Psychische Aspekte im Zusammenhang mit tumorgenetischer

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Psychische Störungen bei körperlichen Faktoren
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Psychische Aspekte im Zusammenhang
mit tumorgenetischer Beratung
Die Auseinandersetzung mit einem familiären Krebsrisiko kann für Erkrankte und potenziell Betroffene vielfältige psychische Belastungen bedeuten. Im Falle von daraus folgenden psychischen Störungen sollten diese psychotherapeutisch behandelt werden, ggf.
auch unter Einbeziehung der Familienangehörigen.
Erbliche Krebserkrankungen
den Brustkrebsgenen BRCA1 bzw. BRCA2 das Lebenszeitrisiko für Brustkrebs auf bis zu 87 % und das
Einleitung
Lebenszeitrisiko für Eierstockkrebs auf bis zu 51 % [1].
Bereits an Brustkrebs erkrankte Frauen mit einer
In Deutschland erkrankt etwa jeder Dritte bis Vierte
BRCA1/2-Genmutation haben ein erhöhtes Risiko für
im Laufe seines Lebens an Krebs. Meist treten Krebser-
eine zweite, unabhängige Brustkrebserkrankung auf
krankungen, z. B. Brust-, Prostata- und Darmkrebs,
der gleichen oder anderen Seite, die weder Rezidiv
sporadisch (als Einzelfall) auf. Im Gegensatz dazu kom-
noch Metastase des Primärtumors darstellt. Daneben
men etwa 5 – 10 % der Tumoren in Familien gehäuft vor
können Prostata-, Bauchspeicheldrüsen-, Magen- oder
und beruhen auf einer erblichen Veranlagung (Disposi-
Darmkrebs und männlicher Brustkrebs als assoziierte
tion), die mit einem im Vergleich zur Allgemeinbevöl-
Tumoren auftreten.
kerung erhöhten Erkrankungsrisiko für bestimmte
Krebsarten einhergeht. Zugrunde liegen pathogene
Lynch-Syndrom. Beim Lynch-/HNPCC-Syndrom steigt
Mutationen in bestimmten Tumorgenen. Diese Muta-
durch Mutationen in den Mismatch-Reparatur-Genen
tionen sind von Beginn der Embryonalzeit an in allen
(MLH1, MSH2, MSH6, PMS2 und EPCAM) das Lebens-
Zellen des Körpers vorhanden und werden von einer
zeitrisiko für Darmkrebs auf 60 – 70 % und das Lebens-
Generation an die nächste weitergegeben.
zeitrisiko für ein Endometriumkarzinom der Gebärmutter auf 40 – 60 % an. Daneben besteht das Risiko von
Bei erblichen Tumorerkrankungen sind Mutationen
assoziierten Tumoren in folgenden Organen: Dünn-
in bestimmten Tumorsuppressorgenen in allen Zel-
darm, Nierenbecken oder ableitende Harnwege,
len vorhanden und werden in 50 %iger Wahrschein-
Magen, Eierstöcke, Gallenwege, Gehirn und Haut [2].
lichkeitan die Nachkommen vererbt.
Die häufigsten Tumordispositionssyndrome sind
Beratung
█
der erbliche Brust- und Eierstockkrebs und
█
eine erbliche Form von Darmkrebs, das sog. Lynch-
Für eine optimale Patientenversorgung wurden in
oder HNPCC-Syndrom.
Deutschland von der Deutschen Krebshilfe die Verbundprojekte „Familiärer Brust- und Eierstockkrebs“
Erblicher Brust- und Eierstockkrebs. Beim erblichen
und „Erblicher Darmkrebs“ etabliert, die in 15 bzw.
Brust- und Eierstockkrebs steigt durch Mutationen in
6 spezialisierten universitären Zentren eine interdis-
PSYCH up2date 8
ê 2014 ê DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0034-1370167 ê VNR 2760512014144210902
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Sophia Holthausen-Markou, Patricia Steiner
Psychische Aspekte im Zusammenhang mit tumorgenetischer Beratung
ziplinäre Betreuung ermöglichen [3 – 5]. Bei auffällig
beim Lynch-/HNPCC-Syndrom kann eine vorsorgliche
frühem Auftreten und/oder gehäuften Krebserkran-
Entfernung der Gebärmutter und Eierstöcke erfolgen.
kungen in der Familie können sich gesunde und
erkrankte Familienmitglieder an einem Zentrum für
Die prophylaktische Entfernung der Eierstöcke soll-
erbliche Krebserkrankungen persönlich über die gene-
te erst nach abgeschlossenem Kinderwunsch etwa
tischen Hintergründe, Möglichkeiten, Grenzen und
ab dem 40. Lebensjahr erfolgen [9, 10].
Konsequenzen der molekulargenetischen Untersuchung beraten lassen. Die Beratung erfolgt gemäß den
Psychoonkologische Beratung. Zusätzlich zur geneti-
ärztlichen Richtlinien und Leitlinien für die humange-
schen Beratung werden in den Zentren psychoonkolo-
netische Beratung, wobei das Recht auf Nichtwissen
gische Beratungsgespräche angeboten, um z. B. bei der
respektiert wird [6, 7].
Bewältigung belastender Lebensumstände, der Entscheidungsfindung bezüglich Gentest oder präventiver
Mithilfe einer ausführlichen Stammbaumanalyse wird
Optionen oder bei schwierigen Kommunikationspro-
geklärt, ob tatsächlich Verdacht auf eine erbliche
zessen in der Familie Hilfestellung zu geben [11]. Darü-
Krebserkrankung besteht bzw. bei welchem Familien-
ber hinaus kann bei Bedarf eine akute psychothera-
mitglied nach den vorgegebenen Kriterien ein Gentest
peutische Krisenintervention erfolgen.
angeboten werden kann.
Auswirkungen auf Angehörige
Indikationen zur genetischen Beratung
Einzelperson mit Krebserkrankung in jungem
Lebensalter, z. B. Mammakarzinom: < 35 Jahre bzw.
Für Familien mit erblichen Krebserkrankungen ergeben
Endometrium- oder Kolonkarzinom: < 50 Jahre
fahrungen. Nicht selten erleben bereits Kinder und
█
Einzelperson mit mehreren Primärtumoren
Jugendliche, wie Verwandte in jungem Alter an Krebs
█
mehrere Familienmitglieder (väterlicher- oder
erkranken.
█
sich Besonderheiten bezüglich der familiären Krebser-
mütterlicherseits) mit gleicher oder assoziierter
Krebserkrankung
█
bestimmte Tumormorphologie (z. B. mikrosatelliteninstabile Darmtumoren)
Besonders gravierend ist die Situation, wenn ein Kind
die Mutter als engste Bezugsperson bereits im Kindesalter zu verlieren droht, wenn in vielen Bereichen noch
eine starke Abhängigkeit besteht (Zitat einer 11-Jähri-
Beratung zur Prävention. Zu den Inhalten der geneti-
gen aus dem Konsildienst der gynäkologischen Psy-
schen Beratung gehört auch die interdisziplinäre Emp-
chosomatik der Erstautorin: „Mama, du darfst nicht
fehlung von geeigneten präventiven Maßnahmen. Es
sterben, ich brauche dich!“). Das Versterben der Mutter
handelt sich um intensivierte Früherkennungsunter-
im jungen Alter kann zusätzlich eine Änderung des
suchungen – beim erblichen Brust- bzw. Darmkrebs
Rollen- und Beziehungsgefüges und dadurch mögli-
ab dem 25. Lebensjahr, um etwaige Tumoren in einem
cherweise neue Konfliktpotenziale in der Familie be-
möglichst frühen Krankheitsstadium zu erkennen.
wirken. Die vorzeitige, unerwartete Konfrontation mit
Beim erblichen Brust- und Eierstockkrebs wird neben
den Themen Krebs und Lebensbedrohung geschieht in
Ultraschalluntersuchungen der Brust und fakultativer
einem Alter, in dem noch nicht genügend persönliche
Mammografie u. a. eine jährliche Kernspintomografie
Reife, hilfreiche Lebenserfahrungen sowie tragfähige
(MRT) der Brust angeboten, beim Lynch-Syndrom u. a.
Beziehungen über die Familie hinaus vorhanden sind,
jährliche Magen- und Darmspiegelungen und eine
um die Ereignisse über eine aktive Auseinandersetzung
transvaginale Pipelle®-Ultraschalluntersuchung von
bewältigen zu können. So löst das hilflose Erleben des
Gebärmutter und Eierstöcken [8].
fortschreitenden Krankheitsprogresses in jungen Jahren häufig Verzweiflung, Machtlosigkeit und unter-
Beratung zur Prophylaxe. Bei Nachweis einer Mutation
schwellige Ängste aus und führt in späteren Jahren
besteht für die Betroffenen zusätzlich die Möglichkeit,
mitunter zu Misstrauen in die Möglichkeiten der Früh-
der Entstehung von Tumoren primär vorzubeugen,
erkennung und Therapie bei Krebs.
indem die Organe mit dem höchsten Erkrankungsrisiko
chirurgisch entfernt werden. Beim erblichen Brust- und
Subjektive Theorien. Bei gehäuftem Auftreten gleicher
Eierstockkrebs ist eine prophylaktische beidseitige
Tumorarten in der Familie werden von den Angehöri-
Entfernung des gesamten Brustdrüsengewebes (Mast-
gen nicht selten aus eigener Initiative heraus subjektive
ektomie) und/oder der Eierstöcke und Eileiter möglich,
Theorien zur Erklärung des Geschehens aufgestellt, z. B.
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Psychische Störungen bei körperlichen Faktoren
wird als Ursache ein in irgendeiner Weise „vererbbarer
Maßnahmen und ggf. auch, durch die Auseinanderset-
Faktor“ angenommen [12]. Es ist bekannt, dass die
zung mit der Thematik auf den etwaigen Erkrankungs-
durch die eigenen Erfahrungen erworbenen Vorstel-
fall besser „vorbereitet“ zu sein.
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lungen eine signifikante Rolle bei der Risikowahrnehmung spielen. Das subjektiv von den Ratsuchenden
Eine häufige Motivation zum Gentest ist die Hoff-
eingeschätzte Risiko entspricht häufig nicht den
nung auf ein gutes Testergebnis (Ausschluss einer
humangenetisch ermittelten objektiven Risikowerten
Mutation).
und lässt sich im Rahmen der genetischen Beratung
mitunter nur schwer korrigieren [13].
Mitunter wird die erhoffte Entlastung aber nicht eingestanden, um eine spätere Enttäuschung über einen
Motivation zur genetischen Beratung und
Diagnostik
Falle eines mutationsnegativen Befunds wird eine
weniger starke Fixierung auf körperliche Symptome
und damit ein Zugewinn an innerer Ruhe und Lebens-
Die jahrelange latente Ungewissheit hinsichtlich der
qualität erhofft.
eigenen Betroffenheit und damit Bedrohung wird von
den Betroffenen oftmals als zermürbend empfunden.
Dagegen kann eine akute schwierige Lebenssituation,
z. B. die Pflege eines sterbenden Angehörigen bzw.
Manche suchen nach Gewissheit über die eigene
Trauer, zum Aufschieben oder zur Vermeidung einer
genetische Betroffenheit, um endlich aktiv werden
genetischen Beratung führen. Es wird befürchtet, dass
zu können.
durch die Konfrontation mit der Familiengeschichte
ggf. unbewältigte Erinnerungen an die Vergangenheit
Dabei erhoffen sich viele einen (finanzierten) Anspruch
reaktiviert werden könnten. Insgesamt können viele
auf besondere Früherkennungsmaßnahmen, wie spe-
Ratsuchende im Vorfeld überhaupt nicht abschätzen,
zielle bildgebende Untersuchungen oder risikosenken-
wie sie in psychischer Hinsicht auf einen etwaigen
de Operationen.
Mutationsbefund reagieren werden [14].
Bei akuter Krebsdiagnose kann ein Gentest auch als
Entscheidungshilfe hinsichtlich des Umfangs der
anstehenden Operation (z. B. brusterhaltende Opera-
Hemmende Einflüsse auf die Motivation
█
Angst nach ungünstigem Befund
tion oder beidseitige Mastektomie) dienen.
█
schwierige Lebenssituation
█
befürchtete Nachteile bez. Vorsorge, Versicherun-
Motivation zur genetischen Beratung
gen oder Arbeitsmarkt
Gentest relevant für Therapieentscheidung
█
█
Krankheitsursache erfahren
█
█
Gewissheit über genetische Veranlagung
Handlungsmöglichkeiten schaffen: Anrecht auf
█
█
befürchtete psychische Probleme, z. B. größere
█
Scheu vor Kontaktaufnahme zu Familienmitgliedern
befürchtete familiäre Konflikte oder Schuldgefühle
gegenüber Nachkommen
Zweifel am Nutzen des Gentests
intensivere Vorsorge und risikoreduzierende
Operationen
█
Eigenmotivation für die Inanspruchnahme
präventiver Maßnahmen fördern
█
Hoffnung auf Entlastung
█
vorbereitet sein für den Erkrankungsfall
█
Verantwortungsgefühl gegenüber Angehörigen
(den Nachkommen bessere Risikoeinschätzung
und Vorsorge ermöglichen)
Psychische Konsequenzen
im Zusammenhang mit Risikoberatung und Diagnostik
Mit der Einführung molekulargenetischer Untersuchungsmethoden zur Abklärung erblicher Tumorsyndrome stellte sich die Frage nach den psychosozialen
Andere möchten sich im Falle einer späteren Erkran-
Folgen der genetischen Beratung und Diagnostik von
kung den Vorwurf ersparen, nicht alle präventiven
gesunden oder erkrankten Ratsuchenden.
Möglichkeiten ergriffen zu haben. Bei einem Mutationsbefund erhoffen sie sich mehr Antrieb für die
Positiver Mutationsnachweis. Noch gibt es keinen
konsequente Inanspruchnahme der empfohlenen
sicheren wissenschaftlichen Nachweis, dass die Durch-
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etwaigen Mutationsbefund in Grenzen zu halten. Im
Psychische Aspekte im Zusammenhang mit tumorgenetischer Beratung
führung eines Gentests bzw. die Gewissheit, eine
Umgang mit dem erblichen Brust- und Eierstockkrebs
pathogene Mutation zu tragen, zu lang anhaltenden
insgesamt als problematischer verglichen mit dem
schwerwiegenden psychosomatischen Beeinträchti-
Lynch-Syndrom [20]. Das mag daran liegen, dass die
gungen oder Störungen der Betroffenen führt. Aller-
Beratung des erblichen Brust- und Eierstockkrebses
dings liegen bisher nur wenige prospektive Studien
durch die zusätzliche Bedeutung des „Risikoorgans“
vor, die einen Nachbeobachtungszeitraum von mehren
Brust für die sexuelle Attraktivität und das weibliche
Jahren einschließen. Die psychische Belastung scheint –
Selbstverständnis der Frau eine besondere Brisanz
insbesondere bei Mutationsträgern – nach der Befund-
erhält. Zudem entstehen weitere Fragen und poten-
mitteilung kurzfristig zuzunehmen und sich über die
zielle Belastungen aufgrund des oftmals jungen (Er-
Zeit hinweg nach etwa einem Jahr wieder auf die Aus-
krankungs-)Alters mit ggf. noch unerfülltem Kinder-
gangswerte zu senken [15, 16].
wunsch und aufgrund zusätzlicher hormoneller
Risiken durch Schwangerschaft und Geburt.
Einschränkend ist zu sagen, dass für bestimmte Subgruppen von Individuen das Risiko von anhaltenden
Erblicher Brust- und Eierstockkrebs belastet die
psychischen Problemen bestehen mag und dass ein
Patientinnen wegen sexueller und reproduktiver
Mutationsnachweis im Einzelfall ähnliche psychische
Aspekte psychisch besonders.
Folgen haben kann wie z. B. eine Brustkrebsdiagnose
Um auch diesen besonderen Problemfeldern gerecht
[17].
zu werden, fokussieren wir uns bei der Darstellung der
Die psychische Belastung nach der Mitteilung eines
möglichen Konstellationen der genetischen Beratung
Mutationsbefunds nimmt meist zunächst zu und
und Diagnostik auf Frauen, die bezüglich des erblichen
sinkt dann aber häufig auf das Ausgangsniveau ab.
Brust- und Eierstockkrebses beraten bzw. getestet
wurden. Die in den Fallbeispielen dargestellten Perso-
Vorangegangene Krebserkrankung. Bei Frauen mit
nen wurden von der Frauenklinik bzw. der Tumorge-
vorheriger Brustkrebserkrankung zeigte sich im All-
netik an die Erstautorin in die gynäkologisch-psycho-
gemeinen keine erhöhte psychische Belastung nach
somatische Ambulanz weitervermittelt und dort
Durchführung eines Gentests. Gründe hierfür mögen
behandelt.
die vorherige Auseinandersetzung mit der eigenen
Erkrankung sein und der Wunsch nach dem Wissen
um die Krankheitsursache sowie die Hoffnung, Krebs
Ratsuchende ohne Testangebot
in der Familie vermeiden zu können [18].
Einige Ratsuchende kommen mit dem konkreten
Davon abzugrenzen sind junge Frauen mit akuter
Wunsch nach Durchführung einer Gendiagnostik in die
Brustkrebsdiagnose, die als Grundlage für die Opera-
Beratungssprechstunde und sind dann sehr enttäuscht,
tionsentscheidung eine sog. Fast-Track-Diagnostik
wenn der Familie keine Gendiagnostik angeboten wird
angeboten bekommen. Wenn auch die meisten Betrof-
oder die erkrankte Person den Gentest ablehnt. Auch
fenen eine vorübergehende psychische Belastung zu-
wenn gemäß der objektiven Einschätzung kein hohes
gunsten einer besseren Therapieentscheidung in Kauf
Risiko und damit keine Indikation für eine Gendiag-
zu nehmen scheinen, kann im Einzelfall eine über die
nostik und/oder präventive Maßnahmen vorliegt,
Brustkrebserkrankung hinaus stärkere und/oder län-
besteht aufgrund der großen Erkrankungsangst den-
gere psychische Belastung auftreten [19].
noch manchmal der Wunsch, die vermeintlichen Risikoorgane chirurgisch „ausräumen“ zu lassen.
Die Fast-Track-Diagnostik bei aktueller Krebserkrankung dient der Therapieentscheidung.
Zu der hier genannten Personengruppe gibt es in der
wissenschaftlichen Literatur bisher keine Untersu-
Erblicher Brust- und Eierstockkrebs. Es ist davon auszugehen, dass für den Umgang mit erblichen Krebserkrankungen und den jeweiligen Konsequenzen die
wesentlichen individuellen Aspekte weitaus wichtiger
sind als das jeweils zugrunde liegende Krebsdispositionssyndrom. Obwohl beim Vergleich der vorherrschenden Tumorsyndrome ähnliche psychische
Mechanismen beobachtet wurden, zeigte sich der
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Besonders tief verwurzelte Ängste sind unter Umständen weder durch eine prophylaktische Operation
noch durch ein unauffälliges Testergebnis zu mindern.
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Psychische Störungen bei körperlichen Faktoren
chungsergebnisse bezüglich der diagnostischen Ein-
sein, im Falle eines definitiven Mutationsausschlusses
schätzung der Ängste.
den Anspruch auf intensivierte Früherkennungsunter-
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suchungen zu verlieren.
Test-Ablehnende
In einer Studie zeigten sich hohe krebsassoziierte
Ratsuchende mit definitivem Mutationsausschluss
Gentests als starker Prädiktor für das Auftreten von
Eine definitive Entlastung von dem erhöhten Erkran-
depressiven Symptomen in den nachfolgenden 6
kungsrisiko durch den Ausschluss einer familiären
Monaten bei Frauen, die den Gentest ablehnten [21].
Mutation kann Erleichterung und Freude, aber auch
In einer anderen Studie nannten die befragten Frauen
ambivalente Gefühle mit sich bringen. Die von der
als Grund für die Ablehnung des BRCA1/2-Gentests,
Mutation „verschonten“ Frauen können gegenüber
dass sie sich emotional noch nicht vorbereitet fühlten,
den betroffenen Angehörigen auch von Schuldgefühlen
mit den Konsequenzen des Gentests umzugehen. Dabei
bis hin zur Überlebensschuld geplagt sein. Dadurch
waren die Test-Ablehnenden eher gebildeter, kinderlos,
können sich bisherige Beziehungen in der Familie ver-
bereits in jüngerem Alter mit der ersten familiären
ändern. Zum Beispiel kann bei einer zuvor als innig
Brust- oder Eierstockkrebserkrankung konfrontiert
empfundenen Verbundenheit zwischen Geschwistern
und sich längere Zeit (Jahre) über die genetische Natur
das Gefühl aufkommen, dass plötzlich etwas zwischen
der Erkrankung bewusst sowie zurückhaltender
ihnen steht. Es wird befürchtet, nicht mehr „gleichwer-
gegenüber prophylaktischen Operationen. Die ableh-
tig“ dazuzugehören und unter Umständen nicht mehr
nende Haltung gegenüber dem Gentest schien eher auf
in die medizinisch-therapeutischen Entscheidungen
einer gründlich durchdachten Entscheidung zu basie-
der betroffenen Familienmitglieder einbezogen zu
ren [22].
werden. Das entlastete Familienmitglied kann es in
dieser Situation schwierig finden, die eigene Betroffen-
Die Ablehnung eines Gentests kann unterschiedli-
heit und belastende Sorge um das Wohlergehen der
che Gründe haben, z. B. emotionale Überforderung
betroffenen Angehörigen auszudrücken, was zu zu-
oder Unsicherheit über die Konsequenzen des
sätzlichen Unsicherheiten im gegenseitigen Umgang
Ergebnisses.
führen kann.
Frauen mit akuter Brustkrebserkrankung lehnten das
Ein Mutationsausschluss kann nicht nur Erleichte-
Angebot einer Fast-Track-Gendiagnostik vor der Brust-
rung mit sich bringen, sondern auch Schuldgefühle
operation ab, weil sie sich durch die zusätzliche Belas-
gegenüber den betroffenen Familienangehörigen.
tung eines gleichzeitigen Gentests emotional überfordert fühlten [23].
Der durch den Mutationsausschluss entfallende
Anspruch auf präventive Maßnahmen wird von man-
Ein weiterer Grund für die Ablehnung einer prädikti-
chen als neuer Unsicherheitsfaktor wahrgenommen,
ven Gendiagnostik kann aber auch die Befürchtung
der die empfundene Entlastung schmälern kann [24].
Die oben genannten Punkte können die ursprüngliche
Mögliche Ergebnisse des Gentests
█
█
klarer Ausschluss einer Mutation: nur bei vorheriger
und langfristig überschatten, wodurch auch die
Identifizierung einer Mutation in der Familie mög-
Lebensqualität erheblich eingeschränkt sein kann – bis
lich
hin zum Auftreten von psychischen Störungen. Immer-
unklare (nicht informative) Befunde:
hin zeigten Studien bei Frauen mit eindeutigem Aus-
– kein Mutationsnachweis: Mutationen in anderen
Hochrisikogenen dennoch nicht auszuschließen
– Nachweis Unklassifizierte Variante (UCV): Bildung
einer seltenen Proteinvariante mit unklarer Funktion
█
Freude und Erleichterung über das Testergebnis kurz-
Nachweis einer pathogenen Mutation: definitive
erbliche Disposition für bestimmte Krebserkrankungen
schluss einer Mutation im BRCA1/2-Gen zwar ein Jahr
nach der Befundmitteilung eine beträchtliche Reduktion der krebsspezifischen Sorgen, nach 3 Jahren lagen
die Belastungswerte jedoch ähnlich hoch wie vor dem
Gentest.
Bei Frauen, die bereits ohne Kenntnis ihrer genetischen
Veranlagung eine prophylaktische Operation, z. B. des
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Belastungswerte vor dem Angebot eines BRCA1/2-
Psychische Aspekte im Zusammenhang mit tumorgenetischer Beratung
Kasuistik
Kasuistik
Gesunde Ratsuchende mit definitivem Ausschluss
Gesunde Ratsuchende ohne Nachweis einer
einer BRCA1-Mutation
Eine gesunde, 55-jährige Mutter, Frau A., bat um eine
BRCA1-Mutation
Die 39-jährige Frau B. kam auf Empfehlung der Ober-
genetische Untersuchung, da ihre Tochter bereits mit
ärztin des Brustzentrums in die Gynäkologisch-Psy-
27 Jahren an Brustkrebs erkrankt war und in der Folge
chosomatische Ambulanz. Sie hatte 6 nahestehende
bei ihr eine Mutation im BRCA1-Gen als Krankheitsur-
Verwandte durch eine Brustkrebserkrankung verloren
sache nachgewiesen worden war. Da in der mütterli-
und war trotz der Tatsache, dass eine Mutation in den
chen Familie mehrere Krebserkrankungen aufgetre-
Brustkrebsgenen BRCA1/2 nicht hatte nachgewiesen
ten waren, wurde zunächst bei Frau A. ein prädiktiver
werden können, in sehr großer Angst, an einer Brust-
Gentest auf die bei der Tochter identifizierte Mutation
durchgeführt. Vor der Befundmitteilung hatte sie so
krebserkrankung sterben zu müssen. Als einziger
Ausweg erschien ihr, sich beide Brüste amputieren zu
große Ängste, dass eine Kollegin aus der Tumorgene-
lassen. Eine Psychotherapie, die sie 2 Jahre lang
tik um eine psychosomatische Krisenintervention bat.
ambulant gemacht hatte, habe nicht zu einer Reduk-
Diese fand zunächst mit der Mutter allein statt, dann
tion ihrer Ängste geführt. Tatsächlich waren bei ihr im
in derselben Sitzung mit Tochter und Ehemann. Es
Rahmen der intensivierten Früherkennung immer
wurde deutlich, dass sowohl die erkrankte Tochter als
wieder abklärungsbedürftige Befunde in einer Brust
auch der Vater in der Lage waren, mit der Brustkrebs-
gefunden worden, die sich zwar jedes Mal als harmlos
erkrankung bzw. mit dem potenziellen Risiko für eine
Krebserkrankung umzugehen, die Mutter hingegen
herausstellten, aber die Verunsicherung schürten.
Mittlerweile sah sie sich nicht mehr in der Lage, ihre
unter schwer eingrenzbaren Ängsten litt. Danach
Brust zu berühren, aus der Angst heraus, etwas zu
stellte sich überraschenderweise heraus, dass die
ertasten. Zärtliche Berührungen der Brust seitens des
Mutation vom Ehemann vererbt worden war und sie
Ehemanns waren ihr unangenehm. Ihre Brüste waren
selbst einen mutations-negativen Befund hatte. Dies
quasi zu einem Ort der Bedrohung und des Schre-
gab ihr zwar die Gewissheit, dass sie die bei der Toch-
ckens geworden.
ter identifizierte Mutation nicht vererbt hatte, wes-
Rückblickend konnte Frau B. für sich feststellen, dass
halb auch ihre Schuldgefühle abnahmen. Trotzdem
war sie in Sorge und Angst um ihre Tochter und nun
sie die Ängste schon mehrere Jahre begleiteten. Im
Verlauf des Erstgesprächs konnte sie erkennen, dass
zusätzlich um den gesunden Ehemann. Die Angst-
möglicherweise eine Abnahme der Brüste nicht in
symptomatik hatte weiterhin Krankheitswert, wes-
dem Maße zur Angstreduktion führen würde, wie sie
halb wir eine ambulante Psychotherapie empfahlen.
dies erhoffte. Unter Umständen könnten andere
Ängste in den Vordergrund treten, z. B. vor dem
Attraktivitätsverlust gegenüber ihrem Ehemann, oder
gesamten Brustdrüsengewebes, durchführen ließen
und bei denen in der Folge eine Mutation definitiv
ausgeschlossen werden konnte, war die psychosoziale
Belastung dennoch nicht vermindert [25]. In den
5 Jahren nach dem Gentest nahmen immerhin 1/3 der
entlasteten Frauen zum Thema erblicher Krebs psychologische Unterstützung in Anspruch, obwohl die
familiäre Mutation bei ihnen definitiv ausgeschlossen
ihre Angst könnte sich auf ein anderes Lebensrisiko
verlagern. Aus diesen Überlegungen heraus und aufgrund der ausgeprägten Symptomatik mit erheblichem Leidensdruck gelang es, sie für einen stationären Aufenthalt in unserer Klinik für Psychosomatik
und Psychotherapie zu motivieren. Therapieziel war,
Strategien im Umgang mit ihren Ängsten zu erlernen
und die getroffene Entscheidung zur beidseitigen
Ablatio mammae zu überdenken.
werden konnte [26].
von Veränderungen in anderen (noch unbekannten)
Ratsuchende mit unklaren Testergebnissen
Genen trotzdem nicht ausgeschlossen. Derartige
Ergebnisse können enttäuschend sein, da sich aus der
Den Ratsuchenden ist vor der genetischen Beratung
Untersuchung kein konkreter Nutzen ergibt. Weder
unter Umständen nicht bewusst, dass es auch unklare
kann interessierten Verwandten, insbesondere Nach-
Befunde (nicht informative Ergebnisse) geben kann. Bei
kommen, ein prädiktiver Gentest zur genaueren Risi-
Nachweis einer Unklassifizierten Variante kann (noch)
koeinschätzung angeboten werden, noch gibt es eine
nicht entschieden werden, ob es sich um eine patho-
klare Entscheidungsgrundlage für oder gegen prophy-
gene Mutation oder eine Normvariante handelt. Auch
laktische Operationen. In Abhängigkeit von den ermit-
wenn keine Mutation nachweisbar ist, ist das Vorliegen
telten Risikowerten besteht unter Umständen nicht
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Psychische Störungen bei körperlichen Faktoren
231
einmal der Anspruch auf präventive Maßnahmen. In
der Folge kann es – insbesondere bei eigener Erkran-
Tipp für die Praxis
kung und/oder starker familiärer Häufung von Krebs-
Bei der Entscheidung für oder gegen eine Brustdrü-
erkrankungen – trotz des fehlenden Mutationsnach-
senentfernung sind die potenziellen Einbußen (Kör-
weises zu erheblichen Ängsten vor einer Krebserkran-
perintegrität, Attraktivität, Sexualität, Stillen) quasi
kung kommen [27].
gegen den möglichen Gewinn an Lebenszeit und
Sicherheit abzuwägen.
Die andauernde Ungewissheit und das Leben mit
der Unsicherheit können im schlechtesten Fall zu
Ovarektomie und ggf. Hysterektomie. Die Empfehlung
ausgeprägten psychischen Störungen führen.
der prophylaktischen Entfernung der Eierstöcke/Eilei-
Bei unklaren Testergebnissen ist es bedeutend, bereits
um das 40. Lebensjahr lässt bei noch unerfülltem Kin-
im Vorfeld durch psychotherapeutische Interventionen
derwunsch häufig die biologische Uhr schneller ticken.
die Ängste zu bearbeiten.
Insbesondere ledige Frauen fühlen sich unter Zeitdruck,
einen Partner zu finden, der einerseits die emotionalen
Belastungen durch die erbliche Krebsveranlagung
Ratsuchende mit Mutationsnachweis
ertragen kann und der andererseits ggf. auch für andere Wege zur Elternschaft offen ist [29].
Der Nachweis einer erblichen Veranlagung ist verbunden mit dem Wissen um ein stark erhöhtes (Wieder-)
█
Belastung durch Schwangerschaft
Erkrankungsrisiko. Dies stellt die Betroffenen häufig
Bei Erkrankten können viele weitere Belastungen hin-
vor die konkrete Wahl zwischen verschiedenen prä-
zukommen. Es besteht – auch bei prinzipiell guter
ventiven Strategien. Beim erblichen Brust- und Eier-
Prognose – die Frage nach dem persönlichen Wagnis
stockkrebs müssen sie sich entscheiden zwischen der
einer Schwangerschaft. Schließlich ist nicht sicher, ob
intensivierten Früherkennung, die im Falle von auffäl-
die extremen Hormonveränderungen während der
ligen Befunden mit zusätzlichen Nachkontrollen und
Schwangerschaft ein erhöhtes Risiko für ein Rezidiv
damit psychischen Belastungen verbunden sein kann,
oder eine Neuerkrankung mit sich bringen. Hinzu
oder einer prophylaktischen Operation.
kommt, dass aufgrund der physiologischen Brustdrüsenveränderungen während der Schwangerschaft und
█
Prophylaktische Organentfernung
Im letzteren Fall ergeben sich weitere Entscheidungen
der einschränkten Früherkennungsmöglichkeiten die
frühzeitige Diagnose eines Tumors häufig erschwert ist.
zwischen den verschiedenen Operationsverfahren zum
Brustaufbau (Implantat versus Eigengewebe) mit den
█
Aspekte zur Familienplanung
jeweils möglichen nachteiligen Konsequenzen. Die in
Vor Einleitung einer Chemotherapie wird zu einer
den Beratungsgesprächen bezüglich der Brustrekon-
Kontrazeption geraten und darüber hinaus häufig eine
struktion gegebenen Informationen können in ver-
Beratung zu den verschiedenen Methoden der Fertili-
schiedenen Kliniken unterschiedlich ausfallen, was die
tätsprotektion angeboten (meist Kryokonservierung
Unsicherheit bei der Wahl des Eingriffs und der Klinik
von Eizellen oder Ovargewebe). Dies kann mit finan-
erhöht. Bei größeren Eingriffen mit längerem Kranken-
ziellen Belastungen und dem Risiko einer hormonellen
hausaufenthalt können zusätzlich Schwierigkeiten bei
Stimulierung einhergehen. Durch die Aufklärung mag
der Versorgung kleiner Kinder entstehen. Dazu müssen
manchen Frauen schlagartig bewusst werden, wie
bei der Wahl besonderer Operationsmethoden ggf. die
gering die Chance auf eine zukünftige Schwangerschaft
Kosten selbst getragen werden.
ist, wenn die Eizellreserve aufgrund des Alters schon
begrenzt und/oder eine antihormonelle Therapie über
Brustdrüsenentfernung. Von allen prophylaktischen
5 oder sogar 10 Jahre geplant ist. Dies kann für die
Eingriffen wird die prophylaktische Brustdrüsenentfer-
betroffenen Frauen unter Umständen einen abrupten
nung als besonders dramatisch erlebt. Typische Folgen
Abschied vom Kinderwunsch bedeuten. Erschwerend
sind die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körperbild
kommen häufig vorzeitige Wechseljahresbeschwerden
oder -gefühl, der weiblichen Attraktivität sowie Pro-
als Nebenwirkungen von Chemo- und/oder endokriner
bleme mit der Sexualität und/oder dem Stillwunsch.
Therapie hinzu.
Diese Folgen können umso verstärkter eintreten, je
mehr eine Patientin unter den Einbußen der Chemo-
Wie in der Kasuistik dargestellt, besteht insbesondere
und/oder antihormonellen Therapie leidet [28].
für junge Brustkrebspatientinnen mit Genmutation
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ter und beim Lynch-Syndrom auch der Gebärmutter
Psychische Aspekte im Zusammenhang mit tumorgenetischer Beratung
Kasuistik
Kasuistik
Junge Brustkrebspatientin mit BRCA1-Mutation
Junge Brustkrebspatientin mit BRCA1-Mutation
und starkem Kinderwunsch
Die 32-jährige Frau C. wurde konsiliarisch während
und abgeschlossenem Kinderwunsch
Frau D. war im Alter von 41 Jahren während der Still-
ihres stationären Aufenthalts kurz nach der Diagno-
zeit einseitig an Brustkrebs erkrankt und ließ eine
sestellung Mammakarzinom und geplanter Chemo-
beidseitige Mastektomie durchführen. In ihrer Familie
therapie gesehen. Es war ihr kurz nach Diagnosestel-
gab es weitere Frauen mit Brustkrebserkrankungen,
lung eine genetische Beratung empfohlen worden.
wobei ihrer Kenntnis nach ein extern durchgeführter
Bereits der Gedanke, es könne sich um eine erbliche
Gentest bei einer der betroffenen Verwandten keinen
Brusterkrankung handeln, versetzte sie in große
Mutationsnachweis gezeigt habe. Ein Jahr nach ihrer
Angst, zum einen, da ihr Kinderwunsch nicht abgeschlossen war, zum anderen da sie bereits antizipier-
Diagnose stellte sie sich zur genetischen Beratung vor
und ließ ebenfalls eine Gendiagnostik durchführen.
te, sich im Falle eines positiven Testergebnisses beide
Bei der Befundmitteilung war sie völlig überrascht,
Brüste abnehmen zu lassen. In der Krise ging es zu-
dass bei ihr eine Mutation im BRCA1-Gen identifiziert
nächst darum, ihre starken Gefühle von Angst und
werden konnte.
Verzweiflung auszuhalten („Holding and Contain-
Allerdings stellte sie rückblickend fest, froh zu sein,
ing“), und im Verlauf der folgenden psychotherapeu-
den genetischen Befund erst im Zusammenhang
tischen konsiliarischen und dann auch ambulanten
mit ihrer Brustkrebserkrankung und erst kurz vor
Behandlung mit ihr die sie belastenden Themen
nacheinander durchzuarbeiten. In der Folge ent-
Abschluss der Therapien erfahren zu haben. Im
Bewusstsein eines auffälligen BRCA1-Befunds hätte
schloss sie sich für eine genetische Testung, die eine
sie es ihrer Selbsteinschätzung nach sehr wahr-
Mutation im BRCA1-Gen ergab. Des Weiteren bewäl-
scheinlich nicht gewagt, Kinder zu bekommen. Sie
tigte sie die Chemotherapie und entschied sich zur
sei jetzt aber sehr zufrieden mit ihren 2 Kindern und
beidseitigen Mastektomie mit Brustaufbau. Nachdem
hoffe, dass der Medizin im Falle einer potenziellen
sie im Vorfeld die Möglichkeiten der Kryokonservie-
Erkrankung ihrer Kinder im Erwachsenenalter noch
rung gut abgewogen hatte, konnte sie wenige Jahre
bessere Therapiemöglichkeiten zur Verfügung stehen
später akzeptieren, kein Kind zu bekommen.
werden.
Frau D. setzte sich im Verlauf der psychotherapeuti-
und offenem Kinderwunsch ein sehr komplexes Span-
schen Gespräche insbesondere auch mit den Auswir-
nungsfeld, was sich auch konfliktreich auf eine beste-
kungen der Ängste auf ihre Kinder und deren Verhal-
hende Paarbeziehung auswirken kann. Im Falle von
ten auseinander. Sie zog sogar eine Kinderpsycholo-
BRCA1-Mutationen treten häufig potenziell sehr
gin hinzu, um eine professionelle Fremdeinschätzung
zu bekommen. Deutlich wurde, dass sich die gesamte
aggressive tripel-negative Brusttumoren mit schlechter
Familie psychisch und in ihren Beziehungen zueinan-
Prognose auf. Diese schürt in nachvollziehbarer Weise
der gestärkt fühlte und in der Folge die Kinder adäquat reagierten.
die Angst vor dem Tod.
Auch hier ist es bedeutsam, dass sich die Mutations-
Bezüglich der Belastungswerte unterschieden sich
trägerin mit ihren Ängsten auseinandersetzt und
Frauen mit einer BRCA1/2-Mutation 3 Jahre nach der
Bewältigungsstrategien im Umgang damit erlernt,
Befundmitteilung kaum von den Frauen mit eindeuti-
um die Ängste nicht unreflektiert an ihre Kinder wei-
gem Mutationsausschluss. In einer Erhebung mehr als 5
terzugeben.
Jahre nach dem Gentest berichtete erstaunlicherweise
etwa jede 5. BRCA1/2-Mutationsträgerin – insbesondere wenn sie erkrankt war – nach der Mitteilung des
Mutationsbefunds sogar Erleichterung empfunden zu
█
Zusätzliche familiäre Konfliktpotenziale
durch den Mutationsnachweis
haben, u. a. weil das Testergebnis bei der Entscheidung
Das Wissen um die eigene genetische Veranlagung ist
hinsichtlich der prophylaktischen Operationen hilf-
prinzipiell eine sehr private Angelegenheit und die
reich war. Insgesamt hatten die Frauen niedrige psy-
Betroffenen möchten sich mitunter zunächst selbst in
chische Belastungswerte und äußerten rückblickend
Ruhe an den Befund adaptieren. Irgendwann ergibt
eine positive Einstellung gegenüber dem Gentest [30].
sich jedoch die Frage nach der moralischen Verpflichtung zur Weitergabe des Mutationsbefunds, um weiteren potenziell gefährdeten Familienmitgliedern präventive Maßnahmen zu ermöglichen.
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232
Psychische Störungen bei körperlichen Faktoren
Verschweigen des Testergebnisses. Es gibt verschiedene Gründe für das Verschweigen des Mutationsbefunds, z. B. aus fürsorglicher, schützender Haltung
heraus für die Bewahrung der Lebensqualität bzw.
233
Therapieoptionen unter Berücksichtigung der neuen S3-Leitlinie Psychoonkologie [33]
(noch) kein Erkrankungsrisiko anzunehmen ist. Ein
Weil durch den Umgang mit den familiären Erkran-
weiterer Grund ist die Befürchtung, dass die Angehöri-
kungen, der Gendiagnostik bzw. dem jeweiligen
gen durch den ungünstigen Befund selbst derart belas-
Befund psychische Krisen auftreten können, besteht
tet sein könnten und sich die Betroffenen in der Folge
im Rahmen der tumorgenetischen Beratung in spezia-
verpflichtet fühlen, sich zusätzlich um die Angehörigen
lisierten Zentren die Möglichkeit zur psychotherapeu-
kümmern zu müssen. Es können Schuldgefühle beste-
tischen Unterstützung. Insbesondere kann dies not-
hen, die „Erblast“ möglicherweise an die Nachkommen
wendig werden, wenn zeitgleich eine Krebserkrankung
weitergegeben zu haben, oder es wird von den Getes-
diagnostiziert wurde. Allein die Adaptation an die
teten befürchtet, dass sich derjenige Elternteil, der die
Diagnose und notwendigen Therapien erfordert dann
Mutation vererbt hat, schuldig fühlt und mit Wut und
den Einsatz aller psychisch jeweils zur Verfügung ste-
Ablehnung reagiert.
henden Copingstrategien.
Die Auseinandersetzung mit der Frage nach der
Darüber hinaus werden mitunter auch spezielle Unter-
Weitergabe des Testergebnisses an potenziell
suchungssituationen wie Knochenszintigramm oder
mutationsbelastete Familienmitglieder kann psy-
MRT, aber auch eine als schwierig empfundene Kom-
chisch zusätzlich belasten.
munikation mit Ärzten als belastend erlebt.
Wenig Motivation zur Weitergabe des Testergebnisses
besteht auch, wenn in der Familie die Kommunikation
Tipp für die Praxis
über das Thema Krebs vermieden wurde und/oder die
Im ärztlichen Gespräch ist auf Nocebo-Effekte zu ach-
innerfamiliären Beziehungen als nicht tragfähig erlebt
ten, da Ärzte mit Worten nicht nur heilen bzw. lin-
werden. In der Folge wird eine ablehnende Haltung der
dern, sondern im gleichen Maße auch verletzen oder
Familienmitglieder gegenüber der genetischen Bera-
verängstigen können.
tung und Diagnostik und unter Umständen auch provozierende Fragen nach dem Nutzen des Gentests
Zusätzliche Belastungen entstehen unter Umständen
befürchtet.
durch die Ambivalenz gegenüber einem Gentest, die
Wartezeit bei Durchführung einer Diagnostik sowie
Davon abgesehen birgt die Weitergabe des Testergeb-
die Mitteilung des Testergebnisses. Damit einher gehen
nisses die Gefahr von Missverständnissen, weil die
häufig Gefühle von Angst, Hilflosigkeit bis hin zu Ver-
genetischen Sachverhalte für die Betroffenen kompli-
zweiflung, die bisweilen selbst von psychisch gesunden
ziert und damit schwierig zu erklären sind.
Ratsuchenden nicht mehr kompensiert werden können. Durch die auf vielen Ebenen erlebten Eingriffe bis
Testbefund mitteilen. Anstelle von Konflikten kann ein
hin zu Verletzungen ihrer bisherigen psychischen und
Mutationsbefund in Einzelfällen auch positive Aspekte
körperlichen Integrität fühlen sich insbesondere
mit sich bringen, z. B. dass sich unter Familienangehö-
erkrankte Ratsuchende nicht selten sehr belastet.
rigen Gefühle einer besonderen Verbundenheit entwickeln. Dies kann hilfreich sein für die gemeinsame Ver-
Bei akuten Belastungsreaktionen oder Anpassungsstö-
arbeitung des Testergebnisses und Entscheidungsfin-
rungen können psychotherapeutische Kriseninterven-
dung hinsichtlich der zu ergreifenden Maßnahmen
tionen sinnvoll sein, um posttraumatisches Wachstum
[31].
zu fördern und durch ein empathisches, supportives
Vorgehen Risiken für chronifizierte psychische Störun-
Insgesamt zeigten sich in einer Studie 3 Jahre nach
gen zu vermindern [34].
BRCA1/2-Gentest bei etwa 85 % der Getesteten weder
positive noch negative Auswirkungen auf die Familien-
Zu Beginn der Therapie steht zunächst eine diffe-
beziehungen [32].
renzierte psychische Diagnostik.
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Unbeschwertheit im Kindes- und Jugendalter, wenn
Psychische Aspekte im Zusammenhang mit tumorgenetischer Beratung
Diagnose. Am häufigsten wird die Diagnose Anpas-
Grundsätzlich sollte in den psychotherapeutischen
sungsstörung gestellt. Es können aber auch akute und
Kriseninterventionen zunächst das bearbeitet werden,
posttraumatische Belastungsstörungen, Somatisie-
was den höchsten Leidensdruck verursacht.
rungsstörungen oder somatoforme Schmerzstörungen
auftreten. Diese wiederum können die Adhärenz
Ziel der Therapie. Ein zentraler Bestandteil der Thera-
erheblich beeinträchtigen. Studien bei Krebspatienten
pie ist, den häufig als überwältigend empfundenen
ergaben 1-Monats-Prävalenzraten für Anpassungsstö-
Gefühlen von Angst, Ohnmacht und Verzweiflung
rungen von 12,5 %, für akute Belastungsstörungen von
Raum zu geben, um diese später integrieren zu können.
4,8 %, für somatoforme Störungen von 3,1 % und für
Daneben geht es darum, Angst und innere psychische
posttraumatische Belastungsstörungen von 2,5 % [35].
Spannungen aushaltbar zu machen. Dies geschieht
durch die Förderung individueller Anpassungsstrate-
Interventionsmöglichkeiten. Aufgrund der Vielfältig-
gien und die Wahrnehmung und Mobilisierung aller
keit der möglichen Belastungsfaktoren im Zusammen-
der Person zur Verfügung stehenden Ressourcen. Ziel
hang mit der tumorgenetischen Beratung kann es kei-
ist die Verbesserung der individuellen Resilienz, d. h.
nen maßgeschneiderten Katalog an psychotherapeuti-
der psychischen Widerstandskraft, und die Aktivierung
schen Interventionen geben. Stattdessen ist in Analogie
von Selbstheilungspotenzialen sowie die Stärkung von
zu psychoonkologischen Interventionen bei Krebspa-
Gefühlsausdruck und die Integration von Gefühlen
tienten eine Kombination von verschiedenen psycho-
[38]. Auf diese Weise besteht die Chance, posttrauma-
therapeutischen Interventionsformen – von präventiv
tisches Wachstum und Reifung zu fördern.
bis supportiv – möglich, von denen signifikante, geringe bis mittelstarke Effekte auf die emotionale Belastung
Es ist zu beachten, dass im Gegensatz zur konventio-
und Lebensqualität zu erwarten sind [36, 37].
nellen Traumatherapie bei einer erblich bedingten Veranlagung für Tumorerkrankungen eine „Täter-Opfer“-
Die Art und der zeitliche Umfang der Interventio-
Trennung als psychotherapeutisches Konzept nicht
nen sollten in jedem Fall dem individuellen Bedarf
möglich ist [39]. Das bedeutet, der „Täter Krebs“ kann
angepasst werden.
nicht komplett verbannt werden, sondern muss bei
medizinisch begründetem Risiko für ein Rezidiv oder
Die Interventionen können im ambulanten Setting als
sogar einer unabhängigen Zweiterkrankung beachtet
Einzelgespräche während und ggf. nach der geneti-
werden.
schen Beratung oder der Therapie erfolgen oder – wenn
eine intensivere Psychotherapie notwendig ist – als
Beratung der Angehörigen. Sofern bei den Problemen
stationäre Behandlungen in einer Klinik für Psycho-
im Zusammenhang mit der tumorgenetischen Bera-
somatik und Psychotherapie (s. Abb. 1).
tung die Beziehungen innerhalb der Familie eine große
Rolle spielen, kann auch für die Familienmitglieder eine
psychotherapeutische Begleitung bzw. Unterstützung
Psychotherapeutische/psychoonkologische Intervention
Arten:
█
█
Neben den direkt Betroffenen können auch die
ambulante psychotherapeutische Krisen-
Familienmitglieder auf Wunsch psychotherapeu-
interventionen
tisch begleitet werden.
(teil)stationäre Psychotherapie
Interdisziplinarität. Wünschenswert ist zudem ein
Kernziele:
█
Ressourcen-Aktivierung
█
Stabilisierung
█
Integration körperlicher Versehrtheit undschwer
aushaltbarer Gefühle wie Angst, Wut, Verzweiflung
und Ohnmacht
█
█
in Belastungssituationen sinnvoll sein [40].
Förderung der Kommunikationsfähigkeit innerhalb
der Familie und mit Ärzten
Erhöhung der Lebensqualität
interdisziplinärer Austausch aller an der Betreuung der
Ratsuchenden und/oder Patienten beteiligten Abteilungen mit regelmäßig stattfindenden Super- und
Intervisionen, um Interaktionen zwischen den Ratsuchenden und den betreuenden Ärzten gemeinsam zu
reflektieren (Abb. 1). So können die Vulnerabilität, psychische Störungen und Ressourcen der Patienten besser
wahrgenommen und ggf. bei der Therapieplanung
berücksichtigt werden [41].
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234
Psychische Störungen bei körperlichen Faktoren
Supervisionen/
Intervisionen
interne Zuweisungen
Stationen:
Chirurgie/Urologie
Konsildienst
Tumorzentrum
Brustzentrum
gynäkologische
Stationen
ChemotherapieAmbulanz
externe Zuweisungen
(gynäkologische)
Praxen
tumorgenetische
Ambulanz
Strahlentherapie
Gynäkologisch-Psychosomatische
Ambulanz + Liaison-Konsildienst
Selbsthilfe
z.B. BRCA-Netzwerk
Abb. 1
Zuweisung
psychosomatische
Tagesklinik oder Station
psychotherapeutische Praxen
Versorgungsstruktur des Zentrums für erblichen Brust- und Eierstockkrebs in Hannover – „Modell Hannover“.
Fazit und Perspektiven
einer Chronifizierung von bestehenden Störungen vorgebeugt werden.
Trauer, Verunsicherungen und Ängste sind typische
Symptome, die mit der Diagnose von erblichen Tumorerkrankungen mit familiär gehäuft oder jung aufgetre-
Tipp für die Praxis
tenen Krebserkrankungen assoziiert sind und die bei
Nicht zu unterschätzen ist der präventive Charakter
der genetischen Beratung zu berücksichtigen sind.
der Interventionen, z. B. könnte es auch bei psychisch
„gesunden“ Ratsuchenden über die konstruktive Ent-
Zusätzliche Einflussfaktoren auf die psychische Belas-
wicklung neuer Lebensperspektiven zu einer besseren
tung sind
Adaptation an die genetischen Befunde und damit zu
█
einer besseren Lebensqualität kommen.
der gesundheitliche Zustand der Betroffenen (bei
einer Erkrankung auch Stadium und Prognose),
█
zusätzliche psychische Störungen in der Vergangen-
Subjektiver Behandlungsbedarf. Es ist bekannt, dass die
heit oder Gegenwart,
von ärztlicher Seite eingeschätzte Psychopathologie
█
das familiäre und soziale Umfeld,
und der resultierende objektivierte Therapiebedarf bei
█
der Verlauf der genetischen Beratung,
Krebspatienten weder mit dem subjektiven Behand-
█
das Testergebnis und
lungswunsch der Betroffenen noch mit einer tatsäch-
█
ggf. die Einbeziehung weiterer Familienmitglieder.
lichen Behandlung korrelieren müssen [43].
Das Ausmaß der Betroffenheit der Einzelnen hängt
Die objektiv erfasste Psychopathologie und der
dabei nicht unbedingt von dem Verlauf des Beratungs-
subjektive Behandlungsbedarf stimmen nicht
prozesses oder von der Art des jeweiligen Testergeb-
immer überein.
nisses ab. Unter Umständen mag die genetische Untersuchung selbst weniger belastend sein als die vorheri-
Um die psychosoziale Betroffenheit und Therapiebe-
gen Erfahrungen mit den Erkrankungen im familiären
dürftigkeit im Rahmen der tumorgenetischen Beratung
Umfeld [42].
genauer einschätzen zu können, wurde in Holland ein
besonderer Fragebogen etabliert, der neben den The-
Am häufigsten treten Anpassungsstörungen auf. Aber
men Krebs, Genetik und Familie auch das Bedürfnis
auch weitere psychische Störungen bis hin zur post-
nach zusätzlicher psychosozialer Unterstützung erhebt
traumatischen Belastungsstörung sind möglich, da der
[44]. Bei holländischen Ratsuchenden vor und nach
Gentest als krebsassoziiertes Ereignis als Auslöser hier-
BRCA1/2-Gentest zeigte sich nach subjektiver Ein-
für wirken kann. Psychotherapeutische Kriseninter-
schätzung ein großer Bedarf an psychosozialer Unter-
ventionen sind dann dringend indiziert. Hierbei geht
stützung insbesondere zu krebs- und gentestbezoge-
es um das Erkennen des jeweiligen, im Fokus stehen-
nen Themen, z. B.:
den Konfliktfelds, das Aufspüren von Ressourcen und
█
Interpretation des genetischen Befunds
die Stärkung der Resilienz. Dadurch kann im besten
█
Entscheidung bezüglich prophylaktischer Operatio-
Falle das bestehende Spannungsfeld aufgelöst und
nen
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Tumorkonferenz
(auch extern)
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Psychische Aspekte im Zusammenhang mit tumorgenetischer Beratung
█
Kommunikation in der Familie
█
geringe Selbstakzeptanz
Kernaussagen
█
Vulnerabilität durch erhöhtes Erkrankungsrisiko
Insbesondere erkrankte Ratsuchende mit vielen
█
Stigmatisierung
█
Kontrollverlust
krebsbedingten Verlusterfahrungen in der Familie
haben eine erhöhte Vulnerabilität und sind anfälliger
█
unerfülltes Sicherheitsbedürfnis
für psychische Störungen. Im besten Fall hat bereits
█
Sinn des Lebens
vor der genetischen Beratung ein posttraumatisches
Wachstum stattgefunden. Häufig tritt jedoch eine
Von den Ratsuchenden mit hohem subjektivem Unterstützungsbedarf erhielt nur ein Drittel tatsächlich psychologische Hilfe [45].
Studienergebnisse deuten darauf hin, dass viele
Ratsuchende mehr psychosoziale Unterstützung
im Zusammenhang mit Gentests wünschen.
zumindest temporäre starke Verunsicherung der
Betroffenen auf, die in Abhängigkeit von der Persönlichkeit, der individuellen Lebensgeschichte und der
aktuellen Lebenssituation die Gefahr einer akuten
Überforderung birgt. Hier ist eine differenzierte
Diagnostik von psychotherapeutischer Seite bedeutsam, um Ratsuchende mit einer psychischen Störung
einer psychotherapeutischen Therapie zuführen und
so einer etwaigen Dekompensation entgegenwirken
Defizite in der psychosozialen Unterstützung sind
zu können.
möglich durch Wartezeiten auf einen Therapieplatz,
Aber auch für Ratsuchende ohne Psychopathologie
durch einen fehlenden Anspruch mangels objektiver
Therapieindikation, durch lange Fahrtwege oder Scheu
kann eine kurzfristige psychotherapeutische Unterstützung wichtig sein. Sonst besteht die Gefahr, dass
vor Aufnahme einer Psychotherapie. Insbesondere in
z. B. trotz der Durchführung von risikosenkenden
entlegenen Gebieten kann es schwer sein, psychoon-
Operationen und der damit einhergehenden Mini-
kologische Unterstützung zu finden, die auf die indivi-
mierung des Erkrankungsrisikos die Angst nicht ver-
duellen Bedürfnisse und Problembereiche der tumor-
mindert wird, sondern sich auf ein anderes Lebensri-
genetischen Beratung fokussiert ist.
siko projiziert. So können psychotherapeutische Kriseninterventionen über Akutsituationen hinaus auch
kürzlich ein webbasiertes Angebot etabliert, um Frauen
bei unterschwelligen Belastungen in präventiver Hinsicht wirken, indem sie psychischen und psychoso-
mit einer BRCA1/2-Mutation bei der Entscheidung
matischen Störungen vorbeugen können. Darüber
zwischen möglichen präventiven Maßnahmen zu
hinaus wären für die Ratsuchenden weitere, nieder-
unterstützen [46]. In Analogie dazu wäre zur Selbsthilfe
schwellige bedürfnisorientierte Unterstützungsange-
ein niederschwelliges, angeleitetes internetbasiertes
bote wünschenswert.
Unterstützung durch das Internet. In den USA wurde
Informations-, Beratungs- bzw. Behandlungsangebot
denkbar, das speziell angepasst ist an die besonderen
psychosozialen Problembereiche, z. B. bei Mutationsnachweis. Es hat sich gezeigt, dass auch Patienten mit
manifesten psychischen Störungen für derartige Angebote offen sind [47].
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Über die Autoren
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Dr. med. Fachärztin für Gynäkologie,
Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Leiterin des Bereichs
Gynäkologische Psychosomatik und
des Konsil-/Liaisondiensts, Psychoonkologin, Oberärztin der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie der
Medizinischen Hochschule Hannover
(MHH).
Patricia Steiner
Ärztin und Psychoonkologin der
tumorgenetischen Beratungssprechstunde und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Zell- und Molekularpathologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH).
Interessenkonflikt: Die Autorinnen geben an, dass kein
Interessenkonflikt besteht.
Korrespondenzadresse
Dr. med. Sophia Holthausen-Markou
Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie
Medizinische Hochschule Hannover
Carl-Neuberg-Straße 1
30625 Hannover
E-Mail: [email protected]
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238
Psychische Störungen bei körperlichen Faktoren
239
CME-Fragen
█
1
A Gewissheit über genetische Veranlagung erlangen
B bessere Therapieplanung bei akuter Krebsdiagnose
C geplanter Abschluss einer Lebensversicherung
D Hoffnung auf entlastendes Ergebnis
E
Wunsch nach vermehrten Früherkennungsuntersuchungen
█
2
Welche Aussage trifft für Familien
mit erblichem Krebs häufig zu?
A Die aufgetretenen Krebserkrankungen sind auf eine Generation beschränkt.
B intensive Kommunikation in jeder betroffenen Familie
C Tumoren treten nur in jungem Alter auf.
D Das Erkrankungsrisiko wird anderen Lebensrisiken gleichgestellt.
E
Es werden Verlust- und Trauererfahrungen gemacht.
█
3
Was ist hinsichtlich der verschiedenen molekulargenetischen Befunde
zu beachten?
A Mutationsträger müssen aufgrund ihres hohen Risikos für eine Dekompensation einer
psychotherapeutischen Therapie zugeführt werden.
B Die verschiedenen Untersuchungsergebnisse bewirken jeweils typische Anpassungsstörungen.
C In Abhängigkeit vom jeweiligen Untersuchungsergebnis sind jeweils spezifische
Interventionsformen notwendig.
D Bei fehlendem Mutationsnachweis sollte vornehmlich die Wahrnehmung der Entlastung gefördert
werden.
E Es ist unabhängig von dem Befund auf die individuelle Situation der Betroffenen und den Wunsch
nach Unterstützung zu achten.
█
4
Welche Aussage zur psychosozialen
Belastung trifft zu?
A Personen mit definitivem Mutationsausschluss haben am wenigsten psychische Probleme und
benötigen keine psychoonkologische Betreuung.
B Personen mit nicht informativen Ergebnissen fühlen sich meist subjektiv entlastet.
C Für die meisten Personen mit Mutationsnachweis besteht im Allgemeinen kein erhöhtes Risiko für
langfristige negative psychosoziale Folgen.
D Personen ohne Testangebot fühlen sich aufgrund des niedrig ermittelten Risikos meist erleichtert.
E
Personen, die einen Gentest ablehnen, sollten wegen ihrer übermäßigen Ängste unbedingt einer
Therapie zugeführt werden.
█
5
Welche psychische Störung wird bei
Krebspatienten bzw. Ratsuchenden
der tumorgenetischen Beratung am
häufigsten diagnostiziert?
A Depression
B posttraumatische Belastungsstörung
C Somatisierungsstörungen oder somatogene Störungen
D Anpassungsstörung
E
Persönlichkeitsstörung
CME
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Welcher Grund für die Inanspruchnahme der tumorgenetischen Beratung ist nicht häufig?
Psychische Aspekte im Zusammenhang mit tumorgenetischer Beratung
CME-Fragen
Psychische Aspekte im Zusammenhang mit tumorgenetischer Beratung
█
6
Welche Aussage zu psychotherapeutischen Interventionsmöglichkeiten
trifft zu?
A Analog zur klassischen Traumatherapie gibt es eine klare Trennung von Täter und Opfer.
B Die Kombination verschiedener psychotherapeutischer Therapieverfahren ist erlaubt.
C Eine Gruppentherapie mit ähnlich Betroffenen zeigt in Studien die höchste Effektstärke.
D Akute Kriseninterventionen sollten wegen einer Überforderung und Gefahr einer psychischen
Destabilisierung auf jeden Fall vermieden werden.
E Es geht in den psychotherapeutischen Interventionen um das Vermeiden von für die Patienten
zunächst nicht aushaltbar erscheinenden Gefühlen („Holding and Containing“).
█
7
Worauf ist bei psychotherapeutischen Interventionen bei gesunden
oder erkrankten Ratsuchenden zu
achten?
A sofortige Konfrontation mit den traumatisch erlebten krebsassoziierten Erfahrungen
B Debriefing der Betroffenen
C Fokussierung auf die drohende Palliativsituation
D Vernachlässigung bestehender psychischer/psychosomatischer Störungen angesichts des realen
Krebsrisikos
E Einbeziehung von Angehörigen zur Mobilisierung von Ressourcen
█
8
Welches Therapieziel wird primär
nicht verfolgt?
A Stabilisierung der Betroffenen
B Verbesserung der Compliance zur Durchführung von risikosenkenden Operationen
C Förderung der individuellen Copingstrategien
D Stärkung der Ressourcen und der Resilienz
E
Verbesserung der Kommunikation mit Ärzten und Familienmitgliedern
█
9
Welche besonderen Probleme sind
im Vergleich zu anderen Tumorsyndromen spezifisch für den erblichen
Brust- und Eierstockkrebs?
A Betroffenheit der Brust als Attribut des weiblichen Selbstverständnisses und der sexuellen
Attraktivität
B Bedrohung der Lebensqualität
C Umgang mit dem potenziell erhöhten Erkrankungsrisiko
D Schwierigkeiten bei der Weitergabe des Untersuchungsergebnisses
E
Schuldfrage bei Vererbung der Mutation an die Kinder
█
10
Welche Aussage zur psychosozialen
Behandlungsbedürftigkeit trifft zu?
A Nur die Personen mit Mutation oder Unklassifizierter Variante haben ein Anrecht auf
psychoonkologische Unterstützung.
B Nur Personen mit diagnostizierter Psychopathologie sollten psychoonkologisch unterstützt
werden.
C Der individuelle Unterstützungsbedarf korreliert häufig nicht mit dem psychotherapeutisch
ermittelten Therapiebedarf.
D Wenn die Ratsuchenden dies wünschen, finden sie meist auch psychoonkologische
Unterstützung.
E Durch die vermehrte Inanspruchnahme der genetischen Beratung und Diagnostik gibt es kaum
noch Hemmschwellen, die den Zugang zu psychotherapeutischer Unterstützung erschweren.
CME
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