Tagungsbericht 189 Jahrestagung der DGI 2004 zusammen mit der Arbeitsgemeinschaft für Kieferchirurgie (Teil 1) Anlässlich des 10. Jahrestages der Gründung der Deutschen Gesellschaft für Implantologie im Zahn-, Mund- und Kieferbereich e.V. (DGI) fand vom 20. bis 22. Mai 2004 in Bad Homburg eine Sondertagung mit der Arbeitsgemeinschaft für Kieferchirurgie (AgKi) statt. Diese ersetzt nicht die reguläre Tagung, die dieses Jahr als Gemeinschaftstagung mit der Österreichischen und der Schweizer Gesellschaft für Implantologie vom 2. bis 4. Dezember 2004 in Bern abgehalten wird. Der folgende Tagungsbericht fasst den Inhalt der implantologisch relevanten Vorträge dieser Sondertagung zusammen. Als erster Redner referierte Prof. Dr. Georg Mailath-Pokomy, Wien, über „Die Einzelzahnlücke aus chirurgischer und prothetischer Sicht“. Zunächst diskutierte er die Alternativen zur Implantatversorgung und deren Langlebigkeit: danach tun 70 % der konventionellen Brücken ihren Dienst über 15 Jahre, wogegen bereits nach vier Jahren 26 % der Klebebrücken als Misserfolge einzustufen sind. Demgegenüber erreichen Implantate nach sieben Jahren eine Überlebensrate von 96 %. Die häufigste Lokalisation für Einzelzahnimplantate ist die Oberkieferfront, wobei das Durchschnittsalter der Patientenklientel der Wiener Klinik 29 Jahren beträgt. Damit verbunden sind hohe Ansprüche an die Ästhetik, was u. a. eine genaue Implantatplatzierung erfordert. Nach Prof. Mailath-Pokomy gibt es in der Transversalen konkrete Hinweise für die korrekte Implantatlokalisation, in der Sagittalen dagegen würden diese noch fehlen. Im Rahmen seiner weiteren Ausführungen stellte er eine Studie vor, bei der für Frontzahnimplantate ein speziell konzipierter „Ästhetik-Score“ vergeben wurde, mit dessen Hilfe die „richtige“ sagittale Implantatplatzierung ermittelt werden sollte. In die Bewertung flößen die folgenden Parameter ein: mesiale und distale Papille, Höhe und Form der Gingivakontur, Ausformung der knöchernen Basis sowie Farbe und Stippeling der Gingiva. Die Auswertung der Daten zeigte, dass die Kontur der Gingiva und deren Farbe die Hauptprobleme darstellten. Dennoch bewerteten die Patienten ihre Versorgungen besser als die Behandler. Zusammenfassend betonte der Redner, dass Oberkiefer-Frontimplantate mit ihrer Achse deutlich weiter nach palatinal positioniert werden sollten als die entsprechenden Zähne. Diese Aussage belegte er mit zwei klinischen Fällen. Im Weiteren referierte Prof. Dr. Hannes Wachtel, München, über „Mikrochirurgische Techniken“. Er teilte die klinischen Verhältnisse für Implantate in Abhängigkeit von dem Ausmaß des Hartgewebsdefektes bzw. des Weichgewebsdefizits der verschiedenen Zustände in unterschiedliche Klassifikationen ein: Typ I kennzeichnet Einzelzahnimplantate, bei denen Hart- und Weichgewebe intakt sind, bei Typ II ist nur noch das Weichgewebe- und bei Typ III sind weder das Hart- noch das Weichgewebe intakt. Typ IV beschreibt eine Situation, bei der mehrere Zähne nebeneinander ersetzt werden müssen, der Zustand von Hartund Weichgewebe jedoch gut ist. Bei Typ V werden mehrere Zähne bei ungünstiger Hart- und Weichgewebsverhältnissen ersetzt. Dies ist die größte Herausforderung für den implantologisch tätigen Zahnarzt. Nach Vorstellung diverser Fälle zu der oben erwähnten Einteilung erörterte Prof. Wachtel den parodontalen Biotyp (dicke oder dünne Gingiva) und dessen Bedeutung für das Weichgewebsmanagement im Rahmen der implantologischen bzw. parodontalen Therapie. Auch hierzu präsentierte er mehrere Fallbeispiele aus der eigenen Praxis. Abschließend zeigte er ein Video zu den mikrochirurgischen Techniken Spaltlappen, koronale Verschiebung ohne Vertikalinzision und supraperiostale Tunneltechnik. Das Thema „Ästhetik in der Implantologie“ stand im Mittelpunkt des Vortrages von Dr. Axel Kirsch, Filderstadt. Er definierte als allgemeines Behandlungsziel aus ästhetischer Sicht die Wiederherstellung von Funktion und natürlichem Aussehen, und zwar mit vorhersagbarer (bio-) mechanischer und morphologischer Langzeitstabilität, wobei das individuelle Behandlungsziel durch ein fallbezogenes prothetisches Behandlungskonzept definiert wird. Dabei sind vor allem Struktur erhaltende Maßnahmen, wie der Papillenerhalt, für die Ästhetik in der Perioimplantat-Prothetik verantwortlich. Dr. Kirsch erläuterte, dass bei einem Knochen-Kontaktpunkt-Abstand von 5 mm fast immer ein Erhalt bzw. die Regeneration der Interdentalpapille gelingt, während bei einer Distanz von mehr als 6 mm nur noch in etwa 50 % der Fälle mit einer Papillenneubildung gerechnet werden kann. Auch für Dr. Kirsch wird die Ästhetik primär von der Implantatposition bestimmt, wobei als wichtigste Parameter damit verbunden sind die vertikale Positionierung des Kronenapproximalkontaktpunktes, die Höhe und Breite des restlichen Knochens, der Gingivatyp sowie das Übergangsprofil („emergence profile“). Kirschs oberste Maxime lautet: so wenig Chirurgie wie möglich und wenn nötig, dann minimalinvasive Operationen unter Einsatz von Operationsmikroskop und mit mikrochirurgischen Nahttechniken. Die höchste Herausforderung eines Implantologen ist für Dr. © Deutscher Ärzte-Verlag Köln | zzi | Z Zahnärztl Impl | 2004;20(3) 190 Tagungsbericht Blick in die Industrieausstellung in Göttingen Kirsch die Implantatversorgung im Oberkiefer-Frontzahngebiet eines Patienten mit hoher Lachlinie. Ausdrücklich wies er dabei abschließend auf die Aufklärungspflicht des Behandlers hin, die umso weitgehender erfolgen muss, je weniger geboten der Eingriff ist. Prof. Dr. Manfred Wichmann, Erlangen, referierte über die „Ästhetik festsitzender und herausnehmbarer Suprakonstruktionen“. Er definierte das „Ästhetikempfinden“ als eine individuelle, alters- und umweltbedingte und zudem variable Vorgabe, wobei die Symmetrie der Formen, die Harmonie der Formen und Farben sowie ideale Proportionen im Vordergrund stehen. Als unästhetisch werden seiner Meinung nach gravierende ungleichmäßige Proportionen, asymmetrische bzw. dysharmonische Formen und Farben sowie sichtbare funktionelle Anteile des Zahnersatzes wahrgenommen. Als Ursachen für ästhetische Beeinträchtigungen nannte er primär eine fehlerhafte Indikationsstellung und ungünstige Implantatpositionen, Hart- und Weichgewebsdefizite sowie die fehlerhafte Auswahl des prothetischen Restaurationsmittels. Für Prof. Wichmann ist der Patientenwunsch das entscheidende Kriterium für die Therapiewahl. Hierbei ist jedoch auf eine ausführliche Aufklärung und eine entsprechende Verbalisierung der ästhetischen Vorstellungen des Patienten zu achten. Die „ästhetische Kommunikation“ mit dem Patienten besteht für Prof. Wichmann in einem diagnostischen Setup als Planungshilfe für das Labor sowie einem ästhetischen Setup für den Patienten, das unter Funktion – Reden, Lachen – anprobiert werden sollte. Mit dem Thema „Ästhetik – Gesundheit der Weichgewebe – raue Implantatoberftächen“ beschäftigte sich PD Dr. Peter Schüpbach, Horgen (Schweiz). Er zeigte anhand von beeindruckenden histologischen Bildern die Grundlagen der Gewebereaktionen um Implantate und den Einfluss der TiUnite-Oberfläche der Nobel Biocare-Implantate auf die Osseointegration und die Weichgewebe. Im Speziellen führte er aus, dass es mit Hilfe der TiUnite-Oberfläche zu einer direkten Verankerung des umgebenden Knochens in der Implantatoberfläche kommt. Dadurch soll nach seinen Worten über die Kontaktosteogenese ein wesentlich schnellerer und quantitativ höherer Knochenkontakt eintreten. Im zweiten Teil seines Vortrages beschäftigte er sich mit der Reaktion des Weichgewebes, das der TiUnite© Deutscher Ärzte-Verlag Köln | zzi | Z Zahnärztl Impl | 2004;20(3) Oberfläche anliegt. Basierend auf eigenen Untersuchungen konnte er nachweisen, dass das Saumepithel über Hemidesmosomen – ähnlich wie bei eigenen Zähnen – an der TiUnite-Oberfläche anhaftet. Dies soll nach seinen Worten dazu führen, dass sich das Bindegewebe um TiUniteImplantate stabil und gesund darstellt, weil eine funktionierende zelluläre Abwehr um derartige Implantate besteht. Abschließend zeigte der Referent, dass bei der TiUnite-Oberfläche die Plaqueakkumulation signifikant geringer war als bei den anderen Implantat-Oberflächen. Das Thema von Dr. Stefan Reinhardt, Münster, lautete „Voraussetzung für eine ästhetische Implantatversorgung großer Frontzahndefekte“. Er berichtete über die klinischen Erfahrungen mit 46 Patienten mit größeren Frontzahndefekten, die seit 1994 sehr aufwändig rekonstruiert wurden. Die Augmentationen der Knochendefizite wurden entweder mit autologen Knochenblöcken und Knochenspänen oder mit einem Gemisch aus Knochenspänen und Knochenersatzmaterial (KEM) durchgeführt. Dabei wurden zur Abdeckung des transplantierten Knochens entweder nicht resorbierbare Folien oder resorbierbare Kollagenmembranen verwendet. Bei der Nachuntersuchung zeigten sich in der Regel weiterhin bzw. erneute gewisse Hartgewebsdefizite; in 15 Fällen ausschließlich in der transversalen Dimension und bei 31 Patienten sowohl in transversaler als auch in vertikaler Orientierung. Zusammenfassend berichtete er, dass sich mit einem Gemisch aus autologen Knochenspänen und KEM in Verbindung mit einer resorbierbaren Membran in der Regel gute Ergebnisse erzielen lassen. Bei einem primär vertikalen Knochendefekt ist jedoch die Verwendung einer nicht resorbierbaren Membran (e-PTFE-Material) vorzuziehen. Seine Erkenntnisse untermauerte Dr. Reinhardt durch zahlreiche klinische Beispiele. Über das Thema „Schnittführungen, Nahtmaterial, Wundheilung“ berichtete PD Dr. Dr. Stefan Schultze-Mosgau, Erlangen. Er stellte die unterschiedlichen Nahtmaterialien und Nadelkonfigurationen vor und erörterte deren Einfluss auf die Wundheilung und Narbenbildung. Ergänzend wurden nahtmaterialassoziierte Komplikationen der Wundhei- Prof. Dr. Dr. Henning Schliephake, Vizepräsident der DGI Tagungsbericht 191 Frau Leber (links) und Frau Schickedanz am DGI-Stand lung, wie Ischämie, überschießende Narbenbildung oder Wundinfektionen erläutert. Darauf aufbauend verifizierte der Referent die Auswahlkriterien für Nahtmaterialien: Neben der zu erwartenden mechanischen Beanspruchung des Gewebes seien die Gewebeverträglichkeit und die Infektionsgefahr besonders zu berücksichtigen. Dies wurde durch verschiedene Studien belegt, die sich mit der Wundheilung und den Knochendefekten als Folge bestimmter Nahtmaterialien und Nahttechniken nachweisen lassen. Auch der Einfluss verschiedener Schnittführungen wurde erläutert. Im zweiten Teil seines Vortrages stellte er eigene Forschungsergebnisse zum Thema zytokininduzierte profibiotische Wundheilung im Vergleich zur natürlichen Wundheilung dar. Im Mittelpunkt standen hierbei die proliferativen Zytokine IL1ß, TGFß1 und VEGF und deren Einfluss auf die einzelnen Wundheilungsphasen. Abschließend stellte er die Genese der Keratinozytenschicht durch Kollagenmatrizes dar. PD Dr. Dr. Johannes Kleinheinz, Münster, berichtete über die „Strategie der Schnittführung in der Implantologie“, wobei er zunächst auf die allgemeinen Anforderungen der Schnittführung sehr anschaulich einging und dann verschiedene Schnitttechniken erwähnte. Anschließend erläuterte er den chronologischen Ablauf der Wundheilungskaskade. Im Weiteren benannte er die drei grundsätzlichen Zielkonzepte bei der Wahl der geeigneten Schnittführung: das primär ästhetische, das plastisch geometrische und das Versorgungskonzept. Das letztere wurde erstmals 1987 im Rahmen der Angiosomen-Theorie beschrieben. Whetzel & Sanders beschrieben 1997 die intraoralen vaskulären Territorien, die sich durch die einzelnen Hauptgefäße ergeben, wobei er mit Hilfe von Fallbeispielen auf die veränderte Anatomie nach Zahnextraktionen und kieferchirurgischen Eingriffen einging. Er stellte dabei eine eigene Untersuchung über die vaskulären Territorien vor, wobei er zwei unterschiedliche Medien (Kautschuck-Lösung, Turosche Formalin-Lösung) nutzte, um das Gefäßsystem sichtbar zu machen. Als Ergebnis stellte Dr. Kleinheinz fest, dass die Gefäße eine eindeutige Flussrichtung haben (von zentral nach perifer), dass sie parallel zum Alveolarfortsatz verlaufen und der zahnlose Alveolarfortsatz ganz überwiegend gefäßfrei ist. Am Schluss seiner Ausführungen zitierte er eine Studie von Cranin aus dem Jahre 1998 über die unterschiedlichen Schnittführungsarten, die auch belegt, dass die crestale Schnittführung in Bezug auf eine schnelle Wundheilung und eine geringe Narbenbildung den anderen (paracrestal, Visierlappen und bogenförmiger Schnittführung) überlegen ist. Im Weiteren referierte Prof. Dr. Dr. Friedrich Wilhelm Neukam, Erlangen, über „Implantatgestützte Rehabilitation und Ästhetik des Gesichtes“. Zentrales Thema seines Referates waren die Wechselwirkungen zwischen dem Zahnsystem, dem Zahnersatz und der Ästhetik des © Deutscher Ärzte-Verlag Köln | zzi | Z Zahnärztl Impl | 2004;20(3) 192 Tagungsbericht Gesichtes. Schon der Verlust von nur wenigen Zähnen kann zur Folge haben, dass die Verhältnisse zwischen den Weichgeweben und den Alveolarfortsätzen gestört werden. Das kann zur Folge haben, dass sich die Form des Lippenrotes oder die Ausformung der Wangen ändert, was einen Patienten in der Regel älter erscheinen lässt. Eine frühzeitige Implantation mit entsprechender Versorgung der Implantate kann dem entgegen wirken. Seine Aussagen untermauerte Prof. Neukam anhand zahlreicher klinischer Beispiele. Das Thema „Periimplantitis“ behandelte Dr. Robert Haas aus Wien. Zunächst erklärte er die Ätiologie der Periimplantitis: Neben der bakteriellen Genese ist auch die mechanische Genese (Oberbelastung) oder eine Kombination beider Faktoren als Ursache für eine Periimplantitis anzusehen. Die primär eine Periimplantitis verursachenden Mikroorganismen sind Actinobacillus actinomycetemcomitans, Porphyromans gingivalis und Prevotella intermedia. Sie sind auch als Leitkeime für die Parodontitis verantwortlich. Primär Lang und Spiekermann führten ein auf dem Schweregrad der periimplantären Läsion basierendes Therapieschema ein, wobei grundsätzlich ein in Abhängigkeit von Art und Ausmaß des Knochendefekts konservatives, resektives oder regeneratives Behandlungsvorgehen empfohlen wird. Entsprechend behandelte Dr. Haas die Periimplantitis wie folgt: bei einer reinen Mukositis ist nur eine konservative Behandlung in Form der mechanische Plaqueentfemung in Kombination mit antimikrobiellen Substanzen indiziert. Bei der Periimplantitis hingegen führte er resektive bzw. regenerative Maßnahmen durch. Die vergleichende Bedeutung der verschiedenen Therapiemaßnahmen zur Behandlung der Periimplantitis ist allerdings bisher nur unzureichend durch eher wenige experimentelle Arbeiten untersucht worden, wobei klinische Erfahrungen hauptsächlich nur in Form von Falldokumentationen veröffentlicht wurden. Weiterhin erfolgte eine Überprüfung der Therapieergebnisse an einem größeren Patientenkollektiv nur in wenigen Studien. Dr. Haas zeigte verschiedene Fallbeispiele für die regenerative Therapie. Dr. Dr. Roland Streckbein, Präsident der DGI © Deutscher Ärzte-Verlag Köln | zzi | Z Zahnärztl Impl | 2004;20(3) Der Vortrag von Prof. Dr. Georg Watzek, Wien, stand unter dem Titel „Implantate bei Jugendlichen“, wobei er auf zahlreiche, ausgewählte klinische Fälle verweisen konnte: An der Wiener Klinik läuft eine Studie mit bisher 204 Patienten, die alle interdisziplinär kieferorthopädisch, chirurgisch und prothetisch versorgt wurden bzw. werden. 76 Fälle davon sind abgeschlossen. 19 der Patienten waren zum Zeitpunkt der Implantation zwischen neun und 15 Jahren jung und wurden mit insgesamt 55 Implantaten versorgt, wobei Nichtanlagen von (bleibenden) Zähnen in unterschiedlichem Ausmaß dominierten. Der Referent erläuterte die Besonderheiten zur Indikation von Implantaten in diesen Fällen und betonte die Vorteile einer frühzeitigen Implantation im Ober- und Unterkiefer ohne die Risiken unerwähnt zu lassen. Damit standen einerseits der Implantationszeitpunkt sowie der Implantationsort im Mittelpunkt der weiteren Ausführungen, andererseits der Einfluss von Implantaten auf das Wachstum. Problematisch sind vor allem die Front- und Prämolarenregion des Oberkiefers wegen der enormen Knochenatrophie nach Verlust der Milchzähne. Im Molarenbereich behindert die zunehmende Pneumatisation des Mittelgesichtsschädels die Verankerungsmöglichkeiten für Implantate. Wegen der besonderen anatomischen Verhältnisse kann auf bildgebende Verfahren bzw. auf die Computertomographie in derartigen Fällen nicht verzichtet werden. Zusammenfassend war eine Implantation mit prothetischer Rehabilitation bei Fehlen von mehr als zwei bleibenden Zähnen sowohl im Oberkiefer als auch im Unterkiefer vertretbar, wobei eine frühe Implantatinsertion die normale Entwicklung des stomatognathen Systems fördere und eine spätere orthodontische Behandlung erleichtere. Im Oberkiefer ist allerdings häufiger nach Wachstumsende eine Distraktionsosteogenese zur Korrektur der Position des Implantates erforderlich, da der periimplantäre Knochenbereich nicht mitwächst. Weiterhin müssen die implantatgetragenen Konstruktionen wegen des Wachstums des Gesichtsschädels von Zeit zu Zeit adaptiert werden. PD Dr. Dr. Stefan Schultze-Mosgau, Erlangen, referierte über das Thema „Präkonfluierende, mechanisch vorbehandelte Gewebekonstrukte zum ästhetischen Aufbau der periimplantären Gingiva“. Er zeigte anhand einer von ihm geleiteten In-vitro Studie, dass durch mechanische Belastung von im Labor aus Rattenschleimhautzellen generierten Gewebekonstrukten eine Zunahme der EZM-Komponenten und eine qualitative Zunahme des Volumens und der Dichte der Gewebekonstrukte im Vergleich zu unbelasteten zu erreichen war. Der Referent wies auf die sich abzeichnende zukünftige Möglichkeit hin, mit Hilfe des Tissue Engineerings differenzierte Gewebe, wie die periimplantäre Mukosa, zu züchten, um diese dann als Transplantat in der Implantologie einzusetzen. „Sofortversorgung und Sofortbelastung – breiter Pfad oder schmaler Grat?“ lautete der Titel des Beitrages von Prof. Dr. Dr. Henning Schliephake aus Göttingen. Zunächst diskutierte er die Ergebnisse von klinischen Studien, die sich mit den Grundlagen und den Erfolgskriterien für eine Sofortimplantation befassen. Dabei wurde deutlich, dass eine sofortige Implantatbelastung im Vergleich zur unbelasteten Einheilung keinen Nachteil für den Knochen- Tagungsbericht 193 Prof. Dr. Georg Watzek Implantat-Kontakt mit sich bringt. Es ist sogar eine gewisse Mikrobeweglichkeit von ca. 50 bis 200 µm tolerabel – was allerdings klinisch schwer einzuhalten ist –, ohne dass es zu einer bindegewebigen Einscheidung kommt. Aus klinischer Sicht liegt für den zahnlosen Unterkiefer die meiste Erfahrung für sofortbelastete Implantate vor, wobei zeitlich lange Nachbeobachtungszeiten mit hohen Implantatüberlebensraten, die fast denen von unbelasteten Spätimplantaten entsprechen, zusammenfallen. Grundsätzlich ist für sofortversorgte bzw. sofortbelastete Implantate die initiale Festigkeit, messbar durch das Drehmoment während der Implantation, einer der entscheidenden Parameter, der über den Erfolg der Maßnahme entscheidet. Zusammenfassend bezeichnete der Referent das Prinzip der Sofortbelastung als wertvolle Ergänzung zu den konventionellen Verfahren. Mit einer Erfolgsquote von über 90 % ist allerdings nur nach sorgfältiger Patientenauswahl zu rechnen. Dr. Dr. Roland Streckbein, Limburg, sprach über das Thema „Bone Management: Condensing –Spreading – Transfer, ein minimalinvasives Konzept für die zahnärztliche Praxis“. Diese Techniken dienen zur Verbesserung des knöchernen Implantatlagers, wobei für das Condensing bzw. das Spreading, abhängig von der Lokalisation, die subkongruente Vorbohrung entweder zu einer Verdichtung des knöchernen Implantatlagers oder zur Spreizung der lateralen Knochenwände führt. Beim Bone Spreading im OK kann, im Gegensatz zum UK, meist auf einen vertikalen Entlastungsschnitt verzichtet werden. Des Weiteren wurden verschiedene Methoden für Anlagerungsplastiken vorgestellt, wobei genormte Entnahmeinstrumente und Lagerfräsen den Knochentransfer beschleunigen sollen. Durch die gute Kongruenz des Empfängerbetts mit dem Transplantat soll es sogar möglich sein, auf Osteosyntheseschraube zu verzichten. Um die augmentierten Bereiche zu entlasten, setzt Dr. Streckbein Hilfsimplantate für eine temporäre prothetische Versorgung ein. Diese Hilfeimplantate besitzen einen kleinen Durchmesser und eine glatte Oberfläche und dienen für etwa drei bis vier Monate zur Befestigung von Acrylatbrücken. Prof. Dr. Ernst-Jürgen Richter Pressereferent der DGI Teil 2 erscheint in zzi 04/2004. Den Tagungsbericht können Sie auch im Internet unter www.zahnheilkunde.de abrufen. © Deutscher Ärzte-Verlag Köln | zzi | Z Zahnärztl Impl | 2004;20(3)