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Neue Transplantationsstrategie verbessert die Ergebnisse
Paradigmenwechsel in der Behandlung des kindlichen Knochenmarkversagens
Graz, am 13. September 2012: Wie andere Organe kann auch das für die Blutbildung
zuständige menschliche Knochenmark versagen. Ursache dieses seltenen Krankheitsbildes ist in
den meisten Fällen die Zerstörung der blutbildenden Stammzellen durch ein fehlgeleitetes
körpereigenes Immunsystem. Die einzige Möglichkeit, diese mit dem Leben nicht zu
vereinbarende Erkrankung zu heilen, ist eine Knochenmarktransplantation. Bisher benötigte
man dafür allerdings einen passenden Geschwisterspender. Fehlte ein solcher, bestand nur die
Möglichkeit, das Abwehrsystem des Patienten zu unterdrücken, um dadurch zumindest eine
teilweise Erholung des Blutbildes zu erreichen. Grazer Wissenschafter haben nun eine neue
Strategie entwickelt, die bei kindlichem Knochenmarkversagen auch die Transplantation von
Knochenmarkstammzellen nicht verwandter Spender ermöglicht und damit jungen Patienten
ohne Geschwister-Spender die Folgen und Nebenwirkungen einer lang dauernden
Immunsuppression erspart.
Warum bei manchen Menschen körpereigene Abwehrzellen die blutbildenden Stammzellen im
Knochenmark angreifen, ist unbekannt. Die Folgen dieses Autoimmunprozesses sind für die
Betroffenen dramatisch: Histologisch sieht man ein praktisch leeres Knochenmark, in dem keine
Hämatopoese (Blutbildung) mehr stattfindet. Betroffen sind bei diesem Krankheitsbild, das als
schwere aplastische Anämie bezeichnet wird, neben roten Blutkörperchen auch weiße
Blutkörperchen und Blutplättchen. Um zu überleben, sind die Patienten auf wiederholte
Bluttransfusionen angewiesen. „Ein derart geschädigtes Knochenmark erholt sich nicht mehr“,
erklärt Univ.-Prof. Dr. Christian Urban, Leiter der Klinischen Abteilung für Pädiatrische HämatoOnkologie der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde in Graz. „Daher sollte in
solchen Fällen nicht zugewartet, sondern möglichst rasch interveniert werden.“
Geheilt werden können die Patienten nur durch Zerstörung ihres aggressiven Immunsystems
und die Transplantation eines neuen gesunden Immunsystems und Knochenmarks. Im
Unterschied zu Leukämien, bei denen das Abstoßungspotential durch vorausgegangene
Chemotherapien reduziert ist, ist das Abwehrsystem bei Patienten mit aplastischer Anämie
jedoch gesteigert und durch die notwendigen Bluttransfusionen zusätzlich sensibilisiert. Auf
Grund des hohen Abstoßungsrisikos konnten daher bisher nur Knochenmarkstammzellen von
Geschwistern mit identem HLA-System (=Gewebeantigene, die eine wichtige Rolle bei der
Regulation der Immunantwort spielen) transplantiert werden. Da Geschwister aber nur mit einer
Wahrscheinlichkeit von 25% dieselben HLA-Gene von ihren Eltern erben, fehlt bei vielen
Patienten ein passender Geschwisterspender. Als Behandlungsalternative blieb dann nur die
Unterdrückung des Autoimmunprozesses, um zumindest wieder eine Blutbildung auf
Medizinische Universität Graz, Auenbruggerplatz 2, A-8036 Graz. www.medunigraz.at.
Rechtsform: Juristische Person öffentlichen Rechts gem. Universitätsgesetz 2002. Information: Mitteilungsblatt der Universität und www.meduni-graz.at. DVR-Nr. 2109 494.
UID: ATU 57 511 179. Bankverbindung: Bank Austria Creditanstalt BLZ 12000 Konto-Nr. 500 94 840 004, Raiffeisen Landesbank Steiermark BLZ 38000 Konto-Nr. 49 510.
niedrigerem Niveau zu erreichen. Die Immunsuppression ist jedoch mit einer Reihe von
Nebenwirkungen verbunden. Zudem kann nicht bei allen Patienten mit einem einmaligen
Immunsuppressionskurs eine stabile Remission erzielt werden. Oft kommt es zu
Erkrankungsrückfällen, die weitere Behandlungszyklen mit entsprechenden Folgeschäden, die
von Infektionen und Organschäden bis zur Entwicklung von Leukämien reichen, notwendig
machen.
Univ.-Prof. Dr. Urban und seine Mitarbeiter entwickelten nun eine Strategie, um bei kindlichem
Knochenmarkversagen auch Stammzelltransplantationen von Fremdspendern zu ermöglichen.
Die eine Herausforderung war dabei, das Abstoßungsrisiko des vorsensibilisierten Empfängers
ausreichend zu vermindern, ohne den Organismus zu sehr in Mitleidenschaft zu ziehen. Ein
Bestandteil dieser so genannten Konditionierungstherapie war bisher die Bestrahlung aller
Lymphknotenregionen. „Das wollten wir unbedingt vermeiden, weil es sich bei der aplastischen
Anämie ja nicht um eine maligne Erkrankung handelt und wir es mit jungen Patienten zu tun
haben“, erläutert der Hämato-Onkologe. Bei der neuen Konditionierungstherapie gelang es,
mit Medikamenten das Auslangen zu finden. Die zweite Schwierigkeit war, zu verhindern, dass
die im Fremdspenderkonzentrat enthaltenen Abwehrzellen den Empfänger angreifen. Diese
Graft-versus-Host-Reaktion (GvHR) hat zwar bei malignen Erkrankungen einen gewissen
therapeutischen Nutzen, nicht aber bei der aplastischen Anämie. Um die GvHR zu unterbinden,
wurden die dafür verantwortlichen T-Lymphozyten von den Grazer Forschern mit einer
Immunmagnetmethode aus dem Stammzellenkonzentrat entfernt.
In den letzten Jahrzehnten wurden an der Grazer Universitätsklinik für Kinder- und
Jugendheilkunde 30 Patienten mit einer schweren aplastischen Anämie behandelt. In zwölf
Fällen fand sich ein HLA-identer Geschwisterspender, bei achtzehn Kindern und Jugendlichen
wurde eine Immunsuppression durchgeführt. Sieben Patienten, bei denen die Hämatopoese
trotz immunsuppressiver Therapie nicht aufrecht erhalten werden konnte, erhielten
Stammzellen eines Fremdspenders nach dem neuen Verfahren. Wie die Wissenschafter nun in
der Fachzeitschrift „Pediatric Transplantation“ berichten, kam es in allen Fällen zu einem
raschen Anwachsen des neuen Knochenmarks. Nach einer mittleren Nachbeobachtungszeit von
26 Monaten hatten sechs Transplantierte eine normale Hämatopoese. „Mit dieser neuen
Methode konnten wir zeigen, dass auch Patienten ohne passende Geschwisterspender eine
Stammzelltransplantation erhalten können und nicht einer lang dauernden und potentiell
unwirksamen und gefährlichen Immunsuppression ausgesetzt werden müssen“, fasst Prof.
Urban die Ergebnisse zusammen. „Wir schlagen daher vor, bei Patienten mit aplastischer
Anämie und fehlenden Geschwisterspendern nur einen Immunsuppressionskurs durchzuführen
und bei Versagen dieser Therapie sehr früh eine Fremdspendertransplantation in Betracht zu
ziehen.“
Weitere Informationen:
Univ.-Prof. Dr. Christian Urban
Klinischen Abteilung für Pädiatrische Hämato-Onkologie, Universitätsklinik für Kinder- und
Jugendheilkunde, Medizinische Universität Graz
eMail: [email protected]
Tel: +43 316 385-13485
“Alternative donor HSCT in refractory acquired aplastic anemia – Prevention of graft rejection and graft versus host
disease by immunoablative conditioning and graft manipulation.”
Urban C, Benesch M, Sovinz P, Sipurzynski S, Lackner H, Müller E, Schwinger W.
Pediatr Transplant. 2012 Sep;16(6):577-81.
Medizinische Universität Graz, Auenbruggerplatz 2, A-8036 Graz. www.medunigraz.at.
Rechtsform: Juristische Person öffentlichen Rechts gem. Universitätsgesetz 2002. Information: Mitteilungsblatt der Universität und www.meduni-graz.at. DVR-Nr. 2109 494.
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Dazugehöriges Editorial: “Alternative donor HSCT in refractory acquired aplastic anemia: The time has come.”
Handgretinger R.
Pediatr Transplant. 2012 Sep;16(6):513-4.
Medizinische Universität Graz, Auenbruggerplatz 2, A-8036 Graz. www.medunigraz.at.
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