Diplomarbeit Neue orale Antikoagulantien Wirksamkeit - und Kostenanalyse bei Patienten mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern eingereicht von Schemnitzky Klaus Geb. Dat.: 04.06.1983 zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der gesamten Heilkunde (Dr. med. univ.) an der Medizinischen Universität Graz ausgeführt am Institut für experimentelle und klinische Pharmakologie unter der Anleitung von Univ.-Prof.i.R. Mag.pharm. Dr. Eckhard Beubler Graz, Juni 2013 Eidesstattliche Erklärung Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet habe und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Graz am ............................ Unterschrift Gleichheitsgrundsatz Um den Lesefluss nicht zu stören wurde auf die Verwendung geschlechtsneutraler Formulierung verzichtet. Die Formulierungen beziehen sich jeweils auf beide Geschlechter. i Danksagung Ich möchte mich bei Herrn Univ.-Prof. i.R. Mag. pharm. Dr. Eckhardt Beubler, für die Unterstützung, die Betreuung, die Begutachtung und vor allem die Vermittlung zu diesem sehr interessanten Thema, ganz herzlich bedanken! Ganz großen Dank an meine gesamte Familie und besonders an meine lieben Eltern, die mich stets unterstützt haben! Lieben Dank auch an meine guten Freunde und Wegbegleiter über die Jahre. ii Zusammenfassung Das Ziel dieser Arbeit, welche als Literaturrecherche im ersten Halbjahr 2013 durchgeführt wurde, ist es, einen aktuellen Überblick über die therapeutisch wertvollste Antikoagulationstherapie für Patienten mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern zu liefern. Es wurde hierfür Literatur zu den gebräuchlichsten Vitamin K-Antagonisten (Warfarin, Phenprocoumon und Acenocoumarol) wie auch Literatur zu den in diesem Zeitraum meist diskutierten Faktor Xa - Hemmer (Apixaban, Rivaroxaban) und direkten Thrombin - Hemmer (Dabigatran) - als neue orale Antikoagulantien bezeichnet - untersucht. Als Ergebnis dieser Literaturrecherche zeigen sich die drei neuen oralen Antikoagulantien, in Hinsicht auf die größten Risikofaktoren für Patienten mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern, gegenüber den Cumarinderivaten als therapeutisch ebenbürtig bis wertvoller. Vor allem für Apixaban und Dabigatran 150 mg konnte aus vorhandener Literatur ein mehrfach gesteigerter, therapeutischer Nutzen zu den VKA festgehalten werden; dies bei vergleichbaren bis teilweise verminderten Nebenwirkungen. Danach wurden diese Ergebnisse in Hinsicht auf gesteigerte Kosten zu einer Therapie mit Vitamin K-Antagonisten verglichen. Auch hier zeigte sich, aufgrund der zu erwartenden therapeutischen Überlegenheit, vor allem für Patienten in höheren Risikogruppen eine gesteigerte Kosteneffektivität. Diese positiven Ergebnisse wurden, in der für diese Arbeit verwendeten Literatur, meist den fehlenden Langzeitdaten der neuen oralen Antikoagulantien, der strikt notwendigen Patientencompliance, dem Fehlen eines Antidots und den oftmals nicht unabhängigen Studiendaten gegenüber gestellt. Wodurch als Schlussfolgerung der Einsatz der neuen oralen Antikoagulantien für Patienten mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern, besonders für Patienten in höheren Risikogruppen, als wirksamste und kosteneffektivste Antikoagulationstherapie gewertet werden kann; jedoch hundertprozentiges Vertrauen in der Anwendung als auch ausreichende Therapieerfahrung noch nicht gegeben sind. iii Abstract The aim of this thesis, which started as a literature research in the first half of the year 2013, is to give an up-to-date review about the best available Anticoagulation therapy for patients with non-valvular atrial fibrillation. Therefore literature of the most common vitamin K antagonists (Warfarin, Phenprocoumon and Acenocoumarol) as well as in that time heavily discussed factor Xa inhibitors (Apixaban, Rivaroxaban) and direct thrombin inhibitor (Dabigatran) – described as new oral anticoagulants - was examined. As a result the new oral anticoagulants showed to be non-inferior if not superior in terms of major efficacy and safety outcomes in patients with non-valvular atrial fibrillation compared to vitamin K antagonists. Especially for Apixaban and Dabigatran at a dosage of 150 mg, a significant therapeutic enhancement is reported with adverse effects remained equal or partially reduced. The next step was to compare the results in terms of elevated costs instead of vitamin K antagonists therapy. Because of the expected therapeutic improvement, especially for patients in higher risk groups, the new oral anticoagulants can be considered cost-effective. These positive results have been opposed to the missing long-time data of the new oral anticoagulants, the strict necessary patient compliance, the missing of an antidote and the often not independent study data. In conclusion, therapy with the new oral anticoagulants can be seen as more efficacious as well as cost-effective in use for patients with non-valvular atrial fibrillation compared to VKA therapy, especially at high risk groups. Still the draw-back of missing long-term data as well as sufficient experience needs to be considered. iv Inhaltsverzeichnis Danksagung ......................................................................................................................................................................... ii Zusammenfassung ........................................................................................................................................................... iii Abstract ................................................................................................................................................................................ iv Inhaltsverzeichnis .............................................................................................................................................................. v Abbildungsverzeichnis .................................................................................................................................................viii Tabellenverzeichnis......................................................................................................................................................... ix Abkürzungsverzeichnis.................................................................................................................................................... x 1. Einleitung ................................................................................................................................................................................... 1 2. Beschreibung Cumarinderivate ....................................................................................................................................... 3 2.0.1.Allgemein ................................................................................................................................................................... 3 2.0.2. Cumarinderivate - eine enden wollende Liebe? ...................................................................................... 3 2.0.3. Wirkungsmechanismus Cumarine ................................................................................................................ 4 2.1. Phenprocoumon (Marcoumar®) ........................................................................................................................... 5 2.1.1. Pharmakokinetik................................................................................................................................................... 6 2.1.2. Nebenwirkungen u. Interaktionen ................................................................................................................ 6 2.2. Warfarin ............................................................................................................................................................................ 7 2.2.1. Pharmakokinetik................................................................................................................................................... 7 2.2.2. Nebenwirkungen u. Interaktionen ................................................................................................................ 8 2.3. Acenocoumarol (Sintrom®) ..................................................................................................................................... 9 2.3.2. Pharmakokinetik................................................................................................................................................... 9 2.3.4. Nebenwirkungen u. Interaktionen ................................................................................................................ 9 2.4. Warum neue orale Antikoagulantien? .............................................................................................................. 11 2.4.1. Anpassung u. Dosierung Cumarinderivate ............................................................................................. 11 3. Vorstellung neuer oraler Antikoagulantien ............................................................................................................. 13 3.1. Dabigatran...................................................................................................................................................................... 14 3.1.1. Wirkmechanismus .............................................................................................................................................. 15 3.1.2. Nebenwirkung/Interaktion............................................................................................................................ 15 v 3.1.3. Dosierung/Monitoring ..................................................................................................................................... 16 3.1.4. klinische Anwendbarkeit ................................................................................................................................. 18 3.2. Rivaroxaban ................................................................................................................................................................... 21 3.2.1. Wirkmechanismus .............................................................................................................................................. 21 3.2.2. Nebenwirkung/Interaktion............................................................................................................................ 21 3.2.3. Dosierung/Monitoring ..................................................................................................................................... 22 3.2.4. klinische Anwendbarkeit ................................................................................................................................. 22 3.3. Apixaban .......................................................................................................................................................................... 24 3.3.1. Wirkmechanismus .............................................................................................................................................. 24 3.3.2. Nebenwirkung/Interaktion............................................................................................................................ 24 3.3.3. Dosierung/Monitoring ..................................................................................................................................... 25 3.3.4. klinische Anwendbarkeit ................................................................................................................................. 25 4. NOAC bei Patienten mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern ............................................................................. 28 4.1. Auswertung wichtigster Phase III Studien zu den NOAC .......................................................................... 29 4.1.1. Dabigatran - Auswertung der RE-LY Studie........................................................................................... 29 4.1.2. Rivaroxaban - Auswertung der ROCKET-AF - STUDIE ...................................................................... 30 4.1.3. Apixaban - Auswertungen ARISTOTELE - Studie ................................................................................. 30 4.1.4. Überblick Studiendaten.................................................................................................................................... 32 4.2. Vergleich Dabigatran - Rivaroxaban - Apixaban in Bezug auf .............................................................. 33 4.2.1. Hirnblutung ........................................................................................................................................................... 33 4.2.2. Hirninfarkt ............................................................................................................................................................. 33 4.2.3. Gesamtsterblichkeit ........................................................................................................................................... 33 4.2.4. Myokardinfarkt .................................................................................................................................................... 34 4.2.5. schwere Blutungen ............................................................................................................................................. 34 4.2.6. gastrointestinale Blutungen .......................................................................................................................... 35 4.3. Schlaganfall Vorsorge mit NOAC.......................................................................................................................... 35 4.4. Compliance NOAC ........................................................................................................................................................ 36 5. Ergebnisse ................................................................................................................................................................................ 38 5.1. Kosten- Wirksamkeitsanalyse im Vergleich zu Vitamin K Antagonisten .......................................... 39 vi 5.1.1. Kosten-Wirksamkeitsanalyse am Beispiel USA ..................................................................................... 40 5.1.2. Kosten-Wirksamkeitsanalyse am Beispiel Schweiz ............................................................................ 40 5.1.3. Kosten-Wirksamkeitsanalyse am Beispiel United Kingdom ........................................................... 40 5.1.4. Kosten - Wirksamkeitsanaylse im Vergleich zu Genotyp - gestützter Antikoagulation .... 41 5.2. klinische Pros und Contras NOAC ......................................................................................................................... 42 5.2.1. Einschränkungen der NOAC: ......................................................................................................................... 42 5.2.2. Vorteile der NOAC:.............................................................................................................................................. 43 5.3. Diskussion - der Kampf um die Markherrschaft ............................................................................................ 44 6. Literaturverzeichnis ............................................................................................................................................................ 46 vii Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Wirkmechanismus der K-Vitamine ...................................................................................... 5 Abbildung 2: Häufigste Arzneimittelinteraktionen unter Warfarin ................................................. 8 Abbildung 3: Wirkungmechanismus NOAC................................................................................................13 Abbildung 4: Dabigatran Monitoring ...........................................................................................................17 Abbildung 5: Risikoreduktion apoplektischen Insult .............................................................................36 Abbildung 6: Kosten - Effektivität's Analyse ..............................................................................................41 viii Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Blutungen assoziiert mit Medikamenteninteraktion ......................................................... 7 Tabelle 2: Renale Eliminationzeiten Dabigatran ....................................................................................19 Tabelle 3: Studiendaten ......................................................................................................................................28 Tabelle 4: Studienergebnisse ............................................................................................................................32 Tabelle 5: Inzidenz klinischer Ereignisse ....................................................................................................32 ix Abkürzungsverzeichnis OR Odds ratio NOAC Neue orale Antikoagulantien VKA Vitamin K-Antagonist CYP3A4 Cytochrom P450 3A4 VKORC1 Vitamin K-Epoxidreduktase Komplex TPZ Thromboplastinzeit aPTT Aktivierte partielle Thromboplastinzeit FXa Faktor Xa NSAR Nichtsteroidalen Antirheumatika INR International Normalised Ratio TTR Time in Therapeutic Range (Zeit im therapeutischen Fenster) TIA Transitorische ischämische Attacke NYHA New York Heart Association HR Hazard ratio RR Relatives Risiko CI Confidence interval (Konfidenzintervall) IQR Interquartilsabstand RE-LY Randomized Evaluation of Long-Term Anticoagulation Therapy ROCKET AF Rivaroxaban Once Daily Oral Direct Factor Xa Inhibition Compared With Vitamin K Antagonism for Prevention of Stroke and Embolism Trial in Atrial Fibrillation ARISTOTLE Apixaban for Reduction of Stroke and Other Thromboembolic Events in Atrial Fibrillation AVERROES Apixaban Versus Acetylsalicylacid to Prevent Stroke in AF patients who have failed or are unsuitable for Vitamin K Antagonist Treatment QALY Quality adjusted life year (qualitätskorrigiertes Lebensjahr) EMA European medicines agency (Europäische Arzneimittel Agentur) CHADS2 Score Schlaganfall-Risiko-Rating (Congestive heart failure/Herzinsuffizienz, Hypertension, Alter > 75 Jahre, Diabetes mellitus, Stroke/durchgemachter Schlaganfall) x 1. Einleitung Vorhofflimmern ist weltweit die häufigste Herzrhythmusstörung und die Inzidenzrate ist weiter steigend. Es wird prognostiziert, dass jeder vierte Mensch einmal in seinem Leben an dieser Herzrhythmusstörung erkrankt. Die Prävalenz nimmt mit steigerndem Alter stark zu. Auch wenn viele Patienten von einer Vorhofflimmern - Attacke keine Notiz nehmen, ist es für 25% aller Schlaganfälle verantwortlich. Darüber hinaus ist die Sterblichkeitsrate sowie das Invaliditätsrisiko nach apoplektischen Insult, bei absoluter Arrhythmie stark erhöht. (1,2) Orale Antikoagulationstherapie mit Vitamin K - Antagonisten vermindert das Schlaganfall-Risiko bei Patienten mit Vorhofflimmern um bis zu 64% im Vergleich zu einer Placebo-Therapie und gilt international als anerkannt und empfohlen. Trotzdem ergeben sich mit dem Einsatz von Vitamin K - Antagonisten einige Hindernisse - sowohl für den Patienten als auch für das medizinische Personal. (Punkt 2.0.2.) Aufgrund dieser Einschränkungen ist der Wunsch nach neuen Therapiemöglichkeiten seit Langem groß. Der gute Therapieerfolg und die langjährigen Erfahrungswerte mit den VKA's führen aber zu einer zögerlichen Haltung, was die Umstellung auf die neuen oralen Antikoagulantien betrifft. Diese lassen zwar mit guten Studienergebnissen aufhorchen, sind aber noch weit davon entfernt, als klinische Standard Therapie zu gelten. Außerdem lassen hohe Medikamentenkosten, im Vergleich zu den VKA, zusätzlich kritische Stimmen laut werden. Welche Eigenschaften müsste also ein ideales Antikoagulans aufweisen, um die VKA vom "Thron" verdrängen zu können? Es müsste in erster Linie nachgewiesen sein, dass sich die Wirkung im Vergleich zu den Vitamin K - Antagonisten zumindest als ebenbürtig darstellt; es oral mit einer eindeutigen Dosierung verabreicht werden kann. Dazu sollte es ein breites therapeutisches Fenster aufweisen, mit geringen Nahrungsmittel- und Medikamenteninteraktionen und einer vorhersagbaren pharmakokinetischen als auch pharmakodynamischen Wirkung, mit geringer Schwankungsbreite für alle Patienten. (1) Von entscheidender Bedeutung für ein neues Therapieschema bleibt aber die Frage nach der Sicherheit in der Anwendung, sowie die Frage nach der Verträglichkeit. Nebenwirkungen sollten so selten wie möglich auftreten und dürften nicht zu gravierend sein. Außerdem sollte ein permanentes Monitoring der Vergangenheit angehören. (1) 1 Die Entscheidung, ob sich ein neues Medikament am Markt durchsetzen kann, liegt im Endeffekt aber wohl zu einem großen Teil daran, ob es sich für Patienten und Gesundheitssystem als kosteneffektiv herausstellen kann. Wie viele dieser Kriterien durch die neuen oralen Antikoagulantien erfüllt werden können, sollte im Rahmen dieser Arbeit geklärt werden. 2 2. Beschreibung Cumarinderivate 2.0.1.Allgemein Cumarinderivate sind Vitamin K - Antagonisten, sie hemmen die Vitamin K - Synthese und somit die Synthese wichtiger Gerinnungsfaktoren. Ihre Wirkung tritt erst auf wenn alle bereits synthetisierten Gerinnungsfaktoren verbraucht sind und tritt dementsprechend verzögert ein, weshalb sie u.a. für die Langzeitprophylaxe und Therapie von Thromboembolien eingesetzt werden. (3) Ihre Entdeckung geht auf eine Anfang der 20er Jahre in Kanada als "Sweet Clover Disease" bekannte Erkrankung bei Rindern zurück, welche bei den Tieren zu schweren, oft tödlichen, Blutungen führte. Als man das Phänomen untersuchte, wurde klar, dass dies die Folge eines Prothrombinmangels war, hervorgerufen durch Dicoumarol, welches in dem verdorbenen Klee, nach Gärung aus Cumerinen, enthalten war. Schon 1944 wurde Dicoumarol zur Langzeitprophylaxe des rezidivierenden Myokardinfarkts empfohlen (4). Man kann sich gut vorstellen, dass als Karl Paul Link die Substanz 1939 isolierte, er wohl nicht daran geglaubt hätte, dass die Vitamin K-Antagonisten auch noch gut 70 Jahre später ein wesentlicher Bestandteil der medikamentösen Therapie, der westlichen Gesellschaft darstellen würden.(5) Ihren festen Platz in der antithrombotischen Therapie haben inzwischen die 4-HydroxyCumarin-Derivate Phenprocoumon (Marcoumar®), Warfarin (u.a. Coumadin®) und Acenocoumarol (Sintrom®). (4) 2.0.2. Cumarinderivate - eine enden wollende Liebe? Vitamin K - Antagonisten bilden inzwischen seit fast 70 Jahren die weltweite Standard Therapie in der Behandlung von thromboembolischen Erkrankungen. Trotz ihrer unbestrittenen Wirkung blieb stets der bittere Beigeschmack, dass Cumarinderivate ein enges therapeutisches Fenster besitzen und gerade in der Anfangsphase einer Therapie, ein stark erhöhtes Risiko für schwere Blutungen mit sich bringen. Zusätzlich erschwerend für Patienten wiegen die sehr unterschiedlichen, individuellen Reaktionen auf eine VKA - Therapie, mit daraus resultierenden, engmaschigen Überwachung mit häufiger Dosierungsanpassung.(6) Doch wo liegen die genauen Gründe warum sich ein seit über 70 Jahren bewährtes Therapieschema gegen thromboembolische Erkrankungen nun vermehrt im Wandel befindet? Die zuvor erwähnten engmaschigen klinischen Kontrollen und der damit verbundene regelmäßigen Kontakt, ist sowohl aus Sicht des Patienten, als auch aus Sicht der Ärzte zu einer unliebsamen Notwendigkeit geworden. Volle Wartezimmer in den Allgemeinmediziner 3 Praxen, regelmäßige Blutabnahmen, Laborkosten und Anfahrtskosten schlagen sich dem Gesundheitssystem wie auch den Patienten auf die Brieftasche. (7) Das enge therapeutische Fenster der Vitamin K - Antagonisten verlangt jedoch nach regelmäßiger Kontrolle. Die zahlreichen Medikamenten- und Nahrungsmittelinteraktionen erschweren diese noch zusätzlich, womit der therapeutische Zielbereich, mit einer INR von 2.0 - 3.0, oft nur schwankend erreicht wird. Eine optimal eingestellte Therapie mit Vitamin K - Antagonisten wird üblicherweise ab einer Zeit im therapeutisch wirksamen Bereich (TTR) von über 60% definiert; tatsächlich findet es sich im Leben nur selten, dass ab einer 60%igen Erfolgsrate ein Ergebnis als optimal eingestuft wird.(8) Der verzögerte Wirkungseintritt, sowie die Latenzzeit nach Absetzen einer VKA Therapie führt im Schnitt zu einer 3-6-tägigen Verzögerung bis das gewünschte therapeutische Level erreicht ist. Besonders Warfarin besitzt zusätzlich auch eine sehr lange Halbwertszeit (ca. 36h).(1) Wie bereits erwähnt sind die VKA in die Liste jener Medikamente einzuordnen, welche mit die meisten Interaktionen mit anderen Wirkstoffklassen aufweisen. Dazu zeigen etliche Studien den essentiellen Einfluss des Cytochrom-P450 Protein Polymorphismus auf die Verstoffwechselung der VKA und damit auf die Wirkung, die Nebenwirkung und die Toxizität. (siehe Kapitel 2.4.1.) (1,9) Diese wohl bekannten Einschränkungen ließen den Ruf nach neuen potentiellen Therapiealternativen zu Cumarinderivaten im letzten Jahrzehnt noch lauter werden.(2) Doch bevor das Hauptaugenmerk auf die NOAC gerichtet wird, noch ein Blick auf den Wirkungsmechanismus und die einzelnen Interaktionen der VKA's. 2.0.3. Wirkungsmechanismus Cumarine Die gerinnungshemmende Wirkung der Cumarine beruht darauf, dass die Vitamin Kabhängig gebildeten Gerinnungsfaktoren II, VII, IX, X sowie Protein C und Protein S in der Leber als unvollständige Vorstufen synthetisiert werden, die keine γ-Carboxyglutamyl-Reste enthalten. (Abbildung 1) γ-Carboxyglutamyl-Reste sind jedoch für die Bindung von Calciumionen notwendig, welche wiederum für die Bindung der Faktoren II, VII, IX, und X an Phospholipidoberflächen erforderlich sind. (4) 4 Abbildung 1: Wirkmechanismus der K-Vitamine und Angriffspunkte von Cumarinen(4) Die Hemmwirkung der Cumarine kann durch hohe Dosen von Vitamin K aufgehoben werden. Bis zum Erreichen des maximalen Cumarineffektes, welcher je nach Halbwertszeit der Vitamin K-abhängigen Gerinnungsfaktoren 24 bis 36 Stunden beträgt, müssen die Patienten noch mit Heparin antikoaguliert werden.(4) Bei Gabe von Cumarinderivaten kann das Risiko eines thromboembolischen Ereignisses in der initialen Phase aus Mangel an Inhibitoren erhöht sein. 2.1. Phenprocoumon (Marcoumar®) Phenprocoumon ist der in Deutschland am häufigsten eingesetzte Vitamin K - Antagonist. Verglichen mit Warfarin und Acenocoumarol ist der Metabolismus von Phenprocoumon weniger Abhängig von Polymorphismen des Cytochrom P450 2C9 Enzym und stärker assoziiert mit CYP3A4 verbunden Medikamenteninteraktionen. (10) 5 2.1.1. Pharmakokinetik Cumarinderivate werden enteral fast vollständig resorbiert. Die Plasmaproteinbindung von Phenoprocoumon, hauptsächlich an Albumin, beträgt 97%. Der Wirkungseintritt und Dauer des therapeutischen Effektes sind abhängig davon, wann in den Leberparenchymzellen eine ideale Cumarinkonzentration erreicht und aufrechterhalten werden kann.(4) Die Elimination von Phenprocoumon erfolgt zum größten Teil durch Hydroxylierungsund Konjugationsreaktionen in der Leber, wobei ein Teil der konjugierten Muttersubstanz den entero-hepatischen Kreislauf durchläuft. Weniger als 15% der ursprünglichen Arzneimittelmenge werden unverändert im Urin ausgeschieden. Phenprocoumon besitzt eine niedrige hepatische Extraktionsrate, die hepatische Clearance beträgt weniger als 1 ml/min, die Eliminationshalbwertszeit beträgt im Mittel ca. 6,5 Tage, womit es zu den langwirkenden Cumarinderivaten gehört. Seine lange Halbwertszeit verdankt es seiner hohen Lipidlöslichkeit.(11,12) (12) In Fällen von Hypoproteinämie, wie z.B. beim nephrotischen Syndrom, ist die Wirkung von Phenprocoumon aufgrund erhöhter Clearance vermindert.(13) 2.1.2. Nebenwirkungen u. Interaktionen Die meist gefürchtete und auch am häufigsten auftretende Nebenwirkung aller Cumarinderivate sind Blutungen, wobei von leichten Hämorrhagien wie z.B. Nasen-oder Zahnfleischblutungen bis zu bedrohlichen Hämorrhagien in ableitenden Harnwegen oder akuten Magen-Darm-Trakt Blutungen die Möglichkeiten stark variieren. Lebensbedrohliche intrakranielle Blutungen treten dagegen weit seltener auf und machen ca. 1% aller cumarininduzierten Blutungen aus.(4) Zu den limitierensten Faktoren, in Hinsicht auf den Einsatz von Cumarinderivaten, zählen ihre häufigen - und teils problematischen Interaktionen mit anderen Arzneimitteln. In einer 2011 veröffentlichten Fall-Kontroll-Studie in Deutschland, wurden 246,220 Phenprocoumon Anwender auf das Risiko schwerer Blutungen, im Zusammenhang mit der gemeinsamen Einnahmen von Phenprocoumon und potentiell interagierenden Medikamenten, untersucht. Aus einer Reihe von möglich Blutungsrisiko-steigernden Medikamenten stachen v.a. Clopidogrel, die Antibiotika der Chinolon-Gruppe, Ketoprofen und Naproxen heraus. (10) Bei gemeinsamer Einnahme von Phenprocoumon und Clopidogrel wurde im Vergleich zur alleinigen Phenprocoumon Einnahme eine OR von 1.83 (95% CI: 1.41-2.36) für das Risiko einer schweren Blutung festgestellt; für Ciprofloxacin betrug die OR 2.74 (95% CI: 1.804.18); für Levofloxacin eine OR von 4.40 (95% CI: 2.45-7.89); für Amoxicillin plus 6 Clavulansäure ergab sich eine OR von 2.99 (95% CI: 1.39-6.42); für Cotrimoxazol eine OR von 3.57 (95% CI: 2.36-5.40); und in der Gruppe der NSAR wurde für Ketoprofen (OR 8.06 95% CI: 2.74-23.75) und Naproxen (OR 4.29 95% CI: 1.03-17.95) das am höchsten gesteigerte Risiko festgestellt.(10) Tabelle 1: Odds ratios und 95% confidence interval für das Auftreten schwerer Blutungen, assoziiert mit der gemeinsamen Einnahme potentiell interagierender Medikamente zu Phenprocoumon (10) 2.2. Warfarin Mit jährlich mehr als einer Million Verschreibungen allein in den Vereinigten Staaten von Amerika, ist Warfarin eines der am 15. häufigsten verschriebenen Arzneimitteln. In Hinsicht auf die demographische Alterung ist von einer weiteren Steigerung auszugehen.(9) Die primären Indikationen für eine Warfarin - Therapie liegen in der Prävention und der Behandlung von venösen Thromboembolismen, in der Behandlung systemischer Embolie und zerebrovaskulärer Ereignisse bei Patienten mit Vorhofflimmern, sowie in der primären Prävention von Myokardinfarkten und Behandlung von Patienten welche bereits einen Myokardinfarkt erlitten haben.(9) 2.2.1. Pharmakokinetik Warfarin besitzt eine hohe Bioverfügbarkeit. Es besteht zu zirka zwei gleichen Teilen aus einer rechts-und einer linksdrehenden Form, wobei die linkdrehende Form eine etwa 5mal stärkere gerinnungshemmende Aktivität aufweist als die rechtsdrehende Form. Warfarin wird durch das Cytochrom P450-System in der Leber metabolisiert. Die rechtsdrehende Form wird v.a. zu Warfarin-Alkoholen abgebaut und über den Urin ausgeschieden, während die 7 linksdrehende Form nach Oxidation überwiegend über Galle und Stuhl ausgeschieden wird. Die Eleminationshalbwertszeit schwankt zwischen 36 und 42 Stunden.(14) 2.2.2. Nebenwirkungen u. Interaktionen Der gemeinsame Gebrauch mehrerer Medikamente ist gerade bei Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen eine gebräuchliche Methode. Oft leiden solche Patienten auch stark psychisch unter ihrer physischen Kondition, weshalb der Einsatz von Antidepressiva meist in das Therapieschema mit einbezogen wird. Daher sind v.a. bei der Darreichung von Warfarin die zahlreichen Interaktion mit diversen Antidepressiva zu beachten, welche sich sowohl in einer verstärkten als auch verminderten antikoagulanten Wirkung äußern können.(9) In einem Zeitraum von einem Jahr , wurde in einer retrospektiven Studie ärztlicher Rezepte festgestellt, dass 81,6% der Patienten die bereits Warfarin erhielten, zumindest ein weiteres Medikament verschrieben bekamen, welches zu einer Arzneimittelreaktion führte. Dabei wurden jene Medikamente, welche zu einer Steigerung der antikoagulanten Wirkung führten, weit häufiger verschrieben. (Abb. 2) (15) Abbildung 2:Anzahl an Patienten unter Warfarin Therapie, welche gleichzeitig ein Rezept für ein Medikament mit potentieller Arzneimittelreaktion verschrieben bekamen (9,15)(9) Die dabei am häufigsten verschriebenen Medikamente waren Paracetamol, Schilddrüsenhormone T3/T4 , Simvastatin und Ciprofloxacin.(15) Speziell auch in Hinsicht auf die zahlreichen Interaktionen von Warfarin mit Antidepressiva gesehen, fallen zwei Punkte auf, die unaufhaltsam aufeinander zusteuern: Punkt 1 ist die bereits erwähnte Alterung der Weltbevölkerung und der damit verbundene 8 stetige Anstieg an Gebrauch von Antikoagulantien. Punkt 2 ist der ebenfalls rasant steigende Gebrauch von Antidepressiva, welche z.B. in Nordamerika bereits zu den am häufigsten verschriebenen Arzneimitteln gehören. (16) In der Gruppe der Antidepressiva gehören zu den am stärksten mit Warfarin interagierenden Medikamenten - in absteigender Reihenfolge - Paroxetin, Venlafaxin und Fluoxetin.(9) 2.3. Acenocoumarol (Sintrom®) Weltweit gesehen, wird Acenocoumarol weit seltener verschrieben als Warfarin. Dies wegen seiner kürzeren Halbwertszeit - im Mittelmaß 10h gegenüber 36h von Warfarin - einem theoretisch kürzeren, effektiv-stabilen Antikoagulationsfenster und wegen potentiell häufiger auftretender Faktor VII Schwankungen.(17) In einer Vergleichsstudie von Barcellona et al. wurde Acenocoumarol hinsichtlich dessen aber als klinisch nicht weniger effektiv bestätigt.(17) 2.3.2. Pharmakokinetik Acenocoumarol, ein racemisches Gemisch der optischen R(+) und S(-) Enantiomere wird nach oraler Gabe rasch resorbiert und ist zu mindestens 60% systemisch verfügbar. Interindividuelle Plasmaspiegel variieren jedoch stark, so dass keine direkte Abhängigkeit zwischen der Acenocoumarolkonzentration im Plasma und dem tatsächlichen Prothrombinspiegel festzustellen ist. (11) Die Plasmaproteinbindung von Acenocoumarol an Albumin beträgt 98,7%. Es tritt in die Muttermilch ein und passiert die Plazentaschranke. Acenocoumarol unterliegt einer starken Metabolisierung, hauptsächliche in der Leber durch die Cytochrom P450 Enzyme. (11) Mit einer Eliminationshalbwertszeit von 8-11h aus dem Plasma (11) ist Acenocoumarol, von den in dieser Arbeit präsentierten Cumarinderivaten, das am kürzesten wirkende. 2.3.4. Nebenwirkungen u. Interaktionen Wie Phenprocoumon und Warfarin weist auch Acenocoumarol eine große Anzahl an Medikamenten auf, welche den gerinnungshemmenden Effekt sowohl verstärken als auch verringern können. Zu diesen mit einer relevant erhöhten Blutungsgefahr gehören "Acetylsalicylsäure, Phenylbutazon und Analoge, Analgetika aus der Pyrazolonreihe, Piroxicam, Clofibrat und Bezafibrat, Chloramphenicol, Tetrazykline, Sulfonamide, Imidazol-Derivate, Allopurinol, 9 Disulfiram, Methyltestosteron Schilddrüsenhormone, Cimetidin, und andere Nalidixinsäure, anabole Chinidin, Steroide, Amiodaron, N-Methylthiotetrazol- Cephalosporine." (18) Auch eine Wirkungsabschwächung ist bei der gemeinsamen Gabe mit einer hohen Anzahl an Pharmaka nachgewiesen: "Barbiturate, Glutethimid, Rifampicin, Carbamazepin, 6Mercaptopurin, Thiouracil, Colestyramin und Haloperidol." (18,11) (11) Bei Behandlungen mit Johanniskraut Extrakten kommt es durch eine ausgeprägte Induktion von CYP3A4 durch Johanniskraut in der Leber zu einem beschleunigten Abbau der Cumarinderivate. (19) Zu den unabhängig von Arzneimittelreaktionen möglich auftretenden unerwünschten Nebenwirkungen zählen bei Acenocoumarol kleinere Blutungen wie Nasenbluten, Blutergüssen nach Verletzungen sowie mögliche Blutungen aus dem Magen-Darm-Trakt. Bei chronischer Behandlung mit hohen Dosen können insbesondere Leberparenchymschäden mit makro- und mikroskopisch feststellbaren Blutungen, infolge toxischer Läsionen der kleinen Blutgefäße, zu Verfettungen im Leberparenchym, sowie stellenweise umschriebene Nekrosen der hepatischen Zentralvenen auftreten. (18) Intramuskuläre Injektionen dürfen aufgrund der Gefahr massiver Einblutungen in die Muskulatur unter Acenocoumaroltherapie nicht durchgeführt werden. (18) Bei einer Überdosierung bzw. bei Aufnahme größerer Mengen von Acenocoumarol ist in den ersten 24h die Kapillarwirkung (mit Hirnödem) im Vordergrund der toxikologischen Eigenschaften. (18). 10 2.4. Warum neue orale Antikoagulantien? 2.4.1. Anpassung u. Dosierung Cumarinderivate Die Dosierung erfolgt in Regelfall unter ständiger Kontrolle der Gerinnungshemmung (INRWerte) und ist für die jeweilige Indikation einzustellen. Als Therapiestart wird bei thromboembolischen Erkrankungen mit einer hochdosierten Gabe von unfraktionierten Heparin oder niedermolekularen Heparin begonnen, welche sich mit der folgenden Cumarintherapie überlappt.(4) Die Dosenanpassung ist eine der limitierenden Faktoren der Cumarinderivate. Eine Überdosierung kann leicht zu einer unerwünschten Blutung führen, während eine Unterdosierung zu keinerlei Nutzen für den Patienten führt, weshalb es auch zu einer Verbesserung der Einstellung mit Cumarinderivaten kommen muss.(20) Neben Geschlecht, Alter, BMI, Verträglichkeit und der Beachtung von zahlreichen möglichen Arzneimittelreaktionen, hat sich v.a. der genetische Einfluss als essentieller Faktor der passenden Dosierung herauskristallisiert. Entscheidenden Einfluss hat hierbei der genetische Polymorphismus der CYP2C9- und VKORC1- Enzyme. Gemeinsam machen sie laut Manolopoulos et al. (Pharmacogenomics,2010/04) "35-50% der notwendigen Anpassung in der Warfarin Start- und Erhaltungstherapie aus."(6) Genau betrachtet macht das Enzym CYP2C9 den Hauptanteil aller CYP2C-Isoenzyme mit ungefähr 30% in der menschlichen Leber aus. Dafür verantwortlich sind zwei zum Aminosäuren-Austausch führende Mutationen die einhergehen mit einem erheblichen Funktionsverlust. Im Zusammenhang mit Warfarin zeigte sich eine eindeutig erhöhte Plasmakonzentration bei CYP2C9-Defektallelträgern, was wiederum zu unerwünschten Arzneimittelreaktionen führte.(21 S. 94) "So zeigte sich für so genannte langsame Metabolisierer, für CYP2C9 ein signifikant erhöhtes Risiko unter Standarddosierung in den ersten Wochen nach Therapiebeginn mit Warfarin, INR-Werte > 4 zu erreichen, was mit schweren Blutungskomplikationen assoziiert war."(21 S. 95) Tatsächlich waren sehr viele Studien zu finden, welche sich direkt dafür aussprechen, dass der Anteil der Enzyme CYP2C9 und VKORC1 zusammen mit Patienten-spezifischenFaktoren, sogar 50% der individuellen Reaktion auf die zu verabreichende Dosis ausmachen. (20) Verschiedene Algorithmen für eine individuelle Dosisanpassung, unter Berücksichtigung individueller Parameter der Patienten, sind inzwischen für alle drei am häufigsten 11 verwendeten Cumarinderivate entwickelt und derzeit in großen klinischen Studien in Testung.(20) (Stand März 2013) In einer kürzlich beendeten Studie, mit einer auf Genotyp des Patienten basierenden Warfarin Dosis- Gabe, wurden tendenziell weniger unerwünschte Nebenwirkungen, als auch eine höhere Quote an Patienten in TTR proklamiert. Diese Ergebnisse erfordern jedoch noch weiterer Bestätigung. (20) Während viele Patienten erfolgreich mit Cumarinderivaten behandelt werden, bleiben jedoch ungefähr 10% der europäischen Bevölkerung - und weit mehr in anderen ethnischen Gruppen - welche nicht mit der üblichen Dosis von Warfarin behandelt werden sollten. Da die erforderliche Dosis oft weit unter der Standarddosis angesetzt sein sollte, weisen solche Patienten, vor allem in den ersten Therapiewochen, ein stark erhöhtes Blutungsrisiko auf.(22) So wird sich die Dosierungsanpassung für Cumarinderivate in den nächsten Jahren mehr darauf ausrichten müssen, welcher Genotyp besser für welches Derivat und in weiterer Hinsicht, für welche Dosierung geeignet ist. In manchen Studien ist auch von einer zukünftigen Standard - Genotyp - Bestimmung vor Beginn einer Antikoagulationstherapie mit Cumarinderivaten die Rede. Die zusätzlichen Kosten dadurch sind, auch für die weiter unten angeführte Kosten-Nutzen- Diskussion, im Vergleich zu den NOAC herauszuheben. Falls sich diese bereits positiven Meinungen bestätigen, könnte jedoch in naher Zukunft eine laut Daly et al. "relativ kostengünstige Vor - Ort - Genotyp Diagnose" jeder Therapie mit Cumarinderivaten bevorstehen.(20) Sollte sich dadurch die TTR für Patienten unter Vitamin K - Antagonisten Therapie verbessern lassen, ist eine Kosten-Nutzen Effektivität für die neuen oralen Antikoagulantien weit weniger wahrscheinlich. (23) 12 3. Vorstellung neuer oraler Antikoagulantien Neue direkte und indirekte Faktor Xa - Inhibitoren werden seit über zehn Jahren erforscht um den unerwünschten Nebenwirkungen der konventionellen Antikoagulantien (den unfraktionierten oder niedermolekularen Heparine und der Vitamin K-Antagonisten ) zur Sicherung und zur Verbesserung der Patientenpflege beizukommen. (24) In den meisten Fällen sind diese neuen oralen Antikoagulantien synthetisch hergestellte, kleine Moleküle mit spezifischen Ansatzpunkten in der Gerinnungskaskade. Die etablierteste Gruppe der NOAC setzt seine gerinnungshemmende Wirkung entweder an Faktor Xa oder direkt an Thrombin an. (24) Faktor Xa, eine Trypsin-ähnliche Serinprotease, wandelt Prothrombin zu Thrombin um, welches das finale Enzym der Gerinnungskaskade darstellt und verantwortlich für die Spaltung von Fibrinogen zu Fibrin ist, dem vernetzten "Klebstoff" der plasmatischen Blutgerinnung. Forschungen zeigen, dass direkte Faktor Xa Hemmer hervorragende antithrombotische Wirkungen mit einem minimalen Blutungsrisiko verglichen zu den direkten Thrombin - Hemmer aufweisen können. (25) Gerinnungsfaktor Xa kann indirekt durch Antithrombin, oder direkt durch Inaktivierung der Umwandlung von Prothrombin zu Blutgerinnungsfaktor Thrombin gehemmt werden. (Abbildung 3) (26) Abbildung 3: Gerinnungskaskade und Lokalisation der Wirkung der NOAC (27) 13 Idraparinux, ein selektiver Faktor Xa - Inhibitor und Ximelagatran, ein direkter Thrombininhibitor, waren unter den Ersten dieser Wirkstoffklasse. Die Therapien waren aber mit unzureichender Patientensicherheit verbunden. (24) Ximelagatran war um das Jahr 2005 der erste direkte, orale Thrombininhibitor der in klinischen Phase III Studien getestet und bereits als vielversprechende neue Alternative zu den üblichen Antikoagulantien gezählt wurde. (28) Ximelagatran musste jedoch aufgrund seiner lebertoxischen Eigenschaften wieder vom Markt genommen werden. (29) Idraparinux wurde in einer randomisierten Studie 2008 (AMADEUS) bei 4576 Patienten mit Warfarin verglichen (2283 bekamen Idraparinux, 2293 wurden mit VKA behandelt). Die Studie musste vorzeitig abgebrochen werden aufgrund häufig auftretender, klinisch relevanter Blutungen unter Idraparinux. Vor allem ältere Patienten und Patienten mit Niereninsuffizienz waren einem stark erhöhten Risiko ausgesetzt. (30) Unter den oralen Faktor Xa-Inhibitoren sind derweil Rivaroxaban und Apixaban jene, in aktuellen klinischen Phase III - Studien, die in der Schlaganfallprävention bei Patienten mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern als am verheißungsvollsten beschrieben werden. (26) Dabigatranetexilat, ein direkter Thrombininhibitor, ist schon seit längere Zeit auf "der Landkarte" der neuen oralen Antikoagulantien eine fixe Größe. So wurde bereits in 2009 (Yusuf S. et al., N Engl J Med 2009) auf eine höhere Effektivität in der Prävention von ischämischen Schlaganfällen, bei keinerlei Steigerung des Blutungsrisikos, im Vergleich zu Warfarin hingewiesen. (2) 3.1. Dabigatran Dabigatran (Pradaxa ®, Hersteller Boehringer-Ingelheim) ist sicherlich das am häufigsten diskutierte der NOAC und auch jenes, welches sich bereits am längsten am Markt befindet. Dabigatran wurde in der Europäischen Union bereits im Jahr 2008 zur Prophylaxe venöser Thromboembolien nach Hüft-oder Kniegelenksersatz-Operationen zugelassen. (31) Im April 2011 wurde seitens der European Medicines Agency auch der Nutzen gegenüber der Risiken in Hinsicht auf Verringerung des Schlaganfalls Risikos bei Patienten mit Vorhofflimmern bestätigt und die Markteinführung empfohlen. (32,33) Bei Dabigatran handelt es sich um ein kleines Molekül welches als direkt reversibler Thrombininhibitor agiert und oral verabreicht werden kann. Seine Darreichung erfolgt meist als Prodrug, dem sogenannten Dabigatranetexilat, welches rasch resorbiert wird. Von seiner 14 Grundsubstanz unterscheidet sich Dabigatranetexilat durch eine veresterte Carboxylgruppe und eine Hexylcarbamatgruppe, welche im Plasma und in der Leber mittels Esterasen gespalten werden. (34,35) 3.1.1. Wirkmechanismus Dabigatran bindet direkt an Thrombin, interagiert sowohl am freien als auch am fibringebundenen Thrombin, blockiert die Serinprotease und hemmt somit die Thrombin induzierte Thrombozytenaggregation. Die vorhandene Plasmakonzentration korreliert in direkten Zusammenhang mit der antikoagulanten Wirkung. (33) Nach oraler Gabe wird Dabigatranetexilat sehr schnell in seine aktive Form, Dabigatran, umgewandelt. Der Wirkungseintritt tritt unmittelbar nach Einnahme auf, mit maximalen Plasmakonzentrationen und maximaler antikoagulanten Wirkung beginnend nach 30 Minuten, bis hin zu 2-3 Stunden. Die Halbwertszeit wird, je nach Quelle, mit bis zu 10 bis 17 Stunden angegeben. (33,36,37) Die Wirkungsdauer beträgt je nach Nierenfunkton im Durchschnitt 23 Stunden. (36,37) Einer für die inter- und intraindividuellen Wirkungsschwankungen wichtiger Punkt ist die nahezu unabhängige Metabolisierung Dabigatrans vom Cytochrom-P450-System, welche z.B. einen Nachteil der Vitamin K - Antagonisten darstellt. Stattdessen wird es nahezu unverändert renal eliminiert, wobei die dabei anfallenden Acylglucuronide selber noch eine gerinnungshemmende Wirkung aufweisen. (38) 3.1.2. Nebenwirkung/Interaktion Dabigatran kann zu einigen unerwünschten Begleitreaktionen führen. Am häufigsten wurde bisweilen über verstärkte Blutungen, funktionelle Dyspepsie bis hin zu Gastritis, als auch über Hypersensitivitätsreaktionen (Urtikaria, Juckreiz, Exantheme oder anaphylaktischen Schock) berichtet. (37) In einer klinischen Phase III - Studie, der RE-LY - Studie, traten Blutungen als die häufigste Nebenwirkung bei ca. 14% der Studienteilnehmer auf - davon waren weniger als 2% zu schweren Blutungen zu zählen. (35) Im Vergleich mit Warfarin wurde das Risiko intrakranieller Blutungen von Dabigatran 150 mg, zweimal täglich verabreicht, jedoch als stark vermindert beobachtet. (2,37,39,40) Für genaue Zahlen zu den Blutungsrisiken wird auf Punkt 4.2.1. verwiesen. Gastrointestinale Beschwerden traten hingegen häufiger bei Patienten unter Dabigatran- als unter Warfarin Therapie auf. Patienten welche die Medikation aufgrund der Nebenwirkungen 15 abbrechen mussten waren ebenfalls häufiger in der Dabigatran - Gruppe zu finden. (21% Dabigatran gegenüber 16% Warfarin) (37,41,42) Im Vergleich zu den Vitamin K-Antagonisten haben die neuen oralen Antikoagulantien den Vorteil, nur wenige, klinisch signifikante Wechselwirkungen zu verursachen. Einige Wirkstoffe sollten jedoch nicht oder nur unter verstärkter Beobachtung gleichzeitig verschrieben werden: Der bakterizid wirkende RNA - Polymerasehemmer Rifampicin kann den antikoagulanten Effekt von Dabigatran um bis zu 66% vermindern womit das Therapieziel verfehlt und das Patientenrisiko erhöht ist. (37,43) Bei der gleichzeitiger Verabreichung von P- Glykoproteinhemmern wie zum Beispiel Amiodaron, Verapamil, Chinidin, Clarithromycin sind leicht erhöhte - und in Kombination mit Ketoconazol und Dronedaron - stark erhöhte Dabigatran - Plasmakonzentrationen zu erwarten. Bei kombinierter Gabe sind entsprechende Dosisanpassung sowie engmaschige Kontrollen zu empfehlen. (32) Das Blutungsrisiko ist zusätzlich erhöht bei kombinierter Einnahme mit anderen Antikoagulantien, Thrombozytenaggregationshemmern, NSAR's sowie Salicylaten und diverser Kräuter, mit denen eine blutverdünnende Wirkung einhergeht. Auch auf die Einnahme von Johanniskraut sollte aufgrund starker Wirkungsverminderung von Dabigatran gänzlich verzichtet werden. (37) Die Einnahme zu Mahlzeiten hat keinerlei Auswirkung auf die Absorption von Dabigatran, manche Quellen berichten aber von einer verzögerten maximalen Plasmakonzentration. (35,37,43) Die Absorption im Gastrointestinaltrakt ist abhängig von einem sauren Milieu, welches Dabigatran durch seine Rezeptierung selbst zur Verfügung stellt. Gleichzeitige Einnahme von Protenpumpeninhibitoren und H2 - Rezeptor - Antagonisten kann zu einer leicht verminderten Bioverfügbarkeit führen, welche jedoch keinen Einfluss auf die klinische Wirksamkeit darstellt. (43) 3.1.3. Dosierung/Monitoring Für Patienten mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern wurde Dabigatran in der Dosierung von 110 mg oder 150 mg, zweimal täglich, verabreicht. In diesen Dosierungen wurden auch über 18.000 Patienten der RE-LY Studie randomisiert behandelt. Den größeren Nutzen erbrachte hier die Behandlung mit 150 mg zweimal täglich. (1,27,44) (siehe Ergebnisse Punkt 4.1.1.) In der Präventionsbehandlung venöser Thromboembolien nach chirurgischem Knie- oder Hüftgelenksersatz wird eine Dosis von 220 mg, zweimal täglich eine Kapsel zu 110 mg, 16 empfohlen. (27,32) Hier wurde eine vergleichbare Wirksamkeit mit Enoxaparin-natrium mit ähnlichen Blutungsrisiko festgestellt. (27) Mit der aktivierten partiellen Thromboplastinzeit kann eine qualitative Abschätzung der Anwesenheit von Dabigatran im Plasma ermessen werden. (Abbildung 4) Für Rivaroxaban (und andere Faktor Xa - Hemmer) wird hierfür die Thromboplastinzeit genommen. Diese Testungen sind anerkannt für den Wirksamkeitsnachweis, nicht aber sensitiv für die quantitative Abschätzung der Mengen im Plasma. Testungen, für die quantitative Wirksamkeit der direkten Thrombinhemmer als auch der Faktor Xa - Inhibitoren, sind vorhanden, jedoch nicht routenmäßig im klinischen Alltag verfügbar. (43) Heidbuchel et al. merken in ihrem Paper "Practical Guide on the use of new oral anticoagulants in patients with non-valvular atrial fibrillation" auch an, dass Vor-OrtTestungen zur Bestimmung des INR nicht für Patienten mit NOAC angesetzt werden müssen. Dies da Dabigatran in klinisch relevanten Plasmakonzentrationen nur einen sehr geringen Effekt auf die partielle Thromboplastinzeit und den INR auswirkt; weswegen auch der INR für die antikoagulante Wirkung von Dabigatran nicht aussagekräftig ist. (43) Trotz Einschränkungen, dürfte also die aktivierte partielle Thromboplastinzeit die effektivste Methode zur Messung der Plasmakonzentrationen von Dabigatran sein. (36) Abbildung 4: Dabigatran Monitoring (36) 17 3.1.4. klinische Anwendbarkeit Da die Elemination von Dabigatran zu 80-85% über die Nieren geschieht, ist gerade bei langfristiger Anwendung verstärkt auf die renale Clearance von Patienten zu achten, da es bei Insuffizienzen leicht zu Anhäufungen im Organismus kommen kann. (31) Patienten mit leichter Niereninsuffizienz und einer Kreatinin Clearance über 50 ml/min sind bereits von verlängerten Ausscheidungsraten betroffen und haben erhöhte Plasmakonzentrationen. Für Patienten mit einer Kreatinin Clearance von unter 30 ml/min ist Dabigatran kontraindiziert. (36) (siehe auch Tabelle 2) Für ältere Personen (>75 Jahren), Personen mit weniger als 50 kg bzw. mit über 110 kg und für Personen mit eingeschränkter Leberfunktion liegen nur begrenzt bis keine klinischen Daten vor, weshalb ältere Patienten bei Anwendung engmaschig auf Blutungen oder Anämie überwacht werden sollten. (32,44) 3.1.4.1. Vorteil Dabigatran unabhängig von schwächelnder VKA Einstellung? Der Nutzen der NOAC wird sehr stark an den Nachteil der stark schwankenden TTR bei Patienten mit Vitamin K - Antagonisten assoziiert. In einer Studie von Wallentin et al. 2010 wurde versucht die Wirksamkeit von Dabigatran unabhängig davon zu untersuchen. Dafür wurde die 3 Behandlungsgruppen der RE-LY Studie in 4 Gruppen geteilt, definiert durch die Quartile der durchschnittlichen Zeit im therapeutischen Fenster. (41) Dabei wurde auch ein unabhängiger Vorteil von Dabigatran 150 mg in der Schlaganfallprävention, von Dabigatran 110 mg im reduzierten Blutungsrisiko, als auch ein Vorteil beider Dosen in Hinsicht auf intrakraniellen Blutungen ungeachtet der TTR der jeweiligen Warfarin Gruppe berichtet. Für alle vaskulären Ereignisse, nicht-blutungsrelevanten Ereignisse als auch für die Gesamtsterblichkeit, wurde ein Vorteil von Dabigatran gegenüber schlecht eingestellten Patienten unter INR Kontrolle errechnet. Im Gesamten wurde - fast erwartungsgemäß - ein linearer Zusammenhang der Wirksamkeit von Dabigatran in Abhängigkeit von den jeweiligen Behandlungsstandards festgestellt. (41) Diese "Follow - up -Studie" wurde von Boehringer Ingelheim, dem Inhaber der Zulassung von Pradaxa® (Dabigatran etexilate), finanziert. 18 3.1.4.2. Dabigatran und chirurgische Eingriffe Einer der meist bemängelten Punkte an NOAC ist das Fehlen eines Antidots. Ab wann müsste daher bei elektiven Eingriffen die Dabigatran Verabreichung pausieren? Wie in Tabelle 2 zu erkennen ist die Halbwertszeit stark von der jeweiligen Kreatininclearance abhängig. Das Risiko auf schwere Blutungen bei operativen Eingriffen dadurch abzuschätzen. Tabelle 2: Richtlinien zur Elemination von Dabigatran (einfache oder zweifache tägliche vor elektiv chirurgischen Eingriffen, mit Hinweis auf zu erwartendes Blutungsrisiko (36) Dosis) 3.1.4.3. Nachteil Dabigatran Im Zusammenhang mit der Verabreichung von Dabigatran wurde insgesamt ein gesteigertes Myokardinfarktrisiko beobachtet; und auch wenn die klinischen Vorteile im Vergleich dazu als überwiegend eingestuft werden, lassen sich einige Nachteile aufzählen. (23) Altman und Vidal fassen diese zusammen: (44) 1) Die übliche Darreichungsform mit zwei Mal täglicher Einnahme kann leicht zu vergessenen Einnahmen führen. 2) Nichteinnahme bzw. vergessen mehrerer Dosen kann zu einem erhöhten thromboembolischen Risiko für den Patienten führen. 3) Öfter auftretende gastrointestinale Beschwerden führen leicht zu Verzicht auf die Einnahme. 4) Kein allzu großes, aber ein gesteigertes Risiko auf Myokardinfarkt. (siehe auch Punkt 3.1.4.5.) 5) Fehlen eines Antidots, besonders in Fällen der verstärkten Blutung oder der akut notwendigen chirurgischen Intervention. 6) Der antikoagulante Effekt lässt sich nicht monitorisieren, die therapeutische Breite somit schwer zu kontrollieren. 7) Im Falle von eingeschränkter Nierenfunkton ist Vorsicht bei der Anwendung geboten. Individuell angepasste Patientendosen sind zu empfehlen, jedoch noch wenige Studiendaten über etwaig optimale Dosen vorhanden. 8) Ausständige Phase IV - Studien welche ein, oder auch kein, gesteigertes Blutungsrisiko verifizieren. (Punkt 3.1.4.5.) 19 9) Die Haltbarkeit nachdem eine Packung geöffnet wurde. 10) Wechselwirkungen v.a. mit P-Glykoproteinhemmer. 11) Zusätzliches Blutungsrisiko - wie bei allen Antikoagulantien - für ältere Patienten. 12) Die Patienten Compliance ist schwer zu evaluieren. 13) Eine routinemäßige Überbrückung vor elektiven chirurgischen Eingriffen hat sich noch nicht herauskristallisiert. 14) Die gesteigerten Kosten (44) 3.1.4.5. Neueste Ergebnisse In einer neuen klinischen Studie (veröffentlicht im "Journal of the American College of Cardiology am 4.Juni 2013) von Larsen et al. (45), wurde das Ergebnis einer in Dänemark durchgeführten, retrospektiven Kohortenstudie mit 13.914 Teilnehmer (Dabigatran n= 4.978, Warfarin n= 8.936, durchschnittlichen CHADS2 - Score von 1,16) präsentiert. In dieser werden die Punkte 4 und 8 von oben (gesteigertes Myokardinfarktrisiko und gesteigerte Blutungsgefahr ) nicht bestätigt. Dafür wurde in dieser Patientengruppe das bisher überzeugende, verminderte SchlaganfallRisiko und das Risiko auf systemische Embolien, nicht als signifikant gegenüber der mit Warfarin behandelten Patientengruppe bestätigt. Weiter war die Gesamtsterblichkeitsrate signifikant vermindert mit beiden Darreichungsformen von Dabigatran. Lungenembolien traten ebenfalls in beiden Darreichungsformen seltener auf. Intrakranielle Blutungen ebenfalls mit beiden Dosen seltener. Zusammenfassend - der große Unterschied zu bisherigen Studienergebnissen - traten Myokardinfarkte sowohl in der Dosierung von 110 mg zweimal täglich als auch bei 150 mg zweimal täglich seltener auf als unter Warfarin. Auch das bisher als gesteigert angenommene Risiko auf gastrointestinalen Blutungen wurde in dieser Patientengruppe mit Dabigatran 110 mg zweimal täglich als vermindert bewertet; nicht so - wie gehabt - in der Dosierung zu 150 mg zweimal täglich. Laut Autoren wurde diese Studie völlig unabhängig durchgeführt. (45) 20 3.2. Rivaroxaban Rivaroxaban (Xarelto®, Hersteller Bayer AG) war der erste oral verabreichte direkte Faktor Xa Hemmer, der in klinischen Phase III Studien getestet wurde. Es ist in der Prävention von Schlaganfall und systemischen Embolien bei Patienten mit Vorhofflimmern bereits in Kanada und bei Patienten mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern in der EU, den USA und Japan zugelassen. Es wird in einer fixen Dosierung von 20 mg einmal täglich verabreicht. Die Dosis kann bei Patienten mit Nierenfunktionsstörungen angepasst und auf 15 mg einmal täglich reduziert werden. (46) Wie bei Dabigatran sind auch bei Rivaroxaban keine regelmäßigen Kontrollen zur Überprüfung der antikoagulanten Wirkung notwendig. 3.2.1. Wirkmechanismus Rivaroxaban wirkt sowohl auf intrinsischem als auch auf extrinsischem Wege der Gerinnungskaskade entgegen, indem es sowohl den freien Faktor Xa als auch den Prothrombinase-Komplex gebundenen Faktor Xa hemmt. Es ist ein hoch selektiver, reversibler, schnell verfügbarer und dosisabhängiger Faktor Xa Hemmer. Dabei ist die hemmende Wirkung auf FXa mehr als 100.000fach stärker als bei biologisch relevanten Serinproteasen wie Thrombin, Trypsin, Plasmin, Faktor VIIa, Faktor IXa, Urokinase oder bei aktivierten Protein C. (46) Von der eingenommen Dosis werden ca. 2/3 metabolisiert, diese werde dann je zur Hälfte über Niere und Fäzes ausgeschieden. Die restlichen 1/3 werden unverändert direkt über die Nieren ausgeschieden. (47) 3.2.2. Nebenwirkung/Interaktion Das Auftreten von Nebenwirkungen unter Rivaroxaban ist bei Patientengruppen mit einer Häufigkeit von 1-10% beobachtet worden. Davon traten bei 1% der Patienten Übelkeit und Anämie auf. Schwerere Blutungen traten bei 1-2% der Patienten auf. Leichte Blutungen waren mit 4-7% die häufigste Nebenwirkung. Erhöhte Lebertransaminasen waren bei 2% der Patienten aufgetreten. (37) Mit vermehrtem Gebrauch stieg auch die Anzahl der bekannten Interaktionen von Rivaroxaban. Wie bei Dabigatran ist bei zusätzlicher Einnahme anderer Antikoagulantia, von NSAR sowie von Salicylaten und diverser Kräuter wie Anis oder der Luzerne Vorsicht geboten; die antikoagulante Wirkung gesteigert und das Blutungsrisiko erhöht. (37) Starke Cytochrom P450 3A4 - Hemmer wie Erythromycin, Amiodaron und Verapamil führen zu verstärkten Plasmakonzentrationen und erhöhtem Blutungsrisiko. Vor allem 21 Ketoconazole können bei Rivaroxaban zu gesteigerten Plasmakonzentrationen von bis zu 160% führen, HIV - Proteaseinhibitoren zu einer bis 153% gesteigerten Konzentration. (37,43) Auch Grapefruitsaft kann zu gesteigerten Plasmakonzentrationen von Rivaroxaban führen und sollte aufgrund des gesteigerten Blutungsrisikos vermieden werden. (37) Cytochrom P450 3A4 - Induktoren wie Phenytoin, Rifampicin und Johanniskraut steigern die Metabolisierung von Rivaroxaban und vermindern die antikoagulante Wirkung. 3.2.3. Dosierung/Monitoring Wie in der Einleitung erwähnt ist die empfohlen Dosis von Rivaroxaban zur Prävention von Schlaganfällen oder systemischen Embolien bei Patienten mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern 20 mg einmal täglich. (47) Da gleichzeitige Nahrungsaufnahme einen starken Einfluss auf die Bioverfügbarkeit von Rivaroxaban hat » 66%ige Bioverfügbarkeit ohne bzw. nahezu komplette Aufnahme und 100%ige Bioverfügbarkeit mit Nahrung « sollte die vorgeschriebene Einnahme gleichzeitig zu Mahlzeiten erfolgen. (43) Bei maximaler Wirkung - ungefähr 3 Stunden nach Einnahme - wird die FXa Aktivität zu ca. 20% gehemmt bei einer minimalen Dosis von 5 mg und bis zu 75% bei einer maximalen Dosis von 80 mg. Die Halbwertszeit beträgt 5-9h bei jüngeren und 11-13h bei älteren Menschen. (43,46,48) Die unterschiedlichen Faktor Xa - Hemmer beeinflussen die Thromboplastinzeit und die aktivierte partielle Thromboplastinzeit in unterschiedlichen Ausmaß und können nur bedingt verwendet werden. Für Rivaroxaban ist der Quickwert nicht direkt aussagekräftig, kann aber zur Informationsgewinnung über die mengenmäßige Verteilung herangezogen werden. (43) 3.2.4. Klinische Anwendbarkeit Auch wenn die Ergebnisse, in bisher durchgeführten klinischen Studien, Rivaroxaban als das wenigst- effektive NOAC im Vergleich zu VKA präsentiert haben, bietet Xarelto® einen wichtigen Vorteil: Rivaroxaban ist das Einzige der neuen oralen Antikoagulantien, das in kombinierter Gabe mit P-Glykoproteinhemmer nicht zu stark erhöhten Plasmakonzentrationen führt, da es im Gegensatz zu Dabigatran, Apixaban oder auch Edoxaban nicht an weitere Sekretion über PGlykoprotein - Transporter gebunden ist. (43) Dies erleichtert das Therapieschema bei Patienten mit nicht valvulärem Vorhofflimmern, wo Antiarrhythmika wie Amiodaron und Chinidin oder der Calciumkanalblocker Verapamil häufig Teil der medikamentösen Therapie sind. 22 Im Vergleich zu Dabigatran ist Rivaroxaban weniger stark an eine normale Nierenfunktion gebunden, ab einer verminderten Kreatinin - Clearance von 50-80 ml/min finden sich, je nach Funktionseinschränkung, gesteigerte Rivaroxaban Plasmaspiegel mit gesteigerten pharmakodynamischen Effekten. (47) Patienten mit leichter Nierenfunktionsstörung wurden mit einer geringeren Dosis von Rivaroxaban (15 mg einmal täglich) behandelt. Diese reduzierte Dosierung zeigte im Vergleich zur Behandlung von Patienten mit normaler Nierenfunktion, mit Rivaroxaban 20 mg, einen ebenbürtig - effektiven Wirkungserfolg. (49) 3.2.4.1.Rivaroxaban bei Patienten ≥ 75 Jahren In einer Subanalyse der Daten aus ROCKET-AF Studie (siehe 4.1.) wurde die Wirksamkeit und Sicherheit von Rivaroxaban bei Patienten mit einen Alter von 75 Jahren oder älter untersucht. Es zeigten sich jedoch keine signifikanten Unterschiede zwischen den gesamten Studienergebnissen und der Ergebnisse bezogen auf die ältere Patientenpopulation. Schwere Blutungen traten in Patienten ≥ 75 Jahren mit einer Häufigkeit von 4.86% pro Jahr in der Rivaroxabangruppe gegenüber 4.40% pro Jahr in der Warfaringruppe auf, verglichen mit 2.69% und 2.79% pro Jahr für Patienten < 75 Jahren mit Rivaroxaban bzw. Warfarin. Klinisch relevante, nicht-schwere Blutungen waren signifikant höher bei Patienten über 75 Jahren als in der Gruppe der unter 75 jährigen. Intrazerebrale Blutungen traten bei Patienten ≥ 75 Jahren zu 0.66% pro Jahr mit Rivaroxaban gegenüber 0.83% pro Jahr mit Warfarin auf. (50) 3.2.4.2. Rivaroxaban und chirurgische Eingriffe Bei geplanten invasiven Verfahren sollte Xarelto® mindestens 24 Stunden vorher abgesetzt werden um ein erhöhtes Blutungsrisiko zu vermeiden. Is dies nicht möglich sollte lt. Hersteller "das Blutungsrisiko gegenüber der Notwendigkeit des Eingriffes abgewogen werden." (47) Nach Eingriffen sollte möglichst bald wieder mit der Medikation begonnen werden. (47) 23 3.3. Apixaban Apixaban (Eliquis®, Bristol-Myers Squibb / Pfizer EEIG), war anfangs, wie die andern NOAC, hauptsächlich noch zur Prophylaxe venöser Thromboembolien bei Patienten nach elektivem Knie- oder Hüftgelenkersatz im Einsatz. Apixaban ist ein oral verabreichter, reversibler, direkt wirkender, hochselektiver Hemmer des aktiven Zentrums von Faktor Xa. (27,51) Apixaban ist der erste Wirkstoff unter den neuen oralen Antikoagulantien, welcher eine signifikante Verminderung des Risikos sowohl von Schlaganfällen, Blutungen als auch der Gesamtsterblichkeit in klinischen Phase III - Studien aufweisen konnte. Es wird somit womöglich zurecht - unter den NOAC als der vielversprechendste Nachfolger der VKA angesehen. (43,52) Apixaban bietet vorhersagbare pharmakodynamische und pharmakokinetische Eigenschaften und benötigt ebenfalls keiner routinemäßiger Kontrolle der antikoagulanten Wirkung. (43,53) 3.3.1. Wirkmechanismus Der Wirkmechanismus von Apixaban ist dem von Rivaroxaban sehr ähnlich. Auch Apixaban hemmt sowohl den freien als auch den Prothrombinasekomplex gebundenen Faktor Xa. Seine Wirkung ist hoch selektiv mit einer über 30.000fach stärkerer Selektivität gegenüber anderen Serinproteasen. Die Bioverfügbarkeit nach oraler Gabe beträgt zirka 50%. (25) Apixaban hat eine vorwiegen nicht-renale Clearance - bis zu 75% metabolisieren über die Leber (Cytochrom P450 3A4 involviert). Die durchschnittliche Halbwertszeit beträgt 12h. (51) 3.3.2. Nebenwirkung/Interaktion Die am häufigsten beobachteten Nebenwirkungen, bei Patienten mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern unter Apixaban Therapie waren Epistaxis, Hämatome, Hämaturie, Blutungen am Auge als auch gastrointestinale Blutungen. (54) Durch die hauptsächlich hepatische Clearance in welcher nur ein geringer Teil durch Cytochrom P450 3A4 Enzyme metabolisiert wird - der Rest wird als unverändertes Molekül ausgeschieden - ist Apixaban sowohl für Patienten mit renaler Insuffizienz als auch für Arzneimittel mit starker CYP3A4 Interaktion weniger risikoreich. (43) Die Empfehlungen gehen trotzdem, wie bei den anderen NOAC, in Richtung vermehrter Vorsicht bei gleichzeitiger Einnahme von CYP3A4- bzw. P-Glykoprotein- Hemmer und Induktoren. Für Apixaban kann es vor allem bei gleichzeitiger Einnahme mit Ketoconazolen zu einer um 100% - gesteigerten Plasmakonzentration kommen; dem 24 Calciumkanalblocker Diltiazem zu einer bis zu 40% - gesteigerten Plasmakonzentration; und in Verbindung mit HIV - Proteasehemmer auch zu stark steigenden Plasmakonzentrationen kommen. Eine stark verminderte Wirkung (bis 50%) kann durch eine Interaktion mit Rifampicin, Carbamazepin, Phenytoin, Phenobarbital oder Johanniskraut verursacht werden. (43) 3.3.3. Dosierung/Monitoring In der Anwendung zur "Prophylaxe von Schlaganfällen und systemischen Embolien bei erwachsenen Patienten mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern und einem oder mehreren Risikofaktoren, wie Schlaganfall oder TIA in der Anamnese, Alter ≥ 75 Jahren, Hypertonie, Diabetes mellitus oder symptomatische Herzinsuffizienz (NYHA Klasse ≥ II)" (55) wird Apixaban in einer Dosierung von 10mg, zweimal täglich zu je 5 mg, empfohlen. Die Anwendung erfolgt am besten morgens und abends, die Einnahme mit oder ohne Mahlzeit hat keinerlei Einfluss auf die Aufnahme bzw. die Bioverfügbarkeit. (43,55) Apixaban verlängert sowohl die aPTT als auch die PTZ - jedoch in unterschiedlichen Ausmaßen. Die Prothrombinzeit veränderte sich abhängig von den gebrauchten Reagenzien der jeweiligen Testung. Anti - Xa - Levels korrelierten in Testungen sowohl linear zu den gemessenen Plasmakonzentration von Apixaban als auch zu vergleichbaren Dosen von niedermolekularen Heparin. Daraus lässt sich schließen, dass Anti - Xa - Testung zur Evaluierung der antikoagulanten Wirkung unter Apixaban beibehalten werden könnten. (27) Hingegen liefert der INR keine verlässlichen Daten über die Aktivität der Faktor Xa Hemmung. (43) 3.3.4. klinische Anwendbarkeit Apixaban ist, unter den in dieser Arbeit präsentierten neuen oralen Antikoagulantien, sozusagen das "Neueste". Nach dem primären Einsatz zur Prophylaxe venöser Thromboembolien nach Knie- und Hüftgelenksersatz - Operationen ist es unter dem Handelsnamen Eliquis® seit November 2012 in Europa auch für Patienten mit nichtvalvulärem Vorhofflimmern zugelassen. Die meisten Daten für die Anwendung von Apixaban beziehen sich derweil auf zwei klinische Phase III - Studien, ARISTOTELE (Ergebnisse 4.1.) und AVERROES, welche mit durchaus guten Ergebnissen für Apixaban aufhorchen ließen. 25 3.3.4.1. Auswertungen AVERROES - Studie "Apixaban Versus acEtylsalicylsäure to pRevent stROke in AF patients who have failed or are unsuitablE for vitamin K antagoniSt treatment" ist eine Studie über Patienten, für welche eine Therapie mit Vitamin K - Antagonisten ungeeignet war. Die Studienpopulation betrug 5.599 Patienten mit Vorhofflimmern welche entweder Apixaban 5 mg zweimal täglich, Apixaban 2,5 mg zweimal täglich bei spezieller Indikation (siehe ARISTOTLE Studie) oder mit Aspirin (zu einer Dosis von 81 bis 324 mg pro Tag (56)) behandelt wurden. Das Durchschnittsalter der Patienten betrug 70 Jahre, bei einem durchschnittlichen CHADS2 Score von 2.0. (50,53) Aufgrund der klaren Überlegenheit von Apixaban gegenüber Aspirin wurde diese Studie vorzeitig abgebrochen. Apixaban reduzierte das Risiko auf einen Insult oder systemische Embolie um 55% verglichen mit Aspirin. Ischämische Schlaganfälle waren ebenfalls signifikant reduziert. Intrazerebrale Blutungen, hämorrhagische Schlaganfälle oder schwere Blutungen waren nicht signifikant reduziert. Für das Risiko auf Myokardinfarkt ergaben sich vergleichbare Ergebnisse für beide Behandlungsgruppen. Die Gesamtsterblichkeit war in der Apixabangruppe mit 3,5% pro Jahr, gegenüber 4,4% in der Aspiringruppe, ebenfalls geringer. (50,53) Der Wirkungserfolg, bezogen auf nach Alter eingeteilte Subgruppen, zeigte in AVERROES für die ältere Population ( ≥ 75 Jahre) einen stabilen Wirkungserfolg verglichen mit der Gesamtstudienpopulation. Beide Mittel wurden gut vertragen und es zeigte sich kein signifikanter Unterschied in der Gesamtsterblichkeitsrate. Für die Subgruppe in der Altersklasse von 64 bis 74 Jahren zeigte sich in der Aspiringruppe ein gestiegenes Risiko für Schlaganfall oder systemische Embolie um 2,7% pro Jahr; für jene ≥ 75 Jahre ein um 6,1 % gestiegenes Risiko pro Jahr. Das Risiko auf schwere Blutungen stieg sowohl in der Aspirinals auch Apixabangruppe mit zunehmenden Alter an. (50) 3.3.4.2. Apixaban und chirurgische Eingriffe Das eingeschränkte Monitoring führt für Apixaban, wie für die NOAC im Allgemeinen, zu präoperativ begrenzt möglichen Einschätzungen der Blutungsgefahr. Dadurch wird vor allem basierend auf ihren pharmakokinetischen Eigenschaften eine OP - Tauglichkeit angegeben. Als Richtlinie hierfür sollten die NOAC für > 3 Halbwertszeiten pausiert werden. Für Apixaban gilt daher aufgrund seiner Halbwertszeit, je nach zu erwartender Blutungsgefahr, mindestens 24h Pause bei niedriger und bis zu 48h Pause bei mittlerer bis hoher Blutungsgefahr. (54,57) 26 3.3.4.3. Apixaban - soweit, so gut? Wie sicher bzw. wie euphorisch sollte man beim Lesen der vielversprechenden Studienergebnisse über Apixaban werden? Nedeltchev (52) beschreibt die Vorteile, die Apixaban für Patienten bieten kann, noch vorsichtig - zuversichtlich betrachtend: Zum Einen lässt der Beobachtungszeitraum der Patientendaten mit 1,8 Jahren keinen gesicherten Schluss auf den Langzeiteffekt von Apixaban für Patienten mit Vorhofflimmern zu. Als Zugeständnis ist aber der konstante Wirkungserfolg über die Studiendauer positiv hervorheben, weshalb auch eine "Abnützung" des Effektes als unwahrscheinlich gilt. Zum Zweiten, auch wenn Apixaban nur zu einem Viertel über die Nieren metabolisiert wird, ist für Patienten mit renaler Insuffizienz Vorsicht geboten. Ausreichende Studiendaten, über vermutete gesteigerte Wirkung bei Patienten mit Niereninsuffizienz und damit erhöhtem Blutungsrisiko, fehlen. (52) Drittens ist auch die Frage nach unerwünschten Interaktionen bei kombinierter Medikamentengabe nicht ausreichend beantwortet. Auch hier fehlen zum Teil noch Erfahrungswerte (keine sicheren Daten zur kombinierten Eingabe mit u.a. Atorvastatin, Digoxin, Verapamil, Quinidin, Amiodaron, Fluconazol, Cyclosporin und Clarithromycin), zum Teil noch die Gewissheit bei langfristigen Anwendungen. Bisherige Studiendaten gehen aufgrund multipler Eliminationswege jedoch von keinem zu großen Risiko aus. (43,52) 27 4. NOAC bei Patienten mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern Wie sehen nun die genauen Daten für die häufigsten Risikofaktoren bei Patienten mit nicht valvulärem Vorhofflimmern aus und in wie weit lassen sich die verschiedenen Studien miteinander vergleichen? Ein zahlenmäßiger Überblick der Studiendaten ist aus Tabelle 3 heraus zu lesen. Tabelle 3: Eckdaten der 3 wichtigsten Studien, in denen die NOAC mit Warfarin bei Patienten mit Vorhofflimmern verglichen wurden ( Daten aus Miller et al. (38)) Wie in Tabelle 3 zu erkennen, ist der durchschnittliche CHADS2 - Score von Patienten der ROCKET-AF Studie (Rivaroxaban) mit 3,5 weit höher als jener der RE-LY-Studie (Dabigatran) oder jener der ARISTOTLE-Studie (Apixaban) - mit einem je durchschnittlichen CHADS2-Score von 2,1 - und repräsentiert somit eine höhere Risikopopulation. Überhaupt waren in ROCKET - AF sieben von acht Patienten mit einem CHADS 2 - Score von 3-6 (die meisten in der Gruppe zwischen 3 und 4) zu finden. Dies aufgrund der weit höheren Patientenzahl mit bereits durchgemachtem Insult, TIA oder systemischer Embolie.(2) Weiter fällt auf, dass die Patientengruppe unter Warfarin Therapie in ROCKET - AF mit einer 55%igen Zeit im therapeutischen Fenster (Ziel INR zwischen 2 - 3) einer schlechteren Einstellung, als die vergleichbaren Warfaringruppen, unterzogen wurden; - auch wenn dies eher dem angenommen Wert für Patienten unter nicht-stetiger klinischer Kontrolle entsprechen mag, war die TTR im Vergleich zur ARISTOTELE- Studie mit 62% und RE-LYStudie mit 64%, unter der therapeutisch erwünschten TTR von 60% erniedrigt. Schlecht adjustierte Vitamin K - Therapie ist eines der Hauptkriterien Pro neue orale Antikoagulantien. 28 Eine größere Anzahl an Patienten in höheren Risikogruppen plus eine verminderte Zeit im therapeutisch-wirksamen Bereich, führten in der ROCKET - AF Studie, bei direktem Vergleich der Warfarin Gruppen untereinander, zu überraschend gering erhöhten Ereignisraten. In RE - LY waren Patienten mit persistierendem oder permanentem Vorhofflimmern, gegenüber den beiden anderen Studien, um ca. 15% weniger stark vertreten. Im Gesamten waren ca. 1/3 der Patienten der RE - LY Studie Patienten mit paroxysmalen Vorhofflimmern. In die Population der ARISTOTELE Studie, wurde auch eine geringe Anzahl an Patienten ( 270 (2) ) mit einer Kreatinin Clearance ≤ 30 ml/min mit einbezogen - dem gegenüber stehen keine Patienten dieser renalen Clearance in den anderen beiden Studien. Patienten mit einer Kreatinin Clearance > 30 - 50 ml/min und jene > 50 ml/min waren in den Studien statistisch vergleichbar vertreten. (2) 4.1. Auswertung wichtigster Phase III Studien zu den NOAC 4.1.1. Dabigatran - Auswertung der RE-LY Studie In der "Randomized Evaluation of Long Term Anticoagulation TherapY" Studie, wurden 18.113 Patienten mit Vorhofflimmern darauf untersucht, ob Dabigatran 150 mg zweimal täglich (n = 6076), Dabigatran 110 mg zweimal täglich (n = 6015) oder eine entsprechende Warfarindosis ( n = 6022) das Schlaganfall-Risiko effizienter minimieren. Es handelte sich dabei um eine prospektive, randomisierte Studie mit offenen Studiendesign, in der Patienten und Ärzte wussten ob die Patienten Dabigatran oder Warfarin erhielten, die Dosis hingegen aber unbekannt war. Als primärer Endpunkt wurde das relative Risiko auf Schlaganfall, einschließlich hämorrhagischen Schlaganfall oder systemischen Embolien festgesetzt, der primäre Sicherheitsendpunkt waren schwere Blutungen. (58) Die Patienten hatten ein Durchschnittsalter von 71 Jahren und einen durchschnittlichen CHADS2 - Score von 2.1. (50) In dieser Studie wurde mit Dabigatran 150 mg zweimal täglich erstmals ein Antikoagulans beschrieben welches, im Vergleich zu Warfarin, als effektiver in der Prävention thromboembolischer Ereignisse bestätigt wurde. Eine höhere Rate an aufgetreten Myokardinfarkten wurde durch die beschriebenen Gesamtvorteile übertroffen. (24,40) Die genaue Auswertung der Ergebnisse zeigte, dass Dabigatran 150 mg zweimal täglich das Risiko für Schlaganfälle signifikant reduziert, bei einem vergleichbaren Risiko für größere 29 Blutungen. Dabigatran 110 mg eine vergleichbare Schlaganfallrate aufweist bei einer signifikanten Reduktion lebensbedrohliche schwerer Blutungen sowie Blutungen die und sich Gesamtanzahl intrazerebrale an Blutungen Blutungen, reduzierten. (1,2,23,40,58,59) Dabigatran weist dabei keine größeren Toxizität auf und agiert nicht lebertoxisch. Dafür wurde häufiger über Dyspepsie und Gastrointestinalblutungen berichtet. (58,59) 4.1.2. Rivaroxaban - Auswertung der ROCKET-AF - STUDIE Bei der "Rivaroxaban Once daily oral direct factor Xa inhibition Compared with vitamin K antagonism for prevention of stroke and Embolism Trial in Atrial Fibrillation" handelt sich um eine globale Doppelblindstudie in welcher die Behandlung von Patienten mit 20 mg Rivaroxaban einmal täglich verglichen wurde mit jener einer vergleichbaren Warfarin Dosis. Die Studie wurde darauf ausgelegt ob keinerlei Minderwertigkeit von Rivaroxaban gegenüber Warfarin für den primären Endpunkt, Schlaganfall oder systemische Embolien, festzustellen sei. (60) Eingeschlossen waren Patienten mit bestehendem nicht-valvulärem Vorhofflimmern plus einem bereits durchgemachten Schlaganfall, einer transitorischen ischämischen Attacke oder einer systemischen Embolie. Das Patientengut umfasste 14.264 Patienten mit einem Durchschnittsalter von 73 Jahren und einem mittleren CHADS 2 - Score von 3.5. (50) In der Studie zeigte sich Rivaroxaban in der Prävention von ischämischem oder hämorrhagischem Schlaganfall und dem Auftreten von systemischen Embolien der Warfaringruppe nicht unterlegen. In Hinblick auf schwere, bis nicht-schwere klinisch relevante Blutungen, zeigte sich kein signifikanter Unterschied, wobei tödliche Blutungen in der Rivaroxabangruppe seltener auftraten. Myokardinfarkte traten in den Behandlungsgruppen vergleichbar häufig auf. Intrazerebrale Blutungen traten signifikant seltener in der Rivaroxaban Gruppe auf. Die Gesamtsterblichkeitsrate war ebenfalls in beiden Gruppen vergleichbar. (39,49,50,60) 4.1.3. Apixaban - Auswertungen ARISTOTELE - Studie In der Studie "Apixaban for Reduction In STroke and Other ThromboEemboLic Events bei Patienten mit Vorhofflimmern" handelte es sich um eine randomisierte, doppelblind Studie mit "double dummy" - Technik in welcher Warfarin mit Apixaban 5 mg zweimal täglich verglichen wurde. Die Studienpopulation umfasste 18.201 Patienten mit Vorhofflimmern plus mindestens einem weiteren Risiko für Schlaganfall in über 1000 Zentren in ungefähr 40 Ländern. Der durchschnittliche CHADS2 - Score betrug 2.1, Patienten mit Warfarin wurden 30 im Ziel INR von 2.0 bis 3.0 gehalten. Der primäre Wirksamkeitsendpunkt setzte sich zusammen aus Schlaganfall und systemischer Embolie, der primäre Sicherheitsendpunkt bestand in schweren Blutungen. (51,52) Patienten der Apixaban Gruppe, mit mindestens zwei von drei zusätzlichen Risikofaktoren Alter ≥ 80, Gewicht ≤ 60kg und/oder Serum Kreatinin ≥ 1,5 mg/dL erhielten eine angepasste Dosis von 2,5 mg zweimal täglich oder entsprechendes Placebo. (50) Die Ergebnisse zeigten für Apixaban ein signifikantes, um 21% verringertes Risiko für Schlaganfall oder systemische Embolie verglichen mit der Warfarin Gruppe. Die Rate von ischämischen oder unsicheren Schlaganfällen war vergleichbar in beiden Gruppen. Die Rate für hämorrhagische Schlaganfälle war ebenfalls stark signifikant vermindert (49%) in der Apixaban Gruppe. Schwere Blutungen werden mit 31% geringerer Wahrscheinlichkeit angegeben. Intrazerebrale Blutungen traten ebenfalls signifikant verringert auf. Für Myokardinfarkte ergab sich ein vergleichbares Risiko und die Gesamtsterblichkeit der Apixaban Gruppe war ebenfalls signifikant reduziert gegenüber den Patienten der Warfarin Gruppe. (39,50,52,61) Diese Daten können nochmals geteilt in Subgruppen analysiert werden. In der Gruppe der älteren Patienten (65 bis 74 Jahren und ≥75 Jahre) war das Schlaganfall-Risiko, das Risiko auf systemischen Embolus und das Risiko auf schwere Blutungen signifikant reduziert verglichen mit der Warfarin Gruppe. Für Patienten ≤ 65 Jahren konnte kein signifikanter Unterschied festgehalten werden. (50) Basierend auf diesen Daten wird Apixaban 5 mg zweimal täglich als relativ sichere und wirksame Alternative zu Warfarin für Patienten bei nicht - valvulärem Vorhofflimmern mit mindestens einem zusätzlichen Risikofaktor und nicht mehr als einer der folgenden Einschränkungen - Alter über 80 Jahre, Gewicht unter 60 kg oder Serumkreatinin über 1,5 mg/Dl - eingestuft. (61) 31 4.1.4. Überblick Studiendaten Tabelle 4 zeigt die Wahrscheinlichkeit auf Auftreten eines elektiven Events mit neuen oralen Antikoagulantien im Vergleich zur Wahrscheinlichkeit des Auftretens mit Warfarin. Daten aus Thrombosis and Haemostasis 108.3/2012 (2) Tabelle 4 Tabelle 5 zeigt die Inzidenz der wichtigsten Ereignisse in den großen Phase III - Studien der NOAC im Vergleich zu Warfarin. Hervorgehoben die jeweils geringer Zahl an aufgetretenen Ereignissen, zusätzlich unterstrichen stark abweichende Zahlen zu der Vergleichsgruppe. Daten aus Thrombosis and Haemostasis 108.3/2012 (2) Daten variieren minimal zwischen den verschiedenen Quellen. Tabelle 5 32 4.2. Vergleich Dabigatran - Rivaroxaban - Apixaban in Bezug auf [Anmerkung: Dabigatran in der Dosierung von 110 mg wird untenstehend nur erwähnt, falls es sich gegenüber der Dosierung von 150 mg als vorteilhaft erwiesen hat.] 4.2.1. Hirnblutung Für die Prävention eines hämorrhagischen Infarkts bei Patienten mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern haben sich sowohl Dabigatran, Rivaroxaban und auch Apixaban gegenüber dem VKA Warfarin mit signifikant verringerter Wahrscheinlichkeit aus den drei großen klinischen Phase III Studien hervorgetan. Unter den NOAC, zeigt hier Dabigatran 150 mg zweimal täglich mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,10% pro Jahr (hazard ratio: 0,26; 95% CI: 0,14 - 0,50; p < 0,001) und Dabigatran 110 mg zweimal täglich mit 0,12% pro Jahr (HR: 0,31; 95% 95% CI: 0,17 0,56; p < 0,001) den größten Therapieerfolg, gegenüber 0,38% Hirnblutungen pro Jahr in der Warfaringruppe. (2,39,59) Auch boten Apixaban, mit einer signifikant reduzierten Wahrscheinlichkeit von 0,24% pro Jahr (HR: 0,51; 95% CI: 0,35 - 0,75; p < 0,001) gegenüber Warfarin mit 0,47% pro Jahr (2,39,62) und Rivaroxaban 0,26% pro Jahr (HR: 0,58; 95% CI: 0,37 - 0,92; p < 0,02) gegenüber 0,44% pro Jahr in Warfarin Gruppe, gute Ergebnisse. (2,39,60) 4.2.2. Hirninfarkt Auch zur Prävention eines ischämischen Insults zeigte vor allem Dabigatran 150 den effektivsten Nutzen und Überlegenheit gegenüber Dabigatran 110 mg, Rivaroxaban 20 mg und Apixaban 5 mg. (40,50) In Daten Dabigatran 150 mg 0,92% pro Jahr (HR: 0,76; 95% CI: 0,60 - 0,98; p < 0,03) gegenüber Warfarin mit 1,20% pro Jahr; Rivaroxaban 20 mg 1,62% pro Jahr (HR: 0,91; 95% CI: 0,73 - 1,13; p < 0,92) gegenüber Warfarin Gruppe mit 1,64% pro Jahr und Apixaban 5 mg 0,97% pro Jahr(HR: 0,92; 95% CI: 0,74 - 1,14; p < 0,42) gegenüber Warfarin Gruppe mit 1,05% pro Jahr. (2,59,60,62) 4.2.3. Gesamtsterblichkeit Die Zahl der Todesfälle war bei Dabigatran 150 mg mit 3,64% pro Jahr (HR: 0,88; 95% CI: 0,77 - 1,00; p = 0,051) ebenfalls gegenüber Warfarin mit 4,13% pro Jahr erniedrigt. Bei Apixaban zeigt sich der Erfolg ähnlich mit 3,52% pro Jahr (HR: 0,89; 95% CI: 0,80 0,99; p = 0,047) gegenüber 3,52% mit Warfarin Therapie. Für Rivaroxaban ebenso, 4,5% pro 33 Jahr (HR: 0,92; 95% CI: 0,82 - 1,03; p = 0,15) verglichen mit Warfarin mit 4,9% pro Jahr. (2,59,60,62) 4.2.4. Myokardinfarkt Unter den NOAC zeigt sich das Myokardinfarktrisiko unter Rivaroxaban vermindert gegenüber beiden Dosen von Dabigatran, während Apixaban mit Rivaroxaban gleichzustellen ist. (40) Für Dabigatran 110 mg stieg das Risiko auf Myokardinfarkt auf 0,72% pro Jahr (HR: 1,35; 95% CI: 0,98 - 1,87; p = 0,07), für Dabigatran 150 mg auf 0,74% pro Jahr (HR: 1,38; 95% CI: 1,00 - 1,91; p = 0,048) [Anmerkung: Daten variieren in Studien für Dabigatran 150 mg von HR: 1,27 bzw. 1,29 (2,39)] Für Rivaroxaban hingegen zeigte sich eine knapp nichtsignifikante Risikoreduktion von 0,9% pro Jahr (HR: 0,81; 95% CI: 0,63 - 1,06; p = 0,12) verglichen mit 1,1% pro Jahr in der Warfarin Gruppe. Bei Patienten unter Apixaban Therapie zeigte sich ebenfalls kein signifikantes, aber verringertes Myokardinfarktrisiko (HR: 0,88; 95% CI: 0,66 - 1,17; p = 0,37) (59,60,62) Vergleicht man die bisher verwendeten Daten mit jenen von Larsen et al. zeigt sich hingegen für beide Dosen von Dabigatran ein vermindertes Myokardinfarktrisiko. (Dabigatran 110 mg: HR: 0,30; 95% CI: 0,18 - 0,49; und für 150 mg: HR: 0,40; 95% CI: 0,21 - 0,70) (45) 4.2.5. schwere Blutungen Das Auftreten schwerer Blutungen war mit 2,13% pro Jahr (HR: 0,69; 95% CI: 0,60 - 0,80; p < 0,001) für Apixaban signifikant verringert gegenüber Warfarin mit 3,09% pro Jahr. Unter den anderen NOAC zeigte sich noch für Dabigatran 110 mg (HR: 0,80; 95% CI: 0,69 - 0,93; p = 0,003) eine signifikante Reduktion mit 2,71% pro Jahr gegenüber 3,36% der Warfarin Gruppe. Bei Dabigatran 150 mg (HR: 0,94; 95% CI: 0,81 - 1,08; p = 0,31) traten schwere Blutungen zu 3,11% pro Jahr auf. Für Rivaroxaban war der Unterschied mit 3,6% zu 3,4% pro Jahr im Vergleich zu Warfarin, bei einem p - Wert von 0,58, verschwindend klein. (59,60,62) Für Dabigatran scheint das Alter des Patienten der wichtigste Indikator für ein gesteigertes Blutungsrisiko dar zu stellen, für Apixaban scheint das Risiko vor allem für Diabetiker erhöht. (63) 34 4.2.6. gastrointestinale Blutungen Apixaban geht aus den Daten in Hinsicht gastrointestinale Blutungen als das Sicherste der NOAC, mit einer HR von 0,89 (95% CI: 0,70 - 1,15; p = 0,37) hervor. Die Anderen gehen mit einem gesteigerten Risiko, Dabigatran 110 mg HR: 1,10 (95% CI: 0,86 - 1,41; p = 0,43), Rivaroxaban HR: 1,47 (95% CI: 1,20 - 1,81; p < 0,001) und Dabigatran 150 mg HR: 1,50 (95% CI: 1,19 - 1,89; p < 0,001) einher. (59,60,62) Auch in diesem Punkt werfen neue Daten von Larsen et al. die bisherigen Annahmen etwas über den Haufen: Hier wird bei Dabigatran 110 mg sogar von einem verminderten gastrointestinalen Blutungsrisiko gegenüber Warfarin gesprochen. (HR: 0,60; 95% CI: 0,37 0,93; p = 0,075 (45)) 4.3. Schlaganfall Vorsorge mit NOAC Das Schlaganfall-Risiko für Patienten mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern war in allen Studien als der primäre Endpunkt definiert. Die Daten zeigten gerade in diesem Punkt, für alle hier besprochenen neuen oralen Antikoagulantien, vorteilhafte Ergebnisse gegenüber dem Vitamin K Antagonisten Warfarin. Das diese Überlegenheit mit manch gesteigertem Risiko (v.a. Dabigatran: Risiko auf gastrointestinale Blutungen, leicht gesteigertes Myokardinfarktrisiko) einhergeht, kann derweil nicht ausgeschlossen werden. Mantha und Ansell zeigen in ihrer Arbeit das sich Dabigatran(Pradaxa®) 150 mg zweimal täglich verabreicht in der Schlaganfallprävention effektiver als Dabigatran 110 mg zweimal täglich, sowie gegenüber Rivaroxaban(Xarelto®) 20 mg einmal täglich verabreicht, erwiesen hat. (2,40) Apixaban(Eliquis®) reduziert das Risiko auf Schlaganfall oder arterielle Embolie statisch signifikanter (p = 0,01) zu 21% verglichen mit Warfarin. 35 Abbildung 5: Risikoreduktion für apoplektischen Insult, in verschiedenen klinischen Studien mit jeweiligem Antikoagulans für Patienten mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern (Granger, Armaganijan, Circulation 2012) Abbildung 5 zeigt den Effekt verschiedener antikoagulanten Therapien in Hinsicht auf Schlaganfall-Risiko mit einer willkürlichen Skala bis 10 für keinerlei Therapie. Es zeigt sich vor allem für Dabigatran in der Schlaganfallvorsorge eine deutliche Risikominderung.(64) 4.4. Compliance NOAC Aufgrund der relativ kurzen Halbwertszeiten verbunden mit nicht notwendiger stetiger klinischer Monitorisierung, wird die Compliance von Patienten unter NOAC Therapie zu einem noch entscheidenderen Faktor. Patienten unter klinischen Studien waren davon weit weniger betroffen als es die Erfahrung im nicht-klinischen Alltag erwarten lässt. Tatsächlich ist eine hohe Rate an Morbidität und Mortalität und in weiterer Folge steigende Gesundheitskosten auf schlechte Patientencompliance zurück zu führen. (5) 12 - 24 h nach der letzten Einnahme nimmt der antikoagulante Effekt der NOACs rasch ab, das Risiko für Patienten steigt. Für eine fehlende Compliance von Patienten wird eine Vielzahl an Ursachen angenommen und geschätzte 50% der Patienten - ungeachtet ihres Geschlechts, Alters oder ethnischer Herkunft - nehmen ihre Medikation nicht nach verordnetem Therapieplan ein. (65,66) Von den zahlreichen Gründen welche für die Therapietreue eines Patienten ausschlaggebend seien können - Lifestyle, Bildungsniveau, Gesundheitsbewusstsein, Medikamentennebenwirkung - scheinen offensichtlich die Kosten (Selbstbehalt) die größte Rolle zu spielen. (66) 36 In einer Befragung von 700 Medizinern ihren Patienten gegenüber, Gründe für negative Compliance zu nennen, gaben die meisten an, regelmäßig Einnahmen auszusetzen um länger mit der verordneten Menge auszukommen. (5) Dies könnte sich vor allem für Patienten in Ländern mit "kostensparenderem" Gesundheitswesen, aber auch für die, im Vergleich zu Marcumar, sehr teuren NOAC (siehe Punkt 5.1.) negativ auswirken. Ein weiterer wichtiger Faktor der Patientencompliance stellt die einzunehmende Tagesdosis dar. Claxton et al. zeigten in einer Studie dass es zirka zu einem 10%igen Abfall der Patientencompliance kommt, wenn die verordnete Tagesdosis von einer Dosis auf zwei ansteigt. (1 Einnahme = 79% ± 17%, 2 Einnahmen = 69% ± 15%, 3 Einnahmen = 65% ± 16%, 4 Einnahmen = 51% ± 20%; p < 0,001) Sowohl Dabigatran als auch Apixaban werden lege artis zweimal täglich eingenommen werden. (67) 37 5. Ergebnisse Granger et al. halten fest, dass Apixaban für Patienten mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern und mindestens einem zusätzlichen Risikofaktor, das Risiko auf Schlaganfall oder arterielle Embolie, im Vergleich zu Warfarin signifikant um 21%, das Risiko auf schwere Blutungen um 31% und die Gesamtsterblichkeit um 11% reduziert. Das ergibt für eine Gruppe von 1000 Patienten die 1,8 Jahre mit Apixaban behandelt werden 6 Patienten weniger welche einen Schlaganfall erleiden, 15 weniger mit schweren Blutungen und 8 Patienten weniger die verstorben sind, im Vergleich mit Warfarin. Diese Ergebnisse zeigen sich auch in Untergruppen - eingeteilt nach Alter, Geschlecht, ethnischer Herkunft, etwaiger renaler Insuffizienz oder CHADS2 - Score - konstant. Dazu werden die Nebenwirkungen von Apixaban als akzeptabel beschrieben, mit keinerlei unerwarteter Nebenwirkung, was sich auch darin ausdrückt, dass die Drop-out-Rate von Patienten der Apixaban Gruppe niedriger als jene der Warfarin Gruppe war. (62) Connolly et al. halten für Dabigatran fest, dass mit Dabigatran 150 mg das Risiko auf Schlaganfall oder arterielle Embolie signifikant vermindert wurde gegenüber Warfarin bei ähnlichem Blutungsrisiko. Bei Dabigatran 110 mg zeigt sich das Schlaganfall-Risiko vergleichbar mit Warfarin bei signifikant verringerter Blutungsgefahr. Die Zahl an Myokardinfarkten war bei beiden Dosen höher als in der Warfarin Gruppe. Dies wird einer kardioprotektiven Wirkung von Warfarin zugeschrieben. Zu den allgemein verringerten Blutungsraten werden auch die unter Dabigatran 150 mg stark erhöhten gastrointestinalen Blutungen erwähnt. (59) Patel et al. halten in ihrer Zusammenfassung fest, dass für Patienten mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern in einem moderaten bis hohen Schlaganfall-Risiko, Rivaroxaban in der Präventionstherapie Warfarin nicht unterlegen ist. Es gab keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf schwere Blutungen, wobei intrakranielle und tödliche Blutungen seltener unter Rivaroxaban auftraten. Gastrointestinale Blutungen traten jedoch signifikant häufiger auf als unter Warfarin. Hervorgehoben wird auch der Punkt, dass es trotz der höheren Risikopopulation zu quantitativ vergleichbaren Blutungsereignissen kam. (60) 38 5.1. Kosten- Wirksamkeitsanalyse im Vergleich zu Vitamin K Antagonisten Vitamin K Antagonisten sind nicht nur schon seit vielen Jahren ein treuer Begleiter vieler Patienten mit erhöhten Schlaganfall-Risiko, sie sind vor allem auch ein für das Gesundheitssystem finanzierbarer Begleiter. Sieht man rein auf den Preis der NOAC, dürfte eine Entscheidung zugunsten einer Therapie mit Vitamin K Antagonisten nicht lange auf sich warten lassen. Die Therapiekosten betragen pro Tag für Marcoumar® zirka 0,20 Euro, für Pradaxa® zirka 3,40 Euro. Das deutsche Ärzteblatt rechnet an einem Beispiel vor, dass wenn in Deutschland 300.000 Patienten mit Vorhofflimmern anstatt mit Marcoumar mit Dabigatran behandelt werden würden, käme das auf eine Differenz von 960.000 Euro pro Tag - was 350,4 Millionen Euro pro Jahr entsprechen würde. Dies wäre bereits zirka 1/10 der Summe, welche die deutsche Krankenkasse in einem Jahr für alle Arzneimittel ausgibt. (68) Die entscheidende Frage sollte aber nicht lauten wie teuer ist welches Medikament, die Frage lautet, welches Medikament kann sich in Hinsicht auf Lebensqualität und Gesundheitskosten für Patient und Krankenkasse rechnen. Dieser Frage sind bereits einige Studien nachgegangen. Die Annahmen gehen in erster Linie auch dahingehend, dass nach der Zulassung für die Verwendung zur Prophylaxe bei Patient mit Vorhofflimmern durch die EMA für alle NOAC, die Preise zugunsten der Marktdominanz weiter fallen werden. (40) Mehrere Studien, welche die Kosteneffektivität der NOAC mit Warfarin (vom Preisniveau etwas teurer als Marcoumar) verglichen haben, kamen zu dem Schluss, dass sie in Hinsicht auf quality adjusted life years (qualitätskorrigiertes Lebensjahre) kosteneffektiv wirken. (24,50,61,69) Die ersten Studien bezogen sich vor allem auf Dabigatran, wo mit Daten der RE-LY Studie, Dabigatran 150 mg als kosteneffektiv gegenüber Warfarin, für Patienten ≥ 70 Jahre mit entweder hohem Blutungsrisiko, hohem Schlaganfall-Risiko oder bereits durchgemachten Insult - ausgenommen Patienten unter hervorragender INR- Kontrolle - bestätigt wurde. Für Rivaroxaban und Apixaban wurde, unter gleichen Voraussetzungen, ebenfalls Kosteneffektivität gegenüber Warfarin festgehalten. (50,61) Warfarin hingegen wurde als kosteneffektiver eingeschätzt bei Patienten mit moderatem Schlaganfallrisiko ( CHADS2 Score von 1-2) solange das Blutungsrisiko nicht hoch oder die TTR niedrig ( <57,1% ) war. (50) 39 5.1.1. Kosten-Wirksamkeitsanalyse am Beispiel USA In einer kürzlich erschienenen (April 2013) unabhängigen Studie, fassen Harrington et al. die Kosteneffektivität der NOAC, durch Evaluierung eines Markov - Modells aus Sicht eines US - Zahlers, zusammen: In einer hypothetischen Modelgruppe von Patienten im 70 Lebensjahr, mit nichtvalvulärem Vorhofflimmern und gesteigertem Schlaganfallriskio (CHADS 2 Score ≥ 1), einer Kreatinin - Clearance von ≥ 50 mL/min und keiner zuvor erhaltenen Antikoagulationstherapie, wurden die zu erwartenden Kosten den qualitätskorrigierten Lebensjahren gegenüber gestellt. Die Ergebnisse bestätigen eine Kosteneffektivität aller NOACs gegenüber Warfarin. Apixaban 5 mg zeigte in diesem Modell die höchsten qualitätskorrigierten Lebensjahre (8.47), gefolgt von Dabigatran 150 mg (8.41), Rivaroxaban 20 mg (8.26) und Warfarin (7.97). In einer Monte Carlo Wahrscheinlichkeitsanalyse dieses Modells wurde Apixaban in 45,1%, Dabigatran in 40%, Rivaroxaban in 14,9% und Warfarin in 0% als kosteneffektiv bewertet. (70) 5.1.2. Kosten-Wirksamkeitsanalyse am Beispiel Schweiz Eine mit dem europäischen Gesundheitssystem vergleichbarere Kosten - Wirksamkeitsanalyse wurde in der Schweiz durchgeführt. Hier wurde Dabigatran in seiner Kosteneffektivität mit Phenprocoumon verglichen. Die Studie wurde von BoehringerIngelheim finanziert. Es wurde ebenfalls ein Markov - Modell mit zu erwartenden klinischen Ereignissen und daraus resultierenden Therapiepfaden und Kosten simuliert. Als Resultat wurde präsentiert, dass aufgerechnet auf 10.000 Patienten es mit Dabigatran 110 mg zu 1.949 zusätzlichen qualitätskorrigierten Lebensjahren und unter Dabigatran 150 mg zu 2.774 zusätzlichen qualitätskorrigierten Lebensjahren für Patienten komme. Durch diesen Anstieg an QALY, den verringerten klinisch - relevanten Ereignissen und den wegfallenden INR Kontrollen kann Dabigatran trotz höherer Arzneimittelkosten als kosteneffektiv betrachtet werden. (7) 5.1.3. Kosten-Wirksamkeitsanalyse am Beispiel United Kingdom Neben jener Studie, die für die Kosteneffektivität von Dabigatran in der Schweiz präsentiert wurden, ist auch eine vergleichbare Studie für Patienten in Großbritannien durchgeführt worden. Auch hier wurde ein Markov Modell zum Vergleich Dabigatran's mit Warfarin erstellt. Diese Studie wurde ebenfalls von Boehringer-Ingelheim finanziert. Die Resultate zeigen auch 40 für Großbritannien eine gesteigerte Kosteneffektivität von Dabigatran gegenüber Warfarin; diese wird vor allem auf die rückgängigen Raten ischämischer Insulte (3,74 Dabigatran gegenüber 3,97 Warfarin) und den weit geringer auftretenden intrakraniellen Blutungen bzw. Hirnblutungen (0,43 zu 0,99) pro 100 Patientenjahren erklärt. (69) 5.1.4. Kosten - Wirksamkeitsanaylse im Vergleich zu Genotyp - gestützter Antikoagulation Sowohl Dabigatran, Rivaroxaban und auch Apixaban können durch die Minimierung klinischer Ereignisse, trotz ihres Preisniveaus eine kostengünstige Alternative zu Vitamin K Antagonisten darstellen. Die anfangs dieser Arbeit erwähnte individuelle Anpassung der Antikoagulation durch Vor - Ort - Genotyp Testung könnte am Ende aber die kostengünstigste Alternative sein. Eine Vergleichsanalyse von Dabigatran 110 mg, Dabigatran 150 mg, Standard Antikoagulationstherapie und Genotyp - gestützter - Antikoagulation wurde von You et al. verfasst. Darin wird Dabigatran in der Darreichung zu 150 mg kosteneffektiver als Dabigatran 110 mg beschrieben und die Genotyp spezifische Antikoagulation als kosteneffektiver gegenüber Standard - Antikoagulationstherapie. Wird die Summe, die man pro qualitätskorrigiertem Lebensjahr zu zahlen bereit ist auf 50.000 Dollar (ungefähr 38.000 Euro) festgesetzt, ist Dabigatran 150 mg die kosteneffektivste Variante. (siehe Abbildung 6) (23) Abbildung 6: Kosten - Effektivität's Vergleich Genotyp gestützter Antikoagulation zu Dabigatran(23) 41 Weiters rechnen You et al. vor, dass Genotyp-gestützte-Antikoagulationstherapie die kosteneffektivste Option wäre, wenn die TTR von Patienten von durchschnittlichen 64% einer Standardtherapie, auf 77% angehoben werden würde. (23) In einer vergleichbaren Modellstudie von Shah und Gage wurde Dabigatran 150 mg als das kosteneffektivste Mittel für Patienten mit hohem Schlaganfallrisiko (CHADS 2 Score ≥ 3 ) eingeschätzt; außer die TTR war > 72,6%. Für Patienten mit moderatem Schlaganfallrisiko (CHADS2 Score 1 oder 2) war Warfarin die kosteneffektivste Variante, außer das Blutungsrisiko war erhöht oder die TTR war < 57,1%. (71) 5.2. klinische Pros und Contras NOAC Wirksamer als die Cumarinderivate - keine Langzeitdaten. Kosten u. zeitverschlingende Monitorisierung fällt weg - keine Wirkungskontrollen, zu teuer. Gut einschätzbare pharmakologische Wirkung - rein abhängig von Patientencompliance. Die Stimmen pro und contra neue orale Antikoagulantien sind zwiegespalten. Um sich leichter einen Überblick zu verschaffen, ein zusammenfassender Blick auf beide Seiten der Medaille: 5.2.1. Einschränkungen der NOAC: Jack Ansell spricht sich dafür aus, dass die neuen oralen Antikoagulantien nicht das erste Mittel in der Schlaganfallprävention von Patienten mit Vorhofflimmern sein sollten. Er begründet diese Meinung mit folgenden sechs Punkten: (5) 1) Die kurze Halbwertszeit der NOAC, wodurch es bei Patienten mit unregelmäßiger Medikamenteneinnahme zu keinerlei Wirkungsschutz kommen kann. 2) Die fehlenden Routinekontrollen, mit dadurch zusätzlich verminderter Patientencompliance. 3) Der Mangel an verlässlichen Kontrollen zur präzisen Abschätzung der antikoagulanten Wirkung. Was nach aufgetretenen klinischen Ereignissen, wie TIA oder Blutung, zur genauen Abklärung wichtig wäre. 4) Fixe Dosen - Unfähigkeit die Dosierungen anpassen zu können. 5) Fehlen eines Antidot. Die Wirkung der Vitamin K - Antagonisten kann, je nach Notwendigkeit in kürzester Zeit, mit gefrorenem Frischplasma oder Prothrombin - Komplex Konzentraten wieder aufgehoben werden. 6) Hohe Medikamentenkosten. Über Studien der Kosteneffektivität meint Ansell, dass 42 diese zu stark von der Charakteristik und des Behandlungsschema der einzelnen Patienten abhängig sind. In Hinsicht auf Nebenwirkungen sieht Ansell leichte Vorteile zugunsten der NOAC; betont aber, dass die Tragweite der Interaktionen mit P - Glykoprotein Hemmer, ohne genaue Monitorisierung, nicht abschätzbar ist. (5) 5.2.2. Vorteile der NOAC: 1) In allen bisherigen Studien zeigten sich die NOAC in Hinsicht auf die Prävention eines Schlaganfalls oder einer arteriellen Embolie Warfarin zumindest ebenbürtig bis überlegen. Das Risiko unerwünschter Blutungen war ebenfalls vergleichbar bis vermindert. (40,64) Das obwohl Patienten dieser Studien um 12% (außer in ROCKET AF Studie) länger im therapeutischen Bereich gehalten wurden als im klinischen Alltag üblich. 2) Schwankungen der TTR sind bei den NOAC, aufgrund ihrer fixen Dosierung, ihrer vorhersehbaren pharmakokinetischen und pharmakodynamischen Wirkung, nicht zu erwarten. Daraus folgt eine Risikominimierung für viele Patienten unter schlecht eingestellter Antikoagulationstherapie (39,40) 3) Wegfallen aufwendiger INR - Kontrollen als Entlastung für Patient, Mediziner und Gesundheitssystem. (40) 4) Weit weniger Medikamenteninteraktionen, weniger Nebenwirkungen und keinerlei Nahrungsmittelinteraktionen sprechen - neben dem guten Therapieerfolg - für eine sichere Anwendung für Patienten. (64) 5) Schneller Wirkungseintritt und kurze Halbwertszeiten führen je nach Wirkstoff zu einer Absetzung des Effekts nach 8 - 17 Stunden und damit zu gut steuerbaren Therapiezeiträumen. (64) 6) Dazu erlauben die verschiedenen Eliminationswege (renal bzw. hepatisch und renal) eine an Komorbiditäten angepasste Therapie. (5) 43 5.3. Diskussion - der Kampf um die Marktherrschaft Die Zahl der Patienten unter Antikoagulationstherapie nimmt weiter zu - die Industrie wächst fast noch schneller mit. Die neuen oralen Antikoagulantien zeigen, dass sie - gerade spezifisch eingesetzt - den Cumarinderivaten durchaus ebenwürdig, wenn nicht überlegen sind. Wie unter 5.2.1. zu lesen, ist aber nicht alles Gold was glänzt. Sicherlich ein Dorn im Auge bleibt der Mangel eines Antidots was in Notfallsituationen schnell zum schwerwiegenden Problem für den Patienten werden kann. Nicht nur im Notfall, auch ganz Allgemein hat sich noch keine genaue Methode zur optimalen Einstellung in Hinsicht auf nahende chirurgische Eingriffe etabliert. So sehr das Wegfallen stetiger Kontrollen, mit Anpassung des INR - Wertes begrüßt wird, so sehr kann auch der Mangel einer Validierungsmöglichkeit zum Test der antikoagulanten Wirkung vermisst werden. Bedenkt man die große Anzahl an möglichen Medikamentinteraktionen (2.1.2. / 2.2.2.) die sich bei einer Therapie mit VKA ergeben, sind die neuen oralen Antikoagulantien hier sicherlich ein großer Vorteil. Dabei kritisch zu erwähnen bleibt die Notwendigkeit der absoluten Patientencompliance, welche ohne Kontrollen als ausreichend angenommen werden muss. Ist dies nicht der Fall, wird der Vorteil der wegfallenden Patientenbeobachtung schnell zum Nachteil. Längerfristige Therapieerfahrungen sowie Daten von Langzeitstudien fehlen noch, wogegen die Effekte der Cumarinderivate wohl bekannt sind und auch stetig steigen. Wirtschaftlich gesehen verhält es sich ähnlich zwiegespalten. Für Patienten ab einer gewissen Risikostufe können die NOAC als kosteneffektiv angesehen werden (siehe 5.1.), was aufgrund der erheblich höheren Kosten stark für den Therapieerfolg spricht. Dass viele Studien allgemein und vor allem auch jene über die Kosteneffektivität nicht unabhängig durchgeführt wurden, führt zu einem unsicheren Beigeschmack. Wie während der Erstellung dieser Arbeit zu erkennen ist die Thematik in stetiger Bewegung und die NOAC noch nicht ganz im klinischen Alltag angekommen. Schon im Zeitraum dieser Arbeit (Jänner - Juni 2013) wurden wechselnde Meinungen mit teilweise neuen Daten (siehe Punkt 3.1.4.5.) präsentiert, woraus sich schließen lässt, dass noch Einiges passieren kann. Die vorhanden Daten erfordern sicherlich weiterer Beobachtung, speziell auch für ältere Personengruppen (>75 Jahre). Die bisherigen Ergebnisse sind zwar vielversprechend, es wird aber längerfristiger Phase IV Studien brauchen, um mit dem Erfahrungswert der VKA ansatzweise mithalten zu können. 44 Nichts desto trotz sind die Ergebnisse so zu deuten, dass der Umstieg auf die NOAC als Standard Therapieschema eher eine Frage der Zeit sein wird. Jedenfalls zeigen sie, dass die Vitamin K - Antagonisten sicher nicht mehr die einzige Therapiewahl darstellen. Der wahre Nutzen der NOAC wird sich aber laut Harenberg et al. erst nach endgültiger Marktübernahme beweisen können. Ärzte und Patienten müssen derweil wohl gemeinsam entscheiden, welches Medikament für den Patienten die beste Lösung darstellt. Braucht der Patient häufig klinische Kontrollen oder kann von einer hohen Compliance ausgegangen werden. Welche Medikamente werden zusätzlich eingenommen und sind beeinflussende Komorbiditäten vorhanden. In welche Risikogruppe fällt der Patient und welches Antikoagulans bietet in dieser Hinsicht die vielversprechendsten Ergebnisse. Eine klare Richtung gibt es wohl noch nicht, die Möglichkeiten aber sind weit vielfältiger und auch vielversprechender als noch vor geraumer Zeit. 45 6. Literaturverzeichnis 1. Lip, Yousif Ahmad, Lip. Stroke Prevention in Atrial Fibrillation: Where are We Now? Clinical Medicine Insights: Cardiology. Februar 2012;65. 2. Mantha S, Ansell J. An indirect comparison of dabigatran, rivaroxaban and apixaban for atrial fibrillation. Thrombosis and Haemostasis. 28. Juni 2012;108(3):476–84. 3. Beubler E. 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