Industrielles Beispiel für die Erarbeitung eines Prüfplanes Für die

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Industrielles Beispiel für die Erarbeitung eines Prüfplanes
Für die Qualitätsprüfung des Lagerstiftes (laut Prüfskizze) ist ein Prüfplan zu erarbeiten. Die
Herstellung des Lagerstiftes erfolgt an einem CNC- Drehautomaten mit einem einschneidigen
Werkzeug und einer Stückzeit von 12 Sekunden pro Einheit. Der CNC- Drehautomat hat
einen Rundlauf von +/- 0,005 mm. Der Auftrag für das aus Automatenstahl zu fertigende
Verbindungselement umfasst 50000 Teile.
Abb.1. Prüfskizze - Lagerstift
I. Prüfobjekt und Prüfmerkmale für die Endprüfung „Lagerstift“ ‑ was zu prüfen ist
Der erste Arbeitsschritt zur Erstellung des Prüfplans ist die Analyse aller Unterlagen und
Informationen zum Prüfling.
Dazu stehen am Beispiel des Lagerstiftes (Abb. 1) folgende Quellen zur Verfügung:
•
Technischer Entwurf mit Maßangaben: Prüfskizze (Abb. 1)
•
Angaben zum Produktionsumfang: 50000 Stück
•
Fertigungsmaterial:
∅ 15 mm
Automatenstahl
11
SMnPb37
blank
•
Stückzeit: 12 Sekunden
•
Maschinenkennwerte: notwendige Prozessfähigkeit vorhanden.
Darauf aufbauend werden die Prüfmerkmale für die Endprüfung festgelegt und technisch
beschrieben. Unter Berücksichtigung des zukünftigen Verwendungszwecks können Aussagen
zur Prüfnotwendigkeit getroffen werden.
Auf der Grundlage einer Voruntersuchung, z. B. einer FMEA, sind folgende Merkmale für
eine Prüfung auszuwählen (Linß 2005):
Merkmal 1: Durchmesser d1 = mm
Der Durchmesser ist das Hauptmerkmal für die spätere Funktion des Lagerstiftes. Aufgrund
des sehr kleinen Toleranzfeldes besteht ein erhöhtes Risiko, denn ein Unterschreiten der
unteren Toleranzgrenze hat die Unbrauchbarkeit des Lagerstiftes zur Folge.
Merkmal 2: Länge l1 = 20,2 mm
Als Verbindungselement soll der Lagerstift gelenkige Verbindungen realisieren. Der Abstand
zwischen Kopf und Sicherungsring besitzt eine Allgemeintoleranz und wird vom Werker
durch Selbstprüfung überwacht. Die Länge l1 ist ein Nebenmerkmal.
Merkmal 3: Nutbreite b1 = 1,0 ‑0,06 mm
Ebenfalls zu den Hauptmerkmalen für die Funktionsfähigkeit zählt die Nutbreite. Bereits
geringe Ungenauigkeiten machen im Fall einer zu kleinen Nutbreite die Montage der
Baugruppe unmöglich.
Merkmal 4: Nutdurchmesser d2 = 9,6 mm
Für den Nutdurchmesser ist eine Allgemeintoleranz festgelegt, weil sich geringe
Abweichungen des Sollwerts nicht kritisch auf die Funktion auswirken.
Merkmal 5: 2 Fasen 0,5 x 45 °
Die Überprüfung der Fasen auf Gratfreiheit wird als Sichtprüfung durchgeführt. Hierbei
handelt es sich um eine qualitative Prüfanweisung. Da sich Fehler bei diesem
Qualitätsmerkmal nicht als kritisch erweisen, erfolgt eine Zuordnung zu den
Nebenmerkmalen.
Merkmal 6: Freistich DIN 509- H0,8 × 3
Ebenso erfolgt die Überprüfung der gratfreien und ordnungsgemäßen Ausführung des
Freistichs als Sichtprüfung. Für die Länge des Freistichs besteht keine Prüfnotwendigkeit.
Merkmal 7: Kopfhöhe l2 = 3,4 mm
Da aus der Sicht der Montage und der Funktion keine besonderen Anforderungen bestehen,
ist eine Selbstprüfung der Kopfhöhe durch den Werker ausreichend.
Merkmal 8: Gesamtlänge l3 = 27,5 mm
Die allgemeintolerierte Gesamtlänge zählt zu den Nebenmerkmalen. Die Nebenmerkmale
werden in Selbstprüfung durch die Werker überwacht (Werkerselbstprüfung).
Merkmal 9: Gemittelte Rautiefe Rz = 6,3 μm
Eine Nichteinhaltung der geforderten Oberflächenqualität kann ebenfalls zu einer
Funktionsbeeinträchtigung führen, somit handelt es sich hierbei um ein Hauptmerkmal.
II.
Prüfzeitpunkt und Prüfart
Für die Durchführung der Qualitätsprüfung der Hauptmerkmale werden folgende
Prüfzeitpunkte und Prüfarten festgelegt (Tab. 1):
Nr.
Hauptmerkmal
Prüfzeitpunkt
Prüfart
01
Durchmesser d1
parallel zur Fertigung
Variablenprüfung (quantitativ)
03
Nutbreite b1
parallel zur Fertigung
Attributivprüfung (qualitativ)
09
Gemittelte Rautiefe Rz
Endprüfung
Variablenprüfung (quantitativ)
Tab. 1: Festlegung der Prüfzeitpunkte und Prüfarten für die Qualitätsprüfungen „Lagerstift“
III.
Prüfhäufigkeit und Prüfumfang für die Prüfung der Hauptmerkmale
„Lagerstift“
Bei der Herstellung des Lagerstiftes soll die Prüfung in den Fertigungsablauf integriert als
statistische Prozessregelung ‑ SPC mithilfe von Shewhart- Qualitätsregelkarten erfolgen.
Bei der Shewhart- Qualitätsregelkarte werden die Eingriffs- und Warngrenzen aus den
Verteilungsparametern des Fertigungsprozesses bestimmt (Linß 2005).
Die Entnahme der Teile in den Prüflosen erfolgt in konstanten Abständen und in produzierter
Reihenfolge (Linß 2005).
Hauptmerkmal Durchmesser d1:
Zur Berechnung der Prozessparameter wurde für den Durchmesser d1 = mm eine
Vorlaufuntersuchung an 50 Teilen durchgeführt und die Schätzwerte für μ und σ wurden
ermittelt. Es wird Normalverteilung angenommen (Tab. 2):
9,931
9,941
9,957
9,950
9,943
9,951
9,948
9,958
9,946
9,952
9,945
9,949
9,946
9,958
9,947
9,956
9,946
9,952
9,949
9,941
9,950
9,962
9,954
9,961
9,949
9,947
9,939
9,952
9,952
9,943
9,948
9,959
9,958
9,948
9,940
9,956
9,948
9,938
9,952
9,965
9,944
9,951
9,948
9,964
9,948
9,957
9,950
9,961
9,941
9,950
Tab. 2: Messwerte der Vorlaufuntersuchung für Hauptmerkmal d1
Es ergeben sich die Schätzwerte
und
.
Aus den Informationen der Vorlaufuntersuchung müssen die Warn- und Eingriffsgrenzen
für die Qualitätsregelkarte berechnet werden.
Der Stichprobenumfang wird auf n = 10 festgelegt. Die Stichprobe wird alle 30 min aus dem
Prozess entnommen und geprüft.
Die Berechnungen für die Warn- und Eingriffsgrenzen für die Qualitätsregelkarte lauten:
Die Faktoren AE und AW sind tabelliert, (Tab. P -1) oder können mithilfe der Quantile der
Normalverteilung berechnet werden (DGQ 1996; Linß 2005).
Die Qualitätsregelkarte mit Warn- und Eingriffsgrenzen für das Hauptmerkmal
Durchmesser d1 ist in Abbildung 2 enthalten.
Abb. 2: Qualitätsregelkarte mit Warn- und Eingriffsgrenzen für das Hauptmerkmal
Durchmesser d1
Hauptmerkmal Nutbreite b1:
Die Nutbreite soll attributiv mit einer Lehre geprüft werden. Man erhält eine „gut/schlecht“Aussage.
Für die Eingriffsgrenzen wird der 99 %- Zufallsstreubereich und für die Warngrenzen der
95 %- Zufallsstreubereich der Binomialverteilung bestimmt.
Ein Anteil fehlerhafter Einheiten p = 1 % wurde über einen größeren Zeitraum beobachtet und
als akzeptabel angesehen. Mit dem Stichprobenumfang n = 50 sollen signifikante
Veränderungen im Qualitätsniveau angezeigt werden.
Diese Stichprobe wird alle 60 min entnommen und geprüft.
Zur Ermittlung der Wahrscheinlichkeiten der Binomialverteilung können das LarsonNomogramm (Tab. P -2), die Tabelle der Binomialverteilung (Tab. P -3) oder MS ExcelTM
verwendet werden (Linß 2005).
OEG = xob + 0,5 mit Bi(x = xob |n; p) ≥ 99,5 % > Bi(x = xob‑1|n; p)
OEG = 3 + 0,5 = 3,5
OWG = xob + 0,5 mit Bi (x = xob|n; p) ≥ 97,5 % > Bi(x = xob‑1n; p)
OWG = 2 + 0,5 = 2,5
M = E(x) = n · p = 50 · 0,01 = 0,5
UWG = xun ‑ 0,5 mit Bi(x = xun| n; p) ≥ 2,5 % > Bi(x = xun‑1 n; p)
UWG = 0 ‑ 0,5 → 0
UEG = xun ‑ 0,5 mit Bi(x = xun| n; p) ≥ 0,5 % > Bi(x = xun‑1|n; p)
UEG = 0 ‑ 0,5 → 0.
Die Qualitätsregelkarte mit Warn- und Eingriffsgrenzen für das Hauptmerkmal Nutbreite b1 ist in
Abbildung 3 enthalten.
Abb. 3: Qualitätsregelkarte mit Warn- und Eingriffsgrenzen für die Anzahl fehlerhafter
Einheiten mit dem Hauptmerkmal Nutbreite b1
Hauptmerkmal Gemittelte Rautiefe Rz = 6,3 μm:
Für das Hauptmerkmal Gemittelte Rautiefe Rz wird eine 100 %- Sichtprüfung festgelegt;
es sind mindestens 200 Stück mit einem Rautiefenmessgerät zu messen.
Neben den planmäßigen Prüfungen müssen die Qualitätsmerkmale bei jedem Schichtbeginn
und Werkzeugwechsel zusätzlich geprüft werden.
IV.
Prüfmethode und Prüfmittel für die Prüfaufgabe „Lagerstift“
• wo zu prüfen ist
• wer zu prüfen hat
• womit zu prüfen ist
• wie zu prüfen ist
Hauptmerkmal Durchmesser d1:
Die Prüfung des Hauptmerkmals d1 erfolgt nicht als Arbeitsfolge integriert im
Fertigungsablauf, sondern parallel zur Fertigung durch den Werker.
Der Prüfort ist der Messplatz Nummer 08 neben dem Arbeitsplatz des Werkers. Am
Messplatz wird die Off- line- Prüfung mit der digitalen Feinzeigermessschraube DIN 863D13‑0- 25 mit Schnittstellen zur CAQ- Software durchgeführt. Die Feinzeigermessschraube
unterliegt der Prüfmittelüberwachung und wurde für die Prüfaufgabe freigegeben.
Der Durchmesser wird im Bereich der halben Länge des Lagerstiftes gemessen und das
Ergebnis an das CAQ- System übertragen.
Der Werker sieht am Bildschirm das Messergebnis und wird durch eine farbige Anzeige
gewarnt, wenn eine Warn- oder Eingriffsgrenze überschritten wird.
Werden bei einer Stichprobe die Eingriffsgrenzen überschritten, sind alle gefertigten Teile
seit der letzten Prüfung 100 % zu prüfen, die Ergebnisse zu dokumentieren und es muss ein
Maschineneinrichter informiert werden.
Hauptmerkmal Nutbreite b1:
Die Nutbreite wird mit einer Lehre (attributiv) geprüft. Dafür steht dem Werker am Messplatz
Nummer 08 die Lehre PL 11353‑3 zu Verfügung. Das Ergebnis der Prüfung (gut/schlecht)
muss manuell in das CAQ- System eingegeben werden. Der Werker sieht am Bildschirm
durch eine farbige Anzeige, wenn die Warn- oder Eingriffsgrenze überschritten wird.
Hauptmerkmal Gemittelte Rautiefe Rz:
Die Prüfung der Gemittelten Rautiefe Rz erfolgt als Endprüfung im Messraum der Abteilung
durch einen Qualitätsprüfer. Die Prüfung ist mit dem Perthometer, einem Messgerät auf der
Basis des Tastschnittverfahrens, nach der Norm DIN EN ISO 4288 durchzuführen.
Folgende Schritte sind dabei einzuhalten (DIN 4288 1998):
• 100 %- Sichtprüfung: Sichtvergleich mit Vergleichsmuster und Auswahl der Prüflinge
mit Oberflächenfehler bzw. Überschreitung der Rautiefe zur Rautiefenmessung
(mindestens aber 200 Stück)
• Prüfung durch Messung mit Perthometer
• Annahme der Prüfung, wenn
‑ der erste Messwert ≤ 70 % des Rautiefensollwertes ist
‑ die ersten drei Messwerte den Rautiefensollwert nicht überschreiten
‑ nicht mehr als einer der ersten sechs Messwerte den Sollwert überschreitet
‑ nicht mehr als zwei der ersten zwölf Messwerte den Sollwert überschreiten.
Andernfalls wird der Prüfling abgelehnt.
V.
Auswertung, Erfassung und Verwaltung der Prüfdaten
Die Auswertung der Prüfergebnisse erfolgt nach der Qualitätsprüfung, dabei sind folgende
Entscheidungen zu treffen:
Im Prüfprozess durch den Prüfer:
• Anforderungen erfüllt, Weitergabe der Teile
• Warngrenzen überschritten: Trendbeobachtung
• Eingriffsgrenzen überschritten: Es sind alle gefertigten Teile seit der letzten Prüfung
100 % zu prüfen und zu dokumentieren, Benachrichtigung an Qualitätsprüfer.
Im CAQ- System durch Qualitätsprüfer:
• Ausschuss, gesperrt
• Sonderfreigabe
• Nacharbeit
• Wiederholprüfungen
• Fertigungs- /Prüfprozessänderung
• Qualitätsbericht.
Durch die Dokumentation der Prüfergebnisse
(Tab. 3) der Hauptmerkmale auf
Qualitätsregelkarten lassen sich Trendbeobachtungen durchführen und die Freigabe an den
nächsten Prozess bzw. an den Kunden nachweisen. Dadurch ist die Grundlage geschaffen,
um bei Abweichungen vom Sollwert regelnd in den Fertigungs- und/oder Prüfprozess
einzugreifen (DGQ 1990).
Nr Prüfmerkmal
.
Nachweisdokumente der Qualitätsprüfung
1
Durchmesser d1 = mm
Prüfprotokoll mit QRK im CAQ- System
3
Nutbreite b1 = 1,0 ‑0,06 mm
Prüfprotokoll mit QRK im CAQ- System
9
Rautiefe Rz = 6,3 μm
Prüfprotokoll mit QRK im CAQ- System
Tab3: Erfassung und Verwaltung der Prüfdaten „Lagerstift“
VI. Prüfplan für den Prüfling „Lagerstift“
Nach Durchführung aller Handlungen und Entscheidungen zur Erarbeitung von Informationen
für die Prüfplanung werden die Ergebnisse in den Prüfplan eingetragen (Abb. 4):
Abb 4. Prüfplan für den Prüfling „Lagerstift“Prüfplan „Lagerstift“
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