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Dr. Aneta PecanovSchröder: Im Expertenzirkel diskutieren Prof. Dr. Dr. S. Jepsen, PD Dr. P. Hahn, Prof. Dr. M. Wichmann, Dr. E. Behrens und Dr. G. M. Iglhaut
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MINImalinvasiv!
„Minimal-invasive Zahnheilkunde“ wird meist mit den Bereichen
Kariologie und Füllungstherapie sowie Parodontologie verbunden.
Ist der minimal-invasive Therapie-Ansatz also nur diesen Bereichen vorbehalten und bilden implantologische und prothetische
Versorgungen dazu einen krassen Widerspruch?
Unter minimal-invasiver Zahnheilkunde sollte nicht nur „das
‚Bohren kleiner Löcher’ verstanden werden, appelliert
Prof. Dr. Dr. Hans Jörg Staehle in seinem Gasteditorial für die
aktuelle DM-Ausgabe, denn „diese Sichtweise
wird den dahinter stehenden Vorstellungen
kaum gerecht. Es geht darum, wie die Disziplinen der Zahnmedizin zur Erhaltung
gesunder oraler Strukturen beitragen
können.“
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Deshalb gibt das Dental Magazin
Experten aus verschiedenen Bereichen
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das Wort. In dieser und der nächsten DM-Ausgabe diskutieren im Expertenzirkel
PD Dr. Petra Hahn, Abteilung
für Zahnerhaltungskunde und Parodontologie, Universität Freiburg; Prof. Dr.
Dr. Søren Jepsen, Poliklinik für Parodontologie, Zahnerhaltung und Präventive Zahnheilkunde,
Universität Bonn; Prof. Dr. Manfred Wichmann, Poliklinik für zahnärztliche Prothetik der Universität Erlangen;
Dr. Eleonore Behrens, Klinik für Mund- Kiefer- und Gesichtschirurgie der Universität Kiel sowie Dr. Gerhard M. Iglhaut, in eigener Praxis in Memmingen/Allgäu niedergelassen sowie Fortbildungsreferent der Deutschen Gesellschaft für Implantologie.
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„Extension for prevention“ – Das Black’sche Postulat war lange Zeit verbreitete Lehrmeinung.
Heute heißt die Maxime in der modernen Zahnheilkunde: „Prevention of extension“. Minimalinvasive Zahnheilkunde liegt im Trend.
Frau Dr. Hahn, was verstehen Sie konkret darunter?
Hahn: Die minimal-invasive Therapie im Bereich
Zahnerhaltung bedeutet Schonung der gesunden
Zahnsubstanz während der invasiven Therapie.
Sie beinhaltet ein komplexes Behandlungskonzept mit präventiven und invasiven Maßnahmen.
Minimal-invasiv bedeutet auch, dass eine beginnende, noch auf den Schmelz begrenzte Karies
durch eine Verbesserung der Ernährung und der
Mundhygiene, Fluoridierungsmaßnahmen, Versiegelungen und antibakterielle Methoden zum Stillstand gebracht werden kann. Gegebenenfalls
kann es auch zu einer restitutio ad integrum
kommen. Im Wurzelbereich kann auch eine
Karies, die bereits zur Erweichung des Dentins
geführt hat, „ausheilen“.
„Minimal-invasiv“ – ein Modewort oder ein klares Therapiekonzept, Herr Prof. Jepsen?
Jepsen: Der Begriff „minimal-invasiv“ ist in den
letzten Jahren sicherlich überstrapaziert worden.
Gemeint ist die Vermeidung einer „Überbehandlung“, d. h eine gewebeschonende und damit
defektbezogene Vorgehensweise bei therapeutischen Eingriffen jeder Art. Konkret für das Fachgebiet Parodontologie hat sich diese Hinwendung zu
minimal-invasiven Methoden bereits vor vielen Jahren in der Abkehr von groß angelegten Lappenoperationen („von Ohr zu Ohr“) hin zu gezielten korrektiven oder aber regenerativen operativen Eingriffen unter Einsatz von feinen chirurgischen Instrumenten und Nahtmaterialien vollzogen.
Was setzt ein solches Vorgehen in der Parodontologie voraus?
Jepsen: Voraussetzung ist die zuvor erfolgreich
durchgeführte antiinfektiöse Therapie, die durch
Verwendung neu entwickelter Instrumente schonend und zugleich effektiv erfolgt. Auch wichtige
Patienten-zentrierte Aspekte wie die Vermeidung
von Schmerzen, eine möglichst rasche Wundheilung und gute ästhetische Ergebnisse gewinnen
zurecht immer mehr an Bedeutung und können
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mit einer modernen Parodontitistherapie realisiert
werden.
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Herr Dr. Iglhaut, was verbinden Sie mit dem Ausdruck „minimal-invasiv“?
Iglhaut: Damit verbinde ich primär gewebeschonend. Ich verstehe unter diesem Begriff Behandlungsstrategien, die mit innovativen Techniken und
Instrumenten bzw. Hilfsmitteln substanzerhaltend,
präzise und atraumatisch realisiert werden. Im
Bereich der Parodontologie und Implantologie sind
dies z. B. Weichgewebsoperationen, die mit mikrochirurgischen Spezialinstrumenten und Nahtmaterialen unter Zuhilfenahme von Sehhilfen durchgeführt werden. Ziel ist eine primäre Wundheilung zur
Sicherung von Hart- und Weichgewebsaufbauten.
Behrens: Wir sehen in der minimal-invasiven Zahnheilkunde nicht nur die mögliche Kariestherapie mit
Carisolv oder die Parodontaltherapie mit Emdogain,
sondern auch die Therapie mit Adhäsivbrücken und
Einzelzahnimplantaten oder mehreren Implantaten
im zahnlosen Unter- oder Oberkiefer mit Sofortbelastung auf einer steggetragenen Suprakonstruktion.
Wichmann: Ein klassisches Beispiel aus der Prothetik ist der Ersatz eines fehlenden Zahnes durch eine
implantatgetragene Krone. Das Ziel minimal-invasiver Zahnheilkunde ist ja, durch eine räumliche
Reduktion der medizinisch erforderlichen Behandlung auf die unmittelbar betroffenen Bereiche
benachbarte Strukturen entweder gar nicht oder nur
in einem minimalen Umfang zu beeinträchtigen.
Durch den Einsatz von Implantaten ist es möglich,
Zähne zu ersetzen, ohne dass karies- bzw. füllungsfreie Nachbarzähne für die Aufnahme von Brückenpfeilern beschliffen und damit irreversibel geschädigt
werden müssen. Die Implantation, die für sich
genommen ebenfalls einen invasiven Vorgang darstellt, spielt sich dagegen in einem regenerierbaren
Bereich ab, der selbst im Falle des seltenen Misserfolges keine irreversible Schädigung nach sich zieht, wie
es das Beschleifen eines Zahnes darstellt.
Behrens: Eine entsprechend schonende, wenig traumatisierende Behandlungsform fand z. B. in der allgemeinen Chirurgie schon vor zwei Jahrzehnten in
Form der endoskopischen Operationen Einzug. Bezogen auf die Implantologie zählt z. B. die Durchführung eines Sinus-Lifts mit Knochenersatzmaterial, so
dass ein zweiter OP-Situs wie der Beckenkamm, die
Linea obliqua oder das Kinn entfällt.
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Hahn: „Erst wenn die
kariöse Zahnfläche nicht
mehr ‚prophylaxefähig’
ist, d. h. nach einem Einbruch der Oberfläche mit
unterminierender Ausbreitung, sind invasive
Maßnahmen notwendig,
um den Prozess zum Stillstand zu bringen. Oder
bei aus anderen Gründen
progredienten Läsionen,
z. B. nicht kooperativen
Patienten.“
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Wichmann: „Sicherlich
ist das vornehmste Ziel
präventionsorientierter
Zahnmedizin, dass keine
Zähne verloren gehen
und somit auch keine
Implantate zu deren
Ersatz erforderlich werden. Allerdings sind wir
noch weit von diesem
Zustand entfernt und
müssen uns daher noch
länger mit der Frage
minimal-invasiver Therapien im Zusammenhang
mit Zahnersatz auseinandersetzen.“
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Dr. Aneta PecanovSchröder: Im Expertenzirkel diskutieren Prof. Dr. Dr. S. Jepsen, PD Dr. P. Hahn, Prof. Dr. M. Wichmann, Dr. E. Behrens und Dr. G. M. Iglhaut
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Foto-Dokumentation von Dr. Petra Hahn – Ausgangssituation:
Die Patientin, 26 Jahre, wünschte eine ästhetische
Korrektur ihrer Oberkiefer-Frontzähne, einen Diastemaschluss. Die Behandlungsalternativen in dieser Situation sind Lückenschluss durch direkte
Composite-Veneers, indirekte Veneers aus Composite oder Keramik, VMK- oder Vollkeramik-Kronen.
Die Therapieentscheidung für das minimal-invasive
Vorgehen mit direkten Veneers aus Composite
wurde durch den Befund und den Patientenwunsch
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einer zahnsubstanzschonenden Behandlung beeinflusst. Es lagen kariesfreie Frontzähne (außer Kl IV
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zu zu Knirschen, wurde, um die Restauration langfristig zu sichern, nach Abschluss der restaurativen Behandlung eine Knirscherschiene angefertigt. Patientin wünschte möglichst substanzschonende Versorgung zum Schluss der Diastemata.
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Hahn: „Das klinische Bild
der Karies hat sich durch
ein gestiegenes Gesundheitsbewusstsein und
durch die Verbreitung
von Prophylaxemaßnahmen, vor allem mit Fluoriden, verändert. Heute finden wir eine große Zahl
an Initialläsionen. Durch
die Prophylaxe schreitet
der kariöse Zerstörungsprozess langsamer fort.
Kommt es zum Einbruch
der Oberfläche, zeigt sich
in den meisten Fällen
eine eher kleine Kavitation – mit gegebenenfalls
weit unterminierendem
Defekt.“
Abb. 1 und 2: Laterales Diastema beidseits. Links: Frontal-Ansicht in Okklusion. Rechts: Ansicht in von okklusal.
Abb. 3: Laterales Diastema beidseits durch direkte Compositeaufbauten an den Zähnen 13 mesial, 12 distal, labial
und mesial, 11 distal, 21 labial und distal, 22 mesial, labial
und distal, 23 mesial.
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Abb. 5: Diastemaschluss. Frontal-Ansicht in Okklusion.
Fotos: Dr. Hahn
sowohl bei z. B. avitalen Einzelzähnen, wie auch bei
kompletten Zahnbögen bei z. B. alters- oder entwicklungsbedingt dunklen Zähnen. Bei Zahnfehlstellungen, unfallbedingten Klasse IV-Defekten oder angeborenen Missbildungen (z. B. Zapfenzähnen) haben
wir mit der Adhäsivtechnik zusammen mit modernen, ästhetischen Compositematerialien eine sehr
zahnsubstanzschonende Möglichkeit der Rekonstruktion und ästhetischen Verbesserung.
Nehmen auch die gestiegenen Ansprüche an dentale Ästhetik auf die Entwicklung minimal-invasiver Therapiewege Einfluss?
Hahn: Auf jeden Fall verlangen sie neue Wege in der
Zahnerhaltung. z. B. ermöglicht das Bleichen von
Zähnen eine Verbesserung des Erscheinungsbildes,
Eine substanzschonende und defektbezogene
Vorgehensweise stellt hohe Ansprüche an das
Können und die Ausrüstung des Zahnarztes dar.
Welche Instrumente oder Geräte gehören Ihrer
Erfahrung zwingend zu einem minimal-invasiven
Konzept, Frau Hahn?
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Weitere Foto-Dokumentationen von Prof. Dr. M.
Wichmann, Dr. Dr. E.
Behrens und Dr. Gerhard
M. Iglhaut in Teil 2 des
Expertenzirkels in der
DM-Oktober-Ausgabe.
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Abb. 4: Diastemaschluss, frontale Ansicht.
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PD Dr. Petra Hahn
Nach dem Studium der Zahnheilkunde an der
Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg begann
ihre berufliche Laufbahn als wissenschaftliche
Assistentin in der Abteilung Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik der Universitätsklinik in Freiburg. 1987 folgte dann der Wechsel in die Abteilung Poliklinik für Zahnerhaltungskunde und
Parodontologie und nacheinander 1990 die
Ernennung zur Akademische Oberrätin, 1996 zur
Oberärztin und 2001 die Habilitation. Als Dozentin im Meisterkurs für Zahntechnik der Handwerkskammer Freiburg, Referentin für das Fortbildungsforum FFZ der südbadischen Zahnärzteschaft, Gastdozentin ist sie sehr aktiv und ist
Autorin zahlreicher wissenschaftlicher Vorträge
und Publikationen im In- und Ausland.
eine Software zur Risikobestimmung hilfreich (z. B.
Cariogram). Für die frühzeitige Diagnose einer approximalen kariösen Läsion müssen neben der visuellen
Diagnose sensiblere Techniken eingesetzt werden.
Solange wir noch keine mindestens gleichwertigen
Alternativen zur Verfügung haben, sind wir im
Approximalbereich auf Bissflügel-Röntgen-Aufnahmen angewiesen. Zusätzlich kann auch die Fiberoptiktransillumination dem erfahrenen Anwender wertvolle Hinweise auf einen Approximaldefekt geben.
Empfiehlt sich zur Diagnose der okklusalen
Karies auch der Einsatz von Laserfluoreszensmessung, beispielsweise Diagnodent?
Hahn: Ja, durchaus. Bei unsicherem Befund ist zur
Diagnose der okklusalen Karies neben der Laserfluoreszensmessung auch die Widerstandsmessung sinnvoll. Die minimale Eröffnung der Fissur mit den
speziellen Mikro-Diamant- oder Hartmetall-Schleifkörpern oder auch schallaktivierten Instrumenten
bietet ebenfalls eine Alternative.
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Hahn: „An der Zahn-,
Mund- und Kieferklinik
der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg ist dieser
Therapie-Ansatz fest verankert. In der Abteilung
für Zahnerhaltungskunde
und Parodontologie
basiert sowohl die Lehre
als auch die klinische
Behandlung auf minimalinvasiven Grundsätzen.“
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Hahn: Spezielle Mikro-Diamant- oder HartmetallSchleifkörper oder auch schallaktivierte Instrumente
ermöglichen bei der Präparation einer Kavität die
gezielte, substanzschonende Präparation des
Zugangs zur Karies. Für die Exkavation der Karies ist
die Anwendung einer Färbelösung zur Anfärbung der
Karies vor allem in unter sich gehenden Bereich der
Kavität empfehlenswert, z. B. im schlecht einsehbaren Bereich der Schmelz-Dentin-Grenze. Wenig sinnvoll ist die Anwendung hingegen in Pulpanähe.
Bei der Sekundärpräparation, der Nachbearbeitung
der Kavitätenränder, stellt vor allem bei kleinen
Kavitäten die Verletzung des Nachbarzahnes ein großes Problem dar. In nahezu 100 Prozent der Erstversorgungen wird der nicht geschützte Nachbarzahn
verletzt. Wir empfehlen deshalb den Einsatz von speziellen dicken Matrizen bei der Verwendung von
rotierenden Instrumenten oder die Anwendung von
oszillierenden Instrumenten wie schallaktivierten
Ansätzen (z. B. Sonicflex-Ansätze von KaVo, Piezon
Instrumente von EMS) oder einseitig diamantierte
Feilen (z. B. von Intensiv). Vor dem Einsatz spezieller Instrumente ist im minimal-invasiven Therapiekonzept jedoch zunächst eine umfassende Anamnese
und Befunderhebung, die die Bestimmung der
Kariesaktivität zusammen mit den individuellen Risikofaktoren einschließt, Voraussetzung. Hierzu ist
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Prof. Jepsen, welche Rolle spielen Diagnoseverfahren in der Parodontologie mit Blick auf eine
minimal-invasive Therapie?
Jepsen: Ein sehr gutes Beispiel ist die Entwicklung der
Laserfluoreszenzspektroskopie. Hier werden schon in
Kürze praxisreife Verfahren zur Verfügung stehen, die
beispielsweise durch faseroptische Detektion von sub-
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Dr. Gerhard
Michael Iglhaut
Der Oralchirurg mit Tätigkeitsschwerpunkt
Implantologie (BDIZ) und Spezialist der Parodontologie (EDA) ist seit 1987 in freier Praxis in
Memmingen/Allgäu niedergelassen. Seine Fachkompetenz lässt er in regelmäßgier Referententätigkeit national und international in den Bereichen Implantologie, Parodontologie, parodontale
Mikrochirurgie und Microdentistry einfließen.
Seit 2005 ist Dr. Iglhaut Dozent für den Studiengang Master of Science in Oral Implantology der
Steinbeis-Universität Berlin und der Deutschen
Gesellschaft für Implantologie (DGI). Darüber
hinaus gehört Dr. Iglhaut als Fortbildungsreferent zum Vorstand der DGI.
Iglhaut: „Die minimalinvasive Zahnheilkunde
hat auch im Bereich der
Implantologie Einzug
gehalten. Durch Entwicklung neuer Techniken
und Instrumente kann der
Patientenkomfort und die
Erfolgsaussicht erhöht
werden, wichtige Kriterien für beruflich wie privat aktive Menschen.
Erhebliche Einschränkungen durch Krankheit
werden heute kaum mehr
toleriert und sollten in
einer patientenorientierten Praxis vermieden
werden!“
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Foto-Dokumentation von Prof. Dr. Dr. Søren Jepsen
Regenerative parodontalchirurgische Therapie eines
vertikalen Defekts bei einer 55-jährigen Patientin
mit fortgeschrittener chronischer Parodontitis nach
antiinfektiöser Therapie (Papillenerhaltende Schnitt-
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führung, Applikation von Emdogain). Das evidenzbasierte Vorgehen zeichnet sich durch eine sehr
gute Vorhersagbarkeit und postoperative Wundheilung bei minimaler Belastung des Patienten aus.
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Prof. Dr. Dr.
Søren Jepsen, M.S.
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Jepsen: „In der universitären vorklinischen Ausbildung ist der Gedanke
der minimal-invasiven
Zahnheilkunde leider
keineswegs etabliert –
das Gegenteil ist der
Fall! Das liegt an der veralteten Approbationsordung und der damit verbundenen Ausrichtung
des vorklinischen Studiums auf Zahnersatz.
Es bleibt zu hoffen, dass
mit einer baldigen
Umsetzung des neuvorgelegten Entwurfs der
AppO-Z ein deutlicher
Wandel eintritt. In den
klinischen Kursen werden in den Fächern Zahnerhaltung und Parodontologie bereits heute
gewebeschonende,
defektorientierte Vorgehensweisen gelehrt.“
Abb. 1a: Zahn 33 mit
mesialen Sondierungstiefen von 7 mm.
Fotos: Prof. Jepsen
Abb. 1b: Röntgenologisch
sichtbarer vertikaler Defekt
(Ausschnitt aus Panoramaaufnahme).
ist Direktor der Poliklinik für Parodontologie,
Zahnerhaltung und Präventive Zahnheilkunde an
der Universität Bonn. Der gebürtige Hamburger,
der in den USA sowohl ein Postgraduierten-Programm Parodontologie (Loma Linda University,
Kalifornien, USA) als auch ein Post-Doktorat
absolviert hat, war danach zunächst als Oberarzt
an der Universität Kiel tätig. Prof. Jepsen ist
Diplomate of the American Board of Periodontology, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie (DGP) und der European Federation of Periodontology (EFP) und aufgrund zahlreicher Publikationen und Vorträge
international bekannt.
gingivalen Konkrementen die Qualität der parodontalen Behandlung bei minimal-invasiver Vorgehensweise
sichern und noch weiter verbessern können.
Abb. 1c: Papillenerhaltende Schnittführung
Abb. 1d: Blick in den vertikalen Zweiwanddefekt mit
mesialer Defektbegrenzung (weißer Pfeil).
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Bei der IDS 2003 wurde die Anwendung von
rotierenden (Einweg-)Instrumenten auf Polymerbasis vorgestellt. Damit sollte Dentinkaries
selektiv entfernt werden, ohne aber gesundes
Dentin abzutragen.
Hahn: Abgesehen von den Instrumenten auf Polymerbasis (SmartPrep) ermöglicht auch eine chemomechanische Exkavation (mit Carisolv) eine selektive und
damit schonende Entfernung der Karies. Eine sinnvolle Einsatzmöglichkeit dieser Techniken – zur Reduktion des Risikos einer Pulpaeröffnung – liegt beim
Entfernen einer pulpanahen Karies.
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Abb. 1e: Situation bei Nahtentfernung nach zehn
Tagen und primärer Wundheilung.
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Abb. 1f: Situation nach
sechs Monaten mit deutlicher Taschenreduktion und
nur geringfügiger Rezession.
Welche Rolle spielen Adhäsivsysteme in der
minimal-invasiven Therapie?
Hahn: Für die defektbezogene Rekonstruktion bietet die adhäsive Verankerung eine nahezu perfekte
Technik. Durch die vielen Anwendungsmöglichkei-
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Wichmann: „Im Bereich
der Implantologie selbst
wird heute an Verfahren
gearbeitet, die wiederum
die Invasivität des
implantologischen Eingriffs minimieren. Hier
können stellvertretend
Techniken wie die „flapless surgery“ genannt
werden, bei denen auf
eine umfangreiche
Weichteilmobilisierung
verzichtet wird. Ein weiteres Beispiel ist die Entwicklung geeigneter Knochenersatzmaterialien,
wodurch sich ein weiterer invasiver Eingriff zur
Entnahme von Knochen
(z. B. Beckenkamm) vermeiden lässt…“
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Behrens: „Auch in unserer Klinik hat das Behandlungskonzept der minimal-invasiven Therapie
einen festen Platz in den
Vorlesungen der einzelnen Disziplinen. Das
betrifft alle Fachbereiche.“
ten der modernen Adhäsivsysteme sind wir heute in
der Lage sowohl sehr kleine Kavitäten wie andererseits auch immer größer werdende Defekte mit der
direkten wie auch indirekten Technik substanzschonend zu versorgen. Als spezielle Instrumente für
die Versorgung sehr kleiner Kavitäten sind spezielle
Mikro-Modellationsinstrumente hilfreich, wie sie
von verschiedenen Herstellern angeboten werden.
Substanzschonung bei der Ausarbeitung verlangt
ein abgestimmtes Instrumentenset aus diamantierten Finierinstrumenten, ggf. Hartmetallfinierern,
Silikonpolieren und Schleifscheiben und ggf. Polierpasten, durch das die Gefahr der Verletzung der
gesunden Zahnsubstanz minimiert wird.
Herr Dr. Iglhaut, würden Sie die Liste noch
ergänzen?
Iglhaut: Meiner Erfahrung nach gehören Vergrößerungshilfen wie Lupe oder OP-Mikroskop mit entsprechender Beleuchtungseinrichtungen (Xenon-Licht)
auch klar zu einem minimal-invasiven Konzept.
Wichmann: Grundsätzlich setzt das gegenüber konventionellen Verfahren jeweils besondere Kenntnisse
und Fertigkeiten sowie einen höheren apparativen
Aufwand voraus. Im Hinblick auf den Einsatz enossaler Implantate muss z. B. die spezielle Kenntnis
der chirurgischen und prothetischen Besonderheiten
implantologischer Versorgungen vorhanden sein…
Behrens: …man sollte Schleimhautstanzen im
Instrumentarium haben, ebenso Knochenersatzmaterialien. In der Klinik wenden wir CAD/CAM Techniken an; digitales Röntgen und Navigation sind
selbstverständlich.
Wichmann: Neben der Ausrüstung muss auch die
Infrastruktur für implantologische Eingriffe vorgehalten werden. Der apparative und damit finanzielle Aufwand beim Einsatz besonderer bildgebender
Verfahren, die ein weniger invasives Vorgehen
ermöglichen, ist ebenfalls gegenüber den Standardtechniken erhöht.
Es klang ja schon mehrfach an: Apparative
Diagnostik spielt für eine minimal-invasive
Herangehensweise eine wichtige Rolle. Reicht
klinische Diagnostik nicht mehr aus?
Hahn: Nur mit der rein klinischen Diagnostik, ohne
die Erhebung zusätzlicher Befunde, erkennen wir nur
jede dritte approximale Karies bevor sie zum Einbruch der Randleiste geführt hat. Und für die Diag-
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Prof. Dr.
Manfred Wichmann
hat 1993 in Hannover habilitiert. Seit 2000 lehrt
er an der Universität Erlangen-Nürnberg und ist
Direktor der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik. Nach 10-jähriger Arbeit im Vorstand der
DGZPW wurde Prof. Wichmann im Jahre 2004 in
den Vorstand der DGI gewählt. Durch zahlreiche
wissenschaftliche Publikationen, Buchbeiträge
und umfangreiche Vortragstätigkeit ist er international bekannt.
nose einer Fissurenkaries, die das Dentin erreicht
hat, ist die klinische Diagnose noch unsicherer.
Behrens: Absolut! Ohne eindeutige Diagnostik ist
keine adäquate Therapie möglich. Daher sind digitales Röntgen, Laserfluoreszenz-Verfahren und
molekularbiologische Untersuchungen wie z. B.
DNA-Sondentests zur Keimbestimmung bei einer
periimplantären Infektion unumgänglich. Über die
perfekte Diagnosestellung kann eine minmal invasive Therapie erst indiziert sein.
Hahn: Durch die Anwendung sensiblerer Techniken
in der Kariesdiagnostik wie z. B. Bissflügel-Röntgen
(analog und digital), Fiberoptiktransillumination,
Laserfluoreszensmessung und Widerstandsmessung
sind wir viel früher in der Lage eine kariöse Zerstörung festzustellen, als dies mit der rein visuellen
Diagnostik möglich wäre. Deshalb sollte das Bissflügelröntgen bei der Erstuntersuchung zur Routine
gehören. Die zusätzlichen Methoden zur OkklusalKariesdiagnose (Laserfluoreszensmessung, Widerstandsmessung) können durch eine explorative
Untersuchung der Fissur umgangen werden, die
allerdings – wenn keine Dentinkaries vorliegt –
unnötigen Substanzverlust bedeutet.
Wichmann: In der Implantologie sind insbesondere
die bildgebenden Verfahren von großer Bedeutung.
In jüngster Zeit spielen dabei die dreidimensional
auflösenden tomographischen Techniken eine
zunehmend wichtigere Rolle, da sie im Rahmen der
Behandlungsplanung- und Durchführung eine präzise Beurteilung des Hartgewebs-Angebotes bzw.
Defizites erlauben. Für Techniken der „flapless surgery“ sind sie sogar unabdingbare Voraussetzung.
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BRISANT MINIMAL-INVASIV! (TEIL 1 VON 2)
Dr. Aneta PecanovSchröder: Im Expertenzirkel diskutieren Prof. Dr. Dr. S. Jepsen, PD Dr. P. Hahn, Prof. Dr. M. Wichmann, Dr. E. Behrens und Dr. G. M. Iglhaut
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Behrens: „Meiner Erfahrung nach, werden mit
der minimal-invasiven
Therapie die Kosten neutral gehalten. Wenngleich die Diagnostik
eventuell etwas kostenaufwändiger ist, gleicht
sich dies in der
Therapie durch manche
ersparende Behandlungsschritte aus.“
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Iglhaut: „Die minimalinvasive Zahnheilkunde
sollte meines Erachtens
fester Bestandteil der
Ausbildung heute sein. In
der Praxis sehe ich diesen innovativen Ansatz
bereits umgesetzt.“
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Teil 1 des Expertenzirkels
können DM-Leser unter
www.dentalmagazin.de
herunterladen.
Prof. Wichmann, Sie hatten vorhin schon den
finanziellen Aspekt angesprochen, lassen Sie uns
darauf noch einmal eingehen: Welchen Einfluss
haben „minimal-invasive“ Therapie-Konzepte
auf die unmittelbaren (Behandlungs-)Kosten für
den Patienten? Ist die Behandlung für den
Patienten unter dem Strich preiswerter, teurer
oder kostenneutral im Vergleich zu Therapien
ohne besonders substanzschonendes Vorgehen?
Wichmann: Am Beispiel implantatgetragenen Einzelzahnersatzes, vollkeramischer Klebebrücke und
3-D-navigierter Implantation wird deutlich, dass
minimal-invasiven Therapien gegenüber den konventionellen Alternativen zunächst finanziell aufwändiger sind. Das liegt an ihrer zumeist höheren
Komplexität, des höheren apparativen und materiellen Aufwands sowie des bereits beschriebenen
höheren Anforderungen an Kenntnis- und Fertigkeit
auf Seiten des Behandlers. Allerdings relativiert
sich diese Betrachtungsweise bei einer längerfristigen Sichtweise. Aufgrund fehlender Kollateralschäden, die bei den invasiveren konventionellen Therapieformen unvermeidlich sind, kann langfristig
durchaus eine Kostenneutralität, wenn nicht gar
ein finanziell günstigerer Ausgang, erwartet werden.
Gilt das auch für den Bereich der Zahnerhaltung,
Frau Dr. Hahn?
Hahn: Hier sind die Auswirkungen auf die Kosten
für den Patienten verschieden. Im Bereich der
erweiterten Befunderhebung und Diagnostik können für den Patienten zusätzliche Kosten entstehen, z. B. durch die Anwendung eines Kariesaktivitätstests oder moderne Techniken zur Karies-Diagnose. Auch Prophylaxe-Maßnahmen wie eine antibakterielle Therapie unter Verwendung von einem
Medikamententräger oder eine professionelle
Zahnreinigung bringen zusätzliche Kosten mit
sich. Bei der selektiven Kariesexkavation können
durch die Anwendung der entsprechenden Instrumente oder Substanzen, wie ich sie angesprochen
habe, ebenfalls weitere Kosten entstehen. Im
Gegensatz dazu besteht bei der Therapie größerer
Substanzdefekte heute durch die Adhäsivtechnik
die Möglichkeit, in verschiedenen Fällen eine indirekte Restauration (Teilkrone oder Krone) zu vermeiden. Auch durch die direkte Rekonstruktion
von Frontzahn-Fehlstellungen oder -Verletzungen
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DENTAL MAGAZIN 4/2005
Dr. Eleonore Behrens
absolvierte das Studium der Medizin und Zahnmedizin an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel
und am Flinders Medical Center Adelaide, Australien. Nach dem Staatsexamen folgte die Assistentenzeit in freier Praxis. 1992 begann die Ausbildung als Assistentin in der Klinik für Zahnärztliche
Prothetik, Propädeutik und Werkstoffkunde an der
Christian Albrechts-Universität Kiel (Direktor: Professor Dr.K.H.Körber). 1995 erfolgte die Ernennung
zur Oberärztin und 1996 zur stellvertretenden
Direktorin. 1999 folgte der Wechsel in die Klinik
für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Christian-Albrechts-Universität Kiel (Direktor: Professor
Dr.Dr.F.Härle). 2004 begann die Tätigkeit als freie
Mitarbeiterin in der Klinik für MKG-Chirurgie der
CAU Kiel (Direktor: Professor Dr. Dr. J. Wiltfang) in
der Sektion Implantologie und die Gründung der
Firma „ELAN“ („Conference and Science Medical
Consulting“, Direktor: Dr. Eleonore Behrens). Seit
1993 bis heute liegt der Forschungsschwerpunkt in
der Dentalen Implantologie
können Veneers oder Kronen umgangen werden.
Damit werden weiterer Substanzverlust durch die
Präparation vermieden und gleichzeitig Kosten
gespart.
Herr Dr. Iglhaut, wie ist Ihre Erfahrung als niedergelassener Zahnarzt?
Iglhaut: Teilweise schließe ich mich meinen Vorrednern an: Der apparative und zeitliche Aufwand ist
bei minimal-invasiven Therapie-Konzepten deutlich
erhöht. Dies muss zwangsläufig die Behandlungskosten verteuern. Andererseits erhöht das Arbeiten
mit Vergrößerungshilfen und Mikroinstrumenten die
Präzision und damit die Ergebnisqualität der Therapie. Dies sichert einen langfristigen Behandlungserfolg mit entsprechender Nachhaltigkeit für den
Patienten. Kalkuliert man den Zeitfaktor mit ein,
wird die Behandlung unter dem Strich preiswerter.
Teil 2 des Expertenzirkels „Minimal-invasiv!“
erscheint in der nächsten DM-Ausgabe am
10. Oktober.
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