Prostatakrebs: Wie Vorsorge Leben rettet

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Münchner Merkur Nr. 272 | Montag, 25. November 2013
STIEFS SPRECHSTUNDE
Leben
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Prostatakrebs: Wie Vorsorge Leben rettet
Es ist die wohl gefürchtetste Krankheit des
Mannes: Prostatakrebs.
Vor wenigen Tagen erlag
der Kabarettist Dieter
Hildebrandt dem tückischen Tumor. Jedes Jahr
teilen hierzulande mehr
als 12 000 Männer sein
Schicksal. Doch ist Prostatakrebs durchaus heilbar– doch nur, wenn er
früh erkannt wird.
Prof. Dr. Christian Stief
Als Chefarzt im Münchner
Klinikum Großhadern erlebe ich täglich, wie wichtig
medizinische Aufklärung
ist. Meine Kollegen und
ich(www.facebook.de/UrologieLMU) möchten den
Merkur-Lesern daher jeden
Montag ein Thema vorstellen, das für ihre Gesundheit
von Bedeutung ist. Im Zentrum der heutigen Seite steht
– aus aktuellem Anlass – eine gefürchtete Männerkrankheit: Prostatakrebs.
Der Experte des Beitrags ist
Privatdozent Dr. Michael
Seitz. Er ist unter anderem
Spezialist für nervenerhaltende Operationen bei Tumoren der Prostata sowie
Lasertherapie bei einer gutartigen Vergrößerung der
Vorsteherdrüse.
VON MICHAEL SEITZ
Jedes Jahr erkranken in
Deutschland mehr als 60 000
Männer an Prostatakrebs. Im
Jahr 2011 stand der bösartige
Tumor an sechster Stelle der
häufigsten
Todesursachen
beim Mann. Doch ist die
Krankheit keineswegs immer
tödlich. Früh erkannt, lässt sie
sich gut behandeln. Ohne
Vorsorge-Untersuchungen ist
dies allerdings nur selten der
Fall: Denn der Patient spürt
meist lange nichts von seiner
Erkrankung.
Warum ist Vorsorge
so wichtig?
In einem frühen, lokal begrenzten Stadium sind Tumore der Prostata in den meisten
Fällen heilbar. Doch bemerkt
der Betroffene die Erkrankung dann noch nicht. Bei einer Vorsorge-Untersuchung
kann der Krebs allerdings
frühzeitig entdeckt werden.
Hat der Tumor indes bereits
Metastasen, also Absiedelungen außerhalb der Vorsteherdrüse, gebildet, ist Heilung
kaum mehr möglich. Doch typischerweise treten erst dann
Beschwerden auf: Der Urinstrahl wird dünn, vor allem
nachts muss man oft Wasser
lassen. Erektionsstörungen
können auftreten und es kann
Blut im Urin sein. Oft treten
Knochenschmerzen an Wirbelsäule und Becken auf.
Die Kasse zahlt nur die
Tastuntersuchung
Seit mehr als 30 Jahren ist
das Leistungsspektrum der
gesetzlichen Krankenkassen
bei der Prostatakrebs-Vorsorge nicht erweitert worden: Ab
einem Alter von 45 Jahren
kann sich demnach jeder
Mann auf Kosten der Krankenkasse die Prostata untersuchen lassen. Dazu gehört,
dass der Arzt die Krankengeschichte des Patienten erfragt
und Veränderungen und Beschwerden ermittelt. Schließlich tastet er die Prostata über
den Enddarm ab. Zusätzliche
wichtige
Untersuchungen
zahlt die Kasse indes nicht.
Dabei können ein PSA-Test
und eine Untersuchung mit
Ultraschall (TRUS) über den
Enddarm die Vorsorge deutlich verbessern.
PSA-Test sollte Teil
der Vorsorge sein
Über den Enddarm lässt
sich die Prostata einfach und
kostengünstig untersuchen.
Leider ist die Methode nicht
sicher. Wird die Prostata bei
der Vorsorge nur abgetastet,
entdeckt der Arzt nur 37 Prozent der Krebs-Erkrankungen. Es ist daher unbedingt
empfehlenswert, zusätzlich
den PSA-Wert bestimmen zu
lassen. Dazu nimmt der Arzt
dem Patienten Blut ab. Dann
wird ermittelt, wie viel PSA
(prostataspezifisches
Antigen) es enthält. Dieses Eiweiß
wird bei verschiedenen Erkrankungen der Prostata ins
Blut abgegeben. Die Kassen
übernehmen die Kosten für
diesen Test allerdings nur,
wenn bereits ein Krebsverdacht besteht, der Arzt bereits
einen Knoten oder andere
Veränderungen ertastet hat.
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Im Ultraschallbild kann Dr. Michael Seitz Veränderungen in der Prostata gut erkennen.
Ein erhöhter PSA-Wert bedeutet aber nicht zwingend,
dass der Patient Krebs hat. Er
kann auch bei gutartigen Erkrankungen erhöhte Werte
zeigen. Trotzdem lässt sich
Prostatakrebs so zuverlässiger
feststellen als durch das Abtasten über den Enddarm.
Wann ist der PSAWert bedenklich?
Wenngleich der PSA-Wert
immer wieder in der Kritik geraten ist, hat er die Prostatakrebs-Früherkennung erheblich verbessert. Generell gilt
ein PSA-Wert von mehr als
4 ng/ml (Nanogramm pro
Milliliter) als ein mögliches
Anzeichen für Krebs. Doch
erscheint dieser Grenzwert
recht willkürlich und ist auch
vom gewählten Laborverfahren abhängig.
Bei einem PSA-Wert zwischen 4 und 10 ng/ml wird etwa bei einem Drittel der Patienten Prostatakrebs festgestellt. Doch ist die Krebsgefahr bereits bei einem niedrigeren Wert erhöht. Bei einem
PSA-Wert zwischen 2,5 und 4
ng/ml lässt sich etwa bei einem Viertel der Biopsierten
ein Karzinom feststellen. Hinzu kommt, dass gerade die Tumore bei Patienten mit niedrigen Werten allein mit der
Tastuntersuchung nur selten
erkannt werden. Doch gerade
dann ist der Krebs noch in 80
Prozent der Fälle auf das Organ begrenzt und gut heilbar.
Ohne den PSA-Wert würde
der Urologe den Tumor übersehen. Manche Spezialisten
empfehlen daher, bei begründetem Verdacht und unter
speziellen Voraussetzungen
bereits ab dem Wert von 2,5
ng/ml eine Gewebeentnahme
(Biopsie) vorzunehmen.
An dem ersten gemessenen
PSA-Wert kann der Arzt auch
das Risiko abschätzen, in den
kommenden Jahren an Prostatakrebs zu erkranken. Generell gilt: Der PSA-Wert sollte bei einem unter 50-Jährigen
unter 1 und bei einem unter
60-Jährigen unter 2 liegen.
Urologen empfehlen daher,
den PSA-Wert schon früh bestimmen zu lassen. Ist kein
Prostatakrebs in der Familie
bekannt, sollte er mit 45 erstmals bestimmt werden, ansonsten spätestens mit 40. So
kann der Arzt nicht nur allein
anhand eines Wertes, sondern
auch aufgrund von Veränderungen entscheiden, ob eine
Gewebeprobe nötig wird.
Ultraschall
der Prostata
Mit Ultraschall kann der
Urologe Größe, Form und die
Umgebung der Prostata untersuchen. Zusätzliche Ultraschall-Verfahren, wie die
Elastographie (Nachweis von
Verhärtungen durch Ultraschall) verbessern die Diagnostik. Wichtig ist Ultraschall
zudem, wenn eine Gewebeprobe aus der Prostata entnommen wird. Diese Prostata-Stanzbiopsie muss heute
Ultraschall-gesteuert durchgeführt werden. Dabei sollten
mindestens zehn bis zwölf
Proben entnommen werden.
moren noch in Erprobung.
Daher sollten diese Methoden
den Betroffenen nur im Rahmen von Studien angeboten
werden.
Sichere Diagnose
nur durch Biopsie
Ob ein Patient Prostatakrebs hat, lässt sich derzeit
nur mit einer Methode mit Sicherheit feststellen: der Biopsie. Dies geschieht heute meist
ambulant. Der Patient wird
mit Schmerzzäpfchen oder einer Spritze lokal betäubt. Die
Behandlung
ist
beinahe
schmerzfrei und wird mit Ultraschall kontrolliert. Dabei
Mit modernen Verfahren,
wie der Positronen-Emissions-Tomografie
(PET/CT
oder PET/MRT) und der Magnetresonanz-Tomografie
(MRT) lassen sich ebenfalls
Veränderungen der Prostata
sichtbar machen. Dabei können inzwischen erstaunlich
gute Bilder von Gewebs- und
Stoffwechselveränderungen
erzeugt werden. Sie können
bei der Diagnose helfen.
Derzeit laufen Studien, um
zu zeigen, wie gut sich mit diesen Verfahren Diagnosen stellen lassen. Klar ist: Diese Verfahren ersetzen die Biopsie
nicht, auch wenn dies im Internet oder anderen Medien
manchmal zu lesen ist. Selbst
in den allerbesten Händen
und mit den besten Apparaten
ist der Kernspin nur in etwa 72
Prozent genaue Ergebnisse.
Andere Verfahren, wie etwa
das „HistoScanning“ oder
MRT-gesteuerte
Biopsien
sind bei der Suche nach Tu-
werden mindestens zehn bis
zwölf Proben entnommen.
Der Pathologe untersucht
dann das Gewebe und stellt
die Diagnose. Die Gefahr,
dass durch die Biopsie Krebszellen in gesunde Bereiche
des Körpers verschleppt werden, ist dabei minimal. Sie
liegt unter 0,07 Prozent.
OP mit Entfernung
der Prostata
Die Operation gilt oft nur
dann als sinnvoll, wenn der
Patient eine Lebenserwartung
von mehr als zehn Jahren vermuten lässt. Doch wird heute
auch bei lokal fortgeschrittenen und sehr aggressiven Tumoren operiert. Das kann die
Aussichten des Patienten verbessern. Nach dem Eingriff
kann man zudem noch kleinste Krebsherde nachbestrahlen. Anders ist es, wenn der
Tumor auf die Prostata begrenzt ist. Dann können bei
der Operation die Gefäße und
Nerven erhalten werden. 60
Kleines Organ mit
vielen Aufgaben
Schon der Name klingt für
die meisten Männer vor allem nach Problemen. Von
der genauen Lage der Prostata erfahren viele erst,
wenn diese zu Beschwerden führt. Die Vorsteherdrüse, meist mit dem lateinischen Fachwort als Prostata bezeichnet, trägt ihren
Namen, weil sie der Blase
quasi vorsteht. Das kastaniengroße
Drüsenorgan
umschließt unterhalb dieser die Harnröhre. Sie ist
zudem von einer Kapsel
umgeben, an der empfindliche Nerven entlanglaufen – ein Grund, warum
Prostata-Operationen zu
Komplikationen
führen
können. Eine wichtige
Funktion der Drüse ist es,
eine Flüssigkeit zu produzieren, die beim Samenerguss dem Sperma beigemischt wird und die Samenzellen ernährt. Auch
spielt das Organ eine Rolle
im Hormonstoffwechsel.
So wird dort der Botenstoff
Testosteron in das biologisch aktive Dihydrotestosteron umgewandelt.
FOTO: MARCUS SCHLAF
bis 70 Prozent der Männer,
die in spezialisierten Zentren
operiert werden, sind nach
der Radikaloperation nicht
impotent. Das Ergebnis ist dabei erheblich von der Erfahrung des Operateurs (es sollte
mindestens 50 dieser Operationen pro Jahr selbst durchführen) und vom Zustand und
Alter des Patienten abhängig.
Auch den Urin zu halten, ist
selten ein Problem. In Zentren sind drei bis sechs Monate nach der OP nur noch fünf
Prozent der Patienten inkontinent. Auch eine Bluttransfusion ist heute nur noch selten
nötig. In nicht-spezialisierten
Kliniken sind die Ergebnisse
Prostatakrebs führt oft erst
spät zu Beschwerden. Der
Tumor wächst dabei in der
Regel im kapselnahen Bereich der Prostata (rote Zone). Beschwerden haben
viele Patienten erst, wenn
der Tumor bereits umgebendes Gewebe zerstört
oder Tochtergeschwulste
(Metastasen) gebildet hat.
Gutartige Wucherungen bilden sich meist um die Harnröhre herum (hellblaue Zone). Im Gegensatz zum
bösartigen Prostatakrebs
können sie im Einzelfall relativ schnell zu Harnstau
und Harnsperre führen,
was sofort behandelt werden muss. APOTHEKENUMSCHAU
Diagnose durch PET
und Kernspin
PROBLEMORGAN
PROSTATA
deutlich schlechter. Bei den
OP-Techniken gelten offene
Verfahren und Eingriffe mit
einem Operations-Roboter,
etwa mit dem daVinci-System, als gleichwertig. Entscheidend für die Qualität des
Eingriffes ist aber nicht das
Verfahren, sondern das Können des Operateurs.
Bestrahlung von
außen und innen
Die Bestrahlung gilt als eine
erfolgreiche Therapie von
Prostatakrebs. Doch verbessert sie die Lebenserwartung
auf lange Sicht nicht so deutlich wie eine Operation. Bestrahlt werden vor allem ältere
Patienten, die sich nicht mehr
operieren lassen wollen.
Auch von innen kann heute
bestrahlt werden. Bei der sogenannten
Brachytherapie
(LDR-Brachytherapie) werden kleine radioaktive Kapseln direkt in die Prostata und
den Tumor eingesetzt. Diese
zeitsparende Therapie wird
auch jüngeren Patienten an-
geboten, die Nebenwirkungen wie Impotenz vermeiden
wollen. Doch eignet sich diese
Therapie nicht für jeden. Große Studien zu Überlebensraten von mehr als 15 Jahren liegen bisher nicht vor. Der Anteil der Patienten, die fünf Jahre nach der Therapie impotent
sind, liegt bei 40 bis 85 Prozent. Die Bestrahlung wird oft
als Therapie gewählt, da sie
scheinbar weniger Nebenwirkungen hat als die Operation.
Doch sind Schäden nicht so
selten wie oft angenommen.
So kann es zu Strahlenschäden am Darm oder Beschwerden beim Wasserlassen kommen. Auch Impotenz und Inkontinenz als Komplikationen sind nicht selten.
Was bedeutet
aktives Überwachen?
Statt sofort zu behandeln,
gibt es heute auch die Möglichkeit des aktiven Überwachens (active surveillance):
Dabei wird der Patient in kurzen Abständen regelmäßig
untersucht. Dabei wird der
PSA-Wert bestimmt, die Prostata über den Enddarm abgetastet und Kontroll-ProstataStanzbiopsien durchgeführt.
So kann bei kleinsten Veränderungen sofort eine Therapie, etwa eine Operation oder
eine Bestrahlung, durchgeführt werden. Diese aktive
Überwachung sollte aber nur
von einem absoluten Spezialisten durchgeführt werden.
Sie eignet sich zudem nur für
Patienten mit einem lokal begrenzten Prostatakarzinom
mit sehr geringer Tumorlast.
Voraussetzung ist außerdem,
dass die Aggressivität des Tumors gering und der PSAWert niedrig ist.
Therapie
mit Hormonen
Entscheiden sich Patient
und Arzt gegen eine Operation oder Bestrahlung, oder
sind bereits Metastasen vorhanden, kann eine Hormontherapie erfolgen. Eine Behandlung mit Hormonen verlängert in den meisten Fällen
das Leben nicht, kann aber
Beschwerden lindern, hat
aber Nebenwirkungen.
Der Autor Priv.-Doz. Dr. Michael
Seitz war lange Zeit Oberarzt
in der Urologischen Klinik des
Uniklinikums Großhadern und
leitet heute die Praxis „UroClinic
Bogenhausen“ in München.
Viele ältere Männer haben
Prostata-Probleme.
FOT
Vergrößerte Drüse
Mit fortschreitendem Alter
nimmt die Prostata in der
Regel an Größe zu. Dies ist
an sich harmlos, kann aber
zu ernsten Beschwerden
führen. Typisch sind überfallartiger Harndrang oder
ein dünnerer Urinstrahl.
Wenn der Harnstrahl also
plötzlich dünn wird oder
während des Wasserlassens abbricht, muss dahinter keineswegs eine Krebserkrankung stecken. Meist
ist eine gutartige Prostatavergrößerung
(benigne
Prostatahyperplasie) die
Ursache. Doch auch diese
sollte behandelt werden.
Sonst kann es etwa zu
plötzlichem Harnverhalt
kommen. Der Betroffene
kann plötzlich überhaupt
nicht mehr Wasser lassen.
Bei Krebs-Operationen unterstützt den Chirurgen
ein Roboter.
FOTO: SCHLAF
Krebs sehr häufig
Zur Verfügung stehen bei
der Therapie verschiedene
Medikamente.
Nehmen
die Beschwerden zu, sollte
man auch bei einer gutartigen Vergrößerung eine
Operation erwägen. Zum
Einsatz kommen etwa minimalinvasive Techniken
mit dem Laser.
Doch entwickeln sich in
der Vorsteherdrüse leider
oft auch bösartige Zellen.
Während bei jüngeren
Männern Prostatatumore
sehr selten sind, sind sie in
hohem Alter häufig. Doch
unterscheiden sich diese in
der Aggressivität. Nicht
immer sterben die Betroffenen daran. So fand man
bei Obduktionen von
80-Jährigen, die nicht an
Prostatakrebs gestorben
waren, bei bis zu 80 Prozent Tumorzellen.
sog
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