UPDATE: OVARIALKARZINOM 41 CME Personalisierte Therapie des Ovarialkarzinoms – ein Update Anna Maria Jaeger, Barbara Schmalfeldt In den letzten Jahren haben sich die Therapieoptionen und damit die Lebensqualität für Patientinnen mit Ovarialkarzinom signifikant verbessert. Das Ovarialkarzinom ist nach wie vor eine Erkrankung mit einer ernsten Prognose und einer hohen Mortalität. Weiterhin gibt es keine effizienten Früherkennungsmaßnahmen, sodass die Erkrankung in 70 % der Fälle in fortgeschrittenem Stadium diagnostiziert wird. Trotzdem leben Patientinnen mit Ovarialkarzinom heute länger und besser als in den Jahren, in denen nur Cisplatin zur Therapie zur Verfügung stand. Gerade in den letzten Jahren wurden auf dem Wissen molekulargenetischer Grundlagen der Entstehung des Ovarialkarzinoms neue Therapieansätze entwickelt. Darüber hinaus wurden in diesem Jahr auf dem Kongress der American Society of Clinical Oncology zwei wichtige Studien zur chirurgischen Therapie des Ovarialkarzinoms vorgestellt, die einen weitreichenden Einfluss auf das klinische Vorgehen haben. Diese neuen Daten sollen im folgenden Artikel dargestellt werden. Pathogenese, molekulargenetische Grundlagen Neben den histologischen Subtypen serös, endometrioid, klarzellig und muzinös, erfolgt die Einteilung heute in low-grade und high-grade Ovarialkarzinome. Bei den low-grade serösen Karzinomen werden häufig KRAS/BRAF-Mutationen gefunden, hier kommen jedoch aktuell noch keine spezifischen zielge- richteten Therapien zum Einsatz. 75 % aller Ovarialkarzinome gehören zu den high-grade serösen Karzinomen. Diese entwickeln sich zu einem Teil aus intraepithelialen Karzinomen des Eileiters. In fast allen Fällen werden Mutationen des Tumorsuppressorgens p53 gefunden. Für Deutschland konnte gezeigt werden, dass bei 20 % der Patientinnen mit Erstdiagnose eines Abb. 1: Intraoperativer Situs eines fortgeschrittenen Ovarialkarzinoms © B. Schmalfeldt Ovarialkarzinoms eine BRCA1- und 2-Mutation vorliegt, zusätzlich finden sich insgesamt bei 28 % der Patientinnen Mutationen in sogenannten Risikogenen [1]. Diese Daten aus der AGO-TR1-Studie, die erstmalig auf dem Amerikanischen Krebskongress 2016 publiziert wurden, haben dazu geführt, dass in der aktuellen S3-Leitlinie allen Patientinnen mit Erstdiagnose eines Ovarialkarzinoms die humangenetische Beratung und Testung auf eine BRCA1- und -2-Mutation empfohlen wird. Für diese Testung gibt es im Rahmen des Vertrages mit den Ersatzkassen und dem Konsortium für familiären Brust- und Eierstockkrebs eine Kostenerstattung. Der Nachweis einer BRCA1- und -2Mutation in der Familie ist von ganz entscheidender Bedeutung. Da aktuell keine effektiven Früherkennungsmaßnahmen für das Ovarialkarzinom zur Verfügung stehen, bietet der Nachweis einer BRCA1und -2-Mutation die Möglichkeit, weitere Familienmitglieder zu beraten und bei Wunsch zu testen. Sollte bei Gesunden der Nachweis einer BRCA1- und -2-Mutation er- 8/2017 ONKOLOGIE heute 42 UPDATE: OVARIALKARZINOM folgen, kann den Patientinnen eine effektive Primärprävention durch prophylaktische Operationen angeboten werden. Trägerinnen einer BRCA1-Mutation haben bis zum 69. Lebensjahr ein kumulatives Risiko von bis zu 39 % an einem Ovarialkarzinom zu erkranken, bei BRCA2Mutationsträgerinnen beträgt dieses Risiko 11 bis 22 % [2, 3]. Das Lebenszeitrisiko an einem Ovarialkarzinom zu erkranken, steigt erst sprunghaft ab dem 40. Lebensjahr an, so dass den Patientinnen die prophylaktische Adnektomie nach abgeschlossener Familienplanung angeboten werden kann. Therapiemanagement: Therapie des fortgeschrittenen Ovarialkarzinoms Der entscheidende Prognosefaktor nach dem FIGO-Stadium ist die makroskopisch-komplette Resektion mit Entfernung des gesamten sicht- und tastbaren Tumors beim fortgeschrittenen Ovarialkarzinom. Diese Daten wurden in der MetaAnalyse aus der gemeinsamen Auswertung von drei AGO-Studien an mehr als 3.000 Patientinnen bestätigt [4] (E Abb. 1). Bei Patientinnen mit fortgeschrittenem Ovarialkarzinom und kompletter Tumorresektion kann aktuell ein medianes progressionsfreies Überleben von mehr als 25 Monaten und eine Gesamtüberleben von 67 Monaten erreicht werden. Dies zeigten aktuelle Daten aus der LION-Studie [5] (E Abb. 2). Die radikale Tumorentfernung beim fortgeschrittenen Ovarialkarzinom umfasst neben der Hysterektomie und beidseitiger Adnektomie die Resektion des gesamten befallenen Peritoneums, einschließlich des Zwerchfellperitoneums und der mesenterialen Herde. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass Darmresektionen bei Befall das Überle- ONKOLOGIE heute 8/2017 Überlebenswahrscheinlichkeit CME 1,0 0,8 0,6 N E Medianes OS HR (95%-KI) LNE 323 134 65,5 Monate 1,057 (0,833 – 1,341) Keine LNE 324 140 69,2 Monate 1 Total 647 274 0,4 0,2 0 0 6 12 18 24 30 36 42 48 OS (Monate) 54 60 66 LNE 323 289 271 248 227 210 194 184 167 135 93 55 keine LNE 324 308 297 282 252 228 208 187 170 144 105 66 72 28 30 78 11 10 OS=Gesamtüberleben, LNE=Lymphonodektomie, HR=Hazard Ratio Abb. 2: LION-Studie: Kein Überlebensvorteil durch die systematische Lymphonodektomie der paraaortalen und pelvinen Lymphknoten bei Patientinnen mit fortgeschrittenem Ovarialkarzinom mit makroskopischer Tumorresektion und klinisch unauffälligen Lymphknoten (modif. nach Harter P. et al., J Clin Oncol 35, 2017 [suppl;abstr 5500]) ben verlängern, ebenso die Tumorresektion im Oberbauch, wenn hierdurch Tumorfreiheit erreicht werden kann. Ganz neu muss der Stellenwert der systematischen Lymphonodektomie beim fortgeschrittenen Ovarialkarzinom mit klinisch unauffälligen Lymphknoten bewertet werden. Hierzu konnten aktuelle Daten aus der LION-Studie der AGO zeigen, dass durch die systematische Lymphonodektomie der paraaortalen und pelvinen Lymphknoten bei makroskopisch kompletter Tumorresektion und klinisch intraoperativ unauffälligen Lymphknoten nicht mit einem Überlebensvorteil beim fortgeschrittenen Ovarialkarzinom assoziiert sind. Hinzu kommt, dass die Morbidität bei Patientinnen mit Lymphonodektomie in der Studie erhöht war, so dass als Konsequenz aus diesen aktuellen klinischen Daten die systematische pelvine und paraaortale Lymphonodektomie bei klinisch unauffälligen Lymphknoten im fortgeschrittenen Stadium des Ovarialkarzinoms nicht mehr durchgeführt werden sollte [5]. Während die Datenlage zur Lymphonodektomie eindeutig ist, ist die optimale zeitliche Abfolge der Therapie weiterhin unklar. Zur neoadjuvanten Therapie des Ovarialkarzinoms liegen zwei randomisierte Studien vor, die EORTC-Studie und die CHORUS-Studie. In beiden Studien wurden Patientinnen mit fortgeschrittenem Ovarialkarzinom entweder einer neoadjuvanten Chemotherapie mit 3 Zyklen Chemotherapie, gefolgt von der Intervalloperation und anschließend weiteren 3 Zyklen Chemotherapie zugeführt bzw. mit dem klassischen Vorgehen, erst radikale Primäroperation, gefolgt von 6 Zyklen Chemotherapie, verglichen. In beiden Studien wurden Patientinnen mit weit fortgeschrittener Erkrankung eingeschlossen, so dass ein Studienbias vorliegt. Das Überleben zwischen beiden Therapiearmen unterschied sich in der Studie nicht. Jedoch war in beiden Studien das progressionsfreie Überleben, ebenso wie das Gesamtüberleben deutlich schlechter als in anderen Studien zum Ovarialkarzinom, die zum gleichen Zeitpunkt durchgeführt wurden. Das UPDATE: OVARIALKARZINOM 43 Wahrscheinlichkeit für progressionsfreies Überleben (PFS) CME Operation 1,0 Medianes PFS 19,6 Monate ∆ medianes PFS 0,8 14,0 Monate 5,6 Monate HR (95 %-KI) 0,66 (0,52–0,83) P-Wert 0,6 Keine Operation < 0,001 0,4 0,2 0 0 6 12 18 24 30 36 42 48 Monate 54 60 66 Operation 203 177 118 61 37 23 13 7 3 2 1 0 Keine Operation 204 180 143 98 65 38 25 17 11 5 2 2 72 78 1 0 Abb. 3: DESKTOP-III-Studie, PFS: Signifikanter Vorteil im progressionsfreien Überleben durch eine erneute makroskopische Komplettresektion bei Patientinnen mit erstem Rezidiv nach einem therapiefreien Intervall > 6 Monate im Vergleich zu Patientinnen ohne erneute Operation (modif. nach Du Bois A., et al. J Clin Oncol 35, 2017 [suppl; abstr 5501]) Gesamtüberleben lag in der EORTCStudie bei 29 Monaten, in der CHORUS-Studie sogar nur bei 23 Monaten und weicht somit bei weitem ab von den Daten, die aktuell in der LION-Studie gezeigt werden konnten. Dies bedeutet, dass die Daten zur neoadjuvanten Chemotherapie nicht auf alle Patientinnen mit fortgeschrittenem Ovarialkarzinom übertragen werden können. Trotzdem gilt es zu klären, ob es Patientinnen gibt, die möglicherweise von einer neoadjuvanten Therapie profitieren bzw. ob die neoadjuvante Therapie insgesamt zu einer Überlebenszeitverschlechterung führt. Aus diesem Grund wird aktuell international die TRUST-Studie durchgeführt, in die alle Patientinnen mit fortgeschrittenem und operablem Ovarialkarzinom eingeschlossen werden. Randomisiert wird zwischen neoadjuvanter Therapie und primärer DebulkingOperation. Durchgeführt wird die Studie in Zentren, die sich vorher für die Operation qualifizieren mussten, um einen hohen Standard der chirurgischen Therapie in der Studie zu gewährleisten [6]. Systemtherapie des Ovarialkarzinoms Im Anschluss an die Operation ist die Erstlinientherapie mit 6 Zyklen Carboplatin (AUC 5)/Paclitaxel (175 mg/m² über 3 Stunden i. v.) Standard [7]. Ab dem Stadium FIGO III bei Lymphknotenbefall oder makroskopisch sichtbaren Metastasen kann eine zusätzliche Behandlung mit dem Angiogenesehemmer Bevacizumab parallel zur Chemotherapie und als Erhaltungstherapie für insgesamt 15 Monate empfohlen werden [7]. Die Empfehlung beruht auf Daten aus der GOG-218-Studie und der europäischen ICON7-Studie, in der durch die Gabe von Bevacizumab das progressionsfreie Überleben signifikant verlängert wurde. Ein signifikanter Vorteil für das Gesamtüberleben konnte nur für Patienten mit verbliebenem Tumorrest und Stadium FIGO IV gezeigt werden. Rezidivtherapie des Ovarialkarzinoms Die strikte kalendarische Einteilung der Rezidive in platinresistent, d. h. < 6 Monate nach Abschluss der platinhaltigen Primärtherapie und platinsensibles Rezidiv, d. h. > 6 Monate nach Abschluss der platinhaltigen Ersttherapie, wurde aufgrund einer Empfehlung der internationalen Konsensuskonferenz zum Ovarialkarzinom veranlasst. Es sollte vielmehr anhand klinischer Faktoren entschieden werden, ob eine Patientin erneut von einer platinbasierten Therapie profitiert. Nach wie vor gilt, dass bei Patientinnen mit kurzem therapiefreien Intervall die Symptomkontrolle im Vordergrund steht. Diese Patientinnen sollten eine Monotherapie mit pegyliertem liposomalem Doxyrubicin, Topotecan, Gemcitabine oder Paclitaxel in wöchentlicher Gabe erhalten. Falls bisher kein Bevacizumab verabreicht wurde, sollten die Patientinnen dies ergänzend zur Monotherapie erhalten. Therapie bei platinfreiem Intervall > 6 Monate Bei Patientinnen mit einem längeren therapiefreien Intervall sollte der Stellenwert einer erneuten Operation in Erwägung gezogen werden. Aktuelle Daten aus der DESKTOP-III-Studie konnten zeigen, dass Patientinnen mit erstem Rezidiv eines Ovarialkarzinoms durch die erneute makroskopische Komplettresektion einen signifikanten Vorteil im progressionsfreien Überleben von 19,6 Monaten gegenüber 14 Monaten bei nicht durchgeführter Operation haben. Entscheidend ist dabei die Selektion der Patientinnen für die Rezidivoperation. Die Patientinnen, die in die DESKTOP-Studie eingeschlossen wurden, hatten eine makroskopische Tumorfreiheit nach der Erstoperation, befanden sich zum Zeitpunkt des Rezidivs in gutem 8/2017 ONKOLOGIE heute 44 UPDATE: OVARIALKARZINOM Allgemeinzustand mit einem ECOG 1 und wiesen eine Aszitesmenge < 500 ml im Rezidiv auf [8] (E Abb. 3, S. 43). Alle Patientinnen mit platinsensitivem Ovarialkarzinom-Rezidiv sollten eine erneute platinhaltige Kombinationstherapie erhalten. Erste Präferenz hat hierbei die Kombination aus Carboplatin und pegyliertem liposomalem Doxorubicin. Falls die Patientinnen in der Erstlinientherapie kein Bevacizumab erhalten haben, sollte jetzt die Therapie mit Carboplatin/Gemcitabine und Bevacizumab erfolgen. Auch die Kombination Carboplatin/Paclitaxel ist eine weitere Möglichkeit falls keine persistierende Neurotoxizität von der Erstlinienbehandlung vorliegt. BRCA-Testung bei platinsensiblem Rezidiv eines Ovarialkarzinoms Bei Ansprechen auf die erneute platinhaltige Kombinationstherapie ist eine Testung auf eine BRCA1und -2-Mutation – falls nicht bereits bei Erstdiagnose erfolgt – obligat, da für diese Patientinnen eine zielgerichtete Therapie in Form der PARP-Inhibitor-Erhaltungstherapie zur Verfügung steht. Die Testung auf das Vorliegen einer BRCA1- und -2-Mutation kann im Rahmen einer humangenetischen Beratung mit anschließender Keimbahntestung erfolgen. Alternativ ist die diagnostische Testung des Tumorgewebes möglich. Diese sollte bei negativer Keimbahntestung in der Rezidivsituation zusätzlich angeboten werden. Therapie mit PARP-Inhibitoren Die Tumorsuppressorgene BRCA1 und BRCA2 codieren für Enzyme mit wichtiger Funktion in der DNA-Reparatur. Die BRCA-Proteine sind für die Reparatur von DNA-Doppelstrangbrüchen mittels homologer Rekombination verantwortlich. Bei pathogenen Mutationen in den ONKOLOGIE heute 8/2017 Progressionsfreies Überleben (PFS) CME Olaparib Placebo 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 HR=0,30 (95%-KI: 0,22–0,41), P<0,0001 5,5 0 19,1 3 6 289 308 271 297 9 12 15 18 21 24 Zeit seit Randomisierung (Monate) 27 30 135 144 93 105 Zahl der Patienten Plaparib Placebo 323 324 248 282 227 252 210 228 194 208 184 187 167 170 Abb. 4: SOLO2-Studie, PFS: Signifikanter Vorteil beim progressionsfreien Überleben durch die Therapie mit Olaparib im Vergleich zu Placebo bei Patientinnen mit BRCA – mutiertem Ovarialkarzinom (modif. nach Pujade-Lauraine E, et al. SGO Meeting 2017, abstr LBA2) BRCA1- und -2-Genen geht diese Reparaturfunktion verloren, es häufen sich DNA-Schäden an, so dass bei biallelischer Mutation das Krebsrisiko ansteigt. Der Nachweis dieses Wirkmechanismus hat zur Entwicklung einer zielgerichteten Therapie geführt. Ein weiterer DNA-Reparaturmechanismus stellt das Enzymsystem PARP dar. Mit dem PARP-Enzym werden Einzelstrangbrüche in der Nukleinsäure repariert. Werden nun durch den Einsatz von PARP-Inhibitoren bei BRCA-Mutationsträgerinnen die Reparatur der Einzelstrangbrüche unterbunden, führt dies dazu, dass in replizierenden Zellen Doppelstrangbrüche ebenfalls nicht repariert werden können und bei diesen Zellen die Apoptose eingeleitet wird. Dieses Prinzip der selektiven Toxizität führt zur gezielten Elimination Hormonrezeptor (HR)-defizienter Tumorzellen und wird als synthetische Letalität bezeichnet. Die Therapie mit PARP-Inhibitoren steht seit Ende 2014 mit dem Medikament Olaparib zur Verfügung für Patientinnen mit Rezidiv eines pla- tinsensiblen Ovarialkarzinoms, die auf eine erneute platinhaltige Kombinationstherapie mit einem Ansprechen reagiert haben. Die EUZulassung beruht auf einer randomisierten, placebo-kontrollierten, doppelblinden Studie der Phase II. Hier wurden 265 Patientinnen mit platinsensiblem Rezidiv eines highgrade serösen Ovarialkarzinoms eingeschlossen, die auf die letzte platinbasierte Therapie partiell oder komplett angesprochen haben und randomisiert wurden in eine Erhaltungstherapie mit Olaparib (400 mg 2x pro Tag) oder Placebo. Bei Patientinnen mit Olaparib-Erhaltungstherapie war das progressionsfreie Überleben doppelt so lang wie im Placebo-Arm (8,4 vs. 4,8 Monate; HR: 0,35; p < 0,001) [9]. Der größte Benefit durch die Olaparibtherapie zeigte sich bei Patientinnen mit BRCA-Mutation. Bei diesen lag das mediane progressionsfreie Überleben bei 11,2 Monaten mit Olaparib-Therapie im Unterschied zu nur 4,3 Monaten bei Patientinnen mit Placebo. Diese Daten konnten aktuell in einer Phase-IIIStudie bestätigt werden. UPDATE: OVARIALKARZINOM 45 CME In die SOLO2-Studie wurden 294 Patientinnen mit BRCA-mutiertem Ovarialkarzinom eingeschlossen und im Verhältnis 2:1 für eine PARP-Inhibitor-Therapie mit Olaparib in Tablettenform (300 mg 2x täglich, 3 Tabletten) oder Placebogabe randomisiert [10]. Die Studie erreichte ihren primären Endpunkt: das PFS konnte im Vergleich zu Placebo nahezu vervierfacht werden (19,1 vs. 5,5 Monate; HR: 0,30; p < 0,0001) (E Abb. 4, S. 44). Die meisten der unter Olaparib dokumentierten Nebenwirkungen waren nur leicht bis mäßig ausgeprägt (Grad 1–2) [11]. Häufiger als unter Placebo waren Übelkeit (68 % vs. 35 %), Fatigue (49 % vs. 38 %), Erbrechen (32 % vs. 14 %) und Anämie (17 % vs. 5 %). In beiden Armen traten Übelkeit, Fatigue und Erbrechen überwiegend passager auf und erforderten meist keinen Therapieabbruch. Schwerwiegende Nebenwirkungen (Grad 3–4) wurden bei 35,3 % der mit Olaparib-behandelten und 20,3 % der Patientinnen unter Placebo registriert. In der SOLO2-Studie zeigte sich, dass die Inzidenz einer akuten myeloische Leukämie (AML) oder eines myelodysplastischen Syndroms (MDS) sehr gering ist mit nur 4 Fällen im Olaparib-Arm (2,1%), inklusive einem Fall von chronischer myelomonozytäre Leukämie, während im Placebo-Arm über 4 Fälle (4,0 %) berichtet wurde. Langzeitremissionen durch PARP-Inhibition Ein beachtenswerter Anteil von Patientinnen hat einen anhaltenden Benefit von der Olaparib-Erhaltungstherapie: Im Studienkollektiv der Frauen mit BRCA-mutiertem Tumor erhielten 16 Patientinnen den PARP-Inhibitor mindestens drei Jahre, 12 über mindestens vier Jahre, elf über mindestens fünf und vier über mindestens sechs Jahre [12]. In beiden Studien konnte gezeigt werden, dass die Olaparib-Erhaltungstherapie die Lebensqualität nicht negativ beeinflusst [13]. Bei 49,1 % der Patientinnen mit BRCAmutiertem HGSOC-Rezidiv im Placebo-Arm blieb die gesundheitsbezogene Lebensqualität im sechsmonatigen Studienverlauf erhalten; unter Olaparib lag dieser Anteil bei 55,6 %. Eine Verbesserung der Lebensqualität wurde unter Olaparib bei 27,0 %; im Placebo-Arm nur bei 20,8 % der Patientinnen beobachtet. In der Phase-III-Studie SOLO2 zeigte sich eine signifikante Verbesserung des progressionsfreien Überlebens unter der Olaparib-Erhaltungstherapie mit einer signifikanten Verlängerung der Zeit ohne Erkrankungssymptome oder Toxizität um 6,3 Monate. Ebenso ließ sich eine Lebensqualitäts-adjustierte Verlängerung des progressionsfreien Überlebens um 6,7 Monate nachweisen [16]. Weitere PARP-Inhibitoren befinden sich aktuell in klinischer Prüfung, die zu einer weiteren Therapieoptimierung beim HR-defizienten Ovarialkarzinom führen können. Die beim ESMO-Kongress vorgestellten Daten der NOVA-Studie mit dem PARP-Inhibitor Niraparib zeigten ebenfalls eine signifikante Verlängerung des progressionsfreien Überlebens durch die PARP-Inhibition beim platinsensitiven Ovarialkarzinomrezidiv [14]. In dieser randomisierten, doppelt-blinden Phase-IIIStudie profitierten alle Patientinnen von Niraparib mit einem signifikanten Vorteil beim progressionsfreien Überleben – unabhängig vom Vorliegen einer BRCA-Mutation oder einer HRD-Positivität und auch bei fehlender BRCA-Mutation [15]. Im Falle einer BRCA-Keimbahnmutation war das mediane PFS signifikant verlängert mit 21,0 Monaten in der Niraparib-Gruppe vs. 5,5 Monate in der Placebo-Gruppe (HR: 0,27). Bei Nicht-BRCA-Keimbahnmutationsträgerinnen war die HR 0,45 (9,3 Monate medianes PFS für Niraparib vs. 3,9 Monate für Placebo). Im Falle eines positiven homologen Rekombinationsdefizites ohne BRCA-Keimbahnmutation betrug die HR 0,38 mit einem medianen PFS von 12,9 Monaten im Niraparib-Arm im Vergleich zu 3,8 Monaten im Placebo-Arm. Da bislang weniger als 20 % Todesfälle in beiden Therapiearmen zu verzeichnen sind, muss für eine Analyse zum Gesamtüberlegen ein längeres FollowUp abgewartet werden. Die Nebenwirkungen der NiraparibTherapie waren vorwiegend moderat. Relevante Toxizitäten vom Grad 3/4 waren Thrombozytopenie (33,8 %), Anämie (25,3 %) und Neutropenie (19,6 %). Die Inzidenz einer akuten myeloischen Leukämie (AML) oder eines myelodysplastisches Syndroms (MDS) unterschied sich nicht signifikant mit 1,4 % im NiraparibArm im Vergleich zu 1,1 % im Placebo-Arm. Die Zulassung von Niraparib für das Ovarialkarzinomrezidiv in der EU ist beantragt und wird für Herbst 2017 erwartet. In den USA ist der PARP-Inhibitor seit Ende Mai 2017 zugelassen für das Ovarialkarzinomrezidiv unabhängig von einer BRCA-Mutation. Eine Niraparib-Erhaltungstherapie für Patientinnen mit klinischem Ansprechen nach Abschluss einer platinhaltigen Chemotherapie bei platinsensiblem Ovarialkarzinomrezidiv ist in Deutschland an ausgewählten Zentren im Rahmen eines Compassionate-Use-Programms bereits in Anwendung. Hierbei ist im Gegensatz zu Olaparib eine BRCA-Mutation nicht als Voraussetzung erforderlich. Weitere PARP-Inhibitoren, wie u. a. Rucaparib und unterschiedliche 8/2017 ONKOLOGIE heute 46 UPDATE: OVARIALKARZINOM CME HRD-Assays, befinden sich aktuell in klinischer Prüfung. Aufgrund des geringgradigen Nebenwirkungsspektrums sind PARP-Inhibitoren ideal als Erhaltungstherapie geeignet. Die meisten Daten existieren für den Einsatz von PARP-Inhibitoren in der Rezidivsituation. Mit Spannung werden die SurvivalDaten aus der Phase-III-Studie PAOLA1 erwartet, in der Ovarialkarzinompatientinnen mit einem Stadium IIIB bis IV nach DebulkingOperation und Ansprechen auf eine platin-/taxanhaltige First-Line-Chemotherapie einschließlich einer Bevacizumab-Therapie randomisiert werden – entweder in den experimentellen Arm Bevacizumab plus Olaparib für insgesamt 15 Monate versus Bevacizumab plus Placebo. Vielversprechend erscheinen auch zielgerichtete Ansätze mit Immunmodulatoren. Checkpoint-Inhibitoren wie PD-1- oder auch PD-L1-Antikörper werden alleine, in Kombination mit einer Chemotherapie oder auch in Kombination mit anderen zielgerichteten Therapien, wie beispielsweise mit Bevacizumab, in klinischen Studien überprüft. Interessanterweise zeigt sich, dass alleinige Immuntherapien zwar insgesamt nur geringe Ansprechraten aufweisen, die Patientinnen mit einem Ansprechen weisen allerdings häufig eine langanhaltende Remission auf. Tumore nutzen den Apoptose-Signalweg (PD-1Signalweg), um das Immunsystem zu umgehen. PD-1 ist vor allem auf aktivierten T-Zellen und PD-L1 häufig auf Tumoren und Makrophagen exprimiert. Eine Bindung von PD-1 und seine Liganden PD-L1 und PD-L2 senkt die T-Zellfunktion. Prädiktive Faktoren für die Vorhersage des Ansprechens einer zielgerichteten Therapie fehlen bislang häufig noch. ONKOLOGIE heute 8/2017 Zusammenfassung Die Therapie des fortgeschrittenen Ovarialkarzinoms besteht aus der radikalen Tumorresektion mit dem Ziel der Komplettresektion und der nachfolgenden Therapie mit Carboplatin und Paclitaxel sowie der zusätzlichen Erhaltungstherapie mit Bevacizumab. Der Stellenwert der neoadjuvanten Therapie bzw. der optimale Zeitpunkt der Operation wird aktuell in der TRUST-Studie untersucht. Aktuelle Daten aus der LION-Studie konnten zeigen, dass die systematische Lymphonodektomie beim fortgeschrittenen Ovarialkarzinom, mit klinisch unauffälligen Lymphknoten, zu keinem Überlebensvorteil führt und deshalb nicht mehr durchgeführt werden soll. Bei einem Rezidiv eines Ovarialkarzinoms mit einem therapiefreien Intervall von mehr als 6 Monaten sollten Patientinnen mit makroskopischer Komplettresektion bei Erstoperation, gutem Allgemeinzustand und einer Aszitesmenge von weniger als 500 ml im Rezidiv, die erneute tumorreduktive Operation angeboten werden. Patientinnen, die im Rahmen der Rezidivoperation erneut komplett tumorfrei reseziert werden können, haben einen signifikanten Überlebensvorteil hinsichtlich des progressionsfreien Überlebens. Dies konnte in der DESKTOP-Studie der AGO gezeigt werden. Zusätzlich sollte allen Patientinnen mit platinsensiblen Rezidiv und erneutem Ansprechen auf eine platinhaltige Kombinationstherapie ein BRCA-Testung empfohlen werden. Bei Vorliegen einer BRCA1 oder -2Mutation sollten diese Patientinnen eine Erhaltungstherapie mit einem PARP-Inhibitor erhalten, da hierdurch das progressionsfreie Überleben signifikant verlängert wird. Literatur: 1. Harter P, Hauke J, Heitz F et al. Incidence of germline mutations in risk genes including BRCA1/2 in consecutive ovarian cancer (OC) patients (AGO TR-1). J Clin Oncol 2016; 34 (suppl): abstr. 5538 2. Cancer Genome Atlas Network. Integrated genomic analyses of ovarian carcinoma. Nature 2011; 474: 609–615 3. Alsop K, Fereday S, Meldrum C et al. BRCA mutation frequency and patterns of treatment response in BRCA mutation-positive women with ovarian cancer. A report form the Australian Ovarian Cancer Stuy Group. J Clin Oncol 2012; 30: 2654–2663 4. du Bois A, Reuss A, Pujade-Lauraine E et al. Role of surgical outcome as prognostic factor in advanced epithelial ovarian cancer: a combined exploratory analysis of 3 prospectively randomized phase 3 multicenter trials: by the Arbeitsgemeinschaft Gynaekologische Onkologie Studiengruppe Ovarialkarzinom (AGO-OVAR) and the Groupe d“Investigateurs Nationaux Pour les Etudes des Cancer de l“Ovaire (GINECO). Cancer 2009; 115: 1234–1244 5. Harter P, Sehouli J, Lorusso D, Reuss A, Vergote I, Marth C, Kim JW, Raspaglioni F, Lampe B, Landoni F, Meier W, Cibula D, Mustea A, Mahner S, Runnebaum IB, Schmalfeldt B, Burges A, Kimmig R, Wagner UAG, duBois A. LION: Lymphadenectomy in ovarian neoplasm – A prospective randomized AGO study group led gynecologic intergroup trial. J Clin Oncol 35, 2017 (suppl;abstr 5500) Alle Literaturstellen online einsehen unter: medizin.mgo-fachverlage.de Korrespondenzadresse: Prof. Dr. med. Barbara Schmalfeldt Direktorin der Klinik und Poliklinik für Gynäkologie Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Martinistr. 52, 20246 Hamburg Tel.: +49 (0) 40/7410-52510 E-Mail: [email protected] Prof. Dr. med. Barbara Schmalfeldt