Hochdruckschulung im Klinikum Starnberg Medizinische Klinik – Gesundheitsakademie Selbsthilfegruppe Starnberg der Deutschen Hochdruckliga Was ich schon immer über Blutdruck wissen wollte ? Wie richtig Blutdruck messen ? Prof.Dr.med. Peter Trenkwalder Klinikum Starnberg www.hypertonie-starnberg.de 22.September 2008 Beginnen wir mit den Grundlagen • Was ist Blutdruck? – Definition – Die Interaktion zwischen Herz und Gefäßen – Das “Geheimnis” der zwei Blutdruckwerte – Messung • Was ist ein hoher Blutdruck? – – – Definition Konsequenzen Ursachen Blutdruck . . . einfach definiert Blutdruck bedeutet allgemein der Druck in den großen Gefäßen Dabei ist der Druck in den Arterien viel höher als in den Venen Das Gefäßsystem gleicht dabei einem Schlauchsystem ( z.B. Gartenschlauch ) - mehr oder weniger elastisch - mit dem Herz als Pumpe für das Blut Welche Faktoren beeinflussen den Blutdruck ? Das Herz bzw. die Herzkraft Tonus ( Spannungszustand ), Elastizität ( “Dehnbarkeit” ) und Widerstand der Gefäße Der Füllungszustand der Gefäße bzw. die Salzmenge im Körper Blutdruck Nur eine einfache Formel ? Das Ohm`sche Gesetz : U=IxR Spannung = Strom x Widerstand Blutdruck = Blutfluß x Widerstand Interaktion zwischen Herz und Gefäßen 120 Systolischer Druck Pulsdruck 110 mm Hg 100 90 Diastolischer Druck 80 Herzkammer Kontraktion Füllung Kontraktion Füllung Systolischer und diastolischer Blutdruck • Systolische Wert entspricht dem Druck, der entsteht, wenn sich das Herz zusammenzieht und das Blut in die Arterien pumpt - Kontraktionsphase • Erschlafft das Herz wieder, so entsteht der diastolische Blutdruck Entspannungsphase Füllung des Herzens Beide Werte werden paarweise und in mmHg angegeben Wie wird der Blutdruck aufgeschrieben? RR 138 / 86 mmHg RR Abkürzung für Blutdruck Riva Rocci, war ein italienischer Arzt, der 1895 den ersten Blutdruckapparat entwickelte. 138 der systolische Blutdruck oder der obere Wert 86 der diastolische Blutdruck oder der untere Wert mmHg bedeutet Millimeter auf der Quecksilbersäule und ist die Maßeinheit des Blutdrucks Wie wird der Blutdruck gemessen ? Heute meist mit automatischen oszillometrisch arbeitenden Messgeräten Arztpraxis Apotheke u.a. Langzeitblutdruckmessung Selbstmessung In Arztpraxis und Krankenhaus auch noch mit der auskultatorischen Methode Quecksilbersphygmomanometer Andere Handmessgeräte Was sind optimale und normale Blutdruckwerte ? Der optimale Blutdruck bei Erwachsenen liegt bei ‹120 / 80 mm Hg Der normale Blutdruck für einen Erwachsenen (bis 70 Jahre) liegt bei ‹130 / 85 mm Hg WHO / ISH 1999 Was ist ein hoher Blutdruck ? Ein hoher Blutdruck wird auch als Hypertonie bezeichnet Ein erhöhter Blutdruck beim Erwachsenen liegt vor bei ≥140 / 90 mm Hg – Im Sitzen mehrfach gemessen – Bei Selbstmessung >135 / 85 mmHg WHO / ISH 1999 Framingham – Studie Blutdruck und Lebensalter BD (mm Hg) 160 150 140 130 120 Frauen Männer Systolischer BD 90 80 Diastolischer BD 70 36 Kannel et al 1978 41 46 51 56 61 66 Alter (Jahren) 71 76 81 Hypertonie als Volkskrankheit • Hypertonie gehört in allen Industrienationen zu den häufigen Erkrankungen • Deshalb die Bezeichnung einer Volkskrankheit • Ab dem 50. Lebensjahr hat etwa jeder Zweite in Deutschland einen Bluthochdruck Hypertonie ist ein stummer Killer “Silent Killer” Die meisten Menschen haben eine Hypertonie über Jahre, ohne es zu wissen - macht in Frühstadien keine Symptome - kann ohne Warnsignale tödlich sein Bedeutung von regelmäßigen Blutdruckkontrollen Arzt – Apotheke – Bekannte – selbst Hochdruck – ein zu wenig beachtetes Risiko ! • Viele Patienten wissen nichts von ihrer Krankheit – Risikogruppe: z.B. Männer 25 – 55 Jahre • Von den bekannten Hypertonikern werden nicht alle behandelt, nur ca. 70 – 80 % • Von den behandelten Hypertonikern sind nur eine Minderheit ausreichend eingestellt, d.h. kontrolliert. Dies sind nur ca. 20 - 30 % ! Einzige Abhilfe Bei jedem Arztkontakt und am besten regelmäßig selbst den Blutdruck messen Bei mehrfach erhöhten Blutdruckwerten den Hausarzt wegen einer Behandlung aufsuchen Hypertonie ist mehr als nur ein erhöhter Blutdruck . . . Herz und Gefäße stehen unter großer ( Dauer-) Belastung Es entstehen Organschäden und Organerkrankungen Es entwickeln sich lebensbedrohliche kardiovaskuläre und zerebrovaskuläre Komplikationen – Hohe Komplikationsrate ( Morbidität ) – Verminderung der Lebenserwartung Augenhintergrund Gehirn Herz Niere Gefäße Hypertonie als Ursache oder Kofaktor bei: Herzattacken (Angina pectoris, Infarkt) Herzschwäche Schlaganfällen - Demenz Nierenversagen Schäden am Augenhintergrund Arteriosklerose (Gefäßverkalkung) Gefäßrupturen (Blutung) Hauptursache für Herz-KreislaufKrankheiten ist die Arteriosklerose Normale Gefäßalterung 5J 25 J 50 J 75 J Krankhafte Gefäßalterung Hypertoniker haben ein höheres Risiko für Schlaganfall und Erkrankungen der Herzkranzgefäße ( KHK ) Relatives Risiko für Schlaganfall Schlaganfall KHK 7 prospektive Beobachtungsstudien: Beobachtungsstudien: 843 Ereignisse 9 prospektive Beobachtungsstudien: Beobachtungsstudien: 4.856 Ereignisse 4.00 4.00 2.00 Relatives 2.00 Risiko 1.00 für KHK 1.00 0.50 0.50 0.25 0.25 Ausgangs- DBD Gruppe 76 84 91 98 105 mm Hg Ungefährer mittlerer diastol.Praxisdruck Beziehung eindeutiger ! MacMahon et al. Lancet 1990;335:766 Ausgangs- DBD Gruppe 76 84 91 98 105 mm Hg Ungefährer mittlerer diastol.Praxisdruck Mehr Ereignisse ! Blutdruck und kardiovaskulärer Risiko bei jüngeren und älteren Einwohnern – 30 Jahre Nachbeobachtung der Framingham Studie 100 Männer 100 80 Frauen 80 Ereignisse / 1,000 Patienten Ereignisse 60 / 1,000 40 Patienten 60 40 20 20 0 0 120140-– 160 160-– 1807474– 120 – 140 180 – 119 139 159 179 300 74- 120- 140- 160- 18074 – 120 – 140 – 160 – 180 – 119 139 159 179 300 SBD SBD 65 – 94 Jahre Vokonaset al 1988 35 – 64 Jahre Ursachen der Hypertonie Die essentielle oder primäre Hypertonie ist am häufigsten – Multifaktorielle Erkrankung, die aus einer Kombination angeborener und Umweltfaktoren entsteht ( „Gene und Umgebung“ ) 5% alle Krankheitsfälle haben eine fassbare Ursache (sekundäre Hypertonie) – Seltene erbliche ( monogenetische ) Defekte – Schlaf-Apnoe-Syndrom – Störungen der Nierenfunktion / Nierengefäße – Hormonelle Funktionsstörungen der Nebenniere u.a. Umgebungsfaktoren, die zur Hypertonie führen können Fettsucht (v.a. Bauchfett) und Übergewicht – Hohe Fett- und Kalorien-Zufuhr – Geringe Kalium-, Calcium- und Faser-(Ballaststoff-) -Zufuhr Hoher Salzkonsum Starker Alkoholgenuß (auf Dauer) Psychosozialer Stress – “unsere westliche Welt” Niedriges Geburtsgewicht Die häufigsten Stressfaktoren • Perfektionismus • Stark ausgeprägtes Pflicht- und Verantwortungsgefühl • Ständige Anspannung und Zeitdruck • Fehlende Entspannung, keine regelmäßigen Ferien • Finanzielle Sorgen • Angst um den Arbeitsplatz • Beziehungsprobleme • Gefühle der Isolation innerhalb der eigenen vier Wände • Schmerzen • Fehlende Anerkennung Psychosozialer Stress: Blutdruck bei Nonnen und „weltlichen“ Frauen Nonnen Kontrollen 170 150 Blutdruck 130 mm Hg 110 90 70 Entry 4 8 12 Zeit (Jahre) 16 20 (Timio et al 1988) Andere Faktoren, die zu einer Hypertonie beitragen Begleitkrankheiten wie – Diabetes mellitus – Nierenschwäche Einnahme bestimmter Medikamente Orale Kontrazeptiva (“Pille”) Steroide (“Cortison”), nichtsteroidale Schmerzmittel (“Rheumamittel”) Appetitzügler, Cyclosporin, abschwellende Nasentropfen selten Hormone in der Menopause Kardiovaskuläre Sterblichkeit in Abhängigkeit von Blutdruck und Diabetes Todesfälle pro 10.000 Patientenjahre 1,9-fach 241 Nichtdiabetisch 250 225 Diabetisch 2,8-fach 200 168 175 125 4,2-fach 50 0 80 60 54 128 109 2,9-fach 75 25 154 3,4-fach 150 100 1,9-fach 60 32 13 < 120 21 120–139 140–159 160–179 Systolischer Blutdruck (mmHg) Stamler, Diabetes Care 1993 180–199 > 200 Aufnahme des Hypertonikers im Krankenhaus mit . . . • Kopfschmerzen, Nasenbluten, Schwindel, Verwirrtheit • Schlaganfall • Herzanfall, Herzinfarkt, Herzschwäche • Herzrhythmusstörungen (Vorhofflimmern) • Gefässverschluss, Gefässeinriss u.a. Fazit: Normalwerte Optimaler Blutdruck < 120 / 80 mmHg Normaler Blutdruck < 130 / 85 mmHg Hypertonie mit Grund zur Behandlung > 140 / 90 mmHg Im Alter > 150 / 90 mmHg Blutdruckmessung Grundfragen • • • • Nur Praxismessung ( beim Arzt ) Nur Selbstmessung Beides kombiniert Wann Langzeit – Messung ( ABDM ) Die Standard-Messmethoden Praxismessung Screening / erste Diagnose ABDM (24-h-Messung) Diagnose - Bestätigung Schweregrad der HT Selbstmessung Therapie - Einstellung / Langzeit-Kontrolle Die Grundfrage vor 10 Jahren Ärzte als „Götter in Weiss“ ( Typ A ) oder Moderne Ärzte mit mündigen, aufgeklärten Patienten ( Typ B ) Arzt-Typ A verbietet seinen Patienten die Selbstmessung oder bekämpft sie und ignoriert die Werte Arzt-Typ B fördert die Selbstmessung und bezieht die Werte in seine TherapieEntscheidung mit ein Das Problem der Einzelmessung – Der Blutdruck schwankt in Abhängigkeit von: Körperlage Aktivität (physisch - geistig) Psyche – „Anspannung“ Tageszeit Nahrungsaufnahme - Medikamenteneinnahme Jahreszeit (Sommer/Winter) und Temp. Und der Blutdruck ist immer spezifisch für Lebensalter, Geschlecht und Rasse Beispiele für Blutdruckschwankungen Ambulante Blutdruckmessung ABDM Normalwerte • Tagesdurchschnitt • 24-h-Durchschnitt < 135 / 85 mmHg < 130 / 80 mmHg • Nachtabsenkung (23 - 5 Uhr) • Nachtdurchschnitt 15 - 20 % systol./ diastol. < 120 / 75 mmHg Sektion Blutdruckmessung der Hochdruckliga Standard- und andere Messmethoden • Praxismessung – durch Arzt am Oberarm mit Manometer – automatisch – durch Arzthelferin (gegen den „Weißkitteleffekt“) • ABDM – 24-h-Langzeitblutdruckmessung • Selbstmessung – Oberarm – Handgelenk • • • ( Messung in Apotheke, bei Freundin etc. ) ( Intraarterielle Messung ) ( Fingermessung ) Wie oft sollen wir messen ? • Bei stabilen Blutdruckwerten ist gelegentliches Messen völlig ausreichend • Bei Neueinstellung, Therapieänderungen, Nebenwirkungen etc. mehrmals am Tag, • z.B.: – Morgens nach dem Aufstehen vor Tabletteneinnahme – Vor / nach dem Mittagessen (Blutdruck oft niedrig) – Spätnachmittags oder im Laufe des Abends, je nachdem wann die aktivere Phase ist Praktische Tipps Handgelenksmessung • • • • Entspannt und bequem sitzen Angenehme Raumtemperatur Armbanduhr abnehmen Gerät richtig anlegen, immer gleiche Seite • Handgelenk entspannt auf Kissen o.ä. lagern ( „Herzhöhe“ ! ) • Messung evtl. mehrfach wiederholen mit ausreichender Pause ( 1-3 Min. ) Selbstmessung - Normalwerte • Blutdruck im Sitzen untertags <135 / 85 mmHg • Bei häufigen Messungen sollte die Mehrzahl der Werte <135 / 85 mmHg oder in dem von Ihrem Arzt genannten Bereich liegen – Dabei kann der individuelle Zielwert in der Einstellungsphase ( langsame Absenkung ) und bei älteren Patienten von diesem Normalwert abweichen Aktuelles Renale Sympathikusablation Sympathische Nierenarterien - Denervierung Ablationskatheter (links), mit dessen Spitze ein hochfrequenter Strom zur „Verödung“ von Sympathikusfasern (vegetatives Nervensystem) in die Wand der Nierenarterien abgegeben werden kann . Sympathische (renale) Denervierung • Interventionelle Methode (mit einem Ablationskatheter) zur Blutdrucksenkung - Fasern des vegetativen Nervensystems, die in mit den Nierenarterien verlaufen, werden verödet („modifziert“) – ca. 5 x 30 min je Seite • Ca. 15% Non-Responder • Simplicity HTN2-Study mit eindeutiger Blutdrucksenkung ( bis ∆ 40/13 mmHg ) • Sympathikusaktivität nimmt ab ( Renin ↓ ) – Schlaich et al. N Engl J 2009 – Lancet 2009; 373: 1275-1281 • Parallel: Glucosestoffwechsel besser Allgemeinmassnahmen Wirkung auf den Blutdruck Methode Senkung des systol. BD Gewichtsabnahme 5–20 mmHg/10 kg Gewicht ↓ DASH Diät-Plan 8–14 mmHg Kochsalzrestriktion 2–8 mmHg Regelm.Bewegung 4–9 mmHg Einschränkung Alkoholaufnahme 2–4 mmHg Vermeidung von Folgeschäden der Hochdruck-Krankheit Patientenschulung und -motivation Gewichtsreduktion Ernährungsumstellung Medikamentöse Behandlung Körperliche Bewegung Bin ich gefährdet? Bewegungsmangel Familiäre Veranlagung Stress Erhöhte Blutfettwerte Rauchen Bluthochdruck Alter Empfängnisverhütungspille und Rauchen Alkohol Vitaminmangel Zuckerkrankheit Übergewicht Wechseljahre (Menopause) Kalorien-Abbau 250 Kcal sind in: werden abgebaut durch: 40 g Erdnüssen 90 min Spazierengehen 50 g Mandeln 90 min Fensterputzen 50 g Schokolade 90 min Bügeln 200 g Fruchteis 40 min Radfahren (15 km/h) 0,3 L Wein 40 min Schwimmen (25 m/min) 0,5 L Bier, Cola 35 min Tischtennis 0,1 L Whisky 25 min Joggen Entwicklung der Antihypertonika Reserpin (1949) 1950 HCTZ (1958) 1960 Diuretika Diuretika Verapamil (1963) Furosemid (1964) Betablocker Betablocker Propranolol 1970 (1965) Calcium-Antagonisten Calcium-Antagonisten Alpha-1-Blocker Alpha-1-Blocker Nifedipin (1975) Prazosin (1977) 1980 Captopril (1981) ACE-Hemmer ACE-Hemmer 1990 Losartan (1995) 2000 AT-1-Rezeptorblocker AT-1-Rezeptorblocker Renin-Blocker Renin-Blocker Immer wieder eine Grundfrage für Arzt und Patienten Ziele einer modernen Hochdrucktherapie Blutdruck: normal Komplikationen: verhütet Lebensqualität: unbeeinträchtigt Angriffspunkte verschiedener Hochdruckmedikamente Diuretika Na+ / Cl -/ H2O-Exkretion β-Blocker/Renin-Blocker Reninfreisetzung Reninwirkung ↓ AT1-Blocker / ACE-Hemmer Aldosteronsekretion AT1-Blocker / ACE-Hemmer / β-Blocker Sympathikusaktivität β-Blocker Herzzeitvolumen α-Blocker/β β-Blocker peripherer Gefäßwiderstand AT1-Blocker / Ca-Antagonisten / ACE-Hemmer peripherer Gefäßwiderstand Tw-9/2008 Medikamentöse Therapie Renin Angiotensinogen Angiotensin I Angiotensin II AIdosteron Erregung Nebenwirkungen der Antihypertensiva ... vor allem in der Einstellungsphase und bei Dosissteigerungen Blutdruckabfall Schwindel / Kreislaufschwäche Kopfschmerzen Müdigkeit Übelkeit Potenzstörungen Zusammenfassung • Hypertonie ist häufig ( „Volkskrankheit“ ), oft unerkannt und oft unzureichend behandelt • Ursache der Hypertonie sind Anlagefaktoren „Gene“ und Umweltfaktoren – die Umgebung • Langjährige Hypertonie führt zu Schäden an Herz, Gefäßen, Nieren und Gehirn • Hypertonie „tut nicht weh“, deshalb hilft zur Diagnose nur regelmäßiges Blutdruckmessen • Hypertonie kann man gut behandeln mit wirksamen Allgemeinmassnahmen und / oder modernen Medikamenten