"Verlusterleben und kindliche Entwicklung bei Trennung - lag

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Oranienburg am 14.05.2014
Rainer Balloff
Verlusterleben und kindliche Entwicklung
bei Trennung und Scheidung, Varianten der
entwicklungsfördernden Sorgerechts- und
Umgangsgestaltung
Trennung des Kindes unmittelbar nach der
Geburt des Kindes von der leiblichen Mutter
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•
Aussetzen des Kindes (verboten)
Ablegen des Neugeborenen in die Babyklappe
Anonyme Geburt
Anonyme Übergabe des Kindes an Professionelle
Seit 1. Mai 2014 vertrauliche Geburt
• (Besonderheiten im Rahmen der Fremdinsemination
eines Kindes)
§ 26 Abs. 1 bis 3
Gesetz zur Vermeidung und Bewältigung von
Schwangerschaftskonflikten
§ 26 Das Verfahren der vertraulichen Geburt
(1) Wünscht die Schwangere eine vertrauliche Geburt, wählt sie
1. einen Vor- und einen Familiennamen, unter dem sie im Verfahren der vertraulichen
Geburt handelt (Pseudonym), und
2. je einen oder mehrere weibliche und einen oder mehrere männliche Vornamen für
das Kind.
(2) Die Beratungsstelle hat einen Nachweis für die Herkunft des Kindes zu erstellen.
Dafür nimmt sie die Vornamen und den Familiennamen der Schwangeren, ihr
Geburtsdatum und ihre Anschrift auf und überprüft diese Angaben anhand eines
gültigen zur Identitätsfeststellung der Schwangeren geeigneten Ausweises.
(3) Der Herkunftsnachweis ist in einem Umschlag so zu verschließen, dass ein
unbemerktes Öffnen verhindert wird. Auf dem Umschlag sind zu vermerken:
1. die Tatsache, dass er einen Herkunftsnachweis enthält,
2. das Pseudonym,
3. der Geburtsort und das Geburtsdatum des Kindes,
4. der Name und die Anschrift der geburtshilflichen Einrichtung oder der zur Leistung
von Geburtshilfe berechtigten Person, bei der die Anmeldung nach Absatz 4 erfolgt
ist, und
5. die Anschrift der Beratungsstelle.
§ 26 Abs. 4 bis 8
Gesetz zur Vermeidung und Bewältigung von
Schwangerschaftskonflikten
(4) Mit dem Hinweis, dass es sich um eine vertrauliche Geburt handelt, meldet die
Beratungsstelle die Schwangere unter deren Pseudonym in einer geburtshilflichen
Einrichtung oder bei einer zur Leistung von Geburtshilfe berechtigten Person zur
Entbindung an. Diese Einrichtung oder Person kann die Schwangere frei wählen. Die
Beratungsstelle teilt bei der Anmeldung die nach Absatz 1 Nummer 2 gewählten
Vornamen für das Kind mit.
(5) Die Beratungsstelle teilt dem am Geburtsort zuständigen Jugendamt folgende
Angaben mit:
1. das Pseudonym der Schwangeren,
2. den voraussichtlichen Geburtstermin und
3. die Einrichtung oder die zur Leistung von Geburtshilfe berechtigte Person, bei der
die Anmeldung nach Absatz 4 erfolgt ist.
(6) Der Leiter oder die Leiterin der Einrichtung der Geburtshilfe, in der die Schwangere
geboren hat, teilt der Beratungsstelle nach Absatz 4 Satz 1 unverzüglich das
Geburtsdatum und den Geburtsort des Kindes mit. Das Gleiche gilt bei einer
Hausgeburt für die zur Leistung von Geburtshilfe berechtigte Person.
(7) Das Standesamt teilt dem Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben
den beurkundeten Namen des Kindes zusammen mit dem Pseudonym der Mutter
mit.
(8) Nachrichten der Frau an das Kind werden von der Beratungsstelle an die
Adoptionsvermittlungsstelle weitergeleitet und dort in die entsprechende
Vermittlungsakte aufgenommen; bei nicht adoptierten Kindern werden sie an das
Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben weitergeleitet.
§ 28 Gesetz zur Vermeidung und Bewältigung
von Schwangerschaftskonflikten
§ 28 Beratungsstellen zur Betreuung der vertraulichen Geburt
(1)
Beratungsstellen nach den §§ 3 und 8 können die Beratung zur
vertraulichen Geburt durchführen, wenn sie die Gewähr für eine
ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens der vertraulichen Geburt
nach den Bestimmungen dieses Abschnitts bieten sowie über hinreichend
persönlich und fachlich qualifizierte Beratungsfachkräfte verfügen.
(2)
Um die Beratung zur vertraulichen Geburt wohnortnah
durchzuführen, können die Beratungsstellen nach den §§ 3 und 8 eine
Beratungsfachkraft nach Absatz 1 hinzuziehen.
Zahlen zu Fragen der
anonymen Geburt
•
Im Zeitraum von 2000 bis Mitte 2010 wurden in Deutschland 973 Kinder
anonym abgegeben.
•
Davon konnten 250 zur Mutter zurückgeführt, 198 regulär und weitere 314
anonym adoptiert werden.
•
Etwa 50 % der Kinder, die in eine Babyklappe abgelegt wurden, werden im
Anschluss direkt in eine Adoptivfamilie vermittelt.
•
Bei den anonym geborenen Kindern trifft dies auf etwa ein Drittel der
Kinder zu.
•
20 bis 30 Kinder werden in Deutschland jährlich nach der Geburt getötet
oder tot ausgesetzt (Neonatizid).
Literatur: Deutsches Jugendinstitut (2011). Anonyme Geburt und Babyklappen in Deutschland.
Fallzahlen, Angebote, Kontexte. Bearbeitet von Joelle Coutinho und Claudia Krell.
§ 1626a BGB
Elterliche Sorge nicht miteinander verheirateter
Eltern; Sorgeerklärungen
§ 1626a BGB
(1) Sind die Eltern bei der Geburt des Kindes nicht miteinander verheiratet, so
steht ihnen die elterliche Sorge gemeinsam zu,
1. wenn sie erklären, dass sie die Sorge gemeinsam übernehmen wollen
(Sorgeerklärungen),
2. wenn sie einander heiraten oder
3. soweit ihnen das Familiengericht die elterliche Sorge gemeinsam überträgt.
(2) Das Familiengericht überträgt gemäß Absatz 1 Nummer 3 auf Antrag eines
Elternteils die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge beiden
Eltern gemeinsam, wenn die Übertragung dem Kindeswohl nicht widerspricht.
Trägt der andere Elternteil keine Gründe vor, die der Übertragung der
gemeinsamen elterlichen Sorge entgegenstehen können, und sind solche
Gründe auch sonst nicht ersichtlich, wird vermutet, dass die gemeinsame
elterliche Sorge dem Kindeswohl nicht widerspricht.
(3) Im Übrigen hat die Mutter die elterliche Sorge.
Vorschrift neugefaßt durch das Gesetz zur Reform der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter
Eltern vom 16.04.2013 (BGBl. I S. 795) mit Wirkung von (amtl. Abkürzung: m.W.v.) 19.05.2013.
§ 1686a BGB
Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen
Vaters
§ 1686a BGB Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters
(1) Solange die Vaterschaft eines anderen Mannes besteht, hat der leibliche
Vater, der ein nachhaltiges Interesse an dem Kind gezeigt hat,
1. ein Recht auf Umgang mit dem Kind, wenn der Umgang dem Kindeswohl
dient, und
2. ein Recht auf Auskunft von jedem Elternteil über die persönlichen
Verhältnisse des Kindes, soweit er ein berechtigtes Interesse hat und dies
dem Wohl des Kindes nicht widerspricht.
(2) Hinsichtlich des Rechts auf Umgang mit dem Kind nach Absatz 1 Nummer
1 gilt § 1684 Abs. 2 bis 4 entsprechend. Eine Umgangspflegschaft nach §
1684 Absatz 3 Satz 3 bis 5 kann das Familiengericht nur anordnen, wenn
die Voraussetzungen des § 1666 Abs. 1 erfüllt sind.“
§ 167a FamFG
Besondere Vorschriften für Verfahren nach § 1686a
des Bürgerlichen Gesetzbuchs
§ 167a FamFG
(1) Anträge auf Erteilung des Umgangs- oder Auskunftsrechts nach § 1686a
des Bürgerlichen Gesetzbuchs sind nur zulässig, wenn der Antragsteller an
Eides statt versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit
beigewohnt zu haben.
(2) Soweit es in einem Verfahren, das das Umgangs- oder Auskunftsrecht
nach § 1686a des Bürgerlichen Gesetzbuchs betrifft, zur Klärung der
leiblichen Vaterschaft erforderlich ist, hat jede Person Untersuchungen,
insbesondere die Entnahme von Blutproben, zu dulden, es sei denn, dass
die Untersuchung nicht zugemutet werden kann.
(3) § 177 Absatz 2 Satz 2 und § 178 Absatz 2 gelten entsprechend.
•
Vorschrift eingefügt durch das Gesetz zur Stärkung der Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters vom
04.07.2013 (BGBL. I. S. 2176 m.W.v. = mit Wirkung vom 13.07.2013).
§ 151 FamFG
Kindschaftssachen
§ 151 Kindschaftssachen
Kindschaftssachen sind die dem Familiengericht zugewiesenen Verfahren, die
1. die elterliche Sorge,
2. das Umgangsrecht und das Recht auf Auskunft über die
persönlichen Verhältnisse des Kindes,
3. die Kindesherausgabe,
4. die Vormundschaft,
5. die Pflegschaft oder die gerichtliche Bestellung eines sonstigen Vertreters für
einen Minderjährigen oder für eine Leibesfrucht,
6. die Genehmigung der freiheitsentziehenden Unterbringung eines Minderjährigen
(§§ 1631b, 1800 und 1915 des Bürgerlichen Gesetzbuchs),
7. die Anordnung der freiheitsentziehenden Unterbringung eines Minderjährigen
nach den Landesgesetzen über die Unterbringung psychisch Kranker oder
8. die Aufgaben nach dem Jugendgerichtsgesetz betreffen.
•
Fassung aufgrund des Gesetzes zur Stärkung der Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters vom 04.07.2013
(BGBL. I S 2176 m.W.v. 13.07.2013).
Ehe-/Partnerschaftsmodelle
Ehe/Partnerschaft als Institution
– Dient dem Überleben der Familienmitglieder
– Zeugung des Nachwuchses
– Starre Hierarchie und
– Unauflösbarkeit
– Trennung ist nahezu unmöglich
Ehe/Partnerschaft als Bündnis
– Idee des Glücks
– Trennung führt zu Sanktionen gegenüber dem „Treulosen“
– Trennung hinterlässt die Vorstellung von Schande
– Trennung führt zum Rückzug
Ehe/Partnerschaft als Liebes- oder Verschmelzungsbeziehung
– Tiefe und Intimität der gefühlsmäßigen Beziehung ist ausschlaggebend
– Jeweils der andere ist für das „Seelenheil“ und Wohlergehen des Partners verantwortlich
– Das Schwinden der Liebe führt zur Trennung
– Im Fall der Trennung tritt her das Gefühl des Versagens, das mit Gefühlen der Verletzung und
Kränkung einhergeht
– Trennung wird als Katastrophe erlebt
Partnerschaftliche Beziehung oder Vernunftehe
– Harmonische, solidarische, funktionierende auf Absprache beruhende Paarbeziehung
– Mit dem Ende der gemeinsam befriedigenden Erfahrungen trennen sich die beiden Partner
(das Paar) wie Geschäftspartner, während die nun ehemaligen Partner als Eltern weiterhin
kooperieren
– Dramatik und traumatisierende Erlebnisinhalte fehlen auf der Paar- und Elternebene und
treten normalerweise auch bezüglich der gemeinsamen Kinder mangels nachhaltiger Konflikte
auf der Paarebene nicht auf
– Trennung wird für denkbar und bewältigbar gehalten
Kinder
Erwachsene
Wechselmodell
„Das Wechselmodell ist eine Betreuungs- und
Lebensform für Kinder getrennt lebender Eltern,
in der
• Kinder abwechselnd jeweils einen substantiellen
Anteil (d.h. mindestens 30 %) bei jedem Elternteil
leben
• in beiden Elternhäusern zuhause sind und
• sich Mutter und Vater die elterliche
Verantwortung teilen“
Literatur: Sünderhauf, H. (2013). Wechselmodell: Psychologie – Recht – Praxis, S. 61.
Wechselmodell
• Haben sich die sorgeberechtigten Eltern auf ein Wechselmodell geeinigt,
sind sie dieser Regelung verpflichtet, bis eine anderweitige Regelung
getroffen worden ist. Eine einseitige Aufkündigung ist nicht möglich.
• Kommt eine einvernehmliche Änderung des Wechselmodells nicht
zustande, ist auf Antrag eines Elternteils eine Regelung gemäß § 1671
Abs. 2 zum Aufenthalt des Kindes zu treffen. Eine gerichtliche Anordnung
des Wechselmodells ist dann nicht möglich (OLG Brandenburg, Forum
Familienrecht 2012, 457, 458).
• Von den Gerichten wird z.T. in diesen Fällen eine Umgangsanordnung nach
§ 1684 Abs. 3 BGB im Rahmen einer amtswegigen Regelung getroffen, die
dann den Charakter einer Wechselregelung trägt, was unzulässig ist.
• Im Antragsverfahren zur Regelung der elterlichen Sorge nach § 1671 BGB
ist ein „amtswegiges“ Vorgehen nicht möglich.
Literatur: OLG Brandenburg, Forum Familienrecht 2012, 457, 458
Günstige und ungünstige Voraussetzungen für ein
Wechselmodell nach einer 50-zu-50-Regelung
Voraussetzungen für ein Wechselmodell
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die räumliche Wohnnähe der Eltern zueinander,
die zeitliche Verfügbarkeit der Eltern,
die Akzeptanz der Kinder,
beide Eltern bleiben in der Verantwortung für ihre Kinder,
Beziehungen und Bindungen zu beiden Eltern bleiben erhalten und das Kind erlebt sie in
ihren jeweiligen alltäglichen Bezügen,
das Vorliegen einer Elternvereinbarung.
Ein wichtiger Streitpunkt zur Frage des Unterhalts verliert an Bedeutung, da sich die
Unterhaltsansprüche gegeneinander aufheben.
Diese Aufhebung kann jedoch den einkommensschwächeren Elternteil benachteiligen,
obwohl ein Sonderbedarf entsprechend der elterlichen Einkommenssituation aufgeteilt
werden kann. Allerdings kann im Wechselmodell auch der Unterhaltsvorschuss eingestellt
werden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 Unterhaltsvorschussgesetz - UhVorschG).
Absprachen und eine gewisses Maß an effektiver und respektvoller Kommunikation und
Kooperation zwischen den Eltern sollten selbstverständlich sein.
Wird ein Wechselmodell praktiziert und werden Auffälligkeiten des Kindes durch die Eltern
bemerkt, die auch von Dritten (Kita, Schule, Jugendamt) thematisiert werden, dann sollte
möglicherweise diese Regelung beispielsweise von bisher 50 : 50 reduziert werden, zumal
Säuglinge und Kinder unter zwei Jahren möglicherweise eine längere Trennung von den
Eltern (noch) nicht verkraften.
Eine exakte 50:50-Regelung schwer einzuhalten, wenn beide Eltern voll berufstätig sind.
Elternkonflikte und Hochkonflikthaftigkeit
Merkmale bei hocheskalierenden
Familienkonflikten
Zur Frage einer definitorischen Eingrenzung der Hochkonflikthaftigkeit hat
Dettenborn 2013 in Deutschland vermutlich das umfassendste Kategorialsystem
mit Einzelkategorien vorgestellt. Hiernach thematisiert er insgesamt zwei
Vorstufen der Hochkonflikhaftigkeit und eine Stufe der Hochkonflikthaftigkeit
mit 18 feingegliederte Unterstufen.
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Wortkonflikte
z.B. Meinungsverschiedenheiten
Feindselige Polemik
Drohungen
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Konflikthandeln
z.B. Setzen von Einschränkungen,
Negativdarstellungen von Verhaltensweisen des Konfliktpartners bei Dritten
Herausverlagerung der Konflikte in Behörden, Einrichtungen und Institutionen (z.B.
wiederholt in verschiedenen Beratungsstellen, Jugendamt, Familiengericht)
Literatur: (Dettenborn, H. (2013a). Hochkonflikthaftigkeit bei Trennung und Scheidung – Teil 1. Zeitschrift für
Kindschaftsrecht und Jugendhilfe, Heft 6, 231–234, 232; ders. (2013b). Hochkonflikthaftigkeit bei Trennung und
Scheidung – Teil 2. Zeitschrift für Kindschaftsrecht und Jugendhilfe, Heft 7, 272–276.
Hochkonflikthaftigkeit
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Hochkonflikthaftigkeit
z.B. Schikanehandeln
Gegenseitiges Drohverhalten mit Ultimaten (Eskalationsdialog)
Verharren im Vorwurskreislauf
Allianzbildung
Behinderung der Kommunikation zwischen den Konfliktparteien
Überhöhte Kontrollansprüche in Bezug auf das Verhalten des Konfliktpartners
Kriminalisierung (sog. Badness-Modell) oder Psychiatrisierung des
Konfliktpartners (ihn als verrückt erklären, sog. Madness-Modell – das
Madness-Modell hinzugefügt von Balloff);
Selbstschädigung
Häufige Anwaltswechsel
Ausgeprägte Gerichtshängigkeit (häufige Anträge und Beschwerden in der
Familiengerichtsbarkeit, Strafanzeigen)
Nichteinhaltung von Absprachen und festgelegten Maßnahmen
Mangelnde Bereitschaft zur Nutzung professioneller Hilfe
Hohe Anzahl von Konfliktthemen
Drohverhalten gegenüber professionellen Dritten
Belastung des Kindes (in Abwesenheit des Konfliktpartners)
Belastung des Kindes (in Anwesenheit des Konfliktpartners).
Kindeswohlgefährdung durch Körperliche
Misshandlung
Definition: Kindesmisshandlung kann verstanden werden als eine nicht
zufällige, bewusste oder unbewusste, gewaltsame, psychische oder
physische Schädigung, die in Familien oder Institutionen (beispielsweise
Kindergärten, Schulen, Heimen) geschieht, die zu Verletzungen,
Entwicklungshemmungen oder sogar zum Tod führt und die das Wohl und
die Rechte eines Kindes beeinträchtigt oder bedroht.
Beachte hierzu § 225 StGB, §§ 1631 Abs. 2, 1666, 1666a BGB, §§ 8, 8a,
8b, 42 SGB VIII (KJHG)
Physische Misshandlung
– hartes, häufiges Schlagen (mit Faust oder Gegenständen)
– zusammenschlagen, verprügeln, absichtlich Knochen brechen
– würgen, treten, beißen
– absichtliche Verbrennungen, Verbrühen
– Bedrohungen oder Angriff mit Waffen (Messer, Schusswaffen)
– Nicht indizierte Medikamente geben (z.B. Hypnotika, Marcumar, DiabetesMedikamente )
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Seelische Misshandlung und
Vernachlässigung
Definition: Seelische Misshandlung eines Kindes betrifft das
wiederholte Auftreten oder die extreme Ausprägung von
Verhaltensweisen einer Pflegeperson, die dem Kind zu
verstehen gibt, es sei wertlos, mit Fehlern behaftet,
ungeliebt, ungewollt, gefährlich oder nur dazu nütze, die
Bedürfnisse eines anderen Menschen zu erfüllen.
Psychische Misshandlung – z.B.
– emotionale Unerreichbarkeit der Bindungsperson
– keine Reaktion auf Signale, Wünsche, Bedürfnisse des Kindes
– kein Trösten
– Ablehnung des Kindes, depressives Verhalten
– extreme Drohungen
– Herabwürdigen, Demütigen, Bloß stellen, Schlecht machen
(schlimmstenfalls vor Dritten)
Vernachlässigung:
– Ignorieren des körperlichen Wohls des Kindes
– Ignorieren der psychischen Bedürfnisse des Kindes
– wenig/keine Stimulierung des Kindes
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Ca. 60.000 Kinder im Kinderheim
Thesen:
- Kinder, die in Wohngruppen und Kinderheimen aufwachsen, sind erheblichen
Risiken in ihrer seelischen Entwicklung ausgesetzt, da eine Unterbringung
des Kindes immer mit einem Trennungsverlust und oft mit einem
Beziehungs- und Bindungsabbruch mit den Eltern einhergeht.
- Die Gruppenerziehung im Kinderheim mit einer nach wie vor hohen
Fluktuation des Erziehungspersonals (z.B. durch Krankheit, Urlaub,
Versetzung, Erreichung der Altersgrenze) verbunden, die insbesondere bei
jüngeren Kindern unter sechs Jahren einen (neuen) Bindungsaufbau auch
bei einer mehrjährigen Unterbringung unmöglich machen.
- Oft liegt auch eine Vorschädigung des Kindes vor, die einen Bindungsaufbau
erschweren.
- Negativen Folgeerscheinungen einer Trennung aus Bindung können in einem
an die kindlichen Bedürfnisse ausgerichteten Wohngruppen und Kinderheims
abklingen. Das setzt eine kontinuierliche Betreuung des Kindes durch einen
beständigen Erzieherstab voraus, so dass letztlich eine kontinuierliche,
feinfühlige, zugewandte, unterstützende und klare Grenzen aufzeigende
Erziehung die seelische Stabilität, Beziehungs- und Bindungsfähigkeit des
Kindes wiederherstellen kann.
- Es bestehen erhebliche Unterschiede in den Bindungsqualitäten bei
Familienkindern, Pflegekindern und Heimkindern.
-
Dient bei schwer geschädigten und traumatisierten Kindern ein Umgang dem
Kindeswohl? Kontrollierter - beschützter - begleiteter Umgang?
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Resilienz
1. Resilienz ist das positive Gegenstück zur Verletzlichkeit (Vulnerabilität),
die geprägt ist durch die Fähigkeit, bei Risiken und Belastungserleben
erfolgreich und sozial akzeptabel Widerstand zu leisten, indem sich eine
verringerte Anfälligkeit für Stress zeigt. Dies gilt vordringlich für sicher
gebundene Kinder, Jugendliche und Erwachsene.
2. Resilienz weist einerseits eine genetische Komponente auf (z.B.
Temperament eines Kindes) ist aber andererseits ebenso das Produkt
von Entwicklung in einem Konflikt bzw. in einem Konfliktverlauf.
3. Bemerkbar wird vor allem die Resilienz in Krisen- und Konfliktsituationen
durch Nutzung und Beibehaltung von Bewältigungsstrategien (CopingStrategien) des Kindes und der Überzeugung von Selbstwirksamkeit.
4. Resilienz ist somit denjenigen Personen vorbehalten, die ein hohes
Funktions- oder Anpassungsniveau trotz erheblicher Risiken erreichen,
während Personen, die trotz eines nur geringen Risikoniveaus ein
geringes Funktions- und Anpassungsniveau aufweisen, eher vulnerabel
sind.
Literatur: Körner, W. & Deegener, G. (Hrsg.). (2011). Erfassung von Kindeswohlgefährdung in Theorie und
Praxis, S. 204f. Lengerich: Pabst.
23
Grundlegende Erkenntnisse der Pflege- und
Heimkinderforschung mit Bezug zur
Bindungstheorie
Resilienzfaktoren:
- Die Persönlichkeit des Kindes selbst,
- Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl,
- kindgerechtes Ersatzmilieu nach Elternverlust (z.B. durch Tod eines Elternteils
oder beider Eltern, Trennung),
- soziale Förderung,
- wenigstens durchschnittliche Intelligenz (IQ 100),
- spezielle Eigenschaften der Persönlichkeit (z.B. Temperamentsausprägung:
robustes, aktives und kontaktfreudiges ),
- wie es sich verhält,
- was es tut und was nicht,
- wie es selbst in Interaktion mit seinem sozialen Umfeld tritt,
- wie es in die Umgebung eingreift,
- was es verlangt oder etwas ablehnt,
- Aufmerksamkeit und ein positives Interesse der Umgebung auf sich ziehen,
Beziehung zu den Geschwistern (leibliche oder andere Kinder in Institution/
Familie),
- Später: Gründung einer eigenen Familie und die dadurch die u.U. gewonnene
Lebenssicherheit.
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Big Five als Faktoren der Resilienz
Prädiktoren eines psychosozialen Erfolgs (von Eltern-,
Pflege- und Heimkindern) ranken sich neben den
Beziehungs- und Bindungsqualitäten ebenso um die so
genannten Big Five, die letztlich einen wichtigen
Bestandteil der so genannten bio-psycho-sozialen
Perspektive eines jeden Menschen darstellen:
1.
2.
3.
4.
5.
Intelligenz
Gewissenhaftigkeit
Extraversion
Positive Emotionalität
Freundschaftlichkeit
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Präventive Interventionsmöglichkeiten
Spezielle Interventionen in professionellen Netzwerke
– Schaffung eines stabilen, bindungssicheren
Alternativmilieus (z.B. therapeutischer Kindergarten;
heilpädagogische Pflegefamilie oder Wohngruppe; keine
Wechsel der Bezugspersonen. Problem: Kurzzeit- oder
Bereitschaftspflegestelle; stabiler, Orientierung und
Zuwendung gebender Rahmen in der Pflegefamilie, im
Kinderheim und Jugendstrafvollzug etc.)
– Arbeiten in kleinen stabilen Gruppen
– möglichst frühe psychotherapeutische Intervention in der
Familie kombiniert mit einer Elternberatung,
Psychotherapie der Eltern, Einzel-, Paar-,
Familientherapie, Video-Home-Training etc.
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Präventive Interventionsmöglichkeiten
Alltagsinterventionen
• Vielfältige, anregungsreiche und emotional
zugewandte kognitive, emotionale und soziale
Prozesse in der Interaktion durch die für das Kind
wichtigen, zugewandten und feinfühligen
Bezugspersonen.
• Eine sichere (organisierte) Bindung stellt für viele
soziale Bereiche einen stabilisierenden und
präventiven Faktor dar (z.B. für prosoziales Verhalten,
z.B. in der Kita, Schule, Freundschafts- und
Liebesbeziehungen, aber auch bei der Verhinderung
von abweichendem Verhalten und Kriminalität).
• Traumata führen dagegen neben den psychosozialen
Auffälligkeiten auch zum Abbau von Nervenzellen, zu
einem verringerten Hirnvolumen und zu erweiterten
Hirninnenräumen.
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Spezielle Interventionen
Beispiele für Elternprogramme
• Baby-Beobachtung im Kindergarten zur Vorbeugung von
aggressiven und ängstlichen Verhaltensstörungen bei Kindern
(B.A.S.A. = Baby-Watching (B.) - Against Aggression and - Anxiety
(A.) - For Sensivity (S.) - For Empathy (E.).
• STEEP (Steps Toward Effective Enjoyable Parentieng - Schritte zu
einer effektiven, freudvollen Elternschaft), in deutscher Version
von Suess und Kißgen, 2005: STEEP unterstützt Peronen in HochRisiken-Familien (insbesondere Mütter) – dient der Stärkung der
Eternrolle durch Erlenen der Feinfühligkeit und Etablierung der
Bindungssicherheit des Kindes: Dauer: Ein bis drei Jahre.
• „Entwicklungspsychologische Beratung“ - von Ute Ziegenhain
(2007): Dient der Förderung der Feinfühligkeit, Empathie,
Fähigkeit zur Perspektivenübernahme des Kindes und der Freude
im Umgang mit dem Kind. Vorgehen: Themenfestlegung, z.B.
Wickeln, Füttern, Spielen. Durchführung und Dauer: jeweils ca. 5
Minuten. Medien: Videoanalyse, Videofeedback. Methodisches
Vorgehen nach den Maximen: Sehen – Verstehen - Handeln mit
positiven Feedback.
Spezielle Interventionen
Fortsetzung: Elternprogramme
SAFE – Sichere Ausbildung für Eltern durch Multiplikatoren - von
Karl-Heinz Brisch (2010). Das Programm soll von der 20.
Schwangerschaftswoche bis zum ersten Lebensjahr des Kindes
erfolgen und besteht aus vier Modulen:
- Safe-Pränatales Modul (umfassende Informationen und Austausch
in der Gruppe)
- Safe Postnatales Modul (sechs ganztätige Sitzungen)
- Traumapsychotherapie mit den Eltern, wenn sie ungelöste
Traumata haben
- Hotline für die Eltern zur Gruppenleiterin
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