Wenn Fruchtzucker und Milchzucker Probleme machen Wer sich vernünftig ernähren will, kommt an Obst- und Milchprodukten kaum vorbei. Doch Vorsicht: Bei manchen Menschen können gerade diese „gesunden“ Nahrungsmittel Beschwerden auslösen. Leiden Sie unter Darmstörungen, für die der Arzt keine greifbare Ursache finden kann? Kombiniert mit anderen Symptomen, wie Kopfschmerzen, Schlafstörungen oder Stimmungsschwankungen? Ist Ihr Befinden sehr wechselhaft, mal besser, mal schlechter? Dann könnte es sein, dass Sie an einer speziellen Kohlenhydratunverträglichkeit leiden. „Hauptschuldige“ sind hier meist der Milch- und/ oder Fruchtzucker. Fruktosemalabsorption oft nicht erkannt Gerade das Krankheitsbild der Fruchtzuckerunverträglichkeit oder Fruktosemalabsorption, wie es in der Medizin heißt, ist vielen Ärzten und Patienten kaum bekannt und wird deshalb auch zu selten als möglicher Auslöser für chronische Beschwerden in Betracht gezogen. Experten haben jedoch erkannt, dass der in Früchten enthaltene oder vielen Süßspeisen zugesetzte Fruchtzucker (Fruktose) immer mehr Menschen Probleme bereitet: „Schätzungen zufolge sind etwa zehn Prozent der Bevölkerung von dieser Malabsorption betroffen“, weiß DiplomOecotrophologin Astrid Menne, die sich als ehemalige Leiterin der ernährungswissenschaftlichen Abteilung einer Allergieklinik und jetzt in eigener Praxis intensiv mit dem Thema befasst. Malabsorption bedeutet schlechte Aufnahme, das heißt der Fruchtzucker wird bei den Betroffenen vom Dünndarm nur sehr langsam ins Blut aufgenommen, weil das dafür notwendige Transportsystem nicht aktiv genug arbeitet. Er verweilt also länger im Dünndarm bzw. gelangt in zu großer Menge in den Dickdarm, wo er von bestimmten Darmbakterien zu kurzkettigen Fettsäuren, (zum Beispiel Milchsäure, Buttersäure) und Gasen (vor allem Wasserstoff, manchmal auch Methan) zersetzt wird. Und diese Abbauprodukte verursachen die unterschiedlichsten Beschwerden. Störung mit weitreichenden Folgen Typischerweise kommt es zunächst zu „Bauchsymptomen“ wie Gluckern, Aufstoßen, kolikartigen Bauchschmerzen, Blähungen Übelkeit, manchmal auch zu Durchfall, unmittelbar nach dem man (viel) Obst gegessen hat. „Eine solche Sofortreaktion bedeutet im Grund aber nur, dass der Körper das, was er nicht verträgt, auf schnellstem Weg wieder loswerden will. Damit bleiben diesen Betroffenen dann schlimmere Beschwerden erspart“, so die Erfahrung von Astrid Menne. Unangenehmer wird’s dagegen, wenn der Körper nicht so prompt reagiert. Dann können die Darmbakterien „ganze Arbeit“ leisten, ihre Stoffwechselprodukte gelangen ins Blut und können sogar die BlutHirnschranke durchdringen. Die Folge: Stunden später- manchmal auch erst am nächsten Tag – treten neben Darmsymptomen auch Beschwerden wie Gereiztheit, Müdigkeit, Benommenheit, Heißhunger, migräneartige Kopfschmerzen bis hin zu schweren Depressionen auf. In der Regel klingen diese Symptome relativ schnell wieder ab, wenn kein weiterer Fruchtzucker gegessen wird. Ist dies jedoch der Fall, schaukelt sich das Problem hoch: „Die Fruktose dient bestimmten Bakterien als Nahrung, sie können sich davon also stark vermehren. Dadurch verschiebt sich das Gleichgewicht der Darmflora mehr und mehr, und die Beschwerden werden demzufolge immer schlimmer“, erläutert die Expertin. Labortest zur Diagnose Warum es zu dieser Störung kommt, die Enzyme der Darmschleimhaut also den Fruchtzucker nicht ins Blut transportieren können, ist nicht bekannt. In wenigen Fällen kann dies in Folge einer Dünndarmerkrankung, wie zum Beispiel einer Infektion oder auch einer Zöliakie auftreten, dann spricht die Medizin von einer sekundären Fruktosemalabsorption. Ist hier die Grundkrankheit ausgeheilt, wird auch der Fruchtzucker wieder vertragen In den meisten Fällen handelt es sich aber um ein eigenständiges Krankheitsbild, es liegt also eine primäre Fruktosemalabsorption vor, die in der Regel auf Dauer bestehen bleibt. Und diese zu erkennen ist wichtig, denn nur dann kann man durch entsprechende Diätmaßnahmen gegensteuern. Eine erste Diagnose lässt sich meist schon durch eigene gezielte Beobachtungen stellen: Treten die Symptome nach fruchtzuckerreichen Mahlzeiten auf und verschwinden innerhalb weniger Tage, wenn man diese Nahrungsmittel meidet, deutet das auf eine Unverträglichkeit hin. Wer möchte, kann anschließend auch einen Provokationstest durchführen, also probeweise sehr viel Fruchtzucker zu sich nehmen. Wenn es dann erneut zu starken Reaktionen kommt, ist das Vorliegen dieser Störung sehr wahrscheinlich. Zur ärztlichen Abklärung dient der so genannte Wasserstoff-Atemtest, der in spezialisierten Facharztpraxen und Kliniken durchgeführt wird. Nach einem Testtrunk wird in regelmäßigen Abständen die Wasserstoffmenge in der Atemluft gemessen. Denn dieses Gas, das bei der Malabsorption von den Darmbakterien gebildet wird, gelangt rasch in den Körper und wird teilweise über die Lunge abgeatmet. Ein hoher Anstieg der Werte bedeutet also, dass eine Fruktosemalabsorption vorliegt. „Für die endgültige Diagnose wird aber neben dem Laborergebnis immer auch die auftretenden Symptomatik bewertet“, betont Astrid Menne. Denn wenn bestimmte Darmbakterien vorhanden sind, die keinen Wasserstoff produzieren, kann der Atemtest negativ ausfallen, obwohl eine Malabsorption vorliegt. Umgekehrt kommt es trotz pathologischer Messergebnisse nur bei etwa 50 bis 70 Prozent der Patienten zu Beschwerden. Dies hängt vermutlich davon ab, ob die Fruchtzucker abbauenden Bakterien erst im Dickdarm aktiv werden, oder bereits den Dünndarm besiedeln, wo sie normalerweise nicht hingehören. Eine solche Fehlbesiedlung führt verständlicherweise zu stärkeren Symptomen. Diät als Therapie Steht die Diagnose fest, ist Ernährungsberatung gefragt. Denn eine medikamentöse Behandlung dieser Gesundheitsstörung gibt es nicht, allenfalls kann eine möglicherweise zugrundeliegende Darminfektion mit Antibiotika bekämpft werden. Ansonsten gilt für die Therapie: „Karenz“, wie Astrid Menne es auf den Punkt bringt, also das Meiden fruchtzuckerhaltiger Nahrungsmittel (siehe Kasten). Fruchtzucker in Kombination mit Traubenzucker und damit auch unser Haushaltszucker, so Ernährungsexpertin Astrid Menne, sei dagegen für die meisten Betroffenen verträglich. Denn: „Im Co-Transport mit Glukose wird auch die Fruktose gut resorbiert, es kommt dann nicht zu den bakteriellen Fermentationsprozessen.“ Zu meiden sind deshalb vor allem Obstsorten, deren Gehalt an freier Fruktose über dem der Glukose liegt. (Birne, Apfel, Mango und Wassermelone). Je nach Ausmaß der Störung sind aber alle Früchte in zu großen Mengen (vor allem Säfte) ungünstig, weil sie im Gegensatz zum Haushaltszucker freie Fruktose enthalten. Besonders problematisch ist zudem der Zuckeraustauschstoff Sorbit oder Sorbitol. Er wird bei einer Fruktoseunverträglichkeit ebenfalls nur sehr langsam absorbiert und wird von manchen Fachleuten sogar verdächtigt, die entsprechenden Enzyme zu blockieren, die Störung also weiter zu verschärfen. Sorbit kommt natürlicherweise in manchen Obstsorten vor, besonders in Pflaumen und Kirschen. Künstlich zugesetzt dient er in der Nahrungsmittelindustrie als Süßungsmittel für „zuckerfreie“ Süßwaren, außerdem als Feuchthaltemittel und Trägerstoff. Er kann angegeben sein (unter der ENummer 420 und 432-436) muss aber nicht. Enthalten sein kann er vor allem in Diabetikerprodukten, in Trockenfrüchten, in den meisten Zahncremes, in Arzneimitteln oder Vitaminpräparaten, sowie möglicherweise auch in Feinbackwaren. Ist besonders viel Sorbit drin, muss das entsprechende Produkt den Hinweis tragen „kann bei übermäßigem Verzehr abführend wirken“. Auf all diese Dinge heißt es also bei einer Fruchtzuckerunverträglichkeit zu verzichten. Wie streng die Diät dann letztendlich sein muss, ist individuell unterschiedlich und kann nur durch vorsichtiges Austesten herausgefunden werden. Milchzucker für Erwachsene nur bedingt verträglich Ähnliches gilt für den Milchzucker (= Laktose), der noch häufiger zu Problemen führt. Rund 16 Prozent der Menschen in Deutschland leiden an einer so genannten Laktoseintoleranz, das heißt sie vertragen keinen oder nur geringe Mengen Milchzucker. Der Grund: Die Laktose ist ein sogenanntes Disaccharid, also ein Doppelzucker, bestehend aus Traubenzucker (=Glukose) und Schleimzucker (=Galaktose). Um aus dem Dünndarm resorbiert zu werden, muss sie erst in diese beiden Einzelkomponenten zerlegt werden. Das besorgt normalerweise ein Enzym der Dünndarmschleimhaut, die so genannte Laktase. Doch dieses Enzym büßt im Erwachsenenalter oft an Aktivität ein, bei manchen Menschen ist es – genetisch bedingt – gar nicht vorhanden. Auch Darminfektionen durch Bakterien oder Parasiten beeinträchtigen die Laktaseaktivität. Als Folge wird die Laktose nicht gespalten und damit auch nicht resorbiert, sondern bleibt im Darm zurück. Von da an läuft die Störung ähnlich wie bei der Fruktosemalabsorption ab: Darmbakterien fermentieren den nicht resorbierten Zucker, es kommt zu denselben Spaltprodukten und damit auch zu vergleichbaren Beschwerden. Nicht selten treten beide Unverträglichkeiten auch kombiniert auf, wobei jedoch individuell unterschiedlich entweder der eine oder der andere Zucker das Hauptproblem darstellen kann. Unterschiedlich ausgeprägte Folgen Auch das Ausmaß der Störung ist nicht immer gleich: „Bei manchen Menschen äußert sich die Laktoseintoleranz nur in leichten Blähungen oder Durchfällen“, weiß Expertin Astrid Menne. „Andere Betroffenen können dagegen massiv in ihrer Lebensqualität beeinträchtigt sein!“ Erster Schritt ist deshalb auch hier eine klare Diagnose. Dazu kennt die Medizin mehrere Möglichkeiten: Zum einen den Atemtest zur Wasserstoffbestimmung, wie schon bei der Fruktosemalabsorption beschrieben. Zum anderen gibt es eine zweite, nicht ganz so zuverlässige Testmethode, die aber leicht durchzuführen ist und deshalb von manchen (Haus-)Ärzten angewandt wird: Nach dem Testtrunk einer bestimmten Laktosemenge wird in bestimmten Zeitabständen mehrmals der Zuckerspiegel im Blut gemessen. Wird die Laktose gespalten, gelangt der entstehende Traubenzucker ins Blut, lässt also den Zuckerspiegel deutlich ansteigen. Ist dies nicht der Fall, spricht das für eine Laktoseintoleranz. Da beide Testmethoden nicht hundertprozentig verlässlich sind, ist es auch hier wichtig, die Symptome nach der Laktosebelastung mit einzubeziehen. Sie beweisen oft am eindrucksvollsten ob und in welchem Ausmaß eine Unverträglichkeit vorliegt. Ganz neu ist jetzt ein Gentest zur Diagnose der primären Laktoseintoleranz, weiß Astrid Menne. „Hierzu wird lediglich eine kleine Menge Blut benötigt!“ Steht die Diagnose fest, gilt es je nach Ausmaß der Störung, Laktosehaltiges zu meiden oder einzuschränken. Zwar kann bei dieser Unverträglichkeit das fehlende Enzym, die Laktase, in Tablettenform eingenommen werden, um den Milchzucker zu spalten und somit resorbierbar zu machen. Inzwischen kann man auch laktosefreie Milch kaufen, bei der das Enzym schon vom Hersteller zugesetzt wird. Doch erfahrungsgemäß hilft bei ausgeprägter Unverträglichkeit auch der Laktasezusatz nicht in jedem Fall. Möglicherweise deshalb, so vermuten Experten, weil auch das Spaltprodukt, die Galaktose, nicht uneingeschränkt verstoffwechselt werden kann. Einzige Möglichkeit für viele Betroffene ist deshalb eine strikte Diät. Liegt gleichzeitig eine Fruktosemalabsorption vor, schränkt das den Speiseplan zusätzlich ein. Um hier noch klarzukommen und dabei vor allem die Vitaminversorgung sicherzustellen, ist eine qualifizierte Ernährungsberatung unumgänglich. Erfolgt sie bei zugelassenen Beratern, erstatten gesetzliche Krankenkasse in der Regel einen Großteil der Kosten. Kasten 1: Folgende Lebensmittel sollten Sie meiden oder einschränken: - bei Fruktosemalabsoption • Obst roh oder gekocht • Obstsäfte • Limonaden, Colagetränke • Wein, Sekt, Likör • „zuckerfreie“ Süßigkeiten • Süßwaren mit Fructose- oder Sorbitzusatz (Zutatenliste) • Süßigkeiten auf Obstbasis (z.B. Fruchtgummis) • Oligofructose, Inulin (z.B. in manchen Yoghurts enthalten) • Honig -bei Laktoseintoleranz • Milch • Quark, Sahne, Yoghurt • Frisch- und Streichkäse • Milchschokolade • Nougat • Molke • Fertigsoßen mit Laktosezusatz (bezeichnet auch als Magermilchpulver, Molkenpulver, Sahnepulver) Kasten 2: Erbliche Fruktoseintoleranz Nicht zu verwechseln mit der beschriebenen Fruktosemalabsorption ist die seltene erblich bedingte Hereditäre Fructoseintoleranz HFI. Hier kann die Fruktose zwar normal resorbiert, in der Leber dann aber nicht weiter abgebaut werden, so dass es zur Anhäufung toxischer Stoffwechselprodukte kommt. Schuld daran ist ein Enzymmangel aufgrund eines Gendefekts. Unerkannt führt sie bei Fruchtzuckeraufnahme zu lebensgefährlichen Leberschäden und Unterzuckerungszuständen. Hier ist Fruchtzucker in jeder Form zu meiden, auch gebunden in Saccharose (Haushaltszucker). Von Natur aus haben die Betroffenen zwar oft eine Abneigung gegen Süßes, sowie gegen Obst und Gemüse. Wird das von gesundheitsbewussten Muttern (und Ärzten) jedoch nicht respektiert, kann es zu den beschriebenen schweren Gesundheitsstörungen kommen. Zur Diagnose dieser Krankheit dienen Gewebeuntersuchungen und molekulargenetische Bluttests. Weitere Informationen zu diesem Krankheitsbild sind in der von der Selbsthilfegruppe HFI herausgegebenen Broschüre „Fructoseintoleranz“ (ISBN 3-B9014-182-X) zu lesen. Sie kann zum Preis von 22 Euro über den Buchhandel oder direkt bei der Selbsthilfegruppe Hereditäre Fructoseintoleranz, Dürerstr. 88, 47447 Moers , Fax 02841/9 98 17 51 bezogen werden. Infos auch im Internet unter www.fructoseintoleranz.de Johanna Kallert Brigitte Weis Kirchstr 2 91413 Neustadt/Aisch (sie ist die ehemalige Vorsitzende der SH HFI) Astrid Menne Praxis Dermallegra Am Markgrafenpark 6 91224 Hohenstadt