1PM-WMATH-10 Grundlagen/Brückenkurs Dr. René Hempel 29. September 2017 Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 1 / 123 Inhaltsverzeichnis 1 Logik 2 Naive Mengenlehre 3 Relationen 4 Abbildungen 5 Algebraische Strukturen 6 Zahlen 7 Spezielle reelle Funktionen Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 2 / 123 Was Sie am Ende des Moduls können sollten 1 Sensibilisierung: Die Absolventen dieses Moduls begreifen die Mathematik als Hilfsmittel bei Planungs- und Entscheidungsproblemen der wirtschaftlichen Praxis. 2 Transfer: Sie besitzen die Fähigkeit, aus qualitativen Vorgaben mathematische Modelle zu bilden und deren Lösungsfindung im Kontext ökonomischer Fragestellungen zu begründen. Sie können das Ergebnis interpretieren, kritisch einschätzen und mit Fachleuten diskutieren. 3 Entscheidungsfähigkeit: Sie werden befähigt, die Kenntnisse in anderen wirtschaftswissenschaftlichen Fächern selbständig einzusetzen. 4 Schnittstelle: Auf der Grundlage der vermittelten Methoden können sich die Absolventen eigenständig weitergehende mathematische Methoden aneignen und anwenden. Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 3 / 123 Definitionen Eine Definition führt neue Begriffe oder Schreibweisen ein. Das zu definierende Objekt wird durch bereits bekanntes beschrieben. Wann immer der definierte Begriff auftaucht, kann dafür auch sein definierender Ausdruck eingesetzt werden. Achtung: Definitionen sind keine Propositionen1 , können also weder wahr noch falsch sein. Definitionen können höchsten „sinnfrei” sein, wenn das zu definierende Objekt der leeren Menge2 entspricht. 1 Der Begriff wird umgehend eingeführt. 2 Der Begriff wird auch umgehend konkretisiert. Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 4 / 123 Axiome Ein Axiom ins eine feste unumstößliche Tatsache, die als wahr hingenommen wird, ohne dass man sie beweisen könnte. Die gesamte Mathematik beruht auf gewissen Axiomen, die von früheren Mathematikern als „natürlich” angesehen wurden und zumeist auf der alltäglichen Wahrnehmung basiert. Ein Axiomensystem muss stets widerspruchsfrei sein. Es darf also nicht mehrere Axiome enthalten, die sich widersprechen, aus denen also stets falsche Aussagen gefolgert werden können. Ein Axiomensystem sollte stets unabhängig sein, d.h. kein Axiom darf bereits aus den anderen Axiomen gefolgert werden können. Ein Axiomensystem sollte im besten Fall vollständig sein, d.h. jede relevante Aussage, die dem Verständnis der untersuchten Mathematik entspricht, sollte aus dem Axiomensystem gefolgert werden können. Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 5 / 123 Satz, Beweis, Lemma, Korollar Ein Satz ist eine wichtige Aussage, die aus einem Axiomensystem gefolgert, also bewiesen werden kann. Der Beweis kann dabei bereits zuvor bewiesene Aussagen verwenden. Ein Satz liefert dabei wichtige Einsichten in die Struktur des untersuchten (mathematischen) Sachverhaltes. Das Ende eines Beweises wird hier mit markiert. Mit Lemma bezeichnet man einen Satz, der einen wichtigen Schlüsselgedanken enthält und der des öfteren nützlich sein kann. Ein Korollar3 ist eine einfache Folgerung aus einem Satz. Anmerkung: Einige Beweise sind recht kniffelig, insbesondere dann, wenn man das Beweisen nicht gewohnt ist. Hier gilt es, den Beweis erst einmal „sacken zu lassen”! 3 lat.: corollarium= Zugabe, Geschenk Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 6 / 123 Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 7 / 123 Genereller Ablauf Die Definitionen und Folgerungen des Brückenkurses liegen Ihnen als Folienausdruck vor und werden auch als solche präsentiert. Die Beweise und die Mehrzahl der Beispiele werden handschriftlich entwickelt, insbesondere um den eigentlichen Prozess des Nachweises einsichtiger zu gestalten. Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 8 / 123 Logik Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 9 / 123 Definition I.1.1 (Proposition): Propositionen sind Sätze, von denen sich sachverhaltsbezogen sagen lässt, sie seien entweder wahr (w) oder falsch (f). Definition I.1.2 (Junktor): Junktoren sind Worte oder Zeichen, die Teilpropositionen so zu einer Gesamtproposition verknüpfen, dass der Wahrheitswert der Gesamtproposition ausschließlich von den Wahrheitswerten der beteiligten Teilproposition abhängt. Definition I.1.3 (Negation): Eine Proposition heißt Negation einer bestehenden Proposition A , falls die Proposition immer dann wahr ist, wenn A falsch ist und immer dann falsch ist, falls A wahr ist. Die Negation der Proposition A soll mit ¬A (gelesen: nicht A ) notiert werden. Wahrheitstafel: A ¬A w f f w Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 10 / 123 Definition I.1.4 (Identität): Eine Proposition heißt Identität einer bestehenden Proposition A , falls die Proposition immer dann wahr ist, wenn A wahr ist und immer dann falsch ist, falls A falsch ist. Die Identität der Proposition A soll mit idA (gelesen: Identität A ) notiert werden. Wahrheitstafel: A idA w w f f Definition I.1.5 (Disjunktion): Eine Proposition C heißt Disjunktion zweier bestehender Propositionen A und B , falls die Proposition C nur dann wahr ist, wenn A wahr ist, B wahr ist oder A und B wahr sind. Die Disjunktion der Propositionen A und B soll mit A ∨ B (gelesen: A oder B ) notiert werden. Wahrheitstafel: A w w f f Dr. René Hempel B f w f w A ∨B w w f w 1PM-WMATH-10 29. September 2017 11 / 123 Definition I.1.6 (Kontravalenz): Eine Proposition C heißt Kontravalenz zweier bestehender Propositionen A und B , falls die folgende Wahrheitstafel gilt: A w w f f B f w f w ˙ A ∨B w f f w Definition I.1.7 (Konjunktion): Eine Proposition C heißt Konjunktion zweier bestehender Propositionen A und B , falls die folgende Wahrheitstafel gilt: A B A ∧B w f f w w w f f f f w f Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 12 / 123 Definition I.1.8 (Implikation): Eine Proposition C heißt Implikation zweier bestehender Propositionen A und B , falls die Proposition C nur dann wahr ist, wenn A falsch ist oder B wahr ist. Die Implikation der Aussagen A und B soll mit A ⇒ B notiert sein (gelesen: wenn A dann B ). Wahrheitstafel: A B A ⇒B w f f w w w f f w f w w Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 13 / 123 Definition I.1.9 (Äquivalenz): Eine Proposition C heißt Äquivalenz zweier bestehender Propositionen A und B , falls die Proposition C nur dann wahr ist, wenn A und B wahr sind oder A und B falsch sind. Die Äquivlanz der Propositionen A und B soll mit A ⇔ B notiert sein (gelesen: A genau dann wenn B ). Die dazugehörige Wahrheitstafel gestaltet sich wie folgt: A w w f f Dr. René Hempel B f w f w A ⇔B f w w f 1PM-WMATH-10 29. September 2017 14 / 123 Wir vereinbaren an dieser Stelle, dass 1 die Negation am stärksten binden soll. 2 die Disjunktion und Konjunktion gleichwertig sind, aber nicht so stark binden wie die Negation. 3 die Implikation und Äquivalenz gleichwertig sind, aber nicht so stark binden wie die Konjunktion respektive wie die Disjunktion. Anmerkung 1: Die Kontravalenz wurde ob der guten Ordnung halber erwähnt und um aufzuzeigen, dass in dieser Veranstaltung explizit zwischen einem „oder” und einem „entweder oder” klar zu trennen ist. Anmerkung 2: Die Identität wird für uns im Rahmen der Logik ebenfalls keine allzu große Rolle spielen, allerdings ist das Konzept der Identität in späteren Kapitel omnipräsent. Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 15 / 123 Definition I.1.10 (Tautologie, Kontradiktion, Kontingenz): Eine (zusammengesetzte) Proposition heißt 1 Tautologie, falls sie stets wahr ist. 2 Kontradiktion, falls sie stets falsch ist. 3 Kontingenz, wenn es sich weder um eine Tautologie noch um eine Kontradiktion handelt. Satz I.1.1 (Gesetz vom ausgeschlossenen Dritten): Sei A eine Proposition, dann ist A ∨ ¬A eine Tautologie. Satz I.1.2 (Gesetz vom ausgeschlossenen Widerspruch): Sei A eine Proposition, dann ist A ∧ ¬A eine Kontradiktion. Satz I.1.3: (Gesetz der doppelten Verneinung): Sei A eine Proposition. Dann ist A ⇔ ¬(¬A ) eine Tautologie. Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 16 / 123 Lemma I.1.4: (Nachweis einer Äquivalenz): Seien A und B Propositionen, dann ist die folgende Proposition eine Tautologie: (A ⇒ B ) ∧ (B ⇒ A ) ⇔ (A ⇔ B ) Satz I.1.5 (Kommutativgesetze4 ): Seien A und B Propositionen, dann ist jede der folgenden Aussagen eine Tautologie: 1 A ∧B ⇔ B ∧A 2 A ∨B ⇔ B ∨A 3 (A ⇔ B ) ⇔ (B ⇔ A ) Anmerkung: Die Implikation ist nicht kommutativ. Beispiel: Wenn man ins Wasser fällt, wird man nass. Wenn man nass ist, ist man allerdings nicht unbedingt ins Wasser gefallen. 4 lat.: commutare=vertauschen Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 17 / 123 Satz I.1.6 (Assoziativgesetze5 ): Seien A , B und C Propositionen, dann ist jede der folgenden Propositionen eine Tautologie: 1 A ∧ (B ∧ C ) ⇔ (A ∧ B ) ∧ C 2 A ∨ (B ∨ C ) ⇔ (A ∨ B ) ∨ C 3 (A ⇔ (B ⇔ C )) ⇔ ((A ⇔ B ) ⇔ C ) Satz I.1.7 (Distributivgesetze6 ): Seien A , B und C Propositionen. Dann ist jede der folgenden Propositionen eine Tautologie: 1 A ∧ (B ∨ C ) ⇔ (A ∧ B ) ∨ (A ∧ C ) 2 A ∨ (B ∧ C ) ⇔ (A ∨ B ) ∧ (A ∨ C ) 5 lat.: associare= verknüpfen, vernetzen 6 lat.: distribuere=verteilen Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 18 / 123 Satz I.1.8 (Gesetze von De Morgan7 ): Seien A und B Propositionen. Dann ist jede der folgenden Propositionen eine Tautologie: 1 ¬(A ∧ B ) ⇔ (¬A ∨ ¬B ) 2 ¬(A ∨ B ) ⇔ (¬A ∧ ¬B ) Satz I.1.9 (Prinzip der Kontraposition): Seien A und B Propositionen. Dann ist die folgende Proposition eine Tautologie (A ⇒ B ) ⇔ (¬B ⇒ ¬A ) Lemma I.1.10: Seien A und B Propositionen, dann ist die folgende Proposition eine Tautologie (A ⇒ B ) ⇔ (B ∨ ¬A ) 7 Augustus De Morgan (* 27. Juni 1806 in Madurai, Indien; † 18. März 1871 in London) Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 19 / 123 Mit Hilfe der Gesetze von DeMorgan schließen wir direkt I.1.10 I.1.8 ¬(A ⇒ B ) ⇔ ¬(B ∨ ¬A ) ⇔ ¬B ∧ A und somit ist aufgrund der Zweiwertigkeit A ⇒ B genau dann war, wenn ¬B ∧ A falsch ist. ,→ „Rezept” zur Abarbeitung eines Beweise durch Widerspruch. Sei dazu die Proposition A die Annahme und die Proposition B die Behauptung. 1 Beim indirekten Beweis nimmt man die Verneinung der Behauptung an und kennzeichnet sie als neue Annahme. 2 Die neue Annahme führt man zu einem Widerspruch (mit der Voraussetzung), d.h. man zeigt, dass die neue Annahme und Voraussetzung nicht gleichzeitig gelten können. 3 Beim Erreichen des Widerspruchs weiß man: Die neue Annahme war falsch. 4 Es gilt die Verneinung der neuen Annahme, also die ursprüngliche Behauptung. Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 20 / 123 Naive Mengenlehre Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 21 / 123 Die Proposition das etwas, nennen wir es x, zu einer Menge M gehört notieren wir über8 (x ist in der Menge M enthalten) :⇔ (x ∈ M ) bzw. das x nicht in einer Menge M enthalten ist (x ist nicht in der Menge M enthalten) :⇔ (x < M ) Mengenbildungungsprinzipien: 1 Deskription: {a, b , c, d , ...} 2 Komprehension: {x ∈ M | Proposition über x ist wahr.} Anmerkung: Das Symbol | wird „derart dass” gelesen. 8 :⇔ heißt per Definition äquivalent Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 22 / 123 Definition I.2.1 (Mengengleicheit): Zwei Mengen A und B sind gleich, falls sie gleiche Elemente besitzen. A = B :⇔ [(x ∈ A ) ⇔ (x ∈ B )] Definition I.2.2 (Teilmenge): Eine Menge A wird Teilmenge respektive Untermenge von B genannt, falls alle Elemente aus A auch in B zu finden sind. A ⊆ B :⇔ [(x ∈ A ) ⇒ (x ∈ B )] Anmerkung: A ⊂ B wird echte Teilmengenbeziehung genannt. Die Gleichheit der beteiligten Mengen ist dabei ausgeschlossen. Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 23 / 123 Korollar I.2.1: Zwei Mengen A und B sind gleich, falls sie Teilmengen voneinander sind, formal A = B :⇔ (A ⊆ B ∧ B ⊆ A ) Definition I.2.3 (Leere Menge): Mengen, die keine Elemente beinhaltet, nennt man leere Menge. Lemma I.2.2 (Eindeutigkeit der leeren Menge): Die leere Menge ist eindeutig bestimmt. ,→ Wir taufen die leere Menge mit dem Symbol ∅. Anmerkung: Mit einer ähnlichen Begründung wie im Beweis des Lemmas I.2.2 zeigt man: Die leere Menge ∅, ist wegen (x ∈ ∅) ⇒ (x ∈ M ) für beliebige Mengen M Teilmenge einer jeden Menge. Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 24 / 123 Definition I.2.4 (Potenzmenge): Sei M eine vorgelegte Menge, dann heißt das Mengensystem aller Teilmengen von M P (M ) := {A |A ⊆ M } Potenzmenge von M . Anmerkung: Die Potenzmenge ist ob P (∅) = {∅} niemals leer. Definition I.2.5 (Mengenoperationen): Seien M , N und Ω vorgelegte nichtleere Mengen mit M , N ⊆ Ω, dann heißen die Mengen 1 M ∩ N :⇔ {x ∈ Ω | x ∈ M ∧ x ∈ N } 2 M ∪ N :⇔ {x ∈ Ω | x ∈ M ∨ x ∈ N } 3 M \ N :⇔ {x ∈ Ω | x ∈ M ∧ x < N } M M N :⇔ {x ∈ Ω | x ∈ M \ N ∨ x ∈ N \ M } Durchschnitt, Vereinigung, Mengendifferenz respektive symmetrische Differenz der Mengen M und N . 4 Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 25 / 123 Graphische Illustration (Venn-Diagramm) M ∩N M M ∪N N M M \N M Dr. René Hempel N M MN N M 1PM-WMATH-10 N 29. September 2017 26 / 123 Anmerkung 1: Die Mengendifferenz M \ N wird auch relatives Komplement von N in M genannt. Die Mengendifferenz M̄ := Ω \ M heißt dagegen nur Komplement. Anmerkung 2: Aus Definition I.2.5 folgt, dass man ebenfalls M \ N = M ∩ N̄ und M M N = (M \ N ) ∪ (N \ M ) = M ∩ N notieren kann. Anmerkung 3: Es kann vorkommen, dass Mengen M und N keine gemeinsamen Elemente besitzen. In diesem Fall gilt M ∩ N = ∅ und die Mengen M und N werden disjunkt oder punktfremd genannt. Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 27 / 123 Satz I.2.3 (Kommutativgesetze): Seien M , N ⊆ Ω Mengen, dann gelten die folgenden Kommutativgesetze: 1 M ∩N = N ∩M 2 M ∪N = N ∪M 3 M MN =N MM Anmerkung: Die Mengendifferenz ist nicht kommutativ. Satz I.2.4 (Assoziativgesetze): Seien M , N , O ⊆ Ω Mengen, dann gelten die folgenden Assoziativgesetze: 1 M ∩ (N ∩ O ) = (M ∩ N ) ∩ O 2 M ∪ (N ∪ O ) = (M ∪ N ) ∪ O 3 M M (N M O ) = (M M N ) M O Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 28 / 123 Satz I.2.5 (Distributivgesetze): Seien M , N , O ⊆ Ω Mengen, dann gelten die folgenden Distributivgesetze 1 M ∩ (N ∪ O ) = (M ∩ N ) ∪ (M ∩ O ) 2 M ∪ (N ∩ O ) = (M ∪ N ) ∩ (M ∪ O ) Satz I.2.6 (Gesetze von DeMorgan): Seien M , N ⊆ Ω Mengen, dann gilt: 1 A ∩ B = Ā ∪ B̄ 2 A ∪ B = Ā ∩ B̄ Satz I.2.7 (Monotonie): Seien M , N , O ⊆ Ω nichtleere Mengen, dann gilt: 1 M ⊆ N ⇒ M ∩O ⊆ N ∩O 2 M ⊆ N ⇒ M ∪O ⊆ N ∪O Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 29 / 123 Satz I.2.8: Seien M , N ⊆ Ω nichtleere Mengen, dann sind die folgenden Aussagen äquivalent zueinander: 1 M ⊆N 2 M ∩N = M 3 M ∪N = N Definition I.2.6 (Quantoren): Sei Ai mit i ∈ I und I Indexmenge eine Familie von Propositionen, dann sind ^ _ Ai bzw. Ai i ∈I i ∈I nur wahr wenn alle Ai war sind bzw. mindestens ein Ai war ist. Wir notieren für den Wahrheitsfall ^ _ Ai :⇔ ∀i ∈ I : Ai bzw. Ai :⇔ ∃i ∈ I : Ai i ∈I i ∈I und bezeichnen ∀ als Allquantor bzw. ∃ als Existenzquantor. Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 30 / 123 Der Ausdruck ∀i ∈ I : Ai wird wie folgt gelesen: Für alle i ∈ I ist die Proposition Ai wahr. Der Ausdruck ∃i ∈ I : Ai wird wie folgt gelesen: Es existiert mindestens ein i ∈ I für das die Proposition Ai wahr ist. Satz I.2.9 (DeMorgan für Propositionsfamilien): Sei Ai mit i ∈ I und I Indexmenge eine Familie von Propositionen, dann gilt: 1 ¬∀i ∈ I : Ai ⇔ ∃i ∈ I : ¬Ai 2 ¬∃i ∈ I : Ai ⇔ ∀i ∈ I : ¬Ai Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 31 / 123 Definition I.2.7 (Mengenoperationen auf Mengenfamilien): Seien Ω eine Menge und die Indexmenge I , ∅ vorgelegt. Des Weiteren sollen für i ∈ I Mengen Ai existieren, welche allesamt Ai ⊆ Ω erfüllen, dann ist mit [ 1 Ai := {x ∈ Ω | ∃i ∈ I : x ∈ Ai } i ∈I 2 \ Ai := {x ∈ Ω | ∀i ∈ I : x ∈ Ai } i ∈I die Vereinigung respektive der Durchschnitt über das Mengensystem {Ai }i ∈I gegeben. Anmerkung: Es ist hier zu betonen, dass die oben angeführte Definition I.2.7 eben nicht Ai , Aj für alle i , j ∈ I mit i , j fordert. Ebenso wird nicht verlangt, das Ai , ∅ zu gelten hat. Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 32 / 123 Satz I.2.10 (DeMorgan für Mengenfamilien): Sei {Ai }i ∈I eine vorgelegte Familie von Teilmengen bezüglich einer Menge Ω mit Indexmenge I , ∅, dann gilt [ \ 1 Āi Ai = 2 i ∈I i ∈I \ [ Ai = i ∈I Dr. René Hempel Āi i ∈I 1PM-WMATH-10 29. September 2017 33 / 123 Relationen Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 34 / 123 Definition I.3.1 (Paar): Seien A und B vorgelegte nichtleere Mengen und seien x ∈ A und y ∈ B . Dann heißt die (Paar-) Menge (x, y) := {{x}, {x, y}} Kuratowski-Paar oder einfach nur Paar. Satz I.3.1 (Ordnungseigenschaft des Paares): Seien A und B vorgelegte nichtleere Mengen und seien x1 , x2 ∈ A und y1 , y2 ∈ B . Des Weiteren seien (x1 , y1 ) und (x2 , y2 ) geordnete Paare, dann gilt: (x1 , y1 ) = (x2 , y2 ) genau dann wenn (x1 = x2 ) ∧ (y1 = y2 ) ,→ Ob des Satzes I.3.1 spricht man auch von geordneten Paare respektive Tupeln. Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 35 / 123 Definition I.3.2 (Kartesisches Produkt): Seien A und B vorgelegte Mengen mit x ∈ A und y ∈ B . Die Menge A × B := {(x, y)|x ∈ A ∧ y ∈ B } heißt kartesisches Produkt von A und B . ,→ Das kartesische Produkt besteht somit aus allen geordneten Paaren, bzw. Tupeln, der vorgelegten Mengen A und B . Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 36 / 123 Kartesisches Produkt, Visualisierung B 1 A 2 z (z, 1) (z, 2) y (y, 1) (y, 2) x (x, 1) (x, 2) A ×B Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 37 / 123 Satz I.3.2 (Distributiv- und Assoziativgesetze): Seien {Ai }i ∈I und {Bj }j ∈J vorgelegte Familien von nichtleeren Teilmengen bezüglich einer Menge Ω mit nichtleeren Indexmengen I und J , dann gelten die folgenden Gesetze \ \ \ A ∩ B = 1 Ai ∩ Bj (Assoziativgesetz) i j i ∈I 2 i ∈I 3 j ∈J \ \ A ∪ B = i j i ∈I 4 j ∈J [ [ A ∪ B = i j j ∈J [ [ A ∩ B = j i i ∈I Dr. René Hempel j ∈J (i ,j )∈I ×J [ Ai ∪ Bj (Assoziativgesetz) (i ,j )∈I ×J \ Ai ∪ Bj (Distributivgesetz) (i ,j )∈I ×J [ Ai ∩ Bj (Distributivgesetz) (i ,j )∈I ×J 1PM-WMATH-10 29. September 2017 38 / 123 Satz I.3.3: Seien A und B vorgelegte Mengen, dann gilt: A ×B = ∅ ⇔ A = ∅∨B = ∅ Satz I.3.4 (Distributivgesetze): Seien A , B , C ⊆ Ω wieder vorgelegte nichtleere Mengen. Des Weiteren sei ∗ durch je eine der Mengenoperationen ∩, ∪, \ gegeben, dann gilt: (A ∗ B ) × C = (A × C ) ∗ (B × C ) Dr. René Hempel und A × (B ∗ C ) = (A × B ) ∗ (A × C ) 1PM-WMATH-10 29. September 2017 39 / 123 Definition I.3.3 (Relation, Vorbereich, Nachbereich): Seien A , B ⊆ Ω vorgelegte nichtleere Mengen und R ⊆ A × B, dann heißt die Teilmenge R zweistellige Relation zwischen den Elementen von A und B . Gilt A = B , so heißt die Teilmenge R zweistellige (homogene) Relation auf A . Die Menge A wird Vorbereich und die Menge B wird Nachbereich der Relation genannt. Anmerkung: Anstatt (x, y) ∈ R notiert man auch xRy, um zu signalisieren, dass x ∈ A in Relation mit y ∈ B steht. Diese Notation wird auch Infixnotation genant. Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 40 / 123 Abstrakte Beispiele: 1 R = ∅ (leere Relation) und R = A × B bzw. R = A × A =: A 2 (Allrelation). 2 idA := {(x, x) | x ∈ A } ⊆ A × A heißt identische Relation bzw. Diagonale. 3 Sei R ⊆ A × B eine Relation, dann wird R −1 := {(y, x) ∈ B × A | xRy} Umkehrrelation genannt, welche auch immer definiert ist. 4 Seien A , B , C nichtleere Mengen mit x ∈ A , y ∈ B und z ∈ C . Des Weiteren sei R ⊆ A × B und S ⊆ B × C Relationen zwischen A und B respektive B und C , dann heißt S ◦ R := {(x, z) ∈ A × C | ∃y ∈ B : xRy ∧ yRz} Relationskomposition. Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 41 / 123 Definition I.3.4 (Relationseigenschaften): Sei A eine vorgelegte Menge und R eine zweistellige Relation auf A , genau dann heißt die Relation R 1 reflexiv, wenn (x, x) ∈ R für alle x ∈ A gilt. 2 transitiv, wenn (x, y) ∈ R ∧ (y, z) ∈ R ⇒ (x, z) ∈ R für alle x, y, z ∈ A gilt. 3 symmetrisch, wenn (x, y) ∈ R ⇒ (y, x) ∈ R für alle x, y ∈ A gilt. 4 antisymmetrisch, wenn (x, y) ∈ R ∧ (y, x) ∈ R ⇒ x = y für alle x, y ∈ A gilt9 . 5 total, wenn für alle x, y ∈ A auch : (x, y) ∈ R ∨ (y, x) ∈ R gilt. 9 Kontraposition: x , y ⇒ ¬[(x, y) ∈ R ∧ (y, x) ∈ R ] für alle x, y ∈ A Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 42 / 123 Definition I.3.5 (Äquivalenzrelation): Sei A eine vorgelegte Menge und ∼ eine Relation auf A , dann heißt ∼ Äquivalenzrelation auf A falls die Relation ∼ 1 reflexiv 2 symmetrisch und 3 transitiv ist. Anmerkung: In Zukunft werden wir statt (x, y) ∈∼ eher x ∼ y für jede Äquivalenzrelation ∼ setzen. Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 43 / 123 Definition I.3.6 (Halbordnung, Vollordnung): Sei A eine vorgelegte nichtleere Menge und ≤ eine Relation auf A , dann heißt ≤ Halbordnung auf A , falls ≤ 1 reflexiv 2 transitiv und antisymmetrisch ist. Ist ≤ zudem total, wird ≤ Vollordnung bzw. lineare Ordnung bzw. totale Ordnung genannt. 3 Anmerkung: In Zukunft werden wir anstatt (x, y) ∈≤ vereinfacht x ≤ y für jede Halb- bzw. Vollordnung ≤ setzen und das Tupel (A , ≤) geordnete Menge nennen. Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 44 / 123 Vereinbarungen: Wir legen weiterhin für die Elemente einer geordneten Menge (A , ≤) fest: x ≥ y :⇔ y ≤ x x < y :⇔ (x ≤ y) ∧ (x , y) x > y :⇔ y < x Satz I.3.5: (Trichotomie): Sei (A , ≤) eine total geordnete Menge, dann gilt genau eine der Beziehungen: x < y, x = y, x >y für je zwei Elemente x, y aus (A , ≤). Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 45 / 123 Definition I.3.7 (Beschränktheit, obere Schranke, untere Schranke): Sei (Ω, ≤) eine geordnete Menge und ∅ , A ⊆ Ω. Die Menge A heißt 1 bezüglich ≤ nach oben beschränkt genau dann, wenn mindestens ein so ∈ Ω existiert mit der Eigenschaft x ≤ so für alle x ∈ A . Dabei wird so obere Schranke genannt. 2 bezüglich ≤ nach unten beschränkt genau dann, wenn mindestens ein su ∈ Ω existiert mit der Eigenschaft x ≥ su für alle x ∈ A . Dabei wird su untere Schranke genannt. 3 bezüglich ≤ beschränkt genau dann, wenn A bezüglich ≤ nach oben und unten beschränkt ist. Anmerkung: Man beachte, dass weder so noch su zu A gehören müssen. Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 46 / 123 Definition I.3.8 (Maximum, Minimum): Sei (Ω, ≤) eine vollständig geordnete Menge und ∅ , A ⊆ Ω. 1 Ein Element a := min(A ) heißt Minimum von A falls a ∈ A und a eine untere Schranke ist. 2 Ein Element b := max(A ) heißt Maximum von A falls b ∈ A und b eine obere Schranke ist. Satz I.3.6 (Eindeutigkeit von Maximum und Minimum): Sei (Ω, ≤) eine geordnete Menge. Sollte A ⊆ Ω ein Maximum bzw. ein Minimum besitzen, so sind diese eindeutig bestimmt. Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 47 / 123 Definition I.3.9 (Supremum, Infimum): Sei (Ω, ≤) eine geordnete Menge und ∅ , A ⊆ Ω. Dann heißen 1 sup(A ) := min{x ∈ Ω|x ist obere Schranke von A } inf(A ) := max{x ∈ Ω|x ist untere Schranke von A } Supremum bzw. Infimum von A . 2 Anmerkung 1: sup(A ) wird auch kleinste obere Schranke genannt, inf(A ) dagegen größte untere Schranke. Anmerkung 2: Ähnlich wie bei su und so gilt auch bei inf(A ) und sup(A ), dass diese nicht zwingend zu A gehören müssen. Anmerkung 3: Wie beim Maximum und Minimum sind Supremum und Infimum eindeutig bestimmt, falls sup(A ) bzw. inf(A ) existieren (Der Nachweis ist mutatis mutandis10 zu Satz I.3.6 zu führen). 10 Unter Abänderung des zu Ändernden. Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 48 / 123 Abbildungen Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 49 / 123 Definition I.4.1 (Abbildungsrelation): Seien D und W Mengen. Dann heißt f ⊂ D × W Abbildungsrelation auf D × W , falls die Eigenschaften 1 Für alle x ∈ D gibt es ein y ∈ W mit (x, y) ∈ f Wenn (x, y) ∈ f und (x, z) ∈ f so gilt y = z erfüllt sind. Dabei heißt D Definitionsbereich und W Wertebereich der Abbildung f . 2 Wir werden hier statt der unüblichen Schreibweise f ⊆ D ×W (x, y) ∈ f die übliche Notation f: D x → W 7→ f (x) verwenden. Eine Abbildungsrelation f ordnet jedem Element x ∈ D genau ein Element y ∈ W zu. Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 50 / 123 Der Ausdruck f (x) wird Bildpunkt von x unter f genannt (Ist Ihnen auch als Funktionswert bekannt). Ebenso werden wir auch im Folgenden von einer Abbildung von D nach W , anstatt von einer Abbildungsrelation sprechen. Im Folgenden werden wir die Menge aller Abbildungen f von einer Menge D nach einer Menge W mit Abb(D , W ) := {f |f : D → W } notieren. Für D = W werden wir einer sparsameren Notation halber Abb(D ) setzten. Der Definitionsbereich von f wird auch manchmal mit dom(f ) (engl.: domain), der Wertbereich mit tar(f ) (engl.: target) mit bezeichnet. Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 51 / 123 Beispiel, Visualisierung: Seien dazu D := {1, 2, 3, 4} und W := {a, b , c, d }. Die unten visualisierte Relation ist eine Abbildung. D Dr. René Hempel f W 4 d 3 c 2 b 1 a 1PM-WMATH-10 29. September 2017 52 / 123 Gegenbeispiel 1, Visualisierung: Seien dazu D := {1, 2, 3, 4} und W := {a, b , c, d }. Die unten visualisierte Relation ist keine Abbildung. D Dr. René Hempel f W 4 d 3 c 2 b 1 a 1PM-WMATH-10 29. September 2017 53 / 123 Gegenbeispiel 2, Visualisierung: Seien dazu D := {1, 2, 3, 4} und W := {a, b , c, d }. Die unten visualisierte Relation ist auch keine Abbildung. D Dr. René Hempel f W 4 d 3 c 2 b 1 a 1PM-WMATH-10 29. September 2017 54 / 123 Abstrakte Beispiele: 1 Sei f : ∅ → W , dann heißt f leere Abbildung. 2 Sei idD : D → D , x 7→ x, dann heißt idD Identität von D . 3 Seien D , W nicht-leere Mengen und α ∈ W fest, dann heißt f : D → W , x 7→ α konstante Abbildung. 4 Die bereits eingeführten Operationen auf Mengen können wir auch als Abbildung identifizieren. Dazu halten wir beispielhaft fest, dass für die Vereinigung zweier Mengen A , B ⊆ Ω gerade ∪ : P (Ω) × P (Ω) → P (Ω) (A , B ) 7→ ∪(A , B ) := A ∪ B und für den Schnitt zweier Mengen A , B ⊆ Ω gerade ∩ : P (Ω) × P (Ω) → P (Ω) (A , B ) 7→ ∩(A , B ) := A ∩ B gilt. Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 55 / 123 Definition I.4.2 (Gleichheit von Abbildungen): Seien X , Y und U , V vorgelegte Mengen und f : X → Y und g : U → V Abbildungen, dann heißen f und g gleich, falls die Bedingungen 1 X = U (gleiche Definitionsbereiche) 2 Y = V (gleiche Wertebereiche) f (x) = g(x) für alle x ∈ X (gleiche Funktionsvorschrift) erfüllt sind. 3 Definition I.4.3 (Bild von A unter f ): Seien D und W vorgelegte Mengen, A ⊆ D und f : D → W eine Abbildung von D nach W . Die Menge imA (f ) := {f (x) ∈ W |x ∈ D } ⊆ W wird dann das Bild11 von A unter f genannt. Sollte A = D gelten, so spricht man anstatt vom Bild von D unter f einfach nur vom Bild von f . Wir wählen dann die Notation imX (f ) := im(f ) 11 engl.: image Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 56 / 123 Visualisierung: Seien dazu D := {1, 2, 3, 4, 5, 6} und W := {a, b , c, d , e, f }. D 6 5 4 3 2 1 Dr. René Hempel f W f e d c b a 1PM-WMATH-10 im{5} f = {e} im{1,2} f = im{1,2,3} f = {a, b } 29. September 2017 57 / 123 Definition I.4.4 (Urbild einer Abbildung): Seien D und W vorgelegte Mengen, B ⊆ W und f : D → W eine Abbildung von D nach W . Die Menge pimB (f ) := {x ∈ D |f (x) ∈ B } ⊆ W heißt dann das Urbild12 von B unter f . Achtung: Das Urbild von B ⊆ W unter f kann auch leer sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn mindestens ein y ∈ W existiert, das von einem beliebigen x ∈ D aus nicht über f erreicht werden kann. Offensichtlich ist dann pim{y} (f ) = ∅. 12 engl.: pre image Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 58 / 123 Visualisierung: Sei dazu D := {1, 2, 3, 4, 5, 6} und W := {a, b , c, d , e, f }. D pim{c,d } (f ) = ∅ ∪ pim{d } (f ) = {6} pim{b } (f ) = {2, 3, 4} Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 6 5 4 3 2 1 f W f e d c b a 29. September 2017 59 / 123 Definition I.4.5 (Komposition): Seien X , Y und Z vorgelegte nichtleere Mengen und f : X → Y sowie g : Y → Z Abbildungen, dann heißt g ◦f : X → Z x 7→ g(f (x)) Komposition von g und f (gesprochen: g Ring f ). Man sagt auch „f gefolgt von g” Anmerkung: Man führt bei g ◦ f also erst f und dann g aus (da gewöhnen Sie sich dran). Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 60 / 123 Visualisierung: Sei dazu X := {1, 2, 3, 4}, Y := {a, b , c, d } und Z := {α, β, 1, δ} X f g Y Z 4 d δ 3 c χ 2 b β 1 a α X g ◦f Z Zum Beispiel: (g ◦ f )(1) = g(f (1)) = g(a) = β Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 61 / 123 Anmerkung: Die Komposition ◦ ist i.A. nicht kommutativ, da die Komposition für vorgelegtes g ◦ f nicht zwingend für f ◦ g definiert zu sein braucht. Ein konkretes Gegenbeispiel für eine beidseitig definierte Komposition: Seien X := {♠, ♥} und f : X → X sowie g : X → X mit der punktweisen Verknüpfung13 ♠ 7→ f (♠) := ♠ bzw. ♠ 7→ g(♠) := ♥ ♥ 7→ f (♥) := ♠ bzw. ♥ 7→ g(♥) := ♥ vorgelegt, dann gilt (f ◦ g)(♠) := f (g(♠)) = ♠ sowie (g ◦ f )(♠) := g(f (♠)) = ♥ 13 Es handelt sich hier um zwei konstante Abbildungen. Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 62 / 123 Satz I.4.1 (Assoziativität): Seien X , Y , U und V vorgelegte nichtleere Mengen und f : X → Y , g : Y → U sowie h : U → V Abbildungen, dann gilt (h ◦ g) ◦ f = h ◦ (g ◦ f ) Die Komposition ist also assoziativ. Definition I.4.6 (Injektiv, surjektiv, bijektiv, idempotent): Seien D und W vorgelegte nichtleere Mengen und f : D → W eine Abbildung von D nach W. Dann heißt f 1 injektiv, falls f (x) = f (y) ⇒ x = y für alle x, y ∈ D . 2 surjektiv, falls im(f ) = tar(f ) = Y , bzw. es existiert für jedes y ∈ W mindestens ein x ∈ D mit f (x) = y. 3 bijektiv, falls f surjektiv und injektiv ist. 4 idempotent, falls D = W und f ◦ f = f für alle x ∈ D . Anmerkung: Die Definition I.4.6.1 kann auch in „f ist injektiv, falls aus x , y stets f (x) , f (y) für x, y ∈ D folgt” umgeschrieben werden (Warum?). Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 63 / 123 Injektiv aber nicht surjektiv, Visualisierung: Sei dazu D := {1, 2, 3, 4} und W := {a, b , c, d , e}. D f W e 4 d 3 c 2 b a 1 Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 64 / 123 Surjektiv aber nicht injektiv, Visualisierung: Sei dazu D := {1, 2, 3, 4} und W := {a, b , c}. D f W 4 Dr. René Hempel 3 c 2 b 1 a 1PM-WMATH-10 29. September 2017 65 / 123 Weder surjektiv noch injektiv, Visualisierung D Dr. René Hempel f W 4 d 3 c 2 b 1 a 1PM-WMATH-10 29. September 2017 66 / 123 Surjektiv und injektiv also bijektiv, Visualisierung: Sei dazu D := {1, 2, 3, 4} und W := {a, b , c, d }. D Dr. René Hempel f W 4 d 3 c 2 b 1 a 1PM-WMATH-10 29. September 2017 67 / 123 Definition I.4.7 (Invertierbare Abbildung): Seien D und W vorgelegte nichtleere Mengen und f : D → W eine Abbildung. Existiert dann mindestens eine Abbildung g : W → D mit g ◦ f = idD und f ◦ g = idW so heißt f invertierbar und g wird eine inverse Abbildung genannt. Satz I.4.2 (Charakterisierung invertierbarer Abbildungen): Seien D und W vorgelegte nichtleere Mengen und f : D → W eine Abbildung. Die Abbildung f ist genau dann invertierbar, wenn f bijektiv ist. Satz I.4.3 (Eindeutigkeit inverser Abbildungen): Seien D und W vorgelegte nichtleere Mengen und f : D → W eine Abbildung. Ist g : W → D invers zu f , so ist g eindeutig bestimmt und wird mit f −1 notiert. Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 68 / 123 Lemma I.4.4: Seien U , V und W vorgelegte nichtleere Mengen sowie f : U → V und g : V → W Abbildungen, dann gilt: 1 Ist g ◦ f injektiv, so ist f injektiv. 2 Ist g ◦ f surjektiv, so ist g surjektiv. Satz I.4.5 (Invertierbare Umkehrfunktion): Seien D und W nichtleere Mengen und f : D → W eine invertierbare Abbildung. Dann ist auch f −1 invertierbar. Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 69 / 123 Algebraische Strukturen Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 70 / 123 Definition I.5.1 (Innere Verknüpfung): Sei A eine nichtleere vorgelegte Menge und x, y ∈ A , dann heißt ~ : A ×A → A (x, y) 7→ ~(x, y) := x ~ y innere (binäre) Verknüpfung auf A . Anmerkung: Die Ihnen aus der Schule bekannte Addition bzw. Multiplikation auf den naiven reellen Zahlen sind nichts weiter, als sehr spezielle innere zweistellige Verknüpfungen auf jener Menge. Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 71 / 123 Innere Verknüpfung: Visualiserung: Sei dazu A := {x, y, z} vorgelegt A x z y z A y z (y, z) y ~z x x A ×A Dr. René Hempel y 1PM-WMATH-10 ~ A 29. September 2017 72 / 123 Definition I.5.2 (Einheit, Inverses): Seien A als nicht leere Menge und ~ : A × A → A als eine innere Verknüpfung auf A vorgelegt. 1 Ein Element e ∈ A heißt neutral, bzw. Einheit bezüglich ~, wenn e ~ x = x ~ e = x für alle x ∈ X gilt. 2 Sei e ∈ A eine Einheit bezüglich ~ und x ∈ A . Ein Element x 0 ∈ A heißt invers zu x ∈ A , falls x ~ x 0 = x 0 ~ x = e gilt. Anmerkung 1: Neutrale und inverse Elemente müssen nicht notwendigerweise existieren. Anmerkung 2: Durch scharfes Hinsehen erkennt man, dass die Einheit, sofern sie denn existiert, immer invers zu sich selbst ist. Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 73 / 123 Definition I.5.3 (Assoziativität, Kommutativität): Seien A als nicht leere Menge und ~ : A × A → A als eine innere Verknüpfung auf A vorgelegt. 1 ~ heißt assoziativ, wenn für x, y, z ∈ A stets x ~ (y ~ z) = (x ~ y) ~ z gilt. 2 ~ heißt kommutativ, wenn für x, y ∈ A stets x ~y = y ~x gilt. Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 74 / 123 Satz I.5.1 (Eindeutigkeit der Einheit und des Inversen): Seien A als nicht leere Menge und ~ : A × A → A als eine assoziative innere Verknüpfung auf A vorgelegt. Des Weiteren seinen e1 und e2 zwei Einheiten bezüglich ~ und x 0 sowie x 00 zwei Inverse zu x ∈ A , dann gilt: 1 e1 = e2 2 x 0 = x 00 Definition I.5.4 (Gruppoid, Trägermenge): Sei A , ∅ eine vorgelegte Menge und ~ eine Verknüpfung auf A , dann heißt das Tupel (A , ~) Gruppoid und A wird Trägermenge des Gruppoiden genannt. Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 75 / 123 Definition I.5.5 (Gruppe): Sei (G , ~) ein vorgelegter Gruppoid mit Trägermenge G . Sind die Eigenschaften 1 ~ ist assoziativ 2 e ∈ G ; die Einheit ist also in G enthalten x ∈ G ⇒ x 0 ∈ G ; jedes Element in G ist bezüglich ~ invertierbar erfüllt, dann wird das Tupel (G , ~) als Gruppe bezeichnet. 3 Anmerkung: Sollte ~ zudem kommutativ sein, so wird (G , ~) kommutative Gruppe bzw. abelsche14 Gruppe genannt. Satz I.5.2: Seien (G , ~) eine vorgelegte Gruppe und x, y ∈ G beliebig aber fest, dann gilt (x ~ y)0 = y 0 ~ x 0 14 Nils Henrik Abel: ∗ 05.08.1802 (Finnöy, Norwegen), † 06.04.1829 (Froland, Norwegen) Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 76 / 123 Satz I.5.3 (Das Inverse des Inversen): Seien (G , ~) eine vorgelegte Gruppe und sei x 00 ∈ G das Inverse zu x 0 ∈ G bezüglich ~, dann gilt x 00 = x. Satz I.5.4 (Eine Gleichung in einer Unbekannten): Sei (G , ~) eine Gruppe und seien x, y ∈ G . Dann existiert je genau ein α ∈ G bzw. genau ein β ∈ G mit x ~α = y bzw. β ~ x = y Satz I.5.6 (Verkürzungsregel): Sei (G , ~) eine Gruppe und seien x, y, z ∈ G . Dann folgt aus z ~x = z ~y bzw. x ~ z = y ~ z jeweils x = y Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 77 / 123 Körperaxiome: Sei K eine nichtleere Menge. Seien des Weiteren + : K × K → K und · : K × K → K zwei Verknüpfungen auf K, die wir Addition respektive Multiplikation nennen wollen. Sollten die Eigenschaften 1 (K, +) ist eine additiv geschriebene abelsche Gruppe mit der Einheit 0. 2 (K \ {0}, ·) ist eine multiplikativ geschriebene abelsche Gruppe mit der Einheit 1. 3 Es gilt das Distributivgesetz x · (y + z) = x · y + x · z für alle x, y, z ∈ K 4 0,1 erfüllt sein, so wird das Tripel (K, +, ·) Körper genannt (Wir vereinbaren an dieser Stelle, dass · stärker als + bindet). Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 78 / 123 Korollare 1 Die Einheiten 0 ∈ K und 1 ∈ K sind eindeutig bestimmt (Satz I.5.1). 2 Ebenfalls sind die inversen Elemente zu x ∈ K bezüglich + und ·, hier mit −x ∈ K und x −1 ∈ K notiert, eindeutig bestimmt (Satz I.5.1). 3 Die inversen Elemente zu −x ∈ K und x −1 ∈ K also −(−x) ∈ K und −1 x −1 ∈ K sind durch x ∈ K eindeutig bestimmt (Satz I.5.3). Insbesondere gilt für 0 ∈ K sofort −0 = 0. 4 Es gilt (Satz I.5.2 und Kommutativität der Addition bzw. Multiplikation) −(x + y) = −x + (−y) 5 und (x · y)−1 = x −1 · y −1 Die Gleichungen in einer unbekannten α ∈ K x +α = y bzw. x ·α = y besitzen je genau eine Lösung α = y + (−x) := y − x bzw. y α = y · x −1 := (Satz I.5.4 und Kommutativität der Addition bzw. x Multiplikation). Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 79 / 123 Satz I.5.7: Sei (K, +, ·) ein vorgelegter Körper. Für alle x, y, z ∈ K gilt (x + y)z = xz + yz Satz I.5.8: Sei (K, +, ·) ein vorgelegter Körper. Für alle x ∈ K gilt x · 0 = 0. Satz I.5.9 (Nullteilerfreiheit): Sei (K, +, ·) ein vorgelegter Körper. Für x, y ∈ K gilt xy = 0 genau dann, wenn x = 0 oder y = 0. Satz I.5.10: Sei (K, +, ·) ein vorgelegter Körper. Dann gilt für alle x ∈ K gerade −x = (−1)x. Satz I.5.11: Sei (K, +, ·) ein vorgelegter Körper, dann gilt für alle x, y ∈ K gerade (−x)(−y) = xy. Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 80 / 123 Satz I.5.12: Sei (K, +, ·) ein vorgelegter Körper, dann gilt für alle x, y ∈ K gerade (−x)y = −(xy). Satz I.5.13 (Vertauschbarkeit der Invertierungen): Sei (K, +, ·) ein vorgelegter Körper, dann gilt für alle x ∈ K \ {0} gerade (−x)−1 = −(x −1 ). Satz I.5.14 (Rechnen mit „Brüchen”): Sei (K, +, ·) ein vorgelegter Körper und a, b , c, d ∈ K mit b , 0 und d , 0, dann folgen ad a 1 = , bd b c a 2 = genau dann, wenn ad = bc, b d a c ad + bc 3 + = , b d bd a c ac 4 · = , b d bd a b = ad , falls c , 0. 5 c bc d Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 81 / 123 Anordnungsaxiome: In einem Körper K sind gewisse Elemente als positiv ausgezeichnet (Notation x > 0), so dass folgende Axiome gelten: 1 Für jedes x ∈ K gilt genau eine der drei Beziehungen x > 0, x = 0 bzw. −x > 0. 2 Wenn x > 0 und y > 0, dann x + y > 0. Wenn x > 0 und y > 0, dann xy > 0. Ein Körper mit diesen Eigenschaften wird auch angeordneter Körper genannt. 3 • In 1 erkennen wir die bekannte Trichotomie. • Die Axiome 2 und 3 können wir als Abgeschlossenheit gegenüber der Addition respektive der Multiplikation verstehen (Summe und Produkte positiver Elemente sollen wieder positiv sein). Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 82 / 123 Wir vereinbaren wieder, dass 1 x > y :⇔ x − y > 0 2 x < y :⇔ y > x 3 x ≥ y :⇔ (x > y) ∨ (x = y) 4 x ≤ y :⇔ (x < y) ∨ (x = y) gelten soll. Die Menge dieser positiven Elemente wird als Positivbereich von K bezeichnet. Diesen können wir mit K ⊇ P := {x ∈ K|x > 0} notieren, da x ∈ P gleichwertig mit x − 0 ∈ P und somit per obiger Festsetzung (1) x > 0 gilt. Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 83 / 123 Satz I.5.15 (0 < P ): Es gilt 0 < P und damit ist 0 < 0 eine falsche Aussage. Satz I.5.16 (Monotonie der Addition): Für x, y, u, v ∈ K folgt aus x < y und u < v gerade x + u < y + v. Satz I.5.17: Für x, y, z ∈ K folgt aus x < y und z > 0 gerade xz < yz Anmerkung: Wir erhalten aus Satz I.5.17 für 0 < x < y und 0 < u < v gerade, dass xu < yv folgt. Dies ergibt sich aus (x < y) ∧ (0 < u) ⇒ xu < yu sowie aus (u < v) ∧ (0 < y) ⇒ uy < vy ob der Transitivität der Ordnung und der Kommutativität der Multiplikation also xu < vy = yv. Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 84 / 123 Satz I.5.18 (Translations-Invarianz): Für x, y, z ∈ K folgt aus x < y gerade x + z < y + z. Satz I.5.19 (Spiegelung): Für x, y ∈ K folgt aus x < y gerade −y < −x. Satz I.5.20: Für x, y, z ∈ K mit z < 0 folgt aus x < y gerade xz > yz. Satz I.5.21: Für x ∈ K \ {0} folgt xx =: x 2 > 0. Insbesondere gilt 1>0. Satz I.5.22: Für x ∈ K mit x > 0 folgt x −1 > 0. Ebenso folgt für x < 0 auch x −1 < 0. Satz I.5.23: Seien x, y ∈ K. Aus 0 < x < y folgt x −1 > y −1 . Satz I.5.24: Sei K wieder ein Körper und x, y ∈ K \ {0}. Falls für das additiv Inverse der Einheit der Multiplikation (also −1) −1 = x 2 + y 2 gilt, so existiert in K kein Positivbereich. Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 85 / 123 Anmerkung: Mit einer ähnlichen Argumentation wie in Satz I.5.24 erkennt man, dass ein Körper K keinen Positivbereich besitzt, falls für x ∈ K \ {0} auch −1 = x 2 folgt. Bis jetzt sind die naiven rationalen Zahlen und die naiven reellen Zahlen für Sie anhand der gewonnenen Ergebnisse nicht unterscheidbar. Vollständigkeitsaxiom: Jede nichtleere, nach oben beschränkte Menge M ⊆ K besitzt ein Supremum in K. Der angeordnete Körper (K+, ·, P ) wird sodann vollständig genannt. Es folgt: Jede nichtleere, nach unten beschränkte Menge reeller Zahlen besitzt ein Infimum. Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 86 / 123 In der Tat unterscheidet nur die Vollständigkeit die reellen von den rationalen Zahlen. Beispiel: Betrachten wir die Menge M := {x ∈ Qn | x 2 < 2} Nun die Frage: Gilt sup(M ) ∈ Qn ? 1 M ist nach oben beschränkt (z.B. durch 2). 2 Gehen wir nun davon aus, dass sup(M ) ∈ Qn . Dies ist die gleichbedeutend mit: Es existiert ein y ∈ Qn mit y 2 = 2 Satz I.5.25: Es gibt kein y ∈ Qn mit y 2 = 2. Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 87 / 123 Zahlen Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 88 / 123 Man kann mit etwas Aufwand zeigen, dass es „im wesentlichen” nur einen angeordneten vollständigen Körper gibt. Im wesentlichen bedeutet hier, dass es zwar recht viele solcher Körper geben kann, aber je zwei Körper K und L durch eine bijektive Abbildungen f : K → L mit den Eigenschaften: 1 f (0K ) = 0L und f (1K ) = 1L 2 f (a +K b ) = f (a) +L f (b ) für alle a; b ∈ K f (a ·K b ) = f (a) ·L f (b ) für alle a; b ∈ K verbunden sind. Man spricht hier auch von Isomorphie und nennt eine Abbildung mit den oben angeführten Eigenschaften einen (Körper)Isomorphismus. 3 Definition I.6.1 (Reelle Zahlen): Den bis auf Isomorphie eindeutig bestimmten angeordneten vollständigen Körper nennen wir Körper der reellen Zahlen und notieren diesen mit R. Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 89 / 123 Definition I.6.2 (Induktive Menge): Sei ∅ , M ⊆ R vorgelegt. Sollte M die Eigenschaften 1 1∈M x ∈ M ⇒ x +1 ∈ M aufweisen, so wird die Menge M induktiv genannt. 2 Die Eigenschaft 2 kann insbesondere als (nicht enden wollender) Zählvorgang gedeutet werden. Zur Widerspruchsfreiheit: M = R ist sicherlich induktiv. Ebenso ist der reelle Positivbereich P := {x ∈ R|x > 0} ein induktive Menge. 1 Die Mengen M1 := {1} und M2 := + k k ∈ Nn sind sicherlich 2 nicht induktiv (Wissen Sie warum?). Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 90 / 123 Satz und Definition I.6.3: (Die natürlichen Zahlen): Sei M das Mengensystem aller induktiven Teilmengen Mi aus R mit i ∈ I , dann soll mit \ N := Mi i ∈I die natürlichen Zahlen (als kleinste induktive Menge) definiert sein. Genau betrachtet enthält N die Elemente 1, 1 + 1, (1 + 1) + 1 usw. Wir vereinbaren nun, dass 1+1 := 2, (1+1)+1 = 1+2 =: 3, ((1+1)+1)+1 = 1+3 := 4 .. Die eingeführte Addition und Multiplikation auf R lässt sich nun auf N einschränken. Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 91 / 123 Anmerkung 1: In unserem Ansatz gehört die 0 ∈ R eben nicht zu N, da P als induktive Menge identifiziert wurde und N als minimal-induktive Menge per Definition festgesetzt ist. Anmerkung 2: Mit N0 := N ∪ {0R } setzen wir die erweiterten natürlichen Zahlen. Wir definieren die ganzen Zahlen hier (schlampig) über die Menge Z := {(n − m)|n, m ∈ N } und die rationalen Zahlen (schlampig) über m m ∈ Z ∧ n ∈ N Q := n Man kann zeigen, dass alle üblichen Gesetzmäßigkeiten in Z und Q gelten. Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 92 / 123 Es gilt die Mengenbeziehung N ⊂ N0 ⊂ Z ⊂ Q ⊂ R(⊂ C) Satz I.6.1: N ist nicht nach oben beschränkt. Satz I.6.2 (Archimedizität): Seien x ∈ R und n ∈ N, dann gibt es ein n mit x < n für alle x ∈ R. Satz I.6.3: Sei x ∈ R 1 Falls 0 < x, so existiert (mindestens) ein n ∈ N derart, dass 2 Falls 0 ≤ x < 3 1 < x. n 1 für alle n ∈ N, so folgt x = 0. n Falls 0 ≤ x < für alle ∈ R mit > 0, so folgt x = 0. Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 93 / 123 Definition I.6.4 (Fakultät, Binomialkoeffizienten): Seien n, k ∈ N0 mit 0 ≤ k ≤ n. Für jedes n ∈ N setzen wir 1! := 1 und (n + 1)! := (n + 1)n!. Des Weiteren wird n n! := k !(n − k )! k (gelesen n über k ) Binomialkoeffizient genannt. Anmerkung: Der Binomialkoeffizient gibt an, wieviel k -elementige Teilmengen einer n-elementigen Menge M existieren. Numerisches Beispiel: Sei dazu n = 10 und k = 4, dann folgt 10 10! 10! 10 · 9 · 8 · 7 = = = 210 := 4!(10 − 4)! 4!6! 4! 4 In einer 10-elementigen Menge, gibt es also 210 Teilmengen, die 4 Elemente aufweisen. Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 94 / 123 Satz I.6.4 (Rechenregeln für Binomialkoeffizienten): Seien n, k ∈ N0 , dann gilt: n n 1 = =1 0 n n n 2 = k n −k n n −1 3 k =n k k −1 n n n +1 4 + = k k +1 k +1 n n n +1 5 + = k −1 k k Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 95 / 123 Satz I.6.5 (Vollständige Induktion): Sei A ⊆ N mit 1 1∈A n ∈ A ⇒ n +1 ∈ A dann gilt für die induktive Teilmenge A sofort A = N. 2 Satz I.6.6 Sei N die Menge der natürlichen Zahlen, dann gilt 1 Für jedes n ∈ N ist auch n + 1 ∈ N. 2 Summen und Produkte natürlicher Zahlen sind wieder natürliche Zahlen. Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 96 / 123 Induktive Definitionen 1 2 Potenz: Wir definieren induktiv: für jedes n ∈ N und x ∈ R gilt x 1 := x und x n +1 := x n x (Achtung: 00 ist noch nicht definiert, da 0 < N). Dabei nennen wir x ∈ R die Basis und n + 1 ∈ N den Exponenten. Erweiterte Setzungen in Z: Wir setzen x 0 := 1 für 0 ∈ Z und alle x ∈ R also insbesondere auch 00 := 1 (zweckmäßig). Summe: Wir definieren induktiv: für jedes n ∈ N und xi ∈ R für alle i = 1, ..., n gilt 1 X xi := x1 xi := n X xi + xn +1 i =1 i =1 i =1 3 n +1 X Dabei nennen wir i den Laufindex. Die 1 in i = 1 wird Starwert genannt während n ∈ N als Endwert bezeichnet wird. Produkt: Wir definieren induktiv: für jedes n ∈ N und xi ∈ R für alle i = 1, ..., n gilt 1 Y i =1 Dr. René Hempel xi := x1 n +1 Y xi := i =1 1PM-WMATH-10 n Y xi · xn +1 i =1 29. September 2017 97 / 123 Anmerkungen zu Summen und Produkte: Natürlich müssen Summen nicht bei i = 1 starten, es kann durchaus sein, dass der Startwert durch i = k ∈ N gegeben ist. Wir definieren dies induktiv über k k X Y xi := xk und xi := xk i =k i =k sowie n +1 X xi := i =k n X xi + xn +1 und i =k n +1 Y i =k xi := n Y xi · xn +1 i =k Für den Fall, dass n < k erhalten wir die leere Summe bzw. das leere Produkt. Wir setzen n X i =k Dr. René Hempel xi := 0 und n Y xi := 1 für n < k i =k 1PM-WMATH-10 29. September 2017 98 / 123 Doppelsummen: Seien dazu i = 1, ..., n und j = 1, ..., m sowie xij ∈ R, dann heißt m n X X xij := i =1 j =1 m X j =1 x1j + m X j =1 x2j + · · · + m X xnj j =1 Doppelsumme. Beispiel: Wir betrachten xij ∈ R und i = 1, 2 sowie j = 1, 2, 3. Es folgt 2 X 3 X xij := i =1 j =1 Dr. René Hempel 3 X j =1 x1j + 3 X x2j = (x11 + x12 + x13 ) + (x21 + x22 + x23 ) j =1 1PM-WMATH-10 29. September 2017 99 / 123 Man sieht schnell per Induktion ein, dass das allg. Kommutativrespektive Distributivgesetz n m n m m X n X m n X X X X X X xij und xi xij = xj = xi xj i =1 j =1 j =1 i =1 i =1 j =1 i =1 j =1 gilt. Die Fakultät können wir auch über das Produktzeichen darstellen n! = n Y i i =1 Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 100 / 123 Weitere Regeln für Summen und Produkte: Seien xi , xij , α, β ∈ R mit i = 1, ..., n und j = 1, ..., m. Dann gilt: n X (α + βxi ) = i =1 n X α+ i =1 n X βxi = nα + β i =1 n X xi i =1 sowie n X m X (α + βxij ) = i =1 j =1 und α+ i =1 j =1 n Y i =1 Dr. René Hempel n X m X (βxi ) = n X m X βxij = nmα + β i =1 j =1 n X m X xij i =1 j =1 n n n Y Y Y β xi = β n xi i =1 i =1 1PM-WMATH-10 i =1 29. September 2017 101 / 123 Satz I.6.7 (Potenzgesetze): Seien x, y ∈ R und n, m ∈ N, dann gilt 1 x n x m = x n +m für alle n, m ∈ N. m 2 x n = x nm für alle n, m ∈ N. 3 x n y n = (xy)n für alle n ∈ N. Definition I.6.5 (Ganzzahlige Exponenten): Sei x ∈ R \ {0} und n ∈ Z, dann setzen wir 1 x −n := (x n )−1 =: n x Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 102 / 123 Anmerkung: Das Körperelement x −n fungiert per Definition als multiplikativ inverses Element zu x n . Es gilt also: x n · x −n = 1 und wir erhalten unmittelbar 1 1 n 1 Es gilt (x n )−1 =: n = alle x ∈ R und n ∈ Z. x x xn 2 Es gilt m = x n−m für alle x ∈ R und n, m ∈ Z. x n xn x 3 für alle x, y ∈ R und n ∈ Z. Es gilt n = y y Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 103 / 123 Satz I.6.8 (Induktionsklassiker): Sei i ∈ N dann gilt: n X n(n + 1) 1 i= 2 i =1 2 n X i2 = i =1 3 n X i =1 n(n + 1)(2n + 1) 6 n(n + 1) i = 2 !2 3 für alle n ∈ N. Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 104 / 123 Satz I.6.9 (Binomischer Lehrsatz): Seien a, b ∈ R und n ∈ N0 dann gilt für alle n ∈ N0 n (a + b ) = n X n k =0 k a k b n−k Korollar I.6.10: Seien k , n ∈ N mit k ≤ n. Die Summe der Anzahl aller k -elementigen Teilmengen einer n-elementigen Menge M ist 2n . Satz I.6.11 (Ungleichung von Bernoulli): Für alle x ∈ R mit x ≥ −1 und alle n ∈ N gilt (1 + x)n ≥ 1 + nx Lemma I.6.12: Sei x ∈ R mit 0 < x < 1. Dann ist x n < x für alle n ∈ N mit n ≥ 2 Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 105 / 123 Lemma I.6.13: Seien x, y ∈ R mit x , y, so gilt n X x i y n−i = i =0 x n +1 − y n +1 x −y Korollar I.6.14 (Geometrische Summenformel): Für n ∈ N und q ∈ R mit q , 1 gilt n X q n +1 − 1 qt = q −1 t =0 Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 106 / 123 Hauptmotivation zur Entwicklung von R war die allgemeine Nichtlösbarkeit von Gleichungen der Art x 2 = a in Q. Wir bekommen sogar mehr! Satz I.6.15 (n-te Wurzel): Sei a ∈ R mit a > 0 und n ∈ N mit n ≥ 2, dann gibt es genau eine reelle Zahl y > 0 mit y n = a. Anmerkung 1: Wir notieren die eindeutige Lösung der Gleichung √ 1 y n = a mit n a := a n und nennen diese die n-te Wurzel aus a. √ √ 1 Für 2 a := a 2 setzen wir wie üblich a. √ √ m Für ( n a)m folgt mit der obigen Festsetzung ( n a)m = a n . Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 107 / 123 Ob der Rechenregeln für Potenzen folgt: p p 1 √ k m n n m k n x y = xm yk n = x n y n = xm yk und √ n m m x x n = p k n y yk Anmerkung 2: Ob des Satzes I.5.21 ist das Quadrat einer Zahl immer positiv. Dies kann mittels Satz I.6.7 und vollständiger Induktion auf alle geraden n ∈ N ausgeweitet werden. ,→ Ist also a ∈ R mit a < 0 und n ∈ N gerade, so existiert die Wurzel aus a nicht (im reellen). ,→ Die Lösung der Gleichung x n = −a für ungerades n ∈ N werden wir √ mit − n a festhalten. Anmerkung 3: Ist n ∈ N gerade, so besitzt die Gleichung x n = a in R (also nicht nur in den positiven reellen Zahlen) noch eine weitere √ Lösung − n a, da √ √ √ (− n a)n = ((−1) · n a)n = (−1)n ( n a)n = a Dr. René Hempel r 1PM-WMATH-10 29. September 2017 108 / 123 Definition I.6.6 (Erweitertes reelles Zahlensystem): Das erweiterte reelle Zahlensystem R̄ := {−∞} ∪ R ∪ {∞} besteht aus allen reellen Zahlen und zwei unterschiedlichen Elementen ∞ sowie −∞, die selbst keine reellen Zahlen sind. Diese Elemente werden unendlich entfernte Punkte bezüglich R̄ genannt. Es soll −∞ < ∞ und −∞ < x < ∞ für alle x ∈ R gelten. Des Weiteren gilt 1 sup M := ∞ falls M ⊆ R nicht nach oben beschränkt ist. 2 inf M := −∞ falls M ⊆ R nicht nach unten beschränkt ist. Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 109 / 123 Wir vereinbaren hier noch die folgenden erweiterten Rechenregeln für R̄: 1 ∞ · ∞ := (−∞) · (−∞) := ∞ 2 ∞ · x := x · ∞ := (−∞) · (−x) := (−x) · (−∞) := ∞ für x ∈ R>0 . 3 ∞ · (−∞) := (−∞) · ∞ := (−x) · ∞ := ∞ · (−x) := (−∞) · x := x · (−∞) := −∞ für x ∈ R>0 . 0 · (±∞) := (±∞) · 0 := 0. 4 5 x + ∞ := ∞ + x := ∞ + ∞ := ∞ für x ∈ R. 6 x + (−∞) := (−∞) + x := (−∞) + (−∞) := −∞ für x ∈ R. Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 110 / 123 Es folgen jetzt ein paar Permanenzeigenschaften des Supremums, welche uns zukünftige Nachweise erleichtern sollen. Permanenzeigenschaften werden wir in Zukunft häufiger antreffen. Grob gesagt, garantieren uns diese Permanzeigenschaften, dass eine vorgelegte Eigenschaft einer Menge sich unter den „üblichen” Rechenoperationen weitervererbt. Satz 1.6.16 (Permanenzeigenschaften des Supremums): Seien M , N ⊆ R beschränkte Mengen sowie α ≥ 0, dann gilt 1 sup{αM } = α sup M mit αM := {αx ∈ R | x ∈ M ∧ α ∈ R≥0 } 2 sup{M + N } = sup M + sup N mit M + N := {x + y ∈ R | x ∈ M ∧ y ∈ N } 3 sup{M · N } = sup M · sup N mit M · N := {x · y ∈ R | x ∈ M ∧ y ∈ N } wobei M , N ⊆ R≥0 Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 111 / 123 Spezielle reelle Funktionen Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 112 / 123 Definition I.7.1 (Rechnen mit Funktionen): Seien D ⊆ R und W ⊆ R nichtleer und g, f ∈ Abb(D , W ). Des Weiteren sei α ∈ R. Wir setzen fest: 1 Funktionssumme f + g := f (x) + g(x) für alle x ∈ D ⊆ R. 2 Skalarmultiplikation αf := αf (x) für alle x ∈ D ⊆ R. 3 Funktionsprodukt f · g := f (x) · g(x) für alle x ∈ D ⊆ R. 4 Funktionsbruch alle x ∈ D . Dr. René Hempel f f (x) := für alle x ∈ D ⊆ R und g(x) , 0 für g g(x) 1PM-WMATH-10 29. September 2017 113 / 123 Definition I.7.2 (Intervalle): Seien a, b ∈ R dann heißt 1 [a, b ] := {x ∈ R | a ≤ x ≤ b } abgeschlossenes Intervall. 2 [a, b [:= {x ∈ R | a ≤ x < b } links halboffenes Intervall. 3 ]a, b ] := {x ∈ R | a < x ≤ b } rechts halboffenes Intervall. 4 ]a, b [:= {x ∈ R | a < x < b } offenes Intervall. Spezielle Intervalle: 1 R≤0 := {x ∈ R | x ≤ 0} nichtpositive reelle Zahlen. 2 R<0 := {x ∈ R | x < 0} negative reelle Zahlen. 3 R≥0 := {x ∈ R | x ≥ 0} nichtnegative reelle Zahlen. 4 R>0 := {x ∈ R | x > 0} positive reelle Zahlen. Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 114 / 123 Sei A ⊆ R, dann heißt 1A : A → {0, 1} 1 x 7→ 1A (x) = 0 falls x ∈ A falls x < A Indikatorfunktion der Menge A . Sei a ∈ R, dann heißt κa := a · 1R : R → R x 7→ κa (x) := a1R (x) = a konstante Funktion. Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 115 / 123 Die Funktion idR : R → R x 7→ idR (x) = x wird wieder als Identität bzw. identische Funktion bezeichnet. Seien Ai ⊆ R mit Ai ∩ Aj = ∅ und i , j = 1, ..., n sowie ai ∈ R, dann heißt τ := κai · 1Ai : n [ Ai → R i =1 x 7→ τ(x) := ai 1Ai (x) Treppenfunktion. Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 116 / 123 Seien a, b ∈ R, dann heißt f := κa + κb · idR : R → R x 7→ f (x) := κa (x) + κb (x) · idR (x) := a + bx affin lineare Funktion mit Steigung b und Achsenabschnitt a. Sei n ∈ N. Die Funktion f := idnR : R → R x 7→ f (x) := idnR (x) = x n wird Potenzfunktion genannt. Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 117 / 123 Sei n ∈ N. Die Funktion f := id−n R : R \ {0} → R x 7→ f (x) := id−n R (x) = 1 xn wird Kehrwertfunktion zu idnR genannt. Sei n ∈ N und m ∈ Z. Die Funktion m f := idRn : D x → R m m 7→ f (x) := idRn (x) = x n = √ n m x wird allgemeine Wurzelfunktion genannt. Man beachte, dass in der Menge der allgemeinen Wurzelfunktionen auch die Potenzfunktionen sowie die Kehrwertfunktionen enthalten sind (Bsp: m = 4 und n = 2). Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 118 / 123 Seien ai ∈ R mit i = 0, ..., n und n ∈ N, dann heißt pn : R → R x 7→ pn (x) := a0 + n X ai x i i =1 Polynomfunktion bzw. ganzrationale Funktion des Grades n ∈ N mit Koeffizienten ai ∈ R. Seien ai , bj ∈ R mit i = 0, ..., n, j = 0, ..., m und m, n ∈ N, dann heißt qn,m : D → R a0 + x n X ai x i i =1 7→ qn,m (x) := b0 + m X bj x j j =1 gebrochenrationale Funktion. Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 119 / 123 Definition I.7.3 (Betragsfunktion): Sei x ∈ R dann heißt | · | : R → R mit x falls x ∈ R≥0 |x| := −x falls x ∈ R <0 Betragsfunktion bzw. Absolutbetrag von x ∈ R. Satz I.7.1 (Betragseigenschaften) Seien x, y, z ∈ R, dann gilt: 1 |x| ≥ 0, Nichtnegativität 2 |x| = 0 ⇔ x = 0, positive Definitheit 3 |xy| = |x||y|, absolute Homogenität 4 x ≤ |x| und −x ≤ |x| 5 |x + y| ≤ |x| + |y|, Subadditivität, erste Dreiecksungleichung Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 120 / 123 Anmerkung: Setzt man in Satz I.7.1.3 x = −1, so erhält man | − y| = |(−1)y| = | − 1||y| = 1|y| = |y| woraus die Symmetrie der Betragsfunktion folgt. Satz I.7.2 (Umgekehrte Dreiecksungleichung): Seien x, y ∈ R, dann gilt: ||x| − |y|| ≤ |x − y| Anmerkung 1: Die umgekehrte Dreiecksungleichung kann äquivalent über ||x| − |y|| ≤ |x + y| dargestellt werden. Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 121 / 123 Anmerkung 2: Mittels der umgekehrten Dreiecksungleichung folgt auch ||x| − |y|| = ||x| − | − y|| ≤ |x + (−y)| ≤ |x| + | − y| = |x| + |y| insgesamt also ||x| − |y|| ≤ |x − y| ≤ |x| + |y|. Insbesondere mit der Dreiecksungleichung also |x ± y| ≤ |x| + |y|. Satz I.7.3: Sei x ∈ R und > 0, dann sind die folgenden Aussagen äquivalent 1 |x| < 2 x < und −x < 3 − < x < Dr. René Hempel 1PM-WMATH-10 29. September 2017 122 / 123 Anmerkung: Man beweist die Aussagen Satz I.7.3 analog mit ≤ anstatt <. Man beachte auch, dass dann in 1. ob des Satzes I.6.3 gerade x = 0 folgt. Korollar I.7.4: Sei x, a ∈ R und > 0, dann gilt |x − a| < ⇔ a − < x < a + Satz I.7.5: Allgemeine Dreiecksungleichung: Seien xi ∈ R mit i = 1, ..., n, dann gilt n n X X xi ≤ |xi | i =1 Dr. René Hempel i =1 1PM-WMATH-10 29. September 2017 123 / 123