisation nach Qualifikation Diese Entwicklungen haben dazu geführt, dass es auch auf nationaler Ebene drei getrennte Dachverbände für die drei Arbeitnehmergruppen gibt: >> Angestellte >> Arbeiter >> Akademiker Die Gewerkschaftsbünde für Arbeiter und für Angestellte sind auf Branchenebene organisiert. Die Dachverbände für Akademiker sind nach Hochschulabschlüssen und Berufen organisiert (Ingenieure, Architekten, Anwälte, Wirtschaftler usw.). Diese Verbände nehmen gleichzeitig die gewerkschaftliche und berufliche Interessenvertretung ihrer Mitglieder wahr. Die meisten Fach- und Führungskräfte sind Mitglieder der Angestellten- und Akademikerverbände. 21 Gewerkschaftliche Organisationsstrukturen auf der Grundlage der Qualifikation sind vor allem in den skandinavischen Ländern wie Dänemark, Finnland und Schweden zu finden: >> In Dänemark gibt es drei Dachverbände. Die meisten Fach- und Führungskräfte sind Mitglieder von Gewerkschaften, die zwei dieser Dachverbände angeschlossen sind. Daneben besteht ein unabhängiger Fach- und Führungskräfteverband. >> Finnland zählt drei Gewerkschaftsbünde, zwei von ihnen vertreten Fachund Führungskräfte. Der Angestelltendachverband ist nach Branchen und Berufen organisiert. >> In Schweden werden Fach- und Führungskräfte von zwei der drei zentralen Gewerkschaftsbünde vertreten. Daneben gibt es noch einen unabhängigen Fach- und Führungskräfteverband. In manchen Ländern hat der qualifikationsbasierte Ansatz zur Entstehung verschiedener Gewerkschaften geführt: >> In Norwegen sind die Organisationsstrukturen weniger eng an die Qualifikationen geknüpft als in anderen nordischen Ländern. Zwei der vier Gewerkschaftsdachverbände in Norwegen sind hauptsächlich nach Branchen organisiert und zwei nach Berufen. Die meisten Fach- und Führungskräfte sind in den Mitgliedsgewerkschaften der Dachverbände organisiert, einige auch in unabhängigen Gewerkschaften. >> In Estland gibt es zwei große Gewerkschaftsbünde mit mehreren Mitgliedsgewerkschaften: Der erste vertritt hauptsächlich Arbeiter und ist nach Branchen organisiert, der andere ist in erster Linie nach beruflichen Kriterien organisiert. Fach- und Führungskräfte sind je nach Branche oder Beruf Mit22 2.1.3. Gemischte Organisationsformen In manchen Ländern haben Gewerkschaften, die ursprünglich als Fach- oder Berufsgewerkschaften organisiert waren, schrittweise ihre Mitgliederbasis ausgeweitet und andere Arbeitnehmergruppen aufgenommen. In den letzten Jahren ist es auch zu Fusionen dieser Gewerkschaften gekommen. Gemischte Gewerkschaftsstrukturen Als Folge dieser Entwicklung sind zahlreiche verschiedene Strukturen entstanden, die besonders für Fach- und Führungskräfte verschiedene Möglichkeiten bieten: >> Fach- und Führungskräftegewerkschaften oder >> Fach- und Führungskräftesektionen innerhalb von Angestelltengewerkschaften oder >> Fach- und Führungskräftesektionen innerhalb von allgemeinen Gewerkschaften [ Fach- und Führungskräfte in Europa ] glieder des einen oder anderen Gewerkschaftsbundes. Daneben bestehen einige kleine unabhängige Gewerkschaften. >> In Ungarn werden Fach- und Führungskräfte von allen sechs Hauptgewerkschaftsbünden vertreten. Fünf von ihnen organisieren verschiedene Arbeitnehmergruppen und einer Akademiker. Diese Organisationsform ist vor allem im VK und in Irland zu finden: >> Im Vereinigten Königreich sind die meisten Gewerkschaften dem zentralen Dachverband angeschlossen. Viele von ihnen organisieren - entweder 23 neben anderen Arbeitnehmergruppen oder ausschließlich - Fach- und Führungskräfte. >> Irland weist eine ähnliche Organisationsstruktur auf, aber der zentrale Dachverband umfasst neben Gewerkschaften Nordirlands und der Republik Irlands auch britische Gewerkschaften, die Mitglieder in Irland haben. Diese kurze Typologie vermittelt einen Einblick in die große Vielfalt der Prozesse, die zu unterschiedlichen Gewerkschaftsstrukturen führen. Dazu kommt, dass diese Strukturen nicht starr sind, sondern sich entwickeln. Sie ändern sich im Zuge steigender Qualifikationsniveaus und der Entwicklungen, die sich in den Unternehmen, in der Wirtschaft und in der Gesellschaft vollziehen. Auch die Tarifverträge entwickeln sich und weisen häufig einen Trend zur Individualisierung der Prozesse auf. Und mit der zunehmenden Bedeutung internationaler Aspekte, insbesondere der europäischen Dimension, ändern sich auch die Tätigkeitsbereiche und das Dienstleistungsangebot der Gewerkschaften. In einigen europäischen Ländern wurden Nationalkomitees im Rahmen von EU­ ROCADRES eingerichtet, in denen die verschiedenen EUROCADRES-Mitgliedsorganisationen des Landes zusammenkommen. 2.2. Gewerkschaftlicher Organisationsgrad Die Zahl der Fach- und Führungskräfte, die einer Gewerkschaft angehören, ist unterschiedlich von Land zu Land und von Branche zu Branche. Der gewerkschaftliche Organisationsgrad von Fach- und Führungskräften wird bedingt durch geschichtliche und kulturelle Faktoren und hängt vom allgemeinen gewerkschaftlichen Organisationsgrad im jeweiligen Land und Sektor ab. Länder, in denen die Interessen von Fach- und Führungskräften durch eigens für sie eintretende Gewerkschaftsstrukturen wahrgenommen werden, weisen einen höheren gewerkschaftlichen Organisationsgrad für Fach- und Führungskräfte auf. Darüber hinaus spielt es eine Rolle, welche Position Fach- und Führungskräfte im Unternehmen einnehmen, welche Aufgaben die Gewerkschaften in der Praxis wahrnehmen, welche Dienstleistungen sie anbieten und inwieweit sie fähig sind, sich an den Wandel der wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen anzupassen. Ein Vergleich des gewerkschaftlichen Organisationsgrads in den verschiedenen Ländern ist zum Teil schwierig: In den nordischen Ländern nehmen Gewerkschaften gleichzeitig auch die beruflichen Interessen ihrer Mitglieder wahr, 24 Der durchschnittliche gewerkschaftliche Organisationsgrad von Fach- und Führungskräften in Europa liegt zwischen 20 und 25 %, aber zwischen den einzelnen Ländern bestehen äußerst große Unterschiede. Dabei lassen sich vier Gruppen unterscheiden: a. Länder mit besonders hohem gewerkschaftlichen Organisationsgrad für Fach- und Führungskräfte bzw. mehr als 70 %: die nordischen Länder Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden; b. Länder mit hohem gewerkschaftlichen Organisationsgrad für Fach- und Führungskräfte bzw. zwischen 30 und 70 %: Belgien, Österreich, und Portugal; c. Länder mit mittlerem gewerkschaftlichen Organisationsgrad für Fach- und Führungskräfte bzw. zwischen 15 und 30 %: Irland, die Niederlande, Griechenland, Luxemburg, Italien, Ungarn, Rumänien, Estland und das VK; d. Länder mit hohem gewerkschaftlichen Organisationsgrad für Fach- und Führungskräfte bzw. zwischen 5 und 15 %: Tschechische Republik, Deutschland, Frankreich, Bulgarien, Spanien und Polen. [ Fach- und Führungskräfte in Europa ] in anderen Ländern sind Berufsverbände und Gewerkschaften voneinander getrennt. In den letzten Jahren sind Fach- und Führungskräftegewerkschaften im Zusammenhang mit dem Wandel der Unternehmensstrukturen, mit Privatisierungen und der steigenden Anzahl von KMU mit bedeutenden Änderungen konfrontiert worden. In manchen Ländern hatten die Gewerkschaften Schwierigkeiten, mit steigender Arbeitslosigkeit, Zunahme flexibler Arbeitsverträge, Dezentralisierung und Individualisierung von Lohnverhandlungen und anderen Deregulierungsmaßnahmen umzugehen. In den mittel- und osteuropäischen Ländern standen die Gewerkschaften vor Herausforderungen, die für ihre Zukunft von entscheidender Bedeutung waren, und es war nicht leicht, die neue Rolle der Fach- und Führungskräfte in diesen Prozessen zu berücksichtigen. Es ist äußerst schwierig, Prognosen über die künftige Entwicklung des gewerkschaftlichen Organisationsgrads aufzustellen. Die Gewerkschaften haben im Rahmen ihrer Rekrutierungsmaßnahmen Initiativen ergriffen, die auf dem „Organising und Service-Ansatz“ beruhen, um den Rückgang der Mitgliederzahlen umzukehren bzw. die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder zu erhöhen. Besonders attraktiv für potenzielle Mitglieder sind arbeits- und arbeitsplatzbezogene Dienstleistungen (Laufbahnberatung, Rechtsberatung, berufliche Dienstleistungen usw.). Ziel des „Organising-Ansatzes“ ist es, die Beziehungen zwischen Mitgliedern und Gewerkschaften zu stärken und mehr Mitglieder in die Gewerkschaftsaktivitäten einzubeziehen. Eine weitere Herausforderung für die Gewerkschaften ergibt sich aus der aktuellen finanziellen, wirtschaftlichen 25 und sozialen Krise. In diesem Kontext sollten Fach- und Führungskräfte mit ihrem individuellen und kollektiven Potenzial, mit ihren Fachkenntnissen und mit ihrer Fähigkeit, neue Ideen und Vorschläge zu entwickeln, mit Sicherheit auch weiterhin eine wichtige Rolle in ihren Gewerkschaften spielen. 3. Die Rolle der Fach- und Führungskräfte im sozialen Dialog und bei Tarifverhandlungen 3.1. Sozialer Dialog In allen europäischen Ländern besteht ein sozialer Dialog, der unterschiedliche Formen annehmen kann: >> dreigliedriger sozialer Dialog (Gewerkschaften, Arbeitgeber und öffentliche Behörden), >> unterschiedliche Informations- und Konsultationsverfahren, >> zweiseitige Verhandlungen oder Tarifverhandlungen3 (Gewerkschaften und Arbeitgeber). Im Rahmen des sozialen Dialogs geht es um arbeits- und beschäftigungspolitische sowie soziale und wirtschaftliche Fragen, berufliche Bildung, Verwaltung und Regelung der Sozialversicherung, Arbeitsleben, Versicherung und Renten, Gesundheitspolitik usw. Wir konzentrieren uns in diesem Abschnitt auf die Entwicklungen, bei denen Vertreter von Fach- und Führungskräften beteiligt sind, nicht aber auf Tarifverhandlungen, die in Abschnitt 3.2 behandelt werden. In den meisten Ländern besteht ein tripartiter sozialer Dialog zwischen Vertretern der Gewerkschaften, der Arbeitgeber und öffentlichen Behörden, der unterschiedliche Formen annimmt: Wirtschafts- und Sozialausschuss, Konsultationsgremium oder Ad-hoc-Gruppe. Meist sind Fach- und Führungskräfte neben anderen Arbeitnehmergruppen in den allgemeinen Gremien vertreten, 3 Dem Übereinkommen der ILO über die Anwendung der Grundsätze des Vereinigungsrechtes und des Rechtes zu Kollektivverhandlungen zufolge sind Tarifverhandlungen Verfahren, bei denen „Arbeitgeber oder Organisationen von Arbeitgebern einerseits und Organisationen von Arbeitnehmern andererseits freiwillig über den Abschluss von Gesamtarbeitsverträgen zur Regelung der Lohn- und Arbeitsbedingungen verhandeln”. 26 Der soziale Schutz stellt für alle Gewerkschaften ein wichtiges Thema dar. In mehreren Ländern sind die Gewerkschaften der Fach- und Führungskräfte an der Begleitung und Verwaltung der Rentensysteme beteiligt. Im Beschäftigungsbereich bieten Fach- und Führungskräftegewerkschaften verschiedene Dienstleistungen für Arbeitsuchende an, entweder direkt (im VK) oder über gemeinsame Dienste der Fach- und Führungskräftegewerkschaften und der Arbeitgeber (in Frankreich). Auch im Bereich der Hochschulbildung nehmen Fach- und Führungskräftegewerkschaften an einer Vielzahl von Ausschüssen und Gremien teil, die sich mit Fragen im Zusammenhang mit Hochschulen und Ausbildungseinrichtungen, Anrechnungssystemen für Studienleistungen und der Anerkennung von Studienabschlüssen befassen. [ Fach- und Führungskräfte in Europa ] zum Teil auch mit einem eigenen Sitz. In Frankreich sind die Fach- und Führungskräftegewerkschaften im französischen Wirtschafts-, Sozial- und Umweltausschuss mit eigens für sie vorgesehenen Sitzen vertreten; in Belgien besteht ein Konsultationsausschuss für Fach- und Führungskräfte, in dem Fach- und Führungskräftegewerkschaften und Arbeitgeber unter der Schirmherrschaft des Arbeitsministeriums zusammenkommen; und in Ungarn besteht ein spezielles dreigliedriges Gremium für fach- und führungskräftespezifische Fragen. Auf Unternehmensebene sind die Gewerkschaften auf unterschiedliche Weise am System der Arbeitsbeziehungen beteiligt. Fach- und Führungskräfte sind ebenso wie die anderen Beschäftigten des Unternehmens durch ihre Gewerkschaft im Betriebsrat, im Ausschuss für Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz und anderen Gremien vertreten. In einigen Ländern, insbesondere in Belgien, Frankreich und Deutschland, sind ihnen bestimmte Sitze oder eigene Gremien für die Unterrichtung und Anhörung im Unternehmen vorbehalten. 3.2. Tarifverhandlungen Tarifverhandlungen werden in Europa im Rahmen der Tarifautonomie geführt. Tarifautonomie bezeichnet die Freiheit, durch Tarifverträge Löhne und Arbeitsbedingungen selbst zu bestimmen, und beruht auf drei wesentlichen Grundsätzen: >> Koalitionsfreiheit, >> Vorhandensein von Tarifvertragsparteien, 27 >> Ordnungsfunktion des Tarifvertrags (für die beteiligten Parteien und in bestimmten Fällen auch Allgemeinverbindlichkeit per Gesetz oder durch andere gesetzlich vorgesehene Maßnahmen). Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Tarifverträge. In einigen Ländern gelten die Tarifverträge für eine Branche oder Teilbranche, die von einem Arbeitgeberverband vertreten wird. In anderen, insbesondere in den mittel- und osteuropäischen Ländern, werden die meisten Tarifverträge auf Unternehmensebene abgeschlossen. Auch inhaltlich sind die Tarifverträge sehr unterschiedlich gestaltet. Manche umfassen Lohn- und Gehaltsregelungen, andere nicht. Aber selbst Lohntarifverträge sind nicht immer relevant für Fach- und Führungskräfte, da ihr Gehalt individuell in ihrem persönlichen Arbeitsvertrag festgelegt wird; diese Angaben sind in der Regel vertraulich und somit nicht zugänglich für die Gewerkschaftsvertreter. In der Mehrheit der europäischen Länder sind Fach- und Führungskräfte über ihre Gewerkschaften an Tarifverhandlungen beteiligt und wie die anderen Arbeitnehmer durch Tarifverträge abgesichert. In ein paar wenigen Ländern sind sie von Tarifverhandlungen weitgehend ausgeschlossen. In beiden Fällen kann es jedoch Sonderbestimmungen in den allgemeinen Tarifverträgen oder speziell für Fach- und Führungskräfte geltende Tarifverträge geben. 3.2.1. Länder, in denen Fach- und Führungskräfte im Allgemeinen von Tarifverträgen ausgeschlossen sind Diese Gruppe umfasst die Länder, in denen eine „negative“ Definition für Fachund Führungskräfte angewandt wird, die deren Ausschluss von Tarifverträgen bewirkt. In Belgien werden Tarifverhandlungen auf nationaler, Branchen- und Unternehmensebene geführt, wobei die Branche die wichtigste Ebene darstellt. Die Situation der Fach- und Führungskräfte ist je nach Branche unterschiedlich. In der Privatwirtschaft beschäftigte Fach- und Führungskräfte sind im Allgemeinen nicht tarifvertraglich abgesichert, sondern nur durch das Arbeitsgesetzbuch und einige im Rahmen individueller Arbeitsverträge ausgehandelten Bestimmungen geschützt. In nichtgewerblichen Sektoren (halböffentliche Dienstleistungen einschließlich Krankenhäusern) fallen Fach- und Führungskräfte in der Regel in den Geltungsbereich von Tarifverträgen, aber nicht was die Arbeitszeit angeht. Der durchschnittliche Anteil der tarifvertraglich abgesicherten Fachund Führungskräfte ist sehr gering. 28 Im Vereinigten Königreich wurde die Arbeitszeitrichtlinie später in nationales Recht umgesetzt als in jedem anderen Land Europas. Obwohl sie im Prinzip nützlich ist, um die Arbeitszeit der Fach- und Führungskräfte zu reduzieren, bleibt die Anwendung einer die Fach- und Führungskräfte ausschließenden Definition in der britischen Gesetzgebung eine Quelle der Verwirrung und der möglichen Schwäche. Der gewerkschaftliche Organisationsgrad unter Fachkräften ist höher als bei anderen Arbeitnehmerkategorien, und dort, wo die Gewerkschaften vom Arbeitgeber anerkannt werden, ist auch die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie durch einen Tarifvertrag speziell für Fach- und Führungskräfte abgesichert sind, entweder auf nationaler Ebene (wie im Bildungswesen) oder auf Unternehmens- oder Betriebsebene wie in der Privatwirtschaft. Angesichts des Trends zu individuellen Arbeitsverträgen und der abnehmenden Bedeutung von Tarifverträgen haben die Fach- und Führungskräftegewerkschaften mit der Hilfe des Britischen Gewerkschaftsbunds TUC einen Verhaltenskodex erarbeitet, der sich mit Themen wie Mobilität und beruflicher Entwicklung befasst. [ Fach- und Führungskräfte in Europa ] In Luxemburg sind nur die Fach- und Führungskräfte des öffentlichen Sektors tarifvertraglich abgesichert. In der Privatwirtschaft werden Fach- und Führungskräfte seit 1965 durch das Arbeitsrecht von Kollektivverträgen ausgeschlossen, was deren Ausweitung insbesondere auf hochrangige Fach- und Führungskräfte erschwert. 3.2.2. Länder, in denen Fach- und Führungskräfte im Allgemeinen durch Tarifverträge geschützt sind In den meisten Ländern sind Fach- und Führungskräfte wie andere Arbeitnehmer tarifvertraglich abgesichert und entweder über allgemeine Gewerkschaften oder Fach- und Führungskräftegewerkschaften an Tarifverhandlungen beteiligt. Führungskräfte der höchsten Ebene sind häufig von Tarifverträgen ausgeschlossen. Außerdem können Fach- und Führungskräfte von bestimmten Bereichen der Tarifverträge ausgeschlossen werden und in anderen Bereichen Sonderbestimmungen unterliegen. Unter diese Gruppe fallen zahlreiche Länder: Österreich, Bulgarien, Kroatien, Zypern, Tschechische Republik, Dänemark, Estland, Finnland, Lettland, Deutschland, Griechenland, Ungarn, Malta, die Niederlande, Norwegen, Polen, Portugal, Slowakei, Slowenien und Spanien. Die tarifvertragliche Deckungsrate ist jedoch je nach Land sehr unterschiedlich. Viele dieser Länder weisen – wie oben beschrieben – keine klare (weder negative noch positive) Definition von Fach- und Führungskräften auf, was erhebliche Auswirkungen auf die Tarifverhandlungen hat. Dadurch, dass ein negative und erst recht eine positive gesetz29 liche Definition fehlt, können Fach- und Führungskräfte durch die allgemeinen Tarifverträge geschützt werden. Obgleich dies gegenüber einer ausschließenden Definition einen Vorteil darstellt, ergeben sich aus der Einbeziehung der Fach- und Führungskräfte in die allgemeinen Tarifverträge aber nur selten spezifische Vorteile (etwa im Bereich Ausbildung, Mobilität, zusätzliche Altersversorgung oder andere Leistungen). In einigen Ländern können zusätzliche Tarifverträge für Fach- und Führungskräfte geschlossen werden, allerdings beschränken sie sich auf bestimmte Sektoren oder Unternehmen. Dies gilt insbesondere für Österreich, in geringerem Maße auch für Griechenland. Trotz der generellen Anwendung der allgemeinen Tarifverträge für Fach- und Führungskräfte in dieser Ländergruppe sind große Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern festzustellen. In den Niederlanden und in Österreich fallen Fach- und Führungskräfte fast immer in den Geltungsbereich der allgemeinen Tarifverträge oder der Angestelltentarifverträge. In Portugal hingegen hängt dies von der jeweiligen Branche oder von der Stärke der Gewerkschaften ab. In Finnland variiert die Einbeziehung der Fach- und Führungskräfte von Branche zu Branche und ist zudem ein Trend zum Ausschluss hoher Beamter zu beobachten. Zu erwähnen ist ebenso, dass in Deutschland für bestimmte Fach- und Führungskräftegruppen eine Ausschlussmöglichkeit besteht. Der Ausschluss erfolgt dabei freiwillig oder automatisch (außertarifliche Angestellte). Für den freiwilligen Ausschluss entscheidet sich die Fach- oder Führungskraft bei Unterzeichnung des Arbeitsvertrags. Der automatische Ausschluss erfolgt aufgrund des Tarifvertrags, der bestimmte Kriterien für den Ausschluss von Führungskräften festlegt. Allerdings werden Fach- und Führungskräften, die sich für einen Ausschluss vom Tarifvertrag entscheiden, in der Regel zusätzliche Leistungen geboten (zusätzliche Altersversorgung, Prämien usw.) Dänemark unterscheidet sich insofern von den oben genannten Ländern als Fach- und Führungskräfte im öffentlichen Sektor meist in den Geltungsbereich der allgemeinen Tarifverträge fallen, in der Privatwirtschaft ist diese Situation sehr heterogen. Dennoch können im öffentlichen Sektor spezifische Zusatzvereinbarungen für Fach- und Führungskräfte in die allgemeinen Tarifverträge aufgenommen werden. In privatwirtschaftlichen Unternehmen geht der Trend dahin, Vereinbarungen unabhängig von Tarifverträgen auszuhandeln. 30 3.2.3. Länder, in denen besondere Tarifverträge für Fach- und Führungskräfte abgeschlossen werden Einige Länder weisen eine gemischte Situation auf: Fach- und Führungskräfte sind tarifvertraglich abgesichert, entweder durch allgemeine Tarifverträge (die auch andere Arbeitnehmerkategorien abdecken) oder durch spezifische Tarifverträge für Fach- und Führungskräfte. Zudem können allgemeine Tarifverträge fach- und führungskräftespezifische Bestimmungen oder Zusatzvereinbarungen umfassen. In Frankreich enthalten Tarifverträge auf Branchen- oder Unternehmensebene meist besondere Abschnitte für Fach- und Führungskräfte in Form von Sonderklauseln oder Zusatzvereinbarungen. In einigen Branchen wurden parallel zu den Tarifverträgen für andere Arbeitnehmergruppen auch Sonderverträge für Fach- und Führungskräfte abgeschlossen. Ferner regelt seit 1947 ein Tarifvertrag das AGIRC-Zusatzrentensystem für Fach- und Führungskräfte und gleichgestellte Arbeitnehmer. [ Fach- und Führungskräfte in Europa ] Im Allgemeinen werden Kollektivverträge auf nationaler (branchenübergreifender) Ebene, auf Branchenebene und/oder auf der Ebene des Unternehmens geschlossen. In der Privatwirtschaft ist in den letzten Jahren eine Verlagerung der Verhandlungen von der Branchenebene auf die Unternehmensebene zu beobachten. In Italien beruhen die Tarifverträge für Fach- und Führungskräfte auf der gesetzlichen Definition der quadri von 1985. Damit treten zahlreiche Sondertarifverträge für Fach- und Führungskräfte ergänzend neben die allgemeinen Tarifverträge, die aber ebenfalls für sie gelten. Die allgemeine Praxis weist darauf hin, dass neben den allgemeinen Tarifverträgen zahlreiche Sondervereinbarungen für Fach- und Führungskräfte geschlossen werden, die ihnen zusätzliche Leistungen gewähren, unter anderem in den Bereichen Ausbildung, Mobilität und Arbeitszeit. Diese Sondervereinbarungen erstrecken sich auf bestimmte Sektoren und resultieren aus dem Gesetz über quadri und den Aktionen der italienischen Fach- und Führungskräftegewerkschaften. In Schweden werden in einigen Branchen landesweite Tarifverträge für Fachund Führungskräfte abgeschlossen, die für alle Arbeitnehmer in dieser Gruppe gelten mit Ausnahme von Führungskräften der höchsten Leitungsebene, die auch nicht unter die arbeitsrechtlichen Vorschriften fallen. Diese Tarifverträge werden dann in Vereinbarungen auf lokaler Ebene ausgestaltet, die sämtliche Bereiche wie Gehälter, Arbeitszeiten, Altersversorgung und allgemeine Bedingungen regeln. 31 3.3. Arbeitskämpfe In fast allen Ländern ist es in den letzten Jahren zu Arbeitskämpfen gekommen, allerdings mit unterschiedlicher Tragweite und Intensität. Die Ausnahme bilden Malta und Schweden, wo seit 2005 kein wichtiger Arbeitskampf stattgefunden hat. Bei Arbeitskämpfen geht es meist um Arbeitsbedingungen und Arbeitsbelastung sowie um Löhne und Gehälter. Aber auch im Zusammenhang mit Rentensystemen, Outsourcing, Unternehmensumstrukturierungen und öffentlichen Bildungsausgaben hat es Arbeitskämpfe gegeben. Arbeitskämpfe können innerhalb und außerhalb der Unternehmen geführt werden und verschiedene Formen annehmen: Petitionen, Proteste, Demonstrationen und - als besonders sichtbare Form des Arbeitskampfs - Streiks. In privatwirtschaftlichen Unternehmen ist es meist schwieriger, Streiks zu organisieren, aber auch im öffentlichen Sektor wird in letzter Zeit über das Streikrecht diskutiert. Häufig sind Fach- und Führungskräfte an den Arbeitskampfmaßnahmen beteiligt, obwohl sie insbesondere in Ländern mit einem weit entwickelten sozialen Dialog wie Österreich und Belgien einer Beteiligung an Streiks eher zögernd gegenüberstehen. Dennoch haben Fach- und Führungskräfte an zahlreichen allgemeinen Streiks teilgenommen oder diese selbst organisiert. In folgenden Ländern haben wichtige Streiks von Fach- und Führungskräften stattgefunden: Bulgarien (Lehrer), Tschechische Republik (Erzieher und Lehrer), Finnland (Entwicklungs- und Beratungsbranche), Deutschland (Ärzte in Universitätskrankenhäusern, Piloten), Polen (Lehrer, Ärzte im öffentlichen Gesundheitswesen), Slowenien (Ärzte, Richter), Spanien (Piloten, Ärzte). 3.4. Sozialer Dialog und Tarifverhandlungen auf europäischer Ebene Auf europäischer Ebene vertritt EUROCADRES seit seiner Gründung 1993 die Interessen der Fach- und Führungskräfte im Rahmen des europäischen sozialen Dialogs4. Dies erfolgt in Zusammenarbeit mit dem EGB (Europäischen Gewerkschaftsbund), der alle Arbeitnehmerkategorien vertritt. 4 Seit 1999 nimmt der «CEC- European Managers» im Rahmen einer Vereinbarung zwischen EUROCADRES und CEC an diesem Prozess teil. 32 Viele der multinationalen Unternehmen sind sich der wichtigen Entwicklungen bewusst, an denen Fach- und Führungskräfte beteiligt sind, insbesondere im Zusammenhang mit dem europäischen sozialen Dialog auf Branchenebene und mit den Europäischen Betriebsräten. [ Fach- und Führungskräfte in Europa ] Der soziale Dialog auf europäischer Ebene umfasst folgende Verfahren: >> regelmäßige Informationssitzungen mit den europäischen Institutionen (Kommission, Rat, Parlament); >> Sitzungen mit den europäischen Arbeitgeberorganisationen; >> obligatorische Anhörung durch die Europäische Kommission zu sozialen Fragen (gemäß Artikel 137 des Vertrags); >> Verhandlungen mit den Arbeitgebern im Hinblick auf die Annahme von Rahmenvereinbarungen und anderen Instrumenten (Handlungsrahmen, Leitlinien, gemeinsame Stellungnahmen usw.); >> Beteiligung an verschiedenen Ausschüssen, unter anderem dem Ausschuss für den sozialen Dialog (zwischen Kommission, Gewerkschaften und Arbeitgeberorganisationen), dem tripartiten Sozialgipfel für Wachstum und Beschäftigung (Rat, Kommission, Gewerkschaften und Arbeitgeberorganisationen) und dem Rentenforum (Kommission, EU-Mitgliedstaaten, Rententräger, Gewerkschaften und Arbeitgeberorganisationen). Im Rahmen dieser Prozesse geht es darum, Fortschritte in Bereichen zu erzielen, die für Fach- und Führungskräfte besonders wichtig sind, unter anderem Beschäftigung, Mobilitätsbedingungen, Anerkennung von Qualifikationen und Studienabschlüssen, Bildung und lebenslanges Lernen, Chancengleichheit, Arbeitsbedingungen und Arbeitszeit. EUROCADRES ist als europäischer Sozialpartner anerkannt und bringt die Konzepte, Forderungen und Vorschläge der Fach- und Führungskräfte in den Verhandlungsprozess ein. In manchen Bereichen stellt EUROCADRES sicher, dass für Fach- und Führungskräfte spezifische Bestimmungen aufgenommen werden, so zum Beispiel bei der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit und bei dem Handlungsrahmen für die Gleichstellung von Frauen und Männern. In anderen Bereichen setzt sich EUROCADRES dafür ein, dass die besondere Situation von Fach- und Führungskräften bei allgemeinen Bestimmungen berücksichtigt wird, wie dies beispielsweise bei der Rahmenvereinbarung über Telearbeit der Fall war. Wenn diese Vereinbarungen dann in einzelstaatliche Rechtsvorschriften oder Vereinbarungen umgesetzt werden, überwachen die nationalen Mitgliedsorga- 33 nisationen von EUROCADRES ihre ordnungsgemäße Anwendung im jeweiligen nationalen Kontext. Die Qualität der Hochschulbildung, der Zugang zur Hochschulbildung für alle und die tatsächliche gegenseitige Anerkennung von Qualifikationen und Studienabschlüssen stellen Ziele dar, die für Fach- und Führungskräfte von größter Bedeutung sind. Aus diesem Grund setzt sich EUROCADRES aktiv in diesem Bereich ein und ist als Partner am „Bologna-Prozess“ zur Schaffung eines europäischen Hochschulraums beteiligt. 4. Fach- und Führungskräfte – neue Trends Durch die Entwicklung ihres Arbeitsumfelds sind die Fach- und Führungskräfte mit sich verändernden Arbeitsbedingungen konfrontiert. Sie stellen innerhalb der Erwerbsbevölkerung eine wachsende Gruppe dar, allerdings mit einer Ungleichverteilung zwichen Männern und Frauen. Im Zuge der wachsenden Bedeutung von Studienabschlüssen und Diplomen steigt ihr Qualifikationsniveau. Sie müssen ihre Beschäftigungsfähigkeit steigern und sind mehr als früher von Arbeitsplatzunsicherheit und Arbeitslosigkeit betroffen. Dies führt zu Spannungen zwischen tarifvertraglichen Garantien und individualisierten Prozessen. 4.1. Eine wachsende Gruppe Die Fach- und Führungskräfte stellen eine wachsende Gruppe innerhalb der europäischen Erwerbstätigen dar: 19 % der Arbeitnehmer in der erweiterten EU gehören den Berufskategorien ISCO 1 und 2 an. Jeder Dritte ist im öffentlichen Sektor beschäftigt. Hohe Anteile der Fach- und Führungskräfte sind in nicht Profit orientierten Sektoren tätig wie im Gesundheits- und Sozialwesen oder in der öffentlichen Verwaltung. Bei den Fachkräften arbeiten sogar 40% im öffentlichen Dienst5. In der Gruppe der EU-27 liegt der Anteil der Frauen an Fach- und Führungskräften insgesamt bei durchschnittlich 46 %. Dies ist ein hoher Anteil, der jedoch 5 siehe auch «Professional and Managerial Staff in Europe, Labour Market Position and Unionism» Bericht von Guy van Gyes in: Organising Professional and Managerial Staff, EUROCADRES, 2005. 34 4.2. Höhere Qualifikationen Ein weiterer Trend innerhalb der Gruppe der Fach- und Führungskräfte ist die zunehmende Professionalisierung. Akademische Titel und Abschlüsse werden immer wichtiger, um eine Stelle als Fach- oder Führungskraft zu erhalten. [ Fach- und Führungskräfte in Europa ] verbirgt, dass das Verhältnis zwischen weiblichen und männlichen Führungskräften in der ISCO-Gruppe 1 deutlich unausgewogener ist. Lediglich 34 % der Führungskräfte sind Frauen. Obwohl die Zahl der weiblichen Fach- und Führungskräfte steigt, sind viele von ihnen nach wie vor auf niedrigeren Ebenen und in besonders unsicheren Beschäftigungsnischen zu finden. Zu dieser grundlegenden Ungleichheit kommen andere Ungerechtigkeiten hinzu, vor allem gibt es weiterhin große geschlechtsspezifische Gehaltsunterschiede in der Gruppe der Fach- und Führungskräfte. Hinzu kommt, dass viele weibliche Fach- und Führungskräfte Teilzeit arbeiten. Dennoch ist festzustellen, dass sich der geschlechtsspezifische Unterschied mit steigendem Qualifikationsniveau verringert. Ein hohes Wissensniveau oder Fachkenntnisse spielen als Voraussetzung für den Job eine immer wichtigere Rolle. Durch die Professionalisierung dieser Gruppe gewinnen Aspekte wie Autonomie am Arbeitsplatz und Ausbau und Anwendung der Fähigkeiten an Bedeutung. Bildung und Lebenslanges Lernen werden zunehmend zu wichtigen Themen der europäischen Gewerkschaften. Als Folge der zunehmenden Professionalisierung der Fach- und Führungskräfte sind die Möglichkeiten für eine vertikale Karriere im Unternehmen immer geringer. Das heißt, dass es immer seltener wird, dass sich Fach- und Führungskräfte in einem gewerkschaftlich organisierten Betrieb von ganz unten in die Ebene der Fach- und Führungskräfte hocharbeiten. Die sich immer schneller ändernden Wissensanforderungen bergen vor allem für ältere Arbeitnehmer die Gefahr, an den Rand gedrängt zu werden. Im Kontext der wissensbasierten Gesellschaft stellen hoch qualifizierte Unternehmensdienstleistungen und Wissenschaft und Forschung Bereiche dar, in denen seit einigen Jahren ein bedeutendes Beschäftigungswachstum für Fachund Führungskräfte verzeichnet wird. Dieser Trend wird sich auch in Zukunft fortsetzen, besonders wenn die EU-Mitgliedstaaten ihr Versprechen einhalten, ihre F&E-Ausgaben auf 3 % des BIP zu erhöhen. 35 4.3. Neue Aufgaben Fach- und Führungskräfte nehmen in ihren Unternehmen vielfältige Aufgaben im technischen, wirtschaftlichen und sozialen Bereich wahr. Die Unternehmen können jedoch nicht isoliert existieren und die Folgen ihrer Tätigkeiten spiegeln sich in ihrem Umfeld wider. Im Zuge des wachsenden Interesses an der Interaktion zwischen den Strategien der Unternehmen und ihrem (politischen, wirtschaftlichen, ökologischen, kulturellen und sozialen) Umfeld hat sich das Konzept der sozialen Verantwortung der Unternehmen (CSR) entwickelt. Einige Initiativen haben sich mit dem gesellschaftlichen Engagement der Unternehmen („Corporate citizenship“) befasst. In diesem Rahmen wurden verschiedene Maßnahmen durchgeführt, darunter soziale Folgenabschätzungen, interne oder externe Sozialaudits, Chartas, Verhaltenskodexe, Gütezeichen (zum Teil in Verbindung mit Kampagnen für fairen Handel) oder Ratingagenturen. Die Vielzahl dieser Instrumente schafft Verwirrung und birgt die Gefahr, dass mit einem derart weiten Konzept der CSR irreführendes Marketing oder Selbstrechtfertigungsaktionen verdeckt werden. Vor diesem Hintergrund ist das Aufgabenfeld der Fach- und Führungskräfte weiter geworden. Dabei stehen sich verschiedene Managementansätze gegenüber – einerseits traditionelle, auf dem Unternehmenswert basierende Modelle, und andererseits das europäische Managementmodell, das verschiedene Aspekte der europäischen Kultur einbezieht (Systeme für Solidarität und sozialen Schutz; Stellung des öffentlichen Dienstes, Anerkennung der Gewerkschaften, Rolle der Tarifverhandlungen, Vorschriften für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer). Im Rahmen seiner Aktionen für ein „verantwortungsvolles europäisches Management“ setzt sich EUROCADRES für transparente Mechanismen, für die Einbeziehung aller Beteiligten und für die Integration des CSRKonzepts in die Unternehmensstrategien ein. 4.4. Arbeitsplatzunsicherheit In der Vergangenheit galten Fach- und Führungskräfte als Berufsgruppe mit einer hohen Beschäftigungssicherheit und mit der Aussicht, ihre Karriere über das gesamte Berufsleben hinweg bei demselben Arbeitgeber zu durchlaufen. Unternehmensumstrukturierungen, Flexibilisierung und allgemeine Arbeitslosigkeit haben dazu geführt, dass diese Arbeitsplatzsicherheit und die Stabilität der beruflichen Laufbahn nicht mehr auf alle Fach- und Führungskräfte in der EU zutreffen. Diese Gruppe nimmt zwar nach wie vor eine bessere Arbeitsmarkt36 Die Deregulierung der Arbeitsmärkte hat dazu geführt, dass sich immer mehr Arbeitnehmer in atypischen Beschäftigungsverhältnissen wie z.B. befristeten Arbeitsverhältnissen befinden. Für die wachsende Gruppe der Fach- und Führungskräfte in Europa ist festzustellen, dass auch sie zunehmend von diesem Trend betroffen ist. 15 % der Arbeitnehmer in der ISCO-Gruppe 2 und 8 % in der ISCO-Gruppe 1 haben befristete Arbeitsverträge (für eine bestimmte Dauer oder einen bestimmten Auftrag). Wie wirkt sich dieser Trend aus? Eine Studie6 über Großbritannien hat gezeigt, dass Fach- und Führungskräfte mit atypischen Arbeitsverträgen in Bezug auf Weiterbildungschancen und Konsultation am Arbeitsplatz tatsächlich marginalisiert werden, wobei dies besonders auf Frauen zutrifft. In der European Social Survey7 geben 15-20 % der befragten Fach- und Führungskräfte an, dass sie während mehr als drei Monaten in ihrer beruflichen Laufbahn arbeitslos waren oder eine Arbeit gesucht haben. Die Frage „Ist es Ihrer Meinung nach leicht, woanders den gleichen oder einen besseren Job zu finden?“ wurde von Fach- und Führungskräften nicht einfach mit Ja oder Nein beantwortet, sondern durch komplexere Ausführungen. Bei der Einschätzung der Beschäftigungsfähigkeit sind große regionale Unterschiede zu beobachten. Fach- und Führungskräfte in der ost- und mitteleuropäischen Region sind wesentlich pessimistischer über ihre Chancen, anderswo eine Stelle zu finden. Die Fachkräfte sind im Durchschnitt skeptischer über ihre Möglichkeiten, leicht eine bessere oder ähnliche Arbeit zu finden. [ Fach- und Führungskräfte in Europa ] position ein als die meisten anderen Arbeitnehmer, aber Arbeitslosigkeit oder das Gefühl der Arbeitsplatzunsicherheit gehören heutzutage auch zu den Merkmalen der beruflichen Laufbahn einer nicht zu verachtenden Minderheit von Fach- und Führungskräften in Europa. Junge Menschen sind besonders von unsicheren Beschäftigungsbedingungen betroffen. Nach wie vor ist die Jugendarbeitslosigkeit fast doppelt so hoch wie die die der Erwachsenen. Die meisten qualifizierten Jugendlichen haben Schwierigkeiten, eine Arbeit zu finden, und diejenigen, die eine Stelle finden, 6 Hoque, K.; Kirkpatrick, I. (2003): „Non-standard Employment in the Management and Professional Workforce: Training, Consultation and Gender Implications“, in: Work Employment and Society, Vol. 17 (4), S. 667-689. 7 European social survey, 2006, round 3, weighted data of the following participating countries (2007): AT, BE, CH, DE, DK, EE, ES, FI, FR, GB, HU, IE, NL, NO, PL, PT, SE, SI, SK. R Jowell and the Central Co-ordinating Team, European Social Survey 2006/2007: Technical Report, London: Centre for Comparative Social Surveys, City University 37 müssen häufig befristete Arbeitsverträge annehmen und Tätigkeiten ausführen, die nicht ihrer Qualifikation entsprechen. Viele junge Arbeitnehmer arbeiten unter unsicheren Arbeitsbedingungen (sinkende Löhne und Gehälter, große Arbeitsplatzunsicherheit, schlechte Beschäftigungsaussichten und die Folgen atypischer Beschäftigungsverhältnisse). Der Eintritt in den Arbeitsmarkt erfolgt heute in verschiedenen Phasen mit häufigem Arbeitgeberwechsel und stellt für die Betroffenen eine Zeit der Unsicherheit dar. Das Problem beschränkt sich demnach nicht nur auf mangelnde Stellenangebote, sondern betrifft auch das Wesen der sozialen und beruflichen Sektoren, die junge Arbeitnehmer aufnehmen. Für junge Fachkräfte sind atypische Beschäftigungsverhältnisse wie Teilzeitarbeits- und befristete Arbeitsverträge zur Norm geworden (jünger als 30 Jahre). Die Daten des European Social Survey für 2006 zeigen, dass fast 30% der jungen Fach- und Führungskräfte befristete Arbeitsverträge haben, einer von fünf arbeitet halbtags und eine ähnliche Anzahl dieser Personengruppe ist länger als drei Monate arbeitslos. 4.5. Flexibilität und Individualisierung Der wachsende Trend zu Flexibilität und seine Auswirkungen auf die Arbeitsmärkte sind ein Thema, das in Europa heute viel diskutiert wird. Die Deregulierung der Arbeitsmärkte hat dazu geführt, dass sich immer mehr Arbeitnehmer in atypischen Beschäftigungsverhältnissen mit individuell geregelten Arbeitsbedingungen befinden. Die Gruppe der Fach- und Führungskräfte ist ganz besonders von diesem Trend zur Flexibilisierung und Individualisierung betroffen, der drei wesentliche Entwicklungen umfasst: die Individualisierung der tarifvertraglichen Bestimmungen, die Individualisierung der Arbeitsverträge und die Zunahme der Selbständigkeit. 4.5.1. Individualisierung der tarifvertraglichen Bestimmungen Bei tarifvertraglich geschützten Arbeitnehmern wird eine Reihe von Bestimmungen nicht mehr durch Tarifvertrag sondern individuell geregelt. Fach- und Führungskräfte sind ganz besonders von solchen Bestimmungen betroffen. Vor dem Hintergrund der Arbeitsintensivierung und der Arbeitsüberlastung einiger Fach- und Führungskräfte stellt die Regelung der Arbeitszeit ein heikles Thema dar. Dabei geht es insbesondere um die individuelle Opt-out-Möglich- 38 Im Rahmen der herkömmlichen Arbeitsorganisation wird bei Fach- und Führungskräften meist nicht auf die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden geachtet, sondern der Schwerpunkt auf Aufgaben, Fristen und Ergebnisse gelegt. Dies hat zu neuen Entwicklungen geführt: a. das so genannte All-in-Gehalt, wobei die Arbeitszeit einschließlich Überstunden, Dienstreisen usw. mit einem pauschalen Monatsgehalt abgegolten wird. Diese Regelung ist nicht transparent hinsichtlich der Entgeltgerechtigkeit und bietet dem Arbeitgeber die Möglichkeit, den Arbeitsdruck immer weiter zu erhöhen. b. die so genannte Vertrauensarbeitszeit, wobei der Arbeitgeber die geleisteten Arbeitsstunden nicht mehr zählt oder überhaupt nicht mehr berücksichtigt, sondern für die auszuführenden Aufgaben nur noch Fristen und Ergebnisse vorgibt und die Fach- oder Führungskraft selbst entscheiden lässt, wie sie diese Aufgaben erfüllt. Diese Regelung erfordert ein hohes Maß an gegenseitigem Vertrauen und Verantwortungsbewusstsein. [ Fach- und Führungskräfte in Europa ] keit nach Artikel 18 der europäischen Richtlinie von 1993, deren Überarbeitung derzeit im Europäischen Parlament und im Rat erörtert wird. Die Flexibilität des Arbeitsentgelts betrifft Fach- und Führungskräfte insofern als die Vergütung einiger Fach- und Führungskräfte zum Teil aus variablen Komponenten wie Stücklohnsätzen, Prämien oder Gewinnbeteiligungen besteht. Die Individualisierung kann in einem Einzelvertrag niedergelegt sein, muss aber nicht. Sie kann durch kollektiv ausgehandelte und festgelegte Regeln definiert und kontrolliert sein, muss aber nicht. Im Fall individualisierter Bestimmungen haben die Fach- und Führungskräftegewerkschaften Initiativen ergriffen, um dieses Phänomen zu kontrollieren und ihre Mitglieder dazu zu beraten. Sie versuchen zu erreichen, dass diese Bestimmungen soweit möglich tarifvertraglich geregelt werden, um die Transparenz sicherzustellen und Regeln und Maßnahmen für die Überwachung und Bewertung und für Berufungsverfahren aufzustellen. Die Gewerkschaften haben in verschiedenen Ländern und Sektoren auch Beratungsdienste unterschiedlicher Art entwickelt, um ihre Mitglieder im Individualisierungsprozess zu unterstützen. 4.5.2. Individuelle Arbeitsverträge Ein individueller Arbeitsvertrag legt in der Regel die auszuführende Aufgabe im Einzelnen fest. Die Vertragsparteien vereinbaren darin eine Frist und eine Grundvergütung. Über den Rest wird nichts gesagt. Dadurch entsteht eine Grauzone zwischen unselbständiger und selbständiger Erwerbstätigkeit. Allerdings 39 gewährt der Abschluss eines Arbeitsvertrags Anspruch auf den gesetzlichen Mindestschutz für Arbeitnehmer. Die Entwicklung individueller Arbeitsverträge lässt sich besonders schwer einschätzen. Es scheint, dass dieses Phänomen alle Länder betrifft, wenn auch in höchst unterschiedlichem Maße. Der Trend zur Individualisierung der Arbeitsverträge ist besonders in Österreich und Schweden zu beobachten (höhere Leistungen im Gegenzug zu mehr Verantwortung) sowie in Irland (bei befristeten Arbeitsverträgen von weniger als einem Jahr), Dänemark und Schweden (tolerierte Ausnahmebereiche in Tarifverträgen). Im Vereinigten Königreich führt die Aberkennung der Gewerkschaften in den Unternehmen auch dazu, dass Arbeitsverträge zunehmend individuell abgeschlossen werden und Tarifverträge verschwinden. Dieses Phänomen betrifft aber nicht nur Fach- und Führungskräfte, sondern alle britischen Arbeitnehmer. 4.5.3. Selbständigkeit Der Arbeitnehmer erhält den Status eines Selbständigen, der nicht mehr durch einen Arbeitsvertrag sondern durch einen Dienstleistungsvertrag gebunden ist. Aus ehemaligen Arbeitnehmern werden so Scheinunternehmer mit nur einem Kunden, dem früheren Arbeitgeber. Trotzdem stehen sie außerhalb des Unternehmens und sind nicht mehr tarifvertraglich abgesichert. Zudem werden sie von der Sozialversicherung (Kranken-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung) und vom Finanzamt häufig als Unternehmen eingestuft. Zu dieser neuen Art der Selbständigkeit werden zwei Standpunkte vertreten. Die Vertreter der ersten Richtung sprechen von dem neuen „Portfolioarbeiter“, in der Regel eine hoch qualifizierte Fachkraft. Dieser neue „Portfolioarbeiter“ wird definiert als Arbeitskraft mit mehreren Jobs oder Verträgen mit mehreren Unternehmen, die in flexibler Art und Weise in den einzelnen Arbeitsverhältnissen jeweils eine spezifische Kombination von Fähigkeiten und Fertigkeiten zum Einsatz bringt. Diesen Arbeitskräften ginge es darum, ihr Schicksal selbst zu bestimmen, da sie persönlich mehr Wert auf Autonomie, unternehmerisches Risiko und andere nicht auf Geld bezogene Aspekte ihrer Arbeit legen. Andere hingegen argumentieren, dass diese neue Selbständigkeit hauptsächlich dadurch bedingt wird, dass große Unternehmen ihr Personal abbauen und statt unbefristeten Verträgen die freie Mitarbeit oder Unterverträge bevorzugen. Die meisten neuen Selbständigen wären demnach „Wirtschaftsflüchtlinge“, denen es nicht gelingt, eine feste Anstellung zu finden. Diese „marginalisierten“ Selbständigen beziehen geringe und variable Einkünfte und würden es vorziehen, in ein Angestelltenverhältnis zurückzukehren, wenn sie die Möglichkeit hätten. 40 In allen europäischen Ländern nimmt die Zahl der Selbständigen und Freiberufler zu. In manchen Ländern ist diese Zunahme besorgniserregender als in anderen. Bei Fach- und Führungskräften nimmt die Zahl der Selbständigen stark zu, wie vor allem in Griechenland zu beobachten ist. Auch in den Niederlanden betrifft der Anstieg der ZZpers (Selbständige ohne Beschäftigte) in erster Linie neue Berufe wie EDV-Spezialisten. Ihre Beziehung zu den traditionellen Gewerkschaften ist noch nicht klar. In Frankreich ist der Sonderfall der „freien Berufe mit Arbeitnehmerstatus“ zu erwähnen, der vor allem Journalisten und Fachleute der Kommunikations- und Unterhaltungsbranche betrifft. [ Fach- und Führungskräfte in Europa ] Während junge Fachkräfte insbesondere im Rahmen von Forschungs- und Entwicklungsprojekten häufig unter prekären Arbeitsbedingungen beschäftigt sind, gibt es aber auch Führungskräfte, die unter guten Bedingungen, mit einem guten Einkommen aber eben mit Selbständigenstatus arbeiten, etwa als Manager für eine befristete Zeit oder ein bestimmtes Projekt, um besondere Aufgaben zu erfüllen. In Österreich haben die Sozialpartner in diesem Bereich eine „Gruppe für TaskManagement“ eingerichtet. In Italien stellen parasubordinati und contratti di collaborayione a progetto eine neue Beschäftigungsform dar, die Merkmale unselbständiger und selbständiger Erwerbstätigkeit kombiniert: auf der einen Seite autonomes Arbeiten, individuelle Verantwortung und eine äußerst individuelle Regelung der Vergütung, Prämien und Arbeitszeit, die für Selbständige charakteristisch sind, auf der anderen Seite ein schriftlicher Arbeitsvertrag und Sozialschutz (ohne Altersversorgung) ähnlich wie bei einem normalen Beschäftigungsverhältnis. Schätzungen zufolge sind rund 10% der Arbeitnehmer in Italien als parasubordinati tätig, die Zahl der Fach- und Führungskräfte unter ihnen nimmt rapide zu. Die drei größten italienischen Gewerkschaften (CGIL, CISL und UIL) haben daher neben den Strukturen für Fach- und Führungskräfte im eigentlichen Sinn Sektionen für die Vertretung der parasubordinati geschaffen. In Spanien hat der nationale Gewerkschaftsbund UGT als Antwort auf die derzeitige Entwicklung dieser Arbeitsform eine besondere Struktur für Selbständige und Freiberufler eingerichtet. Auch in Belgien setzen sich die Gewerkschaften aktiv ein, um das Problem der Scheinselbständigkeit anzugehen, und fordern Gesetze, die Selbständige gegen die Schaffung von Hierarchie- und Abhängigkeitsbindungen zum Auftraggeber schützen, durch die faktisch ein Beschäftigungsverhältnis entstehen 41 könnte. In diesen Fällen könnte der Selbständige gesetzlich als abhängig Beschäftigter des Auftrag erteilenden Unternehmens betrachtet werden. In vielen Ländern scheint diese Praxis Fach- und Führungskräfte in besonders hohem Maße zu betreffen. Hinzu kommt, dass die Zunahme der verschiedenen Formen der Selbständigkeit durch die Förderung der unternehmerischen Initiative im Rahmen der öffentlichen Politik, auch auf europäischer Ebene, und durch Outsourcing-Praktiken der großen Unternehmen noch verstärkt wird. Ein wesentliches Problem stellt sich im Hinblick auf die gewerkschaftliche Vertretung der betroffenen Arbeitnehmer: Sind sie als Arbeitnehmer oder Unternehmer zu betrachten? Angesichts der Abhängigkeitsbeziehung zwischen Auftraggeber und Selbständigen dürfte die erste Option eher der Realität entsprechen. Es ist wichtig, die hierarchische Bindung klar herauszustellen, um eine weitere Ausbreitung der Scheinselbständigkeit zu vermeiden. 5. Schlussfolgerungen Wir haben eine Reihe von aktuellen Merkmalen und Trends ermittelt, die die Fach- und Führungskräfte in Europa betreffen. Trotz der in der vergleichenden Studie herausgestellten Unterschiede lassen sich wichtige Gemeinsamkeiten feststellen. Fach- und Führungskräfte bilden unter anderem in europäischen Statistiken eine anerkannte und abgegrenzte Gruppe. Ihre Bedeutung innerhalb der europäischen Arbeitnehmerschaft darf nicht übersehen werden, denn sie stellen durchschnittlich 19,3 % der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Europa, in einigen untersuchten Ländern sogar mehr als 25 %. Ihr Anteil an der Erwerbsbevölkerung ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Aus der Studie geht jedoch hervor, dass für die Bewertung der beruflichen Kategorien eine bessere Koordinierung der statistischen Systeme notwendig ist. Die gesetzlichen Definitionen von Fach- und Führungskräften sind häufig ungenau und beziehen sich meist auf autonome Entscheidungsbefugnisse und Qualifikationsniveaus. Daher muss in den meisten europäischen Ländern auf tarifvertragliche Bestimmungen und Definitionen Bezug genommen werden. Die Qualifikationen der Fach- und Führungskräfte, ihre Fähigkeit zur Initiative und zur Übernahme von Verantwortung stellen Schlüsselfaktoren für ihre berufliche Identität dar. Dieses individuelle und kollektive Potenzial, ihre Fachkennt42 nisse und ihre Fähigkeit, neue Ideen und Vorschläge zu entwickeln, spielen eine wichtige Rolle für die Entwicklung der gewerkschaftlichen Vertretung von Fachund Führungskräften, die von der Geschichte und traditionellen Arbeitsbeziehungen in den einzelnen Ländern beeinflusst wird. Es ist zu beachten, dass die Fortschritte bei gesetzlichen und tarifvertraglichen Bestimmungen in den einzelnen Ländern den Gewerkschaftsorganisationen der Fach- und Führungskräfte zu verdanken sind. Schließlich ist festzustellen, dass das Phänomen der Individualisierung sich rapide ausbreitet und die Rolle der Tarifverhandlungen und Tarifverträge in Frage stellt. Dies gilt zwar für alle Arbeitnehmer, aber Fach- und Führungskräfte sind davon am stärksten betroffen. Ihre Organisationen versuchen deshalb auch, diesen Prozess zu beeinflussen. Diese Gesamtdarstellung der Situation der Fach- und Führungskräfte zeigt, dass die Gewerkschaften insbesondere auf dem gesetzlichen oder tarifvertraglichen Weg aktiv werden müssen. Viele der angesprochenen Probleme sind den Ländern gemeinsam und verdeutlichen, dass die nationalen Organisationen ihre Zusammenarbeit in Europa verstärken müssen. 43 44 [ Kapitel 2 ] Belgien 45 [ Belgien ] In Belgien gibt es 1.059.000 Fach- und Führungskräfte; dies entspricht 28,4 % der Arbeitnehmer (Quelle: EUROSTAT, Labour Force Survey 2007). > I. Definition In Belgien wenden öffentlichen Behörden aber auch die Gewerkschaften verschiedene Methoden und Kriterien an, um die Gruppe der Fach- und Führungskräfte, die so genannten cadres/kaderleden, zu klassifizieren und zu beschreiben. Laut allgemeinen arbeitsrechtlichen Vorschriften bezeichnet der Begriff cadres Angestellte. Sieht man vom Statut für den öffentlichen Dienst ab, so kennt das belgische Recht nur eine Unterscheidung der Arbeitnehmerschaft in Arbeiter (ouvriers/arbeiders) und Angestellte (employés/bedienden). Alle Fach- und Führungskräfte fallen in die zweite Kategorie. Cadres werden gesetzlich lediglich im Zusammenhang mit Sozialwahlen anerkannt (Gesetz vom 22. Januar 1985 und seine Durchführungsverordnungen), die für bestimmte Branchen eine spezifische Vertretung dieser Gruppe vorschreiben. Diese Vorschriften beinhalten jedoch keine Bestimmungen darüber, wer im Rahmen dieser Wahlen als cadres anzusehen ist. Bei den Sozialwahlen werden die Arbeitnehmervertreter gewählt, die in die Gremien zur Unterrichtung und Anhörung auf betrieblicher Ebene (Betriebsrat und Ausschuss für Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz) entsandt werden. 46 > [ Belgien ] Viele Arbeitgeber neigen auch zu einer einseitigen Anwendung des Begriffs der „Mitarbeiter in Vertrauenspositionen“, der in einer Verordnung von 1965 festgelegt ist. Ein Mitarbeiter, der eine derartige Position bekleidet, muss angesichts des Wesens der Funktion und der Vertraulichkeit seiner Aufgaben dass volle Vertrauen seines Arbeitgebers besitzen. Da die Nomenklatur der Funktionstitel in der Verordnung von 1965 nie aktualisiert worden ist, muss die einschlägige Rechtsprechung widersprüchlich ausfallen. Das belgische Arbeitszeitgesetz gilt nicht für Personen in Vertrauenspositionen oder leitenden Funktionen. Dies hat viele Unternehmen dazu geführt, eine immer größere Zahl von Angestellten als cadres einzustufen, um sie vom gesetzlichen Anwendungsbereich der Arbeitszeit-beschränkung auszuschließen. Die Umsetzung der europäischen Arbeitszeitrichtlinie (vom 23. November 1993) in belgisches Recht hat eine Debatte ausgelöst, die noch nicht abgeschlossen ist. II. Gewerkschaftliche Organisationen 1. Gewerkschaften der Fach- und Führungskräfte Jeder der beiden großen Gewerkschaftsbünde verfügt über einen spezifischen Verband der cadres innerhalb des Angestelltenzentralverbands. Diese Verbände beschränken sich auf den privatwirtschaftlichen Sektor. Der Bund der christlichen Gewerkschaften – Confédération des syndicats chrétiens (CSC) – Algemeen christelijk vakverbond (ACV) – umfasst für jede Sprachgemeinschaft einen Zentralverband für Fach- und Führungskräfte und Angestellte. Auf französischsprachiger Seite ist dies die Centrale Nationale des Employés-Groupement National des Cadres (CNE-GNC), auf niederländischsprachiger Seite die Landelijke Bedienden Centrale-Nationaal Verbond voor Kaderpersoneel (LBCNVK), die zusammen den wichtigsten Zentralverband des CSC-ACV auf nationaler Ebene bilden. Die Zahl ihrer Mitglieder nimmt stark zu, was das besondere Interesse der Fach- und Führungskräfte und Angestellten an gewerkschaftlicher Präsenz in ihren Betrieben deutlich macht. Der Allgemeine belgische Gewerkschaftsbund, Fédération générale du travail de Belgique (FGTB) - Algemeen belgisch vakverbond (ABVV) verfügt über einen nationalen Zentralverband für Fach- und Führungskräfte und Angestellte, Syndicat des Employés, Techniciens et Cadres (SETCa) - Bond voor Bedienden Technici en Kaderleden (BBTK). Die Gewerkschaft SETCa-BBTK ist im Gegensatz zur christlichen Gewerkschaft ein landesweit organisierter Gewerkschaftszentralverband. 47 Der Allgemeine Zentralverband der liberalen Gewerkschaften Belgiens, Centrale générale des syndicats libéraux de Belgique (CGSLB) - Algemene centrale der liberale vakbonden van België (ACLVB) vertritt insbesondere Fach- und Führungskräfte im Finanzdienstleistungssektor (Banken, Versicherungen). Schließlich gibt es eine weitere Gewerkschaftsorganisation, den Nationalen Verband der Fach- und Führungskräfte, Confédération Nationale des Cadres (CNC) - Nationale Confederatie voor Kaderpersoneel (NCK), eine Fach- und Führungskräftegewerkschaft, die keinem der drei großen Gewerkschaftsbünde angeschlossen ist. Nach belgischem Recht kann sie zwar Tarifverträge (Conventions Collectives de Travail, CCT) abschließen, aber nur auf Betriebsebene. Sie ist nicht in den Konzertierungsgremien wie dem Nationalen Arbeitsrat (Conseil National du Travail) vertreten. Dies gilt auch für die so genannten „Hausgewerkschaften“ (autonome Listen) von Fach- und Führungskräften, die ohne Verbindungen nach außen in einigen Unternehmen bestehen. 2. Vertretung Der gewerkschaftliche Organisationsgrad von Fach- und Führungskräften wird auf 30 % geschätzt, also weit unter dem belgischen Durchschnitt (53%), aber er nimmt zu. Die Arbeitnehmervertretung auf betrieblicher Ebene erfolgt im Rahmen eines Systems mit drei getrennten Gremien. Der Betriebsrat (Ondernemingsraad/ Conseil d’entreprise) vertritt die gesamte Belegschaft. Daneben gibt es den Ausschuss für Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz. Die Mitglieder dieser beiden Gremien werden im Rahmen der landesweiten Sozialwahlen gewählt, die alle vier Jahre abgehalten werden. Diese Wahlen stellen wichtige Momente für die Gewerkschaften dar, da sie die Möglichkeit bieten, der Belegschaft ihre Rolle deutlich zu machen und ihre Legitimität zu bestätigen. Lediglich die „repräsentativen“ Gewerkschaften können Kandidaten für diese Gremien vorschlagen. Gewerkschafter sind ferner durch die Gewerkschaftsdelegation (Syndicale Delegatie/Délégation Syndicale) im Betrieb vertreten. Innerhalb des Betriebsrats kann ebenfalls ein Wahlkollegium für Fach- und Führungskräfte eingerichtet werden (sofern mindestens 25 cadres im Betrieb beschäftigt sind). Tabelle: Ergebnisse aus den Betriebsratswahlen 2008, Gruppe der Fach- und Führungskräfte, % der Stimmen und Sitze 48 Sitze ACV-CSC 43.2% 47.0% ABVV-FGTB 23.4% 22.5% ACLVB-CGSLB 14.7% 11.2% 18.7% 19.3% CNC-NCK + individual company lists [ Belgien ] Stimmen Quelle: FOD WASO, Berechnung duch HIVA-K.U.Leuven 3. Gewerkschaftsaktivitäten und -dienstleistungen Angesichts der besonderen Stellung der Fach- und Führungskräfte in den Tarifverträgen sind die Aktivitäten und Dienstleistungen der Fach- und Führungskräftegewerkschaften stärker auf die persönliche Situation der Mitglieder zugeschnitten. Ihre Interessen werden in den Betrieben zwar auch kollektiv, meist aber individuell vertreten. ➢ >> Kollektive Unterstützung: Die kollektive Unterstützung erfolgt als Konzertierung auf betrieblicher Ebene oder im Rahmen von Verhandlungen auf nationaler oder Branchenebene. Die nationalen und/oder sektoralen Gewerkschaften vertreten in den entsprechenden Tarifverhandlungsgremien die Interessen der Zentralverbände der Fach- und Führungskräfte. Bei Verhandlungen über Fragen, die die Fach- und Führungskräfte direkt betreffen, nehmen ihre Zentralverbände selbst und nicht die nationalen Gewerkschaften teil. >> ➢Individuelle Unterstützung: Rechtsbeistand wird für alle Fragen, die den Arbeitsvertrag und Probleme auf Branchen- oder Betriebsebene betreffen, geleistet. Bei Bedarf kann sich die Fach- und Führungskräftegewerkschaft direkt an den Arbeitgeber wenden, um ein Problem gütlich beizulegen. Im Ernstfall kann die Angelegenheit auch vor das Arbeitsgericht und/oder Berufungsgericht gebracht werden. Der Dienst „Gehälter“ führt Studien durch und bewertet die Gehaltssituation der Fach- und Führungskräfte. Diese Studien dienen Fach- und Führungskräften, die im Allgemeinen vom belgischen Tarifsystem ausgeschlossen sind, als Informationsquelle bei direkten Verhandlungen mit dem Arbeitgeber. Die Arbeitsvertragshilfe bietet Fach- und Führungskräften Beratung zur Form der ihnen angebotenen Arbeitsverträge, die ihnen bei Verhandlungen mit dem Arbeitgeber hilft. 49 Der Bildungs- und Ausbildungsdienst veranstaltet Grundkurse zu Fragen der Arbeitnehmerkonsultation und des Sozialrechts. 4. Andere Organisationen der Fach- und Führungskräfte Es gibt in Belgien daneben auch berufliche Organisationen wie Ingenieurverbände (Fédération royale d’associations belges d’ingénieurs civils et d’ingénieurs agronomes, FABI, Association Royale des Ingénieurs, Koninklijke Vlaamse Ingenieursvereniging KVIV, Union fédérale desAssociations d’Ingénieurs industriels de Belgique UFIIB usw.), Journalistenverbände (Association générale des Journalistes professionnels de Belgique AGJPB) und eine Reihe von Berufsverbänden im Gesundheitswesen. Diese Organisationen spielen eine Rolle bei der Berufsausbildung und der beruflichen Anerkennung und sind in dieser Funktion zuweilen an Akkreditierungsverfahren und –ausschüssen beteiligt (etwa im Gesundheitswesen). Sie sind jedoch ausschließlich im öffentlichen Sektor (etwa im Finanzministerium und in der Polizei) an Tarifverhandlungen über Gehälter und andere Arbeitsbedingungen beteiligt. In anderen Branchen herrscht ein „Modus vivendi“ zwischen diesen Berufsorganisationen und den Gewerkschaften (etwa in der Luftfahrt zwischen der Pilotenvereinigung BeCA und den Gewerkschaften). > III. Tarifverhandlungen 1. Tarifverhandlungsstruktur Das System der Tarifverhandlungen in Belgien ist in hohem Maße strukturiert, wobei die oberste, zentrale Ebene die gesamte Wirtschaft abdeckt, die untergeordnete Branchenebene einzelne Sektoren erfasst, und auf der untersten Ebene Verhandlungen in den Betrieben geführt werden. Letztere erstrecken sich nur in einigen Unternehmen auf Löhne und Gehälter. In jedem Fall darf die untergeordnete Ebene nur Verbesserungen im Vergleich zu dem vereinbaren, was auf übergeordneter Ebene ausgehandelt wurde. Gesetzliche Ausschließungsmechanismen sind vorhanden. Der Staat spielt potenziell eine wichtige Rolle bei Tarifverhandlungen. Nach einem Gesetz von 1996 dürfen Erhöhungen der Löhne und Gehälter in Belgien nicht über die vorhergesehenen Lohnsteigerungen in den Nachbarländern Belgiens, nämlich Frankreich, Deutschland und den Niederlanden, lie- 50 [ Belgien ] gen. Dies soll die Wettbewerbsfähigkeit des Landes sicherstellen. Die Verhandlungen auf nationaler Ebene finden auf der Grundlage eines offiziellen Fachberichts statt, der diese Vorausschau vornimmt. Die Regierung hat die Befugnis zu intervenieren, sollten die Gewerkschaften versuchen, diese Grenze zu überschreiten. Tarifverträge auf Branchenebene werden im Rahmen gemeinsamer Ausschüsse oder Unterausschüsse von allen dort vertretenen Organisationen abgeschlossen. Es gibt rund 100 gemeinsame Ausschüsse und 75 gemeinsame Unterausschüsse. Der Branchentarifvertrag gilt für alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die in den betreffenden gemeinsamen Ausschüssen oder Unterausschüssen vertreten sind. Die Branchenebene gilt als die wichtigste Verhandlungsebene, da dort die auf nationaler, branchenübergreifender Ebene vereinbarten Rahmenbestimmungen umgesetzt werden. In der Regel finden die Verhandlungen alle zwei Jahre statt. Verhandlungen auf Branchenebene finden meist im Anschluss an Verhandlungen auf nationaler Ebene statt. Belgien gehört zu den wenigen westeuropäischen Ländern, die bei der Lohnfindung eine automatische Indexierung anwenden. Dies bedeutet, dass Löhne und Sozialversicherungsleistungen an den Verbraucherpreisindex geknüpft sind. Dadurch soll eine inflationsbedingte Verringerung der Kaufkraft vermieden werden. Es gibt keine gemeinsamen Ausschüsse oder Tarifverträge speziell für Fach- und Führungskräfte. In folgenden Branchen wird die gewerkschaftliche Organisation der Fach- und Führungskräfte anerkannt: Banken, Versicherungen, Warenhäuser und Einzelhandel im Lebensmittelsektor. In diesen Branchen sowie im Gesundheitssektor werden Führungskräfte nach einer eigenen Tarifskala (barème) bezahlt. In der Industrie wird diese Anerkennung mit Ausnahme einiger großer Unternehmen willkürlich erteilt und in der Regel von den Arbeitgebervertretern in den gemeinsamen Ausschüssen verweigert. In diesen Fällen werden die Forderungen der Fach- und Führungskräfte im Rahmen des allgemeinen Verhandlungsprozesses für Angestellte eingebracht. Somit unterliegen Fach- und Führungskräfte den Bestimmungen dieser Tarifverträge. Es gibt nur wenige Sondervereinbarungen für Fach- und Führungskräfte im Rahmen der Tarifverträge (CCT). Trotzdem gelingt es den Fach- und Führungskräftegewerkschaften bisweilen, Grundsatzvereinbarungen abzu- 51 schließen, die nicht durch königliches Dekret für allgemeinverbindlich erklärt werden. Diese Vereinbarungen sind mit Leitlinien oder Verhaltenskodexen zu vergleichen, und ihre Anwendung hängt vom guten Willen des Arbeitgebers ab. Die Situation der Fach- und Führungskräfte ist jedoch je nach Wirtschaftszweig unterschiedlich: >> Im Banksektor fallen die Fach- und Führungskräfte in den Geltungsbereich des landesweiten Tarifvertrags (CCT). Allerdings sind Fach- und Führungskräfte in Belgien seit 1965 von Arbeitszeitbeschränkungen ausgeschlossen. >> In der Industrie sind Fach- und Führungskräfte in der Regel von den Tarifverträgen ausgeschlossen. In der chemischen, petrochemischen und Nahrungsmittelindustrie sind sie vom Lohn- und Gehaltstarifsystem ausgeschlossen. In vielen Industriebetrieben wurden jedoch informelle Vereinbarungen abgeschlossen oder Verhaltenskodexe aufgestellt. >> Im Vertriebssektor fallen Fach- und Führungskräfte unter die Tarifverträge für Angestellte. >> Im „nichtgewerblichen Sektor“ sind Fach- und Führungskräfte ohne Schwierigkeiten durch den geltenden Tarifvertrag abgesichert. Dies liegt daran, dass die Regierung ein wichtiger Partner in diesem Sektor ist, der unter anderem Krankenhäuser, Erholungs- und Altersheime und Bildungseinrichtungen umfasst und über die Sozialversicherung finanziert wird. 2. Tarifvertragliche Deckungsrate und Trends Die tarifvertragliche Deckungsrate bei Fach- und Führungskräften in Belgien ist sehr niedrig. Fach- und Führungskräfte sind im allgemeinen in den Tarifverträgen der Angestellten mit erfasst. Normalerweise sind Fach- und Führungskräfte von Gehaltstarifverträgen ausgeschlossen, letztendlich hängt dies aber von den einzelnen Branchen ab. Die automatische Indexierung wird im Allgemeinen auch für sie angewandt. Wenn die Fach- und Führungskräfte vom Tarifvertrag ausgeschlossen sind, ist der Arbeitgeber aber nicht verpflichtet, die in Belgien übliche Inflationsindexierung anzuwenden. Gehälter und Flexibilität bei der Arbeitszeitgestaltung stellen nach wie vor die wichtigsten Themen bei Tarifverhandlungen dar. 52 IV. Arbeitskämpfe Im Vergleich zu früher hat die Zahl der Streiks in Belgien abgenommen. Über Arbeitskampfmaßnahmen in der Gruppe der Fach- und Führungskräfte liegen keine spezifischen statistischen Angaben vor. [ Belgien ] > Heute werden Protestaktionen der Arbeitnehmer hauptsächlich aus folgenden Gründen organisiert: >> Umstrukturierung, Stellenabbau oder Betriebsschließungen können zu einem Konflikt in einem bestimmten Unternehmen führen. Dieser Konflikt wird in der Regel durch einen Sozialplan gelöst, in dem der Arbeitgeber als Gegenleistung für Entlassungen höhere Abfindungen oder Vorruhestandsmöglichkeiten mit Abfindungszahlungen gewährt. In den letzten Jahren wurden im Rahmen dieser Pläne auch staatlich subventionierte Außenvermittlungsmaßnahmen angeboten. >> Groß angelegte sektorspezifische Aktionen werden vor allem in halböffentlichen Sektoren wie im Gesundheitswesen, im Telekommunikations- und Verkehrssektor durchgeführt. Gewöhnlich geht es dabei um Haushaltskürzungen oder Änderungen der Arbeitsbedingungen in Sektoren, die früher in staatlicher Hand waren. In den meisten Fällen nehmen Fach- und Führungskräfte nicht an diesen Streiks teil. In jüngster Zeit hat sich dies jedoch geändert, wie das Beispiel des Arbeitskonflikts bei InBev, dem belgischen Brauereikonzern, zeigt. > V. Sozialer Dialog Die Sozialpartner werden bei der Politikgestaltung zu verschiedenen Themen konsultiert. Da die politische Struktur in Belgien kompliziert ist, gibt es auch eine Vielzahl von Gremien für die politische Konzertierung. Auf nationaler Ebene sind alle repräsentativen Sozialpartner im Nationalen Arbeitsrat (NAR/CNT) vertreten, der Stellungnahmen zu sozialen Fragen an die Regierung oder das Parlament abgibt. Darüber hinaus bestehen viele anderen Gremien für die politische Konzertierung auf nationaler, sektoraler und regionaler Ebene, darunter auch beratende Ausschüsse für sozioökonomische Angelegenheiten auf föderaler und regionaler Ebene (etwa der CCB-CRB auf föderaler Ebene). Die Sozialpartner sind ferner in den paritätischen Leitungsorganen der belgischen Sozialversicherung, der sektoralen Berufsbildungsfonds und der Arbeitsmarktverwaltungen vertreten und sind über diese Gremien an der Politikgestaltung beteiligt. 53 Mit dem königlichen Dekret vom 16. Juli 1987 wurde eine Konzertierungs­ kommission für Fach- und Führungskräfte (Commission de concertation pour le personnel de cadre) eingesetzt. Die Kommission besteht aus Vertretern der Arbeitgeber- und Gewerkschaftsorganisationen sowie einem Vorsitzenden und einem stellvertretenden Vorsitzenden, die vom Arbeitsminister ernannt werden. Sie umfasst höchstens zwölf Mitglieder, die vom Minister aus einer doppelten Vorschlagsliste der repräsentativen Fach- und Führungskräfteverbände ausgewählt werden. Die Kommission hat die Aufgabe, zu Fragen, die Fach- und Führungskräfte direkt oder indirekt betreffen, Stellung zu nehmen und gesetzliche oder andere Maßnahmen zu prüfen oder vorzuschlagen. Der Einfluss dieser Kommission ist jedoch beschränkt. Sie knüpft an das Fachund Führungskräftekollegium an, das 1985 auf einer Sitzung der Fach- und Führungskräfte der Betriebsräte von Unternehmen mit mehr als 15 Beschäftigten eingerichtet wurde. Die Konzertierungskommission wird zwar vom belgischen Arbeitsministerium, nicht aber vom belgischen Arbeitgeberverband (VBO/FEB) anerkannt. In der CCC sind demnach nur das Arbeitsministerium, die drei genannten Fach- und Führungskräftegewerkschaften und der CNC (Zusammenschluss von Einzelbetriebslisten) vertreten, und auf Arbeitgeberseite lediglich der Mittelstand (classes moyennes). Da der belgische Arbeitgeberverband (VBO/FEB) nicht an dieser Kommission teilnimmt, können dort auch keine landesweiten Vereinbarungen abgeschlossen werden. 54 [ Kapitel 3 ] Bulgarien 55 [ Bulgarien ] In Bulgarien gibt es 482.000 Fach-und Führungskräfte; dies entspricht 16,9% der Arbeitnehmer (Quelle: EUROSTAT, Labour Force Survey 2007). > I. Definition In Bulgarien wird unterschieden zwischen rabotnizi (Arbeitern) und slujiteli hauptsächlich Angestellte sowie einige Arbeitnehmer im öffentlichen Sektor (slujiteli v obshtestveniya sector oder saeti v obshtestveniya sector). Fach- und Führungskräfte (specialisty und upravlenski personal) gehören demnach in die letzte Kategorie. Beamte (durjavni slujiteli) hingegen fallen nicht unter die arbeitsrechtlichen Bestimmungen sondern unter das Beamtengesetz. Fach- und Führungskräfte werden außerdem dadurch von Spitzenmanagern abgegrenzt, als erstere in der Regel über einen Arbeitsvertrag verfügen, während beispielsweise Geschäftsführer und Mitglieder und Vorsitzende des Verwaltungsrats, Vorstands oder Aufsichtsrats Verträge über die Ausführung von Führungs- oder Kontrollaufgaben haben. Grundsätzlich bestehen keine Bestimmungen, die das Vereinigungsrecht von Fachund Führungskräften, das Recht auf Abschluss von Tarifverträgen, das Streikrecht oder das Recht, Arbeitskonflikte auf anderweitigem Wege zu lösen, einschränken. Auch was das Recht auf Unterrichtung und Anhörung im Unternehmen angeht, gibt es keine speziellen Einschränkungen für Fach- und Führungskräfte. 56 > [ Bulgarien ] Einige Beamtengruppen, unter anderem Mitglieder der Streitkräfte, des Geheimdienstes und der Polizei, unterliegen Sonderbestimmungen. Das Vereinigungsrecht dieser Gruppen ist in Sondergesetzen geregelt. Ferner haben sie, wie alle anderen Beamten auch, nicht das Recht zu streiken. Das Beamtengesetz erwähnt weder das Recht auf Tarifverhandlungen noch das Recht auf Unterrichtung und Anhörung am Arbeitsplatz oder verschiedene Maßnahmen zur Konfliktlösung. II. Gewerkschaftliche Organisationen 1. Gewerkschaften der Fach- und Führungskräfte Das bulgarische Gewerkschaftswesen zeichnet sich durch eine Vielzahl unterschiedlicher Gewerkschaften und zentrale Gewerkschaftsdachverbände aus. Die zwei größten Gewerkschaftsbünde, der Verband unabhängiger Gewerkschaften in Bulgarien (Konfederaciya na Nesawisimite Sindikati v Bulgarien, CITUB) und die Konföderation der Arbeit Podkrepa (CL Podkrepa; Konfederaciya na truda „Podkrepa“) sind als repräsentative nationale Gewerkschaftsbünde anerkannt und stellen mehr als 95%1 der Gewerkschaftsmitglieder. Ihre Mitgliedsgewerkschaften sind sowohl auf Unternehmensebene als auch auf Branchenebene organisiert. Der CITUB umfasst 34 Branchenverbände, darunter die Lehrergewerkschaft als größten Verband, Podkrepa zählt 26 Branchenverbände2. Die beiden großen Gewerkschaftsbünde arbeiten recht gut zusammen, aber zwischen den Branchengewerkschaften von CITUB und Podkrepa besteht ein gewisser Wettbewerb. In bestimmten Branchen wie zum Beispiel im Banksektor, der viele Fach- und Führungskräfte zählt, und im Energiesektor bestehen zudem einige kleine Gewerkschaften, die nicht den beiden zentralen Gewerkschaftsbünden angeschlossen sind. In Bulgarien gibt es keine Gewerkschaften, die speziell Fach- und Führungskräfte organisieren. Die Gewerkschaften vertreten ihre Interessen 1 “Representativness of the social partners: Agricultural sector – Bulgaria”, EIROnline 1.10.2007, http:// www.eurofound.europa.eu/eiro/studies/tn0608017s/bg0608019q.htm 2 Fulton, L. Worker representation in Europe, ETUI/REHS, http://www.worker-participation.eu/ national_industrial_relations/countries/bulgaria/trade_unions 57 ebenso wie die aller anderen Arbeitnehmer.Ein Sekretariat in Podkrepa und ein Verbindungsbüro in KNSB sind für die Vertretung von Fach- und Führungskräften zuständig. Die Mitglieder der Gewerkschaften des öffentlichen Sektors im Bildungswesen, Gesundheitswesen sowie in der öffentlichen Verwaltung und im Kulturbereich bestehen mehrheitlich aus Fachkräften, während die Gewerkschaften in der verarbeitenden Industrie und in den Sektoren Telekommunikation und Energie nur wenige Fach- und Führungskräfte unter ihren Mitgliedern zählen. 2. Vertretung Schätzungen zufolge liegt der gewerkschaftliche Organisationsgrad von Fachund Führungskräften im öffentlichen Sektor bei durchschnittlich 30% und in den anderen Sektoren zwischen 15% und 20%. Es wird jedoch davon ausgegangen, dass der gewerkschaftliche Organisationsgrad in den nächsten fünf Jahren leicht zurückgehen wird. 3. Gewerkschaftsaktivitäten und -dienstleistungen Die beiden großen Gewerkschaftsbünde CITUB und CL Podkrepa handeln Tarifverträge aus, aber bieten ihren Mitgliedern auch individuelle oder Gruppenberatung an. Ein wichtiges Thema jüngster Gewerkschaftskampagnen war der Schutz der Rechte am Arbeitsplatz, ferner wurden Aktionen zur Einrichtung eines Überwachungsverfahrens für Tarifverhandlungen und – mit weniger Erfolg – zur Rekrutierung neuer Gewerkschaftsmitglieder durchgeführt. 4. Andere Organisationen der Fach- und Führungskräfte In manchen Sektoren wie beispielsweise im Gesundheitswesen gibt es Berufsverbände, die auch Fach- und Führungskräfte vertreten. Diese Verbände haben nicht den Status von Gewerkschaften und somit nicht das Recht, Tarifverträge auszuhandeln. 58 III. Tarifverhandlungen 1. Tarifverhandlungsstruktur [ Bulgarien ] > In Bulgarien werden Tarifverhandlungen entweder auf Branchenebene oder auf Unternehmensebene geführt. Da viele Unternehmen sich weigern, Branchenvereinbarungen zu unterzeichnen, spielen betriebliche Vereinbarungen eine wichtigere Rolle. In manchen Sektoren wie der chemischen, pharmazeutischen und Kosmetikindustrie wurden seit fünf Jahren keine Branchentarifverträge mehr abgeschlossen. Hinzu kommt, dass Branchenvereinbarungen häufig nicht über eine einfache Bestätigung der gesetzlichen Vorschriften hinausgehen.3 Für die Angestellten auf Gemeindeebene, die aus dem öffentlichen Etat von Schulen, kulturellen Einrichtungen oder lokalen Verwaltungen bezahlt werden, finden die Verhandlungen auf Kommunalebene statt. Im Gegensatz zur Privatwirtschaft werden im öffentlichen Sektor auch weiterhin Tarifverträge auf Kommunal- und Branchenebene abgeschlossen, die wichtige Fragen regeln. Eine Gewerkschaft muss mehrere Bedingungen erfüllen, um als repräsentativ anerkannt zu werden. Sie ist lediglich dann befugt, an Verhandlungen auf Branchen- oder Kommunalebene teilzunehmen, wenn sie die folgenden Kriterien erfüllt: >> Eine repräsentative Gewerkschaft muss mindestens 50.000 Mitglieder nachweisen. >> Sie muss mindestens 50 lokale Gewerkschaftsorganisationen nachweisen; diese müssen jeweils mindestens 5 Mitglieder haben und in über der Hälfte der bulgarischen Wirtschaftszweige aktiv sein. >> Außerdem muss sie in mindestens der Hälfte der bulgarischen Gemeinden eine juristische Person errichtet haben sowie eine Exekutive auf nationaler Ebene4. >> Eine repräsentative Gewerkschaft muss nach den Bestimmungen des Arbeitsgesetzbuchs beim Gericht eingetragen sein. Auf Unternehmensebene können alle im Betrieb vertretenen Gewerkschaften unabhängig davon, ob sie repräsentativ sind oder nicht, an Tarifverhandlungen 3 Fulton, L. Worker Representation in Europe, ETUI/REHS, http://www.worker-participation.eu/ national_industrial_relations/countries/bulgaria/collective_bargaining 4 Fulton, L. Worker Representation in Europe, ETUI/REHS, http://www.worker-participation.eu/ national_industrial_relations/countries/bulgaria/collective_bargaining 59 teilnehmen. Idealerweise sollten sich alle teilnehmenden Gewerkschaften dem Vertrag anschließen. Können sie sich jedoch nicht einigen, so kann der Tarifvertrag auch von einer Gruppe von Gewerkschaften oder nur von einer Gewerkschaft unterzeichnet werden. In diesem Fall muss der mit dem Arbeitgeber ausgehandelte Vertragsentwurf auf einer Betriebsversammlung bzw. in großen Unternehmen, in Unternehmen mit Tochtergesellschaften oder in Unternehmen mit Nachtschichten, auf einer Delegiertenversammlung die Zustimmung von der Mehrheit der Beschäftigten erhalten. Bei Tarifverhandlungen geht es um Löhne und Gehälter, Sozialleistungen und Arbeitszeitregelungen sowie um Gesundheitsschutz und Sicherheit bei der Arbeit und um allgemeine Beschäftigungsfragen. Es liegen keine Angaben zur tarifvertraglichen Deckungsrate von Fach- und Führungskräften vor, es wird jedoch davon ausgegangen, dass diese in den nächsten Jahren leicht zurückgehen wird. Der Anteil der tarifvertraglich abgesicherten Arbeitnehmer variiert je nach Wirtschaftszweig und reicht von 30% (chemische, pharmazeutische und Kosmetikindustrie) bis zu über 50% (öffentlicher Sektor). In den größten Banken Bulgariens beträgt die tarifvertragliche Deckungsrate 100%. 2- Tarifvertragliche Deckungsrate und Trends In Bulgarien fallen lediglich die Arbeitnehmer in den Geltungsbereich der Tarifverträge, die Mitglieder der Gewerkschaften sind.5 Somit sind auch Fach- und Führungskräfte nur dann tarifvertraglich abgesichert, wenn sie Gewerkschaftsmitglieder sind. > IV. Arbeitskämpfe Seit 2005 hat es in Bulgarien mehrere Streiks gegeben. Besonderes Aufsehen erregte der Streik der bulgarischen Lehrergewerkschaft BTTU, (Mitglied des CITUB) Ende 2005, bei dem über 2.500 Lehrer in einen Hungerstreik 5 Fulton, L. Worker Representation in Europe, ETUI/REHS, http://www.worker-participation.eu/ national_industrial_relations/countries/bulgaria/collective_bargaining 60 2007 protestierten die Beschäftigten des öffentlichen Sektors gegen niedrige Gehälter und forderten bessere Arbeitsbedingungen. Neben Lehrern waren auch Angestellte der Gesundheitsdienste, Steuerämter, Sozialdienste und Hochschul- und Forschungseinrichtungen beteiligt. Der längste Streik von mehr als 30 Tagen wurde im Herbst 2007 von den Lehrergewerkschaften ausgerufen. Auch bei den Arbeitskonflikten in der Forstwirtschaft und in einigen Unternehmen der verarbeitenden Industrie im Jahr 2007 waren Fach- und Führungskräfte beteiligt. > [ Bulgarien ] traten. Sie forderten nicht nur eine Gehaltserhöhung sondern auch einen Entlassungsstopp in der Sekundarschulbildung6. V. Sozialer Dialog In Bulgarien bestehen dreigliedrige Gremien, die alle Sektoren abdecken, aber keine, die sich speziell mit fach- und führungskräftespezifischen Themen befassen. Im Rahmen dieser Gremien werden hauptsächlich Fragen im Zusammenhang mit dem Arbeitsmarkt, mit Löhnen/Gehältern und mit der Sozialversicherung erörtert. 6 „The Bulgarian Teacher Union Protests Against the 2006 Education Budget”, EIROnline, 8.12.2005, http://www.eurofound.europa.eu/eiro/2005/12/inbrief/bg0512101n.htm 61 62 [ Kapitel 4 ] Tschechische Republik 63 [ Tschechische Republik ] In der Tschechischen Republik gibt es 638.000 Fach- und Führungskräfte; dies entspricht 15,5% der Arbeitnehmer (Quelle: EUROSTAT, Labour Force Survey 2007). > I. Definition Fach- und Führungskräften genießen dieselben Rechte wie alle anderen Arbeitnehmer und das tschechische Arbeitsrecht sieht keine besondere Definition von. Allerdings können die Tarifverträge auf Unternehmensebene besondere Bedingungen für Fach- und Führungskräfte beinhalten. > II. Gewerkschaftliche Organisationen 1. Gewerkschaften der Fach- und Führungskräfte Viele Fach- und Führungskräfte sind Mitglieder des größten tschechischen Gewerkschaftsbundes, des Tschechisch-Mährischen Gewerkschaftsbundes (Českomoravská konfederace odborových svazů – ČMKOS) und seiner 34 Mitgliedsgewerkschaften. Der ČMKOS vertritt 70 % der insgesamt 900.000 (2004) gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer in der Tschechischen Republik. Der zweitgrößte Gewerkschaftsbund, die Assoziation der selbständigen Gewerkschaften (Asociace samostatných odborů – ASO) zählt schätzungsweise 170.000 Mitglieder (2004). ČMKOS und ASO haben mehr 150.000 64 Neben ČMKOS und ASO gibt es drei weitere Gewerkschaftsbünde: die Konföderation für Kunst und Kultur (Konfederace umění a kultury – KUK), die Gewerkschaftsvereinigung von Böhmen, Mähren und Schlesien (Odborové sdružení Čech, Moravy a Slezska – OS ČMS) und die Christliche Gewerkschaftskoalition (Křesťanská odborová koalice – KOK). Einige der ČMKOS-Mitgliedsgewerkschaften vertreten hauptsächlich Fachund Führungskräfte, darunter die Gewerkschaft Wissenschaft, Forschung und Hochschulen (PROJEKT). [ Tschechische Republik ] Mitglieder und sind somit im dreigliedrigen Rat für wirtschaftliche und soziale Verständigung vertreten1. 2. Vertretung Schätzungen zufolge liegt der gewerkschaftliche Organisationsgrad von Fachund Führungskräften zwischen 15 und 30 %, aber er könnte in den nächsten fünf Jahren leicht abnehmen. > III. Tarifverhandlungen 1. Tarifverhandlungsstruktur In der Tschechischen Republik werden Tarifverhandlungen überwiegend auf Unternehmensebene geführt, aber in vielen Unternehmen wird überhaupt nicht verhandelt. Daneben hat der Gewerkschaftsbund ČMKOS 18 Branchentarifverträge abgeschlossen. Es ist zu beachten, dass Branchentarifverträge auch für andere Arbeitgeber derselben Branche für verbindlich erklärt werden können, selbst wenn diese nicht Mitglieder der Arbeitgebervereinigung sind, die die Vereinbarung unterzeichnet hat.2 Für Fach- und Führungskräfte gibt es keine eigenen Tarifverhandlungsstrukturen. Die Tarifverhandlungen für diese Gruppe werden folglich nach den allgemeinen Verfahren durchgeführt. Auf Unternehmensebene können allerdings spe1 Czech Republic. Industrial relations profile”, European Foundation for the Improvement of Living and Working conditions, http://www.eurofound.europa.eu/eiro/country/czech_republic.pdf; Fulton, L. Worker representation in Europe, ETUI/REHS, http://www.worker-participation.eu/national_industrial_ relations/ countries /czech_republic 2 Fulton, L. Worker representation in Europe, ETUI/REHS, http://www.worker-participation.eu/national_industrial_relations/countries/czech_republic 65 zifische Bedingungen für Fach- und Führungskräfte ausgehandelt und tarifvertraglich geregelt werden. Dabei geht meist um Arbeitsentgelt und Arbeitszeit. Eine besondere Situation ergibt sich für Branchenvereinbarungen im öffentlichen Sektor, in dem viele Fach- und Führungskräfte beschäftigt sind: Da die Arbeitgeber im öffentlichen Sektor keine Vereinigung bilden können, ist es hier schwierig, auf Branchenebene zu verhandeln.3 Am 1. Januar 2007 ist ein neues Arbeitsgesetzbuch in der Tschechischen Republik in Kraft getreten. Im Vorfeld hatte eine heftige Debatte zwischen Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden, der Regierung und einigen Ministerien stattgefunden, da das neue Gesetzbuch den Gewerkschaften zusätzliche, höchst umstrittene Rechte gewährt. Den neuen Vorschriften zufolge sind Gewerkschaften befugt, Nachtarbeit und Überstunden, die ein Risiko für den Gesundheitsschutz oder die Sicherheit der Arbeitnehmer darstellen, zu verbieten. Ferner muss die Geschäftsordnung des Unternehmens künftig von der Gewerkschaft gebilligt werden. Und Tarifverträge gelten nun für alle Arbeitnehmer einschließlich nicht gewerkschaftlich organisierter Arbeitnehmer. Ein Tarifvertrag kann unter gewissen Umständen auch mit der größten Gewerkschaft im Unternehmen abgeschlossen werden4. 2. Tarifvertragliche Deckungsrate und Trends Die allgemeine tarifvertragliche Deckungsrate in der Tschechischen Republik liegt bei rund 35 %. Es liegen keine Angaben über die tarifvertragliche Deckungsrate von Fach- und Führungskräften vor, aber sie dürfte sich in den nächsten fünf Jahren nicht wesentlich ändern. > IV. Arbeitskämpfe Im Zusammenhang mit jüngsten Arbeitskämpfen, bei denen Fach- und Führungskräfte beteiligt waren, ist vor allem der Streik der Lehrer des Vorschul-, Primar- und Sekundarbereichs im Dezember 2007 zu erwäh3 Fulton, L. Worker representation in Europe, ETUI/REHS, http://www.worker-participation.eu/national_industrial_relations/countries/czech_republic 4 Unions criticise government decision to defer new Labour Code”, EIROnline 11/12/2006, http://www. eurofound.europa.eu/eiro/2006/10/articles/cz0610029i.htm 66 > V. Sozialer Dialog Der dreigliedrige Rat für wirtschaftliche und soziale Verständigung (Rada hospodářské a soiální dohody ČR, RHSD) befasst sich mit allgemeinen Wirtschaftsfragen und branchenspezifischen Aspekten. Der Rat spielte vor allem Anfang der 90er Jahre eine wichtige Rolle, aber seit 1994 wurde kein allgemeines Abkommen mehr unterzeichnet. Im Rahmen dieses Gremiums werden zwar keine verbindlichen Vereinbarungen ausgehandelt, aber der Rat nimmt, neben anderen Formen des Dialogs, Einfluss auf die Politik der Regierung. [ Tschechische Republik ] nen. Anlass des Streiks war die Forderung der Lehrer, die öffentlichen Bildungsausgaben um 2,5 Milliarden CZK (95 Mio. €) zu erhöhen. Das Angebot der Tschechischen Regierung, den Bildungsetat um 1 Milliarde CZK (38 Mio. €) und die Lehrergehälter um 4 % zu erhöhen, reichte nach Ansicht der Gewerkschaften nicht aus, um den Rückgang der Realeinkommen im Bildungswesen auszugleichen.5 5 “Teachers strike for increase in education budget” , EIROnline 14/01/2008, http://www.eurofound.europa.eu/eiro/2007/12/articles/cz0712039i.htm 67 68 [ Kapitel 5 ] Dänemark 69 [ Dänemark ] In Dänemark gibt es 518.000 Fach- und Führungskräfte; dies entspricht 20,3 % der Arbeitnehmer (Quelle: EUROSTAT, Labour Force Survey 2007). > I. Definition Ein Arbeitnehmer in leitender Position (arbejdsleder) ist ein Arbeitnehmer, dessen Arbeit hauptsächlich darin besteht, die Arbeit anderer im Auftrag des Arbeitgebers zu leiten und zu beaufsichtigen. Die Möglichkeit, Führungskräfte mit Aufsichtsfunktionen und der unteren und mittleren Leitungsebene von der Gewerkschaftsmitgliedschaft auszuschließen, wurde 1899 durch den „Septemberabschluss“ für die Privatwirtschaft festgeschrieben. Im Prinzip ist dies auch im aktuellen geltenden Manteltarifvertrag zwischen LO (Gewerkschaften) und DA (Arbeitgeber) nach wie vor der Fall. In der Praxis trifft dies jedoch nicht mehr zu. Arbeitnehmer in leitenden Positionen sind meist Mitglied der den nationalen Gewerkschaftsbünden AC und FTF angeschlossenen Gewerkschaften. Für sie gilt das Angestelltengesetz (Funktionaerloven). Allerdings genießt der Gewerkschaftsbund AC einen Sonderstatus, da er als Zentralverband direkt mit den Arbeitgebern verhandelt. Unter das Angestelltengesetz fallen hauptsächlich Arbeitnehmer, a) die als Ladenverkäufer oder Bürokräfte beschäftigt sind, b) die als Fachkräfte oder in einem nichtindustriellen Kontext technische oder klinische Betreuung leisten oder c) deren Arbeit ganz oder überwiegend darin besteht, die Arbeit 70 [ Dänemark ] anderer Arbeitnehmer im Auftrag des Arbeitgebers zu leiten und zu beaufsichtigen. Das Gesetz begründet eine Reihe von Leistungen (Ende des Arbeitsverhältnisses, Entlassungsentschädigung, Schutz gegen missbräuchliche Entlassung, Kranken- und Mutterschaftsgeld usw.). Der Arbeitnehmer erlangt den dem Gesetz entsprechenden Status entweder durch ausdrückliche Vereinbarung im Arbeitsvertrag oder durch eine Erklärung des betreffenden Arbeitnehmers, dass er diesen Status kraft einer stillschweigenden Vereinbarung besitzt Im öffentlichen Sektor sind Fach- und Führungskräfte auch als Beamte beschäftigt, die somit nicht den Status von Angestellten haben. Alle Fach- und Führungskräfte in Dänemark haben das Recht, sich einer Gewerkschaft anzuschließen. Bei Arbeitskonflikten sind Fach- und Führungskräfte der höheren Führungsebene normalerweise von den Verhandlungen zur Lösung des Konflikts ausgeschlossen, da sie bei solchen Verhandlungen in der Regel die Interessen der Geschäftsleitung vertreten. > II. Gewerkschaftliche Organisationen 1. Gewerkschaften der Fach- und Führungskräfte Der dänische Arbeitsmarkt ist durch starke Arbeitnehmer- und Arbeit­ geberorganisationen geprägt. Es gibt drei landesweite Gewerkschaftsorganisationen: >> der Dänische Gewerkschaftsbund (LO) >> der 1951 gegründete Verband der Angestellten und Beamten (Funktionaerernes og Tjenestemaendenes Faellesraad, FTF), >> die 1972 gegründete Zentralorganisation der Akademiker (Akademikernes Centralorganisation, AC). In Dänemark sind vor allem die zwei letztgenannten landesweiten Gewerk­ schaftsorganisationen für Fach- und Führungskräfte aktiv. Der FTF zählt rund 356.000 Mitglieder, von denen zwei Drittel im öffentlichen Sektor (Zentralregierung und Kommunalverwaltungen) und ein Drittel im privaten Finanzsektor beschäftigt sind. Der FTF ist der Dachverband von 95 Einzelgewerkschaften. Ihm gehören auch Arbeiter und Führungskräfte 71 an, aber die meisten Mitglieder besitzen einen mittleren oder höheren Bildungsabschluss (ISCO-Klasse 2 Fachkräfte). Die Zentralorganisation der Akademiker AC ist ebenfalls ein Dachverband, der circa 256.000 Arbeitnehmer mit höherem Bildungsabschluss vertritt. Etwas mehr als die Hälfte ihrer Mitglieder arbeiten im öffentlichen Sektor, die anderen sind entweder im privatwirtschaftlichen Sektor oder als Selbständige tätig. FTF und AC umfassen Gewerkschaften, die nach Berufen oder Wirtschaftszweigen organisiert sind. Die größten Mitgliedsgewerkschaften des FTF sind die Lehrergewerkschaft mit 65.000 Mitgliedern, die Krankenpflegergewerkschaft mit 55.000 Mitgliedern, die Gewerkschaft für Personal in Kinderbetreuungseinrichtungen BUPL mit 54.000 Mitgliedern und die Gewerkschaft des Finanzsektors mit 44.000 Mitgliedern. Bei den beiden größten Mitgliedsgewerkschaften der AC handelt es sich um den Ingenieurverband mit 61.000 Mitgliedern und den Verband der Anwälte und Wirtschaftler mit 47.000 Mitgliedern. Der unabhängige Verband LH (Ledernes Hovedorganisation), der ursprünglich Führungskräfte mit Aufsichtsfunktion organisierte und seit dem Tarifvertrag von 1899 die Arbeitgeberseite vertrat, bemüht sich nun auch, seine Mitgliederbasis auszuweiten und Fachkräfte der höheren Ebene zu organisieren. Dem LH gehören rund 85.000 Führungskräfte und Führungskräfte mit Aufsichtsfunktion an. 2. Vertretung Die AC vertritt circa 85 % aller Personen mit hohem Bildungsstand in Dänemark, das heißt mit Universitäts- oder anderem Hochschulabschluss. Die Verteilung der Mitglieder nach Branchen oder Bildungsabschlüssen zeigt, dass folgende Gruppen besonders stark vertreten sind: Ingenieure, Juristen, Wirtschaftler, Akademiker mit Universitätsabschluss oder Promotion, Ärzte und Lehrer der Sekundaroberstufe. Der FTF vertritt circa 90 % aller Personen mit höherem aber nicht-universitärem Bildungsabschluss in Dänemark. Die größten Mitgliedsgewerkschaften organisieren Lehrer, Krankenpfleger und Vorschullehrer. In Dänemark spielen die Gewerkschaften eine zentrale Rolle bei der Arbeitnehmervertretung auf betrieblicher Ebene. Die loka72 [ Dänemark ] len Gewerk­schaftsvertreter erörtern die Belange der Beschäftigten mit der Betriebsleitung und sind von Rechts wegen Mitglieder des Kooperationsausschusses, der wichtigsten Instanz im Bereich der Unter­ richtung und Anhörung. 3. Gewerkschaftsaktivitäten und -dienstleistungen Neben der Wahrnehmung ihrer Hauptaufgabe, nämlich zufrieden stellende Gehalts- und Arbeitsbedingungen für Fach- und Führungskräfte zu sichern, schalten sich FTF, AC und LO in öffentliche Debatten ein und nehmen an Gesprächen mit der Regierung, Behörden und Institutionen teil. Sie sind in einer Vielzahl öffentlicher Räte und Ausschüsse vertreten, etwa in den ständigen Arbeitsmarkträten, die für die praktische Umsetzung der Arbeitsmarktpolitik zuständig sind. Die AC bietet allen Fach- und Führungskräften allgemeine und kollektive Dienstleistungen an. Ihre Mitgliedsorganisationen stellen individuelle Dienstleistungen bereit, beispielsweise die Beratung einzelner Mitglieder zu Gehaltsfragen und Beschäftigungsbedingungen, Weiterbildung oder berufliche und soziale Leistungen. Der FTF bietet allen Mitgliedsorganisationen folgende Dienstleistungen an: Unterstützung in Rechtsfragen, Unterstützung bei Verhandlungen und Organisation von Kursen und Tagungen. Die Gewerkschaftsbildungsprogramme für Fach- und Führungskräfte umfassen Angebote zu Themen wie Berufsausbildung, Erziehungsurlaub, Bildungsurlaub usw. Die AC hat sich dafür eingesetzt, dass die Einrichtungen ein breites Spektrum von Berufsausbildungen und Qualifikationsmöglichkeiten für ältere Arbeitnehmer anbieten. Die Dachverbände AC und FTF legen zwar in Zusammenarbeit mit einer Vielzahl von Beteiligten (Behörden, Hochschulen und andere Bildungseinrichtungen) die allgemeinen Grundsätze und Positionen im Aus- und Weiterbildungsbereich fest, aber bieten selbst keine Kurse oder Projekte an. 4. Andere Organisationen der Fach- und Führungskräfte Da der gewerkschaftliche Organisationsgrad in Dänemark hoch ist und die Gewerkschaften nach Berufen bzw. Bildungsniveau organisiert sind, gibt 73 es so gut wie keine anderen Fach- und Führungskräfteorganisationen. Gleichwohl bestehen so genannte unabhängige Gewerkschaften, die aktiv am System der Arbeitsbeziehungen teilnehmen. > III. Tarifverhandlungen 1. Tarifverhandlungsstruktur Dänemark blickt auf eine lange demokratische Tradition zurück und war eines der ersten industrialisierten kapitalistischen Länder, die ein institutionalisiertes Tarifverhandlungssystem eingeführt haben. 1899 legte der so genannte „September-Kompromiss“ die wichtigsten Elemente dieses Systems fest. 1910 wurde der institutionelle Charakter des Systems durch die Schaffung eines Arbeitsgerichts und die Benennung amtlicher Schlichter für den Arbeitsmarkt verstärkt. Durch diese Neuerungen entstand ein System, das als „dänisches Modell“ bezeichnet wird. Dieses Modell zeichnet sich durch die Institutionalisierung der Konflikte, durch einen hohen gewerkschaftlichen Organisationsgrad und ein etabliertes Kooperationsmodell zur Förderung des Arbeitsfriedens und der Stabilität aus. Das aktuelle Tarifverhandlungssystem in Dänemark umfasst mehrere Verhandlungsebenen und ist durch die Tendenz zu einer „zentralisierten Dezentralisierung“ charakterisiert. Die Tarifvereinbarungen werden vor allem auf Branchenebene abgeschlossen, aber auch auf nationaler und betrieblicher Ebene finden Tarifverhandlungen statt. Bei Tarifverhandlungen auf nationaler Ebene werden getrennte Verhandlungen für den Privatsektor und den öffentlichen Sektor geführt, die zum Abschluss von Rahmenvereinbarungen führen. Anschließend werden Branchentarifverträge abgeschlossen, etwa in der Metallbranche, im Baugewerbe, in der Kommunalverwaltung und so weiter. Schließlich wird auf lokaler, betrieblicher Ebene verhandelt, und Fach- und Führungskräfte haben in der Regel die Möglichkeit, individuell zu verhandeln. Für einige Gruppen von Fach- und Führungskräften gilt auch, dass für sie generell nur individuelle Arbeitsverträge abgeschlossen werden, die getrennt ausgehandelt werden. 74 Das dänische Tarifverhandlungssystem hat sich nicht grundlegend verändert, aber die Entwicklung geht dahin, dass es im Rahmen der Tarifverträge mehr Raum für individuelle Regelungen gibt. Insgesamt gesehen verzeichnet Dänemark nach wie vor eine hohe tarifvertragliche Deckungsrate (über 80 %). [ Dänemark ] 2. Tarifvertragliche Deckungsrate und Trends Die Themen der Tarifverhandlungen wechseln zwar von Zeit zu Zeit, aber im Allgemeinen geht es hauptsächlich um Löhne und Gehälter, Arbeitszeit, Renten und verschiedene Urlaubsregelungen. > IV. Arbeitskämpfe In den letzten Jahren haben sich ruhigere Phasen mit Streikphasen abgewechselt. Im öffentlichen Sektor ist es bei Lohn- und Gehaltsfragen kürzlich zu Spannungen gekommen. Die amtlichen Schlichter spielen eine wichtige Rolle bei der Beilegung von Konflikten. Können sich die Sozialpartner über bestimmte Themen nicht einigen, so rufen sie den amtlichen Schlichter an, um einen Kompromiss zu finden. Die amtlichen Schlichter werden vom Arbeitsministerium - auf Vorschlag des Arbeitsgerichts, in dem die Sozialpartner vertreten sind - ernannt. Das Arbeitsgericht ist unter anderem dafür zuständig, die Rechtmäßigkeit von Arbeitskampfmaßnahmen zu prüfen. > V. Sozialer Dialog Es gibt keine besonderen Gremien, die sich ausschließlich mit fach- und führungskräftespezifischen Fragen befassen. Die am sozialen Dialog beteiligten Parteien beschäftigen sich mit Angelegenheiten, die alle Arbeitnehmer betreffen (zum Beispiel die Qualität des Arbeitslebens). 75 76 [ Kapitel 6 ] Deutschland 77 [ Deutschland ] In Deutschland gibt es 5.578.000 Fach- und Führungskräfte; dies entspricht 16,6% der Arbeitnehmer (Quelle: EUROSTAT, Labour Force Survey 2007). > I. Definition Die Gewerkschaften definieren Fach- und Führungskräfte als Arbeitnehmer mit Hochschul- oder Fachhochschulabschluss oder einer anderen höheren Fachqualifikation. Nach deutschem Arbeitsrecht wird zwischen verschiedenen Arbeitnehmergruppen unterschieden. Wie aus der nachstehenden Darstellung hervorgeht, gibt es nach Tarif bezahlte Angestellte (tarifliche Angestellte), nicht nach Tarif bezahlte Angestellte (außertarifliche Angestellte) und schließlich leitende Angestellte. 78 Tarifliche Angestellte Außertarifliche Angestellte Leitende Angestelte fallen aufgrund ihrer Tätigkeit in den persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags. fallen aufgrund ihrer Tätigkeit nicht in den persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags. sind Angestellte, die nach dem Beschluss/ den Beschlüssen des Wahlvorstands den Sachverhalt von Art. 5 Abs. 3 bzw. im Zweifel von Art. 5 Abs. 4 des Betriebsverfassunggesetzes erfüllen. [ Deutschland ] Angestellte Im Betriebsverfassungsgesetz sind leitende Angestellte als abgegrenzte Arbeitnehmergruppe definiert, die (einen Teil der) Aufgaben eines Arbeitgebers oder Unternehmens wahrnehmen. Leitende Angestellte sind nach diesem Gesetz Personen, die zur „selbständigen Einstellung und Entlassung von (…) Arbeitnehmern berechtigt sind“ oder regelmäßig geschäftsführende Aufgaben wahrnehmen, „die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens (…) von Bedeutung sind“. In der Regel wird das Entgelt für die Einstufung von Angestellten in diese Kategorie verwendet (Gehalt über 118.500 DEM / 60.588 EUR). Leitende Angestellte fallen nicht unter das Betriebsverfassungsgesetz, sondern verfügen über ein eigenes Vertretungsgremium, den Sprecherausschuss Außertarifliche Angestellte sind Angestellte, die in der Regel leitende Positionen innehaben und entweder von den Tarifparteien von vornherein aus dem Geltungsbereich der Tarifverträge ausgeschlossen werden (geborne) oder durch ihren Arbeitsvertrag einen besonderen Status erhalten (gekorne). Bei Angestellten der ersten Kategorie bezieht sich die Definition häufig auf die besondere leitende Stellung. Angestellte der zweiten Kategorie genießen Sonderrechte wie betriebliche Altersversorgung und attraktive Sachleistungen. 79 > II. Gewerkschaftliche Organisationen 1. Gewerkschaften der Fach- und Führungskräfte Dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) gehören acht Mitglieds­ gewerkschaften an: >> Industriegewerkschaft Bauen–Agrar-Umwelt (IG Bau) >> Industriegewerkschaft Metall (IG Metall) (Gewerkschaft der Branchen Metall-Elektro, Textil-Bekleidung und Holz-Kunststoff) >> Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) >> Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) >> Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) >> Gewerkschaft der Polizei (GdP) >> Transnet - Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands >> Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) Als Dachverband vertritt der DGB die deutsche Gewerkschaftsbewegung in den Beziehungen mit der Bundesregierung und den Landesregierungen, den politischen Parteien, den Arbeitgeberverbänden und anderen gesellschaftlichen Gruppen. Ende 2006 zählte der DGB 6,6 Millionen Mitglieder, davon entfallen je 2,3 Millionen auf ver.di und IG Metall, 730.000 auf IG BCE, 370.000 auf IG Bau, je 250.000 auf GEW und TRANSNET, 212.000 auf NGG und 170.000 auf GdP1. Fach- und Führungskräfte sind in allen acht Mitgliedsgewerkschaften des DGB organisiert, aber die meisten von ihnen sind Mitglied der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, die 2001 aus dem Zusammenschluss von fünf Partnergewerkschaften hervorgegangen ist: Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV), Deutsche Postgewerkschaft (DPG), IG Medien (IG Medien), Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) und Deutsche Angestellten-Gewerkschaft (DAG), die 50 Jahre nach ihrer Gründung erstmals in den DGB integriert wurde.2 ver.di vertritt Mitglieder aus mehr als 1.000 Berufen und ist in 13 Fachbereiche gegliedert, darunter Finanzdienstleistungen, Gesundheit, soziale Dienste, 1 http://www.dgb.de 2 „Unified Service Sector Union (ver.di) created”, EIROnline 28.04.2001, http://www.eurofound.europa. eu/eiro/2001/04/feature/de0104220f.htm 80 Außerdem gibt es besondere Interessengemeinschaften, so genannte Personengruppen, von denen zwei hauptsächlich Fach- und Führungskräfte umfassen: die Gruppe “Beamte” und die Gruppe “MeisterInnen, TechnikerInnen, IngenieurInnen“ (MIT). Auf dem Arbeitsprogramm der Personengruppe „Beamte“ im Jahr 2008 stehen Fragen wie berufliche Laufbahn, Beamtenrecht, Weiterbildung, Besoldung und Seminare zu Themen, die für Beamte relevant sind.4 [ Deutschland ] Wohlfahrt und Kirchen, Sozialversicherung, Bildung, Wissenschaft und Forschung, Bund und Länder und Gemeinden.3 2. Andere Organisationen der Fach- und Führungskräfte Es gibt weitere Fach- und Führungskräfteverbände, die bestimmte Berufe repräsentieren, wie etwa den Deutschen Führungskräfteverband (ULA), der leitende Angestellte und außertarifliche Angestellte mit Leistungsverantwortung vertritt. Als Spitzenverband organisiert der Deutsche Führungskräfteverband fünf Berufsverbände mit über 50.000 Führungskräften und bietet seinen Mitgliedern Beratung und Beistand in rechtlichen und anderen Fragen an. ULA vertritt Führungskräfte in den Branchen Chemie, Elektrizität, Metall, Stahl, Dienstleistungen, Energie, Telekommunikation, Landwirtschaft und Versicherungen aber auch deutsche Führungskräfte, die in Spanien arbeiten. Seine angeschlossenen Einzelverbände bieten ihren Mitgliedern auch individuelle Dienstleistungen sowie Beratung und Beistand in rechtlichen und anderen Fragen an.5 > III. Tarifverhandlungen Von ein paar Ausnahmen abgesehen gelten für Fach- und Führungskräfte die tarifvertraglichen Arbeits- und Gehaltsbedingungen des allgemeinen Tarifsystems. Von Tarifverträgen abweichende Sonderbedingungen sind in Deutschland nicht üblich und daher selten. 3 http://www.verdi.de 4 http://www.verdi.de 5 http://www.ula.de 81 Generell genießen auch außertarifliche Angestellte, die meist Fach- und Führungskräfte sind, den in ihrem Unternehmen geltenden tarifvertraglichen Schutz. Allerdings ist die Entgelthöhe für außertarifliche Angestellte nicht direkt tarifvertraglich geregelt. Angestellte mit einem Arbeitsentgelt, das mindestens 20% über der höchsten Entgeltgruppe liegt, gelten als außertarifliche Angestellte. Die Höhe des Gehalts wird im Einzelarbeitsvertrag geregelt. > IV. Arbeitskämpfe 2006 hat die Zahl der Streiks in Deutschland stark zugenommen. Die meisten von ihnen wurden in der Metallindustrie geführt, aber einige auch im öffentlichen Sektor. So ist es zum Beispiel im Gesundheitswesen zu mehreren Warnstreikwellen gekommen, bei denen Ärzte an Universitätskrankenhäusern bessere Gehalts- und Arbeitsbedingungen forderten. Im öffentlichen Dienst wurde ein 14-wöchiger Streik geführt, da die Tarifparteien sich nicht über die im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder festgelegte Arbeitszeit einigen konnten. Und in der Luftfahrt kam es im Zusammenhang mit Gehaltsforderungen zu einigen Warnstreiks und zwei 24-stündigen Arbeitsniederlegungen der Piloten. 82 [ Kapitel 7 ] Estland 83 [ Estland ] In Estland gibt es 157.000 Fach- und Führungskräfte; dies entspricht 26,4 % der Arbeitnehmer (Quelle: EUROSTAT, Labour Force Survey 2007). > I. Definition In Estland haben Fach- und Führungskräfte wie alle anderen Arbeitnehmergruppen das Koalitionsrecht, das Recht auf Abschluss von Tarifverträgen, das Streikrecht und das Recht auf Anhörung und Unterrichtung am Arbeitsplatz. Es gibt keine Definition der Gruppe der Fach- und Führungskräfte. Die Beschäftigten im öffentlichen Sektor haben allerdings nicht das Recht zu streiken oder andere Mittel zur Beilegung und Schlichtung von Konflikten zu ergreifen. Seit 2007 haben Arbeitnehmer im öffentlichen Sektor kein Recht mehr auf Anhörung und Unterrichtung am Arbeitsplatz (neues Arbeitnehmervertretungsrecht vom 01.02.2007), nur Betriebsratsmitglieder haben nach dem „Gewerkschaftsrecht“ solche Rechte. > II. Gewerkschaftliche Organisationen 1. Gewerkschaften der Fach- und Führungskräfte Es gibt zwei große Gewerkschaftsbünde in Estland: der Estnische Gewerkschaftsbund (Eesti Ametiühingute Keskliit – EAKL), der hauptsäch- 84 [ Estland ] lich Arbeiter organisiert, und der Angestelltengewerkschaftsbund (Eesti Teenistujate Ametiliitude Keskorganisatsioon– TALO). Doch diese Aufteilung ist nicht ganz durchgängig, insbesondere im Falle des EAKL, dem beispielsweise eine Gewerkschaft für Bedienstete des Gesundheitssektors angehört.1 Die estnischen Gewerkschaften sind überwiegend nach Branchen organisiert. Abgesehen von ein paar Ausnahmen vertreten die Gewerkschaften somit die Arbeitnehmer der gesamten Branche.2 Zu den wichtigsten Mitgliedsorganisationen des EAKL zählen die Gewerkschaft des Straßenverkehrs (ETTA), die Gewerkschaft der Leichtindustrie (EKTAL), die Gewerkschaft des Energiesektors (EEAÜL) sowie die Gewerkschaft für Metallarbeiter (EMAF). TALO umfasst die Wissenschaftsgewerkschaft (UNIVERSITAS), die Gewerkschaft für Journalisten (EAL) sowie die EHL und die EKJÜ, zwei Gewerkschaften, die Lehrer verschiedener Bildungsstufen vertreten.3 Daneben bestehen kleinere Gewerkschaften, die keinem der größeren Verbände angehören, die aber keine große Rolle spielen und kaum politischen Einfluss haben. 2. Vertretung Der gewerkschaftliche Organisationsgrad in Estland liegt Schätzungen zufolge bei 10 %, der Anteil der gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten im öffentlichen Sektor einschließlich Beamten beträgt 5 %. Es wird jedoch davon ausgegangen, dass der gewerkschaftliche Organisationsgrad in den nächsten fünf Jahren leicht zunehmen wird. 1 Fulton, L. Worker representation in Europe, ETUI/REHS, http://www.worker-participation.eu/national_industrial_relations/countries/estonia 2 “The development and current situation of trade unions”, Eironline 22.10.2003, http://www.eurofound.europa.eu/eiro/2003/08/feature/ee0308101f.htm 3 Fulton, L. Worker representation in Europe, ETUI/REHS, http://www.worker-participation.eu/national_industrial_relations/countries/estonia 85 > III. Tarifverhandlungen In Estland finden Tarifverhandlungen auf drei Ebenen statt: auf der nationalen, der Branchen- und der Unternehmensebene. In der Praxis gilt als wichtigste Ebene das Unternehmen. Bei den meisten estnischen Unternehmen (90 %) handelt es sich allerdings um kleine Betriebe mit weniger als 20 Beschäftigten, die nicht tarifvertraglich abgesichert sind. In gewerkschaftlich organisierten Betrieben vertritt die Gewerkschaft auch die Arbeitnehmer, die nicht Mitglieder der Gewerkschaft sind.4 Trotz der Anstrengungen, mehr Tarifverträge auf Branchenebene abzuschließen, ist die Zahl der Branchentarifvereinbarungen gering. Obgleich Branchenvereinbarungen für allgemeinverbindlich erklärt werden können, wird diese Möglichkeit nur selten in Anspruch genommen. Lediglich in zwei Sektoren, nämlich im Transport- und im Gesundheitssektor, wurden die Vereinbarungen für allgemeinverbindlich erklärt.5 Die Tarifverträge regeln das Arbeitsentgelt und die Arbeitsbedingungen einschließlich Arbeitszeit, Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz und das Vorgehen in Bezug auf Kündigung und garantierte Lohnfortzahlung.6 Bei Tarifverhandlungen wird auch über die Rechte der Vertrauensleute und Urlaubsregelungen verhandelt. In Estland sind Fach- und Führungskräfte nicht durch besondere Tarifverträge abgesichert, sondern durch die geltende Vereinbarung für das Unternehmen oder den Wirtschaftszweig, in dem sie beschäftigt sind. Über die tarifvertragliche Deckungsrate von Fach- und Führungskräften liegen keine Angaben vor, sie wird sich aber voraussichtlich in den nächsten fünf Jahren nicht wesentlich ändern. 4 Fulton, L. Worker representation in Europe, ETUI/REHS, http://www.worker-participation.eu/national_industrial_relations/countries/estonia. “Estonia. Industrial relations profile”, Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen, http://www.eurofound.europa.eu/eiro/country/estonia.pdf 5 Fulton, L. Worker representation in Europe, ETUI/REHS, http://www.worker-participation.eu/national_industrial_relations/countries/estonia. “Estonia. Industrial relations profile”, Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen, http://www.eurofound.europa.eu/eiro/country/estonia.pdf 6 Fulton, L. Worker representation in Europe, ETUI/REHS, http://www.worker-participation.eu/national_industrial_relations/countries/estonia 86 [ Kapitel 8 ] Griechenland [ Griechenland ] In Griechenland gibt es 542.000 Fach- und Führungskräfte; dies entspricht 18,7 % der Arbeitnehmer (Quelle: EUROSTAT, Labour Force Survey 2007). > I. Definition Das griechische Arbeitsrecht unterscheidet weiterhin zwischen Angestellten (ypállilos) und Arbeitern. Die Gerichte wenden eine Standarddefinition der Angestelltenarbeit als „geistige Arbeit“ an, d.h. eine Arbeit, die fachliche Erfahrung und eine theoretische Ausbildung erfordert und Möglichkeiten für Initiative und Übernahme von Verantwortung bietet. Diese Einstufung beruht auf den tatsächlich vom Arbeitnehmer ausgeführten Aufgaben und nicht auf der Bezeichnung seiner Funktion zum Zeitpunkt der Einstellung. Diese Unterscheidung spielt eine Rolle für die praktischen Modalitäten bei Kündigung. Als leitende Angestellte (diefthýnon ypállilos oder stelexos) werden in Griechenland Arbeitnehmer bezeichnet, die eine höhere Position im Unternehmen bekleiden (Position mit Entscheidungsbefugnis, Führungsund Leitungsfunktionen und Ausübung von Arbeitgeberrechten). Leitende Angestellte sind von Arbeitszeit-, Ruhezeiten-, Urlaubs- und Überstundenregelungen ausgeschlossen. Lediglich die generell für andere Arbeitnehmerkategorien geltenden grundlegenden Bedingungen finden auch auf sie Anwendung. Mit Ausnahme der oben genannten leitenden Angestellten genießen Fach- und Führungskräfte nach griechischem Arbeitsrecht keinen be- 88 > [ Griechenland ] sonderen Status. Sie unterliegen wie alle anderen abhängig beschäftigten Arbeitnehmer den allgemeinen arbeitsrechtlichen Vorschriften und Schutzbestimmungen. Die allgemeinen Vorschriften für die gewerkschaftliche Vertretung der Arbeitnehmer sehen keine besonderen Bestimmungen für Fach- und Führungskräfte vor und gelten somit auch für sie. Dennoch ist dies eher eine theoretische Möglichkeit, denn es gibt im griechischen System der Arbeitsbeziehungen keine Fach- und Führungskräftegewerkschaften. II. Gewerkschaftliche Organisationen 1. Gewerkschaften der Fach- und Führungskräfte Gewerkschaften für Fach- und Führungskräfte im eigentlichen Sinne gibt es nicht in Griechenland. Gewerkschaftlich organisierte Fach- und Führungskräfte sind Mitglieder anderer Gewerkschaftsstrukturen. Das griechische Gewerkschaftswesen ist pyramidenförmig aufgebaut und umfasst drei Organisationsebenen: die erste Ebene bilden Betriebs-, Regional- und Berufsgewerkschaften, die zweite Ebene die so genannten Arbeitnehmerzentren und –verbände und die dritte Ebene bilden Gewerkschaftsbünde wie GSEE und ADEDY. Im Tarifverhandlungssystem wird zwischen folgenden zwei Arten von Gewerkschaften unterschieden: >> „Transversale Gewerkschaften“, d.h. Berufsgewerkschaften, die Arbeitnehmer einer der vielen fachlichen, technischen und anderen beruflichen Kategorien in allen Wirtschaftszweigen organisieren. >> „Vertikale Gewerkschaften“, d.h. Branchengewerkschaften, die in der Produktion tätige Arbeitnehmer sowie Arbeitnehmer anderer beruflicher Kategorien in einem Wirtschaftszweig organisieren. Auf der höchsten Ebene sind die griechischen Gewerkschaften in zwei Gewerkschaftsbünden organisiert: >> Dem Allgemeinen Griechischen Gewerkschaftsbund (GSEE), der 1918 gegründet wurde, gehören alle Gewerkschaften an, die Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft organisieren (62 Gewerkschaftsverbände und 75 Arbeitnehmerzentren mit insgesamt 450.000 Mitgliedern) (Stand: 2005). >> Dem Dachverband der Gewerkschaften im öffentlichen Dienst (ADEDY), der 1947 gegründet wurde, gehören die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes an. ADEDY umfasst drei Organisationsebenen – einzelne Beamtengewerkschaften (erste Ebene), die sich zu Verbänden (zweite Ebene) zu89 sammenschließen, die schließlich dem Gewerkschaftsbund (dritte Ebene) angehören. ADEDY umfasst 1.264 Einzelgewerkschaften, die in 52 Verbänden organisiert sind und insgesamt 240.709 wahlberechtigte Mitglieder zählen (Stand: 2005). Ein wesentliches Merkmal des griechischen Gewerkschaftswesens besteht darin, dass die Gewerkschaftsstrukturen der ersten und zweiten Ebene (Einzelgewerkschaften und Verbände) äußerst zersplittert sind. Es liegen keine verlässlichen Daten über den gewerkschaftlichen Organisationsgrad von Fach- und Führungskräften in Griechenland vor. Schätzungen gehen davon aus, dass 50.000 Mitglieder des GSEE Fachund Führungskräfte sind, und dass der ADEDY rund 30.000 Fach- und Führungskräfte unter seinen Mitgliedern zählt. In bestimmten Branchen wie Banken, Metallindustrie, Telekommunikation und chemische Industrie sind sie gewerkschaftlich stärker vertreten. Außerdem gibt es Berufsgewerkschaften, denen mehrheitlich Fach- und Führungskräfte angehören, etwa Verbände von Buchführungs- und Wirtschaftsfachleuten. 2. Vertretung Da Fach- und Führungskräfte in Griechenland nicht als eigenständige Gruppe im System der Arbeitsbeziehungen anerkannt werden, gibt es auch keinen Wettbewerb zwischen den Gewerkschaften, um diese zu vertreten. Wenn es zu Rivalitäten oder Spannungen kommt, dann eher innerhalb der Gewerkschaften, im Zusammenhang mit Entscheidungen über Verhandlungsprioritäten oder politische Strategien. Es sind jedoch latente Spannungen, die meist nicht offen zu Tage treten. In Betriebsgewerkschaften beispielsweise bestimmt die Mehrheit der Arbeiter und Angestellten die gewerkschaftlichen Forderungen und dadurch werden spezifische Forderungen der Fach- und Führungskräfte zuweilen übergangen oder abgeschwächt. Die lokalen Gewerkschaften der „ersten Ebene“ stellen die wichtigste Form der Arbeitnehmervertretung in Griechenland dar. Sie verfügen über klare gesetzliche Rechte im Bereich der Unterrichtung, Anhörung und Verhandlung. Es gibt jedoch auf Betriebsebene keine speziellen Wahlen für Vertreter der Fach- und Führungskräfte; sie stimmen zusammen mit allen anderen Arbeitnehmern ab. Das Gesetz sieht ferner eine Betriebsratsstruktur vor. In der Praxis haben allerdings nur wenige Unternehmen Betriebsräte eingerichtet, und diese arbeiten eng mit der örtlichen Gewerkschaft zusammen. 90 Gewerkschaftsaktivitäten und -dienstleistungen werden im Rahmen der allgemeinen Tätigkeiten der betreffenden Gewerkschaften organisiert. > [ Griechenland ] 3. Gewerkschaftsaktivitäten und -dienstleistungen III. Tarifverhandlungen 1. Tarifverhandlungsstruktur Vor 1990 war das griechische System der Arbeitsbeziehungen stark durch den staatlichen Interventionismus bei der Lösung von Tarifkonflikten und der Regelung der Arbeitsbeziehungen geprägt. Zwischen den Sozialpartnern herrschten große Spannungen, es gab keinen sozialen Dialog und das System der Tarifverhandlungen stützte sich weitgehend auf Schlichtungszwang. 1990 wurde ein wirksamer gesetzlicher Rahmen für Tarifverhandlungen eingeführt (Gesetz 1876/1990 für den Privatsektor). Durch das neue Gesetz wurden staatliche Eingriffe in Tarifverhandlungen abgeschafft und ein Dialog- und Einigungsverfahren zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen eingeführt, um den Abschluss von Tarifverträgen und die Beilegung von Arbeitsstreitigkeiten zu regeln. Das Gesetz unterstützt und ermutigt die Tarifparteien (individuelle Arbeitgeber oder Arbeitgeberorganisationen einerseits und Gewerkschaften andererseits), ihre Konflikte durch Dialog und eine formale Einigung oder Vereinbarung beizulegen. 1992 wurde der Schlichtungs- und Vermittlungsdienst (OMED) errichtet. Diese unabhängige, nicht gewinnorientierte Organisation bietet objektive und zuverlässige Schlichtungs- und Vermittlungsdienstleistungen an, um den Abschluss von Tarifverträgen zu erleichtern (EIRO 1998). Der OMED und seine Tätigkeiten bilden den Grundpfeiler des neuen Systems der kollektiven Arbeitsbeziehungen, das an die Stelle des früheren staatlichen Interventionismus bei der Lösung von Konflikten getreten ist. Das Gesetz unterscheidet folgende Kategorien nationaler Tarifverträge: >> Der nationale allgemeine Tarifvertrag (EGSSE) legt landesweit geltende Mindestlöhne und –gehälter fest und wird vom GSEE auf Gewerkschaftsseite und von SEB, GSEBEE und ESEE auf Arbeitgeberseite unterzeichnet. >> Branchentarifverträge gelten für Arbeitnehmer vieler Unternehmen ähnlicher oder verwandter Wirtschaftszweige oder Branchen und wird von den Branchenverbänden der Arbeitgeber und Arbeitnehmer unterzeichnet. 91 >> Unternehmenstarifverträge werden für die Arbeitnehmer eines Unternehmens abgeschlossen und von der Gewerkschaft auf Unternehmens- oder Betriebsebene sowie von der Geschäftsleitung unterzeichnet. Außerdem werden auf nationaler und lokaler bzw. regionaler Ebene Berufstarifverträge abgeschlossen, die für Arbeitnehmer eines bestimmten Berufs gelten und von Arbeitgeberverbänden und Berufsgewerkschaften unterzeichnet werden. Lohnverhandlungen finden vor allem auf nationaler und Branchenebene statt, aber auch auf Unternehmensebene wird über Löhne und Gehälter verhandelt. In der Regel haben Tarifverträge eine Laufzeit von zwei Jahren. Im nationalen Tarifverhandlungssystem Griechenlands spielen landesweit geltende Branchen- und Berufstarifverträge, also nicht fach- und führungskräftespezifische Vereinbarungen, die wichtigste Rolle. Die Vertretung der Fach- und Führungskräfte bei Tarifverhandlungen wird vor allem durch die Branchengewerkschaften sichergestellt. In Griechenland hat die Zahl der auf Unternehmensebene abgeschlossenen Tarifvereinbarungen zugenommen. Die Interessenvertretung der Fach- und Führungskräfte erfolgt somit in unterschiedlichen Verhandlungskontexten, aber sie scheint kein wichtiger Faktor in diesen Prozessen zu sein. In manchen Branchen ist dies anders, so versuchen beispielsweise die Ingenieure in der verarbeitenden Industrie ein getrenntes Verhandlungsgremium einzurichten, aber bislang ohne Erfolg. 2. Tarifvertragliche Deckungsrate und Trends Tarifverträge gelten im Allgemeinen für alle Arbeitnehmer in Griechenland. Fach- und Führungskräfte, die in der Regel als Angestellte eingestuft werden, fallen in den Geltungsbereich des betrieblichen und nationalen Tarifvertrags. Über die tarifvertragliche Deckungsrate in Griechenland liegen kaum Informationen vor. Schätzungen zufolge dürften zwei Drittel der griechischen Arbeitnehmer tarifvertraglich abgesichert sein. In Anbetracht der Art der Gewerkschaften, die diese Verträge unterzeichnen, und der Branchen/Berufe, für welche die Tarifverträge abgeschlossen werden, 92 Das wichtigste Thema bei Tarifverhandlungen sind Löhne und Gehälter, was auch für die Teile der Verhandlungen gelten dürfte, die Fach- und Führungskräfte betreffen. [ Griechenland ] wird allgemein davon ausgegangen, dass die tarifvertragliche Deckungsrate bei Fach- und Führungskräften unter dem Durchschnitt liegt. Allgemein ist ein Trend zu mehr Verhandlungen auf Unternehmens-/ Betriebsebene zu beobachten. > IV. Arbeitskämpfe Insgesamt gesehen nimmt die Zahl der Streiks ab. Es gibt jedoch Konflikte und Streiks im Zusammenhang mit bestimmten Aspekten der sozialen Sicherheit, die auch für Fach- und Führungskräfte oder gewisse Gruppen von ihnen (wie Ingenieure oder andere Fachleute) relevant sind. Diese Spannungen werden hauptsächlich durch Regierungsinitiativen zur Reformierung des Rentensystems ausgelöst. Viele Berufsgruppen verfügen über getrennte Rentenkassen, und die Versuche der Regierung, Änderungen in diesem Bereich vorzunehmen, führen zu Konflikten. > V. Sozialer Dialog Es gibt keine dreigliedrigen Verhandlungsgremien speziell für Fach- und Führungskräfte. Nach dem EU-Beitritt wurden in den 90er Jahren verschiedene erfolgreiche und erfolglose Versuche unternommen, um Verfahren für die dreigliedrige Konzertierung und Koordinierung der Beschäftigungs- und Sozialpolitik einzuführen. Die politische Konzertierung in Griechenland bezieht sich hauptsächlich auf die Bereiche Beschäftigungspolitik (mit dem Ziel, die Frauenerwerbsquote zu steigern, die Jugendarbeitslosigkeit zu verringern und flexiblere Arbeitsverträge und Arbeitszeitregelungen einzuführen), das System der allgemeinen und beruflichen Bildung, Reformen des Systems der sozialen Sicherheit und Einwanderungspolitik. 93 Zur Förderung dieses sozialen Dialogs wurde auf zentraler Ebene der Wirtschafts- und Sozialausschuss (OKE) nach dem Vorbild des Wirtschaftsund Sozialausschusses der EU errichtet. Der OKE beruht auf der dreigliedrigen Interessenvertretung der Arbeitgeber, der Arbeitnehmer und einer dritten Gruppe (Landwirte, Selbständige, Kommunalregierungen und Verbraucher), deren Zusammensetzung je nach behandeltem Thema variiert. Mittlerweile gibt es in den oben genannten Bereichen der Konzertierung eine Reihe von dreigliedrigen Gremien wie OAED, LAEK, EKEPIS, ESEEKA und die regionalen Ausschüsse für Sozialkontrolle der Arbeitsaufsichtsbehörden. 94 [ Kapitel 9 ] Spanien 95 [ Spanien ] In Spanien gibt es 2.556.000 Fach- und Führungskräfte; dies entspricht 15,2 % der Arbeitnehmer (Quelle: EUROSTAT, Labour Force Survey 2007). > I. Definition Die arbeitsrechtlichen Bestimmungen in Spanien beziehen sich auf Tätigkeiten und Ausbildungen, die notwendig sind, um derartige Positionen zu bekleiden. Das spanische Arbeitsrecht umfasst keine spezifische Definition des Begriffs „Fach- und Führungskräfte“. Fach- und Führungskräfte stellen lediglich bei Gewerkschaftswahlen eine bestimmte Kategorie dar. Bei diesen Wahlen können drei Wahlkollegien eingerichtet werden: eines für Beschäftigte ohne Qualifikation, eines für Verwaltungs- und technische Angestellte und ein drittes Wahlkollegium für Beschäftigte mit Hochschulabschluss (siehe unten Punkt II.2). Für Führungskräfte gibt es ein Gesetz über „Personen der hohen Führungsebene“ (personas de alta dirección), wonach diese von gewerkschaftlicher Unterstützung ausgeschlossen sind. Für sie gilt nicht das Arbeitnehmerstatut (Estatuto de los Trabajadores), sondern eine andere rechtliche Regelung. Angesichts der höchsten Anweisungsbefugnisse, welche die Unternehmen ihnen übertragen müssen, ist die Anzahl dieser Führungskräfte der höchsten Ebene begrenzt. Insofern und mit Ausnahme der oben erwähnten „Personen der hohen Führungsebene“ werden die meisten Fach- und Führungskräfte arbeitsrechtlich 96 > [ Spanien ] wie andere abhängig beschäftigte Arbeitnehmer behandelt. Sie sind wie alle anderen Arbeitnehmer durch das allgemeine spanische Arbeitsrecht abgesichert. II. Gewerkschaftliche Organisationen 1. Gewerkschaften der Fach- und Führungskräfte Es gibt zwei große Gewerkschaftsbünde, die die überwiegende Mehrheit der spanischen Arbeitnehmer vertreten, weniger was die Zahl der Mitglieder angeht als hinsichtlich der gewerkschaftlichen Unterstützung: Die Allgemeine Arbeiterunion (UGT) und der Gewerkschaftsbund der Arbeiterkommissionen (CC.OO). Beide Dachverbände zählen rund eine Million Mitglieder. Aber auch auf regionaler Ebene bestehen wichtige Gewerkschaften (zum Beispiel im Baskenland oder in Galizien). Außerdem gibt es große Gewerkschaften im öffentlichen Sektor. UGT und CC.OO. haben beide besondere Strukturen für Fach- und Führungskräfte geschaffen: >> UGT: Gewerkschaft der Techniker und Führungskräfte (Unión de Técnicos y Cuadros, UTC) >> CC.OO.: Fachbereich Techniker, Fach- und Führungskräfte (Profesionales, Técnicos y Cuadros, PTC). Die Struktur der UGT ist wesentlich besser als eigenständiger Bereich entwickelt und anerkannt. In Spanien besteht auch ein Gewerkschaftsbund der Führungskräfte (Confede­ ración de Cuadros), dem vor allem Arbeitnehmer aus dem Banksektor und einigen Unternehmen des Dienstleistungssektor und der Energiewirtschaft angehören. Daneben gibt es Branchengewerkschaften, die bestimmte Gruppen von Fachund Führungskräften vertreten, zum Beispiel Piloten, Ärzte, Krankenpfleger, Hochschullehrer usw. 97 2. Vertretung Nach der Zeit des Übergangs zur Demokratie in den siebziger Jahren, die durch ein vielfältiges und pluralistisches Gewerkschaftswesen gekennzeichnet war, nehmen UGT und CC.OO heute in Spanien eine vorherrschende Position ein und werden auf nationaler Ebene als „wirklich“ repräsentative Gewerkschaftsbünde anerkannt. Je nachdem, welche Arbeitnehmer die verschiedenen Gewerkschafts­ organisationen vertreten und welche Strategie sie verfolgen, insbesondere welche Bedeutung sie den spezifischen Problemen von Fach- und Führungskräfte einräumen, kommt es zu Rivalitäten und Wettbewerb zwischen den Gewerkschaften im Zusammenhang mit dem Recht, Tarifverträge abzuschließen. Hohe Führungskräfte (Alta Dirección) nehmen nicht an den Wahlen für Betriebsräte oder Arbeitnehmervertreter auf betrieblicher Ebene (gesetzliche Arbeitnehmervertretung) teil, können aber jeder Gewerkschaft beitreten (gewerkschaftliche Arbeitnehmervertretung). Für diejenigen Fachund Führungskräfte, in deren Arbeitsvertrag kein Bezug auf die hohe Führungsebene genommen wird, gelten dieselben Bestimmungen für die Arbeitnehmervertretung wie für die anderen Beschäftigten. In Unternehmen mit mehr als 50 Arbeitnehmern sind jedoch zwei Wahlkollegien einzurichten, eines für technische und Verwaltungsangestellte, das andere für Fach- und nicht qualifizierte Arbeiter. Nach dem Gesetz kann „entsprechend der beruflichen Zusammensetzung des Wirtschaftszweigs oder Unternehmens“ ein drittes Wahlkollegium gebildet werden. Obgleich die Fach- und Führungskräftegewerkschaften stets die Einrichtung dieses dritten Wahlkollegiums fordern, hat sich die Zahl dieser Kollegien in der Praxis kaum entwickelt. In der Regel nehmen die Fach- und Führungskräfte im Kollegium der technischen und Verwaltungsangestellten an den Wahlen teil. Der Betriebsrat setzt sich somit aus Mitgliedern zusammen, die von den beiden Wahlkollegien gewählt wurden. Bei Gewerkschaftswahlen auf betrieblicher Ebene können auch andere autonome Organisationen als Gewerkschaften (für das zweite oder dritte Kollegium) gewählt werden. Unternehmensausschüsse und Gewerkschaftsdelegationen werden gesetzlich nur in ihrer Gesamtheit als Vertretungsgremien anerkannt; Gewerkschaftsfraktionen können nicht eigenständig auftreten/handeln. 98 Die Verhandlungs- und Vertretungsbefugnisse der UGT und des CC.OO betreffen alle Aspekte, die für Arbeitnehmer von Belang sind: Löhne und Gehälter, Arbeitszeit, Ausbildung, Beschäftigung, Renten und soziale Dienstleistungen. Fach- und Führungskräften wird wie den anderen Gewerkschaftsmitgliedern auch Rechtsbeistand angeboten. Im Rahmen ihrer Tätigkeiten für Fach- und Führungskräfte befassen sich die Gewerkschaften im Allgemeinen eingehender mit den Folgen der neuen Technologien und mit anderen Bereichen, die für Fach- und Führungskräfte besonders wichtig sind, wie etwa Zusatzrenten oder Mobilität in Europa. [ Spanien ] 3. Gewerkschaftsaktivitäten und -dienstleistungen 4. Andere Organisationen der Fach- und Führungskräfte Berufliche Organisationen wie Berufskammern (Colegios Profesionales) spielen in Spanien ebenfalls eine wichtige institutionelle Rolle. Allerdings sind sie nicht tariffähig und können daher keine Tarifverträge für die Arbeitnehmer, auch nicht für Fach- und Führungskräfte unterzeichnen. Dafür stellen sie Informationen unter anderem zur beruflichen Entwicklung für ihre Mitglieder bereit. Zwischen Berufsverbänden und Gewerkschaften bestehen nur wenige Verbindungen, aber auch keine Rivalitäten. > III. Tarifverhandlungen 1. Tarifverhandlungsstruktur Die spanische Tarifverhandlungsstruktur ist in hohem Maße zersplittert. Es gibt eine äußerst hohe Zahl von Tarifverträgen – über 4000 –-, die im Rahmen eines dezentralisierten Systems ausgehandelt werden. So gibt es Tarifverträge auf betrieblicher Ebene, auf Ebene von Unternehmensgruppen sowie Branchentarifverträge auf Provinz- oder Landesebene. Für Fach- und Führungskräfte gibt es keine besondere Ebene oder Form der Tarifverhandlungen. Tarifverhandlungen werden global für alle Arbeitnehmer geführt. Die spanische Gesetzgebung beinhaltet klare Bestimmungen zum Schutz der Repräsentativität der Gewerkschaften; die „repräsentativsten“ landesweiten Gewerkschaften nehmen daher stets eine vorherrschende Stellung im Hinblick auf die Tariffähigkeit ein. Auf Branchenebene können auch ande99 re repräsentative Gewerkschaften (und Unternehmen) an Tarifverhandlungen teilnehmen, insbesondere die oben erwähnten Gewerkschaften, die bestimmte Fach- und Führungskräfte vertreten. Daneben werden in einigen Sektoren für bestimmte Arbeitnehmergruppen Verhandlungen geführt und spezifische Vereinbarungen (convenios franja) abgeschlossen, die nur für die betreffende Gruppe von Arbeitnehmern (z.B. Piloten) gelten, aber stets im Rahmen eines allgemeinen Tarifvertrags. 2. Tarifvertragliche Deckungsrate und Trends Spanien weist eine hohe tarifvertragliche Deckungsrate auf: 81% aller Arbeitnehmer waren 2001 tarifvertraglich abgesichert. Dies liegt nicht nur an der äußert hohen Anzahl der Tarifverträge, sondern vor allem daran, dass, wie in anderen westeuropäischen Ländern auch, Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklärt werden. Es ist relativ leicht in Spanien, einen Tarifvertrag, der in einem Unternehmen oder Sektor ausgehandelt wurde, auf andere Unternehmen oder einen verwandten Sektor auszuweiten. Das Arbeitsministerium oder die entsprechende Stelle auf Regionalebene erklärt einen Tarifvertrag für allgemeinverbindlich für Gruppen von Unternehmen, für Sektoren oder Teilsektoren, in denen keine legitimen Parteien vorhanden sind, um sich einem solchen Vertrag anzuschließen (und es nicht möglich ist, einen eigenen Vertrag abzuschließen). Das Ministerium geht dabei auf Antrag der repräsentativen Gewerkschafts- oder Arbeitgeberorganisationen des betroffenen Sektors oder der betroffenen Unternehmen vor. In den letzten Jahren haben sich die Tarifverhandlungen unter anderem auf folgende Themen konzentriert: Stress am Arbeitsplatz, Arbeitszeit, Vereinbarung von Arbeits- und Familienleben, Telearbeit und soziale Verantwortung der Unternehmen. > IV. Arbeitskämpfe Es hat zwar Arbeitskämpfe gegeben, die speziell Fach- und Führungskräfte, vor allem Piloten und Ärzte betrafen, aber nicht viele. Am 10. Juli 2006 sind die Piloten von Iberia in Streik getreten, um den Erhalt ihrer Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen zu erkämpfen, nachdem das Unternehmen angekündigt hatte, eine neue Billigfluggesellschaft gründen 100 [ Spanien ] zu wollen. Bei dem Treffen mit Iberia am ersten Streiktag lehnten die Piloten den ersten Vorschlag des Unternehmens mit der Begründung ab, dass er keine neuen Maßnahmen beinhalte und dass bei dem Treffen kein leitender Angestellter von Iberia teilgenommen habe. Dennoch wurde der Streik am 12. Juli, nachdem er für illegal erklärt worden war, beendet. Daraufhin akzeptierten die Piloten den ursprünglichen Vorschlag, den das Unternehmen am 11. Juli erneut vorgelegt hatte. Zwischen Ende März und Anfang Mai 2006 riefen die katalanischen Ärzte eine Reihe von eintägigen Streiks aus. Anlass war der Streit über mehrere beruflich relevante Fragen wie Arbeitszeitregelung, Gehaltserhöhungen, Tarifverhandlungen und die Reglementierung des Arztberufs. > V. Sozialer Dialog Es gibt keine tripartiten Verhandlungsgremien speziell nur für Fach- und Führungskräfte. Dennoch ist es in den letzten Jahren im spanischen System der Arbeitsbeziehungen zu einer Wiederbelebung des sozialen Dialogs und der Konzertierung auf nationaler Ebene gekommen (so wurden mehrere branchenübergreifende und landesweit gültige Abkommen abgeschlossen - Acuerdos para la Negociación Colectiva, ANC). Bei den diesbezüglichen Gesprächen und Vereinbarungen (zum Beispiel im Dezember 2007 über die soziale Verantwortung der Unternehmen) wurden auch Themen behandelt, die für Fach- und Führungskräfte von großem Interesse sind. Die Sozialpartner auf nationaler Ebene sind ferner an verschiedenen anerkannten Lenkungsund Beratungsgremien in einer Vielzahl unterschiedlicher Politikbereiche beteiligt. Tabelle 1: Die wichtigsten institutionalisierten Gremien für die soziale Konzertierung, die eine beratende Funktion ausüben (2004) INEM Nationales Institut für Beschäftigung Beschäftigungspolitik FORCEM Berufliche Fort- und Weiterbildung Berufsbildung CES Wirtschafts- und Sozialrat Wirtschafts- und Sozialpolitik 101 Im spanischen System des sozialen Dialogs ist es heute auch üblich, Pakte für Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit auf regionaler Ebene abzuschließen. In den jüngsten Jahren wurden solche Pakte in Andalusien, Katalonien und in der Region Madrid unterzeichnet. 102 [ Kapitel 10 ] Frankreich 103 [ Frankreich ] In Frankreich gibt es 4.279.000 Fach- und Führungskräfte; dies entspricht 18,7 % der Arbeitnehmer (Quelle: EUROSTAT, Labour Force Survey 2007). > I. Definition Der französische Begriff für Fach- und Führungskräfte im Sinne der Arbeitsbeziehungen lautet cadres. Er bezeichnet eine spezielle Art des Beschäftigungsverhältnisses bzw. der arbeitsrechtlichen Stellung. Im französischen Arbeitsrecht gibt es jedoch keine allgemeine Definition des Cadre-Status: Der Begriff ist weder durch Status, Bildungsabschluss, Tätigkeitsbeschreibung noch durch eine soziale Gruppe genau einzugrenzen. 1. Klassifizierungen gemäSS den wichtigsten Institutionen Zur Veranschaulichung, wofür der Beschäftigungsstatus cadres steht, gehen wir auf 3 Definitionen verschiedener Institutionen zur Kategorisierung der Gruppe näher ein. Wir beginnen mit dem nationalen Amt für Statistik, INSEE, das sich auf folgende Kategorisierung stützt. Cadres et professions intellectuelles supérieures (Kategorie 32 und 36 der Gruppe 3) bezieht sich auf cadres (siehe Tabelle). AGIRC, die für die Gruppe der cadres eingerichtete Zusatzversorgungskasse, unterscheidet zwischen 3 Arten von „Beitragszahlern“ (siehe Tabelle). APEC, die Arbeitsvermittlung für cadres unterteilt die Gruppe der cadres in 5 Berufsprofile und 2 allgemeine Kategorien (siehe Tabelle). 104 Nomenklatur Beschreibung INSEE (Amt für Statistik) Kategorie 32: Cadres de la fonction publique, professions intellectuelles et artistiques 33. Fach und Führungskräfte im öffentlichen Sektor 34. Professoren 35. Fach- und Führungskräfte in der Information, Kunst und Unterhaltung Kategorie 36: Cadres d’entreprise 37. Fach -und Führungskräfte in Wirtschaft und Verwaltung 38. Fach -und Führungskräfte in Wissenschaft und im Ingenieurwesen [ Frankreich ] Tabelle: HAUPTKLASSIFIZIERUNGEN von cadres in Frankreich AGIRC Beitragszahler gemäß Artikel 4 Cadres im Sinne des Tarifvertrags Beitragszahler gemäß Artikel 4bis Mit cadres gleichgestellte Arbeitnehmer, Techniker und Industriemeister (assimilés cadres) bzw. Techniker und gleichrangige nichttechnische Berufe (professions intermédiaires) Beitragszahler gemäß Artikel 36 Mitarbeiter mit Meisterfunktion (collaborateurs), aber hierarchisch unter den Arbeitnehmern gemäß Artikel 4bis. APEC Höhere leitende cadres 1. Cadres mit Linienfunktion Verantwortlich für eine Einrichtung, Einheit, Betriebsstätte oder Sparte; Führungsfunktion (encadrement) gegenüber einer oder mehreren Personen bzw. kleinen oder großen Gruppen. Sie üben eine Aufsichtsfunktion aus und werden beaufsichtigt. 2. Projektleiter Ihre Aufgabe ist es, ein Projekt oder ein Team zu leiten; verantwortlich für übergreifende Prozesse (Planung, Fristen, Endprodukte usw.). Sie mobilisieren Ressourcen (personelle und finanzielle Mittel), die nicht unter ihre direkte Verantwortung fallen. 105 Fachkräfte (cadres professionnels) 3. Leitende Angestellte Mitglieder der Hauptgeschäftsführung; in der Privatwirtschaft in direktem Kontakt mit den Anteilseignern. 4. Operative cadres Arbeiten unter Aufsicht einer Führungskraft mit Linienfunktion (cadre hiérarchique); verfügen über eingeschränkte Autonomie, sind aber spezialisiert. Beispiele: Informatiker, Betriebsingenieure, kaufmännische cadres, Juniorberater. 5. Spezialisten Sachverständige in ihrem Tätigkeitsbereich; autonome und hochqualifizierte Tätigkeit; erfahrene Ingenieure, Architekten, Topverkäufer, Seniorberater. 2. Kontextabhängigkeit als allgemeine Regel Obgleich die Klassifizierungen erahnen lassen, für was der Begriff cadres im Sinne einer beruflichen Kategorie steht, hängt die im Einzelfall anwendbare Definition vom sektoralen/betrieblichen Rahmen gemäß Tarifvertrag (Privatwirtschaft) oder gesetzlichen Bestimmungen (öffentlicher Sektor) ab. Privatwirtschaft In der Privatwirtschaft legen die Tarifverträge fest, was Führungskräfte auszeichnet, und das sind in erster Linie ein Hochschulabschluss oder anderweitig erworbene gleichwertige Kenntnisse. Sonstige Aspekte, die gemäß den Tarifverträgen in unterschiedlichem Ausmaß berücksichtigt werden können, sind: die Ausübung einer Weisungsbefugnis (Führungskräfte ohne Aufsichtsfunktion werden jedoch als gleichwertig eingestuft), besondere Kompetenzen (insbesondere Autonomie, Initiativspielraum, Macht) und der Verantwortungsumfang. Je nach Sektor oder Berufssparte können die Rahmenbedingungen der Klassifizierungen leicht variieren. AGIRC, die für Fach- und Führungskräfte eingerichtete Zusatzversorgungskasse, verwendet intern die Begriffe „Beitragszahler gemäß Artikel 4“ (cadres im Sinne des Tarifvertrags), „Beitragszahler gemäß Artikel 4bis“ (gleichgestellte Angestellte, Techniker und Industriemeister bzw. assimilés cadres/professions intermédiaires) und „Beitragszahler gemäß Artikel 36“ sogenannte colla106 Öffentlicher Sektor [ Frankreich ] borateurs (Mitarbeiter mit Meisterfunktion, aber auf einer hierarchisch niedrigeren Ebene als die Beitragszahler (cotisants) gemäß Artikel 4bis). Im öffentlichen Dienst umfassen die Laufbahngruppen der Kategorie A, mit Ausnahme der Lehrkräfte, die Tätigkeiten Planung, Leitung, Aufsicht, Expertise oder Kontrolle. Grundvoraussetzung zur Teilnahme an den externen Auswahlverfahren ist der Erwerb des Studienabschlusses Licence (Bachelor). Die Realität sieht derzeit jedoch so aus, dass der Großteil der erfolgreichen Bewerber ein Bildungsniveau von Bac+5 (Abitur + 5 Studienjahre) oder mehr vorweisen kann. 3. Arbeitsrechtliche Schlüsselbestimmungen Zwei arbeitsrechtliche Themen sind von besonderer Bedeutung. Bezüglich der Arbeitnehmermitbestimmung Frankreich verfügt über ein Betriebsratssystem. Das Wahlsystem nennt im Zusammenhang mit der Bildung von Wählergruppen auch die Kategorie der cadres. Cadres können auch bezüglich des Conseil de Prud’hommes als eigenständige Kategorie gelten. Dieses traditionelle Arbeitsgericht verfügt über die ausschließliche Zuständigkeit für individuelle Streitfälle, die aus einem Beschäftigungsverhältnis herrühren. Eine Besonderheit dieses erstinstanzlichen Arbeitsgerichts ist die streng paritätische Zusammensetzung. Die Mitglieder (Richter) werden je zur Hälfte von Arbeitnehmern und Arbeitgebern gewählt. Mit dem Gesetz vom 18. Januar 1979, der sogenannten BOULINReform, wurde in diesen Arbeitsschiedsausschüssen eine Fachsektion für die salariés de l’encadrement eingerichtet. Die Reform sollte besser auf die Besonderheiten des Beschäftigungsstatus der cadres eingehen, was dann auch zum Abschluss spezieller Tarifverträge führte. Bezüglich Arbeitszeit Für die Fach- und Führungskräfte gelten spezielle arbeitszeitrechtliche Bestimmungen. Dabei wird wie nachstehend erläutert zwischen drei Kategorien von Fach- und Führungskräften unterschieden: >> Leitende Fach- und Führungskräfte (cadres dirigeants) erfüllen die folgenden drei Kriterien: 107 -- verantwortungsvolle Aufgaben, die ein hohes Maß an Unabhängigkeit für die Festlegung ihres Arbeitszeitrahmens voraussetzen; -- Befugnisse, um autonom Entscheidungen zu treffen; -- Vergütung im obersten Bereich des Unternehmens. Diese leitenden Angestellten sind meist im Leitungsgremium des Unternehmens vertreten und fallen nicht unter die gesetzliche Arbeitszeitregelung. >> Leitende Angestellte, die in die betriebliche Arbeitszeitregelung ihrer Abteilung eingebunden sind (cadres intégrés). Ihre Arbeitszeit wird gesetzlich begrenzt. >> Die letzte aus zwei Unterkategorien bestehende Gruppe bilden die übrigen höheren Angestellten (autres cadres): -- Als autonome Fach- und Führungskräfte (cadres autonomes) gelten höhere Angestellte mit entsprechendem Status (statut cadre) gemäß Tarifvertrag, die weder zu den leitenden (cadres dirigeants) noch zu den eingebundenen Fach- und Führungskräften (cadres intégrés) zählen. Sie verfügen über ein gewisses Maß an Arbeitszeitautonomie und ihre funktionsbedingten Arbeitszeitvereinbarungen können von der kollektiven Arbeitszeitregelung abweichen. Diese Fach- und Führungskräfte unterliegen zwar der gesetzlichen Arbeitszeitregelung, können jedoch Pauschalvereinbarungen (forfaits) bezüglich der Arbeitsvergütung abschließen, vorausgesetzt der für das Unternehmen geltende Tarifvertrag sieht individuelle Pauschalvereinbarungen für diese Kategorie von Fach- und Führungskräften vor. Solche Vereinbarungen können bezüglich einer Anzahl von Arbeitsstunden oder -tagen (bis zum Inkrafttreten des neuen Gesetzes im August 2008 höchstens 218 Tage) auf Jahres- (nur für stundenbasierte Vereinbarungen), Monats- oder sogar Wochenbasis geschlossen werden. -- Als nicht-autonome Fach- und Führungskräfte (cadres intermédiaires nonautonomes) gelten diejenigen, die hinsichtlich ihrer besonderen Aufgabenbereiche andere Arbeitszeiten haben als die Arbeitnehmer, die den auf Betriebsebene geltenden Arbeitszeitregelungen unterliegen, deren Grad an Autonomie jedoch nicht ausreicht, um als autonome Fach- und Führungskräfte zu gelten. Für diese Kategorie der Fach- und Führungskräfte können (auf der Grundlage einer festgelegten Anzahl von Stunden pro Woche, Monat oder Jahr) verschiedene Arten von Pauschalvereinbarungen bezüglich der Arbeitsvergütung getroffen werden. Die Einführung stundenbasierter Pauschalvereinbarungen ist jedoch nur zulässig, wenn diese Möglichkeit durch einen Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung vorgesehen ist. 108 Es gibt keine gesetzlichen Einschränkungen bezüglich des Koalitions- bzw. Streikrechts für die Fach- und Führungskräfte. Tarifverträge werden von Gewerkschaften und Arbeitnehmervertretern im Allgemeinen ohne Unterschied der Kategorien abgeschlossen, obgleich besondere Bestimmungen für Fachund Führungskräfte in Kollektivvereinbarungen möglich sind. > [ Frankreich ] 4. Gewerkschaftsrechte II. Gewerkschaftliche Organisationen 1. Gewerkschaften der Fach- und Führungskräfte Nur ca. 10 % der französischen Arbeitnehmer sind Mitglieder einer Gewerkschaft, wobei der Organisationsgrad im öffentlichen Sektor höher ist als in der Privatwirtschaft. Die auf Betriebsebene durchgeführten Wahlen der Arbeitnehmervertreter (siehe nächster Punkt) verleihen den Gewerkschaften ein hohes Maß an Legitimität. Diese Unterstützung konnte dank der vermehrten betrieblichen Präsenz gewählter Gewerkschaftsvertreter und des wachsenden Erfolgs der gewerkschaftlich organisierten Kandidaten im Vergleich zu den anderen Wahlkandidaten ausgebaut werden.1 Der Großteil der französischen Gewerkschaften ist auf sektoraler oder Branchenebene tätig und in verschiedenen Gewerkschaftsbünden zusammengeschlossen. Die fünf großen Gewerkschaftsbünde (CGT, CFDT, CGT-FO, CFTC und CFE-CGC) mit Mitgliedern in allen Wirtschaftsbereichen gelten auf nationaler Ebene als „repräsentativ“. Dieser Status verleiht ihnen automatisch das Recht, Verhandlungen zu führen, Wahlkandidaten zu nominieren und in einigen von den Sozialpartnern verwalteten Sozialversicherungskassen vertreten zu sein. Es gibt noch eine Reihe weiterer einflussreicher Gewerkschaftsbünde, die jedoch nicht als national repräsentativ anerkannt sind. Diese sogenannten „autonomen“ Gewerkschaften sind in der reformistisch orientierten UNSA, der FSU (stark vertreten in den Bereichen Bildung, Forschung und Kultur) und der G10 gruppiert, die mit der radikalen und systemkritischen SUD-Gewerkschaft eine Art Block bildet. 1 Olivier Jacod und Rim Ben Dhaou (2008): Les élections aux comités d’entreprise de 1989 à 2004: une étude de l’évolution des implantations et des audiences syndicales. DARES, document d’études Nr. 137 April 2008. 109 Die wichtigsten gewerkschaftlichen Akteure aus der Sicht der Fach- und Führungskräfte sind die Gewerkschaften, die sich ganz der Organisation der cadres verschreiben. Die einzelnen branchenübergreifenden Gewerkschaftsbünde verfügen jeweils über eine spezielle Organisation für Fach- und Führungskräfte: >> in der CFDT ist das die Union confédérale des ingénieurs et cadres – CFDT Cadres; >> in der CGT die Union générale des ingénieurs, cadres and techniciens – UGICT-CGT; >> in der FO die Union des cadres et ingénieurs – FO Cadres; >> in der CFTC die Union générale des ingénieurs, cadres et assimilés – UGICA-CFTC. Die vier Gewerkschaftsbünde sind insofern ähnlich strukturiert, als sie alle über eine Organisation für Fach- und Führungskräfte auf nationaler Ebene verfügen. Das bedeutet, dass ein Mitglied zugleich einer nationalen Gewerkschaft für Fach- und Führungskräfte und der betreffenden sektoralen Organisation des Gewerkschaftsbundes angehört. Die CFE-CGC ist eine national repräsentative Gewerkschaft, die sich auf die Vertretung der leitenden Angestellten spezialisiert. Die UNSA verfügt über spezielle Strukturen für cadres. Die SNES, eine Teilgewerkschaft der FSU (ein autonomer Bund von Gewerkschaften aus den Bereichen Bildung, Forschung und Kultur), organisiert auch spezielle Gruppen von cadres. Auch in anderen Gewerkschaften (SUD, SNUI, CRCSanté usw.) gibt es Splitterorganisationen für cadres, die im Rahmen der Betriebsratswahlen für diese Gruppe Kandidaten aufstellen. 2. Vertretung Es gibt unter den fünf Gewerkschaftsbünden bzw. ihren Mitgliedsorganisationen kaum bis gar keinen Wettbewerb bezüglich des Rechts, branchenübergreifende Vereinbarungen abzuschließen. Zu bestimmten Angelegenheiten bestehen aber durchaus Meinungsunterschiede. Die Teilnahme an den branchenübergreifenden Verhandlungen ist den fünf als national repräsentativ anerkannten Akteuren vorbehalten. Die anderen sind nur an den Verhandlungen auf sektoraler oder Betriebsebene beteiligt. Hinsichtlich der Vertretung ist es außerdem von Bedeutung, dass die cadres in den betrieblichen Arbeitnehmervertretungsorganen großer Betriebe bzw. Unternehmen auf mehrfache Weise vertreten sein können. Das wichtigste dieser Organe ist der Betriebsrat (comité d’entreprise oder comité d’établissement). Die Betriebsräte werden vom Arbeitgeber über die soziale und wirtschaft110 [ Frankreich ] liche Lage, neue Technologien usw. informiert. Sie müssen vom Arbeitgeber bezüglich Entlassungen, Berufsbildung usw. angehört werden und sind für die Organisation sozialer und kultureller Aktivitäten verantwortlich, wofür ihnen auch finanzielle Mittel zur Verfügung stehen. In gegliederten Unternehmen (bestehend aus mehreren Betrieben) oder einer Unternehmensgruppe können die französischen Betriebsräte auch ein comité central d’entreprise oder ein comité de groupe einrichten. Neben dem Betriebsrat gibt es auf betrieblicher Ebene u. U. noch Belegschaftsvertreter (Behandlung individueller und kollektiver Beschwerden), eine Gewerkschaftsdelegation (z. B. zur Führung von Tarifverhandlungen) und/oder ein Gesundheits- und Sicherheitskomitee. In Betrieben zwischen 50 und 200 Arbeitnehmern können Betriebsrat und Belegschaftsvertretung zu einer Einheit, der sogenannten délégation unique, zusammengefasst werden. Die Betriebsratsmitglieder werden für eine 4-jährige Amtszeit gewählt (seit 2005, wobei tarifvertragliche Ausnahmeregelungen möglich sind; zuvor betrug die Amtszeit 2 Jahre). Die erste Wählergruppe umfasst die Arbeiter und Angestellten. Die zweite Wählergruppe wird aus Industriemeistern (agents de maîtrise), Technikern (technicien), Ingenieuren und cadres gebildet. Eine drit- Tabelle 1: Ergebnisse der Betriebsratswahlen: Gewerkschaften für die Wählergruppe der „Ingenieure und cadres“ 1997-1998 1999-2000 2001-2002 2003-2004 2005-2006 CFDT 18,8 21,1 20,4 19,4 19,4 CFE-CGC 26,7 24,7 24,5 26,1 25,6 CFTC 5,5 6,4 6,2 7,2 7,5 CGT 5,9 6,9 7,5 7,6 8,4 CGT-FO 8,5 7,4 8,0 7,9 7,7 Andere Gewerkschaften 10,1 10,0 11,4 9,7 10,6 Nicht gewerkschaftsangehörig 24,5 23,5 22,0 22,2 20,8 Quelle: DARES 111 te Wählergruppe muss eingerichtet werden, wenn mindestens 25 Ingenieure oder cadres im Unternehmen bzw. Betrieb beschäftigt sind. In der folgenden Tabelle sind die Wahlergebnisse der verschiedenen Gewerkschaften bei den Betriebsratswahlen für die Wählergruppe der „Ingenieure und cadres“ aufgeführt. Tabelle 2: V ertretungsgrad der französischen Gewerkschaften innerhalb der Gruppe der Fach- und Führungskräfte CFDT Privater Sektor und öffentliche Unternehmen 1 CFTC CGT FO 22.95 27.85 10.48 16.92 9.27 24.47 Öffentliche Dienstleistungen 2 Vertretungsgrad der Gruppe der Fach – und Führungskräfte insgesamt CFECGC 7.78 23.40 21.45 FSU -- Solid UNSA Various aires 2.14 2.88 7.51 3.85 16.68 14.79 4.47 8.56 11.29 8.11 8.41 16.87 11.00 1.39 4.65 8.68 4.15 Wahlen zu den Conseils de Prud’hommes 2008 - Wählergruppe der Arbeitnehmer Sektion Führungskräfte, Ergebnisse im Mutterland 2. Staatlicher öffentlicher Dienst, paritätische Verwaltungsausschüsse (CAP) der Laufbahngruppe A, mit Ausnahme der Lehrkräfte der Grund-, Sekundar- und Oberschulen, 2005-2007; öffentlicher Dienst der Gebietskörperschaften, nationale Ergebnisse der CAPL (lokal), 2008; öffentliche Krankenhausverwaltung, CAPN (national) Nr. 1, 2 und 3 sowie CAP der Laufbahngruppe der Krankenhaus-, Sozialeinrichtungsdirektoren und Direktoren von Einrichtungen im Sozial- und Gesundheitsbereich, 2007. 1. 3. Gewerkschaftsaktivitäten und – dienstleistungen Die wichtigsten Serviceleistungen der Gewerkschaften sind die Bereitstellung von Informationen (sowohl allgemeiner Art wie auch speziell für Fachund Führungskräfte), die Verteidigung der kollektiven und individuellen Arbeitnehmerrechte und persönliche Beratung. Eine Reihe von Dienstleistungen für die Allgemeinheit, die in anderen Ländern (Skandinavien) von Gewerkschaften übernommen werden, sind in Frankreich nach dem Grundsatz des „Paritarismus“ geregelt, d. h. ein strikt paritätisches Organisationsprinzip mit Entscheidungsmechanismen, an denen die Vertreter der beiden Interessengruppen (Arbeitgeber und Arbeitnehmer) gleichrangig mitwirken. Obgleich dieses institutionalisierte System des paritarisme bei der Verwaltung der Sozialversicherungskassen, den Arbeitsgerichten und Sozialämtern 112 Die jüngsten Gewerkschaftskampagnen befassten sich vor allem mit den Themen Pensionen, Kaufkraft und Modernisierung des Arbeitsmarkts. [ Frankreich ] stark eingeschränkt wurde, besteht es weiter und wurde im Bereich der Berufsbildung sogar ausgebaut (siehe Punkt V weiter unten). 4. Andere Organisationen der Fach- und Führungskräfte Neben den Gewerkschaften gibt es noch eine Reihe von Verbänden für Fachund Führungskräfte: >> Absolventenklubs der Hochschulen (und Ehemaligen-Organisationen der Grandes Écoles); >> Alumni-Vereine der Ingenieur-Hochschulen, meist unter der Schirmherrschaft des französischen CNISF (Conseil National des Ingénieurs et Scientifiques de France); >> sonstige Berufsverbände, teilweise mit engen Beziehungen zu den Arbeitgeberorganisationen wie die Association Nationale des Directeurs (et chefs de personnel (ANDCP)) des Ressources Humaines (ANDRH); >> Beamtenvereinigungen, oft berufsständisch organisiert. Für bestimmte Berufe, die meist auf freiberuflicher Basis ausgeübt werden (Ärzte, Apotheker, Architekten, Rechtsanwälte, Notare, Krankenpfleger (seit 2008) usw.) gibt es gesetzlich verankerte Kammern. Diese Organisationen vertreten die kollektiven Interessen eines Berufsstands (Qualifikationen und Weiterbildung, Qualität der Lehre, Standesregeln) und unterstützen ihre Mitglieder (Fachberatung, Arbeitsvermittlung). Ihre Aktivitäten bilden im Allgemeinen eine Ergänzung zu denen der Gewerkschaftsorganisationen. In manchen Fällen kommt es jedoch zu Konkurrenzsituationen (z. B. für Ärzte und Krankenpfleger in öffentlichen Krankenhäusern), da diese Organisationen versuchen, die Partikularinteressen ihrer Mitglieder auf Kosten anderer Arbeitnehmer durchzusetzen. > III. Tarifverhandlungen 1. Tarifverhandlungsstruktur Die Tarifverhandlungen sind in Frankreich gesetzlich geregelt. Das Gesetz legt erstens die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorgane fest, die „repräsenta113 tiven“ Status aufweisen. Zweitens schreibt es die rechtlichen Bedingungen fest, unter denen Tarifverhandlungen a) rechtswirksam und b) auf verhandelbare Themen anwendbar sind. Im Arbeitsrecht, das in die Zuständigkeit des Parlaments fällt, sind die Einzelheiten der meisten Verhandlungspraktiken festgelegt. Die Unternehmen und Sektoren sind z. B. gesetzlich verpflichtet, jährlich über die Löhne bzw. Gehälter und alle fünf Jahre über die berufliche Eingruppierung zu verhandeln. Außerdem ist der Staat für eine Reihe von Entscheidungen bezüglich des Mindestlohns und maßgebliche Faktoren hinsichtlich Arbeitszeit, Stellung im Erwerbsleben und Bedingungen für betriebsbedingte Kündigungen verantwortlich. Diese Rechtsvorschriften können von weitreichender Bedeutung sein. Sofern bestimmte anerkannte Akteure daran beteiligt sind, können auf allen Ebenen der Wirtschaft Verhandlungen durchgeführt werden. Auf nationaler Ebene wurden einige Vereinbarungen, meist Rahmenvereinbarungen, abgeschlossen. Diese Art der branchenübergreifenden Tarifverhandlungen auf nationaler Ebene wurde in den 1990er Jahren eingeführt. Die meisten Verhandlungen finden jedoch auf sektorale und Unternehmensebene statt. Tarifverhandlungen auf regionaler Ebene sind eher selten, aber einige Sektoren (Metall- und Bauindustrie) führen lokale und regionale Tarifverhandlungen durch. Das sogenannte Gesetz Fillon hat kürzlich den Versuch unternommen, einige Tarifverhandlungspraktiken zu ändern. Die Verhandlungsebenen sind in Frankreich hierarchisch strukturiert. Den Rechtsvorschriften kommt hier entscheidende Bedeutung zu. Die Beziehungen zwischen den verschiedenen Ebenen wurden früher nach dem sogenannten „Günstigkeitsprinzip“ (principe de faveur) geregelt: Die untere Ebene musste sich nach der oberen Ebene richten und konnte vom Gesetzgeber nur akzeptiert werden, wenn sie aus Sicht der Arbeitnehmer günstigere Bestimmungen enthielt. Es gab eine geringe Anzahl von Ausnahmen. Dieses Prinzip wurde im Jahr 2004 fallen gelassen. Die dezentralen Ebenen verfügen jetzt über ein größeres Maß an Autonomie bei den Lohn- und Arbeitszeitverhandlungen und allgemein bei Fragen bezüglich der Flexibilität des Verhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, vorausgesetzt die gesetzlichen Bestimmungen (plancher légal) werden eingehalten. Für abhängig beschäftigte Fach- und Führungskräfte ohne selbstständige Nebentätigkeit gelten dieselben Tarifverträge wie für andere Arbeitnehmer. Sie können spezielle Bestimmungen in nationalen oder sektoralen Tarifverträgen 114 [ Frankreich ] bzw. Tarifvereinbarungen für sich nutzen. Die Entgelterhöhungen der Fach- und Führungskräfte in der Privatwirtschaft wurden allgemein nicht im Rahmen der verpflichtenden jährlichen Verhandlungen festgelegt. Sie sind das Ergebnis individueller Abmachungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. 2. Tarifvertragliche Deckungsrate und Trends Die Tarifbindungsquote ist in Frankreich sehr hoch. Ungefähr 90 % der Arbeitnehmer sind tarifvertraglich erfasst. Das ist darauf zurückzuführen, dass die Vereinbarungen einfach auf ganze Sektoren und/oder andere geografische Regionen bzw. andere Sektoren ausgedehnt werden können. Für Fach- und Führungskräfte gelten in der Regel dieselben arbeitsrechtlichen Regelungen und Tarifvereinbarungen. Es gibt jedoch einige Ausnahmen (siehe Punkt I, Definition). In der Privatwirtschaft sind Lohnerhöhungen für cadres meist Teil der obligatorischen jährlichen Verhandlungen. Sie werden jedoch oft durch eine individuelle Vereinbarung zwischen dem cadre und ihrem/seinem Vorgesetzten festgelegt. Die Kernthemen der Tarifverhandlungen der letzten Jahre waren: Arbeitsvertragstypen, Individualisierung von Leistungsmanagement und -kontrolle, Arbeitszeit und -belastung, Renten- und Sozialversicherungsbeiträge, Entgelt, Arbeitsbedingungen und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz. Im Falle von Umstrukturierungsmaßnahmen wurden auch wirtschaftliche Fragen in die Verhandlungen aufgenommen. > IV. Arbeitskämpfe In Frankreich wird mehr gestreikt als in anderen EU-Ländern. In letzter Zeit ist jedoch eine zahlenmäßige Abnahme der Streiktätigkeit festzustellen, die auch mehr auf Sektoren wie den öffentlichen Verkehr konzentriert ist. Seit dem Jahr 2005 gab es laut Gewerkschaften keine nennenswerten Arbeitskonflikte im Zusammenhang mit Fach- und Führungskräften. Zu den Reizthemen der letzten Jahre zählen Arbeitsbelastung, Stress, Burn-out aber auch Selbstmord am Arbeitsplatz. In den letzten ein oder zwei Jahren kam es in Unternehmen mit überwiegendem Anteil von cadres (z. B. IT-Dienstleistungen) vermehrt zu diesbezüglichen Konflikten. 115 > V. Sozialer Dialog Die wichtigsten Dreiergremien (Wirtschafts- und Sozialrat (CES) und Planungs­ kommissionen), in denen die großen Arbeitgeber- und Gewerkschaftsorganisationen die Politikgestaltung der Regierung im besten Falle beeinflussen könnten, sind rein beratender Natur. Beide sind mit Vertretern der wichtigsten Arbeitgeberund Gewerkschaftsorganisationen bzw. anderer Interessengruppen wie dem Verbraucherverband und von der Regierung bestellten „qualifizierten Persönlichkeiten“ besetzt. Diese Art der Anhörung oder démocratie sociale bleibt unterentwickelt und dient im Wesentlichen nur dazu, das Ausmaß des Widerstands gegen geplante Regierungsmaßnahmen zu testen. >> Die beiden Lager der Tarifpartnerschaft sind jedoch immer noch fest in die Durchführung bestimmter Vorschriften über soziale Sicherheit (staatliche Krankenversicherung, Arbeitslosenunterstützung, Sozialämter) eingebunden. Die Sozialpartner spielen darüber hinaus auch bei den privaten Zusatzkrankenversicherungen (mutuelles) und der betrieblichen Altersversorgung eine zentrale Rolle. Sie sind auch eng in das Berufsbildungssystem eingebunden. Die Gewerkschaften für Fach- und Führungskräfte sind insbesondere in den folgenden Bereichen vertreten: >> Berufliche Ausbildung: Die Gewerkschaften für Fach- und Führungskräfte sind oft in Organen (Verwaltung, Hochschulbildung usw.) der Hochschuleinrichtungen vertreten und wirken aktiv an der Erst- (Universitäten, Grandes Écoles, Ingenieur-Hochschulen) oder höheren Ausbildung (z. B. im Ingenieurwesen) mit. Sie sind auch in den Akkreditierungsstellen für die Ingenieursausbildung, dem Komitee zur Verleihung der Befähigungsnachweise usw. vertreten. >> Beschäftigung: Die Gewerkschaften für Fach- und Führungskräfte sitzen insbesondere im Verwaltungsrat der APEC (Association pour l’Emploi des Cadres), einer von Arbeitgebern und Gewerkschaften gemeinsam verwalteten Arbeitsvermittlung für Fach- und Führungskräfte bzw. Hochschulabsolventen. >> Pensionen: Gewerkschaftsorganisationen für Fach- und Führungskräfte sitzen im Verwaltungsrat von AGIRC, der Zusatzversorgungskasse für Fachund Führungskräfte im Privatsektor. >> Wirtschafts-, Sozial- und Umweltrat (verfassungsrechtliche Versammlung, die der Regierung beratende Vorschläge unterbreitet): Vertreter der Gewerkschaften der Fach- und Führungskräfte sind Sitze in dem Gremium vorbehalten 116 [ Kapitel 11 ] Kroatien 117 [ Kroatien ] In Kroatien gibt es 153.000 Fach- und Führungskräfte; dies entspricht 12 % der Arbeitnehmer (Quelle: EUROSTAT, Labour Force Survey 2007). > I. Definition Der kroatische Begriff Arbeitnehmer (radnik) umfasst alle beschäftigten Personen einschließlich Fach- und Führungskräften. Folglich gilt auch das Arbeitsgesetzbuch für Fach- und Führungskräfte wie für alle anderen Arbeitnehmer. Es gibt daher in Kroatien keine besondere Definition von Fachund Führungskräften. Allerdings wird das Arbeitsgesetzbuch derzeit überarbeitet, und die geänderte Fassung wird voraussichtlich eine gesetzliche Definition von Führungskräften beinhalten. Fach- und Führungskräfte werden allerdings von Spitzenmanagern abgegrenzt. Die Rechtsstellung von Spitzenmanagern ist durch Führungskräfteverträge geregelt, die nicht unter die Bestimmungen des Arbeitsgesetzbuchs fallen. Dadurch finden bestimmte Vorschriften wie z.B. arbeitsrechtliche und tarifvertragliche Bestimmungen keine Anwendung auf sie. Dies hat auch zur Folge, dass die Vergütung von Spitzenmanagern und andere mit dem Beschäftigungsverhältnis verbundenen Rechte anders als bei anderen Arbeitnehmern geregelt sind. Alle Arbeitnehmer einschließlich Fach- und Führungskräften haben das Koalitionsrecht, das Recht auf Abschluss von Tarifverträgen und das Recht auf Anhörung und Unterrichtung am Arbeitsplatz. Für Mitglieder der Streitkräfte 118 Alle Arbeitnehmer haben das Recht, einen Betriebsrat zu wählen und als Betriebsratsmitglied gewählt zu werden, mit Ausnahme von Mitgliedern der Geschäftsführung, ihren Familienmitgliedern und Arbeitnehmern, die befugt sind, den Arbeitgeber gegenüber Dritten oder seinen Beschäftigten zu vertreten. Das Streikrecht wird von den Gewerkschaftsbünden und ihren Mitglieds­ gewerkschaften ausgeübt. Sie können Streiks ausrufen und organisieren, um die Rechte und Interessen der Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern. Da Fach- und Führungskräfte als Arbeitnehmer gelten, können sie ebenfalls an diesen Streiks teilnehmen. > [ Kroatien ] und der Polizei gilt ein eingeschränktes Koalitionsrecht, sie dürfen keiner politischen Partei angehören und sich nicht gewerkschaftlich organisieren. II. Gewerkschaftliche Organisationen 1. Gewerkschaften der Fach- und Führungskräfte Das kroatische Gewerkschaftswesen zeichnet sich durch eine Vielzahl unterschiedlicher Gewerkschaften aus. Sie sind auf nationaler, Branchen- und Unternehmensebene organisiert. Derzeit sind in Kroatien 269 Gewerkschaften auf nationaler Ebene tätig. Gewerkschaften, die in mehreren Bezirken tätig sind, sind im Vereinsregister des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Unternehmertum eingetragen. Gewerkschaften, die nur auf Bezirksebene organisiert sind, sind bei dem Amt des betreffenden Bezirks registriert. Als Voraussetzung für die Eintragung gilt, dass die Gewerkschaft mindestens zehn erwachsene Mitglieder zählt. Trotz der im Arbeitsgesetzbuch vorgesehenen Möglichkeit, eine Fachund Führungskräftegewerkschaft zu gründen, gibt es in Kroatien keine Gewerkschaft, die speziell Fach- und Führungskräfte organisiert. Sie sind Mitglieder der Gewerkschaften, die neben ihren Interessen auch die der anderen Arbeitnehmer vertreten. In Kroatien gibt es acht Gewerkschaftsbünde, sechs von ihnen nehmen am dreigliedrigen Rat für Wirtschafts- und Sozialfragen teil. Als Voraussetzung für die Gründung eines Gewerkschaftsbundes gilt, dass er mindestens zwei Mitgliedsgewerkschaften umfassen muss. Folgende Gewerkschaftsbünde sind im Rat für Wirtschafts- und Sozialfragen vertreten: 119 >> Bund der autonomen Gewerkschaften Kroatiens (Savez samotalnih sindikata Hrvatske, SSSH), >> Unabhängige Gewerkschaften Kroatiens (Nezavisni hrvatski sindikati, NHS), >> Vereinigung der Arbeitergewerkschaften Kroatiens (Udruga r raničkih sindikata Hrvatske, URSH), >> Bund der kroatischen Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes (Matica hrvatskih sindikata javnih i državnih službi, MHSJDS) >> Kroatische Gewerkschaftsvereinigung (Hrvatska udruga sindikata, HUS) >> Dienstleistungsgewerkschaft (Sindikat usluga, UNI-CRO). Gewerkschaftsbünde, die einen Sitz in dem Rat erlangen möchten, müssen bestimmte Kriterien erfüllen: Zunächst muss der Gewerkschaftsbund mindestens 15.000 beitragszahlende Mitglieder zählen und im Vereinsregister des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Unternehmertum eingetragen sein. Er muss mindestens fünf auf nationaler Ebene tätige Mitgliedsgewerkschaften umfassen, die ebenfalls im Register des Ministeriums eingetragen sein müssen. Der Gewerkschaftsbund muss außerdem in mindestens elf der 21 kroatischen Bezirke tätig und Vertragspartei bei mindestens drei landesweit geltenden Tarifverträgen in verschiedenen Branchen sein, zum Beispiel in der Grafikbranche, im Tourismusgewerbe und im Bausektor. 2. Vertretung Schätzungen zufolge beträgt der gewerkschaftliche Organisationsgrad von Fach- und Führungskräften mehr als 30 %. Es ist jedoch damit zu rechnen, dass er in den nächsten fünf Jahren leicht zurückgehen wird. > III. Tarifverhandlungen 1. Tarifverhandlungsstruktur In Kroatien werden Tarifverträge hauptsächlich auf Branchen- oder Unter­ nehmensebene abgeschlossen. Generell fördern die kroatischen Gewerkschaften Tarifverhandlungen auf Branchenebene, aber die meisten Verträge – 90 % aller Tarifverträge - werden auf Unternehmensebene unterzeichnet. 2005 wurden 57 neue Tarifverträge sowie 24 Zusätze zu bestehenden Tarifverträgen abgeschlossen, nur sieben davon auf Branchenebene. Derzeit bestehen 100 gültige 120 Die Gewerkschaftsbünde schließen ferner Tarifverträge auf nationaler Ebene ab. 2006 unternahmen die Ärztegewerkschaften Versuche, um einen eigenen Berufstarifvertrag abzuschließen. Die kroatischen Gewerkschaftsbünde lehnen Tarifverhandlungen auf Berufsebene aber von jeher ab, da diese die Verhandlungen in gewissen Branchen oder Unternehmen untergraben würden. Die Versuche der Ärztegewerkschaft führten dazu, dass sich die Gewerkschaftsbünde untereinander darauf einigten, dass Tarifverträge ausschließlich auf nationaler, Branchen- oder Unternehmensebene abgeschlossen werden. Eine entsprechende Vereinbarung wurde anschließend im Rat für Wirtschafts- und Sozialfragen zwischen den Sozialpartnern und der Regierung getroffen. [ Kroatien ] Tarifverträge, davon sind nur 7 % Branchentarifverträge, die allerdings die Hälfte der kroatischen Arbeitnehmerschaft abdecken. Es gibt zwar einige Branchentarifverträge, aber diese gehen kaum über die gesetzlichen und arbeitsrechtlichen Bestimmungen hinaus. Die branchenspezifischen Regelungen werden in den Unternehmenstarifverträgen festgelegt. Zu den wichtigsten Bereichen, die von Branchen- und Unternehmenstarifverträgen geregelt werden, gehören Löhne/Gehälter und andere materielle Rechte, Arbeitszeit, Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz sowie Jahresurlaub. In den letzten Jahren wurde im Rahmen von Tarifverhandlungen auch über das Recht auf Weiterbildung und Altersversorgung verhandelt. Das Arbeitsgesetzbuch sieht zwar Kriterien für die Teilnahme am Rat für Wirtschafts- und Sozialfragen vor, aber keine Repräsentativitätskriterien hinsichtlich der Tariffähigkeit von Gewerkschaften. Angesichts der hohen Anzahl von Gewerkschaften wirkt sich dies äußerst negativ auf den Tarifverhandlungsprozess aus: Sobald mehrere Gewerkschaften verhandeln, kann es zu Konflikten kommen, wenn sie sich nicht über die Anzahl der Mitglieder und Zusammensetzung des Verhandlungsteams einigen können. Kommt eine Einigung nicht zustande, entscheidet der Rat für Wirtschafts- und Sozialfragen darüber, welche Gewerkschaften an den Verhandlungen teilnehmen. Er stützt sich dabei auf die Anzahl der Mitglieder der Gewerkschaft in dem Tätigkeitsbereich, für den der Tarifvertrag abgeschlossen werden soll. Die tarifvertragliche Deckungsrate einschließlich Fach- und Führungskräften wird auf 45 % geschätzt. Bei den Fach- und Führungskräften wird sich diese Rate in den kommenden Jahren voraussichtlich nicht verändern. 121 2. Tarifvertragliche Deckungsrate und Trends Tarifverträge gelten für alle Arbeitnehmer der betreffenden Branche bzw. des betreffenden Tätigkeitsbereichs oder Unternehmens; es gibt keine besonderen Tarifverträge für Fach- und Führungskräfte. > IV. Arbeitskämpfe Über die Anzahl von Streiks, Ausfalltagen und bei Streiks oder anderen Arbeitskampfmaßnahmen beteiligten Arbeitnehmer in Kroatien liegen keine Angaben vor. > V. Sozialer Dialog Die dreigliedrigen Gremien des sozialen Dialogs in Kroatien befassen sich nicht mit Fragen, die einzelne Berufe oder Arbeitnehmergruppen betreffen und folglich auch nicht mit fach- und führungskräftespezifischen Fragen. 122 [ Kapitel 12 ] Irland 123 [ Irland ] In Irland gibt es 480.000 Fach- und Führungskräfte; dies entspricht 27,4 % der Arbeitnehmer (Quelle: EUROSTAT, Labour Force Survey 2007). > I. Definition Das irische Arbeitsrecht kennt keine besondere Definition von Fach- und Führungskräften. Aus einer Reihe von Ausnahmen, nach denen bestimmte Arbeitnehmergruppen (in der Regel Fach- und Führungskräfte) von arbeitsrechtlichen Schutzbestimmungen ausgenommen sind, lässt sich jedoch eine Definition ableiten. Davon betroffen sind Angehörige der Streitkräfte und der Polizei, Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst, Ärzte, Strafvollzugsbedienstete, leitende Angestellte und Selbständige. Angehörige der Polizei und der Streitkräfte sind vom nationalen Tarifsystem ausgeschlossen, verfügen aber über eigene Vertretungsorganisationen. In der nationalen Verwaltung (öffentlicher Dienst) sind hochrangige Fach- und Führungskräfte nicht berechtigt eine Gewerkschaft zu vertreten, mit Ausnahme bei Fällen oder Konflikten in denen sie direkt als Arbeitnehmer betroffen sind. Die irische Verfassung schützt das Recht, Gewerkschaften zu gründen und Gewerkschaften beizutreten. Dies verpflichtet die Arbeitgeber allerdings nicht, eine Gewerkschaft anzuerkennen oder mit ihr zu verhandeln. Erkennt der Arbeitgeber die Gewerkschaft nicht an, so hat die Gewerkschaft nach dem Gesetz über Arbeitsbeziehungen (2001-2004) das Recht, beim Arbeitsgericht 124 > [ Irland ] die Feststellung rechtsverbindlicher Beschäftigungsbedingungen zu beantragen. Eine solche Feststellung kann erfolgen, sofern die gegebenen Bedingungen nicht den Normen für vergleichbare Arbeitsplätze entsprechen. Bislang bezogen sich die meisten Fälle, die vor das Arbeitsgericht gebracht wurden, auf irische KMU. II. Gewerkschaftliche Organisationen 1. Gewerkschaften der Fach- und Führungskräfte Der Irische Gewerkschaftskongress (Irish Congress of Trade Unions - ICTU) ist der einzige Dachverband der Gewerkschaften in Irland. Er umfasst 55 Einzelgewerkschaften (2008) mit insgesamt 833.486 Mitgliedern, davon 602.035 in der Republik Irland und 231.451 in Nordirland. Dem ICTU gehören auch 33 Gewerkschaftsräte an, die Gruppen von Gewerkschaften auf lokaler oder regionaler Ebene in der Republik Irland und in Nordirland vertreten. Außerdem hat der ICTU 25 lokale Zentren eingerichtet, die Ausbildungskurse und Beratung anbieten. Einige britische Gewerkschaften sind auch in der Republik Irland aktiv. Sie müssen für die Führung der Geschäfte in Irland über eine Gewerkschaftsexekutive mit Sitz in Irland verfügen. Der ICTU spielt zwar eine wichtige Rolle in den Beziehungen mit der Regierung und den Arbeitgeberverbänden, aber er ist kein Dachverband, der seinen Mitgliedsgewerkschaften gegenüber eine dominierende und richtungweisende Haltung einnimmt, sondern ein Zusammenschluss unabhängiger und autonomer Gewerkschaften. Es gibt rund 20 Gewerkschaften, die ausschließlich oder eine hohe Zahl von Fachund Führungskräften organisieren. Fach- und Führungskräftegewerkschaften im eigentlichen Sinn sind nach zwei Prinzipien organisiert, entweder nach Produktions- bzw. Dienstleistungssektoren oder nach Qualifikationen bzw. Berufen. Berufsgewerkschaften: >> Beamte: Association of Higher Civil and Public Servants (AHCPS) und Public Service Executive Union (PSEU) >> Lehrkräfte an Schulen und Hochschulen: Association of Secondary Teachers (ASTI), Irish National Teachers Organisation (INTO), Irish Federation of University Teachers (IFUT) und Teachers Union of Ireland (TUI) 125 >> Medizinische Berufe: Irish Nurses Organisation, Irish Medical Organisation, Medical Laboratory Scientists Association und Veterinary Surgeons (Veterinary Irland) >> Sonstige Berufe: Irish Bank Officials organizations, Communication Workers’ Union, National Union of Journalists Branchengewerkschaften mit relativ hohen Fach- und Führungskräfteanteilen: >> Services Industrial Professional Technical Union (SIPTU). SIPTU ist die größte Gewerkschaft in Irland und organisiert Arbeitnehmer mit unterschiedlichem Qualifikationsniveau und in unterschiedlichen technischen, Fachund Berufsbereichen im öffentlichen, privaten und gemeinnützigen Sektor. >> Irischen Municipal, Public and Civil Trade Union (IMPACT). IMPACT ist die größte Gewerkschaft für den öffentlichen Dienst in Irland. Die meisten ihrer Mitglieder sind in lokalen, Gesundheits- und Bildungsbehörden sowie im öffentlichen Dienst und nicht gewerblichen halbstaatlichen Organisationen beschäftigt. IMPACT vertritt Mitglieder in hunderten von Tätigkeitsbereichen und Berufen, unter anderem Büro- und Verwaltungsbedienstete, Fachkräfte, Techniker und Angehörige der Gesundheitsberufe. >> UNITE: Die Gewerkschaft UNITE ist im Mai 2007 aus dem Zusammenschluss von T&GWU und AMICUS hervorgegangen. Sie zählt 2 Millionen Mitglieder und ist damit die größte Gewerkschaft im VK und in Irland. Ihre Mitglieder sind in zahlreichen Branchen und Tätigkeitsbereichen beschäftigt, unter anderem Folgende: Verkehr, öffentliche Dienstleistungen, verarbeitendes Gewerbe, Finanzsektor, Bürotätigkeiten, IT-Branche, Landwirtschaft, Baugewerbe, Elektrizität und Maschinenbau, Luftfahrt, Lebensmittelindustrie, Getränke und Tabak und Gesundheitswesen. >> Technical Engineering and Electrical Union (TEEU) ist die größte Gewerkschaft der Elektro- und Maschinenbauindustrie Irlands und die zweitgrößte der verarbeitenden Industrie. Sie vertritt nahezu 45.000 Arbeitnehmer in allen Industriezweigen und im öffentlichen Dienst, darunter Handwerker, Techniker, Fachleute, qualifizierte Arbeiter, Arbeiter sowie technisches und Verwaltungspersonal und Arbeitnehmer mit Aufsichts- und Führungsfunktionen. Jede Gewerkschaft verfügt je nach Größe, Homogenität der Mitglieder und Kultur über eine eigene Struktur. Einige Gewerkschaften (z.B. SIPTU) sind große allgemeine Gewerkschaften mit eigenen Teilverbänden für Fach- und Führungskräfte (Ingenieure im Energiesektor oder in örtlichen Behören, Lehrbeauftragte, Schauspieler, usw.). Jeder dieser Verbände führt seine Geschäfte selbst und beschäftigt hauptamtliche Funktionäre, die für die Mitglieder die Verhandlungen führen, unterliegt aber den nationalen 126 [ Irland ] Bestimmungen und der nationalen Politik und Verwaltung. Manche Fachund Führungskräftegewerkschaften wie die Hochschullehrergewerkschaft haben für jede Hochschule eine Abteilung, andere, wie zum Beispiel die Sekundarschullehrergewerkschaft, sind geografisch untergliedert. 2. Vertretung Den Fach- und Führungskräftegewerkschaften des öffentlichen Dienstes gehören über 90 % der Angehörigen der betreffenden Berufsgruppen an. Die Gewerkschaften der Privatwirtschaft vertreten 25 % aller privatwirtschaftlichen Arbeitnehmer, die Zahl schwankt aber von Branche zu Branche. Irland hat die europäische Richtlinie zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer im Juli 2006 umgesetzt. Dadurch wurde in Irland, das bislang keine diesbezüglichen Vorschriften kannte, ein wichtiges neues Gesetz eingeführt, das Gesetz über die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer 2006 (Employees (Provision of Information and Consultation) Act 2006). Darin ist insbesondere Folgendes vorgesehen: >> Voraussetzung für die Einleitung des Verhandlungsprozesses über die Einrichtung einer Struktur für die Unterrichtung und Anhörung am Arbeitsplatz ist, dass 10 % der Beschäftigten dies wünschen (der entsprechende Antrag ist entweder an den Arbeitgeber oder an das Arbeitsgericht) zu richten, sofern der Arbeitgeber nicht freiwillig ein Verfahren zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer einrichtet oder ein solches Verfahren vor der Durchführung des Gesetzes nicht bereits bestand; >> gemäß den Bestimmungen der Richtlinie sind die Gewerkschaften nicht die einzige Struktur für die Arbeitnehmervertretung; >> bei einem Scheitern der Verhandlungen gelangt die Auffangregelung zur Anwendung, die die Einrichtung eines Gremiums mit gewählten Arbeitnehmervertretern (analog zum Betriebsrat) für die Unterrichtung und Anhörung am Arbeitsplatz vorsieht. Bislang hatte die Richtlinie nur sehr geringe Auswirkungen auf die Praxis der Arbeitsbeziehungen in den Unternehmen. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die irischen Rechtsvorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie äußerst knapp gehalten sind. 127 3. Gewerkschaftsaktivitäten und -dienstleistungen Die Gewerkschaften vertreten ihre Mitglieder individuell und kollektiv auf allen Ebenen. Zu den üblichen Bereichen der Interessenvertretung gehören Löhne und Gehälter, Altersversorgung, Arbeitsplatzsicherheit und Gesundheitsschutz. 4. Andere Fach- und Führungskräfteorganisationen Viele Fach- und Führungskräftegruppen sind nicht nur in Gewerkschaften sondern auch in Verbänden organisiert, die ihre beruflichen Interessen wahrnehmen. Solche Berufsverbände gibt es beispielsweise für Ingenieure (Institute of Engineers of Ireland) und für Sozialarbeiter (Irish Association of Social Workers). Sie befassen sich mit beruflichen Standards, berufsethischen Fragen, Regeln für die Berufsausübung u.ä., aber nicht mit Arbeitsentgelt und Arbeitsbedingungen. Die Gewerkschaften organisieren dagegen die politische Lobbyarbeit für die Fach- und Führungskräftegruppen und verhandeln in ihrem Namen mit den Arbeitgebern. Es besteht keine Konkurrenz zwischen Gewerkschaften und Berufsverbänden. Sie nehmen unterschiedliche Aufgaben wahr, und es ist üblich, Mitglied beider Organisationen zu sein. Allerdings bestehen auch kaum Kooperationsbeziehungen zwischen ihnen. Sie arbeiten im Allgemeinen nebeneinander, aber jeder für sich. Die Berufsverbände halten sich nach außen stark zurück und konzentrieren sich bei ihren Tätigkeiten weitgehend auf den internen Kreis (Information und Sensibilisierung ihrer Mitglieder zu berufsspezifischen Fragen). Gewerkschaften hingegen sind in hohem Maße nach außen aktiv und stehen in allen Fragen, die ihre Mitglieder betreffen, in ständiger Beziehung mit Arbeitgebern, Behörden, anderen Gewerkschaften usw. Angehörige der Polizei und der Streitkräfte haben nicht das Recht, einer Gewerkschaft beizutreten, aber verfügen über eigene repräsentative Verbände. Diese Verbände sind zwar keine Gewerkschaften, aber nehmen aufgrund ihres Ausnahmestatus, der sie von der Verpflichtung zur Genehmigung der Tariffähigkeit befreit, an Tarifverhandlungen teil. Die wichtigsten dieser Verbände, der Garda Representative Association (GRA) und der Garda Sergeants and Inspectors Association (AGSI) sind dem Dachverband Irish Conference of Professional and Service Associations angeschlossen. In den letzten Jahren sind Forderungen laut geworden, diesen Verbänden die Möglichkeit einzuräumen, sich als Gewerkschaften einzutragen und dem ICTU beizutreten. 128 III. Tarifverhandlungen [ Irland ] > 1. Tarifverhandlungsstruktur Nationale Partnerschaft In Irland werden die Tarifverhandlungen auf nationaler Ebene geführt. 1987 wurde das erste dieser zentralisierten Abkommen oder Sozialpakte abgeschlossen. Dieses Abkommen (Programme for National Recovery - PNR) sollte aus der tiefen Steuerkrise herausführen, die Irland in der Mitte der 80er Jahre getroffen hatte. Durch die nachfolgenden Vereinbarungen wurde ein institutionalisiertes mehrgliedriges System der Sozialpartnerschaft errichtet, das sich auf weite Bereiche der Wirtschafts- und Sozialpolitik erstreckte und bis heute fortbesteht. Die Partnerschaft auf nationaler Ebene umfasst Konsultations- und Verhandlungsverfahren zwischen Arbeitgeberverbänden, Landwirtschaftsverbänden, Gewerkschaften und Regierung sowie eine Säule für den gemeinnützigen und sozialen Sektor. Der Gewerkschaftsbund ICTU, die Arbeitgeberorganisationen, die Regierung und die Landwirtschaftsverbände verhandeln umfassende landesweite Abkommen, die drei Jahre gültig sind. Darin werden unter anderem die jährlichen Lohnerhöhungen, die Sozialpolitik in den Bereichen Bildung, Gesundheit und soziale Sicherheit sowie Änderungen der Besteuerung und Fragen wie Kinderbetreuung, Gleichstellung, Behinderte und Arbeitsrechtsänderungen geregelt. Öffentlicher Sektor Für den öffentlichen Sektor bestehen eigene, von der irischen Regierung errichtete Stellen für die Entgeltüberprüfung (pay review bodies). Die Überprüfungsstelle für den höheren Dienst (Review Body on Higher Remuneration in the Public Sector) legt die Vergütung von rund 1.600 hochrangigen Politikern und Beamten fest. Ferner fungiert die Stelle als ständiges Gremium, das die Regierung zur allgemeinen Entgelthöhe für folgende Personengruppen berät: Regierungsmitglieder, Minister, Gerichtsbedienstete, Beamte, die nicht unter die Schieds- und Schlichtungsregelung für den öffentlichen Dienst fallen, leitende Bedienstete in den örtlichen Behörden und Gesundheitsdiensten, die nicht in die Zuständigkeit des Public Service Benchmarking Body fallen, hochrangige Polizeibeamte und Offiziere in der Armee, Leiter von nichtgewerblichen staatlich geförderten Stellen und Fachärzte in Krankenhäusern. 2007 wurde die letzte Entgeltüberprüfung für den höheren Dienst vorgenommen. 129 Neben nationalen Tarifabkommen wird seit 2001 auch das Entgelt von mehr als 200.000 Bediensteten in den anderen Laufbahnen des öffentlichen Dienstes durch eine von der Regierung eingesetzte Stelle (Public Service Benchmarking Body - PSBB) geregelt. Ihre Arbeitsweise ist ähnlich wie die der Stelle für den höheren Dienst. Allerdings ist die Zukunft der PSBB ungewiss, nachdem sie in ihrem zweiten Bericht (Januar 2008) für die meisten öffentlichen Bediensteten keine Entgelterhöhung empfahl (das heißt dass ihre Vergütung weiterhin dem entspricht, was von den Sozialpartnern im nationalen Tarifabkommen vereinbart wurde). Nationaler Mindestlohn Im April 2000 wurde in Irland ein nationaler gesetzlicher Mindestlohn eingeführt. Gegenwärtig beschließt das Arbeitsgericht (nach Prüfung der von den beteiligten Parteien eingereichten Anträge), ob eine Erhöhung des Mindestlohns angebracht ist, aber die endgültige Entscheidung trifft der Minister für Unternehmen, Handel und Beschäftigung. Der gesetzliche Mindestlohn gilt für alle Arbeitnehmer in Irland. 2. Tarifvertragliche Deckungsrate und Trends Für Fach- und Führungskräfte bestehen abgesehen von den oben erwähnten Berufsgruppen (Angehörige der Streitkräfte und der Polizei, Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst, Ärzte, hochrangige Führungskräfte und Selbständige) keine eigenen Tarifverhandlungsstrukturen. Für diese Gruppen gelten die Bestimmungen der auf nationaler Ebene ausgehandelten Vereinbarungen; viele von ihnen unterhalten enge Beziehungen zu ICTU-Gewerkschaften. Mit Ausnahme des Baugewerbes werden in Irland keine Tarifverhandlungen auf Branchenebene geführt. Verhandlungen außerhalb der nationalen Tarifabkommen finden in der Regel auf Betriebsebene zwischen Gewerkschaften und einzelnen Arbeitgebern statt, die meist von einem Arbeitgeberverband vertreten werden. Diese Vereinbarungen sind zwar nicht automatisch anwendbar, werden aber in der Regel in den Betrieben angewandt. Das System der nationalen Tarifverhandlungen hat seit seiner Einführung im Jahr 1987 zu einem realen Lohnanstieg für alle Arbeitnehmer geführt und den Gewerkschaften die Möglichkeit gegeben, einen Beitrag zur Wirtschafts- und 130 Die aktuelle internationale Wirtschaftskrise und die dramatische Entwicklung im Baugewerbe (die Irland besonders hart getroffen hat) haben zu einem starken Rückgang des Steueraufkommens geführt. Die Arbeitslosigkeit ist von 5 auf 11 % gestiegen und wird voraussichtlich weiter zunehmen. Fachund Führungskräfte mit modernen Berufsprofilen in der Pharmazeutik-, Technologie- und Tourismusbranche sind häufiger von Entlassung und Arbeitslosigkeit betroffen als früher. Die Regierung hat die tarifvertraglich vereinbarte Entgelterhöhung (6 % über 27 Monate) nicht eingehalten, eine Sonderabgabe auf die Bezüge im öffentlichen Dienst erhoben und erhebliche Steuererhöhungen erlassen. Durch die rückläufige Entwicklung auf internationaler Ebene ist auch der Wert der Renten gesunken. Für mehr als 90 % der privaten Altersversicherungssysteme besteht die Gefahr, dass sie nicht mehr bedarfsgerecht finanziert werden. > IV. Arbeitskämpfe Seit Mitte der 80er Jahre ist im öffentlichen und privatwirtschaftlichen Sektor ein deutlicher Rückgang der Streikaktivität (gemessen an der Anzahl der Ausfalltage) und ihrer Auswirkungen zu beobachten. Außerdem zeichnet sich das irische System der Arbeitsbeziehungen dadurch aus, dass sehr häufig von Verfahren zur Beilegung kollektiver und individueller Streitigkeiten Gebrauch gemacht wird. Für die kollektiven Arbeitsbeziehungen sind zwei Schlichtungsstellen zuständig: Die Kommission für Arbeitsbeziehungen (Labour Relations Commission LRC) wurde 1990 eingesetzt und stellt die wichtigste staatliche Institution dar. Zu ihren Aufgaben gehören Schlichtung, Vermittlung und Beratung. Die LRC verfügt auch über einen „Dienst für Rechte”, der sich mit individuellen und kollektiven Arbeitsstreitigkeiten befasst. Die zweite wichtige Institution bildet das Arbeitsgericht, das trotz seines Namens kein Gericht im eigentliche Sinne ist: Bei seinen Mitgliedern handelt es sich um Praktiker aus dem Bereich der Arbeitsbeziehungen, seine Anrufung ist in der Regel freigestellt und seine Verfahren sind nicht juristischer Art. Die Hauptaufgabe des Arbeitsgerichts besteht darin, Empfehlungen für die Beilegung von Arbeitsstreitigkeiten zu formulieren und als „Gericht letzter Instanz“ zu fungieren. Die Empfehlungen [ Irland ] Sozialpolitik der Regierung zu leisten. Auch auf Betriebsebene wurden partnerschaftliche Strukturen geschaffen. des Gerichts sind zwar nicht verbindlich, aber in den letzten Jahren wurden auch Anstrengungen unternommen, um Schlichtungsverfahren mit verbindlicher Wirkung einzuführen. Das Arbeitsgericht trifft außerdem gerichtliche Entscheidungen bei bestimmten individuellen Arbeitsstreitigkeiten (insbesondere in Bezug auf Gleichstellung), die dann für die Parteien verbindlich sind; gegen diese Entscheidungen kann bei einem Zivilgericht Berufung eingelegt werden. > V. Sozialer Dialog Die Institutionalisierung zentralisierter Sozialpakte seit der Mitte der 80er Jahre hat eine längerfristige Politikgestaltung ermöglicht. In diesem Rahmen hat eine politische Konzertierung zwischen Regierung, Arbeitgebern, Gewerkschaften und beratenden Foren zu Fragen der Wirtschafts- und Sozialpolitik stattgefunden. In Irland gibt es drei beratende Gremien: der Nationale Wirtschafts- und Sozialrat (National Economic and Social Council - NESC), das Nationale Wirtschafts- und Sozialforum (National Economic and Social Forum - NESF) und das Nationale Zentrum für Partnerschaft und Leistung (National Centre for Partnership and Performance - NCPP). Solche Gremien bestehen bereits seit den 60er Jahren und sind Teil einer sozialen korporatistischen Struktur. Sie haben die Aufgabe, wirtschaftliche und soziale Ziele zu integrieren, und führen ihre Tätigkeiten unter dem Dach des Amtes für Wirtschafts- und Sozialentwicklung (National Economic Social Development Office - NESDO) durch. Dieses Amt stellt administrative Unterstützung für die drei Gremien bereit und erleichtert und fördert ergänzende Maßnahmen zur Forschung, Analyse und Diskussion in diesem Bereich. 132 [ Kapitel 13 ] Italien 133 [ Italien ] In Italien gibt es 1.833.000 Fach- und Führungskräfte; dies entspricht 10,7 % der Arbeitnehmer. (Quelle: EUROSTAT, labour force survey 2007) > I. Definition Artikel 2095 des Zivilgesetzbuchs wurde durch das Gesetz 190 aus dem Jahr 1985 geändert. Dieses Gesetz führte zusätzlich zu den bereits bestehenden Arbeitnehmerkategorien - Arbeiter (operai), Angestellte (impiegati) und leitende Angestellte (dirigenti) – eine vierte Arbeitnehmerkategorie ein – Angestellte des mittleren Managements (quadri). Sie bilden die größte Kategorie in der Gruppe der Fach- und Führungskräfte, deren Definition auf zwei allgemeinen Kriterien beruht: >> Quadri gehören nicht zur Kategorie der dirigenti. >> Sie nehmen „dauerhaft“ Funktionen wahr, die von „erheblicher Bedeutung für die Entwicklung und die Verwirklichung der Ziele des Unternehmens sind“. Die genaue Definition der Kriterien, nach denen ein Arbeitnehmer zu dieser Kategorie gehört, wird im Rahmen von Tarifverhandlungen der einzelnen Branchen oder Unternehmen festgelegt. Diese wichtige Rolle, die den Tarifverhandlungen dadurch zukommt, hat zu einer Vielzahl von Definitionen geführt, die jeweils auf den einzelnen Wirtschaftszweig und die besonde- 134 [ Italien ] re Organisationsstruktur des Unternehmens oder auf die Merkmale der Arbeitsaufteilung in den einzelnen Sektoren Bezug nehmen. In der Regel stellen quadri in den beruflichen Einstufungssystemen aller Wirtschaftszweige die höchste Ebene dar. Ursprünglich wurde die Bezeichnung quadri nur in der Privatwirtschaft und nicht im öffentlichen Sektor verwendet, aber heute ist dies nicht mehr der Fall Als leitende Angestellte (dirigenti) gelten Arbeitnehmer, die mit voller Autonomie im Rahmen der allgemeinen Richtlinien des Arbeitgebers mit der Führung eines Unternehmens oder eines großen und selbständigen Unternehmensteils betraut sind. Sie sind nicht durch die üblichen Bestimmungen in Bezug auf Ruhetage oder Höchstarbeitszeiten geschützt und können ohne Einschränkungen für eine bestimmte Zeit eingestellt und entlassen werden. Hinsichtlich gewerkschaftlicher Vertretung, Tarifverhandlungen und sozialer Sicherheit besteht eine klare Trennung zwischen leitenden Angestellten und den übrigen Arbeitnehmerkategorien. Fach- und Führungskräfte genießen die gleichen kollektiven Arbeitsrechte wie die anderen Arbeitnehmer. Sie haben jedoch die Möglichkeit, „Tarifverträge der zweiten Ebene“ abzuschließen, das heißt landesweit geltende Vereinbarungen ausschließlich für Fach- und Führungskräfte im Rahmen der bestehenden Tarifverträge. > II. Gewerkschaftliche Organisationen 1. Gewerkschaften der Fach- und Führungskräfte Die meisten gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer gehören über ihre Branchenorganisationen (organizzazioni di categoria) einem der drei großen Gewerkschaftsbünde an: a. Allgemeiner Italienischer Arbeitsverband (Confederazione Italiana del Lavoro, CCIL) b. Italienischer Arbeitergewerkschaftsverband (Confederazione Italiana dei Sindicati dei Lavoratori, CISL) c. Italienische Arbeitsunion (Unione Italiana del Lavoro, UIL) Jeder dieser drei größten Gewerkschaftsbünde besitzt eine eigene Organisation für Fach- und Führungskräfte: 135 >> CGIL: AgenQuadri >> CISL: Projekt Fach- und Führungskräfte (Associazione Progetto Quadri ed Alte Professionalità) >> UlL: Italienischer Verband der Fach- und Führungskräfte (Confederazione Italiana Quadri) Diese drei Verbände spielten eine wichtige Rolle bei der Gestaltung des Gesetzes von 1985. Die Fach- und Führungskräfteverbände verfügen über eigene Organisationen innerhalb der Branchengewerkschaften. Die Fach- und Führungskräfteorganisationen haben bewirkt, dass in allen auf nationaler Ebene abgeschlossenen Tarifverträgen besondere Bestimmungen für das Management oder zumindest Bestimmungen über die Anerkennung der entsprechenden Qualifikationen aufgenommen wurden, aber haben sich gleichzeitig auch dafür eingesetzt, dass einheitliche Tarifverhandlungen für alle Arbeitnehmer geführt werden. Diese Verbände sind in ihrer Organisation unabhängig von den Gewerkschaftsbünden. Ihre Politik ist auch auf den Schutz beruflicher Minderheiten ausgerichtet. Zudem unterhalten sie enge Verbindungen zu den Branchengewerkschaften, die in Italien zur Führung von Tarifverhandlungen befugt sind. Fach- und Führungskräfteorganisationen sind jedoch nicht direkt tariffähig. Ihr Ziel besteht darin, die Rolle der Führungskräfte der mittleren Ebene und hochqualifizierten Arbeitnehmer in den Betrieben zu fördern und eine Anerkennung ihres Berufes und ihrer beruflichen Laufbahn in Tarifverhandlungen auf nationaler und Unternehmensebene zu erreichen. 2. Vertretung In Italien gibt es weder Kriterien noch Regeln für die Anerkennung der Repräsentativität von Gewerkschaften. Demzufolge liegen auch keine verlässlichen Daten sondern nur Schätzungen zur Repräsentativität vor. Der gewerkschaftliche Organisationsgrad in Italien dürfte demnach über dem Durchschnitt für die EU-25-Mitgliedstaaten liegen: Rund ein Drittel (34 %) der Arbeitnehmer ist gewerkschaftlich organisiert. Zu den Gewerkschaftsmitgliedern zählt auch ein hohe Anzahl von Rentnern. Was die Arbeitnehmervertretung auf betrieblicher Ebene angeht, gibt es kein eigenes Gremium für Fach- und Führungskräfte. Vielmehr arbeiten sie wie die anderen Arbeitnehmergruppen in den „Einheitsgewerkschaftsvertretungen“ (RSU) mit. Um eine angemessene Zusammensetzung der RSU zu gewährleisten, 136 [ Italien ] wurde in der verbandsübergreifenden Vereinbarung zur Einrichtung der RSU vom 20. Dezember 1993 festgelegt, dass, sofern in der Produktionsstätte unter berufsspezifischen Gesichtspunkten eine genügend hohe Zahl von Fach- und Führungskräften vorhanden ist, diese auch bei der Bildung von Wahlausschüssen berücksichtigt werden sollen. In einer späteren Vereinbarung von CGIL, CISL und UIL wurde die Möglichkeit vorgesehen, eigene Wahlausschüsse für Fachund Führungskräfte zu bilden. Der Verband FABI (Federazione Autonoma Bancari Italiani) stellt eine weitere wichtige Gewerkschaft dar, die Fach- und Führungskräfte und andere Angestellte in der Bank- und Versicherungsbranche vertritt. Die Gewerkschaft ist Mitglied von UNI und Eurocadres, aber nicht direkt dem EGB angeschlossen. 3. Gewerkschaftsaktivitäten und –dienstleistungen Die Fach- und Führungskräfteverbände der drei großen Gewerkschaftsbünde bieten u.a. folgende individuelle und kollektive Dienstleistungen an: >> Interessenvertretung (z.B. Mitwirkung an der inhaltlichen Gestaltung der Tarifforderungen) >> Information zu Fragen im Zusammenhang mit der Rolle von Fach- und Führungskräften im Unternehmen (durch Informationsblätter, Websites, Workshops usw.) >> Aus- und Weiterbildung (Informationen über Bildungsangebote, Aus- und Weiterbildungskurse der Verbände) >> Rechts- und Steuerberatung >> Informationen zu Außenvermittlung und Qualifikationsbeurteilung >> Besondere Dienstleistungen 4. Andere Organisationen der Fach- und Führungskräfte Aufgrund der Gewerkschaftsfreiheit in Italien bestehen zahlreiche Fachund Führungskräfteorganisationen, die sich als Berufsverbände ausgeben, aber historisch gesehen als Gegenbewegung zu den auf dem Grundsatz der Arbeitersolidarität beruhenden Gewerkschaftsbünden entstanden sind. Insgesamt gibt es 24 solcher meist unternehmens- oder sektorbezogenen Organisationen; zu den bekanntesten zählen UnionQuadri, Confederazione Unitaria Quadri und ConfederQuadri sowie der Ingenieurverband Consiglio Nazionale degli Ingegneri (CNI). 137 Dirigenti besitzen traditionell ihre eigenen Gewerkschaftsorganisationen mit Berufsverbandcharakter, die nach Wirtschaftszweigen organisiert sind (z.B. CIDA für die Industrie, FENDAI für Handel und Dienstleistungen, DIRSTAT und CONFEDIR für den öffentlichen Dienst usw.). Die Dienstleistungen, die sie anbieten, reichen von Interessenvertretung bei Tarifverhandlungen über Zusatzrentensysteme und außergerichtliche Streitbeilegung bis zu Außenvermittlung und Aus- und Weiterbildungsangeboten. Um das Problem ihrer geringen Mitgliederzahl zu lösen, haben die dirigenti-Gewerkschaften beschlossen, auch quadri zu vertreten und konkurrieren dadurch mit den Fach- und Führungskräfteverbänden von CGIL, CISL und UIL. > III. Tarifverhandlungen 1. Tarifverhandlungsstruktur Das Tarifverhandlungssystem in Italien umfasst zwei Ebenen - die nationale Ebene und eine dezentrale Ebene mit Verhandlungen auf Betriebsebene (mittlere und große Unternehmen) oder auf Gebietsebene (kleine und mittlere Unternehmen). Zwar können auf beiden Ebenen ähnliche Fragen behandelt werden, aber grundsätzlich gilt, dass Angelegenheiten, die bereits auf höherer nationaler Ebene vereinbart wurden, nicht auf dezentraler Ebene verhandelt werden können. Im Gegensatz zu dem nationalen Manteltarifvertrag werden im Rahmen der dezentralen Tarifverhandlungen spezifische Einzelfragen behandelt. In Bezug auf Löhne und Gehälter beispielsweise sind die Tarifbefugnisse genau zwischen den beiden Ebenen aufgeteilt. Auf nationaler Branchenebene steht hier der Schutz der Lohnkaufkraft im Mittelpunkt, während es auf betrieblicher oder territorialer Ebene darum geht, an Produktivitätsgewinne geknüpfte Lohnerhöhungen, die anhand der von den Sozialpartnern festgesetzten Parametern berechnet werden, zu verhandeln. Organisationen der Fach- und Führungskräfte sind im Gegensatz zu den sektoralen Einheitsgewerkschaften normalerweise nicht tariffähig. Fach- und Führungskräfte nehmen jedoch bei Tarifverhandlungen an den Gewerkschaftsdelegationen teil, um die Interessen der Fach- und Führungskräfte einer Branche oder eines Unternehmens zu vertreten. 138 [ Italien ] Die Tarifverhandlungen der dirigenti sind von denen der anderen Arbeitnehmer getrennt. Es gibt einen nationalen Manteltarifvertrag für dirigenti aller Industriebranchen und eine Reihe von Tarifverträgen für die übrigen Wirtschaftszweige Landwirtschaft, Handel, Kreditwesen, Versicherungswesen und öffentlicher Dienst. 2. Tarifvertragliche Deckungsrate und Trends Italien weist eine hohe tarifvertragliche Deckungsrate auf – rund 80 % der Arbeitnehmer fallen in den Geltungsbereich eines Tarifvertrags. Obgleich das Tarifverhandlungssystem unter Druck geraten ist, hat sich an seiner Struktur nichts geändert. Bei Tarifverhandlungen messen Fach- und Führungskräfte nach wie vor folgenden Themen besondere Bedeutung bei: >> Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten >> Regeln für variable und leistungsbezogene Entlohnung >> Festlegung der Arbeitszeit: Dauer und Überstunden (Versuche mit Arbeitszeitkonten) >> Mobilität Es ist wichtig, dass sich die Fach- und Führungskräfteorganisationen untereinander abstimmen, um bei Tarifverhandlungen für diese Fragen eintreten zu können. Die italienischen Fach- und Führungskräfteverbände haben insbesondere eine Reform des Gesetzes 190/1985 entsprechend folgenden Leitlinien vorgeschlagen: >> Neudefinition der hochqualifizierten Berufsprofile im Rahmen der Entwicklungen des Systems der öffentlichen und privatwirtschaftlichen Unternehmen >> Ausweitung der Regeln betreffend den öffentlichen und Verwaltungssektor >> Schutz des Rechts auf Vertretung >> Gewährleistung der Gesetzesanwendung einschließlich Sanktionen bei Verstößen >> •Einrichtung einer nationalen Beobachtungsstelle speziell für den Bereich Fach- und Führungskräfte, die mit Forschungsaufgaben und politischen Planungsarbeiten betraut wird und die Anwendung des Gesetzes überwachen soll 139 > IV. Arbeitskämpfe Die Zahl der Streiks in Italien liegt über dem EU-Durchschnitt. Dies ist weitgehend darauf zurückzuführen, dass – wie in anderen südeuropäischen Ländern auch – Streiks als politisches Mittel eingesetzt werden, um gegen Maßnahmen der Regierung zu protestieren. Bei den meisten Streiks spielen fach- und führungskräftespezifische Fragen jedoch keine wichtige Rolle. > V. Sozialer Dialog Es gibt keine besonderen Gremien für Fach- und Führungskräfte. Wenn auch keine institutionalisierte Form der politischen Konzertierung besteht, hat der soziale Dialog doch zuweilen für die allgemeinen Arbeitsbeziehungen in Italien eine wichtige Rolle gespielt. In den letzten Jahren wurden auch einige dreiseitige Sozialpakte ausgehandelt. 140 [ Kapitel 14 ] Zypern 141 [ Zypern ] In Zypern gibt es 58.000 Fach- und Führungskräfte; dies entspricht 19,2 % der Arbeitnehmer (Quelle: EUROSTAT, labour force survey 2007) > I. Definition Das Arbeitsrecht enthält keine Definition von Fach- oder Führungskräften. Es gibt aber auch keine gesetzlichen Einschränkungen oder arbeitsrechtlichen Sonderbestimmungen für Fach- und Führungskräfte hinsichtlich der Ausübung gewerkschaftlicher Rechte (Vereinigungs-, Streik- und Verhandlungsrecht usw.). > II. Gewerkschaftliche Organisationen 1. Gewerkschaften der Fach- und Führungskräfte Der gewerkschaftliche Organisationsgrad in Zypern ist hoch (70%). Es gibt zwei große Gewerkschaftsbünde - PEO und SEK - sowie einige bedeutende autonome Gewerkschaften, die Arbeitnehmer im öffentlichen Sektor, im Banksektor und Lehrer organisieren. Fach- und Führungskräfte sind Mitglieder dieser Gewerkschaften; es gibt keine getrennten oder eigenständigen Gewerkschaften für Fach- und Führungskräfte. 142 [ Zypern ] Bei den größten nationalen Gewerkschaftsbünden handelt es sich um den Panzyprischen Gewerkschaftsbund PEO mit 63.871 Mitgliedern (2001), den Zypriotischen Dachverband der Angestelltengewerkschaften SEK mit 64.733 Mitgliedern (2001), die Demokratische Arbeiterkonföderation Zyperns DEOK und die Unabhängigen Gewerkschaften POAS. Der Zypriotische Verband der Bankangestellten ETYK ist die größte Einzelgewerkschaft im Banksektor. Die wichtigsten Gewerkschaften im öffentlichen Sektor sind: >> Panzyprischer Verband der Beamten des öffentlichen Dienstes PASYDY mit 26.498 Mitgliedern (2001). PASYDY ist hinsichtlich der Mitgliederzahl und des Einflusses mit Abstand die größte und mächtigste Gewerkschaft im öffentlichen Sektor. >> Panzyprischer Verband der griechischen Vorschullehrer POED. >> Verband der griechischen Sekundarschullehrer OELMEK. >> Verband der griechischen Berufsschullehrer OLTEK. PEO, der älteste Gewerkschaftsbund Zyperns, organisiert hauptsächlich Arbeiter, gelernte und angelernte Arbeitnehmer. Der Gewerkschaftsbund SEK umfasst Gewerkschaften der öffentlichen Versorgungsbetriebe. Die Arbeiterkonföderation DEOK hat zwar weniger Mitglieder, aber bei Verhandlungen viel Macht. Das Gewerkschaftswesen in Zypern ist traditionell pluralistisch und durch starke ideologische Bindungen zwischen Gewerkschaften und politischen Parteien geprägt. Trotz ideologischer und politischer Differenzen und unterschiedlicher Bindungen gehen die Gewerkschaften im privatwirtschaftlichen und halböffentlichen Sektor auf koordinierte Weise vor und haben sich bislang mit Erfolg gemeinsam für die Rechte und Interessen ihrer Mitglieder eingesetzt. 2. Vertretung In einigen Branchen gibt es mehrere Gewerkschaftsbünde, die nach politischen Richtungen organisiert sind und miteinander konkurrieren. In Zypern überwiegen Branchengewerkschaften. In Zypern erfolgt die Arbeitnehmervertretung auf betrieblicher Ebene im Rahmen eines einstufigen Systems durch die örtliche Gewerkschaft. Der lokale Gewerkschaftsausschuss im Betrieb befasst sich mit täglichen Angelegenheiten wie beispielsweise Missständen am Arbeitsplatz und ist bei geplanten größeren Änderungen zu konsultieren. Die betrieblichen 143 Gewerkschaftsvertreter werden gemäß den Vorschriften der Gewerkschaft gewählt. In der Regel beträgt ihre Amtszeit ein Jahr. Zur Umsetzung der EU-Richtlinie über die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer wurden Bestimmungen erlassen, wonach mit den vorhandenen betrieblichen Arbeitnehmervertretern – d.h. den Gewerkschaften – angemessene praktische Modalitäten für die Information und Konsultation der Arbeitnehmer ausgehandelt werden müssen. > III. Tarifverhandlungen 1. Tarifverhandlungsstruktur Die Arbeitsbeziehungen in Zypern beruhen weitgehend auf freiwilligen Vereinbarungen, vor allem auf dem Gesetzbuch über Arbeitsbeziehungen aus dem Jahr 1977. Diese voluntaristische Tradition hat zur Folge, dass es keine gesetzlichen Allgemeinverbindlichkeitsverfahren für Tarifverträge gibt. In Zypern finden Tarifverhandlungen auf Branchen- und Unternehmensebene statt. Auf der Website des Arbeitsministeriums sind 13 Branchenvereinbarungen im Privatsektor aufgeführt, die insgesamt schätzungsweise 27 % der Arbeitnehmerschaft erfassen. Tarifverhandlungen auf sektoraler Ebene spielen zwar weiterhin eine wichtige Rolle, aber in vielen Unternehmen, die nicht in den Geltungsbereich eines Branchentarifvertrags fallen, wird auf betrieblicher Ebene verhandelt. Schätzungen der Gewerkschaften zufolge wurden auf dieser Ebene 450 Vereinbarungen abgeschlossen. Dies bedeutet, dass Tarifverhandlungen in hohem Maße dezentralisiert sind, wenngleich keine präzisen Angaben zur Zahl der Vereinbarungen vorliegen. Tarifverhandlungen sind außerdem im staatlichen und halbstaatlichen Sektor weit verbreitet. Insgesamt sind rund drei Viertel aller Beschäftigten durch Tarifvereinbarungen unterschiedlicher Art gedeckt. Auf Branchenebene verhandeln die jeweiligen sektoralen Verbände, in manchen Branchen wie z. B. im Banksektor finden die Verhandlungen zwischen der autonomen Gewerkschaft und dem betreffenden Arbeitgeberverband statt. Auf betrieblicher Ebene verhandelt der Arbeitgeber mit der lokalen Gewerkschaft, d.h. in der Regel mit dem hauptamtlichen Gewerkschaftsfunktionär. Die Gewerkschaftsvertreter im Betrieb werden auch in diese Verhandlungen einbezogen. 144 [ Zypern ] Vereinbarungen auf Branchen- und Betriebsebene werden normalerweise für zwei Jahre abgeschlossen, zum Teil werden sie auch auf drei Jahre verlängert. Für Fach- und Führungskräfte gelten die gleichen Tarifverhandlungsverfahren wie für die anderen Arbeitnehmer. 2. Tarifvertragliche Deckungsrate und Trends Die tarifvertragliche Deckungsrate in Zypern wird auf 75 % geschätzt. Bei Tarifverhandlungen geht es hauptsächlich um Löhne und Gehälter; dies gilt auch für Fach- und Führungskräfte. Insgesamt geht der Trend dahin, dass Tarifverhandlungen zunehmend auf Betriebsebene geführt werden. > IV. Arbeitskämpfe Die Anzahl der Streiks in Zypern liegt über dem EU-Durchschnitt, und ist in den letzten Jahren auch nicht wesentlich zurückgegangen. Die meisten Streiks finden im Zusammenhang mit Tarifverhandlungen statt. Beispiele für jüngste Arbeitskampfmaßnahmen, bei denen Fach- und Führungskräfte einbezogen waren, sind Streiks im öffentlichen Sektor - in Krankenhäusern und Wasserversorgungseinrichtungen. > V. Sozialer Dialog Es gibt keine spezifischen dreiseitigen Verhandlungsgremien für Fach- und Führungskräfte. Der soziale Dialog zwischen Regierung, Arbeitgeberorganisationen und Gewerkschaften bildete und bildet noch stets die Grundlage für die Formulierung und Umsetzung nahezu aller Vorschläge und politischen Maßnahmen im Bereich der Arbeitsbeziehungen. Diese drei Parteien arbeiten im Rahmen von Fachausschüssen und anderen dreiseitigen Gremien zusammen. Der Beratende Ausschuss für Arbeitsfragen 145 ist das wichtigste dieser Gremien, aber insgesamt gibt es mehr als 50 dreiseitige Fachausschüsse und Räte, die im Zusammenhang mit Initiativen und Maßnahmen der verschiedenen Ministerien eingerichtet wurden. Die Sozialpartner haben eine sehr positive Meinung über den sozialen Dialog. In Zypern wird der dreiseitige soziale Dialog als ein wichtiges Ziel angesehen. 146 [ Kapitel 15 ] Lettland 147 [ Lettland ] In Lettland gibt es 207.000 Fach- und Führungskräfte; dies entspricht 20,7 % der Arbeitnehmer (Quelle: EUROSTAT, Labour Force Survey 2007). > I. Definition Das lettische Arbeitsrecht enthält keine allgemeine Definition für Fach- und Führungskräfte. Einige Berufsgruppen wie Beamte, Angehörige nationaler und lokaler gesetzgebender Körperschaften, Richter, Lehrer und Ärzte, sind durch Sondergesetze geregelt (z.B. das Beamtengesetz, das Bildungsgesetz oder das Medizingesetz), die auch die Bedingungen für die Ausübung dieser Berufe festlegen. Die Verfassung der Republik Lettland sieht für alle Arbeitnehmer und somit auch für Fach- und Führungskräfte das Koalitionsrecht und das Recht auf Abschluss von Tarifverträgen vor. Diese beiden Rechte werden weder durch arbeitsrechtliche oder anderweitige gesetzliche Regelungen eingeschränkt. Die Tarifverhandlungen für Beamte sind jedoch Gegenstand von Diskussionen. Die Bezüge und Zulagen im öffentlichen Dienst sind gesetzlich geregelt und werden in dieser Form in die Tarifverträge übernommen. Der Lettische Gewerkschaftsbund macht in diesem Zusammenhang geltend, dass die Gewerkschaften die Möglichkeit haben müssen, Bezüge und Zulagen auszuhandeln, die über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgehen, da Tarifverhandlungen ansonsten sinnlos seien. 148 > [ Lettland ] Das Streikrecht unterliegt auch bestimmten Einschränkungen. Nach dem „Streikgesetz“ sind spezifische Berufe wie unter anderem Richter, Staatsanwälte, Mitglieder der Polizei, der Feuerwehr und der Streitkräfte sowie Strafvollzugsbedienstete vom Streikrecht ausgeschlossen. Das Recht auf Unterrichtung und Anhörung am Arbeitsplatz gilt für Fach- und Führungskräfte wie für alle anderen Berufsgruppen. II. Gewerkschaftliche Organisationen 1. Gewerkschaften der Fach- und Führungskräfte In Lettland ist nur ein Gewerkschaftsbund offiziell von der Regierung anerkannt. Der Freie Gewerkschaftsbund Lettlands (Latvijas Brīvo arodbiedrību savienība – LBAS) umfasst 21 Branchengewerkschaften mit insgesamt rund 151.000 Mitgliedern (2007). Zu seinen Mitgliedsorganisationen zählen die größten Gewerkschaften des Landes wie die Gewerkschaft Bildung und Wissenschaft LIZDA (Latvijas izglītības un zinātnes darbinieku arodbiedrība) mit 44.986 Mitgliedern (2007), die Gewerkschaft des Gesundheits- und Sozialwesens LVSADA (Latvijas Veselības un sociālās aprūpes darbinieku arodbiedrība) mit 16.442 Mitgliedern (2007) und die Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes LAKRS (Latvijas sabiedrisko pakalpojumu un transporta darbinieku arodbiedrība) mit 16.000 Mitgliedern. Daneben gibt es mehr als 100 eingetragene meist sehr kleine Gewerkschaften, die nicht dem LBAS angeschlossen sind, allerdings ist kaum ein Viertel dieser Gewerkschaften aktiv.1 In Lettland bestehen keine Gewerkschaften, die speziell Fach- und Führungskräfte organisieren. Folglich werden die Interessen der Fach- und Führungskräfte wie die der anderen Arbeitnehmer durch ihre jeweiligen Gewerkschaften vertreten. Nach lettischem Arbeitsrecht sind neben Gewerkschaften auch gewählte Arbeitnehmervertreter befugt, Tarifverträge abzuschließen. Diese „autorisierten betrieblichen Arbeitnehmervertreter“ können in Betrieben oder Organisationen mit mehr als fünf Beschäftigten gewählt werden. Abgesehen 1 Fulton, L. Worker representation in Europe, ETUI/REHS, http://www.worker-participation.eu/national_industrial_relations/countries/latvia 149 von dieser Bestimmung sind keine weiteren Vorschriften über die Anzahl der autorisierten betrieblichen Arbeitnehmervertreter erlassen worden. An der Wahl muss mindestens die Hälfte der Belegschaft teilnehmen, die mit einfacher Mehrheit abstimmt. Dennoch spielen die Gewerkschaften auch weiterhin die wichtigste Rolle bei der Interessenvertretung der Beschäftigten, wenn auch die Zahl ihrer Mitglieder gering ist. In den meisten Betrieben existiert überhaupt keine Arbeitnehmervertretung.2 2- Vertretung Der gewerkschaftliche Organisationsgrad der Fach- und Führungskräfte liegt zwischen 15 und 30 %. Es wird damit gerechnet, dass er in den nächsten fünf Jahren stark zurückgehen wird. > III. Tarifverhandlungen 1. Tarifverhandlungsstruktur Da Fach- und Führungskräfte in Lettland nicht durch eigene Gewerkschaften vertreten werden, werden auch keine getrennten Tarifverhandlungen für sie geführt. Zwar lässt die Gesetzgebung Tarifverhandlungen auf nationaler, sektoraler, regionaler und betrieblicher Ebene zu, doch in der Praxis werden hauptsächlich Vereinbarungen auf Unternehmensebene sowie Branchenvereinbarungen ausgehandelt, die Zahl der Tarifverträge auf Branchenebene ist allerdings gering. Anfang 2006 gab es nur 21 Branchenvereinbarungen, im Vergleich zu mehr als 2.400 Unternehmenstarifverträgen.3 Branchentarifverträge sind nur für die Unternehmen und Organisationen bindend, die Mitglied der unterzeichnenden Arbeitgeberverbände sind. Nach lettischem Recht kann eine Branchenvereinbarung für allgemeinverbindlich erklärt werden, vorausgesetzt der Arbeitgeberverband, der die Vereinbarung unterzeichnet hat, vertritt über 50 % aller Arbeitnehmer der jeweiligen 2 Fulton, L. Worker representation in Europe, ETUI/REHS, http://www.worker-participation.eu/national_industrial_relations/countries/latvia 3 Fulton, L. Worker representation in Europe, ETUI/REHS, http://www.worker-participation.eu/national_industrial_relations/countries/latvia 150 Nach lettischem Arbeitsrecht ist ein Tarifvertrag im Unternehmen nur dann gültig, wenn er auf einer Betriebsversammlung die Zustimmung der Belegschaft erhält. An der Versammlung muss mindestens die Hälfte der Belegschaft teilnehmen, die mit einfacher Mehrheit abstimmt. In Betrieben mit wenigen Gewerkschaftsmitgliedern kann die Bestimmung, wonach die Hälfte der Belegschaft bei der Betriebsversammlung anwesend sein muss, die Genehmigung des Tarifvertrags erschweren. [ Lettland ] Branche. In der Praxis jedoch hat man von dieser Möglichkeit noch nie Gebrauch gemacht.4 Im Rahmen von Tarifverhandlungen geht es hauptsächlich um Arbeitsentgelt und Arbeitsbedingungen, aber auch um Fragen wie Weiterbildung, Bedingungen, unter denen Arbeitnehmer eingestellt und entlassen werden, Sozialleistungen, Verfahrensfragen und Arbeitsorganisation.5 Nach lettischem Arbeitsrecht können die Beschäftigten eines Unternehmens durch mehrere Gewerkschaften vertreten werden. Dies kann zu Rivalitäten und Konkurrenz zwischen den Gewerkschaften führen, die nicht nur die Organisation der Arbeitnehmervertretung in den Verhandlungsprozessen sondern auch den Abschluss von Tarifverträgen erschweren. Über die tarifvertragliche Deckungsrate der lettischen Fach- und Führungskräfte liegen keine Angaben vor. Insofern lassen sich auch keine diesbezüglichen Prognosen für die nächsten fünf Jahre aufstellen. Die allgemeine tarifvertragliche Deckungsrate wird auf circa 16 % geschätzt. > IV. Arbeitskämpfe In den letzten zehn Jahren gab es nur einen Streik in Lettland. Im Oktober 2008 organisierte die Gewerkschaft der Gesundheits- und Sozialdienste einen zweitägigen Streik, um auf die niedrigen Gehälter aufmerksam zu machen. Diese Aktion blieb jedoch ohne Ergebnis, da die Beteiligung an dem Streik äußerst gering war. 4 Fulton, L. Worker representation in Europe, ETUI/REHS, http://www.worker-participation.eu/national_industrial_relations/countries/latvia 5 Fulton, L. Worker representation in Europe, ETUI/REHS, http://www.worker-participation.eu/national_industrial_relations/countries/latvia 151 > V. Sozialer Dialog Es gibt in Lettland kein dreigliedriges Gremium für Fach- und Führungskräfte. Sie nehmen am Nationalen Tripartiten Kooperationsrat teil, der Vertreter der Regierung, der Gewerkschaften und der Arbeitgeberverbände umfasst. Dieser Rat ist in sieben Unterräte gegliedert, die sich mit spezifischen Aspekten wie Arbeitsfragen, Gesundheitsschutz und Sicherheit, soziale Sicherheit und Berufsbildung befassen und über den nationalen Mindestlohn beraten. 152 [ Kapitel 16 ] Luxemburg 153 [ Luxemburg ] In Luxemburg gibt es 500.00 Fach- und Führungskräfte; dies entspricht 26,6 % der Arbeitnehmer (Quelle: EUROSTAT, Labour Force Survey 2007). > I. Definition In Luxemburg gibt es eine gesetzliche Definition des Arbeiterstatus sowie ein Gesetz über die Rechte und Interessen von Privatangestellten. Die Gesetze über den Status von Privatangestellten sind in einem koordinierten Gesetzestext zusammengefasst. Das geänderte Gesetz vom 12. Juni 1937 zur Reform des Gesetzes vom 31. Oktober 1919 regelt die Arbeitsverträge von Privatangestellten einschließlich der gesetzlichen Arbeitszeit. Da für Fach- und Führungskräfte in Luxemburg keine gesetzliche Definition vorliegt, bildet Artikel 5 des Tarifvertragsgesetzes vom 12. Juni 1965 den einzigen arbeitsrechtlichen Anhaltspunkt. Darin heißt es, dass die Arbeitsund Vergütungsbedingungen für leitende Angestellte nicht unter die Kollektivverträge für Angestellte fallen. Manche Tarifverträge enthalten auch eine genauere Definition der Aufgaben von Fach- und Führungskräften oder ihres Geltungsbereichs für diese Arbeitnehmergruppe. Es gibt jedoch nur wenige solcher Tarifverträge und sie sind hauptsächlich in der Industrie zu finden. Das Gesetz zur Einführung eines Einheitsstatuts, das am 15. Mai 2008 im Mémorial A 60 (Amtsblatt des Großherzogtums Luxemburg) veröffentlicht wur- 154 [ Luxemburg ] de, ist am 1. Januar 2009 in Kraft getreten. Die darin enthaltenen Bestimmungen über die Einrichtung neuer Institutionen oder die Wahl von Personaldelegationen gelten bereits seit dem 15. Mai 2008. Dieses Gesetz ändert das Arbeitsgesetzbuch (Code du Travail) sowie das Sozialversicherungsgesetzbuch (Code des assurances sociales) und bennent dieses um in „Gesetzbuch der sozialen Sicherheit“ (Code de la sécurité sociale), um die Vorsorgefunktion der Einrichtungen der sozialen Sicherheit zu unterstreichen. Durch dieses Gesetz wird die Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten abgeschafft. Viele der vorgenommen Änderungen haben effektiv zur Folge, dass das geltende System für Arbeiter aufgehoben wird und sie unter die Vorschriften fallen, die bislang nur für Angestellte galten. Zu den wichtigsten Bereichen, in denen eine Angleichung stattgefunden hat, gehören Folgende: >> Entlassungsabfindung: Bislang hatten sowohl Arbeiter als auch Angestellte bei fristgerechter Kündigung Anspruch auf eine Abfindung in Höhe von einem, zwei oder drei Monatsgehältern, sofern sie respektive fünf, 10 oder 15 Jahre Betriebszugehörigkeit nachweisen konnten. Fristgemäß entlassene Angestellte hatten nach 20-, 25-, und 30-jähriger Betriebszugehörigkeit außerdem Anspruch auf eine Abfindung in Höhe von respektive sechs, neun und 12 Monatsgehältern, Arbeiter hingegen nicht. Künftig erhalten Arbeiter mit mehr als 20 Jahren Betriebszugehörigkeit eine Abfindung nach den Regeln, die bislang nur für Angestellte galten. >> Lohnfortzahlung bei Krankheit: Der Arbeitgeber ist in jedem Fall zur Lohnfortzahlung für die Dauer von 77 Krankentagen während eines Bezugszeitraums von 12 Monaten verpflichtet. Dennoch ist es auch nach den neuen Vorschriften möglich, Arbeitnehmer, die für die Leitung des Unternehmens verantwortlich sind oder unterstützende Funktionen wahrnehmen, die nicht direkt mit der Hauptgeschäftstätigkeit des Unternehmens oder der Branche verbunden sind, (aus objektiven Gründen) von einigen tarifvertraglichen Bestimmungen auszuschließen. Dies betrifft insbesondere Bedingungen im Zusammenhang mit Einstellung und Entlassung, Arbeitszeit, Feiertagen, Jahresurlaub, Gehältern und Nachtarbeit und Arbeitspensum. > II. Gewerkschaftliche Organisationen 1. Gewerkschaften der Fach- und Führungskräfte In Luxemburg bestehen zwei große Gewerkschaftsbünde: >> Der Allgemeine Luxemburgische Gewerkschaftsbund (Confédération gé­ nérale du Travail du Luxemburg, CGTL). Er umfasst den Unabhängigen 155 Gewerkschaftsbund (Confédération syndicale indépendante du Luxemburg, OGBL) mit 60.000 Mitgliedern, die Gewerkschaft Verkehr, Beamte und Angestellte FNCTTEL. Der CGTL zählt rund 80.000 Mitglieder und gehört der freien Gewerkschaftsbewegung an. >> Der Christliche Gewerkschaftsbund (Confédération luxemburgeoise des Syndicats chrétiens, LCGB) zählt 33.000 Mitglieder. Die beiden großen luxemburgischen Gewerkschaftsbünde haben ihre Mitglieder mit Fach- und Führungskräftestatus in Unterorganisationen zusammengeschlossen: >> CGT/OGBL: Fach- und Führungskräfteausschuss (Comité des cadres) >> LCGB: Perspectives Drei andere Gewerkschaften umfassen ebenfalls Sektionen für Fach- und Führungskräfte: >> der Allgemeine Gewerkschaftsbund des öffentlichen Dienstes (Confé­ dération Générale de la Fonction Publique, CGFP) mit mehr als 4000 Mitgliedern einschließlich Beamten, Sekundar- und Hochschullehrern und Fach- und Führungskräften bei der Polizei; >> Luxemburgischer Berufsverband der Bank- und Versicherungsangestellten (L‘Association Luxembourgeoise des Employés de Banque et Assurance, ALEBA) >> der Allgemeine Verband der Gemeindebeamten (Fédération Générale des Fonctionnaires Communaux, FGFC). Um den Status der nationalen Repräsentativität zu erlangen, muss eine Gewerkschaft bei den letzten Wahlen zu den Berufskammern der Arbeitnehmer mindestens 20 % der Stimmen insgesamt sowie bei beiden Kategorien (Arbeiter und Angestellte) mindestens 15 % der Stimmen auf sich vereint haben. Außerdem muss eine auf nationaler Ebene repräsentative Gewerkschaft in der Mehrheit der Wirtschaftszweige des Landes tätig sein. Diese Bedingungen für die Zuerkennung des Status der nationalen Repräsentativität sind im neuen Gesetz über Arbeitsbeziehungen (2004) festgelegt. Die Einzelbestimmungen wurden erlassen, nachdem mehrere Gewerkschaften spezifischer Fach- und Führungskräftegruppen (zum Beispiel ALEBA) vor Gericht gegangen waren, um den Status der nationalen Repräsentativität (und die damit einhergehende Mitgliedschaft in den Institutionen für die soziale Konzertierung, siehe unten) zu erlangen. 156 Bei Fach- und Führungskräften beträgt der gewerkschaftliche Organisationsgrad schätzungsweise 25%, der allgemeine gewerkschaftliche Organisationsgrad liegt zwischen 45 und 50%. [ Luxemburg ] 2. Vertretung Außer in den kleinsten Unternehmen, d.h. in Unternehmen mit weniger als 15 Beschäftigten, haben alle Arbeitnehmer in Luxemburg einen gesetzlichen Anspruch auf Wahrnehmung ihrer Interessen auf betrieblicher Ebene. Zentrales Element dieser Interessenvertretung im Betrieb ist die Personaldelegation (délégation du personnel), die von der gesamten Belegschaft des Betriebs direkt gewählt wird. In größeren Unternehmen mit mindestens 150 Beschäftigten wird ein weiteres, betriebratsähnliches Organ eingesetzt, nämlich der gemischte Unternehmensausschuss (comité mixte d’entreprise). Dieser wird von den Mitgliedern der Personaldelegation gewählt. Die Rollen der Personaldelegationen und der gemischten Unter­nehmens­ ausschüsse sind klar aufgeteilt. Die Personaldelegation hat die allgemeine Aufgabe, die Interessen der Arbeitnehmer zu wahren und zu verteidigen. Die Rolle des gemischten Unternehmensausschusses dagegen besteht in der Bereitstellung eines Forums, in dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer zusammenarbeiten können, um die Arbeitsbeziehungen im Betrieb zu verbessern. Der Unternehmensausschuss ist paritätisch besetzt. Die Mitglieder der Personaldelegation werden alle fünf Jahre an einem festgelegten Datum in landesweit organisierten Sozialwahlen gewählt. Für Fachund Führungskräfte werden keine spezifischen Wahlen durchgeführt, sie wählen gemeinsam mit den Privatangestellten oder Beamten. 3. Gewerkschaftsaktivitäten und -dienstleistungen Fach- und Führungskräfte erhalten die gleichen Dienstleistungen wie alle anderen Gewerkschaftsmitglieder einschließlich Beratung, Rechtshilfe, Versicherung und Vertretung. > III. Tarifverhandlungen 1. Tarifverhandlungsstruktur Tarifverhandlungen werden in Luxemburg in der Regel auf Branchen- und Unternehmensebene geführt. In den Kollektivverträgen können sämtliche 157 Aspekte der Arbeit einschließlich Löhne und Gehälter geregelt werden. Es gibt jedoch keine Vereinbarungen zu bestimmten Themenbereichen oder speziell für Fach- und Führungskräfte. Fach- und Führungskräfte fallen in den Geltungsbereich der allgemeinen Kollektivverträge für Arbeitnehmer (privatwirtschaftlicher Sektor) oder Beamte (öffentlicher Sektor). Leitende Angestellte sind laut Artikel 5 des Gesetzes vom 12. Juni 1965 von Kollektivverträgen ausgeschlossen. Allerdings gibt es keine eindeutige und genaue Definition der leitenden Angestellten. Es ist sogar der Trend zu beobachten, diesen Ausschluss auf alle Fach- und Führungskräfte anzuwenden. In Luxemburg gilt für Tarifverträge das “erga omnes”-Prinzip: Ist der Arbeitgeber durch einen Tarifvertrag gebunden, so gelten die tarifvertraglichen Bestimmungen für die Arbeitsverträge mit all seinen Beschäftigten, auch wenn sie nicht gewerkschaftlich organisiert sind, mit Ausnahme der leitenden Angestellten. In Luxemburg besteht auch ein Verfahren zur Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Branchentarifverträgen: Ein solcher Tarifvertrag ist verbindlich für alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer der betroffenen Branche oder des betroffenen Berufs. Da Branchentarifverträge jedoch selten sind, sind viele Arbeitnehmer vor allem in kleinen Unternehmen nicht tarifvertraglich abgesichert. 2. Tarifvertragliche Deckungsrate und Trends Derzeit gibt es in Luxemburg zwischen 250 und 300 gültige Tarifverträge, die meisten von ihnen wurden auf Unternehmensebene abgeschlossen. Rund 100 von ihnen werden jährlich erneuert. Die beiden wichtigsten Branchen – Banken und Versicherungen – sind durch einen Branchentarifvertrag abgedeckt, der alle zwei oder drei Jahre neu ausgehandelt wird. Circa 60% aller Arbeitnehmer in Luxemburg fallen in den Geltungsbereich von Tarifverträgen. Im Vergleich zu anderen westeuropäischen Ländern ist diese Rate eher gering. Löhne, Gehälter und bestimmte Sozialleistungen werden automatisch an die Lebenshaltungskosten angepasst. In Luxemburg wird ein Gleitsystem angewandt, das eine Anpassung der Löhne und Gehälter vorsieht, sobald der Lebenshaltungskostenindex um 2,5 % steigt. Dieses System wurde 1921 für die Bezüge von Beamten und Beschäftigten der Eisenbahn eingeführt, ab 1965 mussten Tarifverträge eine Gleitklausel beinhalten und 1975 wurde das 158 Für Arbeiter und Privatangestellte gelten gesetzliche Vorschriften, für Fach- und Führungskräfte lediglich die Bestimmungen der Tarifverträge auf Branchenund/oder Unternehmensebene. Da das Gesetz vom 12. Juni 1965 über Tarifverträge die Arbeits- und Vergütungsbedingungen leitender Angestellter von Tarifverträgen ausschließt, gibt es in Luxemburg auch keine spezifischen Tarifvereinbarungen für Fach- und Führungskräfte. [ Luxemburg ] System schließlich generalisiert. Bei einer Konjunkturabschwächung kann die Regierung die automatische Indexierung jedoch aussetzen. Dennoch ist es den Gewerkschaften gelungen, in einigen Branchen Kollektiv­ verträge abzuschließen, die die Arbeits- und Entgeltbedingungen für Fachund Führungskräfte regeln: >> Pflege- und Sozialdienste >> Krankenhäuser >> öffentlicher Dienst >> Eisenbahndienste Nach luxemburgischem Arbeitsrecht sind leitende Angestellte zudem von vornherein von Überstundenzulagen ausgeschlossen. Es gibt derzeit keinen Kontrollmechanismus für die Arbeitszeit dieser Gruppe vonFührungskräften in Luxemburg. Angesichts fehlender gesetzlicher Bestimmungen zur Regelung der Arbeitsbedingungen von Fach- und Führungskräften werden die Gewerkschaften in Zukunft versuchen, mit den Sozialpartnern eine strenge gesetzliche Definition des Begriffs „Fach- und Führungskräfte“ in Luxemburg auszuarbeiten. Dies ist wichtig, um die Arbeits- und Gehaltsbedingungen der Fach- und Führungskräfte in die Tarifverhandlungen einzubeziehen. > IV. Arbeitskämpfe Die Arbeitsbeziehungen in Luxemburg sind geprägt durch sozialen Frieden. Der Hauptgrund dafür, dass es in Luxemburg nur eine beschränkte Zahl offener sozialer Konflikte gibt, ist zweifellos sein Pro-Kopf-BIP, das zu den höchsten in der Welt zählt. Die Gehälter werden jährlich an den Index angepasst und sind nach wie vor großzügig (die Jahresarbeitsverdienste gehören zu den höchsten Europas). Eine Radikalisierung sozialer Forderungen ist demnach äußerst selten. 159 Ein weiterer Grund liegt im Tarifverhandlungssystem. Bevor ein Arbeitskampf stattfinden kann, müssen beide Seiten, sowohl Arbeitgeber und Arbeitnehmer, versucht haben, eine Beilegung des Konflikts auszuhandeln: Arbeitgeber in Luxemburg sind zur Aufnahme von Verhandlungen verpflichtet, wenn sie dazu aufgefordert werden. Im Fall eines Scheiterns der Verhandlungen und vor jeder Arbeitskampfmaßnahme muss die Nationale Schlichtungsstelle (ONC) angerufen werden. Das System der Arbeitsbeziehungen in Luxemburg ist außerdem einzigartig angesichts der Größe des Landes und der Tatsache, dass die Hälfte seiner Wirtschaftstätigkeiten auf drei Branchen entfallen: Banken, Versicherungen und Metallindustrie. Banken und Versicherungen allein machen 45% aller Wirtschaftstätigkeiten aus. > V. Sozialer Dialog Dreigliedrige Beratungen sind ein wichtiges Element des konsensorientierten „luxemburgischen Modells“ und beruhen auf einem umfassenden Netzwerk von Institutionen. Die zwei wichtigsten Gremien in diesem Bereich sind: >> Der Wirtschafts- und Sozialrat berät die Regierung zu sozialen und wirtschaftlichen Angelegenheiten, meist in der ersten Phase der Ausarbeitung von Gesetz- oder Beschlussentwürfen. Durch ein Gesetz aus dem Jahr 2004 wurde die Zusammensetzung des Wirtschafts- und Sozialrates geändert und die Zahl seiner Mitglieder auf 39 erhöht (je 18 Mitglieder für die Arbeitgeberund Arbeitnehmerseite sowie 3 von der Regierung benannte Mitglieder). Der Wirtschafts- und Sozialrat, der 1966 offiziell eingerichtet wurde, aber dessen Vorläufer bereits auf die 30er Jahre zurückgehen, hat die Aufgabe, soziale, wirtschaftliche oder finanzielle Probleme zu untersuchen, die mehrere Wirtschaftszweige oder die gesamte luxemburgische Wirtschaft betreffen. >> Der Tripartite Koordinierungsausschuss setzt sich aus Vertretern der Arbeitgeber, Arbeitnehmer und öffentlichen Behörden zusammen und wurde aus Anlass der Krise in der Eisen- und Stahlindustrie 1977 eingerichtet. Seine wichtigste Errungenschaft war die Umstrukturierung der Stahlindustrie in den 80er Jahren, die zu einem massiven Stellenabbau bei ARBED führte. Dieser dreigliedrige Ausschuss, der sich als wirksames Instrument des Krisenmanagements erwiesen hatte, entwickelte danach zu einem Konsultationsgremium, das systematisch zusammentritt, um auf Konsens basierte Lösungen für wirtschaftliche und soziale Probleme zu erzielen, auch wenn diese keine Krise darstellen. In diesem Ausschuss ist die Regierung direkt vertreten. 160 [ Kapitel 17 ] Ungarn 161 [ Ungarn ] In Ungarn gibt es 669.000 Fach- und Führungskräfte; dies entspricht 19,4 % der Arbeitnehmer (Quelle: EUROSTAT, Labour Force Survey 2007). > I. Definition In Ungarn gelten Fach- und Führungskräfte wie alle anderen Gruppen von Beschäftigten als Arbeitnehmer. Der Bildungsabschluss spielt allerdings für Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst ein wichtige Rolle, da davon die Besoldungseinstufung abhängt. Zudem gelten für Hochschulabsolventen höhere Mindestlöhne. Wie alle anderen Arbeitnehmergruppen haben Fach- und Führungskräfte das Koalitionsrecht, das Streikrecht, das Recht auf Abschluss von Tarifverträgen und das Recht auf Anhörung und Unterrichtung am Arbeitsplatz. Eine besondere Regelung gilt für Angehörige der Streitkräfte, die nicht streiken dürfen, sowie für Beamte, deren Streikrecht Sonderbestimmungen unterliegt.1 Führungskräfte haben in Ungarn nicht das Recht, Streiks zu organisieren. 1 „Industrial relations in the public sector Hungary“, EIROnline 20.5.2008, http://www.eurofound.europa.eu/eiro/studies/tn0611028s/hu0611029q.htm 162 II. Gewerkschaftliche Organisationen 1- Gewerkschaften der Fach- und Führungskräfte [ Ungarn ] > In Ungarn werden folgende sechs Dachverbände als repräsentative Gewerkschaftsbünde anerkannt: >> Ungarischer Gewerkschaftsbund (Magyar Szakszervezetek Országos Szövetsége, MSZOSZ) >> Gewerkschaftliches Kooperationsforum (Szakszervezetek Együttmûködési Fóruma, SZEF) >> Bund autonomer Gewerkschaften (Autonóm szakszervezetek szövetsége, ASZSZ) >> Bund der Intellektuellen (Értelmiségi szakszervezeti tömörülés, ÉSZT) >> Demokratische Liga der unabhängigen Gewerkschaften (LIGA) >> Landesverband der Arbeiterräte (Munkástanácsok Országos Szövetsége, MOSZ)2 Sie alle vertreten unter anderem Fach- und Führungskräfte, der ESZT jedoch organisiert höher qualifizierte Arbeitnehmer vor allem in Hochschulen und Forschungseinrichtungen und vertritt somit die Interessen von Fach- und Führungskräften. Das SZEF seinerseits organisiert Fach- und Führungskräfte im öffentlichen Sektor. ESZT und SZEF haben 1995 eine Vereinbarung über die Zusammenarbeit im öffentlichen Sektor unterzeichnet.3 2- Vertretung Der gewerkschaftliche Organisationsgrad von Fach- und Führungskräften wird auf 5 bis 14 % geschätzt und wird sich voraussichtlich in den nächsten fünf Jahren nicht verändern. 2 „Trade union membership falls further“, EIROnline 01/07/2002, http://www.eurofound.europa.eu/eiro/2002/06/inbrief/hu0206102n.htm 3 „Hungary. Industrial relations profile“, Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen, http://www.eurofound.europa.eu/eiro/country/hungary.pdf 163 > III. Tarifverhandlungen Obgleich die Gewerkschaften und die Regierung sich bemühen, Verhandlungen auf Branchenebene zu stärken, werden Tarifverhandlungen überwiegend auf betrieblicher Ebene geführt. 98 % aller Tarifverträge werden auf Unternehmensebene ausgehandelt, zwei Drittel davon im öffentlichen Sektor. Das heißt, dass in vielen Betrieben überhaupt keine Verhandlungen geführt werden. Die Zahl echter Branchenvereinbarungen beschränkt sich auf zwölf, die überwiegend den öffentlichen Sektor und die großen öffentlichen Versorgungsbetriebe abdecken.4 Als Beispiel für eine sektorale Vereinbarung sei der Tarifvertrag für die Beschäftigten im Hochschulbereich erwähnt, der von der Gewerkschaft der Intellektuellen ÉSZT ausgehandelt wurde. Da die Tarifverträge hauptsächlich den öffentlichen Sektor betreffen, liegt die tarifvertragliche Deckungsrate bei Fach- und Führungskräften im öffentlichen Sektor über der der im Privatsektor beschäftigten Fach- und Führungskräfte. Meist geht es bei Tarifverhandlungen um Arbeitsentgelt und andere Leistungen sowie um Arbeitsbedingungen. Über die tarifvertragliche Deckungsrate der Fach- und Führungskräfte in Ungarn liegen keine Angaben vor, aber es ist nicht davon auszugehen, dass sie sich wesentlich verändern wird. > IV. Arbeitskämpfe Kürzlich haben zwei Generalstreiks im öffentlichen Verkehr stattgefunden. Das Verkehrsunternehmen von Budapest protestierte gegen die geplanten Dienstkürzungen und den damit verbundenen Arbeitsplatzverlust. Nach langen Verhandlungen kam das Unternehmen allen arbeitsbezogenen Forderungen der Gewerkschaften nach.5 Bei der Eisenbahn wurde ebenfalls ein landesweiter Streik geführt, nachdem die Lohnverhandlungen im März 2008 4 Fulton, L. Worker representation in Europe, ETUI/REHS, http://www.worker-participation.eu/national_industrial_relations/countries/hungary. „Hungary. Industrial relations profile”, Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen, http://www.eurofound.europa.eu/eiro/country/hungary.pdf 5 „Strikes at Budapest Transport Company in bid to protect services and jobs“, EIROnline 19/05/2008, http://www.eurofound.europa.eu/eiro/2008/04/articles/hu0804039i.htm 164 > [ Ungarn ] gescheitert waren.6 An beiden Streiks waren auch Fach- und Führungskräfte beteiligt. V. Sozialer Dialog In Ungarn können die Gewerkschaften über ein dreigliedriges Gremium, den Nationalen Rat für Interessenausgleich (OÉT), Einfluss auf die Entwicklungen im Bereich der Tarifverhandlungen nehmen. Die drei Parteien dieses Rates vereinbaren den nationalen Mindestlohn für das kommende Jahr und geben Empfehlungen für die Tarifparteien auf den untergeordneten Ebenen ab, aber diese Empfehlungen sind nicht verbindlich.7 Außerdem bestehen besondere dreigliedrige Gremien, die sich mit fachund führungskräftespezifischen Fragen befassen. Neben dem Nationalen Rat für Interessenausgleich befassen sich der Verhandlungsrat für den öffentlichen Bereich (KÉT) und der Verhandlungsrat für das Hochschulwesen (FÉT) mit den Themen Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz und Chancengleichheit, aber auch mit Arbeitsmarktfragen und mit der Sozialversicherung und der Altersversorgung im öffentlichen Sektor und im Bildungswesen. In diesen dreigliedrigen Gremien sind jeweils die in dem Bereich tätigen Gewerkschaften vertreten. 6 „National strike at railway company over pay“, EIROnline 24/03/2008, http://www.eurofound.europa.eu/eiro/2008/02/articles/hu0802069i.htm 7 „Hungary. Industrial relations profile“, Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen, http://www.eurofound.europa.eu/eiro/country/hungary.pdf 165 166 [ Kapitel 18 ] Malta 167 [ Malta ] In Malta gibt es 26.000 Fach- und Führungskräfte; dies entspricht 19 % der Arbeitnehmer. (Quelle: EUROSTAT, Labour Force Survey 2007). > I. Definition Das Arbeitsrecht beinhaltet keine spezifische Definition von Fach- oder Führungskräften. In Bezug auf Gewerkschaftsrechte sieht Artikel 67 des Gesetzes über Beschäftigungs- und Arbeitsbeziehungen (Kapitel 452 des maltesischen Rechts) folgendes vor: Den Mitgliedern der Geschäftsleitung, die mit dem Management der industriellen Beziehungen zwischen den Arbeitgeber und die Gewerkschaften beschäftigt sein, werden nicht erlaubt, ein Mitglied dieser Gewerkschaften zu sein. Dieses Personal muss vom Arbeitgeber definiert werden. Diese Regeln werden im privaten und im öffentlichen Sektor angewandt. Deren Zahl ist im privaten Sektor wie folgt geregelt: a. bei einer als Arbeitgeber fungierenden Körperschaft mit höchstens zweihundert Beschäftigten beträgt ihre Zahl höchstens drei; b. bei einer als Arbeitgeber fungierenden Körperschaft mit mehr als zweihundert Beschäftigten beträgt ihre Zahl höchstens sieben; in diesem Fall muss der Arbeitgeber der Gewerkschaft schriftlich mitteilen welche Personen nicht Gewerkschaftsmitglieder sein dürfen. 168 Gewerkschaftliche Organisationen [ Malta ] >II. 1. Gewerkschaften der Fach- und Führungskräfte Die meisten Gewerkschaften in Malta sind nach Berufen organisiert und konkurrieren in den einzelnen Wirtschaftszweigen miteinander. Die Allgemeine Arbeiterunion (GWU) mit 46.500 Mitgliedern und die Malteser Arbeiterunion (UHM) mit 25.900 Mitgliedern sind bei weitem die größten Gewerkschaftsverbände. Sie organisieren Arbeitnehmer in einer Vielzahl von Wirtschaftszweigen und Berufen und ähneln somit den Gewerkschaftsbünden vieler anderer Länder. Die UHM umfasst mehr Angestellte und Arbeitnehmer im öffentlichen Sektor. Abgesehen von diesen beiden großen Gewerkschaftsverbänden bestehen einige kleinere Gewerkschaften, die in ihrem jeweiligen Bereich oftmals gut vertreten sind und im Zusammenhang mit Fach- und Führungskräften eine bedeutende Rolle spielen. Die wichtigsten von ihnen sind die Lehrergewerkschaft MUT mit 6.100 Mitgliedern, die Gewerkschaft der Bankangestellten MUBE mit 3.000 Mitgliedern und die Gewerkschaft der Hebammen und Krankenpfleger MUMN mit 2.200 Mitgliedern (Stand: Juni 2005). UHM, MUT und MUBE sowie ein paar kleinere Gewerkschaften sind dem Maltesischen Gewerkschaftsbund (CMTU) angeschlossen; innerhalb des CMTU nehmen die Einzelgewerkschaften jedoch eine dominierende Position ein. 2004 wurde unter Führung der Gewerkschaft MUMN eine weitere Gewerkschaftsgruppe von acht Gewerkschaften unter dem Namen Forum Unions Maltin (FORUM) gebildet. FORUM wurde hauptsächlich zu dem Zweck gegründet, einen Sitz im tripartiten Maltesischen Rat für wirtschaftliche und soziale Entwicklung (MCESD) zu erlangen, in dem GWU, UHM und CMTU vertreten sind. Dieser Versuch ist jedoch gescheitert. 2. Vertretung In einigen Branchen bestehen mehrere Gewerkschaftsbünde Gewerkschaften, die miteinander konkurrieren. oder Im Prinzip ist eine Gewerkschaft tariffähig, sofern sie 50 % + 1 Arbeitnehmer vertritt; in der Realität steht aber entscheidet der Arbeitgeber selbst, ob er die Gewerkschaft anerkennt oder nicht. Alle Gewerkschaften nehmen jedoch im 169 Rahmen des Maltesischen Rates für wirtschaftliche und soziale Entwicklung (MCESD) an der Gestaltung der öffentlichen Politik teil. In Malta wird die Interessenvertretung der Arbeitnehmer auf betrieblicher Ebene in der Regel von der Gewerkschaft wahrgenommen, sofern diese anerkannt ist (das heißt dass der Arbeitgeber mit ihr zu verhandeln bereit ist). Im Zuge der Umsetzung von EU-Richtlinien sind aber auch Regelungen für die Vertretung nicht gewerkschaftlich organisierter Arbeitnehmer getroffen worden. In der Praxis scheinen diese allerdings nicht angewandt zu werden. Überdies ändern sie nichts an der vorherrschenden Stellung der Gewerkschaft, da sie aufgehoben werden, sobald eine Gewerkschaft gegründet wird. > III. Tarifverhandlungen 1. Tarifverhandlungsstruktur In Malta werden Tarifverhandlungen im Privatsektor auf Unternehmensebene geführt. Lediglich im öffentlichen Sektor wird über gemeinsame überbetriebliche Bedingungen verhandelt. Viele Arbeitnehmer, die nicht tarifvertraglich abgesichert sind, unterliegen jedoch den von der Regierung erlassenen Mindestanforderungen für Beschäftigungsbedingungen. Diese werden hauptsächlich durch „Lohnregelungserlasse“ für spezifische Wirtschaftszweige oder allgemeiner anwendbare „nationale Standarderlasse“ festgelegt. Lohnregelungserlasse beruhen auf Empfehlungen eines Gremiums für den betreffenden Wirtschaftszweig, das sich aus Gewerkschafts- und Arbeitgebervertretern und von der Regierung benannten Experten zusammensetzt. Derzeit gibt es Gremien für 31 Branchen, darunter private Sicherheit, Baugewerbe, Reiseagenturen und Lebensmittelindustrie. Malta hat seit den 90er Jahren verschiedene Maßnahmen ergriffen, um die Lohnkoordinierung auf nationaler, zentraler Ebene zu verstärken. Dabei hat der Maltesische Rate für wirtschaftliche und soziale Entwicklung (MCESD) zeitweise als Verhandlungsforum gedient. In diesem Rahmen wurde beispielsweise eine allgemeine jährliche Lohnanpassung an die Lebenshaltungskosten auf der Grundlage des Einzelhandelspreisindexes vereinbart. 170 [ Malta ] Es werden keine spezifischen Tarifverhandlungen für Fach- und Führungskräfte geführt. Für sie gilt die gleiche Tarifverhandlungsstruktur wie für die anderen Arbeitnehmer. 2. Tarifvertragliche Deckungsrate und Trends Einem Bericht der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen (2006) zufolge wäre es realistisch, von einer allgemeinen tarifvertraglichen Deckungsrate von 56 % auszugehen. Es gibt keine gesetzlichen Verfahren, um Tarifverträge für allgemeinverbindlich zu erklären. Bei den jüngsten Tarifverhandlungen ging es vor allem um Löhne/Gehälter, Arbeitszeit und Leistungszulagen. > IV. Arbeitskämpfe Seit 2005 hat es keine Arbeitskämpfe gegeben. > V. Sozialer Dialog Es gibt keine spezifischen dreiseitigen Verhandlungsgremien für Fach- und Führungskräfte. In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich im Rahmen des Maltesischen Rates für wirtschaftliche und soziale Entwicklung (MCESD) ein sozialer Dialog auf nationaler Ebene entwickelt. Dieses dreiseitige beratende Gremium, das eine zunehmend wichtige Rolle spielt, ist auch mehrmals reformiert worden. Die letzte Reform fand im Jahr 2001 statt, aber derzeit diskutieren die Sozialpartner erneut über die Rolle und den Status dieses Gremiums. 171 172 [ Kapitel 19 ] Die Niederlanden 173 [ Niederlanden ] In den Niederlanden gibt es 1.887.000 Fach- und Führungskräfte; dies entspricht 25,7 % der Arbeitnehmer (Quelle: EUROSTAT, Labour Force Survey 2007). > I. Definition Das niederländische Arbeitsrecht sieht keine spezifischen Regelungen für Fach- und Führungskräfte vor. Führungskräfte (Hoger personneel) beispielsweise sind nicht aufgrund gesetzlicher Bestimmungen von Tarifverträgen und Mitbestimmung ausgeschlossen. Für diese allgemeine Regel ist allerdings in letzter Zeit eine wesentliche Ausnahme eingeführt worden: Das neue Arbeitszeitgesetz (vom April 2007) gilt nicht für Arbeitnehmer, deren Einkommen mindestens drei Mal so hoch ist wie der jährliche Mindestlohn. Für Fach- und Führungskräfte bestehen keine gesetzlichen Einschränkungen oder arbeitsrechtlichen Sonderbestimmungen hinsichtlich des Vereinigungsrechts, des Rechts auf Abschluss von Tarifverträgen, des Streikrechts und des Rechts auf Konfliktlösung und Schlichtung sowie des Rechts auf Unterrichtung und Anhörung am Arbeitsplatz. 174 Gewerkschaftliche Organisationen 1. Gewerkschaften der Fach- und Führungskräfte In den Niederlanden gibt es drei Gewerkschaftsbünde: >> Der Verband der niederländischen Gewerkschaftsbewegung (Federatie Nederlandse Vakbeweging - FNV) mit 16 Mitgliedsgewerkschaften, die zusammen 1,2 Millionen Arbeitnehmer vertreten. >> Der Christliche nationale Gewerkschaftsbund (Christelijk Nationaal Vakverbond - CNV) mit mehr als 365.000 Mitgliedern. >> Der Gewerkschaftsbund für Fach- und Führungskräfte (Vakcentrale voor Middengroepen en Hoger Personeel - MHP) mit 160.000 Mitgliedern. Diese Fach- und Führungskräftegewerkschaft wurde in den 70er Jahren gegründet, um die Interessen dieser Arbeitnehmergruppen vor dem Hintergrund zunehmender Anforderungen am Arbeitsplatz zu vertreten. [ Niederlanden ] >II. Fach- und Führungskräfte sind in den Mitgliedsgewerkschaften der Dachverbände CNV und FNV organisiert. In diesem Zusammenhang ist in letzter Zeit ein zunehmendes Interesse an der Organisation der Selbständigen zu beobachten (die FNV-Gewerkschaft für Selbständige, so genannte ZZPers). Dem Gewerkschaftsbund MHP gehören vier wichtige Fach- und Führungskräfte­ organisationen an: >> Die Gewerkschaft De Unie ist Mitglied des Verbands der unabhängigen Gewerkschaftsorganisationen und organisiert Arbeitnehmer, überwiegend Fach- und Führungskräfte, in der Industrie und im Dienstleistungsund Banksektor. Außerdem sind der Gewerkschaft zahlreiche Fachund Führungskräfteverbände auf Branchen- und Unternehmensebene angeschlossen. >> Die Centrale van Middelbare en Hogere Functionarissen (CMHF) ist ein Verband für mittlere und höhere Angestellte, die bei Behörden, im Bildungsund Gesundheitswesen und Unternehmen und Einrichtungen beschäftigt sind. Er umfasst 50 größere und kleinere Berufsverbände hauptsächlich im öffentlichen Sektor, deren Mitglieder fast ausschließlich aus Fach- und Führungskräften bestehen. >> Die Vereniging van Nederlandse verkeersvliegers (VNV/DALPA), der niederländische Pilotenverband organisiert Piloten ziviler Flugzeuge und Hubschrauber (ausschließlich Fach- und Führungskräfte). >> Die Beroepsorganisatie Banken Verzekeringen (BVVV) organisiert Fachkräfte, die in der Bank- und Versicherungsbranche tätig sind. 175 2. Vertretung Da die Fach- und Führungskräfte in Verbänden organisiert sind, die den drei Gewerkschaftsbünden angeschlossen sind, werden ihre Interessen in den meisten Institutionen und Gremien umfassend vertreten. In den Niederlanden gibt es keine weiteren gesetzlichen Repräsentativitätskriterien für die Tariffähigkeit einer Gewerkschaft. Von den drei Dachverbänden hat der FNV generell am meisten und der MHP am wenigsten Einfluss. Je nach Repräsentativität der Gewerkschaftsbünde in den einzelnen Branchen und je nach Größe der Einzelgewerkschaften kann sich jedoch bei Tarifverhandlungen ein anderes Machtverhältnis ergeben. In der letzten Zeit hat es zwischen den Gewerkschaftsbünden kaum Rivalitäten oder Wettbewerb in Bezug auf Fach- und Führungskräfte gegeben. Bei den Konflikten, die zuweilen zwischen ihnen entstehen, geht es um das Recht einzelner Gewerkschaften, in bestimmten Sektoren am Tarifverhandlungsprozess teilzunehmen. Solche Rivalitäten um Repräsentativität sind jedoch allgemeiner Art und nicht speziell auf Fach- und Führungskräfte bezogen. 3. Gewerkschaftsaktivitäten und -dienstleistungen Alle Gewerkschaften führen Tarifverhandlungen und unterstützen einzelne Arbeitnehmer bei Arbeitsstreitigkeiten. Sie führen zahlreiche Tätigkeiten zur Information, Unterstützung und Beratung ihrer Mitglieder durch (etwa zu Laufbahnplanung, Stellenangeboten und gesetzlichen Rechten), häufig mit Hilfe von IKT-Lösungen. Tarifverhandlungen erfolgen auf Unternehmensebene, auf regionaler oder nationaler Ebene in den einzelnen Branchen. Zu den wichtigen aktuellen Themen gehören unter anderem Laufbahnplanung, Beschäftigungsfähigkeit, moderne Ruhestandsregelungen, Einzelfallregelungen für Arbeitsbedingungen, Teilzeitarbeitsregelungen, Vereinbarkeit von Arbeit und Betreuungspflichten und Mobilität. Diese Themen werden den Arbeitgebern sowie der Regierung - in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeber und in einigen Fällen auch als Gesetzgeber - unterbreitet. Die letzte landesweite, von allen Gewerkschaften unterstützte Kampagne betraf die Revision der niederländischen Kündigungsschutzbestimmungen (2007). Der Konflikt wurde beigelegt, ohne dass die gesetzlichen Bestimmungen wesentlich geändert wurden. Die wichtigste Neuerung bestand darin, die Höhe 176 [ Niederlanden ] der Abfindung bei Entlassung zu kürzen: Künftig erhalten Arbeitnehmer mit einem Jahresgehalt von mehr als 75.000 EUR als Abfindung nicht mehr 2 oder 3 Jahresgehälter, sondern höchstens ein Jahresgehalt. Der MHP stimmt dieser Änderung nicht zu. Im Jahr 2004 wurde auch eine wichtige Protestaktion im Zusammenhang mit einer umfassenden Revision der Vorruhestandsregelung organisiert. 4. Andere Organisationen der Fach- und Führungskräfte Es gibt weitere Fach- und Führungskräftevereinigungen (z.B. der Ingenieure, Architekten, Ärzte usw.), die aber eher Berufsverbandscharakter haben. Diese Organisationen arbeiten zum Teil mit den Gewerkschaften zusammen, aber stehen keinesfalls mit ihnen in Konkurrenz. > III. Tarifverhandlungen 1. Tarifverhandlungsstruktur Das niederländische System der Arbeitsbeziehungen wird als „Poldermodell“ bezeichnet. Dieser Begriff steht für Zusammenarbeit und gegenseitiges Vertrauen, die zu einem Konsens aller Parteien führen. Dieses Modell war entstanden angesichts der Notwendigkeit, Deiche und Polder zu errichten, um das Land vor Überflutungen zu schützen. Im Bereich der Arbeitsbeziehungen bezeichnet dieser Begriff das gegenseitige Vertrauen und eine auf Konsens ausgerichtete Beziehung zwischen Staat, Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften, um die wirtschaftliche Entwicklung und den Wohlstand in den Niederlanden zu fördern. Alle Gewerkschaften, die den drei niederländischen Dachverbänden (CNV, FNV und UNIE-MHP) angehören, nehmen an den Tarifgesprächen teil, die in der Regel auf Branchenebene, aber zunehmend auch auf Unternehmensebene stattfinden. Auf Unternehmensebene verhandeln Betriebsrat (siehe unten Abschnitt V) und Unternehmensleitung über Arbeitszeitregelungen und eine Vielzahl anderer Fragen, aber nicht über Löhne und Gehälter. Die Betriebsräte sind gesetzlich nicht befugt, Tarifverträge abzuschließen. Diese Verfahren gelten für alle Arbeitnehmer einschließlich Fach- und Führungskräften. 177 Auf nationaler Ebene werden keine Lohnverhandlungen geführt, aber die Stiftung der Arbeit (Stichting van de Arbeid, siehe Abschnitt V) berät und formuliert Empfehlungen über Themen, die für Tarifverhandlungen auf nachgeordneten Ebenen wichtig sein könnten. Wie bereits erwähnt werden Tarifverhandlungen zunehmend auf Unter­ nehmensebene geführt; auch im öffentlichen Sektor nimmt die Zahl der Tarifverträge zu. Zwischen den Gewerkschaften ist es zu Rivalitäten über Tarifverträge gekommen (siehe Punkt I.3), und manche Arbeitgeber/Branchen haben versucht, einen Tarifvertrag mit einer Scheingewerkschaft abzuschließen. In den letzten Jahren hat auch die Regierung zwei Mal versucht, in Bezug auf wichtige tarifvertragliche Fragen einzugreifen, aber ohne Erfolg. In den Niederlanden wird die besondere Position der Fach- und Führungskräfte zwar durch keine spezifischen institutionellen Bestimmungen geregelt, aber doch anerkannt. Seit der Gründung des Gewerkschaftsbunds MHP hat sich ein besseres Verständnis der besonderen Probleme dieser Arbeitnehmergruppe entwickelt. Bei den meisten Verhandlungen wird diesen Problemen Rechnung getragen, vor allem dann, wenn Gewerkschaften bzw. Gewerkschaftsbünde der Fach- und Führungskräfte an den Verhandlungen teilnehmen. Fach- und Führungskräfte werden bei Tarifverhandlungen mit Sicherheit nicht vorsätzlich ausgeschlossen, aber zuweilen müssen sie dafür kämpfen, dass ihre spezifischen Forderungen berücksichtigt werden. 2. Tarifvertragliche Deckungsrate und Trends Generell fallen Fach- und Führungskräfte in den Geltungsbereich von Tarifverträgen. Die allgemeine tarifvertragliche Deckungsrate in den Niederlanden beträgt rund 80%. Ausgehend von den Ergebnissen der Studie AVON Monitor 2007, die im Auftrag des Ministeriums für soziale Angelegenheiten durchgeführt wurde, dürfte die tarifvertragliche Deckungsrate bei Fach- und Führungskräften etwas darunter liegen. Wie in anderen europäischen Ländern lässt sich diese hohe Rate dadurch erklären, dass das Gesetz die Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen vorsieht. Dieses Verfahren beruht auf folgenden Grundsätzen: Der Antrag ist von einer oder mehreren unterzeichnenden Parteien einzureichen; die Verbindlichkeit des Tarifvertrags muss sich auf alle Arbeitnehmer und Arbeitgeber der Branche erstrecken; als Mindestanforderung für die Allgemeinverbindlichkeitserklärung gilt, dass der Tarifvertrag eine ausreichen178 Im Zuge der oben beschriebenen Entwicklungen (Dezentralisierung, Aus­ stiegsversuche der Arbeitgeber, Rivalitäten zwischen Gewerkschaften und interventionistische Bestrebungen der Regierung) ist das Allgemein­ verbindlichkeitsprinzip unter Druck geraten, aber hat sich bislang halten können. [ Niederlanden ] de Mehrheit relevanter Arbeitnehmer (55%) abdecken muss; und schließlich entscheidet das Ministerium für soziale Angelegenheiten und Arbeit über die Allgemeinverbindlichkeitserklärung. Im Allgemeinen werden bei Tarifverhandlungen zahlreiche Themen behandelt. Abgesehen von Löhnen und Gehältern spielt derzeit auch der Arbeitskräftemangel eine sehr wichtige Rolle. Zu den höchsten Prioritäten gehören Maßnahmen zur Erhöhung der Arbeitsmarktbeteiligung, die Folgendes umfassen: >> Schaffung von Möglichkeiten für besondere Gruppen auf dem Arbeitsmarkt, etwa hoch qualifizierte Migranten; >> Revision der Branchen- und Unternehmensstrategien in Bezug auf ältere Arbeitnehmer; >> Bildungsmaßnahmen: Schaffung von Praktikumsstellen, Strategien für lebenslanges Lernen, Bewertung von bereits erworbenen Fertigkeiten usw. Ferner spielen Themen wie Innovation und Umstrukturierung eine wichtige Rolle. > IV. Arbeitskämpfe Seit einigen Jahrzehnten verzeichnen die Niederlande generell eine niedrige Streikaktivität. Pro Jahr kommt es zu rund 20 Streikaktionen, hauptsächlich im Zusammenhang mit Personalkürzungen oder Umstrukturierungen in einzelnen Unternehmen (zuletzt Personalabbau bei Unilever und Zusammenschluss ABN-Amro). Seit 2005 hat es keinen Arbeitskampf gegeben, bei dem insbesondere Fachund Führungskräfte beteiligt waren. Es hat aber Arbeitskonflikte allgemeiner Art gegeben, bei denen zum Teil auch Fach- und Führungskräfte betroffen waren. In diesem Zusammenhang ist der Konflikt im staatlichen Sektor zu erwähnen: Als 2006 die Verhandlungen über einen neuen Tarifvertrag scheiterten, beteiligten sich auch höher qualifizierte Arbeitnehmer an dem 179 Streik. Angesichts des steigenden Drucks und wachsender Anforderungen bei der Arbeit empfanden sie das letzte Angebot des Ministers für einen neuen Tarifvertrag als Beleidigung. Nach einer Reihe von Staffelstreiks wurde im April 2007 letztendlich eine Einigung erzielt. > V. Sozialer Dialog Die politische Konzertierung ist ein grundlegendes Merkmal des niederländischen Poldermodells. Die Konsultation zwischen Regierung und Sozialpartnern auf nationaler Ebene hat unter anderem die folgenden Funktionen: 1) Sie führt im Bedarfsfall zu Makroflexibilität: die Löhne werden auf nationaler Ebene an die Wirtschaftsbedingungen angepasst; 2) sie dient der Vorbereitung sozialer und wirtschaftlicher Regelungen und der Schaffung einer breiteren Unterstützung für diese Maßnahmen; (3) sie ermöglicht die gemeinsame Überwachung wirtschaftlicher Trends und erleichtert dadurch die Aufstellung des Arbeitsprogramms des sozialen Dialogs. In den Niederlanden bestehen lediglich allgemeine Gremien, die sich auch mit fach- und führungskräftespezifischen Fragen befassen. Es gibt zwei Institutionen, in deren Rahmen häufige zweiseitige und dreiseitige Konsultationen auf landesweiter Ebene stattfinden: der Sozialwirtschaftliche Rat (Sociaal-Economische Raad - SER) und die Stiftung der Arbeit (Stichting van de Arbeid). Der SER ist paritätisch zusammengesetzt und umfasst neben Vertretern der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände auch unabhängige Sachverständige. Die Stiftung der Arbeit ist ein Gremium, in dem die Dachverbände der Arbeitgeber und Gewerkschaften zusammentreten, um den Rahmen für die Verhandlungen auf Branchenebene festzulegen und die Regierung zu beraten. Auf Unternehmensebene findet der soziale Dialog im Rahmen eines gut ausgearbeiteten Systems für die Unterrichtung und Anhörung statt. Das wichtigste Organ der Arbeitnehmervertretung in den Niederlanden bildet der Betriebsrat. Alle Unternehmen mit mindestens 50 Beschäftigten sind verpflichtet, einen Betriebsrat einzurichten. Der Betriebsrat hat ein Initiativrecht, ein Beratungsrecht und ein Zustimmungsrecht in Bezug auf zahlreiche Personalfragen wie Arbeitszeit- und Urlaubsregelungen sowie Pensionspläne und Weiterbildung. 180 [ Kapitel 20 ] Norwegen 181 [ Norwegen ] In Norwegen gibt es 399.000 Fach- und Führungskräfte; dies entspricht 17,8 % der Arbeitnehmer (Quelle: EUROSTAT, Labour Force Survey 2007). > I. Definition Bestimmte Paragraphen des norwegischen Arbeitsumweltgesetzes beziehen sich auf Arbeitnehmer mit besonderer selbständiger Arbeitsplatzsituation, also Personen, die als Fach- und Führungskräfte bezeichnet werden könnten. Diese Arbeitnehmer sind von der Arbeitszeitbegrenzung (jährlich maximal 200 Überstunden) ausgenommen. Da das Gesetz keine eindeutige Definition dieser Arbeitnehmergruppen liefert, werden die Kapitel über die Arbeitszeit für diese Gruppen gegenwärtig überarbeitet. Die laufende öffentliche Anhörung zu diesem Thema (Grünbuch) soll im Frühjahr 2008 abgeschlossen sein. Ungefähr 40 % der Unternehmen in Norwegen geben an, Arbeitnehmer (Fach- und Führungskräfte) zu beschäftigen, die von den aktuellen Arbeitszeitbegrenzungen des Arbeitsumweltgesetzes ausgeschlossen sind. Mindestens 11% aller Arbeitnehmer in Norwegen haben „selbständige Arbeitsplätze“, die sie von Arbeitszeitregelungen ausschließen. 182 Es gibt in Norwegen keine gesetzlichen Einschränkungen des Vereinigungsrechts oder des Rechts auf Tarifverhandlungen. Die norwegische Gesetzgebung enthält jedoch keinen Hinweis auf das Recht, einer Gewerkschaft beizutreten. Die Anwendung des Vereinigungsrechtes stützt sich auf die „Tradition“ und die Tatsache, dass Norwegen internationale Abkommen unterzeichnet hat (Übereinkommen der IAO 87 und 98), und sich dadurch verpflichtet hat, das Vereinigungsrecht zu achten. Im Arbeitsumweltgesetz (Abschnitt 13-1 – Schutz vor Diskriminierung) ist außerdem klar angegeben, dass direkte und indirekte Diskriminierung aufgrund der Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft verboten ist. Ebenso wie für das Vereinigungsrecht hat Norwegen in Bezug auf den Schutz des Rechtes, Tarifverträge abzuschließen, ein Übereinkommen der IAO (Übereinkommen 98) unterzeichnet. [ Norwegen ] Die Definition im Arbeitsumweltgesetz ist insofern „negativ“ formuliert, als Fach- und Führungskräfte von den regulären Arbeitszeitbestimmungen ausgeschlossen sind. Das Streikrecht wird nach norwegischem Recht generell anerkannt. Es gibt keine gesetzlichen Bestimmungen, die die Ausübung dieses Rechts verhindern, mit Ausnahme des Streikverbots für hohe Regierungsbeamte und Mitglieder der Streitkräfte. Entsprechend dem Streikrecht besteht in Norwegen auch das Recht auf Aussperrung. Das Streikrecht ist im Zusammenhang mit dem Recht auf gewerkschaftliche Organisation zu betrachten. Diese Rechte sind durch eine Reihe von internationalen Abkommen geschützt, die von Norwegen unterzeichnet wurden. Die Internationale Arbeitsorganisation (IAO) legt in ihren Übereinkommen u.a. internationale Arbeitsnormen fest und überwacht ihre Einhaltung. Zu den wichtigsten von ihnen gehören die IAO-Überkommen 87, 98 und 154, die sich mit Rechten im Zusammenhang mit der gewerkschaftlichen Organisationsfreiheit befassen. Das Streikrecht wird zwar in diesen Übereinkommen nicht ausdrücklich erwähnt, aber die verschiedenen IAO-Gremien gehen davon aus, dass das Streikrecht grundsätzlich für alle Arbeitnehmer und ihre Organisationen gilt. Die IAO hat außerdem mehrere Normen aufgestellt, die ausführliche Bestimmungen für das Streikrecht beinhalten. In der Auslegung der Übereinkommen durch die Gremien der IAO unterliegt die Einschränkung des Streikrechts sehr strengen Anforderungen. Darüber hinaus gelten in diesem Bereich folgende Bestimmungen: Artikel 6 des Europäischen Sozialpaktes, Artikel 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), Artikel 22 des UNO-Paktes über bürgerli183 che und politische Rechte (CCPR) und Artikel 8 des UNO-Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (CESR). Die norwegischen Gesetze sehen auch keine Einschränkungen für das Recht auf Unterrichtung und Anhörung vor. Laut Arbeitsumweltgesetz (Abschnitt 8-1) hat der Arbeitgeber in Unternehmen mit mindestens 50 Beschäftigten Auskunft zu Fragen zu erteilen, die für die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten von Bedeutung sind, und diese Fragen mit den gewählten Arbeitnehmervertretern zu erörtern. > II. Gewerkschaftliche Organisationen 1. Gewerkschaften der Fach- und Führungskräfte Es gibt vier landesweit organisierte Gewerkschaftsbünde in Norwegen: >> LO – der Norwegische Gewerkschaftsbund umfasst 22 Mitgliedsgewerkschaften mit rund 830.000 Mitgliedern. >> Unio – der Verband der Fachkräftegewerkschaften umfasst 9 Mitgliedsgewerkschaften mit insgesamt 268.000 Mitgliedern. >> YS – der Verband der Berufsgewerkschaften umfasst 22 Mitgliedsgewerkschaften mit insgesamt 209.000 Mitgliedern >> Akademikerne – der Verband der norwegischen Akademikergewerkschaften umfasst 13 Mitgliedsgewerkschaften mit insgesamt 131.000 Mitgliedern. Diesen vier Gewerkschaftsbünden gehören circa 93 % der gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer in Norwegen an. 108.000 Arbeitnehmer sind Mitglieder anderer Gewerkschaften (Stand: 2006). Im Zusammenhang mit Fach- und Führungskräften spielen folgende unabhängige Gewerkschaften eine wichtige Rolle: >> NITO – der Norwegische Verband der Ingenieure und Techniker zählt 59.000 Mitglieder und ist damit die größte Ingenieur- und Technikergewerkschaft in Norwegen. >> Lederne – der Norwegische Verband der Führungskräfte und leitenden Angestellten zählt 15.000 Mitglieder. 184 Die Situation in Norwegen ist anders als in anderen skandinavischen oder nordischen Ländern wie Schweden, Dänemark, Finnland und Island, da die norwegischen Gewerkschaften die Arbeitnehmer nicht nach ihrem Bildungsniveau organisieren. In Schweden beispielsweise besteht eine klare Trennung zwischen Arbeitern (LO), Angestellten (TCO) und Akademikern (SACO). [ Norwegen ] 2. Vertretung Fach- und Führungskräfte sind daher in Norwegen in allen vier oben beschriebenen Gewerkschaftsbünden vertreten, die größten Gruppen sind jedoch in Unio und Akademikerne, in geringerem Umfang auch in YS und LO zu finden. Fach- und Führungskräfte sind häufig in Wirtschaftszweigen oder Branchen beschäftigt, in denen der gewerkschaftliche Organisationsgrad unter dem Durchschnitt liegt. Im (privaten) IT-Sektor beispielsweise ist der Anteil der Fach- und Führungskräfte, die einer Gewerkschaft angehören, geringer als in Branchen mit einer starken Gewerkschaftstradition. Die Strukturen der Arbeitnehmervertretung und –beteiligung sind seit langem und fest im norwegischen System der Arbeitsbeziehungen verankert und werden kaum in Frage gestellt. Sowohl Arbeitnehmer als auch Gewerkschaften und Arbeitgeber scheinen den Nutzen der Partizipationsstrukturen für die Entwicklung und Produktivität der Unternehmen, aber auch als Verfahren zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen, anzuerkennen. Die wohl wichtigste Ausdrucksform dieser Vertretungsstrukturen auf betrieblicher Ebene stellen Tarifverträge dar, die den Vertrauensleuten und Betriebsgewerkschaften das Recht auf Unterrichtung, Anhörung und Verhandlungen in verschiedenen Bereichen verleihen. Darüber hinaus sehen die Gesetze und Tarifverträge formale Strukturen für die Vertretung und Anhörung der Beschäftigten vor, bei denen die Betriebsgewerkschaften und ihre Vertreter ebenfalls eine wichtige Rolle spielen. Die Rahmenverträge der wichtigsten Gewerkschaftsbünde und Arbeitgeberverbände beinhalten Bestimmungen für die Einrichtung eines Betriebsrates (bedriftsutvalg) und eines Arbeitsumwelt-Ausschusses. 3. Gewerkschaftsaktivitäten und -dienstleistungen Die Gewerkschaften bieten ihren Mitgliedern folgende Hauptdienstleistungen an: >> Verbesserung der Gehalts- und Arbeitsbedingungen und Rentenansprüche der Mitglieder (im Wege von Verhandlungen). 185 >> Schulungen und verschiedene Aktivitäten zu beruflichen und/oder tätigkeitsbezogenen Aspekten. Die Gewerkschaftsbünde vertreten ihre Mitgliedsgewerkschaften in nordischen, europäischen und internationalen Organisationen. In gewisser Hinsicht ließe sich behaupten, dass die Gewerkschaften, die einer europäischen Sozialpartner-Organisation angehören, besseren Zugang zu den europäischen Beschlussfassungsprozessen haben als die Landesregierung. Norwegen ist zwar kein EU-Mitgliedstaat, aber dadurch, dass es dem EWR (Europäischen Wirtschaftsraum) angehört, wirken sich auf EU-Ebene getroffene Entscheidungen, insbesondere durch die Umsetzung der EU-Richtlinien, häufig indirekt auf die norwegische Gesetzgebung aus. Das Land hat jedoch kaum Möglichkeiten, den Entscheidungsprozess durch Verhandlungen zu beeinflussen. Die Interessen bestimmter Berufe oder Akademikergruppen werden von den einzelnen Mitgliedsorganisationen im Rahmen ihrer umfangreichen Aktivitäten auf nationaler und internationaler Ebene vertreten. > III. Tarifverhandlungen 1. Tarifverhandlungsstruktur In Norwegen werden auf drei Ebenen Tarifverhandlungen geführt: auf zentraler (sektoraler) Ebene, auf Branchenebene und auf Unternehmensebene. Die Tarifverhandlungen sind zwar in vielerlei Hinsicht zentralisiert, aber die Tarifverträge lassen einen erheblichen Spielraum für Verhandlungen auf betrieblicher Ebene, vor allem im Privatsektor. Die Tarifabkommen auf zentraler Eben liefern den Rahmen für die nachfolgenden Tarifverhandlungen auf Unternehmensebene. Hier bestehen allerdings große Unterschiede, insbesondere zwischen Fach- und Führungskräften einerseits und Arbeitern andererseits. Im norwegischen Verhandlungssystem spielen bedrohte Wirschaftszweige eine wichtige Rolle bei der Festlegung der Rahmens für Verhandlungen in anderen Branchen – das so genannte ‘trend setting trades’-Modell, in dem die Eisenund Stahlindustrie eine zentrale Stellung einnimmt. Die Laufzeit der Tarifverträge in Norwegen (privater und öffentlicher Sektor) beträgt zwei Jahre. In der Privatwirtschaft schließen der Norwegische Gewerkschaftsbund LO und der größte Arbeitgeberverband NHO, aber auch der 186 Es gibt keine gesetzlichen Bestimmungen speziell für Fach- und Führungskräfte in Bezug auf das Recht, Tarifverträge abzuschließen. Generell ist das Recht der Gewerkschaften, Tarifverträge abzuschließen, im Beamtengesetz (Tjenestemannsloven) geregelt und wird in der Privatwirtschaft und in den Kommunalverwaltungen allgemein anerkannt. [ Norwegen ] Verband der Berufsgewerkschaften YS und die beiden Ingenieurorganisationen NIF und NITO Rahmentarifverträge ab. Fach- und Führungskräfte sind in die Tarifverträge des öffentlichen und privaten Sektors einbezogen. In der Privatwirtschaft werden meist weniger detaillierte Tarifverträge abgeschlossen, die mehr Spielraum für örtliche und individuelle Verhandlungen lassen.. Die meisten Fach- und Führungskräftetarifverträge in der Privatwirtschaft lassen erheblichen Spielraum für örtliche Tarifverhandlungen. 2. Tarifvertragliche Deckungsrate und Trends Für Fach- und Führungskräfte liegen keine präzisen Daten vor. Die allgemeine tarifvertragliche Deckungsrate in Norwegen liegt bei schätzungsweise 70 % (50 % in der Privatwirtschaft). Da der gewerkschaftliche Organisationsgrad bei Fach- und Führungskräften etwas unter dem landesweiten Durchschnitt liegt, kann davon ausgegangen werden, dass auch die tarifvertragliche Deckungsrate etwas geringer ist. Die Zahl der Personen, die unter individuelle Verträge fallen, lässt sich schwer schätzen. Dies gilt besonders für die Privatwirtschaft. Einige hochrangige Fachund Führungskräfte im öffentlichen Sektor handeln ihr Gehalt individuell aus. Dieses Verfahren wurde eingeführt, um einen Anstieg ihren Einkommensniveaus über das tarifvertraglich vorgesehene Niveau hinaus zu ermöglichen. Dies ist akzeptiert worden, um die Möglichkeit für eine stärkere Differenzierung der Gehälter von Fach- und Führungskräften zu eröffnen. Aus Umfragen ist hervorgegangen, dass die Einkommensentwicklung bei Fach- und Führungskräften im öffentlichen Sektor unter der Entwicklung bei den meisten anderen Gruppen verlaufen ist. Bei Fach- und Führungskräften im Privatsektor ist die Lage anders. Einzelverträge können Bestimmungen über Dauer, Entgelt, Zulagen, Arbeitszeit und Renten enthalten. 187 Individuell ausgehandelte Verträge scheinen in der Privatwirtschaft zuzunehmen. Dies erklärt auch, weshalb stets weniger Arbeitnehmer in privaten Unternehmen einer Gewerkschaft – für die Tarifverhandlungen die „Regel“ darstellen – beitreten. Viele wollen auch, dass im öffentlichen Sektor verstärkt lokale Tarifverhandlungen stattfinden. Dies ist aber je nach Fach- und Führungskräftegruppe verschieden. Im Bildungswesen finden sich die entschiedensten Verfechter zentral ausgehandelter Tarifverträge. Aber auch sie akzeptieren örtliche Verhandlungen im Rahmen der Tarifverträge. Durch einen individuellen Vertrag kommt der Arbeitnehmer in eine unsicherere Beschäftigungssituation, aber er erhält auch mehr Freiheit. Manche Gewerkschaften lehnen diese Entwicklung mit Nachdruck ab, andere müssen akzeptieren, dass manche ihrer Mitglieder hier Entwicklungsmöglichkeiten sehen. Wichtige Themen, die im Rahmen von Tarifverhandlungen behandelt werden, sind beispielsweise (aktuelle und künftige) Rentenregelungen und Entgelt (gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit, Lohnerhöhung für Geringverdiener und Beseitigung des Lohngefälles zwischen privatem und öffentlichem Sektor). > IV. Arbeitskämpfe Es liegen keine statistischen Angaben zu Streiks von Fach- und Führungskräften vor. In der Versicherungsbranche ist es in den letzten Jahren zu einem erwähnenswerten Arbeitskampf gekommen. Im Zusammenhang mit der Lohnrevision im Jahr 2006 traten 6.020 Mitglieder der YS-Mitgliedsgewerkschaft im Finanzsektor (Finansforbundet) am 1. Juni in Streik. Die Gewerkschaft kündigte an, den Streik ab 12. Juni durch die Arbeitsniederlegung von weiteren 1.573 Mitgliedern in kleinen Ortsparkassen auszuweiten. Die Arbeitgeber reagierten darauf mit der Drohung, die übrigen Gewerkschaftsmitglieder, die in Mitgliedsunternehmen des Norwegischen Arbeitgeberverbands für den Finanzsektor (FA) beschäftigt waren, ab 12. Juni auszusperren. Daraufhin bat der Minister die beteiligten Parteien am 9. Juni, einen letzten Versuch zu unternehmen, um eine Einigung zu erzielen. Am 10. Juni teilten diese dem Minister mit, dass die Verhandlungen gescheitert seien. Am 12. Juni, einen Tag vor der angekündigten Streikausweitung und Aussperrung, griff die Regierung ein und verfügte ein Schlichtungsverfahren. Die beteiligten Parteien akzeptierten die Aufforderung des Ministers, den Arbeitskampf 188 Seit dieser Regierungsentscheidung hat die Gewerkschaft scharfe Kritik an dieser Vorgehensweise bei einem legalen Arbeitskampf geäußert. Dabei geht es vor allem um die Frage, inwiefern ein verfügtes Schlichtungsverfahren eine Einschränkung des Streikrechts gemäß den gesetzlichen Bestimmungen Norwegens und seinen Verpflichtungen aus den von ihm unterzeichneten Übereinkommen darstellt. > [ Norwegen ] mit sofortiger Wirkung zu beenden. Dies bedeutete jedoch nicht, dass die Gewerkschaft dem Beschluss der Regierung zustimmte, sondern dass sie die gängige Praxis in diesem Bereich eingehalten hatte. V. Sozialer Dialog Fach- und Führungskräfte sind über ihre landesweit organisierten Gewerkschaftsbünde in einer Reihe von dreigliedrigen Institutionen und offiziellen Gremien auf nationaler Ebene vertreten. Als Beispiel sei der Regierungskontaktausschuss genannt, in dem die Sozialpartner Informationen und Meinungen über die Volkswirtschaft austauschen. Er tritt u.a. anlässlich der Vorlage des jährlichen Staatshaushaltes und der Einleitung von Tarifverhandlungen auf zentraler Ebene zusammen. Alle vier Gewerkschaftsbünde sind in diesem Ausschuss vertreten, der die relevanten volkswirtschaftlichen Zahlen zusammenstellt und bewertet. Diese Arbeiten liefern die Grundlage für die Verhandlungen. Außerdem sind alle landesweiten Gewerkschaftsbünde bei Fällen, auf die das Gesetz über Streitigkeiten im Staatsdienst Anwendung findet, mit einem Sitz im Arbeitsgericht vertreten. Die vier landesweiten Gewerkschaftsbünde sind auch in Ad-hoc-Ausschüssen vertreten, die sich mit besonderen aktuellen politischen Fragen befassen. Das Gesetz über Arbeitsstreitigkeiten, das Gesetz über Streitigkeiten im Staatsdienst sowie die Rahmentarifverträge in den einzelnen Branchen umfassen Leitlinien für die Beziehung zwischen den Sozialpartnern und für die Anwendung der verschiedenen Arbeitskampfmittel. In diesen Gesetzen und Verträgen sind die Rechte und Pflichten der Arbeitgeber und der gewählten Gewerkschaftsvertreter beschrieben. Sie enthalten auch Bestimmungen über Unterrichtung, Zusammenarbeit und Mitbestimmung am Arbeitsplatz. 189 190 [ Kapitel 21 ] Österreich 191 [ Österreich ] In Österreich gibt es 501.000 Fach- und Führungskräfte; dies entspricht 14,5 % der Arbeitnehmer. (Quelle: EUROSTAT, Labour Force Survey 2007). > I. Definition Die österreichische Gesetzgebung unterscheidet zwischen ArbeiterInnen und Angestellten. Angestellte sind Personen, die überwiegend eine nichtmanuelle, kaufmännische, technische, Verwaltungs- oder Büroarbeit verrichten. Heute wird jedoch zunehmend in Frage gestellt, inwieweit diese Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten und die damit verbundenen getrennten gesetzlichen Bestimmungen noch sinnvoll sind. In Bezug auf Führungskräfte erkennt die österreichische Gesetzgebung leitende Angestellte als besondere Kategorie von Angestellten an. Das Arbeitsverfassungsgesetz definiert leitende Angestellte als Arbeitnehmer, “denen maßgebender Einfluss auf die Führung des Betriebes zusteht.” Nach dieser Definition deckt der Begriff alle Führungskräfte und Mitglieder der Geschäftsleitung (mit Einzelprokura) einschließlich Topmanager ab. Leitende Angestellte sind von Betriebsratswahlen ausgeschlossen und vom Kündigungsschutz ausgenommen. Das Arbeitszeitgesetz andererseits enthält eine weiter gefasste Definition der leitenden Angestellten, die je nach Auslegung auch Arbeitnehmer des mittleren Managements umfasst. Sie sind nicht verpflichtet, ihre tägliche Arbeitszeit aufzuzeichnen und unterliegen keinen Arbeitszeitbegrenzungen. 192 > [ Österreich ] Zu den Rechten von Fach- und Führungskräften gehören das Vereinigungsrecht, das Recht, Kollektivverträge abzuschließen, das Streikrecht bzw. das Recht auf andere Maßnahmen zur Konfliktlösung sowie das Recht auf Unterrichtung und Anhörung im Betrieb. Topmanager einschließlich Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer sind von Kollektivverträgen und von Betriebsratswahlen ausgeschlossen. II. Gewerkschaftliche Organisationen 1. Gewerkschaften der Fach- und Führungskräfte Das österreichische System der Arbeitsbeziehungen lässt sich traditionell als System der Sozialpartnerschaft zwischen den Arbeitgeberverbänden (Wirtschaftskammer Österreich für die Privatwirtschaft und Ministerien für den öffentlichen Sektor) und den Gewerkschaften (unter dem Dach des zentralisierten Österreichischen Gewerkschaftsbundes - ÖGB) beschreiben. Fach- und Führungskräfte sind in verschiedenen ÖGB-Mitgliedsgewerkschaften organisiert. Die meisten von ihnen sind in folgenden Gewerkschaften zu finden: >> Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier (GPA-DJP) >> Gewerkschaft Öffentlicher Dienst - GÖD >> Gewerkschaft der Gemeindebediensteten - GdG >> Gewerkschaft der Eisenbahner, Gewerkschaft Hotel, Gastgewerbe, Persönlicher Dienst und Gewerkschaft Handel, Transport, Verkehr - vida Rund 25% bzw. 50.000 Mitglieder der GPA-DJP können als Fach- und Führungskräfte bezeichnet werden. Trotz des hohen Anteils der Fach- und Führungskräfte ist ihr Einfluss innerhalb der Gewerkschaft beschränkt. Circa 4.000 Fach- und Führungskräfte der GPA-DJP sind außerdem in der Interessengemeinschaft der Fach- und Führungskräfte eingetragen. Diese Interessengemeinschaft verfügt über einen gewählten Bundesausschuss sowie mehrere gewählte Regionalausschüsse. Sie ist in allen Branchen aktiv und bietet ihren Mitgliedern besondere Dienstleistungen an, darunter auch ein Newsletter sowie Informationen über spezifische Produkte und Fachberatung. Zwei der jüngsten Initiativen der Interessengemeinschaft befassten sich mit verantwortungsvollem Management und mit Arbeitszeitmodellen, insbesondere „All-in-Arbeitsverträgen“ und „Vertrauensarbeitszeit“. 193 Über den Anteil der Fach- und Führungskräfte unter den Mitgliedern der GÖD oder der GdG liegen keine Angaben vor. Zwar verfügt keine der beiden Gewerkschaften über eigene Strukturen oder führt spezielle Tätigkeiten für Fach- und Führungskräfte durch, aber beide haben Sektionen für „A-Beamte“, d.h. Beamte mit Hochschulabschluss. Die Gewerkschaft vida ist 2005 aus dem Zusammenschluss von drei Gewerkschaften entstanden: der Gewerkschaft der Eisenbahner, der Gewerkschaft Hotel, Gastgewerbe, Persönlicher Dienst und der Gewerkschaft Handel, Transport, Verkehr. Auch sie bietet keine besonderen Sektionen, Strukturen oder Tätigkeiten für Fach- und Führungskräfte an. Vida ist in verschiedenen Branchen aktiv und vertritt dort sowohl Arbeiter als auch Angestellte. Viele der von vida vertretenen Fach- und Führungskräfte sind bei Eisenbahngesellschaften, in privaten Krankenhäusern (einschließlich Ärzte) und im Luftfahrtsektor beschäftigt. Zuweilen kommt es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen der Interessengemeinschaft der Fach- und Führungskräfte und der GPA-DJP (im Zusammenhang mit privatisierten öffentlichen Dienstleistungen) oder vida (im Zusammenhang mit dem Gesundheitswesen). In der Regel werden diese Konflikte im Wege der Kooperation gelöst. Abgesehen von den oben genannten Gewerkschaften werden Fach- und Führungskräfte auch von der Gewerkschaft der Post- und Fernmeldebediensteten (GPF) und der Gewerkschaft Kunst, Medien, Sport und freie Berufe (KMSfB) vertreten. 2. Gewerkschaftlicher Organisationsgrad und Vertretung Da bei den Gewerkschaftsmitgliedern nicht speziell zwischen Fach- und Führungskräften und anderen Angestellten unterschieden wird, lässt sich ihr gewerkschaftlicher Organisationsgrad nur schwer einschätzen. Der Anteil der ÖGB-Mitglieder liegt Schätzungen zufolge bei rund 32% aller Arbeitnehmer (Arbeiter und Angestellte) in Österreich. Die Zahl der gewerkschaftlich organisierten Fach- und Führungskräfte in Österreich wird auf 178.000 geschätzt. Der gewerkschaftliche Organisationsgrad von Fach- und Führungskräften liegt demnach zwischen 15 und 30 %, aber wird voraussichtlich in den nächsten fünf Jahren leicht zurückgehen. 194 Zu den Dienstleistungsangeboten aller Gewerkschaften gehören Tarif­ verhandlungen, individuelle Beratung und Interessenvertretung der Mitglieder gegenüber dem Arbeitgeber. [ Österreich ] 3. Gewerkschaftsaktivitäten und -dienstleistungen Abgesehen von den Dienstleistungen der Interessengemeinschaft der Fachund Führungskräfte in der GPA-DJP speziell für diese Gruppe sind auch manche allgemeinen Dienstleistungsangebote der Gewerkschaften für Fach- und Führungskräfte von besonderem Interesse. Die von den Gewerkschaften ausgehandelten prozentualen Gehaltssteigerungen kommen besonders Fach- und Führungskräften zugute, die zu den bestverdienenden Arbeitnehmern zählen. Aber sie profitieren auch von Möglichkeiten für längere berufliche Auszeiten und Bildungsurlaub, die hauptsächlich von Fach- und Führungskräften in Anspruch genommen werden. 4. Andere Organisationen der Fach- und Führungskräfteo Das Wirtschaftsforum der Führungskräfte ist ein exklusiver Club von Spitzenmanagern. Es gilt jedoch nicht als Gewerkschaft für Fachund Führungskräfte. Das Wirtschaftsforum bietet Informationen und Beratungsdienste für seine Mitglieder, wird aber nicht als Organisation zur kollektiven Interessenvertretung im engeren Sinn anerkannt, da es keinen Vertretungsstatus in den Arbeitsbeziehungen genießt. > III. Kollektivvertragsverhandlungen Kollektivvertragsverhandlungen in Österreich betreffen alle Arbeitnehmer einer Branche (Gewerkschaftsmitglieder ebenso wie nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer) einschließlich aller Fach- und Führungskräfte mit Ausnahme einer kleinen Gruppe von Spitzenmanagern. Die meisten Fach- und Führungskräfte sind somit kollektivvertraglich abgesichert. Zu den Angelegenheiten, die im Rahmen von Kollektivverträgen geregelt werden und für Fach- und Führungskräfte von Interesse sind, gehören Folgende: Anerkennung von beruflichen Qualifikations- und Kompetenzniveaus und damit verbundene Mindestgehälter, Gehaltseinstufung (Bewertung des Arbeitsentgelts auf der Grundlage der Berufserfahrung und der Position in der Hierarchie), Arbeitszeit und Überstundenvergütung, 195 Recht auf Weiterqualifizierung und auf Sonderurlaub für die Teilnahme an Weiterqualifizierungsmaßnahmen oder die Wahrnehmung familiärer Verpflichtungen. Gegenstand von Kollektivvertragsverhandlungen sind ferner Fragen wie Zusatzpensionsregelungen und die Vergütung bei Entsendung ins Ausland sowie sämtliche branchenspezifischen Regelungen. In den letzten Jahren hat sich das Verhältnis zwischen den Qualifikations- und Laufbahngruppen und den damit verbundenen Gehaltsstufen geändert. Der Trend geht dahin, die Lohn-/Gehaltsstufen aneinander anzunähern, vor allem durch eine Einkommenssteigerung für Berufsanfänger. Das Ziel (in einigen Branchen schon erreicht) besteht auch darin, die Kollektivverträge für Arbeiter und Angestellte schrittweise anzugleichen. Diese Veränderungen wirken sich allerdings nicht nur auf Fach- und Führungskräfte aus. Auf Unternehmensebene können zusätzliche Verhandlungen organisiert und besondere Vereinbarungen für Teile der Fach- und Führungskräfte abgeschlossen werden, die spezifischen Erfordernissen entsprechen, etwa in Bezug auf Mobilität, Telearbeit, Verantwortlichkeitsfragen, Arbeitnehmererfindungen, Arbeitszeitregelungen (Überstundenpauschalen), Positionen in der Hierarchie, Zusatzpensionssysteme usw. Diese Vereinbarungen können von den Betriebsräten oder in einigen Fällen auch individuell von den Fach- und Führungskräften selbst ausgehandelt werden. Inhaltlich erstrecken sich die Verhandlungen auf Unternehmensebene auf Löhne und Gehälter, Arbeitszeitregelungen, Qualifizierungszeit und -bedingungen sowie Arbeitsbedingungen (etwa bei Telearbeit oder Bereitschaftsdienst). Österreich weist mit mehr als 90% eine hohe kollektivvertragliche Deckungsrate auf. Dies liegt daran, dass die Mitgliedschaft in der Wirtschaftskammer Österreich für die Arbeitgeber verpflichtend ist. Die kollektivvertragliche Deckungsrate bei Fach- und Führungskräften dürfte in den kommenden Jahren jedoch noch leicht steigen. > IV. Arbeitskämpfe In Österreich geht die Zahl der Arbeitskämpfe zurück, und Fach- und Führungskräfte nehmen ohnehin nur ungern daran teil. 196 V. Sozialer Dialog Das Hauptziel des dreigliedrigen sozialen Dialogs besteht in der Erarbeitung oder Reformierung gesetzlicher Bestimmungen. Während der Amtszeit der konservativ-rechten Regierung von 2000 bis 2006 wurde angestrebt, die Erörterung dieser Fragen von den Sozialpartnern auf das Parlament und die Regierung zu übertragen und somit den Rat und die Meinungen der Sozialpartner außer Acht zu lassen. Als 2006 eine sozialdemokratisch-konservative Koalition an die Macht kam, wurde der soziale Dialog zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften wieder gestärkt. [ Österreich ] > 197 198 [ Kapitel 22 ] Polen 199 [ Polen ] In Polen gibt es 2.682.000 Fach- und Führungskräfte; dies entspricht 23 % der Arbeitnehmer (Quelle: EUROSTAT, Labour Force Survey 2007). > I. Definition In Polen stellt die Gruppe der Fach- und Führungskräfte eine von vielen Arbeitnehmergruppen dar und hat nach polnischem Arbeitsrecht keinen Sonderstatus. Grundsätzlich haben Fach- und Führungskräfte das Koalitionsrecht, das Recht auf Abschluss von Tarifverträgen, das Streikrecht und das Recht auf Anhörung und Unterrichtung am Arbeitsplatz. Bestimmte Berufsgruppen sind allerdings von diesen Rechten ausgeschlossen. So dürfen beispielsweise Offiziere und Bedienstete der polnischen Ministerien keiner Gewerkschaft beitreten. Angehörige der Polizei dürfen nur einer bestimmten Gewerkschaft beitreten, die Mitgliedschaft in anderen Gewerkschaften ist ihnen untersagt. Einige Gruppen wie die Beschäftigten bei Staats- und Gemeindeämtern, Gerichten und bei der Staatsanwaltschaft haben nicht das Recht zu streiken. Außerdem sind polnische Arbeitgeber mit weniger als 50 Beschäftigten nicht verpflichtet, einen Betriebsrat einzurichten. 200 II. Gewerkschaftliche Organisationen [ Polen ] > 1. Gewerkschaften der Fach- und Führungskräfte In Polen gibt es zwei große Gewerkschaftsbünde: der Gesamtpolnische Gewerkschaftsverband (Ogólnopolskie Porozumienie Związków Zawodowych – OPZZ) und die Unabhängige selbstverwaltete Gewerkschaft „Solidarität“, (Niezależny Samorządny Związek Zawodowy Solidarność - NSZZ Solidarność). Diese beiden Gewerkschaften unterscheiden sich insbesondere durch ihre Struktur: Die Grundlage des OPZZ bilden die einzelnen Betriebsgewerkschaften, die sich in Branchen- und Regionalverbänden zusammenschließen und zusammen einen Gewerkschaftsbund bilden. Die NSZZ Solidarnosc ihrerseits weist eine zentralisierte Struktur auf und versteht sich als einheitliche Organisation, die intern in sektorale und regionale Verbände unterteilt ist.1 Das Gewerkschaftsforum (Forum Związków Zawodowych – FZZ), der drittgrößte Gewerkschaftsverband, ist wesentlich kleiner als OPZZ und NSZZ. Daneben bestehen zahlreiche kleine Gewerkschaften in Polen, die keinem Dachverband angeschlossen sind und zum Teil nur in einem Betrieb vertreten sind.2 Im Allgemeinen sind polnische Fach- und Führungskräfte neben anderen Arbeitnehmergruppen in Gewerkschaften organisiert. Ein besonderes Komitee für Fach-und Führungskräfte existiert in NSZZ Solidarnosc mit dem Namen Zespół Koordynacyjny Pracowników z Wyższym Wykształceniem i Kadr Kierowniczych. Es gibt eine landesweit organisierte Gewerkschaft, PZZ KADRA (Porozumienie Związków Zawodowych KADRA), die ausschließlich Fach- und Führungskräfte im Sektor Bergbau und Metall vertritt. Darüber hinaus organisieren einige Mitgliedsgewerkschaften der Gewerk­ schaftsbünde überwiegend Fach- und Führungskräfte. So sind die Lehrer in zwei Gewerkschaften organisiert, der Polnischen Lehrergewerkschaft (Związek Nauczycielstwa Polskiego - ZNP), die dem OPZZ angeschlossen ist, und dem Nationalen Sekretariat der Beschäftigten im Wissenschafts- und Bildungsbereich, das Mitglied der Gewerkschaft „Solidarität“ ist. Bis 2008 war die Beziehung zwischen NSZZ und OPZZ durch Rivalitäten und Konkurrenz 1 Fulton, L. Worker representation in Europe, ETUI/REHS, http://www.worker-participation.eu/national_industrial_relations/countries/poland/trade_unions 2 Fulton, L. Worker representation in Europe, ETUI/REHS, http://www.worker-participation.eu/national_industrial_relations/countries/poland/trade_unions 201 geprägt, aber in letzter Zeit haben sich die beiden Lehrergewerkschaften gemeinsam unter anderem für Entgelterhöhungen eingesetzt. 2. Vertretung Der gewerkschaftliche Organisationsgrad von Fach- und Führungskräften in Polen wird auf 15 bis 30 % geschätzt. Die letzten genauen Angaben stammen aus dem Jahr 2002 und liegen bei 22 %. In Zukunft könnte der gewerkschaftliche Organisationsgrad der Fach- und Führungskräfte leicht abnehmen. > III. Tarifverhandlungen 1. Tarifverhandlungsstruktur Tarifverhandlungen finden in Polen hauptsächlich auf Unternehmensebene statt. Es gibt insgesamt rund 13.000 Unternehmenstarifverträge. Die Zahl der Branchentarifverträge hingegen ist gering, und diese konzentrieren sich im Wesentlichen auf den öffentlichen Sektor oder ehemalige staatliche Sektoren wie Energie, Bergbau, Verkehr und Telekommunikation.3 In der Privatwirtschaft werden nur wenige Branchentarifverträge abgeschlossen, da die Arbeitgeber sich nicht in Verbänden organisieren oder weil die bestehenden Arbeitgeberverbände Verhandlungen auf Branchenebene vermeiden. Hinzu kommt, dass die Vereinbarungen auf Branchenebene häufig kaum mehr als eine Wiederholung der geltenden arbeitsrechtlichen Bestimmungen darstellen. In Polen gibt es keine besonderen Tarifverträge für Fach- und Führungskräfte. Somit unterliegen Tarifverhandlungen für Fach- und Führungskräfte den allgemeinen Vorschriften. Für Lehrer gilt seit 1982 ein besonderes Gesetz, die so genannte „Charta für Lehrkräfte“. Über die tarifvertragliche Deckungsrate von Fach- und Führungskräften liegen keine Angaben vor. Es wird jedoch damit gerechnet, dass diese in den nächsten Jahren leicht sinken wird. 3 Fulton, L. Worker representation in Europe, ETUI/REHS, http://www.worker-participation.eu/national_industrial_relations/countries/poland/trade_unions, „Poland. Industrial relations profile“, Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen, http://www.eurofound.europa.eu/eiro/country/poland.pdf 202 IV. Arbeitskämpfe [ Polen ] > Seit dem Frühjahr 2007 verhandelt die Polnische Lehrergewerkschaft (ZNP) mit der Regierung über die Ausweitung der Vorruhestandsregelungen, über Gehaltserhöhungen und die Aufstockung des Bildungsetats. Während der Verhandlungen wurden einige Warnstreiks abgehalten, aber bislang wurde keine Einigung zwischen den Verhandlungsparteien erzielt.4 Auch zwischen den polnischen Ärzten und KrankenpflegerInnen im öffentlichen Gesundheitswesen und der Regierung ist es zu Konflikten über Gehaltserhöhungen gekommen. Solche Konflikte sind zwar in den letzten Jahren häufig aufgetreten, aber haben im Sommer 2007 zu mehreren Protestaktionen geführt. Die Ärztegewerkschaften forderten einen Branchentarifvertrag über Entgelterhöhungen für die kommenden Jahre und riefen, nach einem Warnstreik, im Mai einen landesweiten Streik aus. Auch die Krankenpflegergewerkschaften forderten erhebliche Gehaltserhöhungen und führten verschiedene Aktionen durch, die in einem fast vierwöchigen Protest vor der Kanzlei des polnischen Premierministers in Warschau gipfelten. 4 „Teachers’ union remains on strike alert over pay”, EIROnline, 28.1.2008, http://www.eurofound.europa.eu/eiro/2007/12/articles/pl0712029i.htm 203 204 [ Kapitel 23 ] Portugal 205 [ Portugal ] In Portugal gibt es 465.000 Fach- und Führungskräfte; dies entspricht 11,9 % der Arbeitnehmer. (Quelle: EUROSTAT, Labour Force Survey 2007). > I. Definition Nach portugiesischem Arbeitsrecht bezeichnet der Begriff „Arbeitnehmer“ (trabalhador) eine Person mit einem unter das Arbeitsrecht fallenden Arbeitsvertrag für eine Tätigkeit, die sie unter Aufsicht und Anweisung eines oder mehrerer Dritter (Vertreter des Arbeitgebers) ausführt und für die sie eine Vergütung erhält. Das aktuelle portugiesische Recht unterscheidet nicht mehr zwischen verschiedenen Arbeitnehmerkategorien. Die 1937 eingeführte Unterscheidung zwischen „Angestellten“ (empregados) und „Arbeitern“ (assalariados) wurde 1969 durch das Arbeitsvertragsgesetz aufgehoben. Arbeitnehmer in Führungspositionen (trabalho dirigente) In den letzten Jahren war ein Trend zur Abgrenzung der Arbeitnehmer in Führungspositionen zu beobachten. Dies hat dazu geführt, dass für leitende Angestellte besondere Vorschriften für die Vertragsbedingungen und von den allgemeinen Vorschriften abweichende Arbeitszeit- und Probezeitregelungen gelten. Im öffentlichen Dienst gilt eine Sonderregelung für Führungspositionen. Führungskräfte in Vertrauenspositionen (comissão de serviço) Portugal verfügt über eine strenge arbeitsrechtliche Regelung des Kündigungsschutzes (die zurzeit diskutiert wird). Demnach ist eine 206 [ Portugal ] Beendigung des Arbeitsvertrags nur dann zulässig, wenn dies durch Gründe gerechtfertigt wird, die gesetzlich vorgesehen sind. Von dieser Vorschrift sind lediglich solche Führungskräfte und Angestellte ausgenommen, deren Position besonderes Vertrauen voraussetzt (comissão de serviço). In diesem Fall kann der Arbeitgeber den Vertrag für die Vertrauensposition ungeachtet des Grundes aber unter Einhaltung einer Kündigungsfrist beenden. Die bedeutet jedoch nicht, dass damit auch der Arbeitsvertrag beendet wird (dieser kann auch nach Kündigung der Vertrauensposition weiterlaufen). Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf eine Abfindung in Höhe von einem Monatsgrundgehalt je voll oder teilweise geleistetes Dienstjahr in der Vertrauensposition, sofern der Arbeitnehmer nicht entscheidet, den Vertrag für die Vertrauensposition selbst zu beenden und wieder in seine vorherige Position zurückzukehren. Gewerkschaftsrechte Nach portugiesischem Recht hat jeder Arbeitnehmer das Recht auf gewerkschaftliche Mitgliedschaft, das heißt er hat das Recht, einer Gewerkschaft seines Berufsstands beizutreten und jederzeit wieder aus ihr auszutreten sowie gemeinsam mit anderen Arbeitnehmern eine Gewerkschaft zu gründen. Arbeitgebern ist es gesetzlich untersagt, sich in gewerkschaftliche Tätigkeiten einzumischen, auch nicht zum Zweck der Förderung, Unterstützung oder Finanzierung von Gewerkschaften. Dennoch stellt der soziale Dialog ein relativ junges Phänomen in der portugiesischen Gesellschaft dar und konnte sich erst nach dem Übergang zu einer Demokratie in den 70er Jahren entwickeln. Nach der Revolutionszeit 1974-75 wurden die ersten Tarifverhandlungen geführt. Ab 1974 mit der Einführung eines demokratischen Regimes war es möglich, Beamtengewerkschaften zu gründen. Manche Berufsgruppen haben das Vereinigungsrecht erst später erlangt. Polizeigewerkschaften gibt es erst seit 2001, und Mitgliedern der Streitkräfte ist es nach wie vor untersagt, einer Gewerkschaft beizutreten. > II. Gewerkschaftliche Organisationen 1. Gewerkschaften der Fach- und Führungskräfte Das portugiesische Gewerkschaftswesen ist geprägt durch politisch gespaltene Gewerkschaftsbünde und zersplitterte, sich überschneidende 207 Einzelgewerkschaften. In Portugal gibt es zwei große Gewerkschaftsbünde, die als Dachverbände nachgeordneter Gewerkschaften angelegt sind. >> Der Allgemeine Bund der portugiesischen Arbeiter – Intersyndikale (CGTPIN) ist in Branchenverbände (federações) gegliedert, die Branchentarifverträge aushandeln und denen nachgeordnete Gewerkschaften angehören. Dem CGTP-IN gehören 12 Branchenverbände, 27 Distrikt- und Ortsgruppen und 134 Gewerkschaften an, die insgesamt rund 650.000 Arbeitnehmer vertreten. >> Die Allgemeine Arbeiterunion (UGT) setzt sich aus großen landesweit organisierten Branchengewerkschaften zusammen. Der UGT gehören 59 Gewerkschaften an, die circa 500.000 Arbeitnehmer vertreten. Für Fach- und Führungskräfte gibt es spezielle Gewerkschaften, insbesondere für Ingenieure, Wirtschaftler und die öffentliche Verwaltung. Die Dachverbände UGT und CGTPIN haben ferner eigene Sektionen für Fachund Führungskräfte eingerichtet: >> UGT: Flügel für Fach- und Führungskräfte (Ala de Quadros) >> CGTPIN: Sektion für Fach- und Führungskräfte (Sector dos Quadros) In diesen sind die Fach- und Führungskräfte der Mitgliedsgewerkschaften auf Branchen- oder anderer Ebene organisiert, denen sie neben anderen Arbeitnehmergruppen angehören. Daneben bestehen kleine unabhängige Gewerkschaften, von denen viele Fach- und Führungskräfte organisieren; die Gewerkschaft União dos Sindicatos Independentes beispielsweise organisiert Arbeitnehmer in den Bereichen Banken, Kommunikation, Energie und Verkehr. Der Verband Confederação Portuguesa De Quadros Técnicos E Científicos ist eine weitere beim Arbeitsministerium registrierte autonome Gewerkschaft, die Fach- und Führungskräfte organisiert. 2. Vertretung Der geschätzte gewerkschaftliche Organisationsgrad in Portugal ist je nach Wirtschaftszweig sehr unterschiedlich. Da keine neueren Daten zum gewerkschaftlichen Organisationsgrad vorliegen, ist es schwierig, die tatsächliche Lage zu beurteilen. In Branchen wie dem Banksektor liegt der Organisationsgrad bei über 90 %, in manchen Industriezweigen hingegen erreicht er nicht einmal 10 %. 208 [ Portugal ] Auf Unternehmensebene existieren zwei Formen der Arbeitnehmervertretung: einerseits Gewerkschaftsvertreter im Betrieb (delegados sindicais), die Ausschüsse einrichten können (comissões sindicais oder comissões inter-sindicais), andererseits Betriebsräte (commisoes de trabalhadores), die von den Belegschaften der Unternehmen gewählt werden. Gewerkschaftsvertreter und Betriebsräte haben gesetzlichen Anspruch auf Unterrichtung und Anhörung zu bestimmten Angelegenheiten. Gewerkschaftsvertreter sind in Portugal weiter verbreitet als Betriebsräte (von insgesamt rund 200.000 Unternehmen verfügen weniger als 200 über einen Betriebsrat). In Unternehmen, in denen ein Betriebsrat und eine gewerkschaftliche Vertretung vorhanden sind, hat die Hauptgewerkschaft in der Regel Vorrang vor dem Betriebsrat. In der Praxis nimmt die gewerkschaftliche Vertretung im Betrieb eine klar dominierende Stellung ein. Für Fach- und Führungskräfte gibt es keine spezielle Regelung in diesem Bereich. Laut Gesetz und Verfassung ist das Recht auf Tarifverhandlungen ein ausschließliches Recht der Gewerkschaften. Im Januar 2009 tritt jedoch das neue Arbeitsgesetzbuch in Kraft, wonach Gewerkschaften in größeren Unternehmen (mit mehr als 500 Beschäftigten) ihre Verhandlungsbefugnisse an den Betriebsrat übertragen können. 3. Gewerkschaftsaktivitäten und -dienstleistungen Die Verhandlungs- und Vertretungsbefugnisse der Gewerkschaftsbünde UGT und CGTP beziehen sich auf sämtliche für Arbeitnehmer relevanten Fragen wie Löhne und Gehälter, Arbeitszeit, Ausbildung, Beschäftigung, Renten und soziale Dienstleistungen. Ferner bieten sie für Fach- und Führungskräfte ebenso wie für alle anderen Mitglieder Rechtsbeistand an. 4. Andere Organisationen der Fach- und Führungskräfte Daneben gibt es auf Branchenebene Berufsverbände, die genau definierte Gruppen von Fach- und Führungskräften organisieren, wie etwa Ärzte, Krankenpfleger oder Hochschullehrer. Sie sind jedoch nicht befugt, Tarifverhandlungen zu führen, und können daher keine Vereinbarungen abschließen, auch nicht für leitende Angestellte oder Fach- und Führungskräfte. Statt zu kooperieren stehen Gewerkschaften und Berufsverbände in Portugal miteinander in Konkurrenz. So müssen Fach- und Führungskräfte beispielsweise Mitglied des Berufsverbands 209 sein, wenn sie als Fachleute anerkannt werden wollen. Den Berufsverbänden ist damit die Stimme der Fachleute sicher. Überdies bieten sie ihren Mitgliedern gewisse Dienstleistungen an, die normalerweise von den Gewerkschaften für ihre Mitglieder angeboten werden. Einige dieser Berufsgruppen haben sich auch bestehenden Gewerkschaften angeschlossen oder neue Gewerkschaften gegründet, die unabhängig geführt werden oder sich den großen Dachverbänden (UGT und CGTP) angeschlossen haben. > III. Tarifverhandlungen 1. Tarifverhandlungsstruktur Tarifverhandlungen können im Prinzip auf mehreren Ebenen geführt werden. Grundsätzlich haben spezifische Vereinbarungen Vorrang vor allgemeinen Tarifverträgen. Bislang wurde jedoch kein Tarifvertrag auf branchenübergreifender Ebene abgeschlossen. Tarifverhandlungen finden somit in der Praxis auf zwei Ebenen statt, auf Branchen- und Unternehmensebene, wobei Verhandlungen auf Branchenebene in der Vergangenheit eine wichtigere Rolle gespielt haben. Tarifverhandlungen für Fach- und Führungskräfte werden weder auf einer bestimmten Ebene noch in einer besonderen Form geführt, sondern nach den gleichen Verfahren wie für die anderen Arbeitnehmer. Aus jüngsten Angaben über Tarifverträge geht hervor, dass die meisten von ihnen von Gewerkschaften unterzeichnet wurden, die den beiden Hauptgewerkschaftsbünden CGPT-IN und UGT angeschlossen sind. Nur 5 der 252 im Jahr 2007 abgeschlossenen Tarifverträge wurden von unabhängigen Gewerkschaften unterzeichnet. Die meisten davon waren auf Ebene eines Unternehmens oder einer Unternehmensgruppe abgeschlossen worden. Nur 2 Branchenvereinbarungen waren von Gewerkschaften unterzeichnet worden, die nicht einem der beiden großen Gewerkschaftsbünde angehörten. 2. Tarifvertragliche Deckungsrate und Trends Portugal weist eine vergleichsweise hohe tarifvertragliche Deckungsrate auf: Im Jahr 2007 waren 1,57 der rund 5 Millionen Arbeitnehmer durch Tarifverträge abgesichert. 210 [ Portugal ] In der Praxis fallen jedoch weit mehr Arbeitnehmer in den Geltungsbereich von Tarifverträgen, da diese häufig von der Regierung für allgemeinverbindlich erklärt werden und somit über die Beschäftigten der unterzeichnenden Parteien hinaus für alle anderen Arbeitnehmer der betreffenden Branche gelten; 2007 wurden 74 Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklärt. Gesetzlich bindet ein Tarifvertrag lediglich die Arbeitgeber, die ihn unterzeichnet haben oder die dem unterzeichnenden Arbeitgeberverband angehören, sowie die Arbeitnehmer, die den unterzeichnenden Gewerkschaften angehören. Der Arbeitsminister kann aber die Bestimmungen von Tarifverträgen oder von Schlichtungssprüchen im Wege einer Verwaltungsverfügung auf alle oder Teile der Arbeitgeber desselben Wirtschaftszweiges und Arbeitnehmer der gleichen oder ähnlichen Berufsgruppen ausweiten. Tarifverträge regeln hauptsächlich Löhne/Gehälter und Lohn- bzw. Gehaltserhöhungen sowie andere Angelegenheiten. Zu den tarifvertraglich geregelten Fragen, die für Fach- und Führungskräfte besonders wichtig sind, gehören Folgende: zeitlich befristete Überstellungen, geografische Mobilität, berufliche Fortbildung, Befreiung von festen Arbeitszeiten (in der Regel für Arbeitnehmer in höheren Positionen) und zusätzliche soziale Leistungen. Ein wichtiges Thema bei Tarifverhandlungen der letzten Zeit war die Bekämpfung von zeitlich befristeten Arbeitsverträgen aufgrund der schlechten beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten, die damit verbunden sind. > IV. Arbeitskämpfe Verglichen mit den 80er Jahren verzeichnet Portugal eine mäßige Streikaktivität. Arbeitskämpfe, bei denen Fach- und Führungskräfte betroffen waren, wurden vor allem im öffentlichen Sektor geführt; in jüngster Zeit ist es auch zu einem Arbeitskampf bei den Lehrkräften gekommen. Seit September 2006 wird das neue verpflichtende Schiedsgerichtsverfahren angewandt. Bereits Anfang der 90er Jahre war der Versuch unternommen worden, ein solches Verfahren einzuführen, der aber scheiterte. 2006 trat dieses Verfahren dann tatsächlich in Kraft, und bis Ende des Jahres hatte das Schiedsgericht sieben Schiedssprüche über den Umfang und die Form von Mindestdienstleistungen bei Streiks in Unternehmen des Verkehrs- und Kommunikationssektors gefällt. 211 Das neue Arbeitsgesetzbuch (das 2009 in Kraft tritt) stärkt die Arbeitnehmerrechte bei Auslaufen eines Tarifvertrags (demnach werden die Regelungen in Bezug Arbeitszeit, Lohn/Gehalt, berufliche Einstufung sowie Sozialversicherung und Gesundheitsschutz im individuellen Arbeitsvertrag übernommen) und führt ein verpflichtendes Schiedsverfahren zur Festlegung der Bedingungen für den Schutz der Arbeitnehmer ein. Dieses Verfahren wird angewandt, wenn 2 Bedingungen erfüllt sind: In den zwölf Monaten nach Auslaufen eines Tarifvertrags wird kein neuer Tarifvertrag ausgehandelt, und es besteht keine andere Vereinbarung, die für die Mehrheit der Arbeitnehmer anwendbar ist. > V. Sozialer Dialog Außerhalb des regulären Tarifverhandlungssystems wurden dreiseitige Sozialpakte geschlossen, die auch für Fach- und Führungskräfte gelten. Diese Pakte sind politischer Art und stellen das Ergebnis der politischen Konzertierung in Portugal dar. Sie beinhalten Leitvorgaben für die Tarifverhandlungen auf Branchen- und Unternehmensebene. Das wichtigste Forum für Dialog und soziale Konsultation zwischen der Regierung und den Sozialpartnern ist der Rat für Wirtschafts- und Sozialfragen. 1984 hatte die Zentralregierung den Ständigen Rat für Sozialkonzertierung (Conselho Permanente de Concertação Social, CPCS) eingerichtet. Dieses nationale Gremium für die dreiseitige Makrokonzertierung hatte die Aufgabe, Arbeitsstreitigkeiten zu überwachen und die Sozialpartner zu wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen zu konsultieren. 1991 wurde der CPCS in einen Ausschuss umgewandelt, der Teil des neuen Rates für Wirtschafts- und Sozialfragen (Conselho Económico e Social, CES) ist, aber seine Autonomie und zentrale Rolle bei der Makrokonzertierung behalten hat. Die Abkommen des CPCS sind zwar nicht rechtsverbindlich, aber haben einen wesentlichen Einfluss auf verschiedene Schlüsselthemen ausgeübt. 2005 und 2006 wurden im Rahmen des CPCS zwei wichtige bilaterale Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern abgeschlossen: Die erste befasste sich mit der Lösung der Krise der Tarifverhandlungen, die zweite mit beruflicher Bildung. Ferner wurde in diesem Rahmen im Jahr 2006 ein wichtiges Abkommen über Mindestlöhne im Zeitraum 2007-2011 geschlossen, und schließlich wurde im Juli 2008 eine dreiseitige Vereinbarung unterzeichnet, auf deren Grundlage das Arbeitsgesetzbuch geändert wurde. 212 [ Kapitel 24 ] Slovenien 213 [ Slovenien ] In Slovenien gibt es 1.710.00 Fach- und Führungskräfte; dies entspricht 20,6 % der Arbeitnehmer (Quelle: EUROSTAT, Labour Force Survey 2007). > I. Definition In Slowenien sieht Artikel 72 des Gesetzes über Beschäftigungsverhältnisse vor, dass Arbeitsverträge von Führungskräften von den tarifvertraglich geregelten Rechten, Pflichten und Verantwortlichkeiten abweichen können. Dennoch kennt das slowenische Arbeitsrecht keine Definition für Fach- und Führungskräfte. Fach- und Führungskräfte in Slowenien haben ebenso wie alle anderen Arbeitnehmer das Koalitionsrecht, das Recht, Tarifverträge abzuschließen, das Streikrecht und das Recht auf Unterrichtung und Anhörung am Arbeitsplatz. Bestimmte Einschränkungen gelten für das Streikrecht von Angehörigen der Polizei, der Streitkräfte und der Feuerwehr sowie von Richtern und Ärzten. 214 II. Gewerkschaftliche Organisationen 1. Gewerkschaften der Fach- und Führungskräfte [ Slovenien ] > Da Fach- und Führungskräfte keinen besonderen Status genießen, gibt es auch keine Gewerkschaften, die speziell Fach- und Führungskräfte vertreten. Sie werden wie die anderen Arbeitnehmergruppen von der jeweils in dem Bereich tätigen Gewerkschaft vertreten. Das slowenische Gewerkschaftswesen zeichnet sich durch eine pluralistische Organisationsstruktur aus. Es gibt sieben repräsentative Gewerkschaftsbünde, die nun alle im dreigliedrigen Nationalen Rat für Wirtschafts- und Sozialfragen (ESC)1 vertreten sind: >> Verband der freien Gewerkschaften Sloweniens (Zveza svobodnih Sindikatov Slovenije – ZSSS) >> Gewerkschaftsbund Öffentlicher Dienst (Konfederacija Sindikatov Javnega Sektorja - KSJS) >> Slowenischer Gewerkschaftsbund PERGAM (Konfederacija sindikatov Slovenije Pergam - PERGAM) >> Konföderation 90 der Gewerkschaften Sloweniens (Konfederacija sindikatov ’90 Slovenije, Konfederacija ’90) >> Konföderation der neuen Gewerkschaften Sloweniens (Neodvisnost, Konfederacija novih sindikatov Slovenije - KNSS) >> Alternative (Slovenska zveza sindikatov Alternativa – Alternativa) >> Solidarität (Zveza delavcev Solidarnost – Solidarnost) Der größte Dachverband ist der ZSSS, dem 50 % aller Gewerkschaftsmitglieder angehören. Er umfasst 22 Branchen- und Berufsgewerkschaften, die Arbeit­ nehmer in privatwirtschaftlichen Industrie- und Dienstleistungssektoren sowie im öffentlichen Sektor organisieren. Der KSJS wurde 2006 von fünf großen Gewerkschaften des öffentlichen Sektors gegründet. Er ist der zweitgrößte Gewerkschaftsbund und vertritt fast die Hälfte aller Arbeitnehmer im öffentlichen Sektor.2 Im KNSS sind überwiegend Arbeitnehmer der privatwirtschaftlichen Industrie organisiert, die Mitglieder von Konfederacija ’90 sind hauptsächlich in der privaten 1 „Change in rules of conduct and composition of Economic and Social Council“, EIROnline 18.02.2008, http://www.eurofound.europa.eu/eiro/2007/12/articles/si0712029i.htm 2 „Slovenia. Industrial relations profile”, Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen, http://www.eurofound.europa.eu/eiro/country/slovenia.pdf 215 Industrie und im privaten Dienstleistungssektor beschäftigt. PERGAM organisiert Arbeitnehmer in der Privatindustrie und im öffentlichen Sektor, Alternative und Solidarität ihrerseits vertreten die Beschäftigten bei der Eisenbahn.3 Die meisten Gewerkschaftsbünde sind nach Branchen organisiert, einige auch nach Berufen (Tierärzte, Piloten Flugbegleiter usw.). Daneben gibt es eine Reihe kleiner Berufsgewerkschaften unter anderem für Zahnärzte, Ärzte oder Journalisten, die keinem Gewerkschaftsbund angeschlossen sind. Darunter sind mächtige Gewerkschaften wie die Ärztegewerkschaft FIDES, aber auch solche, die nur wenig Einfluss haben. ZSSS und KSJS organisieren die meisten Fach- und Führungskräfte. Vor allem der KSJS aber auch einige kleine unabhängige Gewerkschaften wie FIDES vertreten viele Arbeitnehmer mit höheren Bildungsabschlüssen, die als Fachund Führungskräfte bezeichnet werden können. 2. Vertretung In Slowenien beträgt der gewerkschaftliche Organisationsgrad der Fach- und Führungskräfte zwischen 5 und 14%. Es ist nicht damit zu rechnen, dass er sich in den kommenden fünf Jahren verändern wird. > III. Tarifverhandlungen Da Fach- und Führungskräfte in Slowenien nicht in getrennten Gewerkschaften organisiert sind, werden auch keine getrennten Tarifverhandlungen für sie geführt. Die Verhandlungen finden auf nationaler, Branchen-, Berufs- und Unternehmensebene statt. In der Privatwirtschaft werden Bereiche, die nicht durch Vereinbarungen auf Branchenebene geregelt werden, zum Beispiel Mindestlöhne und Fragen des Arbeitsschutzes, durch ein nationales Abkommen geregelt. Im öffentlichen Sektor gibt es eine Vereinbarung für den gesamten „nicht gewerblichen Bereich“ sowie mehrere Branchenvereinbarungen.4 3 „Slovenia. Industrial relations profile”, Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen, http://www.eurofound.europa.eu/eiro/country/slovenia.pdf 4 Fulton, L. Worker representation in Europe, ETUI/REHS, http://www.worker-participation.eu/national_industrial_relations/countries/slovenia 216 [ Slovenien ] Bei Tarifverhandlungen geht es in erster Linie um die Umsetzung der arbeitsrechtlichen Vorschriften. Sie umfassen neben dem Arbeitsentgelt auch Arbeitsbedingungen wie Arbeitszeiten, Urlaubsregelungen und Zulagen für schwere und außergewöhnliche Arbeiten sowie Weiterbildung. Bis 2006 wurden Tarifverhandlungen auf Arbeitgeberseite von den Industrieund Handelskammern geführt, denen alle Arbeitgeber angehören mussten. Im September 2005 waren dadurch noch 96 % aller Arbeitnehmer in Slowenien tarifvertraglich abgesichert, bei den übrigen 4 % handelte es sich um leitende Angestellte, für die individuelle Vereinbarungen galten. Ein neues, im März 2006 verabschiedetes Gesetz über Tarifverhandlungen sieht jedoch vor, dass Tarifverträge in Zukunft nicht mehr von den Kammern, sondern nur noch von den Arbeitgeberverbänden unterzeichnet werden dürfen. Die Mitgliedschaft in den Industrie- und Handelskammern ist für die Arbeitgeber nun nicht mehr verpflichtend, aber dadurch dass die Mitgliedschaft in den Arbeitgeberverbänden auch freiwillig ist, ist damit zu rechnen, dass die Zahl der tarifvertraglich abgesicherten Arbeitnehmer ab 2009 im Zuge der vollen Umsetzung dieser Bestimmungen sinken wird.5 Bei Fach- und Führungskräften dürfte die tarifvertragliche Deckungsrate jedoch nur geringfügig zurückgehen. Innerhalb der Gewerkschaften wird nicht zwischen Fach- und Führungskräften und anderen Arbeitnehmergruppen unterschieden, folglich gibt es für sie auch keine spezifischen Vorschriften in Bezug auf Repräsentativitätskriterien. Die allgemeinen Repräsentativitätskriterien für die Tariffähigkeit unterscheiden zwischen Gewerkschaftsbünden und Gewerkschaften, die keinem Gewerkschaftsbund angeschlossen sind. Gewerkschaftsbünde müssen mindestens 10 % der Arbeitnehmer in dem jeweiligen Sektor, Tätigkeitsbereich oder Beruf vertreten. Gewerkschaften, die keinem Gewerkschaftsbund angeschlossen sind, sollten mindestens 15 % der Arbeitnehmer in dem jeweiligen Sektor, Tätigkeitsbereich, Beruf oder in der Gemeinde oder dem Gebiet vertreten6. 5 Fulton, L. Worker representation in Europe, ETUI/REHS, http://www.worker-participation.eu/national_industrial_relations/countries/slovenia 6 “Representativeness of the social partners: Gas sector — Slovenia”, EIROnline, 01.02.2008, http://www.eurofound.europa.eu/eiro/studies/tn0702017s/si0702019q.htm 217 > IV. Arbeitskämpfe Das Gesetz über das Vergütungssystem im öffentlichen Dienst, das 2005 in Kraft getreten ist, hat bedeutende Änderungen im öffentlichen Sektor eingeführt. Dieses Gesetz sieht einen branchenübergreifenden Gesamttarifvertrag für den öffentlichen Dienst und anschließende Verhandlungen auf Branchenebene vor. Im Juli 2007 wurde der Gesamttarifvertrag unterzeichnet, mit dem Ziel, die bestehenden Entgeltunterschiede zwischen den verschiedenen Berufen im öffentlichen Dienst zu beseitigen. Für manche Berufe werden die Entgelterhöhungen somit in Zukunft höher ausfallen, während andere Berufsgruppen, zum Beispiel im Bildungswesen, mit einer geringeren Erhöhung rechnen müssen. Die meisten Gewerkschaften sind zufrieden über diese Regelung, aber einige Berufsgewerkschaften, darunter die Richtergewerkschaft, haben Proteste angekündigt und zum Streik aufgerufen7. 7 „New public sector agreement to abolish pay differences”, EIROnline, 24.9.2007, http://www.eurofound.europa.eu/eiro/2007/08/articles/si0708039i.htm , “New public sector pay law makes collective agreements compulsory”, EIROnline, 11.2.2005, http://www.eurofound.europa.eu/eiro/2005/10/feature/si0510304f.htm 218 [ Kapitel 25 ] Slowakei 219 [ Slowakei ] In der Slowakei gibt es 292.000 Fach- und Führungskräfte; dies entspricht 14,3 % der Arbeitnehmer (Quelle: EUROSTAT, Labour Force Survey 2007). > I. Definition Wie in den meisten anderen neuen EU-Mitgliedstaaten genießen Fach- und Führungskräfte in der Slowakei keinen Sonderstatus, sondern gelten wie andere Gruppen als Arbeitnehmer. Es gibt auch keine Bestimmungen, die das Recht auf Abschluss von Tarifverträgen, das Streikrecht und das Recht auf Unterrichtung und Anhörung am Arbeitsplatz für Fach- und Führungskräfte einschränken. Führungskräfte, die auf Arbeitgeberseite an der Verhandlung von Unternehmenstarifverträgen beteiligt sind, haben auch das Recht, sich zu vereinigen, aber nicht, wenn sie den Tarifvertrag im Namen des Arbeitgebers unterzeichnen. > II. Gewerkschaftliche Organisationen 1. Gewerkschaften der Fach- und Führungskräfte Der Slowakische Gewerkschaftsbund (Konfederácia odborových zväzov Slovenskej republiky - KOZ SR), der dominierende Gewerkschaftsbund in der 220 [ Slowakei ] Slowakischen Republik, zählt rund 460.000 Mitglieder (2005).1 Daneben bestehen zwei kleine Gewerkschaftsverbände, der Verband der unabhängigen christlichen Gewerkschaften (Nezavisle Krestanske Odbory Slovenska - NKOS) und der Gewerkschaftsbund Kunst und Kultur (Konfederace umění a kultury KUK) mit jeweils circa 10.000 Mitgliedern.2 Die 38 Mitgliedsgewerkschaften des KOZ SR sind in vielerlei Hinsicht autonom, während die Rolle des Verbands hauptsächlich in der Koordination besteht. Viele seiner angeschlossenen Gewerkschaften organisieren ausschließlich Fach- und Führungskräfte, darunter Folgende: >> Gewerkschaftsverband der Atomwirtschaft (Združenie odborárov jadrovej energetiky) >> Gewerkschaft Banken und Versicherungen (OZ prac. peňažníctva a poisťovníctva) >> Gewerkschaft Bildung und Wissenschaft (OZ prac. Školstva a vedy na Slovensku) >> Slowakische Kulturgewerkschaft (SOZ kultúry a spoločenských organizácií) >> Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (SOZ verejnej správy) >> Gewerkschaft der Gesundheits- und Sozialdienste (Slovenský odborový zväz zdravotníctva a sociálnych služieb) >> Gewerkschaft der Selbständigen in der Justiz (OZ justície v SR) >> Gewerkschaft der Slowakischen Akademie der Wissenschaften (OZ pracovníkov SAV) >> Gewerkschaft der freien Berufe (SOZ slobodných povolaní) Außerdem gehören dem KOZ SR Gewerkschaften an, deren Mitglieder überwiegend aus Fach- und Führungskräften bestehen, wie die Gewerkschaft des Energiesektors, die Gewerkschaft des Gassektors, die Gewerkschaft Post und Telekommunikation und die Gewerkschaft Kommunikation. Einige Gewerkschaften organisieren nur eine begrenzte Zahl von Fach- und Führungskräften, wie die Gewerkschaft Bergbau, Geologie und Öl, die Gewerkschaft Chemie und die Gewerkschaft Handel und Tourismus. Obwohl Fach- und Führungskräfte in vielen Mitgliedsgewerkschaften gut vertreten sind, zeigen Fach- und Führungskräfte im Allgemeinen nur wenig Interesse an der Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft. 1 Fulton, L. Worker representation in Europe, ETUI/REHS, http://www.worker-participation.eu/national_industrial_relations/countries/slovak_republic 2 “Slovakia. Industrial relations profile”, Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen, http://www.eurofound.europa.eu/eiro/country/slovakia.pdf 221 Normalerweise gibt es keine Konkurrenz zwischen den verschiedenen Gewerkschaften. In Unternehmen, in denen zwei Gewerkschaften vertreten sind, hat die Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern das Recht, Tarifverträge abzuschließen. 2. Vertretung Derzeit liegt der allgemeine gewerkschaftliche Organisationsgrad in der Slowakischen Republik bei 16 %, für Fach- und Führungskräfte liegen keine spezifischen Daten vor. Schätzungen zufolge dürfte die Zahl der gewerkschaftlich organisierten Fach- und Führungskräfte in den kommenden Jahren leicht abnehmen, aber es gibt auch Befürchtungen, dass ein drastischer Rückgang eintreten könnte. 3. Gewerkschaftsdienstleistungen und -aktivitäten Die slowakischen Gewerkschaften führen Tarifverhandlungen für ihre Mitglieder und bieten ihnen Rechtsberatung zu Fragen des Arbeitsrechts und der Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz an. Gewerkschaftsmitglieder können ferner an Seminaren und Ausbildungskursen teilnehmen, die vom Gewerkschaftsbund, den Gewerkschaften und ihren Ortsgruppen organisiert werden. 4. Andere Organisationen der Fach- und Führungskräfte Es gibt keine weiteren Organisationen oder Verbände in der Slowakei, die Fach- und Führungskräfte vertreten. > III. Tarifverhandlungen 1. Tarifverhandlungsstruktur Tarifverhandlungen werden in der Slowakei auf Branchen- und Betriebsebene geführt. Allerdings verlieren Branchentarifverträge im Vergleich zu betrieblichen Vereinbarungen immer mehr an Bedeutung. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Arbeitgeber aus den Arbeitgeberverbänden austreten, 222 [ Slowakei ] da sie nicht mehr durch Branchenvereinbarungen gebunden sein möchten. Ein weiterer Faktor ist, dass Branchentarifverträge nicht mehr so häufig wie in der Vergangenheit auf Arbeitgeber ausgeweitet werden, die keinem Arbeitgeberverband angehören.3 Hinzu kommt, dass Branchentarifverträge vielfach allgemein gehalten sind und auf eine Wiederholung der bereits geltenden gesetzlichen Vorschriften hinauslaufen.4 Betriebliche Tarifverträge dürfen nur eine Verbesserung dessen darstellen, was bereits auf Branchenebene ausgehandelt wurde, bzw. des gesetzlich festgelegten Arbeitsentgelts. Das slowakische Arbeitsrecht legt gesetzliche Mindestlöhne für die verschiedenen Qualifikationsstufen fest. Dabei werden sechs Stufen unterschieden, wobei die sich höchste Stufe auf Tätigkeiten bezieht, die Fähigkeiten zur kreativen Problemlösung, die Übernahme von Verantwortung und Führungs-, Koordinations- und Organisationsaufgaben sowie staatlich anerkannte Berufe umfassen und somit dem Profil von Fach- und Führungskräften entsprechen. Im Rahmen von Tarifverhandlungen wird über das Arbeitsentgelt sowie über Arbeitszeitregelungen, Urlaubsansprüche, Überstundenvergütung, Sozialversicherung und betriebliche Altersversorgung verhandelt. 2. Tarifvertragliche Deckungsrate und Trends Tarifverträge gelten für alle Beschäftigten des betreffenden Unternehmens einschließlich Fach- und Führungskräften. Auf Antrag der Gewerkschaft und nach Genehmigung des Ministeriums für Arbeit, Soziales und Familie können Branchentarifverträge auf Unternehmen ausgeweitet werden, deren Arbeitgeber keinem Arbeitgeberverband angehören, aber über eine gewerkschaftliche Mitgliederbasis verfügen. 3 Fulton, L. Worker representation in Europe, ETUI/REHS, http://www.worker-participation.eu/national_industrial_relations/countries/slovak_republic 4 „Slovakia. Industrial relations profile”, Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen, http://www.eurofound.europa.eu/eiro/country/slovakia.pdf 223 > IV. Sozialer Dialog Es besteht kein dreigliedriges Gremium für den sozialen Dialog über fachund führungskräftespezifische Fragen. Der dreigliedrige Rat für Wirtschaftsund Sozialfragen setzt sich aus je sieben Vertretern der Regierung, der Arbeitgeberverbände und der Gewerkschaften zusammen. Von den Gewerkschaften, die hauptsächlich Fach- und Führungskräfte organisieren (etwa im Bildungs- und Gesundheitswesen), sind nur wenige direkt in diesem Rat vertreten. Alle Gewerkschaften sind jedoch an der Gewerkschaftsgruppe zur Vorbereitung der Arbeiten des Rates beteiligt und können dort ihren Standpunkt einbringen. Dadurch wird sichergestellt, dass auch die Interessen der Fach- und Führungskräfte im Rat angemessen vertreten werden. 224 [ Kapitel 26 ] Finnland 225 [ Finnland ] In Finnland gibt es 576.000 Fach-und Führungskräfte; dies entspricht 26,4 % der Arbeitnehmer (Quelle: EUROSTAT, Labour Force Survey 2007). > I. Definition Das finnische Arbeitsrecht unterscheidet im Allgemeinen nicht zwischen verschiedenen Arbeitnehmerkategorien. Es gibt allerdings ein paar Ausnahmen: Bei Arbeitsschutzvorschriften wird zwischen Arbeitern und Angestellten unterschieden, die jeweils über einen eigenen Arbeitsschutzdelegierten verfügen. Außerdem unterteilen die Gesetze über die Rechte der Arbeitnehmer auf Unterrichtung und Anhörung (das Gesetz über Zusammenarbeit in Unternehmen und das Gesetz über Zusammenarbeit in finnischen und EU-weit operierenden Unternehmensgruppen) die Beschäftigten der Unternehmen in verschiedene Gruppen: Arbeiter, Angestellte, Fach- und Führungskräfte. Diese Begriffe werden in den Präambeln der Gesetze genauer definiert. In der Praxis wird deutlich zwischen dem geschäftsführenden Direktor und den übrigen Führungskräften eines Unternehmens unterschieden. 226 [ Finnland ] Fach- und Führungskräfte sind von manchen arbeitsrechtlichen Vorschriften ausgeschlossen. Dieser Ausschluss erfolgt aber nicht auf einer begrifflichen Grundlage, sondern aufgrund der Stellung des Arbeitnehmers in der Unternehmensorganisation und des Inhalts seiner Aufgaben. Bei diesen Vorschriften handelt es sich grundsätzlich um Sonderbestimmungen, über deren Anwendbarkeit jeweils im Einzelfall und auf der Grundlage der Merkmale eines Unternehmens oder einer Organisation entschieden wird. Konkrete Beispiele hierfür sind das Arbeitszeitgesetz und die Bestimmung des Arbeitsgesetzes zum Verbot des Wettbewerbs in Arbeitsverträgen. Es gibt keine gesetzlichen Einschränkungen oder arbeitsrechtlichen Sonderbestimmungen für Fach- und Führungskräfte (oder Untergruppen) hinsichtlich des Vereinigungsrechts, des Rechts, Tarifverträge zu schließen, oder des Streikrechts. Das letztgenannte Recht unterliegt lediglich zusätzlichen Vorschriften für bestimmte Gruppen im öffentlichen Sektor, die beispielsweise nicht an politischen Streiks teilnehmen dürfen. Die Bestimmungen für die Unterrichtung und Anhörung im Unternehmen sehen eine getrennte Vertretung für verschiedene berufliche Kategorien vor (siehe oben). > II. Gewerkschaftliche Organisationen 1. Gewerkschaften der Fach- und Führungskräfte Finnland gehört zu den europäischen Ländern mit dem höchsten gewerkschaftlichen Organisationsgrad (71 %). Die drei wichtigsten zentralen Gewerkschaftsbünde sind die Zentralorganisation der finnischen Gewerkschaften (SAK), der Verband der finnischen Angestelltengewerkschaften (STTK) und der Verband der finnischen Akademikergewerkschaften (AKAVA). Die meisten Fach- und Führungskräfte in Finnland gehören dem Gewerkschaftsbund AKAVA an. AKAVA zählt rund 500.000 Mitglieder, darunter circa 100.000 Studenten, die in 31 Einzelgewerkschaften organisiert sind. Zu den größten Berufsgruppen gehören Ingenieure, Lehrer, Wirtschaftler, Ärzte und soziale Berufe. Der finnische Gewerkschaftsbund der Angestelltengewerkschaften STTK umfasst 650.000 Angestellte, die in der Kommunalverwaltung, im staatlichen Sektor, in der Industrie, im Dienstleistungssektor und in Kirchen arbeiten. Die 20 Mitgliedsorganisationen des STTK zählen 50.000 Studentenmitglieder. Die 227 meisten STTK-Mitglieder haben einen Hochschul-, Fachhochschul- oder Universitätsabschluss erworben. Die meisten Mitglieder sind im Gesundheitswesen beschäftigt, gefolgt von der Industrie, der Kommunalverwaltung, dem Dienstleistungssektor und dem staatlichen Sektor. 2. Vertretung Zwischen AKAVA und STTK besteht eine gewisse Konkurrenz um Mitglieder. Bei Tarifverhandlungen gibt es einige Meinungsverschiedenheiten über vertragliche Einschränkungen bezüglich Bürokräften und unterstellten Arbeitnehmern in Finnland. In Finnland erfolgt die Arbeitnehmervertretung auf betrieblicher Ebene im Rahmen eines einstufigen Systems. Die Rechte im Bereich der Unterrichtung und Anhörung werden durch Betriebsgewerkschaften wahrgenommen. Der Anteil der finnischen Unternehmen mit einer betrieblichen Arbeitnehmervertretung ist außergewöhnlich hoch. 3. Gewerkschaftsaktivitäten und -dienstleistungen AKAVA und seine Mitgliedsgewerkschaften treten für die Interessen ihrer Mitglieder auf dem Arbeitsmarkt ein, aber auch für ihre berufsständischen Interessen, denn sie sind hauptsächlich nach Bildungsabschlüssen organisiert. Die Mitgliedsorganisationen verwalten außerdem in der Regel die Arbeitslosenkassen. Die wichtigste Aufgabe des STTK und seiner Mitgliedsverbände besteht in der vertraglich-politischen Förderung der Interessen ihrer Mitglieder und in der sozialen Einflussnahme. Die wichtigsten Gründe für die Gewerkschaftszugehörigkeit sind Lohn- und Arbeitsplatzsicherheit und einkommensbezogene Leistungen bei Arbeitslosigkeit. AKAVA führt jedes Jahr mehrere Aktionen durch, um unter anderem Studenten anzuwerben. STTK und seine Mitgliedsgewerkschaften organisieren ebenfalls jährliche Mitgliederwerbungskampagnen. Die für 2008 geplante Kampagne zielt auf junge Erwachsene und Studenten ab. 228 Da die AKAVA-Mitgliedsorganisationen als Gewerkschaften und berufliche Organisationen tätig sind, gehören ihnen verschiedene Berufsverbände an bzw. sind ihnen angeschlossen, zum Beispiel TFiF (Tekniska Fôreningen I Finnland), Verbände für verschiedene Arztberufe oder der Finnische Rechtanwaltsverband. > [ Finnland ] 4. Andere Organisationen der Fach- und Führungskräfte III. Tarifverhandlungen 1. Tarifverhandlungsstruktur Tarifverhandlungen erfolgen in Finnland in einem System mit mehreren Ebenen. Die zentralen Gewerkschaftsbünde haben die Möglichkeit, ein umfassendes Rahmenabkommen (tulopoliittinen kokonaisratkaisu, TUPO) auszuhandeln, das die allgemeinen Grundsätze für Lohnerhöhungen innerhalb der wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen festlegt. In den letzten Jahrzehnten wurde dieses Verfahren der zentralisierten und koordinierten Lohnverhandlungen und der einkommenspolitischen Vereinbarung auch meist angewandt. Seit dem Sommer 2007 wird das System jedoch nicht mehr angewandt. In Ermangelung eines gültigen Rahmenabkommens für die Einkommenspolitik (das letzte endete im September 2007) werden die Tarifverträge derzeit zwischen Branchengewerkschaften und ihren Verhandlungspartnern geschlossen. AKAVA und STTK nehmen an diesen Lohnverhandlungen auf nationaler Ebene unter den gleichen Bedingungen teil wie die anderen auf nationaler Ebene organisierten Sozialpartner. Angestelltentarifverträge werden häufig auf Branchenebene unterzeichnet. Für jede Branche wird ein landesweiter Tarifvertrag geschlossen. Die AKAVA-Mitgliedsgewerkschaften verfügen über zwei Verhandlungsgremien: >> Die Tarifkommission für den öffentlichen Sektor verhandelt im Namen der AKAVA-Mitglieder im öffentlichen Sektor. Auf betrieblicher Ebene werden die Gewerkschaft und ihre Mitglieder durch einen Vertrauensmann vertreten. >> Die Fach- und Führungskräftedelegation verhandelt für die Mitglieder in den Bereichen des Privatsektors, in denen Tarifverträge für Fach- und Führungskräfte bestehen. 229 >> Die AKAVA-Mitgliedsorganisation der Ingenieure nimmt am beratenden Fachausschuss der Gemeinden (KTN) im Kommunalsektor teil. Angeschlossene Einzelgewerkschaften mit Mitgliedern im öffentlichen und privatwirtschaftlichen Sektor sind in beiden Gremien vertreten. Der Gewerkschaftsbund STTK verfügt über mehrere Verhandlungsgremien/ -systeme: >> Im Kommunalsektor beispielsweise verhandeln die Gewerkschaften TEHY (Gesundheitswesen), SKL und STHL (eine Gewerkschaft im Gesundheitswesen, die ebenfalls am Verhandlungsgremium KTN teilnimmt) Tarifverträge, die auch für Fach- und Führungskräfte gelten. >> Die STTK-Mitgliedsgewerkschaften des Privatsektors verfügen über ein Verhandlungsgremium im Gesundheitswesen (TNJ). In den anderen Branchen werden mehr als 100 verbindliche Tarifverträge von den STTK-Gewerkschaften direkt ausgehandelt. Viele dieser Verträge gelten auch für Fach- und Führungskräfte. >> Der Tarifvertrag für den Staatssektor wird mit der Gewerkschaft Pardia geschlossen. Nahezu alle AKAVA-Mitglieder sind durch einen Branchentarifvertrag oder einen entsprechenden Lohntarifvertrag abgesichert. Manche Fach- und Führungskräfte im Dienstleistungssektor sind durch keinerlei Tarifvertrag gedeckt. 2. Tarifvertragliche Deckungsrate und Trends Aus der Arbeitskräfteerhebung 2006 geht hervor, dass 25,7 % der Arbeitnehmer in Finnland Fach- und Führungskräfte sind, (dieser Anteil liegt in der EU insgesamt bei 19,4 %), davon entfallen 7,1 % auf die Kategorie ISCO I (EU: 5,6%) und 18,5 % (EU 13,8 %) auf die Kategorie ISCO II. In Finnland liegt die tarifvertragliche Deckungsrate der Fach- und Führungskräfte bei rund 90 %. Die AKAVA-Mitglieder sind durch 30-40 allgemeinverbindliche Tarifverträge abgesichert, die nahezu für alle Mitglieder gelten. In den Tarifverträgen sind die Beschäftigungsbedingungen festgelegt, insbesondere Löhne und Gehälter, Arbeitszeiten, Urlaubsregelungen, Erstattung von Reisekosten und soziale Fragen. Die Renten- und Arbeitslosenversicherung sind hingegen gesetzlich geregelt. 230 > [ Finnland ] Im Hinblick auf mit Gewerkschaften abgeschlossene Verträge geht der Trend auf Arbeitgeberseite dahin, stets mehr vertragliche Fragen (zum Beispiel Gehälter) auf lokaler und betrieblicher Ebene zu vereinbaren. Diese Verträge bieten umfassende Möglichkeiten, um Arbeitszeitregelungen auf lokaler Ebene zu vereinbaren. Auch das Arbeitszeitgesetz sieht vor, dass Arbeitszeitfragen in gewissem Umfang auf Unternehmensebene/lokaler Ebene vereinbart werden können, auch wenn dies nicht in den Tarifverträgen gestattet ist. Da laut Gesetz in diesem Fall jedoch ein Kooperationsverfahren in den Unternehmen durchgeführt werden muss, gibt es nicht viele Arbeitszeit-Tarifverträge. IV. Arbeitskämpfe In den letzten Jahren ist es in der Design- und Beratungsbranche und im Apothekensektor zu Streiks von Fach- und Führungskräften gekommen. In der Design- und Beratungsbranche wurde nach einem 10-tägigen Streik eine Einigung im Lohnstreit erzielt. Bei dem 3-wöchigen Arbeitskampf der Apotheker ging es ebenfalls um Gehaltsfragen. Durch die Streikdrohung der Krankenpfleger der kommunalen STTK-Mitgliedsorganisation wurde eine große politische Debatte über das Streikrecht ausgelöst. Während des Lohnkonflikts im Gesundheitswesen im Herbst 2007 äußerte der finnische Premierminister scharfe Kritik an den Aktionen der Oppositionsparteien und der Gewerkschaft der Fachkräfte im Gesundheits- und Sozialwesen, die mit Massenarbeitsniederlegungen im Gesundheitssektor gedroht hatten. Angesichts dieser Drohung verabschiedete die Regierung ein neues Patientenschutzgesetz, wonach Fachkräfte im Gesundheitswesen, die ihre Arbeit niedergelegt haben, angewiesen werden können, weiter zu arbeiten. Damit hat das Parlament erstmals seit Jahrzehnten ein Gesetz erlassen, das das Recht auf Arbeitskampf einschränkt. Die Gewerkschaften haben dieses Gesetz als Eingriff in das Streikrecht der Arbeitnehmer verurteilt, aber auch angekündigt, gemeinsame Regeln für Arbeitskämpfe aufzustellen, bevor die Regierung in diesem Bereich weitere gesetzliche Maßnahmen ergreift. > V. Sozialer Dialog Die Gewerkschaftsbünde Akava und STTK vertreten die Interessen ihrer Mitglieder unabhängig voneinander, aber auch in Zusammenarbeit mit anderen 231 zentralen Organisationen, vor allem auf nationaler Ebene, wo sie mit den zentralen Arbeitgeberorganisationen kooperieren und mit der Zentralregierung und den verschiedenen Behörden Gesetzesentwürfe vorbereiten. Akava und STTK nehmen als anerkannte Vertretungsorgane an diesen dreiseitigen Vorbereitungsarbeiten teil. Alle drei zentralen Organisationen (Akava, STTK und SAK) sowie ihre Mitgliedsgewerkschaften haben eine starke Position bei vertraglichen und politischen Verhandlungen in Finnland. Bei den dreiseitigen Verhandlungen zwischen den zentralen Gewerkschaftsorganisationen, Arbeitgeberverbänden und der Landesregierung geht es um Fragen des Arbeitsrechts und des Arbeitslebens sowie um sozialpolitische Aspekte. Darüber hinaus verfügen die zentralen Organisationen über Regionalstrukturen, die Einfluss nehmen auf regionale arbeits- und bildungsspezifische Fragen. 232 [ Kapitel 27 ] Schweden 233 [ Schweden ] In Schweden gibt es 965.000 Fach- und Führungskräfte; dies entspricht 23,8 % der Arbeitnehmer. (Quelle: EUROSTAT, Labour Force Survey 2007). > I. Definition Das schwedische Recht kennt keine gesetzliche Definition der Fach- und Führungskräfte. Spitzenmanager sind indes von arbeitsrechtlichen Regelungen und Tarifverhandlungen ausgeschlossen. Es gibt keine gesetzlichen Einschränkungen des Vereinigungsrechts, des Rechts auf Abschluss von Tarifverträgen und des Streikrechts von Fachund Führungskräften. Es ist dem Arbeitgeber im Gegenteil verboten, den Beitritt von Arbeitnehmern zu einer Gewerkschaft zu verhindern oder im Namen ihrer Gewerkschaften zu handeln. Mitglieder der Geschäftsführung und andere Spitzenmanager werden als Arbeitgebervertreter betrachtet. 234 II. Gewerkschaftliche Organisationen 1. Gewerkschaften der Fach- und Führungskräfte In Schweden gibt es drei landesweite Gewerkschaftsbünde: LO, der Schwedische Gewerkschaftsbund (Landsorganisationen i Sverige) umfasst als Zentralverband 19 Einzelgewerkschaften, in denen Arbeitnehmer des privaten (60 %) und öffentlichen Sektors (40 %) organisiert sind. Sie zählen insgesamt 2.169.300 Mitglieder (bzw. 47 % aller schwedischen Arbeitskräfte). [ Schweden ] > TCO – die Schwedische Zentralorganisation der Angestellten (Tjänstemännens Centralorganisation). Dieser Dachverband umfasst 16 Mitgliedsgewerkschaften, die größte von ihnen ist Unionen. In ihnen sind insgesamt 1,3 Millionen Arbeitnehmer im privaten und öffentlicher Sektor (26% aller schwedischen Arbeitskräfte) organisiert. Die TCO-Mitgliedsgewerkschaften sind entweder nach Branchen organisiert (d.h. alle Arbeitnehmer einer Branche gehören einer Gewerkschaft an) oder nach Berufsgruppen (d.h. alle Arbeitnehmer derselben Berufsgruppe gehören einer Gewerkschaft an). TCO-Mitglieder sind beispielsweise als Ingenieure, Lehrer, Polizisten, Krankenpfleger, Bankangestellte und in anderen Berufen auf unterschiedlichen Ebenen tätig. Saco, die Schwedische Zentralorganisation der Akademiker (Sveriges Akademikers Centralorganisation) umfasst 24 Gewerkschaften mit insgesamt 580.000 Mitgliedern, darunter rund 100.000 Studenten. Sie organisieren Arbeitnehmer mit Universitäts- oder Hochschulabschluss, etwa Ingenieure, Betriebswirte oder Ärzte. Die Mitglieder sind sowohl im öffentlichen Sektor (37 % in der Kommunalverwaltung, 22 % in der Staatsverwaltung) als auch in der Privatwirtschaft (36 %) beschäftigt. Daneben gibt es eine weitere Angestelltengewerkschaft: LEDARNA ist eine unabhängige Gewerkschaft mit 60.000 aktiven Mitgliedern, die keinem Gewerkschaftsbund angeschlossen ist. Früher organisierte Ledarna nur Angestellte mit Aufsichtfunktionen, heute umfassen ihre Mitglieder Führungskräfte in allen Branchen. Zwei der drei schwedischen Gewerkschaftsdachverbände organisieren Fachund Führungskräfte (ihre Mitgliedsgewerkschaften sind nach Bildungsabschluss, Beruf und nach Wirtschaftszweig organisiert): TCO und SACO. Traditionell organisiert der Gewerkschaftsbund LO vor allem Arbeiter, die Zentralorganisation TCO Angestellte und SACO Akademiker. Die Mitglieder235 struktur von TCO und SACO gleicht sich jedoch zunehmend an. Innerhalb von TCO haben HTF und Sif am 1. Januar 2008 eine neue Gewerkschaft gegründet: Unionen ist die größte schwedische Gewerkschaft in der Privatwirtschaft und zählt neben rund 50.000 Führungskräften auch Selbständige und Rentner. 2. Vertretung In den Sektoren in den TCO und SACO vertreten sind liegt der gewerkschafttliche Organisationsgrad bei 82% aller Angestellten Auf nationaler Ebene werden sie durch ihre jeweilige Zentralorganisation vertreten, auf lokaler Ebene durch ihre örtliche Gewerkschaftsstelle. Für die Vertretung und Koordinierung der schwedischen Fach- und Führungskräftegewerkschaften wurde ein TCOSaco-Eurocadres-Rat eingesetzt. Die Gewerkschaften arbeiten zusammen, aber konkurrieren auch miteinander. Ebenso wie in den anderen nordischen Ländern erfolgt die Arbeitnehmervertretung in Schweden auf betrieblicher Ebene im Rahmen eines einstufigen Systems. Die Interessenvertretung der Beschäftigten am Arbeitsplatz, einschließlich Unterrichtung, Anhörung und manchmal Mitbestimmung, wird einzig und allein von der Gewerkschaft wahrgenommen. Die Rechte in diesen Bereichen können per Gesetz, durch (auf zentraler Ebene abgeschlossene) Vereinbarungen mit den Arbeitgebern, oder durch eine Kombination von beiden geregelt sein. Der Anteil der Unternehmen mit einer betrieblichen Arbeitnehmervertretung ist hoch. 3. Gewerkschaftsaktivitäten und -dienstleistungen Die Mitgliedsorganisationen von SACO und TCO nehmen die gewerkschaftliche und berufliche Interessenvertretung ihrer Mitglieder wahr und unterstützen diese im Hinblick auf ihre berufliche Entwicklung. Im Rahmen dieser Aufgaben bieten sie bereits für Studenten Berufsberatungsdienstleistungen an. Zu den Dienstleistungen für im Arbeitsleben stehende Mitglieder gehören eine telefonische und internetgestützte Beratung zu Fragen wie Arbeitsentgelt, -vertrag und –bedingungen sowie zusätzliche Versicherungsleistungen. Für Führungskräfte wird ferner eine zusätzliche (Kranken)Versicherung und Hilfe bei der Verhandlung individueller Arbeitsverträge angeboten. 236 III. Tarifverhandlungen 1. Tarifverhandlungsstruktur In Schweden stützt man sich in hohem Maße auf die Selbstregelung durch die Sozialpartner im Wege der Tarifverhandlungen. Viele Fragen, die in anderen Ländern gesetzlich festgelegt sind, werden in Schweden durch Tarifverträge geregelt. [ Schweden ] > Die Gewerkschaften auf nationaler und Branchenebene und die örtlichen Gewerkschaften (oder Gewerkschaftsvertreter) sowie die Arbeitgeberverbände und organisierten Arbeitgeber sind gesetzlich befugt, Tarifverträge abzuschließen. Nicht organisierte Arbeitgeber können auf Unternehmensebene eine Vereinbarung mit der Gewerkschaft unterzeichnen. Tarifverhandlungen (über Löhne und Gehälter, Lohnbildung und andere Arbeitsbedingungen) finden auf zwei Ebenen statt: auf landesweiter Branchenebene (förbundsavtal) und auf örtlicher Ebene (im Unternehmen). Lohnverhandlungen werden eher auf Branchenebene als auf Unternehmensebene geführt. Beide Ebenen ergänzen sich jedoch insofern, als Branchentarifverträge Spielraum für eine Differenzierung und Individualisierung der Löhne und Gehälter in den Vereinbarungen auf Unternehmensebene lassen und den beteiligten Akteuren auf lokaler Ebene ermöglichen, die auf zentraler Ebene vereinbarte Lohnerhöhung entsprechend ihren spezifischen Prioritäten zu verteilen. In der Regel haben Tarifverträge eine Laufzeit von 3 Jahren. Tarifverhandlungen für Fach- und Führungskräfte finden auf landesweiter Branchenebene statt und gelten für alle mit Ausnahme von Spitzenmanagern, die auch von arbeitsrechtlichen Regelungen und Tarifverträgen ausgeschlossen sind. Die Tarifverträge enthalten Bestimmungen zu allen Bereichen wie Löhne und Gehälter, Arbeitszeit, Altersversorgung und allgemeine Bedingungen. Ihre Struktur entspricht der allgemeinen Tarifvertragsstruktur. An erster Stelle wird auf nationaler Branchenebene verhandelt, die letztendlich geltende Vereinbarung wird auf betrieblicher Ebene zwischen örtlicher Gewerkschaft und Arbeitgeber geschlossen. 237 2. Tarifvertragliche Deckungsrate und Trends Die tarifvertragliche Deckungsrate variiert je nach Wirtschaftszweig zwischen 80 und 100 %. Diese Rate dürfte auch für Fach- und Führungskräfte, Spitzenmanager nicht mit einbezogen, zutreffen. Die arbeitsrechtlichen Bestimmungen sehen keine gesetzliche Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen für die Arbeitnehmer einer Branche vor. Löhne/Gehälter und Arbeitszeit sind nach wie vor die wichtigsten Themen, die durch Tarifverträge geregelt werden, aber Tarifverhandlungen können nahezu alle Aspekte des Arbeitslebens abdecken. Der aktuelle Trend geht dahin, dass innerhalb des von den Branchenverträgen gesetzten Rahmens Verhandlungen zunehmend auf lokaler Ebene geführt werden. > IV. Arbeitskämpfe Seit 2005 hat es keinen größeren Arbeitskampf mehr gegeben. Über Arbeitskämpfe speziell von Fach- und Führungskräften liegen keine Daten vor, es ist jedoch keine Intensivierung von Streikaktionen zu beobachten. > V. Sozialer Dialog Generell lehnen die Sozialpartner den Eingriff der Regierung oder anderer Parteien in die Tarifverhandlungen ab. Folglich gibt es auch keine dreiseitigen Gremien, sondern nur Verhandlungen zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften. Zwischen Regierung und Sozialpartnern gibt es aber regelmäßige Kontakte, um bestimmte politische Fragen zu besprechen. 238 [ Kapitel 28 ] Vereinigtes Königreich 239 [ Vereinigtes Königreich ] Im Vereinigten Königreich gibt es 7.169.000 Fach- und Führungskräfte; dies entspricht 28,5 % der Arbeitnehmer (Quelle: EUROSTAT, Labour Force Survey 2007). > I. Definition Im Vereinigten Königreich wird gesetzlich formal nicht zwischen Arbeitnehmerkategorien wie Arbeitern und Angestellten unterschieden, aber es bestehen einige praktische Unterschiede beispielsweise bei Lohnzahlungsfristen. Das Arbeitsrecht des Vereinigten Königreichs enthält keine Definition von Fach- oder Führungskräften. Die einzige Ausnahme wurde Ende der 90er Jahre durch die neuen Arbeitszeitverordnungen geschaffen, die eine Abweichung für „leitende Angestellte und andere Personen mit autonomer Entscheidungsbefugnis“ zulassen. Diese allgemein gehaltene Definition hat bewirkt, dass einige Arbeitgeber eine Abweichung für die Arbeitsbedingungen aller von ihnen beschäftigten Fach- und Führungskräfte erhalten haben. Gewerkschaftsrechte Die gewerkschaftlichen Rechte sind durch allgemeine Vorschriften geregelt, für Fach- und Führungskräfte gibt es keine spezifischen Bestimmungen. Maßgebend für die gewerkschaftliche Vertretung ist die Anerkennung der 240 Mit einem Gesetz aus dem Jahr 1999 wurde ein Rechtsinstrument geschaffen, das die Arbeitgeber zur Anerkennung der Gewerkschaften zwingen kann. Die Gewerkschaften müssen hierfür vor einem unabhängigen Gremium, der Zentralen Schlichtungsstelle (Central Arbitration Committee, CAC), nachweisen, dass die Mehrheit der Beschäftigten in einer „Verhandlungseinheit“ – das kann ein Betrieb sein, oder mehrere Betriebe oder ein Teil eines Betriebes – von einer Gewerkschaft vertreten werden wollen. Dies kann durch den Nachweis geschehen, dass über die Hälfte der Beschäftigten Mitglieder der Gewerkschaft sind. Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass die Gewerkschaft bei einer Urabstimmung über die gewerkschaftliche Vertretung die Unterstützung von der Mehrheit der Beschäftigten bekommt, wobei dies mindestens 40 % aller Beschäftigten in der Verhandlungseinheit entsprechen muss. Diese Bestimmungen gelten nur für Betriebe mit mindestens 21 Beschäftigten. Wenn ein entsprechendes rechtliches Verfahren erst einmal eingeleitet ist, kommt es in den meisten Fällen zu einer Urabstimmung der Beschäftigten. In der Mehrheit der Fälle sind die Gewerkschaften aber in der Lage, die Anerkennung durch den Arbeitgeber freiwillig zu bekommen, wenn sie die entsprechende Mitgliederzahl nachweisen können, da sich die Arbeitgeber der rechtlichen Möglichkeiten der Gewerkschaft bewusst sind. [ Vereinigtes Königreich ] Gewerkschaft durch den Arbeitgeber, das heißt seine Einwilligung, die Gewerkschaft bzw. Gewerkschaften über Fragen, die die Arbeitnehmer betreffen, zu konsultieren und mit ihr bzw. ihnen zu verhandeln. Besteht eine formale Vereinbarung, so verhandelt der Arbeitgeber mit der Gewerkschaft in der Regel über Löhne/Gehälter und Arbeitsbedingungen. Es gibt keine gesetzlichen Vorschriften oder Leitlinien für die Anzahl der Gewerkschaftsvertreter/Vertrauensleute. Alle Gewerkschaften haben ein gesetzliches Recht, einzelne Mitglieder bei individuellen Beschwerde- oder Disziplinarverfahren zu begleiten. > II. Gewerkschaftliche Organisationen 1. Gewerkschaften der Fach- und Führungskräfte Im Vereinigten Königreich liegt der gewerkschaftliche Organisationsgrad bei 28 Prozent. 241 Die britischen Gewerkschaften sind in unterschiedlicher Weise organisiert. Manche von ihnen organisieren einzelne Berufe wie beispielsweise Lehrer oder Röntgentechniker oder die Arbeitnehmer einzelner Unternehmen. Heutzutage gehört jedoch die überwiegende Mehrheit der Gewerkschaftsmitglieder großen, aus Fusionen hervorgegangenen Gewerkschaften an, die Arbeit­ nehmer in einer Vielzahl von Wirtschaftszweigen organisieren. Die Zahl der Branchengewerkschaften hingegen hat abgenommen. Die meisten Gewerkschaften sind dem Gewerkschaftsbund Trades Union Congress (TUC) angeschlossen. Dem TUC gehören rund 60 unabhängige Gewerkschaften an. Die Mitgliedschaft im TUC, der sich als nicht-diskriminierende Organisation versteht, ist nicht an politische, konfessionelle oder berufliche Kriterien gebunden. Konflikte zwischen Mitgliedsgewerkschaften werden vom Dachverband beigelegt. Folgende Mitgliedsgewerkschaften des TUC sind in Bezug auf Fach- und Führungskräfte besonders wichtig: >> Unite, die größte Gewerkschaft des VK, ist am 1. Mai 2007 aus dem Zusammenschluss von Amicus und der Verkehrsgewerkschaft Transport and General Workers Union (T&G) hervorgegangen. Unite zählt zwei Millionen Mitglieder, die im öffentlichen und privatwirtschaftlichen Sektor, in nahezu allen Branchen und Berufen beschäftigt sind. Unite ist die größte Gewerkschaft in der verarbeitenden Industrie, im Energie- und Verkehrssektor sowie in der Finanzbranche, in der Lebensmittelindustrie und in der Landwirtschaft. Darüber hinaus vertritt sie Mitglieder, die im Nationalen Gesundheitsdienst (NHS), im Bildungswesen, bei örtlichen Behörden, Ministerien und bei gemeinnützigen Organisationen beschäftigt sind. >> Prospect ist eine Gewerkschaft, die Ingenieure, Führungskräfte, Fachleute und Wissenschaftler im öffentlichen und privatwirtschaftlichen Sektor vertritt. Sie ist am 1. November 2001 durch den Zusammenschluss der Fachund Führungskräftegewerkschaft Institute of Professionals Managers and Specialists (IPMS) und dem Ingenieurverband Engineering Managers Association (EMA) entstanden. 2006 zählte die Gewerkschaft 102.000 Mitglieder. >> Community organisiert Arbeitnehmer in der Bekleidungs- , Textil, Schuh-, Stahl- und Wettindustrie sowie Arbeitnehmer mit Behinderungen. Community ist aus der Fusion bzw. Verpflichtungsübertragung einer Reihe kleinerer Gewerkschaften hervorgegangen. Manche von ihnen haben als Sektionen innerhalb von Community ihre Struktur beibehalten, etwa die Verbände National League of the Blind and Disabled (NLBD), National Union of Domestic Appliances Operatives (NUDAGO) und British Union of Social Work Workers (BUSWE). Die Gewerkschaft hat rund 35.000 Mitglieder. 242 [ Vereinigtes Königreich ] >> University and College Union (UCU) ist die größte Gewerkschafts- und Berufsorganisation für Wissenschaftler, Hochschullehrer, Ausbilder, Forscher und wissenschaftliche Mitarbeiter an Weiterbildungs- und Hochschuleinrichtungen im VK. UCU ist 2006 aus dem Zusammenschluss der beiden Hochschullehrerverbände Association of University Teachers (AUT) und NATFHE-The University & College Lecturers‘ Union entstanden und zählt insgesamt circa 120.000 Mitglieder. >> Public and Community Services (PCS) ist die sechstgrößte Gewerkschaft im Vereinigten Königreich. Die meisten ihrer Mitglieder sind im öffentlichen Dienst, in Ministerien und öffentlichen Einrichtungen beschäftigt, manche auch in privatwirtschaftlichen Unternehmen im Bereich Informationstechnologie. Die Gewerkschaft wurde 1998 durch die Fusion von zwei Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes gegründet: Public Services, Tax and Commerce Union (überwiegend leitende Beamte) und Civil and Public Services Association (überwiegend Verwaltungsbeamte). Mit mehr als 320.000 Mitgliedern ist PCS die größte aktive Beamtengewerkschaft im VK, und die Zahl ihrer Mitglieder nimmt noch zu. >> UNISON ist die zweitgrößte Gewerkschaft mit 1.317.000 Mitgliedern und organisiert hauptsächlich Beschäftigte des öffentlichen Dienstes; aufgrund von Privatisierungen sind nun viele ihrer Mitglieder in privatwirtschaftlichen Unternehmen beschäftigt. >> Connect vertritt 20.000 Fach- und Führungskräfte in der Kommunikations­branche. 2. Vertretung In gewissen Bereichen konkurrieren die Gewerkschaften miteinander, aber dies wird soweit möglich durch den TUC geregelt. Es gibt keine einheitliche Struktur der Arbeitnehmervertretung im VK, und in vielen Betrieben gibt es überhaupt keine. Am häufigsten werden die Arbeitnehmer durch Gewerkschaften vertreten, die den Arbeitgeber inzwischen gesetzlich zu Verhandlungen zwingen können, wenn sie auf ausreichende Unterstützung der Beschäftigten zählen können. In den meisten Betrieben, in denen die Gewerkschaften nicht vertreten sind, gibt es auch keine andere Arbeitnehmervertretung wie etwa einen Betriebsrat. Im Zuge der Umsetzung der EU-Richtlinie über Unterrichtung und Anhörung wurden neue Rechtsvorschriften erlassen, die nun die Möglichkeit für die Einrichtung von Informations- und Konsultationsgremien vorsehen. Es bestehen jedoch erhebliche Zweifel an der tatsächlichen Effizienz dieser Maßnahme. Das 243 neue Gesetz sieht zwar einige Standardvorschriften vor, aber räumt beiden Parteien (Arbeitnehmern und Arbeitgebern) ein hohes Maß an Flexibilität bei der Bestimmung der Form und Verfahrensweisen für die Unterrichtung und Anhörung ein. Arbeitnehmer in Unternehmen, die in den Anwendungsbereich des neuen Gesetzes fallen, haben ein Recht auf Unterrichtung und Anhörung, sofern eine entsprechende Regelung von den Arbeitnehmern beantragt wird. Ein Antrag gilt als zulässig, wenn er von mindestens 10% der Beschäftigten des Unternehmens, aber mindestens 15 und höchstens 2.500 Beschäftigten unterstützt wird. Dies bedeutet, dass der Schwellenwert für kleinere Arbeitgeber über 10% und für größere Arbeitgeber weit unter 10% liegt. Anders gesagt sind die Arbeitgeber nach wie vor nicht verpflichtet zu handeln, sofern sie keinen zulässigen Antrag erhalten. 3. Gewerkschaftsaktivitäten und -dienstleistungen Die Gründe, aus denen Fach- und Führungskräfte einer Gewerkschaft beitreten, unterscheiden sich kaum von denen anderer Arbeitnehmergruppen. Alle Arbeitnehmer erachten eine unabhängige Organisation und eine kollektive Vertretung zur Wahrung und Förderung der Arbeitnehmerinteressen für notwendig. Alle Gewerkschaften nehmen an Tarifverhandlungen teil und unterstützen einzelne Arbeitnehmer bei Arbeitsstreitigkeiten. Sie führen eine Vielzahl von Tätigkeiten durch, um ihre Mitglieder zu informieren, zu unterstützen und zu beraten (etwa zu Gesundheitsschutz und Sicherheit, Altersversorgung, Laufbahnentwicklung, Stellenangeboten und gesetzlichen Rechten), häufig mit Hilfe von IKT-Lösungen. Die Gewerkschaften bieten eine breite Palette von Dienstleistungen für Fach- und Führungskräfte an. Diese Dienstleistungen können in den wichtigen Wirtschaftszweigen, in denen es spezifische Tarifverhandlungssysteme oder –bestimmungen für Fachund Führungskräfte gibt, unterschiedlich gestaltet sein. Zu den typischen Gewerkschaftsaktivitäten, die sich besonders an Fach- und Führungskräfte richten, gehören Rechts- und Finanzdienstleistungen (z.B. Versicherungen) sowie Bildungs- und Berufsberatungsdienstleistungen. 4. Andere Organisationen der Fach- und Führungskräfte Bei einigen kleinen Gewerkschaften handelt es sich um Abspaltungen unzufriedener Mitglieder von TUC-Gewerkschaften, andere sind zwar nicht dem TUC angeschlossen, aber unterhalten Beziehungen zu ihm. 244 > III. Tarifverhandlungen 1. Tarifverhandlungsstruktur [ Vereinigtes Königreich ] Daneben bestehen einige wenige große Gewerkschaften im Gesundheitssektor wie der Verband der Krankenpfleger (Royal College of Nursing, RCN) und der Ärzteverband (British Medical Association - BMA) sowie ein paar kleine Lehrergewerkschaften, die nicht dem TUC angeschlossen sind. Sie alle konkurrieren in ihrem jeweiligen Bereich mit den TUC-Gewerkschaften um Mitglieder. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern sind Tarifverträge im VK nicht rechtsverbindlich. Im Einklang mit der voluntaristischen Tradition in den britischen Arbeitsbeziehungen haben sie nur moralische Wirkung, aber sind deswegen in der Praxis nicht weniger erfolgreich. Gewöhnlich werden die Bestimmungen der Tarifverträge in den individuellen Arbeitsverträgen berücksichtigt, und letztere stellen vollstreckbare Verträge dar. Allerdings ist heute nur ein Drittel (33,5%) der Arbeitnehmer im VK tarifvertraglich abgesichert. Im Privatsektor ist die tarifvertragliche Deckungsrate niedriger (rund ein Fünftel) und stellt die Unternehmens- oder Betriebsebene die wichtigste Verhandlungsebene dar. Tarifverhandlungen im VK sind nicht nach der üblichen Hierarchie mit einer zentralen, Branchen- und Betriebsebene strukturiert. Tarifverhandlungen können auf allen Ebenen und zu allen Fragen geführt werden. Seit dem Ende der staatlichen Preis- und Einkommenspolitik der siebziger Jahre nimmt der TUC jedoch nicht mehr an landesweiten Lohnverhandlungen teil. Die Arbeitgeber sind nicht an Vereinbarungen gebunden, die von einem Arbeitgeberverband unterzeichnet wurden, auch wenn sie Mitglied dieses Verbands sind. In der Praxis ist in den letzten Jahren eine deutliche Verlagerung der Verhandlungen von der Branchenebene auf die Unternehmensebene zu beobachten, und einige Arbeitgeberverbände haben Tarifverhandlungen abgebrochen oder sind aus Verhandlungen ausgestiegen. Die Arbeitgeber stellen somit zunehmend ihre eigenen Bedingungen entweder für das gesamte Unternehmen oder für einzelne Arbeitsstätten. Es ist auch üblich, bei Tarifverträgen zwischen verschiedenen Arbeit­ nehmergruppen – meist Arbeitern und Angestellten - zu unterscheiden. 245 Die TUC-Mitgliedsgewerkschaften haben sich auf eine Reihe von Mindeststandards für Fach- und Führungskräfte geeinigt, die mit dem Arbeitgeber erörtert und ausgehandelt werden müssen. Zu den wichtigsten Klauseln gehören: 1. eine Definition der Gruppe der Fach- und Führungskräfte im Unternehmen; 2. Chancengleichheit: Die Beförderungskriterien sollen hinsichtlich der Arbeitsanforderungen und des leistungsbezogenen Entgelts transparent sein, Minderheiten und benachteiligte Gruppen integriert werden und Teilzeitkräfte die gleiche Behandlung erhalten wie Vollzeitkräfte; 3. Gesundheitsschutz und Sicherheit: Anwendung der europäischen Arbeitszeitrichtlinie auf Fach- und Führungskräfte, Vermeidung und Erörterung von Stressrisiken mit dem Arbeitgeber; 4. Verhaltenskodexe zur Regelung der Ausführung der Aufgaben von Fachund Führungskräften; 5. Mobilität: nur bei Arbeitnehmern, bei denen sie ein wirkliches Erfordernis darstellt, unter Einhaltung einer ausreichenden Benachrichtigungsfrist im Hinblick auf den Ortswechsel und die Anerkennung von Qualifikationen, insbesondere bei Entsendung ins Ausland; 6. Fortbildung,LaufbahnentwicklungundReorganisation:DerFortbildungsbedarf sollte regelmäßig überprüft werden, Beförderungsverfahren sollten klar und transparent sein; ist aufgrund neuer Kompetenzen oder Verantwortlichkeiten die Teilnahme an Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen erforderlich, so sollten die damit verbundenen Kosten vom Arbeitgeber getragen werden, und diese sollte zu einem Gehaltsanstieg führen; der Einsatz von Selbständigen sollte beschränkt werden; 7. Umwelt- und Technologiebewusstsein: Auswirkungen der Informations­ gesellschaft insbesondere auf die Privatsphäre und die Unantastbarkeit der Ruhezeiten; 8. Betriebsrentenansprüche: Fach- und Führungskräfte benötigen besondere Garantien in Bezug auf Rentenansprüche und ihre Übertragbarkeit auf andere europäische Länder. 2. Tarifvertragliche Deckungsrate und Trends Alle in der Privatwirtschaft beschäftigten Fach- und Führungskräfte verhandeln auf Unternehmensebene. Im öffentlichen Sektor, vor allem im Gesundheitswesen, verhandeln gewisse Fach- und Führungskräftegruppen auf nationaler Ebene. Es liegen keine Angaben über die tarifvertragliche Deckungsrate speziell für Fach- und Führungskräfte vor. 246 > IV. Arbeitskämpfe Das Vereinigte Königreich verzeichnet im Vergleich zu anderen EUMitgliedstaaten eine moderate Streikaktivität, die jedoch seit 2005 zunimmt. Die meisten Streiks werden im öffentlichen Sektor geführt und betreffen hauptsächlich Löhne und Gehälter. Fast alle Arbeitskämpfe im VK beruhen auf einer Urabstimmung, die auf Initiative der Gewerkschaften und unter Aufsicht einer unabhängigen Organisation, in der Regel der ERS (Electoral Reform Services) durchgeführt wird. In den letzten fünf Jahren ist die Zahl der Urabstimmungen gestiegen, 2006 waren es 1.341. Zur Gruppe der Fach- und Führungskräfte liegen keine spezifischen Angaben vor. [ Vereinigtes Königreich ] Lohn-/Gehalts- und Arbeitsbedingungen sind die wichtigsten Themen bei Tarifverhandlungen. Als Beispiel aus der letzten Zeit sei der Streik der Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes PCS erwähnt. Im Januar 2007 gab die Gewerkschaft öffentlich bekannt, dass ihre Mitglieder für einen Arbeitskampf gestimmt hatten, um gegen die anhaltende Drohung von Zwangsentlassungen, Standortverlagerungen und Auslagerungen in den Privatsektor zu protestieren und für menschenwürdige Renten, für die Bereitstellung angemessener Mittel für öffentliche Dienstleistungen und für ein gerechtes, landesweit geltendes Vergütungssystem einzutreten. Im Rahmen dieser Proteste fand am 31. Januar ein eintägiger Streik statt, auf den ein zweiwöchiges Überstundenverbot und weitere Einzelaktionen folgten. Nachdem die Arbeitgeber sich weiter weigerten, formale Verhandlungen aufzunehmen, um den Konflikt beizulegen, wurde am 1. Mai ein weiterer landesweiter Streik von einem Tag ausgerufen. Kennzeichnend für das System der Arbeitsbeziehungen ist auch die wachsende Bedeutung des formalen Systems für individuelle Beschwerdeverfahren. Die Zahl dieser Verfahren und der beim Arbeitsgericht anhängigen Fälle hat in den 90er Jahren erheblich zugenommen. Um diesen Trend umzukehren, wurden der Beratungs-, Schlichtungs- und Schiedsstelle (Advisory, Conciliation and Arbitration Service, ACAS) zu Beginn der Jahre 2000 per Gesetz neue Vermittlungs- und Schlichtungsaufgaben bei individuellen Fällen übertragen. ACAS, das wichtigste Schlichtungs- und Schiedsorgan, ist ein autonomes dreigliedriges Gremium, das durch Gesetz errichtet wurde und die Aufgabe hat, die Arbeitsbeziehungen zu verbessern. Die Schlichtung in individuellen Streitfällen bildet den größten Teil der Tätigkeiten der ACAS. 247 > V. Sozialer Dialog Die politische Konzertierung gehört nicht zur britischen Tradition der Arbeitsbeziehungen. Folglich gibt es auch keine Gremien für den dreigliedrigen sozialen Dialog über Fach- und Führungskräfte. 248 Anhang 249 [ Anhang 1 ] Arbeitsbedingungen von Fach- und Führungskräften Seit der Einführung der Lissabon-Strategie im Jahr 2000 lautete das gemeinsame Ziel Europas „der wettbewerbsfähigste und dynamischste wissensbasierte Wirtschaftsraum der Welt zu werden, der fähig ist, ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einem größeren sozialen Zusammenhalt zu erzielen“. Die Daten des Europäischen Wachstums- und Jobmonitors (2008, 5) zeigen, dass Europa seit der Unterzeichnung der Lissabon-Agenda 17 Mio. neue Arbeitsplätze geschaffen hat. Angesichts der weltweiten konjunkturellen Instabilität gestaltet sich die Erreichung die quantitativen Lissabon-Ziele1 innerhalb des vorgegebenen Zeitrahmens bis 2010 (z. B. Berkhout et al., 2009) zunehmend schwierig. Der qualitative Trend am europäischen Arbeitsmarkt zeigt andererseits eine steigende Nachfrage nach hochqualifizierten und innovativen Arbeitnehmern wie Fach- und Führungskräften (siehe z. B. Tessaring, 2008). Der Rat der europäischen Fach- und Führungskräfte (EUROCADRES) vertritt diese hochqualifizierten Arbeitnehmer im Rahmen des europäischen sozialen Dialogs. Die Anzahl der Fachkräfte ist in Europa im Steigen begriffen und die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen dieser Arbeitnehmergruppe sind für viele mit Arbeitsmarktfragen beschäftigen Akteuren von Interesse. Entlohnung und Arbeitszeiten zählen zu den wichtigsten und konkretesten Aspekten der Beschäftigungsbedingungen. Sie sind insbesondere für Führungskräfte und in gewissem Maß auch für akademische Fachkräfte von Bedeutung, da diese Arbeitnehmer oft gut bezahlte Stellen mit langen Arbeitszeiten einnehmen (siehe Eurofound, 2007, 67). Die Arbeitsplätze der Fach- und Führungskräfte sind meist nach dem Prinzip des „selbstbestimmten Lernens“ (gekennzeichnet durch ein hohes Maß an Autonomie, Problemlösungstechniken, Komplexität der Aufgaben und Selbstbewertung), aber auch nach dem Grundsatz der „schlanken Fertigung“ (mit einem hohen Maß an Teamarbeit, Bewertung der Arbeitsqualität, Just-in-time-Arbeit und vorgegebenem Arbeitstempo) organisiert (Valeyre et al., 2009). In Anbetracht 1 1) eine Gesamtbeschäftigungsquote von mindestens 70 %, 2) eine Frauenbeschäftigungsquote von zumindest 60 %, 3) eine Beschäftigungsquote von 50 % bei den älteren Arbeitskräften und 4) eine Gesamtarbeitslosenquote von höchstens 4 % 250 [ Anhang 1 ] ihrer Arbeitsbedingungen sind Autonomie am Arbeitsplatz, Arbeitsintensität, die (intrinsische) Qualität der Arbeit sowie Gesundheitsrisiken für diese Arbeitnehmer von ganz besonderer Bedeutung. Der Artikel enthält auch noch einen kurzen Überblick zum Thema Frauen in Führungspositionen in Europa, da die Geschlechtergleichstellung zu den Aktionsbereichen von EUROCADRES zählt und die Steigerung der Anzahl von Frauen in Führungsund Entscheidungspositionen im Rahmen der Gleichstellung von Frauen und Männern eines der vorrangigen Ziele der EU-Politik darstellt. Die folgende Analyse basiert auf der Vierten Europäischen Erhebung über die Arbeitsbedingungen (EWCS) und Daten der Arbeitskräfteerhebung (LFS).2 (LFS). Die Einstufung der Fach- und Führungskräfte als Arbeitnehmer der ISCO-Gruppe 1 (Angehörige gesetzgebender Körperschaften, leitende Verwaltungsbedienstete und Führungskräfte in der Privatwirtschaft) und gemäß der EUROCADRES-Norm der ISCO-Gruppe 2 (Wissenschaftler bzw. akademische Fachkräfte) beruht auf der Internationalen Standardklassifikation der Berufe (ISCO-88). Die beiden Gruppen werden in dieser Reihenfolge behandelt, zuerst ISCO 1 (Führungskräfte) und danach ISCO 2 (Wissenschaftler bzw. akademische Fachkräfte). Zu Vergleichszwecken werden in diesem Dokument auch andere Berufsgruppen3 behandelt. Fach- und Führungskräfte in Europa Unter den Arbeitnehmern, Arbeitgebern und Selbstständigen sind die zwei Berufsgruppen (Führungskräfte und akademische Fachkräfte) in unterschiedlichem Ausmaß vertreten, 6 % der Arbeitnehmer in der EU sind als Führungskräfte tätig. Führungskräfte sind jedoch häufiger unter den Arbeitgebern und Selbstständigen anzutreffen. Fast die Hälfte (46 %) der Arbeitgeber und auch 14 % der Selbstständigen zählen zu den Führungskräften. Für akademische Fachkräfte spielt der Beschäftigungsstatus nur eine untergeordnete Rolle und sie sind gleichermaßen in den drei Gruppen vertreten: 15 % der Arbeitnehmer wie auch Arbeitgeber und weitere 13 % der Selbstständigen zählen zu den 2 Für die Beschreibung der Lage der Fach- und Führungskräfte auf Länderebene wird die Arbeitskräfteerhebung herangezogen, da die Stichprobengröße im Vergleich zur EWCS umfangreicher ist. Die dafür verwendeten Daten decken mehr oder weniger denselben Zeitraum (3. Quartal 2005) ab, in dem auch die individuellen Befragungen für die EWCS durchgeführt wurden. 3 Techniker und gleichrangige nichttechnische Berufe, Bürokräfte, kaufmännische Angestellte, Dienstleistungsberufe, Verkäufer in Geschäften und auf Märkten, Fachkräfte in der Landwirtschaft und Fischerei, Handwerks- und verwandte Berufe, Anlagen- und Maschinenbediener bzw. Montierer sowie Hilfsarbeitskräfte 251 akademischen Fachkräften. Die gesamteuropäische Situation ist jedoch auch von nationalen Unterschieden geprägt. Im Vereinigten Königreich sowie in Estland und Irland liegt der Anteil der Führungskräfte unter den Arbeitnehmern zwischen 10 und 14 %, während der Prozentsatz in anderen Teilen Europas die 10-%-Marke unterschreitet. Der niedrigste Anteil (2 %) ist in den südeuropäischen Ländern (Griechenland, Spanien, Italien, Zypern und Portugal) zu verzeichnen. Im Gegensatz dazu ist der Anteil von Führungskräften unter den Arbeitgebern in den meisten Ländern hoch. Den höchsten Anteil (über 50 %) weisen die osteuropäischen Länder (Slowakei, Slowenien, Rumänien, Polen, Litauen, Lettland, Estland und Bulgarien) sowie Finnland, Portugal, Luxemburg, Spanien und Belgien auf. Zypern und Schweden heben sich mit Anteilen von nur 17 bzw. 24 % vom Rest ab. In vielen der neuen Mitgliedstaaten gibt es unter den Selbstständigen kaum Führungskräfte (5 % oder weniger in Polen, Ungarn, der Tschechischen Republik bzw. der Slowakei und selbst in Schweden). Irland kann den höchsten Anteil von Führungskräften in der Gruppe der Selbstständigen (44 %) für sich verbuchen, gefolgt von Luxemburg, Belgien und Dänemark (30 %). Der Anteil an akademischen Fachkräften unter den Arbeitnehmern ist mit rund 20 % in Luxemburg, Belgien und Litauen am höchsten. Die Prozentsätze liegen auch in den skandinavischen Ländern und den Niederlanden, Polen, Slowenien, Irland, Griechenland und Spanien über dem EU-Durchschnitt (14 %). In Italien und Österreich ist der Anteil mit unter 10 % am niedrigsten. Arbeitgeber sind viel seltener in der Gruppe der akademischen Fachkräfte als der der Führungskräfte zu finden. An der Spitze liegt Deutschland, wo 23 % der Arbeitgeber akademische Fachkräfte sind, gefolgt von der Tschechischen Republik, Frankreich und Luxemburg mit jeweils 17 %. Die geringsten Anteile (weniger als 10 %) an akademischen Fachkräften unter den Arbeitgebern sind in Süd- und Osteuropa (Portugal, Spanien, Italien, Bulgarien, Rumänien und Polen) sowie in Finnland anzutreffen. Akademische Fachkräfte sind in den Ländern Kontinentaleuropas wie Luxemburg, Niederlande und Deutschland wie auch in Schweden unter den Selbstständigen weit verbreitet (ca. 25 % der Arbeitnehmer). In Rumänien, Portugal, Polen und Slowenien (5 % oder weniger der Selbstständigen sind akademische Fachkräfte) sieht die Lage ganz anders aus. Neben den Länderdifferenzen ist die Tätigkeit als Fach- und Führungskraft auch zwischen Männern und Frauen ungleich verteilt. Die Geschlechtsunterschiede sind bei den Arbeitnehmern besonders ausgeprägt. In der EU zählen 7 % der männlichen Arbeitnehmer zur Gruppe der Führungskräfte. Der Anteil ist fast 252 [ Anhang 1 ] doppelt so hoch wie bei weiblichen Arbeitnehmern (4 %). Bei Arbeitgebern und Selbstständigen ergibt sich ein ausgeglicheneres Bild. In diesen Kategorien gibt es einen leichten Überhang an weiblichen Führungskräften. Arbeitgeber: 45 % Männer und 48 % Frauen; Selbstständige: 13 % Männer und 16 % Frauen. Unter den akademischen Fachkräften gibt es, unabhängig vom Beschäftigungsstatus, allgemein ein leichtes Übergewicht der Frauen (siehe Tabelle 1). Tabelle 1 Fach- und Führungskräfte in der EU-27 nach Geschlecht (%) Arbeitnehmer LAND ISCO 1 Arbeitgeber ISCO 2 ISCO 1 Selbstständig ISCO 2 ISCO 1 ISCO 2 Männer Frauen Männer Frauen Männer Frauen Männer Frauen Männer Frauen Männer Frauen EU27 7 4 13 15 45 48 13 16 13 16 12 16 BE 9 5 16 26 52 57 13 16 28 25 25 27 BG 4 3 8 17 79 68 na. na. na. na. 7 11 CZ 5 3 9 12 50 32 13 30 5 6 13 18 DK 7 2 17 15 40 28 17 26 30 30 13 28 DE 5 2 15 12 30 36 22 25 16 15 24 30 EE 15 8 11 18 81 na. na. na. na. na. na. na. IE 11 9 14 21 38 47 12 17 47 29 8 21 EL 2 1 13 20 51 49 10 21 23 27 10 16 ES 3 1 10 17 55 52 6 9 14 30 9 13 FR 7 5 14 12 38 38 14 28 21 31 13 18 IT 3 1 7 10 46 59 9 8 16 28 14 21 CY 3 1 12 15 17 na. 11 19 na. na. 8 17 LV 6 7 8 16 87 84 na. na. na. na. na. 17 LT 8 7 13 27 78 na. na. na. na. na. na. na. LU 5 1 21 21 73 77 17 na. 30 31 28 28 HU 7 5 10 16 40 29 9 15 4 4 12 18 MT 8 4 10 15 40 na. na. na. na. na. na. na. NL 9 4 17 19 47 41 17 13 27 18 25 28 AT 7 3 9 10 45 50 17 11 17 11 11 12 PL 6 4 12 26 65 60 6 8 1 1 4 6 PT 2 2 8 13 75 76 na. na. 17 15 4 3 253 Arbeitnehmer LAND ISCO 1 Arbeitgeber ISCO 2 ISCO 1 Selbstständig ISCO 2 ISCO 1 ISCO 2 Männer Frauen Männer Frauen Männer Frauen Männer Frauen Männer Frauen Männer Frauen RO 3 2 12 15 75 67 na. na. na. na. 1 na. SL 5 4 12 21 53 54 7 17 14 12 4 9 SK 6 4 8 14 57 43 11 20 5 6 9 21 FI 9 5 17 18 61 50 6 8 17 11 10 16 SE 5 3 18 20 25 22 13 15 4 6 23 30 UK 18 10 14 13 38 50 23 16 10 13 13 17 EWCS 2005 Der Großteil der Führungskräfte in der EU (79 %) ist in der Privatwirtschaft tätig und weitere 17 % arbeiten im öffentlichen Sektor. Akademische Fachkräfte sind mit 47 % im privaten und 45 % im öffentlichen Sektor fast gleichmäßig verteilt. Führungskräfte sind besonders häufig im Groß- und Einzelhandel (29 %) sowie im verarbeitenden Gewerbe und Bergbau (20 %) anzutreffen, während akademische Fachkräfte vor allem im Bildungs- und Gesundheitswesen (49 %) (siehe Abbildung 1: keine Balken bei unzureichenden Daten) konzentriert sind. Tabelle 1 – Fach- und führungskräfte in der EU-27 nach geschlecht (%) Energie- und Wasserversorgung Kreditinstitute und Versicherungen Hotel- und Gaststättengewerbe Grundstücks- und Wohnungswesen Andere Berufsgruppen ISCO 2 Landwirtschaft und Fischerei ISCO 1 Verkehr und Nachrichtenübermittlung Öffentliche Verwaltung und Verteidigung Baugewerbe EWCS 2005 Bildungs- und Gesundheitswesen Groß- und Einzelhandel Verarbeitendes Gewerbe und Bergbau 0 254 10 20 30 40 50 [ Anhang 1 ] Die drei Sektoren verarbeitendes Gewerbe und Bergbau, Groß- und Einzelhandel sowie Bildung und Gesundheit sind die Bereiche mit den meisten Erwerbstätigen. Führungskräfte sind im Groß- und Einzelhandel deutlich über dem EU-Durchschnitt vertreten, während akademische Fachkräfte im Bildungs- und Gesundheitswesen sowie im Immobiliensektor stark überrepräsentiert sind. Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen Die folgende Beschreibung der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen von Fach- und Führungskräften behandelt nur die Arbeitnehmer. Zweierlei Gründe sind dafür ausschlaggebend: Erstens variiert die kollektive Vertretung von Fachund Führungskräften unter den Arbeitgebern und Selbstständigen von Land zu Land und sie werden daher nicht immer von EUROCADRES vertreten. Zweitens sind Arbeitgeber, Selbstständige und Arbeitnehmer analytisch gesehen sehr unterschiedliche Gruppen mit unterschiedlichen Arbeitsumfeldern, was eine Differenzierung nach dem Status nahelegt. Um einen besseren Einblick in die Arbeitsbedingungen der Fach- und Führungskräfte zu gewähren, werden diese unter Berücksichtigung ihrer Position als Aufsichtspersonen oder Untergebene näher untersucht. 68 % der abhängig beschäftigten Führungskräfte und 21 % der abhängig beschäftigten akademischen Fachkräfte üben eine Aufsichtsfunktion aus. Bei den akademischen Fachkräften, die eine Aufsichtstätigkeit ausüben, ist eine klare Geschlechterdifferenz zu beobachten. Männer sind fast drei Mal stärker vertreten als Frauen (32 % Männer gegenüber 12 % Frauen). Weibliche und männliche Führungskräfte üben in gleichem Maße Aufsichtsfunktionen aus (jeweils 68 %). Weibliche und männliche Führungskräfte üben zwar in gleichem Maße Aufsichtsfunktionen aus, aber Männer scheinen einer höheren Führungsebene anzugehören, da sie mehr Untergebene haben als ihre Kolleginnen. Männliche Führungskräfte haben durchschnittlich 40 Untergebene, Frauen hingegen nur 12. Auch männliche Fachkräfte in Aufsichtsfunktionen haben durchschnittlich mehr Untergebene (23) als weibliche Fachkräfte (10).4 4 insichtlich der Aufsichtsfunktion werden nur Arbeitnehmer in Unternehmen mit mehr als einem Beschäftigten berücksichtigt. 255 Entlohnung und Arbeitszeit Bezüglich der Entlohnung steht außer Zweifel, dass Fach- und Führungskräfte zu den bestbezahlten Arbeitnehmern gehören. Bei der EWCS-Frage zum Entgelt wurden die Befragten gebeten, ihr Einkommen anhand einer 10-Punkte-Skala einzustufen.5 Führungskräfte verfügen über das höchste Einkommen. Sie befinden sich fast zur Gänze (86 %) wie auch mehr als drei Viertel (77 %) der akademischen Fachkräfte in der obersten Einkommensgruppe (siehe Abbildung 2). Hervorzuheben ist, dass bei den anderen Berufen ein relativer hoher Anteil (59 %) der in Handwerks- und verwandten Berufen tätigen Arbeitnehmer sowie der Anlagen- und Maschinenbediener (55 %) in der obersten Kategorie zu finden sind. In Berufen mit höheren Qualifikationsanforderungen wie Bürokräfte, kaufmännische Angestellte (46 %) sowie im Dienstleistungssektor tätige Arbeitnehmer und Verkäufer (37 %) sind vergleichsweise weniger Arbeitnehmer der obersten Einkommenskategorie zuzurechnen. Eine Erklärung liegt darin, dass es sich um mehrheitlich von Frauen ausgeübte Berufe handelt, was wiederum ein Indiz für eine bestehende Lohnschere zwischen Frauen und Männern ist (obwohl dies teilweise dadurch erklärbar ist, dass Frauen öfter Teilzeit arbeiten als Männer). Abbildung 2 – Einkommen aus dem Hauptberuf, Arbeitnehmer (%) Andere Berufsfgruppen Untere Hälfte Obere Hälfte ISCO 2 EF5 Wie hoch ist gegenwärtig im Durchschnitt Ihr monatliches NettoEinkommen aus Ihrem 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 EWCS 2005 ISCO 1 5 Zur Vereinfachung der Entgeltanalyse wurden die Ergebnisse grob in zwei Kategorien unterteilt: die obersten fünf und die untersten fünf Dezilen. Die ist auf methodische Einschränkungen zurückzuführen, da die gewählte Stichprobe eine eingehendere Analyse nicht zulässt. Einen Überblick über die EWCSBewertung der Entlohnung siehe Eurofound, 2007, 99. 256 [ Anhang 1 ] Höheres Einkommen ist oft mit längeren Arbeitszeiten verbunden. Die trifft insbesondere auf Führungskräfte zu, die zumeist gut bezahlt sind, aber die längsten Arbeitszeiten haben. Über ein Viertel von ihnen (28 %) arbeitet mehr als 48 Stunden pro Woche (definiert als „lange Arbeitszeit“) und weitere 17 % der Führungskräfte arbeiten zwischen 40 und 48 Wochenstunden (siehe Abbildung 3). Die Arbeitszeit steigt mit der Ausübung einer Aufsichtsfunktion markant an. Fachund Führungskräfte Arbeit arbeiten durchschnittlich 43 bzw. 35 Stunden pro Woche. In beiden Berufsgruppen erhöht die Ausübung einer Aufsichtsfunktion die Wochenarbeitszeit um 6 Stunden. Für Führungskräfte erhöht sich die Arbeitszeit von 39 (keine Aufsichtsfunktion) auf 45 Stunden (Aufsichtsfunktion) und für Fachkräfte von 34 (keine Aufsichtsfunktion) auf 40 Stunden (Aufsichtsfunktion). Abbildung 3 – Arbeitszeit, Arbeitnehmer (%) Andere Berufsgruppen ISCO 2 EWCS 2005 ISCO 1 30 Std. oder weniger 0 20 40 60 80 100 31-40 Std. 41-48 Std. Über 48 Std. Q8a Wie viele Stunden pro Woche arbeiten Sie normalerweise in Ihrem Hauptberuf? Das Verhältnis zwischen Arbeitszeit und Entlohnung ist für akademische Fachkräfte, die im Vergleich zu Führungskräften sehr unterschiedliche Arbeitszeiten haben, weniger evident. Knapp 8 % der akademischen Fachkräfte haben lange Arbeitszeiten (mehr als 48 Wochenstunden), während 29 % weniger als 30 Stunden pro Woche arbeiten. Es muss jedoch berücksich257 tigt werden, dass die Situation der Entlohnung nur sehr grob widergegeben ist und Führungskräfte mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit in der allerobersten Einkommenskategorie der zehn Dezilen zu finden sind, was die langen Arbeitszeiten in gewisser Weise kompensiert (siehe Eurofound, 2007, 8485). Dies wird auch durch die Einschätzung der Arbeitnehmer bezüglich der Angemessenheit ihrer Entlohnung bekräftigt. 65 % der Führungskräfte und fast die Hälfte der akademischen Fachkräfte (49 %) stimmen zu bzw. voll und ganz zu, dass sie für ihre Arbeit gut bezahlt sind, wobei der Anteil der zustimmenden Arbeitnehmer in anderen Berufsgruppen bei 41 % liegt (siehe Abbildung 4). Außerdem genießen sowohl Fach- als auch Führungskräfte im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern über größere Einkommenssicherheit, d. h., ihr Haushaltseinkommen ermöglicht ihnen ein gutes Auslangen (Van Gyes, 2005, 15-16). Abbildung 4 – Einschätzung der Entlohnung im Verhältnis zur Arbeit, Arbeitnehmer (%) Andere Berufsgruppen ISCO 2 Stimme überhaupt nicht zu ISCO 1 Stimme nicht zu Stimme weder zu noch nicht zu Stimme zu Stimme völlig zu 0 20 40 60 80 100 Q37 In welchem Maß stimmen Sie den folgenden Aussagen in Zusammenhang mit Ihrer Arbeit zu? B – Ich werde für meine Arbeit gut bezahlt. 258 [ Anhang 1 ] Autonomie am Arbeitsplatz, Arbeitsintensität, Art der Arbeit und gesundheitliche Folgen Führungskräfte mit meist langen Arbeitszeiten verfügen im Vergleich zu anderen Berufsgruppen über mehr Autonomie bei der Gestaltung ihrer Arbeitszeit: 19 % von ihnen können ihre Arbeitszeit im Vergleich zu 5 % der Arbeitnehmer in anderen Funktionen vollkommen selbst bestimmen. Die Arbeitszeitautonomie der akademischen Fachkräfte bewegt sich mehr im Bereich (ebenfalls relativ hochqualifizierter) anderer Tätigkeiten. Für Arbeitnehmer in gering qualifizierten Tätigkeiten sind Änderungen der Arbeitszeit meist nicht möglich. Abbildung 5 – Arbeitszeitautonomie, Arbeitnehmer (%) Andere Berufsgruppen Sie wird vom Unternehmen ohne Änderungsmöglichkeiten festgelegt. Man kann zwischen verschiedenen festen Arbeitszeitplänen auswählen. ISCO 2 Man kann die Arbeitszeit innerhalb eines gewissen Rahmens anpassen. Die Arbeitszeit kann vollständig individuell festgelegt werden. ISCO 1 EWCS 2005 0 20 40 60 80 100 Q17A Wie ist Ihre Arbeitszeit geregelt? Die Autonomie am Arbeitsplatz der Führungskräfte schließt auch ein, die Reihenfolge der Aufgaben, die Arbeitsmethoden und das Tempo oder die Einteilung der Arbeit frei wählen bzw. ändern zu können. Durchschnittlich ca. 60 % der Arbeitnehmer erklären, in diesen drei Belangen über Autonomie am 259 Arbeitsplatz zu verfügen. Führungskräfte bejahen dies zu 80 %. Auch akademische Fachkräfte verfügen über ein hohes Maß an Autonomie (80 %), insbesondere hinsichtlich Arbeitsmethoden und Tempo bzw. Einteilung der Arbeit. Im Vergleich zu den FFührungskräften haben sie weniger Autonomie, wenn es darum geht, die Reihenfolge der Aufgaben zu wählen oder zu ändern (83 % gegenüber 74 %). Das Maß an Autonomie steigt bei Ausübung einer Aufsichtsfunktion sowohl für Fach- als auch Führungskräfte markant an. Der Autonomiezugewinn bei Übernahme einer Aufsichtsfunktion ist bei Arbeitnehmern anderer Berufsgruppen sogar noch größer (siehe Abbildung 6). Abbildung 6 – Autonomie am Arbeitsplatz bezüglich der Wahl und Änderung der Reihenfolge der Aufgaben, der Arbeitsmethoden bzw. des Tempos oder der Einteilung der Arbeit, Arbeitnehmer (%) EWCS 2005 ISCO 1 - Vorgesetzte ISCO 1 - Untergeordnete ISCO 2 - Vorgesetzte ISCO 2 - Untergeordnete Andere Berufsgruppen Vorgesetzte Andere Berufsgruppen Untergeordnete Reihenfolge der Aufgaben Arbeitsmethoden Arbeitstempo/-rhythmus Q24 Können Sie sich Folgendes aussuchen bzw. ändern oder nicht? A - Reihenfolge Ihrer Aufgaben; B - das Vorgehen bei der Erledigung einer Aufgabe; C - Ihr Arbeitstempo oder Ihren Arbeitsrhythmus Für 43 % der europäischen Arbeitnehmer ist das Arbeitstempo von numerischen Produktions- oder Leistungszielen abhängig. In Handwerks- und verwandten Berufen tätige Arbeitnehmer sowie Anlagen- und Maschinenbediener weisen die höchsten Werte auf (59 bzw. 58 %). Die Situation der Fach- und 260 [ Anhang 1 ] Führungskräfte hebt sich deutlich ab. 56 % der Führungskräfte geben an, dass ihr Arbeitstempo von Zielvorgaben abhängt. Bei den akademischen Führungskräften sind es hingegen nur 43 % (was dem EU-Durchschnitt entspricht). Produktions- oder Leistungsziele sind bei den im Dienstleistungssektor tätigen Arbeitnehmern und Verkäufern (30 %), den Bürokräften und kaufmännischen Angestellten (34 %) sowie den Hilfsarbeitskräften (35 %) am wenigsten verbreitet. Besonders verbreitet ist die Abhängigkeit des Arbeitstempos von Zielvorgaben, wenn der Arbeitnehmer eine Aufsichtsfunktion innehat. 61 % der Führungskräfte bzw. 60 % der akademischen Fachkräfte mit Aufsichtsfunktion bestätigen, dass sie Zielvorgaben bezüglich der Arbeit haben. Vor allem für akademische Fachkräfte ist mit der Aufsichtsfunktion eine markante Änderung der Arbeitsweise, ein Anstieg um 17 Prozentpunkte, verbunden. Ein Distinktionsmerkmal zwischen den Fach- und Führungskräften einerseits und anderen Berufsgruppen anderseits sind die Arbeitsanforderungen. Sie machen für Fach- und Führungskräfte nicht an den Unternehmenstoren halt. Mehr als ein Viertel (26 %) der Führungskräfte und beinahe ein Fünftel (17 %) der akademischen Fachkräfte, im Vergleich zu 9 % der Arbeitnehmer in anderen Tätigkeiten, geben an, dass sie zumindest einmal pro Woche außerhalb der normalen Arbeitszeiten beruflich kontaktiert werden. Ganze 30 bzw. 29 % der Fach- und Führungskräfte mit Aufsichtsfunktion werden zumindest ein Mal wöchentlich kontaktiert. Arbeitsintensität, hohes Arbeitstempo und Termindruck haben seit den 1990er Jahren in den EU-Ländern zugenommen („Die Arbeitsbedingungen in der EU in den vergangenen fünfzehn Jahren: Auswertung der Trends“, 2007). Die Arbeitsintensität ist in bestimmten Tätigkeiten jedoch viel höher als in anderen. Vor allem Führungskräfte, aber auch Anlagen- und Maschinenbediener sowie in Handwerks- und verwandten Berufen tätige Arbeitnehmer müssen andauernd ein hohes Arbeitstempo einhalten (16 % der Anlagen- und Maschinenbediener bzw. 14 % der in Handwerks- und verwandten Berufen tätigen Arbeitnehmer, im Vergleich zu 11 % im EUDurchschnitt). Führungskräfte sind eindeutig am meisten von Termindruck betroffen. Beinahe ein Viertel (24 %) von ihnen gibt an, ständig unter Termindruck zu stehen. Auch 19 % der Anlagen- und Maschinenbediener erklären, ständig unter Termindruck zu stehen, in anderen Berufen ist dies jedoch weniger verbreitet. Der EU-Durchschnitt liegt bei 13 %. Akademische Fachkräfte liegen, was die Arbeitsintensität betrifft, sowohl hinsichtlich des hohen Arbeitstempos (nur 6 %) als auch des ständigen Termindrucks (11 %) klar unter dem EU-Durchschnitt. 261 Am anderen Ende der Skala, am oberen Ende, erklären 27 % der Hilfsarbeitskräfte aber auch 26 % der Fach- und Führungskräfte, dass sie nie ein sehr hohes Arbeitstempo einhalten müssen (im Vergleich zum EUDurchschnitt von 22 %). Dies zeigt, dass in Führungspositionen beträchtliche Unterschiede hinsichtlich des Arbeitstempos bestehen. Ferner haben 31 % der Hilfsarbeitskräfte und 28 % der im Dienstleistungssektor tätigen Arbeitnehmer und Verkäufer niemals Termindruck und liegen damit an der Spitze. Der Anteil von Fach- und Führungskräften liegt hingegen unter dem EU-Durchschnitt (13 %) bzw. entspricht diesem (19 %). Der Zusammenhang zwischen Arbeitsintensität (definiert als hohes Arbeitstempo und/oder Termindruck) und der Ausübung einer Aufsichtsfunktion ist nicht von der Hand zu weisen: Aufsichtspersonen geben an, viel öfter als Untergebene unter Termindruck und mit hohem Tempo arbeiten zu müssen. Dieser Zusammenhang ist bei Fach- und Führungskräften auch stärker ausgeprägt als bei anderen Berufsgruppen (siehe Abbildung 7). Auch hier trifft scheinbar zu, dass sich die Arbeitsbedingungen von Fach- und Führungskräften einander angleichen, wenn der Arbeitnehmer eine Aufsichtsfunktion innehat. Abbildung 7 – Hohes Arbeitstempo und Termindruck, Arbeitnehmer (%) Andere Berufsgruppen - Untergebene Andere Berufsgruppen - Vorgesetzte ISCO 2-Untergebene ISCO 2 - Vorgesetzte ISCO 1 - Vorgesetzte Q20B Und schließt Ihre Arbeit auch mit ein ...? A – Ein hohes Arbeitstempo B – Einhalten von knappen Terminen 262 0 10 20 30 40 Termindruck - die ganze Zeit/fast die ganze Zeit Hohes Arbeitstempo - die ganze Zeit/fast die ganze Zeit EWCS 2005 ISCO 1 - Untergebene 50 [ Anhang 1 ] Fach- und Fachkräfte erklären häufiger als andere Arbeitnehmer, dass sie selten genug Zeit zur Erledigung einer Aufgabe haben (20 % der Führungskräfte und 16 % der akademischen Fachkräfte, im Vergleich zu 12 % der Arbeitnehmer in anderen Berufsgruppen). Der Zeitdruck ist bei Arbeitnehmern mit Aufsichtsfunktion eindeutig stärker ausgeprägt. 26 % der Führungskräfte und 18 % der akademischen Fachkräfte mit Aufsichtstätigkeit erklären, selten genug Zeit zu haben, die Arbeit zu erledigen. Neben der hohen Arbeitsintensität sind Führungskräfte öfter als Arbeitnehmer in anderen Tätigkeiten von Unterbrechungen betroffen. 30 % der Führungskräfte geben an, sehr oft unvorhergesehene Aufgaben übernehmen zu müssen. Dies ist doppelt so viel wie in anderen Berufsgruppen (für akademische Fachkräfte liegt der Prozentsatz bei 16 % und für Arbeitnehmer in anderen Tätigkeiten bei 12 %).6 Bezüglich der positiven Aspekte der Arbeitsbedingungen und der intrinsischen Qualität der Arbeit ist die überwiegende Mehrzahl der Fach- und Führungskräfte der Auffassung, dass ihre Tätigkeit sowohl für sie selbst als auch eine breitere Öffentlichkeit bereichernd ist. Mehr als 70 % der Fach- und Führungskräfte geben an, dass sie die Möglichkeit haben, das zu tun, was sie am besten können, dass sie das Gefühl haben, gute Arbeit zu leisten, ihre eigenen Ideen bei Arbeit umsetzen zu können bzw. sinnvolle Arbeit zu verrichten (siehe Abbildung 8). Das Gefühl gute bzw. nützliche Arbeit geleistet zu haben, ist bei Arbeitnehmern aller Berufe verbreitet anzutreffen, was jedoch die zwei anderen Aspekte anbelangt (die Chance, das zu tun, was man am besten kann, und seine eigenen Ideen in die Arbeit einzubringen), bestehen beträchtliche Unterschiede zwischen den Berufsgruppen. Beispielsweise unter Hilfsarbeitskräften, Bürokräften und kaufmännischen Angestellten sowie Anlagen- und Maschinenbedienern sind sie weniger verbreitet. In einer langfristigen Arbeitsperspektive besteht bezüglich der beruflichen Entwicklung ein Zusammenhang zwischen dem Qualifikationsniveau der Tätigkeiten und der Angst vor Arbeitsplatzverlust einerseits und den beruflichen Aufstiegschancen anderseits, wobei die Bedingungen für Arbeitnehmer in hochqualifizierten Tätigkeiten (wie Fach- und Führungskräfte) diesbezüglich günstiger sind als die anderer Arbeitnehmer. Fach- und Führungskräfte haben überwiegend keine Arbeitsplatzängste (knapp über 80 % von ihnen stimmen der Aussage „Ich könnte meine Arbeit in den nächsten 6 Monaten verlieren“ nicht zu, gegenüber 69 % der Arbeitnehmer in anderen Tätigkeiten). Mehr als die Hälfte der Führungskräfte (51 %) und 44 % der akademischen Fachkräfte 6 33 % der Arbeitnehmer, die mit Unterbrechungen konfrontiert sind, betrachten diese als störend. 263 stimmen zu, dass ihre Arbeit gute Karrierechancen bietet, Arbeitnehmer in anderen Tätigkeiten nur zu 27 % (siehe Abbildung 9). Darüber hinaus haben Fach- und Führungskräfte mehr Möglichkeiten als andere Arbeitnehmer ihre Qualifikationen zu verbessern, da die Hälfte der Führungskräfte und 44 % der akademischen Fachkräfte in den letzten 12 Monaten auf Arbeitgeberkosten an Weiterbildungsmaßnahmen teilgenommen. Für Arbeitnehmer in anderen Berufsgruppen sind es bescheidene 25 %. Abbildung 8 – Bereiche der intrinsischen Qualität der Arbeit, Arbeitnehmer (%) 100 90 80 70 60 50 40 30 EWCS 2005 20 10 0 Möglichkeit, das zu tun, was man am besten kann (immer/häufig) Gefühl, gute Arbeit zu leisten (immer/häufig) Möglichkeit, bei der Arbeit eigene Ideen umzusetzen (immer/häufig) Gefühl, sinnvolle Arbeit zu verrichten (immer/häufig) ISCO 1 ISCO 2 Andere Berufsgruppen Q25 Bitte wählen Sie für jede der folgenden Aussagen die Antwort aus, die Ihre Arbeitssituation am besten beschreibt. H - ... bei der Arbeit haben Sie die Möglichkeit, das zu tun, was Sie am besten können; I - ... Ihre Tätigkeit gibt Ihnen das Gefühl, gute Arbeit geleistet zu haben; J - Sie können ihre eigenen Ideen in die Arbeit einbringen; K -... Sie können bei Ihrer Arbeit Ihre eigenen Ideen umsetzen. 264 [ Anhang 1 ] Abbildung 9 – Arbeitsplatz- und Karriereaussichten, Arbeitnehmer (%) Andere Berufsgruppen Meine Arbeit bietet gute Karrierechancen (stimme zu) Ich könnte meine Arbeit in den nächsten 6 Monaten verlieren (stimme nicht zu) ISCO 2 EWCS 2005 ISCO 1 0 20 40 60 80 100 Q37 In welchem Maß stimmen Sie den folgenden Aussagen in Zusammenhang mit Ihrer Arbeit zu? A - Ich könnte meine Arbeit in den nächsten 6 Monaten verlieren; C - Meine Arbeit bietet gute Karrierechancen. Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz ist ein weiterer wichtiger Aspekt der Arbeitsbedingungen (wenn nicht der wichtigste). 34 % der europäischen Arbeitnehmer geben an, dass sich die Arbeit negativ auf ihre Gesundheit auswirkt. Fach- und Führungskräfte liegen unter dem Durchschnitt, sie berichten jeweils zu 32 % von Auswirkungen auf die Gesundheit. Der Anteil ist bei den Fachkräften in der Landwirtschaft und Fischerei (58 %) am höchsten, gefolgt von den Anlagen- und Maschinenbedienern (49 %) und den in Handwerksund verwandten Berufen tätigen Arbeitnehmern (47 %), die oft körperlich anstrengende Tätigkeiten ausüben. Auch klagen Untergebene häufiger über berufsbedingte Gesundheitsprobleme als Aufsichtspersonen (Führungskräfte: 31 % der Aufsichtspersonen gegenüber 36 % der Untergebenen; akademische Fachkräfte: 26 % der Aufsichtspersonen gegenüber 34 % der Untergebenen). Die Arbeit der Fach- und Führungskräfte ist körperlich weniger anspruchsvoll als für viele andere Berufsgruppen. In den zwei Berufsgruppen sind eher 265 psychisch bedingte Gesundheitsprobleme (Angstgefühle, Schlafstörungen, Reizbarkeit, Magenschmerzen) verbreitet (Eurofound, 2007, 62-64). Inwiefern beeinflussen die verschiedenen positiven und negativen Aspekte der Arbeit die subjektive Zufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen im Allgemeinen? Der Löwenanteil der Arbeitnehmer in der EU (83 %) ist mit ihren Arbeitsbedingungen zufrieden. Fach- und Führungskräfte sind öfter mit ihren Arbeitsbedingungen zufrieden als Arbeitnehmer anderer Berufsgruppen (siehe Abbildung 10). Auch bei Personen mit Aufsichtsfunktion ist eine positive Wahrnehmung weiter verbreitet als bei Untergebenen. Die Führungskräfte (88 %) und akademischen Fachkräfte (94 %) mit Aufsichtsfunktion sind in hohem Maße mit ihren Arbeitsbedingungen zufrieden. Abbildung 10 – Zufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen, Arbeitnehmer (%) Andere Berufsgruppen Positive Einschätzung Negative Einschätzung ISCO 2 EWCS 2005 ISCO 1 0 20 40 60 80 100 Q36 Alles in allem gesehen: Sind Sie mit den Arbeitsbedingungen in Ihrem Hauptberuf sehr zufrieden, zufrieden, nicht sehr zufrieden oder überhaupt nicht zufrieden? Wenn die Arbeit in dem individuellen Lebenskontext betrachtet und nach der Vereinbarkeit der Arbeitszeiten mit den familiären und sozialen Verpflichtungen gefragt wird, bewerten 81 % der europäischen Arbeitnehmer 266 [ Anhang 1 ] diese als gut. Führungskräften äußern sich hierzu öfter negativ als akademische Fachkräfte wie auch Arbeitnehmer anderer Berufsgruppen (22 % der Führungskräfte und 15 % der akademischen Fachkräfte schätzen dies negativ ein) (siehe Abbildung 11). Abbildung 11 – Vereinbarkeit von Arbeitszeit mit familiären und sozialen Verpflichtungen, Arbeitnehmer (%) Andere Berufsgruppen Positive Einschätzung Negative Einschätzung ISCO 2 EWCS 2005 ISCO 1 0 20 40 60 80 100 Q18 Wie gut lassen sich Ihre Arbeitszeiten im Allgemeinen mit Ihren familiären oder sozialen Verpflichtungen außerhalb des Berufs vereinbaren: sehr gut, gut, nicht sehr gut oder überhaupt nicht gut? Die Ausübung einer Aufsichtsfunktion führt zu Belastungen für das Familienund soziale Leben. 74 % der Führungskräfte und 80 % der akademischen Fachkräfte mit Aufsichtsfunktion die schätzen die Vereinbarkeit von Arbeitszeiten mit familiären und gesellschaftlichen Verpflichtungen positiv ein, ohne Aufsichtsfunktion sind es jeweils 86 % in beiden Gruppen. Es ist nicht überraschend, dass Arbeitnehmer mit langen Arbeitszeiten wie Führungskräfte oft angeben, dass die Arbeitszeiten nicht mit den Verpflichtungen außerhalb der Arbeit vereinbar sind. Diese Angelegenheit darf jedoch nicht nur vom individuellen Standpunkt aus betrachtet werden, da die Vereinbarkeit für Familien auch von der Haushaltszusammensetzung (z. B. ob es Kinder und 267 ältere Menschen im Haushalt gibt und ob mehrere Erwachsene erwerbstätig sind oder einige nur Teilzeit arbeiten) abhängt. Es sind meist Frauen, die ihre Arbeitszeit anpassen, um ihren Betreuungsverpflichtungen für Kinder und ältere Menschen nachkommen zu können (Anxo et al., 2006, 75). Geschlechterperspektive bezüglich der leitenden Angestellten Im Rahmen der Lissabon-Ziele für mehr und bessere Arbeitsplätze konnte die Frauenerwerbsquote gesteigert werden und das Ziel (Beschäftigungsquote von 60 %) ist noch erreichbar, aber die geschlechtsspezifischen Unterschiede bezüglich der Qualität der Arbeitsplätze von Männern und Frauen bestehen weiterhin (Europäische Kommission, 2009). Außerdem sind mehr Frauen als Männer direkt von Teilzeitarbeit und Geschlechtertrennung auf dem europäischen Arbeitsmarkt betroffen. Sie sind mit horizontaler wie auch vertikaler Segregation konfrontiert: Einerseits arbeiten Männer in unterschiedlichen Arten von Jobs und Sektoren und andererseits sind Frauen in den höheren Führungspositionen und besser bezahlten Stellen unterrepräsentiert (Eurofound, 2007, 11-14). Wie bereits weiter oben dargelegt ist die Segregation bei Führungspositionen weit verbreitet. Unter den akademischen Fachkräften hingegen sind Frauen und Männer fast zu gleichen Teilen vertreten, daher werden hier schwerpunktmäßig die Führungskräfte behandelt. In der Arbeitswelt bestehende strukturelle Hindernisse (die gläserne Decke) erschweren Frauen den Zugang in die oberen Führungsetagen. Frauen könnten mit einer männlich dominierten Sphäre, fehlendem Mentoring oder Stereotypen konfrontiert sein, um nur einige zu nennen (Lyness & Thompson, 2006, 87-88). Die oft strapazierte Metapher der gläsernen Decke lässt jedoch außer Betracht, dass arbeitende Frauen auf jeder Stufe ihrer beruflichen Laufbahn und nicht nur beim Wechsel vom mittleren Management in die Top-Führungsebene vor Herausforderungen stehen (Eagly & Carli, 2007). In der EU zählen nur 4 % der weiblichen Arbeitnehmer zur Gruppe der Führungskräfte, im Vergleich zu 7 % der männlichen Arbeitnehmer. Bei den Anteilen gibt es zwar ausgeprägte Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern, aber mit Ausnahme von Lettland sind in allen Staaten unter den Führungskräften die Männer in der Überzahl (siehe Abbildung 12). Die größten geschlechtsspezifischen Unterschiede gibt es in Zypern, Luxemburg, 268 [ Anhang 1 ] den Niederlanden, Österreich, Deutschland, Italien und Spanien. In diesen Ländern ist der Frauenanteil in Führungspositionen nicht einmal halb so hoch wie der von Männern. Abbildung 12 – ISCO 1 nach Land und Geschlecht, Arbeitnehmer (%) Führungspositionen sind fest in männlicher Hand, in dieser Berufsgruppe stehen 70 % Männer einem Frauenanteil von 30 % gegenüber. Der 20 18 16 Männer 14 Frauen 12 10 8 6 LFS 3/2005 4 CY IT EL ES PT LU DE RO AT DK SE CZ BG PL SK NL SI EU 27 FI MT HU LT BE LV IE EE 0 UK 2 Stichprobenumfang der EWCS lässt keine detaillierte Analyse der Geschlechtersegregation bezüglich der Sektoren zu, in denen männliche und weibliche Führungskräfte arbeiten. Der Beweis kann jedoch auf indirekte Weise angetreten werden, da Frauen mit Aufsichtsfunktion (unabhängig von ihrer Tätigkeit, selbst wenn dies vor allem auf Führungskräfte zutrifft) geballt in bestimmten Sektoren anzutreffen sind, die traditionell den Frauen zugedacht sind (in Sozialberufen) und auch ihre Untergebenen zumeist Frauen sind (Lyly-Yrjänäinen & Fernándes Macías, 2009). Wie werden Männer und Frauen zu Führungskräften? Bildung ist ein maßgeblicher Faktor für den beruflichen Aufstieg. Fast die Hälfte der Führungskräfte (48 %) verfügt über ein höheres Bildungsniveau.7 Ein Hochschulabschluss und das Erreichen einer Führungsposition benötigen jedoch eine gewisse 7 Höheres Bildungsniveau = ISCED 5 und 6 (Tertiärbereich) 269 Zeit, daher ist es auch nicht verwunderlich, dass kaum 3 % der Arbeitnehmer zwischen 15 und 29 Jahren Führungskräfte sind. In der nächsten Altersgruppe (30-49 Jahre) steigt der Männeranteil stärker an als der von Frauen: 7 % der Männer dieser Gruppe arbeiten als Führungskräfte, hingegen nur 4 % der Frauen. Die geschlechtsspezifischen Unterschiede nehmen bei den über 50-Jährigen weiter zu und der Frauenanteil unter den Führungskräften bleibt gegenüber der vorherigen Altersgruppe unverändert (siehe Abbildung 13). Abbildung 13 – ISCO 1 nach Altersgruppe und Geschlecht, Arbeitnehmer (%) 14 12 10 Männlich weiblich 8 6 EWCS 2005 4 2 0 15-29 30-49 50+ Die traditionelle Teilung der Arbeitswelt (mit Frauen im privaten und Männern im öffentlichen Bereich) spiegelt sich klar in den Beschäftigungsraten wider. Die Erwerbsquote von Männern liegt über der von Frauen. Aber auch bezüglich der beruflichen Laufbahn gibt es Unterschiede zwischen Frauen und Männern. Ein Beispiel: Arbeitnehmer im Alter zwischen 30 bis 49 Jahren haben ihre Ausbildung gewöhnlich abgeschlossen und die Halbzeit ihres Arbeitslebens hinter sich gebracht, aber dies ist auch das Alter, in dem Kinder zu betreuen sind. Vorwiegend Frauen sind es nämlich Frauen, die in dieser Lebensphase Anpassungen bezüglich des Berufs- und Familienlebens Anpassungen vornehmen und die Entscheidung für eine Familie bringt für Frauen folglich karriere- und einkommensmäßige Nachteile (Anxo et al., 2006, 76). Die Tatsache, dass Führungskräfte (und Arbeitnehmer mit Aufsichtsfunktion) oft lange Arbeitszeiten haben und zuweilen auch Arbeit mit nach Hause nehmen müssen, könnte Frauen mit Familien davon abhalten, ein Aufstieg in die obersten Führungsebenen anzustreben. 270 Ein Fünftel der Arbeitnehmer in Europa zählt zu der Gruppe der Fach- und Führungskräfte. Bei den Arbeitsbedingungen der Fach- und Führungskräfte sind beträchtliche Unterschiede festzustellen, so haben Führungskräfte im Vergleich zu den akademischen Fachkräften z. B. längere Arbeitszeiten und eine höhere Arbeitsintensität. Bei Fach- und Führungskräften, die eine Aufsichtsfunktion ausüben, nähern sich die Arbeitsbedingungen jedoch einander an. Die Ausübung einer Aufsichtsfunktion ist mit langer Arbeitszeit verbunden und außerdem verschwimmen in beiden Berufsgruppen oft die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit, insbesondere wenn die Person Untergebene hat. [ Anhang 1 ] Schlussfolgerungen Arbeitsbelastung und -intensität sowie lange/unsoziale Arbeitszeiten sind der geforderten Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben besonders abträglich und so scheint es, dass der mit der „wissensbasierten“ Wirtschaft verbundene Qualifizierungstrend den Konflikt zwischen Beruf und Familie weiter verschärfen wird (Gallie & Russell, 2009). Auch wenn Arbeitnehmer in hochqualifizierten Tätigkeiten noch eher als andere bei den Arbeitszeitregelungen ein Wörtchen mitzureden haben, ist der Unterschied bei Männern stärker ausgeprägt als bei Frauen (Hardarson, 2007, 4). Aus der Perspektive der Geschlechtergleichstellung könnten Konflikte zwischen Berufs- und Privatleben zu einer Unterrepräsentation von Frauen in den obersten Führungsebenen führen, da sich Frauen zumeist auf Kosten des beruflichen Aufstiegs - insbesondere wenn dieser mit längeren Arbeitszeiten verbunden wäre - den Anforderungen der Familie anpassen. Im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern sind Fach- und Führungskräfte zwar größerem Zeitdruck ausgesetzt, aber dank des hohen Grades an Arbeitsplatzautonomie können sie die Anforderungen bewältigen. Mehr Autonomie gepaart mit geringerer Exposition gegenüber körperlichen Belastungen (z. B. Eurofound, 2007, 32) führt dazu, dass Fach- und Führungskräfte in geringerem Ausmaß als Arbeitnehmer anderer Berufsgruppen über berufsbedingte Gesundheitsfolgen klagen. Das allgemein positive Bild der Arbeitsbedingungen der Fach- und Führungskräfte (diese Arbeitnehmer sind oft mit ihren Arbeitsbedingungen zufrieden) könnte darauf hinweisen, dass ein Aspekt der Gesundheit, bei dem Fach- und Führungskräfte schlechter dastehen als andere, d. h. psychische Probleme übersehen werden könnten. Diese sind vor allem unter den Fach- und Führungskräften häufig anzutreffen und die Risikofaktoren im Zusammenhang mit psychischen Folgeschäden müssen bei der Behandlung der Arbeitsbedingungen berücksichtigt werden Arbeitsbedingungen der Fach- und Führungskräfte berücksichtigt werden. 271 Quellenverzeichnis >> Anxo, D., Boulin, J-Y., Fagan, C., Cebrián, I., Keuzenkamp, S., Klammer, U., Klenner, C., Moreno, G. & Toharía, L. ‘Working time options over the life course: New work patterns and company strategies’. Luxemburg, Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, 2006. >> E. Berkhout, E. van den Berg, B. Hof und J. Theeuwes, ‘Drivers of participation. Facts, figures & policy issues affecting the labor market’. Amsterdam, SEO Economic Research, 2009. >> A.H. Eagly und L.L. Carli, ‘Women and the labyrinth of leadership’. Harvard Business Review, September 2007, S. 62-71. >> Eurofound, Die Arbeitsbedingungen in der EU in den vergangenen fünfzehn Jahren, Zusammenfassung, Luxemburg, Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, 2007. >> Eurofound, Vierte Europäische Erhebung über die Arbeitsbedingungen 2005, Luxemburg, Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, 2007. >> Europäische Kommission, ‘Gleichstellung von Frauen und Männern – 2009‘. KOM(2009) 77. Brüssel, Europäische Kommission, 2009. >> Europäischer Wachstums- und Jobmonitor 2008. ‘Indicators for Success in the Knowledge Economy’. Lisbon Council, 2008. >> D. Gallie und H. Russell, ‘Work-family conflict and working conditions in Western Europe’. Social Indicators Research, DOI: 10.1007/s11205-0089435-0, Springer, 2009. >> O. Hardarson, ‘Flexible Arbeitszeitgestaltung bei Frauen und Männern’. Statistik kurz gefasst 96/2007, Eurostat, 2007. >> M. Lyly-Yrjänäinen und E. Fernándes Macías, ‘Women managers and hierarchical structures in working life’. Bericht, Dublin, Eurofound, 2009. >> K.S. Lyness und D.E. Thompson, ‘Climbing corporate ladder: Do female and male executives follow the same route?’. Journal of Applied Psychology, Bd. 85, Nr. 1, 2000, S. 86-101. >> M. Tessaring, ‘Towards knowledge-based societies: indicators of European competitiveness’. In Modernising vocational education and training. Fourth report on vocational education and training research in Europe: background report. Volume 3, Cedefop, 2008. 272 >> G. Van Gyes, ‘Fach- und Führungskräfte in Europa: Arbeitsmarktposition und Gewerkschaftswesen’. In Mitgliederwerbung und Organisation von Fach- und Führungskräften, Eurocadres, 2005. [ Anhang 1 ] >> A. Valeyre, E. Lorenz, D. Cartron, P. Csizmadia, M. Gollac, M. Illéssy und C. Makó, ‘Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union: Die Arbeitsorganisation’. Bericht, Dublin, Eurofound, 2009. 273 [ Anhang 2 ] Europäische Daten zu Fach- und Führungskräften Weibliche Fach- und Führungskräfte in Europa Prozentualer Anteil von Frauen und Männern: CITP 1 CITP 2 Fach- und Führungskräfte (ISCO 1 & 2) Prozentualer Anteil von Frauen 34,2 50,8 45,9 Prozentualer Anteil von Männern 65,8 49,2 54,1 Quelle: EUROCADRES 2009; Daten: EUROSTAT, Arbeitskräfteerhebung 2007. Prozentualer Anteil von Frauen 274 ISCO 1 ISCO 2 Fach- und Führungskräfte (ISCO 1 & 2) Belgien 36,8 59,4 53,6 Bulgarien 37,9 67,3 60,2 Tschechische Republik 34,2 54,8 48,0 Dänemark 29,8 44,6 40,6 Deutschland 28,2 41,1 38,5 Estland 37,4 71,5 56,9 Irland 43,6 59,0 53,6 Griechenland 26,4 51,7 48,9 Spanien 26,7 55,2 50,7 Frankreich 39,8 45,0 43,4 Italien 24,0 50,4 45,4 Zypern 20,9 53,0 48,2 47,5 67,5 61,3 Litauen 41,8 69,1 61,1 46,9 41,4 Luxemburg Ungarn 40,5 58,5 53,0 Malta 22,1 47,9 39,2 Niederlande 28,5 49,0 43,3 Österreich 22,8 48,6 39,4 Polen 40,0 66,5 60,9 Portugal 31,4 58,2 53,5 Rumänien 33,5 51,1 48,4 Slowenien 37,9 61,4 56,5 Slowakei 33,9 61,6 53,2 Finnland 32,6 51,0 45,9 Schweden 35,0 52,8 49,5 Vereinigtes Königreich 35,2 46,5 40,7 Europaïsche Union 34,2 50,8 45,9 Kroatien 30,0 56,1 53,0 Norwegen 32,0 47,4 42,3 Türkei 16,0 39,9 32,9 [ Anhang 2 ] Lettland Source : EUROCADRES 2009, données EUROSTAT, Enquête sur les forces de travail 2007 Frauen in Entscheidungspositionen in europäischen Unternehmen Prozentualer Anteil von Frauen in Entscheidungspositionen in den höchsten Entscheidungsorganen der größten börsennotierten Unternehmen Mitglied Präsident Belgien 7 0 Bulgarien 12 17 Tschechische Republik 13 15 Dänemark 17 0 Deutschland 13 0 275 Estland 8 6 Irland 7 5 Griechenland 6 0 Spanien 8 0 Frankreich 9 0 Italien 4 5 Zypern 3 0 Lettland 16 3 Litauen 16 3 Luxemburg 3 0 Ungarn 16 0 Malta 4 6 Niederlande 14 0 Österreich 6 0 Polen 10 11 Portugal 3 0 Rumänien 12 8 Slowenien 18 0 Slowakei 18 10 Finnland 20 4 Schweden 27 0 Vereinigtes Königreich 12 0 Europaïsche Union 11 3 Kroatien 12 5 Norwegen 41 11 Türkei 9 7 Quelle: EUROCADRES 2009; Daten: Europäische Kommission, DG EMPL, Datenbank „Frauen und Männer in Entscheidungsprozessen“, 2009 276 [ Anhang 2 ] Frauen in Entscheidungspositionen in den europäischen Sozialpartnerorganisationen Anteil der weiblichen Mitglieder der höchsten Entscheidungsorgane im europäischen branchenübergreifenden sozialen Dialog 2004 und 2007 BUSINESSEUROPE CEEP UEAPME Average (Employers) Employers’organisations Trade union organisations ETUC Eurocadres CEC Average (Trade unions) 0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% Quelle: Bericht „Frauen und Männer in Entscheidungspositionen 2007» Europäische Kommission, GD EMPL, Datenbank „Frauen und Männer in Entscheidungsprozessen“. Arbeitslosenquoten nach Bildungsstufe in der Europäischen Union ISCED Internationale Standardklassifikation für das Bildungswesen Arbeitslosenquote in der EU (25-64 Jahre) Frauen Männer Insgesamt 10,7 % 8,2 % 9,2 % 6,8 % 5,4 % 6,0 % 4,0 % 3,2 % 3,6 % 6,9 % 5,5 % 6,1 % Stufen 0-2 : Vorschulbereich, Primarbereich und Sekundarstufe 1 Stufen 3-4 : Sekundarstufe 2 und PostSekundarbereich (nicht tertiär) Stufen 5-6 : Tertiärbereich Alle Stufen Quelle: EUROCADRES 2009; Daten: EUROSTAT, Arbeitskräfteerhebung 2007 277 Beschäftigungsquoten nach Bildungsstufe in der Europäischen Union . ISCED Internationale Standardklassifikation für das Bildungswesen Arbeitslosenquote in der EU (25-64 Jahre) Frauen Männer Insgesamt 45,3 % 70,4 % 57,2 % 67,7 % 81,2 % 74,6 % 81,9 % 88,8 % 85,3 % 63.6% 79.9% 71.7% Stufen 0-2 : Vorschulbereich, Primarbereich und Sekundarstufe 1 Stufen 3-4 : Sekundarstufe 2 und PostSekundarbereich (nicht tertiär) Stufen 5-6 : Tertiärbereich Alle Stufen Quelle: EUROCADRES 2009; Daten: EUROSTAT, Arbeitskräfteerhebung 2007. Beschäftigungsquoten nach Alter und Bildungsstufe in der Europäischen Union ISCED Internationale Standardklassifikation für das Bildungswesen Beschäftigungsquote in der EU 25-29 Jahre 30-34 Jahre 35-39 Jahre 40-44 Jahre 45-49 Jahre 50-54 Jahre 55-59 Jahre 25-64 Jahre 63,0 % 65,8 % 68,6 % 69,8 % 68,4 % 62,7 45,9 % % 57,2 % Stufen 0-2 : Vorschulbereich, Primarbereich und Sekundarstufe 1 278 Sekundarstufe 2 und PostSekundarbereich (nicht tertiär) Stufen 5-6 : Tertiärbereich Alle Stufen 75,4 % 80,9 % 83,4 % 84,3 % 82,6 % 77,0 59,5 % % 74,6 % 83,8 % 88,9 % 90,3 % 91,4 % 91,8 % 88,9 % 77,0 % 85,3 % 75,3 % 80,0 % 81,6 % 82,1 % 80,4 % 74,7 57,5 % % 71,7 % [ Anhang 2 ] Stufen 3-4 : Quelle: EUROCADRES 2009; Daten: EUROSTAT, Arbeitskräfteerhebung 2007. Befristet beschäftigte Arbeitnehmer in der Europäischen Union 2000 und 2007 Tausend Arbeitnehmer ISCO 1 ISCO 2 Fach- und Führungskräfte (ISCO 1 & 2) Arbeitnehmer insgesamt 2000 260.7 2177.6 2438.3 18143.6 2007 296.5 2592.4 2888.9 21736.8 13,7% 19,0% 18,5% 19,8% Zunahme Quelle: EUROCADRES 2009; Daten: EUROSTAT, Arbeitskräfteerhebung 2000 und 2007 in den EU-15-Ländern.. 279 Übliche wöchentliche Arbeitszeiten von Führungskräften in Europa Belgien 43,9 39,8 4,1 41,2 37,9 3,3 43,0 41,1 39,2 Differenz Alle ArbeitnehmerInnen ISCO 1 Männer und Frauen Differenz Alle Arbeitnehmerinnen ISCO 1 Differenz Frauen 3,8 Bulgarien 41,8 Tschechische 45,8 Republik 42,1 3,7 42,5 40,5 2,0 44,7 41,4 3,3 Dänemark 45,6 40,3 5,3 41,5 38,2 3,3 44,4 39,4 5 Deutschland 44,2 40,7 3,5 42,2 39,6 2,6 43,7 40,3 3,4 Estland 41,6 41,6 0 40,9 40,3 0,6 41,3 40,9 0,4 Irland 42,5 40,2 2,3 39,0 37,0 2,0 41,0 38,9 2,1 Griechenland 42,7 41,5 1,2 40,7 39,3 1,4 42,1 40,6 1,5 Spanien 44,5 41,5 3,0 42,3 39,6 2,7 43,9 40,8 3,1 France 46,8 40,0 6,8 43,4 38,1 5,3 45,5 39,2 6,3 Italien 44,9 40,5 4,4 41,9 36,9 5,0 44,2 39,2 5,0 Zypern 43,3 40,4 2,9 40,6 39,6 1,0 42,7 40,1 2,6 Lettland 280 Alle Arbeitnehmer ISCO 1 Vollzeit beschäftigte Arbeitnehmer Männer 42,4 41,5 40,9 Litauen 40,4 40,3 0,1 39,9 39,4 Luxemburg 40,0 39,9 0,1 Ungarn 41,2 41,1 0,1 40,4 40,1 Malta 42,7 41,1 1,6 39,9 Niederlande 39,7 39,1 0,6 Österreich 48,3 43,0 Polen 43,4 Portugal Rumänien 41,7 0,5 40,2 39,8 0,4 40,0 39,9 0,1 0,3 40,9 40,7 0,2 38,8 1,1 42,1 40,4 1,7 38,4 38,1 0,3 39,4 38,9 0,5 5,3 45,2 41,1 4,1 47,7 42,4 5,3 42,7 0,7 41,3 39,5 1,8 42,5 41,3 1,2 45,1 40,9 4,2 42,0 39,3 2,7 44,1 40,2 3,9 42,5 41,6 0,9 41,3 41,0 0,3 42,1 41,3 0,8 39,8 [ Anhang 2 ] Differenz Alle A rbeitnehmerInnen ISCO 1 Männer und Frauen Differenz Alle Arbeitnehmerinnen ISCO 1 Frauen Differenz Alle Arbeitnehmer ISCO 1 Vollzeit beschäftigte Arbeitnehmer Männer Slowenien 44,4 41,9 2,5 43,2 40,9 2,3 43,9 41,4 2,5 Slowakei 42,3 41,4 0,9 40,9 40,2 0,7 41,8 40,9 0,9 Finnland 42,3 40,1 2,2 40,3 38,2 2,1 41,6 39,2 2,4 Schweden 41,3 39,9 1,4 40,2 39,8 0,4 41,0 39,9 1,1 Vereinigtes Königreich 46,6 44,0 2,6 42,7 40,1 2,6 45,3 42,5 2,8 Europäische Union 44,9 41,3 3,6 42,1 39,3 2,8 44,1 40,5 3,6 Kroatien 42,0 41,9 0,1 41,6 40,8 0,8 41,9 41,4 0,5 Norwegen 40,2 39,0 1,2 38,6 38,0 0,6 39,7 38,6 1,1 Türkei 49,5 53,6 -4,1 46,8 48,8 -2,0 49,1 52,6 -3,5 Quelle: EUROCADRES 2009; Daten: EUROSTAT, Arbeitskräfteerhebung 2007. 281 Boulevard du Roi Albert II, 5, B - 1210 Bruxelles Tel : +32 2 224 0730, Fax : +32 2 224 07 33 www.eurocadres.org