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Den Rechten ist jedes Mittel recht, die Gewerkschaften kaputtzumachen …
… sogar der Staatsbankrott
Wisconsins Gouverneur Scott Walker greift die Gewerkschaften frontal an. Und erntet Massenproteste wie in
Ägypten.
„Als wären wir hier in Kairo!“ so jammern etliche republikanische Politiker angesichts der massiven
Strassenproteste im Bundesstaat Wisconsin. Jahrzehntelang hatten die Rechten in den USA den Sozialstaat
ausgehöhlt und die Lohnabhängigen ausgebeutet. Und stiessen dabei kaum auf Widerstand. Kein Wunder
kommt ihnen nun die heftige Reaktion der Gewerkschaften und der Demokratischen Partei auf den neuesten
neoliberalen Angriff „arabisch“ vor.
Am 11. Februar 2011 präsentiert der neugewählte republikanische Gouverneur von Wisconsin, Scott Walker,
seinen als „Budgetkorrektur“ getarnten Coup. Er beantragt konkrete Kürzungen bei den Löhnen und
Sozialleistungen der Staatsangestellten. Doch nicht nur das. Darüber könnten die Gewerkschaften ja noch
verhandeln. Walker will das Recht auf kollektive Lohnverhandlungen im öffentlichen Dienst ein für allemal
abschaffen: Das ist für die Gewerkschaften unannehmbar. Denn sie hätten politisch nichts mehr zu bieten.
Grösser als Vietnam-Demo
Am nächsten Tag schon gehen viele Lehrerinnen, Feuerwehrleute und Polizisten auf die Strasse. Noch bevor
die mehrheitlich republikanischen Gesetzgeber von Wisconsin der gewerkschaftsfeindlichen Vorlage zustimmen
können, setzen sich die demokratischen Abgeordneten kollektiv ab. So können sie das Parlament
beschlussunfähig machen. Wie in einem Actionfilm hetzt der wütende Gouverneur den abtrünnigen Demokraten
die Polizei auf den Hals. Ohne Erfolg. Die vierzehn Abgeordneten schaffen die Flucht in den demokratisch
regierten Nachbarstaat Illinois. Sie wollen erst zurückkommen, wenn Walker seinen Coup gegen die.
Gewerkschaften zurücknimmt. Walker entgegnet, das komme nicht in Frage. Er droht mit Kündigungen im
öffentlichen Dienst, falls das Gesetz nicht sofort verabschiedet werde. Der Strassenprotest geht weiter.
Am Wochenende vom 19. Und 20. Februar demonstrierten in Madison, der Hauptstadt von Wisconsin, an die
hunderttausend Menschen. „Arbeitsrechte sind Menschenrechte“ heisst es auf einem Demo-Plakat. „Meine
Lehrerin ist nicht mein Feind“ auf einem anderen. So viele Protestierende hat Wisconsin noch nie gesehen. Der
ehemalige Bürgermeister Paul Soglin sagt: „Wir hatten in den 1960er Jahren ein paar grosse Anti-VietnamMärsche, aber das hier ist grösser.“ Die gewerkschaftsfeindliche Gegendemonstration der rechten Tea-Party
geht ganz einfach in der Solidaritätswelle mit den Staatsangestellten unter. Gegen äss demokratische Erwachen
in Wisconsin kommen auch die rechtskonservativen Milliardäre und Tea-Party-Geldgeber David und Charles
Koch nicht an.
Pizza aus China
Plötzlich hat einer die Idee, den Widerstand in Wisconsin mit Pizza zu stärken. Entsprechende Spenden treffen
nicht bloss aus allen 50 US-Bundesstaaten ein, sondern auch aus ganz Europa, inklusive der Schweiz. Und aus
Neuseeland und Australien, Kanada und Ägypten, Korea und China.
Das ist gut, denn die Nachfrage nach „Pizza für Protest“ nimmt ständig zu. Bereits demonstrieren im
Bundesstaat Ohio Tausende von Werktätigen gegen ein ähnlich gewerkschaftsfeindliches Gesetz wie das von
Wisconsin. Und in Indiana sind die demokratischen Abgeordneten ebenfalls nach Illinois gereist, um den Abbau
der Rechte am Arbeitsplatz zu verhindern.
Wisconsin ist eine ehemalige Hochburg der Arbeiterbewegung. Vielleicht beginnt hier das grosse Erwachen.
Und die US-Bevölkerung nimmt den Klassenkampf von oben nicht mehr so einfach hin. Vielleicht entdecken
unter der Führung der Gewerkschaften auch nicht organisierte Amerikanerinnen und Amerikaner, dass
gegenwärtig die Interessen aller Lohnabhängigen gefährdet sind.
Denn Gouverneur Walker und seinen republikanischen Amtskollegen geht es nicht ums Budget, sondern um
Machtgewinn für die Elite.
Noch gehören die Gewerkschaften zu den wenigen gesellschaftlichen Kräften in den USA, die der politischen
Macht des grossen Geldes die Stirn bieten können und wollen. Mit Foto. Lotta Suter, Boston.
Work. Freitag, 4.3.2011.
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