Merkmale der Täter Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Alter und Geschlecht Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Grafik: Geschlechts- und Altersstruktur der polizeilich registrierten Kriminalität 1998 14000 12000 10000 8000 6000 4000 2000 8 -9 Ja hr 10 e -1 1 J 12 ahre -1 3 Ja hr 14 e -1 5 Ja hr 16 e -1 7 J 18 ahre -2 0 Ja hr 21 e -2 2 Ja hr 23 e -2 4 J 25 ahre -2 9 J 30 ahre -3 9 Ja hr 40 e -4 9 J 50 ahre -5 9 Ja hr > 59 e Ja hr e 0 Männer Frauen Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Alter, Geschlecht und einfacher Diebstahl 80 70 60 50 40 30 20 10 0 - 14 Jahre 14-17 Jahre 18-20 Jahre 21-24 Jahre Männlich 25-29 Jahre Weiblich Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht 30-59 Jahre > 59 Jahre Alter, Geschlecht und schwerer Diebstahl 16 14 12 10 8 6 4 2 0 -14 Jahre 14-17 Jahre 18-20 Jahre 21-24 Jahre Männlich 25 - 29 Jahre Weiblich Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht 30-59 Jahre >59 Jahre Alter, Geschlecht und Körperverletzung 25 20 15 10 5 0 - 14 Jahre 14-17 Jahre 18-20 Jahre 21-24 Jahre Männlich 25-29 Jahre Weiblich Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht 30-59 Jahre > 59 Jahre Alter und Kriminalität • Schwerpunkt offiziell registrierter Kriminalität: Jugendalter • Männer: Heranwachsende • Frauen: Jugendliche • Alterskriminalität (> 60 Jahre) • Schwerpunkt liegt auf einfachem Diebstahl (ähnlich der Kinderkriminalität) Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Jugend und Kriminalität Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Kinderkriminalität • Formale Definitionen • Eintragungsfähigkeit Bundeszentralregister (ab relativer Strafmündigkeit: Erziehungsregister, 14 Jahre) • Eintragungsfähigkeit Polizeiliche Informationssysteme (Baden-Württemberg beispw. PAD = Personenauskunftsdatei): nicht gesetzlich festgelegt, 6-8 Jahre Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Inhaltliche Gesichtspunkte der Kinderkriminalität • Materielle Definition der Kinderkriminalität • Normative Bedingungen wirken sich aus auf (und werden beeinflusst durch) • äusseres Erscheinungsbild • innere Vorgänge (Unrechtseinsicht et.) • Wahrnehmung durch die Gesellschaft (und ihre Institutionen) Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Entwicklung der Kinderkriminalität 19 87 19 88 19 89 19 90 19 91 19 92 19 93 19 94 19 95 19 96 19 97 19 98 19 99 20 00 180.000 160.000 140.000 120.000 100.000 80.000 60.000 40.000 20.000 0 Alle Einfacher Diebstahl Körperverletzung Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Jugendkriminalität Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Polizeilich registrierte deutsche Jugendliche Tatverdächtige und Verurteilte (pro 100.000) 19 84 19 85 19 86 19 87 19 88 19 89 19 90 19 91 19 92 19 93 19 94 19 95 19 96 19 97 19 98 8000 7000 6000 5000 4000 3000 2000 1000 0 Tatverdächtige Jugendliche Tatverdächtige HW Verurteilte Jugendliche Verurteilte HW Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Junge Menschen als Täter und Opfer von Tötungsdelikten (pro 100.000) 25 20 15 10 5 19 77 19 78 19 79 19 80 19 81 19 82 19 83 19 84 19 85 19 86 19 87 19 88 19 89 19 90 19 91 19 92 19 93 19 94 19 95 19 96 19 97 19 98 0 Kindl. TV Jugendl. Opfer Jugendl. TV Heranw. Opfer Heranw. TV Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Kindl. Opfer Polizeilich registrierte deutsche Jugendliche Tatverdächtige und Verurteilte (pro 100.000) Raubdelikte 300 250 200 150 100 50 19 84 19 85 19 86 19 87 19 88 19 89 19 90 19 91 19 92 19 93 19 94 19 95 19 96 19 97 19 98 0 Tatverdächtige Jugendliche Tatverdächtige HW Verurteilte Jugendliche Verurteilte HW Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Polizeilich registrierte deutsche Jugendliche u. Heranwachsende Tatverdächtige und Verurteilte (/100.000) Gef. Körperverletzung 600 500 400 300 200 100 19 84 19 85 19 86 19 87 19 88 19 89 19 90 19 91 19 92 19 93 19 94 19 95 19 96 19 97 19 98 0 Tatverdächtige Jugendliche Tatverdächtige HW Verurteilte Jugendliche Verurteilte HW Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Jährliche Prävalenzraten des Raubverdachts in den Geburtskohorten 1970, 1973, 1975, 1978 männlich/deutsch 250 200 1970 1973 1975 1978 150 100 50 0 14 J. 15 J. 16 J. 17 J. 18 J. Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht 19 J. Erklärungen • Die Anzeigeneigung (kriminelle Reizbarkeit) hat zugenommen • Prekäre (Risiko) Gruppen sind grösser geworden • Informelle Kontrollen werden schwächer (Familie, Nachbarschaft etc.) • Risiken (kriminelle Anreize) werden grösser (beispw. neue Medien) • Die Jugend hat sich verändert • Begehung von Straftaten in Gruppen hat zugenommen Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Gesellschaftliche Bedingungen und Jugendkriminalität • Neue Gelegenheiten und neue Risiken • Der Zerfall von Systemen informeller Kontrolle • Individualisierungstendenzen und Modernisierungsverlierer • Die Zunahme prekärer (Risiko-) Gruppen • Der sozio-kulturelle Kontext der (Gross-)Stadt – reduzierte Zugangschancen und Schattenwirtschaften – Gettoisierung und Segregation – Verlust von Akzeptanz und Legitimation Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Alterskriminalität Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Erklärung der Alterskriminalität • Theorie der Schwäche • biologische Gründe • (Ersatzhandlungen) • größere Toleranz alten Menschen gegenüber (weniger Anzeigen) • höheres Maß an internen Kontrollen (und als Konsequenz hieraus eine größere Konformitätsbereitschaft) • Theorie der Gelegenheiten • Alterungsprozesse als "Ausgliederung" (Desozialisation) und als Reduzierung der Teilnahme an (allen) sozialen Aktivitäten. Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht FrauenKriminalität Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Tatverdächtige Insgesamt sowie Frauen 2.500.000 2.000.000 1.500.000 1.000.000 500.000 19 87 19 88 19 89 19 90 19 91 19 92 19 93 19 94 19 95 19 96 19 97 19 98 19 99 20 00 0 Insgesamt Weiblich Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Anteile weiblicher Tatverdächtiger 1987-2000 24 23,5 23 22,5 22 21,5 21 20,5 19 87 19 88 19 89 19 90 19 91 19 92 19 93 19 94 19 95 19 96 19 97 19 98 19 99 20 00 20 Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Erklärung der Frauenkriminalität • Biologische und moralische Erklärungen (Theorie der Schwäche) • These der "Ritterlichkeit“ • Theorie unterschiedlicher Sozialisation • Unterschiedliche Sozialkontrolle • unterschiedliche Gelegenheiten (bedingt durch unterschiedliche Integration in das öffentliche bzw. Berufsleben) • Emanzipationsprozesse? • Unterwelt als Spiegelbild der Oberwelt (Diskriminierung und Machtgefälle) Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Gefährliche Klassen: Schicht und Kriminalität • Ausgangspunkt: offiziell registrierte Kriminalität konzentriert sich auf untere soziale Schichten • Schichtmodell und Klassenmodelle der Gesellschaft • 19. Jahrhundert: Debatte über „Gefährliche Klassen“ • Lumpenproletariat • Frage der Kontrolle (Einbindung) gesellschaftlicher Gruppen • Bindung durch Arbeit und Arbeitsmarkt • Klassenstrafrecht und Klassenjustiz Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Amateure, Abenteurer, Professionalität (crime as work) und Organisierte Kriminalität Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Verbrechen als Beruf • Sutherland: The Professional Thief • Schattenwelten und Schattenwirtschaften • Normen und Werte regulieren die Schattenwirtschaften und damit verbundene Berufsrollen (Dieb und Hehler, Zuhälter etc.) • Lerntheorien, Gelegenheitstheorien, ökonomische Theorien Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Organisierte Kriminalität • Der Diskurs über organisierte Kriminalität und Innere Sicherheit • Das OrgKG 1992 • Geldwäsche, Gewinnabschöpfung und neue Ermittlungsmethoden Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Definition Organisierter Kriminalität • • • • • • • Planmässige Begehung von Straftaten Einzeln oder in Gesamtheit von erheblicher Bedeutung Zwei oder mehr Beteiligte auf längere oder unbestimmte Zeit arbeitsteilig gewerbliche/geschäftsähnliche Strukturen unter Anwendung von Gewalt oder anderer zur Einschüchterung geeigneter Mittel oder unter Einflussnahme auf Politik, Wirtschaft, Verwaltung, Justiz Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Geschichte der Organisierten Kriminalität • 17./18. Jahrhundert Räuber- und Gaunerbanden • 19./20. Jahrhundert Grossstädtische Unterwelten • Berufs- Gewohnheitsverbrecher/Professionelle Kriminalität Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Erklärung der Organisierten Kriminalität • • • • • Grossstadtmilieus Anpassung und Rationalisierung Entwicklung von Schwarzmärkten Reaktion von Minderheiten („ethnische Leiter“) Theorie des „schwachen Staats“ Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Kriminelle Karrieren Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Prävalenz Polizeilicher Registrierung in den Geburtskohorten 1970, 1973, 1975 und 1978 im Alter von 17 Jahren in % Deutsche/Männlich 18 16 14 12 1 2 bis 4 >4 Insgesamt 10 8 6 4 2 0 1970 1973 1975 1978 Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Prävalenz polizeilicher Registrierung in den Geburtskohorten 1970, 1973, 1975 und 1978 im Alter von 17 Jahren in % Ausländisch/männlich 40 35 30 25 1 2 bis 4 >4 Insgesamt 20 15 10 5 0 1970 1973 1975 1978 Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Prävalenz Polizeilicher Registrierung in den Geburtskohorten 1970, 1973, 1975, 1978 im Alter von 17 Jahren in % Aussiedler/männlich 40 35 30 25 1 2 bis 4 >4 Insgesamt 20 15 10 5 0 1970 1973 1975 1978 Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Prävalenz Polizeilichen Tatverdachts (1 Tat) im Vergleich der Geburtskohorten der Deutschen, der Ausländer und der Aussiedler 30 25 20 Deutsche Ausländer Aussiedler 15 10 5 0 1970 1973 1975 1978 Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Prävalenz Polizeilichen Tatverdachts (2-4 Taten) im Vergleich der Geburtskohorten der Deutschen, der Ausländer und der Aussiedler 12 10 8 Deutsche Ausländer Aussiedler 6 4 2 0 1970 1973 1975 1978 Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Prävalenz Polizeilichen Tatverdachts (>4 Taten) im Vergleich der Geburtskohorten der Deutschen, der Ausländer und der Aussiedler 4,5 4 3,5 3 Deutsche Ausländer Aussiedler 2,5 2 1,5 1 0,5 0 1970 1973 1975 1978 Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Prävalenz Polizeilichen Tatverdachts (insgesamt) im Vergleich der Geburtskohorten der Deutschen, der Ausländer und der Aussiedler 40 35 30 25 Deutsche Ausländer Aussiedler 20 15 10 5 0 1970 1973 1975 1978 Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Was wissen wir über „Karrieren“ • Etwa 2-3% der männlichen Angehörigen einer Geburtskohorte entwickeln „Kriminelle Karrieren“ (5 und mehr Registrierungen) • Auf diese Gruppe gehen bis zu zwei Drittel aller polizeilich registrierten Straftaten in dem Geburtsjahrgang zurück • „Karrieristen“ sind bislang prospektiv nicht sicher identifizierbar • Jugendkriminalkarrieren enden in der Regel mit dem Übergang in die Erwachsenenwelt • Veränderungen in den Übergangsmöglichkeiten (Zugang zum Arbeitsmarkt) mögen in der Zukunft Übergänge stärker blockieren Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Entwicklung über verschiedene Geburtskohorten • • • • • • • • Der polizeilich registrierte Anteil von Jugendlichen nimmt zu Die Zunahme findet sich allerdings im wesentlichen bei einmal Auffälligen Die Anteile der „Karrieretäter“ verändern sich nicht Ausländische Jugendliche fallen durch extrem hohe Prävalenzraten auf Der polizeilich registrierte Tatverdacht ist hier keine Ausnahme mehr, sondern die Regel Aussiedlerjugendliche verhalten sich in den ersten Generationen ähnlich den hier geborenen deutschen Jugendlichen Erst mit den Spätzuzügen gleichen sich die Prävalenzraten des Tatverdachts denjenigen der Ausländerjugendlichen an Dies spricht dafür, dass sich das Ausmass an Integrationsproblemen angleicht Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Ethnische Minoritäten und Kriminalität Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Entwicklungen in der Ausländerkriminalität • Immigrantenkriminalität • Migrationskriminalität (kleine grenzüber-schreitende Kriminalität) • Immigrationskriminalität • Transaktionskriminalität (Schwarzmarkt-kriminalität) Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Ausländeranteile an Tatverdächtigen und Wohnbevölkerung 40 35 30 25 20 15 10 5 19 61 19 63 19 65 19 67 19 69 19 71 19 73 19 75 19 77 19 79 19 81 19 83 19 85 19 87 19 89 19 91 19 93 19 95 19 97 19 99 0 Anteil Tatverdächtige Anteil Wohnbevölkerung Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Ausländerstatus und Tatverdacht Asylbewerber Ausbildung Arbeitnehmer Illegal Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht 97 19 96 19 95 19 94 19 19 93 92 19 91 19 90 19 89 19 19 88 87 19 86 19 85 19 19 84 40 35 30 25 20 15 10 5 0 Touristen Immigrantenkriminalität • Erste, zweite, dritte etc. Generationen Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Prävalenz Polizeilichen Tatverdachts (insgesamt) im Vergleich der Geburtskohorten der Deutschen, der Ausländer und der Aussiedler 40 35 30 25 20 15 10 5 0 1970 1973 1975 1978 Max-Planck-Institut für Ausländisches und Deutsche Ausländer Aussiedler Internationales Strafrecht Migrationskriminalität • Einfacher Diebstahl (insb. Ladendiebstahl) • Strassenverkehrsdelikte Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Immigrationskriminalität • Straftaten nach dem Ausländergesetz und Asylverfahrensgesetz • Urkundenfälschung Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Transaktionskriminalität • Drogenmärkte • Prostitution-/Rotlichtmilieus • Immigrationsmärkte (Menschenhandel) • Andere Schwarzmärkte: PKW etc. Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Konzepte der Diskriminierung • Individuelle Diskriminierung • Gruppendiskriminierung Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Ausländeranteile im Strafvollzug 14-17Max-Planck-Institut Jahre 18-20 J. 24 J. 25-30 J. für Ausländisches und Internationales Strafrecht 95 19 93 19 91 19 89 19 87 19 85 19 83 19 81 19 79 19 77 19 75 19 73 19 19 71 50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 Abschiebehaft: Zugänge und Bestand 31.12. 3000 35000 2500 30000 25000 2000 20000 1500 15000 1000 10000 500 5000 Bestand 31.12. Zugänge Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht 19 97 19 95 19 93 19 91 19 89 19 87 19 85 19 83 19 81 0 19 79 19 77 0 Raum und Kriminalität Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Räumliche Verteilungen • Grossstädte vs. Land • Grossstädte (< 500.000) = ca. 18% der Einwohner, aber etwa 35% der registrierten Kriminalität • Kleinstädte (40% der Einwohner, aber 20% der Kriminalität) • Industriestaaten vs Entwicklungsländer • Stadtteile (hot spots) • Unterschiede zwischen Grossstädten (beispw. München vs. Hamburg) • Hamburg: 16.168/100.000 • München: 9.263/100.000 Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Erklärung der Unterschiede und Reaktionen • Chicago-Schule der Kriminologie • Soziale Desorganisation • Häufiger Wechsel der Personen/Haushalte • Zusammenbruch informeller Sozialkontrolle • Zero-Tolerance Policing • „Wehret den Anfängen“ • broken windows Prozess Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Was wird durch Polizeiliche Kriminalstatistiken gemessen? • Anzeigebereitschaft (Opfer ist „gate keeper“) • Determinanten » Deliktsschwere, ethnische Zugehörigkeit, Illegalität (beisp. Illegale Immigranten, Drogenmärkte) » Direkt beeinflussbar durch gesetzliche, vertragliche Verpflichtungen (Geldwäsche, Versicherungen) • Kontrollintensität im Falle opferloser Delikte • „proaktive“ Polizei (V-Leute, under cover policing, TÜ etc.) • abhängig von Investitionen in Polizei und Verfahrensrecht Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht „Selbstjustiz“ • Selbständige Erledigung von Kriminalität beispw. durch • • • • Betriebsjustiz Öffentliche Verkehrsbetriebe (Erhöhter Fahrpreis) Familie Nachbarschaft Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Konsequenzen • Dunkelfeld der Kriminalität • Gesetz der konstanten Verhältnisse? • Alternative Messinstrumente • Selbstberichtsbefragungen • Opferbefragungen Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht SRD Fragen • Die meisten Menschen tun in ihrem Leben manchmal Dinge, die verboten sind, z.B. ohne Fahrkarte im Bus fahren oder etwas stehlen. Wir möchten gerne von Dir wissen, ob Du auch schon einmal etwas Verbotenes getan hast. • Ich habe schon einmal • einen ganzen Tag oder mehrere Tage die Schule geschwänzt • in einem Geschäft etwas gestohlen • jemanden so geschlagen, dass er/sie verletzt war oder blutete Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Freiburger SRD Studie • Www.iuscrim.mpg.de • forschung/online publications and resources • Oberwittler u.a.: Soziale Lebenslagen und Delinquenz von Jugendlichen Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Befunde aus Selbstberichtsforschungen • Kriminalität ist (bei Kindern und Jugendlichen) weit verbreitet (Ubiquitätsthese; Normalitätsthese) • Die weite Verbreitung von Kriminalitätsbegehung ist beschränkt auf triviale Delikte. Nahezu alle Jugendliche begehen irgendwann einmal eine Straftat. Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Befunde • Schwere Kriminalitätsbegehung sowie wiederholte und mehrfache Deliktsbegehung sind selten. • Unterschiede zwischen den Geschlechtern bleiben bestehen, wenn schwere Straftaten und wiederholte Deliktsbegehung einbezogen werden (und auf triviale Delikte verzichtet wird). Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Befunde • Das Dunkelfeld ist offensichtlich bei leichten Delikten stärker ausgeprägt als bei schweren Delikten. • Die Ergebnisse aus Täterbefragungen lassen sich im Bereich von schwerer Kriminalität mit denen der Kriminalstatistik zur Deckung bringen. Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Befunde • Eine strikte Trennung zwischen Tätern und Nichttätern kann nicht durchgeführt werden Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Opferbefragungen • Fragestellungen • Selbst erlittene Kriminalität • Einstellungen • insb. aber Kriminalitätsfurcht Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Opferbefragungen • Vorteile • weniger sensible Fragen für die Befragten » Ausnahme: Betrug, sexuelle Gewalt • Nachteile • nur Deliktsbereiche mit individuellen Opfern Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Normalität der Kriminalität • • • • • Kriminalität und ökonomische/kulturelle Leistung (Rechtswissenschaft, Arbeitsplätze, Versicherungen, Literatur) Kriminalität als Schrittmacher für sozialen Wandel (beispielsweise sexuelle Emanzipation, Gewerkschaften/Arbeiterbewegung); Kriminalität macht Normen erst sichtbar (aus der Abweichung ergibt sich erst der Inhalt und die Autorität der Norm); Kriminalität als Voraussetzung für Integration einer Gesellschaft (die konformen Gesellschaftsmitglieder solidarisieren sich gegen den Abweichler); der Verbrecher ist notwendig als Projektionsobjekt für Triebwünsche und dafür, daß dauerhafter Triebverzicht (und damit die Kanalisation der Antriebskräfte in kulturelle Leistungen) ermöglicht wird. Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Kriminalitätstheorien • Soziologische Theorien • Psychologische Theorien • Ökonomische Theorien • Biologische Theorien Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Soziologische Kriminalitätstheorien Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Anomietheorie der Kriminalität • Durkheim • Merton Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Mertons Anomietheorie • Gesellschaften zerfallen in eine kulturelle und in eine soziale Struktur • die kulturelle Struktur gibt an, welche Ziele in einer Gesellschaft erreicht werden sollten und wie dies geschehen sollte (Normen und Werte) • die soziale Struktur entscheidet über die Möglichkeiten, die Ziele tatsächlich zu erreichen: objektive Bedingungen des Handelns Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Anomietheorie • Sind kulturelle und soziale Strukturen nicht integriert, dann entsteht • für den einzelnen Menschen eine anomische Situation oder Stress Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Reaktion auf Anomie • Innovation: Die kulturellen Ziele werden beibehalten, die normativ zugelassenen Wege werden ersetzt durch illegale oder illegitime Mittel (Abweichung, Kriminalität). • Ritualismus: Die Werte und Ziele werden aufgegeben, die zugelassenen institutionalisierten Mittel werden zum Eigenwert. • Rückzug aus der Gesellschaft. Sowohl Werte und Ziele als auch die Mittel werden abgelehnt. Die Anpassung besteht darin, sich aus der Gesellschaft auszugrenzen. • Rebellion: Sowohl Werte als auch Normen werden abgelehnt, gleichzeitig wird versucht, die abgelehnten Werte und Normen durch ein neues (gerechteres) System von Werten und Normen zu ersetzen. Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Cloward/Ohlin: Anomie und Zugangschancen • • • • Erweiterung der Anomietheorie kriminellen Verhaltens durch Cloward/Ohlin Ergänzt wird die Anomietheorie um die Zugangschancen zu illegitimen Mitteln Bei Merton enthält die Sozialstruktur implizit eine Annahme zur Verteilung der Zugangschancen zu legitimen Mitteln, – der Unterschicht diese legitimen Mittel weitgehend verbaut sind. Cloward/Ohlin stellen die Frage nach der Verteilung der illegitimen Möglichkeiten. Rückgriff auf Theorie der differentiellen Assoziation. Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Theorie der differentiellen Assoziation • Theorie der differentiellen Assoziation: • kriminelles Verhalten wird gelernt, wie jedes andere Verhalten auch. • Die hiermit verbundenen Annahmen betreffen: – Kriminelles Verhalten wird in intimen Bezugsgruppen gelernt. – Das, was gelernt wird, besteht nicht nur darin, wie man Diebstähle oder andere kriminelle Verhaltensweisen begeht, sondern auch in bestimmten Wertemustern, Einstellungen (die für bestimmte professionelle Kriminalitätsbegehung bezeichnend sind). – Der Zugang zu derartigen Gruppen ist unterschiedlich verteilt. – Insoweit hängt die Begehung von Kriminalität davon ab, ob und inwieweit man zu bestimmten Gruppen und damit Lernmöglichkeiten Zugang bekommt. Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Theorieintegration • Integration der Theorie der differentiellen Assoziation und der Anomietheorie • Typisierung verschiedener subkultureller Anpassungsmuster: • Die kriminelle Subkultur (die entsprechende Lernund Kontaktmöglichkeiten voraussetzt). • Die Konfliktsubkultur (Banden). • Die Rückzugssubkultur (Scheitern in jeder Hinsicht, d. h. sowohl im legalen als auch im illegalen Bereich). Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht • Hauptgesichtspunkt der Anomietheorien • Strukturell erzeugter „Stress“ führt zu Kriminalität (oder anderen abweichenden „stresslösenden“ Verhaltensweisen) • Politische Reaktion: Herstellung von Chancengleichheit, Beseitigung von Armut (Politik der sechziger und siebziger Jahre; war on poverty) Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Subkulturtheorien Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Cohens Kultur der Gang • Kulturtheorie männlicher Bandenkriminalität • Ausgangspunkt: Mertons Analyse von kultureller und sozialer Struktur – männliche Jugendliche der Ghettos können bereits in der Schule die von der Mittelschichtsgesellschaft gesetzten Erwartungen nicht oder nur schwer erfüllen. – Hieraus folgt individuelle Frustration. – Zur Lösung der Frustration werden im Wege einer kollektiven Reaktionsbildung die Mittelschichtsnormen und -werte entwertet und durch eine andere Wertekultur ersetzt. – Dies ist die Wertekultur der Bande. Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Millers Kulturkonflikttheorie • Die Subkultur der Bande das Produkt eines größeren subkulturellen Kontextes. • Miller versteht die Jugendbande als Teil einer traditionsreichen Subkultur (der Unterschicht, der Arbeiterklasse). • Die Verhaltensweisen, die als deviant oder kriminell bezeichnet werden können, entstehen dabei aber nicht wie bei Merton oder Cohen aus der Frustration oder der Anomie, sondern aus der allgemeinen Motivation, mit subkulturellen Werten und Normen konform zu bleiben. Die Kriminalität der Bande ist deshalb ein Nebenprodukt subkultureller Normen, die mit denen der dominanten Kultur im Widerspruch stehen. • Abweichung und Kriminalität sind damit kein Produkt einer zielgerichteten Reaktion auf Mittelschichtsnormen, sondern der Versuch, nach den in der Subkultur geltenden Normen zu leben. Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Subkulturelle Werte • Schwierigkeiten mit dem Gesetz haben, • Härte und Männlichkeit (gegenüber Weichheit und Feigheit), • Gerissenheit (gegenüber Beschränktheit, Gelderwerb durch harte Arbeit), • Risiko und Aufregung, Autonomie (gegenüber Unterordnung und Autorität). Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Labeling Approach • • • • • • Anomietheorien verweisen auf sozial bedingten Stress auf den einzelnen, der somit zu Abweichung und kriminellem Verhalten getrieben wird und keine eigenständigen Beiträge leistet. Im Labeling Approach (oder Etikettierungsansatz) wird die einzelne Person ebenfalls in den Mittelpunkt gerückt. Hiermit wird dann auf Interaktionen (zwischen Personen oder zwische Personen und Institutionen) verwiesen. Der labeling approach ist mit den Arbeiten von Becker verbunden (wie wird man Jazzmusiker; wie wird man Haschischraucher). Der labling approach wurde in den 60er Jahren auch in Deutschland bzw. in Westeuropa rezipiert. Der labeling approach ist methodisch mit qualitativen Verfahren verbunden. Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Labeling Approach • Ausgangspunkt: • die Normsetzung schafft die Voraussetzung für die Möglichkeit des von ihnen abweichenden Verhaltens geschaffen. • Soziale Normen "verursachen" deshalb Abweichung bzw. Kriminalität. Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Labeling approach • Die Bewerung einer Handlung als konform oder abweichend erfordert: • Ein Bewertungsschema (Norm) • Ein Bewertungsvorgang: d. h. ein Interaktionsprozeß, in dessen Verlauf Menschen anderen Menschen die Eigenschaft abweichend bzw. kriminell zuschreiben. Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Zuschreibungsprozess • 1. Schritt: Verhalten (oder Abweichung) • 2. Schritt: Interaktionsprozesse, Handelt es sich um eine Abweichung; ist die betreffende Person ein Dieb? • 3. Schritt: Zuschreibung in Form von – Selbstzuschreibung, Identitätsveränderung – Fremdzuschreibung, Rekonstruktion der Geschichte des Individuums – erleichtert durch Aktenführung (Jugendämter, Strafakten) Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Konsequenzen des labeling approach • Unterscheidung zwischen – Primärabweichung – Sekundärabweichung • Besondere Bedeutung für kriminelle Karriere • Besondere Bedeutung für Kriminalpolitik – – – – Verhinderung von Sekundärkriminalität Diversion Non-Intervention Reduzierung von Stigma, beispw. Bundeszentralregistergesetz Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Stress oder Kontrolle? • Kriminalitätstheorien als Erklärung – pathologischer Erscheinungen, die im Verlaufe von Vergesellschaftungs- oder Sozialisationsprozessen auftreten. • Erklärung der Fehl- oder Nichtanpassung eines Menschen, – verursacht durch sozialstrukturelle Pathologien, familiäre Ausnahmesituationen oder persönlichkeitsspezifische Defizite • "Streßtheorien" fassen solche Ansätze zusammen, die – von einem allgemein gesellschaftlichen Norm- und Wertekonsensus ausgehen und – die abweichende oder kriminelle Handlungen durch blockierte Zugänge und dadurch ausgelösten Streß verursacht ansehen – Das Schwergewicht in der Erklärung der Entstehung von Konformität liegt auf der Erziehung und dem Prozeß der Norminternalisierung. Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Ausgangsfrage • Hobbes: Der Mensch ist des Menschen Wolf • Problem: Wie kann der Einzelne geschützt werden? • Schutz (innere Sicherheit) bietet allein der Staat (durch äusseren Zwang) • Kriminalität wird verhindert durch äusseren Zwang Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Änderung der Ausgangsfrage • Warum verhalten sich Menschen abweichend? • Warum verhalten sich Menschen konform? Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Antwort der sozialstrukturellen Gesellschaftstheorie • Menschen verhalten sich konform, weil • es ein konsentiertes Werte- und Normensystem gibt, • das im Laufe der Sozialisation jeder Mensch, der „normal“ erzogen wird, „internalisiert“, • insoweit kommen Erwartungen der Gesellschaft (Normen) und Interessen des Einzelnen zur Deckung. • Konformität ist deshalb die Regel (und nicht erklärungsbedürftig), Abweichung ist die Ausnahme (und deshalb erklärungsbedürftig) Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Probleme • Werte- und Normkonsens ist zweifelhaft – Vietnamkrieg, Studentenunruhen, Rassenunruhen der sechziger Jahre • Was ist Norminternalisierung? • Freudsches Konzept des Überichs und des Gewissens als Übernahme von Fremderwartungen (gesellschaftliche Normen) • Konsequenz: schlechtes Gewissen, aber keine Verhinderung des Normbruchs Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Neues Interesse an Kontrolltheorien • Kontrolltheorie der Kriminalität (Hirschi) • Erklärungsbedürftig ist, warum sich der Einzelnen an die Regeln hält Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Variable • Attachment: emotionale Bindung an relevante andere (Eltern, peers) • Commitment: rationale Bindung über instrumentelle Interessen (beispielsweise erworbener Status, der nicht aufs Spiel gesetzt werden soll, Karrierechancen, die man sich nicht verderben will) • Belief: Bindung aufgrund gemeinsamer geteilter Werte und Normvorstellungen; Glaube an die Legitimität der Ordnung und der Normen • Involvement: Bindung auf der Basis der faktischen Teilnahme an den Institutionen der Gesellschaft (beispielsweise durch Arbeit oder Ausbildung). Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Psychologische Kriminalitätstheorien • Theorie der Psychodynamik (Freud) • Persönlichkeit gliedert sich in Es, Ich und Über-Ich – Es: Triebe – Ich: Person oder Persönlichkeit – Über-Ich: Gewissen • Entwicklung der Psyche – Ausbildung des Ich (und damit der Abgrenzung zu anderen Personen) – Ausbildung des Über-Ichs (gesellschaftliche Normen und Erwartungen) Die Entwicklung von – Ich und Über-Ich: Identifikationsprozesse (mit Mutter und Vater) Zu Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Psychodynamik und Abweichung • abweichendes Verhalten entsteht als Folge von Fehlentwicklungen in der Persönlichkeit – neurotische Fehlentwicklungen: ein zu starkes ("tyrannisches") Über-Ich (bedingt durch zu starke Identifikations- und Unterwerfungsprozesse in der frühen Erziehung) läßt eine adäquate Verarbeitung der Triebe nicht zu. Triebimpulse werden verdrängt und aufgestaut. Verbrechen und Abweichungen werden dann zu Symptomen (Beispiel: der Verbrecher aus Schuldgefühl). – Psychopathische Entwicklungen (als Folge gestörter (fehlender) Identifikation) führen zu Über-Ich-Defiziten, die eine angemessene Kontrolle der Triebe und eine interne Steuerung des Menschen auf der Basis der Repräsentanz gesellschaftlicher Erwartungen im Über-Ich nicht gewährleisten. Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Lerntheorien • Kriminelles Verhalten wird erlernt wie jedes andere Verhalten • Lernmechanismus der operanten Konditionierung (Bekräftigungslernen) – Problemverhalten wird aufgrund verstärkender Verhaltenskonsequenzen erworben und verfestigt wird. • Hypothese: Eine Person wird dann antisoziales Verhalten (kriminelles Verhalten) zeigen, wenn sie in der Vergangenheit dafür bekräftigt/belohnt worden ist und wenn aversive Konsequenzen das Verhalten nicht unterdrückt haben. Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Lerntheorien • Erklärung erstmaligen Verhaltens/Erklärung seltenen Verhaltens – hier kann die Bekräftigung bzw. Verstärkung keine Rolle spielen • Lerntheorie stellt heute auf eine Dreiteilung ab: – Erwerb von Verhalten, – Auslösung von Verhalten – Stabilisierung von Verhalten. • Der Erwerb von Verhalten erfolgt durch Beobachtungslernen. Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Beobachtungslernen • Massenmedien und Gewalt Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Auslösung von Verhalten • Wahrnehmung von Gelegenheiten • Befehl und Gehorsam Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Das Milgram Experiment • • • • • Aufruf zur Teilnahme an einem Experiment über „Lernen, Gedächtnis und Strafe“; 4,50 US$ für Teilnahme Rollen: Lernender, Lehrer und Wissenschaftler, der das Experiment überwacht Der Lernende wird in einem Stuhl festgeschnallt und an Elektroden angeschlossen Vorgetäuscht wird zur Zuordnung der Rollen von Lernendem und Lehrer eine Zufallsauswahl. Der Lernende wird allerdings immer von einem Schauspieler gespielt. Das Experiment besteht aus: – Vorlesen von Begriffspaaren, die vom Lernenden wiederholt werden müssen – Bei Fehlern muss der Lehrer Stromstöße versetzen – Stromstöße reichen von 15 Volt bis 450 Volt (Lebensgefahr) Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Das Milgram Experiment Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Durchführung • • • • • • 30 Schalter von 15 - 450 Volt, markiert mit Hinweisen wie 15 Volt = leichter Schock, 75 Volt = schmerzhaft bis 450 Volt = Lebensgefahr Vor Beginn des Versuchs wurden die Versuchspersonen von einem anwesenden Versuchsleiter, der als legitimierte Autoritätsfigur auftrat, nochmals massiv darauf hingewiesen, wie wichtig die strikte Einhaltung der Regeln sei Der angebliche Schüler äußerte vor Beginn des Versuchs beiläufig, er habe ein leichtes Herzleiden, wolle aber dennoch am Versuch teilnehmen das Opfer begann bei 75 Volt zu stöhnen, woraufhin viele Versuchspersonen den Versuchsleiter vorsichtig baten, das Experiment zu unterbrechen, was dieser jedoch mit barscher Kritik und Appellen an die Männlichkeit seiner Versuchspersonen ablehnte Bei 180 Volt bat dann der "Schüler" eindringlich, das Experiment abzubrechen, da er die Schmerzen nicht mehr ertrage Bei 300 Volt brüllte er um Hilfe, danach schwieg er Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Ergebnisse • The theory that only the most severe monsters on the sadistic fringe of society would submit to such cruelty is disclaimed • two-thirds of this studies participants fall into the category of ‘obedient' subjects, they represent ordinary people drawn from the working, managerial, and professional classes (Obedience to Authority) • Ultimately 65% of all of the "teachers" punished the "learners" to the maximum 450 volts • No subject stopped before reaching 300 volts Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Ökonomische Kriminalitätstheorien • Makro-ökonomische Ansätze • Arbeitslosigkeit und Kriminalität • Krisen und Kriminalität • Preisentwicklung und Kriminalität • Rational Choice • Handlung als Ergebnis von Nützlichkeitsabwägungen Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Ökonomische Kriminalitätstheorien • Wann treten Nützlichkeitskalkulationen auf? • Einschränkungen der rational choice Erklärung • Normen, normative Orientierung • Routinen, routine activity approach Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Biologische Kriminalitätstheorien • Annahme: Kriminalität ist vererblich • Adoptions- und Zwillingsstudien • Gen-Forschung Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Soziale Kontrolle • Gesellschaftliche Institutionen/Systeme zur Erzeugung und Erhaltung von Verhaltenskonformität • Strafrechtliche Sozialkontrolle • Allgemeine Sozialkontrolle Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Soziale Kontrolle und Prävention • Primärprävention • Prävention unerwünschten Verhaltens durch Erziehung etc. • Sekundärprävention • Prävention durch Strafgesetze (Androhung von Strafe) • Tertiärprävention • Prävention durch Rückfallverhütung Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Normgenese • Strafrechtsnormen als konsensualer Kern des Normensystems • Strafrechtsnormen als Ausdruck • Gruppeninteressen • Institutionellen Interessen • Probleme der Normgeneseforschung • Seltenheit des Normsetzungsereignisses • Komplexität von Normsetzungsprozessen • Probleme des Datenzugangs • Verknüpfung mit Normimplementation Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Bedingungen und Funktionen • Kriminalisierung und Entkriminalisierung • Überkriminalisierung • Überkriminalisierung und präventive Wirkungen des Strafrechts • Fragmentarischer Charakter des Strafrechts • Straftat und Strafe als Ausnahmeerscheinungen Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Institutionen Strafrechtlicher Verhaltenskontrolle • Polizei • Staatsanwaltschaft • Gerichte • Soziale Dienste in der Justiz • Vollstreckungseinrichtungen, insbesondere Strafvollzug Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Polizei • Rechtsgrundlagen polizeilichen Handelns • Polizeigesetze der Länder » Gefahrenabwehr und Aufrechterhaltung von Ordnung » Ermessen • Strafprozessordnung » Polizisten als „Hilfsbeamte“ der Staatsanwaltschaft » Ermittlungen bei Verdacht strafbarer Handlungen » Legalitätsprinzip Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Grafik: Anzahl öffentlicher und privater Polizei pro 100.000 der Wohnbevölkerung in den Ländern der EU 600 488 500 440 400 362 394 344 300 200 75 100 109 318 275 379 375 320 236 233 193 477 304 276 256 201 132 217 143 121 310 152 184 135 76 69 19 Öffentliche Polizei/100.000 lie Lu n xe m bu Ni rg ed er la nd e Po rtu ga l Sp an S c ie n h EU wed en In sg es am t Ita an d Irl Ö st er re ic h B En el gi gl en an d/ W al es D än em ar k Fi nn la nd Fr an kr ei D ch eu ts ch G al rie nd ch en la nd 0 Private Polizei/100.000 Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht 160 Tatverdacht • Entstehung des Tatverdachts • Zunächst weitgehend Anzeigeerstatter, reaktive Orientierung der Polizei • Alltagstheorien und Kontrolle • proaktive Methoden der Ermittlung • verdachtsunabhängige Kontrollen (Schleierfahndung) im Grenzraum Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Polizeiforschung • Untersuchungen über die Polizei • Wie entsteht Tatverdacht • Polizeiliche Ermittlungseffizienz • Verhältnis Polizei und Gesellschaft/Minderheiten • Übernahme von ethnischen Minderheiten in der Polizei • Untersuchungen für die Polizei • Kriminalistik Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Ermittlungseffizienz Grafik: Ermittlungseffizienz der Polizei in Abhängigkeit von einem zu Beginn der Ermittlungen identifizierten Tatverdächtigen (Einbruchsdiebstahl; Dölling 1999, S.52) 120 100 97 72 80 60 60 40 30 22 20 20 0 Aufklärung Anklage Tatverdächtiger bekannt Verurteilung Tatverdächtiger unbekannt Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Polizeiliche Kontrollstrategien • Community Policing • Zero tolerance Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Zero Tolerance und Beschwerden Graph: Index crimes and Complaints for Abuse of Police Authority in New York 1993-1998 700000 3000 600000 2500 500000 2000 400000 1500 300000 1000 200000 500 100000 0 0 1993 1994 1995 Index Crimes 1996 1997 1998 Complaints Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Traditionelle Funktionen der Staatsanwaltschaft • • • Repräsentiert die rechtliche Dimension des Ermittlungsverfahrens » Ausgleich zwischen Effizienz und Rechtsstaat » Kontrolle und Anleitung der Polizei Neutralität im Ermittlungsverfahren Gate-Keeper für Gericht und Kriminalstrafe; Anklagemonopol – Ausnahmen: » England: Polizei nimmt Funktionen der StA wahr; eine StA besteht erst seit 1986 » Dänemark: Polizei übernimmt Anklagefunktion in bestimmten Deliktsbereichen Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Funktionswandel? • Politische Funktionen (Wahlposition)? • Von Anklage- zur Einstellungsbehörde? • Vom Ermittler zum Entscheider? Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Legalitäts- und Opportunitätsprinzip in Europa • Zwei Modelle • Opportunität: Holland, England, Frankreich, Belgien, • Legalität: Italien, Deutschland, Österreich • Aber: Zunehmende Konvergenz • Konvergenz hin zu Opportunität Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Staatsanwaltschaft und Polizei • Ausgangsmodell • StA ist „Herrin“ des Ermittlungsverfahrens » Ausnahme: Untersuchungsrichter (Frankreich, Spanien) » Ausnahme: Polizei ist in den Ermittlungen unabhängig (England) • De Facto: » Polizei ermittelt unabhängig » StA trifft Entscheidungen (Nichtverfolgung, Anklage) » StA wird zum „Richter vor dem Richter“ Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht StA und Polizei Zunehmende Unabhängigkeit • De Facto Unabhängigkeit der Polizei • Unabhängige Ermittlungen in praktischer Hinsicht • Unabhängigkeit in der Entwicklung und Praxis proaktiver Ermittlungsmethoden (V-Leute, technische Ermittlungsmassnahmen) • Unabhängige Informationserhebung und Datenverarbeitung • Struktur- und Vorermittlungen • Rechtliche Unabhängigkeit • Präventiv-Polizeiliche Bereiche und „Vor“-Ermittlungen • Europäische und internationale Zusammenarbeit • Verhängung von „Transaktions“-Geldstrafen (Holland, Dänemark) Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Konfliktbereiche im Verhältnis StA und Polizei • Unabhängigkeit der Polizei • Kriminalitätsbekämpfung und Effizienz vs Rechtsstaatsorientierung • Informationsverarbeitung und Zugriff auf Informationen Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Trends in der Einstellungspolitik • Trend zur Einführung von Einstellung unter Auflagen • Aber: unbedingte Einstellungen überwiegen überall bei weitem • Der Polizei werden teilweise Einstellungsbefugnisse mit der Möglichkeit von Transaktionsgeldstrafen übertragen Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Entwicklungen bei vereinfachten Verfahren • Verstärkte Einführung und Nutzung vereinfachter und beschleunigter Verfahren • Verschiebung der de facto Strafzumessung auf die Staatsanwaltschaft Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Erklärungen für die veränderte Rolle der StA • Starke Zunahme der Straftaten und des Fallaufkommens in den sechziger und siebziger Jahren • Komplexe und zeitaufwendige Verfahren der Wirtschaftskriminalität • Tendenz zum Präventions- und Risikostrafrecht Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Verlagerung des Schwerpunkts auf das (Vor-) Ermittlungsverfahren • • • • • Schwerpunkt liegt heute im Ermittlungsverfahren, insbesondere auch mit Informationsaustauschmustern (Ausländerbehörden, Steuerfahndung), gemischten Ermittlungsgruppen Zunehmende Bedeutung der Eilanordnungen im Strafverfahren Zunehmende Bedeutung von vorläufigen Massnahmen mit erheblichem punitiven Charakter (Beispiel: Einfrieren von Konten, vorläufiger Zugriff auf Vermögenswerte) Wechsel von ante facto Kontrolle durch das Gericht hin zu post facto Kontrollen Richterliche Kontrolle verliert im Zusammenhang mit neuen Ermittlungsmassnahmen an Bedeutung Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Erledigungen in Deutschland 1997 28,1 30 27,5 24,5 25 20 15 11,3 8,6 10 5 0 lage k n A st. ng ehl n f u i l e l E b e f e st Stra ingt Ein d e e t ing Unb Bed Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht And eres Struktur der Auflagen in Deutschland 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 95,7 Geldauflage Gemeinnützige Leistungen Wiedergutmachung Unterhalt 1,5 2,4 0,4 Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Trends in der Praxis in Deutschland (%) 25 20 15 10 5 0 81 9 1 83 9 1 85 9 1 87 9 1 Anklage 89 9 1 Strafbefehl 91 9 1 93 9 1 §153 Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht 95 9 1 §153a 97 9 1 Ungleichmässigkeit 18 16 16 14 12 10 11 9 9 8 12 11 11 10 9 7 8 6 4 12 5 8 8 5 2 0 % §153a Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Baden-Wuerttemberg Bayern Berlin Brandenburg Bremen Hamburg Hessen M.-Vorpommern Niedersachsen Nordrhein-W. Rheinland P Saarland Sachsen Sachsen-A. Schleswig-H. Ungleichmässigkeit • Ungleichmässigkeit innerhalb Deliksgruppen • beispw. Drogendelikte • beispw. Diebstahl • Ungleichmässigkeit zwischen Delikten • beispw. Eigentums- vs. Wirtschaftsdelikte • Fragen: • Soll Gleichmässigkeit hergestellt werden? • Wie kann Gleichmässigkeit hergestellt werden? Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Kontrolle des Einstellungsermessens • Einführung von allgemeinen Richtlinien (Einstellungsrichtlinien, vergleichbar sentencing guidelines (USA), in Kraft in Holland) • Kontrolle durch das Opfer • beispw. “Klageerzwingungsverfahren“ • beispw. zwingende Wiedergutmachung in Frankreich • Interne Kontrollen • Transparenz: Begründung Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Gewaltenteilung • Dominanz des exekutiven Rechts • Flexibilität und Informalität • Marginalisierung der Gerichte • Das Gericht beschränkt sich im wesentlichen auf die Freiheitsstrafe • Konventionelle Straftaten und die Straftaten der konventionellen Gesellschaft fallen in die Erledigungskompetenz der StA Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Trends in der Budgetierung • Trend zur Einführung von Globalbudgets • Konsequenzen: • StAs werden stärker durch ökonomische Kriterien bestimmt • Einführung von Management-Techniken Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Gerichte und Richter • Sanktionsmuster • Strafzumessungsentscheidungen Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Sanktionsmuster • Sanktionsmuster sind geprägt durch die normativen Rahmenbedingungen • §47 Geldstrafe hat Priorität über die kurze Freiheitsstrafe • §56 Bewährung bei Freiheitsstrafen bis zu 2 Jahren Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Sanktionsmuster Grafik: Verteilung der Strafen 1998 in % 90 81,4 80 70 60 50 40 30 20 10 12,6 6 1,4 0 Freiheitsstrafe o.Bew. > 2 Jahre Freiheitsstrafe ohne Bew. Freiheisstrafe mit Bew. Geldstrafe Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Lebenslange Freiheitsstrafe Verurteilungen wegen Mordes und Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe 300 250 200 150 100 50 19 94 19 86 19 90 19 74 19 78 19 82 19 66 19 70 19 58 19 62 19 50 19 54 0 Verurteilungen wg. Mord Verurteilungen zu lebenslanger Freiheitsstrafe Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Wandel in der Strafe Graph: Proportions of Long Prison Sentences for Drug Offenders 1968-1998 35 30 25 20 15 10 5 2-5 Years 10-15 Years 5-10 Years Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht 19 96 19 94 19 92 19 88 19 90 19 86 19 84 19 82 19 80 19 76 19 78 19 74 19 72 19 70 19 68 0 Stabilität in Strafen Grafik: Länge verhängter Freiheitsstrafen bei Einbruchsdiebstahl (in% aller Verurteilungen) bis 6 Monate 6-12 Monate 1-2 Jahre Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht 19 96 19 94 19 92 19 90 19 88 19 86 19 84 19 82 19 80 19 78 19 76 40 35 30 25 20 15 10 5 0 > 2 Jahre Strafzumessungsforschung • Befunde • Strafe bleibt im unteren Drittel des Strafrahmens • Strafe ist orientiert an „glatten Zahlen“ • Strafzumessung orientiert sich nicht an dem komplexen Programm des §46 StGB, sondern an wenigen Faktoren » Schwere » Vorstrafen • Strafzumessung entwickelt lokale Traditionen und damit auch regionale Differenzen Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Gesamtstrafenbildung Grafik: Durchschnittliche Reduzierung der Gesamtstrafe und Einzelstrafensummen 600 400 300 200 100 M . 22 8 M . 20 4 M . 18 0 M . 15 6 M . 13 2 M . 10 8 M . 84 M . 60 M . 36 M . 0 12 m Reduzierung 500 Einzelstrafensumme Raub Vergewaltigung Einbruch Exponentiell (Einbruch) Exponentiell (Raub) Exponentiell (Vergewaltigung) Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Vollstreckung • Geldstrafe • Ersatzfreiheitsstrafe und gemeinnützige Arbeit • Bewährung • Bewährungshilfe • Freiheitsstrafe • Gefängnissystem Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Die Ökonomie des Strafrechts • Ökonomische Rahmenbedingungen • Prinzip der Selektion • Kosten sowie Kosten-Nutzen-Analysen • Was kostet das Strafrecht? Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Personal pro 100.000 der Bevölkerung Richter Österreich Dänemark Frankreich Deutschland Niederlande Schweden UK 19,8 6,5 11 25,4 10 19,2 14,9 StaatsanwaltscPolizei 2,6 10 2,2 7,5 3 7,9 4,1 Gefängnis 420 265 403 302 254 309 376 Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht 45 80 43 43 95 94 82 Insgesamt 566 424 493 532 408 477 521 Kosten pro Einwohner in Euro Kosten in Euro/Einwohner Justiz StA Österreich 57 Dänemark 30 Frankreich 23 Deutschland 64 Niederlande 23 Schweden 33 Polizei 4 5 6 19 11 8 Gefängnis 203 117 132 137 151 119 Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht 26 32 19 25 54 43 Insgesamt 290 184 180 245 239 203 Wandel strafrechtlicher Sozialkontrolle • Von Todes- und Leibesstrafen zur Freiheitsstrafe • abgeschlossen Ende des 19. Jahrhunderts • Von Freiheitsstrafe zu Kontroll- und Geldstrafen • abgeschlossen Mitte des 20. Jahrhunderts • Erklärungen • Elias: Zivilisierung von Gesellschaft und Macht • Foucault: Perfektionierung der Kontrolle Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Postmodernes Strafen? • Die Rückkehr von Stigmatisierung und Gefängnis • Common Sense anstelle überprüfbarer Wirkungen • Der Wechsel der Adressaten: Vom Individuum zur Öffentlichkeit • Vertrauen auf Symbole und sichtbare Zeichen des Strafens und Bestraftwerdens Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Die Folgen Strafrechtlicher Sozialkontrolle • Generalprävention • positive Generalprävention • negative Generalprävention • Spezialprävention • positiv • negativ • Sicherung Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Negative Generalprävention • Abschreckungs- oder „deterrence“ Forschung • Theoretische Grundlagen: Lerntheorien, ökonomische Theorien • Variable der Abschreckung • Bestrafungsrisiko • Bestrafungsschwere • Schnelligkeit der Bestrafung Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Methodenfragen • Methodische Ansätze • Vergleich verschiedener Regionen (mit unterschiedlichen Sanktionen; insb. Forschungen zur Todesstrafe) • Vergleich Vorher/Nachher bei Änderungen des strafrechtlichen Sanktionensystems (Beispiel: deutsche Strafrechtsreform 1969; Reduzierung der kurzen Freiheitsstrafe) • Befragungen Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Abschreckungsforschungen durch Befragungen • Kombination Dunkelfeldbefragung und Schwereeinschätzung und Risikoeinschätzung • Problem: Kausalität bei Querschnittuntersuchungen • Kombination: Perzeption von Risiko und Schwere sowie Handlungsintentionen • Problem: Sind Handlungsintentionen realistisch? Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Befunde der Abschreckungsforschung • Im Vergleich Entdeckungsrisiko und Bestrafungsschwere spielt das Entdeckungsrisiko die entscheidende Rolle • Die Bestrafungsschwere wirkt sich erst bei einem bedeutsamen Entdeckungsrisiko aus • Dies heisst, dass Abschreckungsstrategien im Kern auf die Erhöhung des Entdeckungsrisikos setzen müssen • Allerdings lässt sich das Entdeckungsrisiko in der Praxis nur sehr schwer manipulieren • Werden ausserstrafrechtliche Abschreckungsfaktoren einbezogen, dann werden Entdeckungsrisiko und Schwere marginal Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Positive Generalprävention • Normbruch erzeugt Enttäuschung • Auf Enttäuschung kann reagiert werden durch • Aufgabe der normativen Erwartungen • Demonstration der Beibehaltung der Erwartungen • Die Beibehaltung der Erwartungen wird demonstriert dadurch, dass dem Verantwortlichen Kosten auferlegt werden (Sanktion) • Kernpunkt: Akzeptanz und Legitimität der strafrechtlichen Normen (Beibehaltung der Erwartungen) Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Spezialprävention • Negativ: individuelle Abschreckung • durch Bestrafung werden zusätzliche Hemmschwellen für die Zukunft aufgebaut (beispw. taste of prison approach) • Problem: abnehmender Grenzschaden (analog zum Grenznutzenmodell der Ökonomie): Sanktionen nutzen sich schnell ab • Positiv: Behandlung und Lernen • Resizialisierungsforschung, insbesondere im Strafvollzug und in der Sozialtherapie Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Behandlungsforschung • Behandlungsideologie der fünfziger und sechziger Jahre • unbestimmte Freiheitsstrafe • Martinson 1974: nothing works und Kritik aus der Rechtsstaatsperspektive • Evaluationsforschungbbb • Problem der Methoden: kaum Experimente • Frage: wurden Behandlungsansätze überhaupt implementiert? • Frage: für wen sind Behandlungsansätze sinnvoll? • Stand: Für spezifische Gruppen können, wenn auch kleine Behandlungseffekte nachgewiesen werden Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Sicherung • Sicherungsverwahrung/incapacitation • Kriminalpolitische Ausformungen • selective incapacitation • categorical incapacitation • Schwerpunktbildungen Intensivtäter/chronische Straftäter • Forschung: Zusammenhänge zwischen physischer Sicherung und Entwicklungen der Kriminalität • Problem der Identifizierung und Prognose • Ökonomische Probleme Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Strafvollzug und Sicherung USA 2500000 2000000 1500000 1000000 500000 Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht 20 01 20 00 19 99 19 98 19 97 19 96 19 95 19 94 19 93 19 92 19 91 19 90 0 Strafrechtliche Sozialkontrolle und Kritik • Sündenbocktheorie • Herrschaftskritik (insb. marxistische Ansätze; Kritische oder Radikale Kriminologie) • Abolitionismus: Gesellschaften ohne Strafvollzug und ohne Strafrecht Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Viktimologie • Ausgangspunkte der Opferforschung • Das Opfer als Lieferant von Kriminalitätsdaten • Opferbefragungen und Dunkelfeld • Das Opfer als „Kriminalitätsursache“: Beiträge zur Entstehung der Straftat • Das Opfer als Teil der sozialen Kontrolle Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Opfer und Kriminalitätsdaten • Gegenwärtige Diskussion ist auch bestimmt durch die Frage, ob regelmäßige Opferbefragungen in Deutschland in Ergänzung der polizeilichen Kriminalstatistik durchgeführt werden sollen. • Beispiele: National Crime Survey USA; British Crime Survey, International Crime Survey • Problem: Kosten Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Opfer und Mitverantwortung • Viktimodogmatik: • wie wird das Opferverhalten in der Strafrechtsdogmatik aufgegriffen » Beispiel: Notwehrrecht (Provokation) • Opfer und Stigmatisierung • Beispiel: Sexualkriminalität • Opfer und Selbstschutz sowie Prävention • Sicherung und Selbstverteidigung • Opfer und Verbrechenskontrolle Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Opfer und Soziale Kontrolle • Opfer als gate-keeper/Anzeigeerstattung • Warum unterlassen Opfer eine Anzeige? • Warum erstatten Opfer eine Anzeige? Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Anzeigemotive Anzeigemotive bei Eigentumsdelikten und Delikten gegen die Person 45 41,6 40 35 29,8 30 23,4 % 25 19,6 20 19,2 19,2 12,8 15 8,6 10 6,4 4,2 5 2,5 1,4 r te Tä m En t sc hä di gu ng vo lt ich Hi lfe b tw ied er ho fu n tra sn da ek om me n g t Be s Da mi ts ich ör ta ng ez eig ek om me n Fa ll/ Ge h we re r Sc h Um di eg es to hl en en Sa c he n wi ed Ve rs ic he er zu b ru n gs sc hu tz 0 Eigentumsdelikte Delikte gegen die Person Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Nichtanzeigemotive Nichtanzeigemotive bei Eigentumsdelikten und Delikten gegen die Person 50 45 44,5 41,6 40 35 % 30 25 20 16 14,3 15 9 10 6,1 7,5 8,6 5 4 3,9 2,5 2 1,7 1,5 3 1,3 0,5 0,5 A ng eh Ke in so wi es wa r hä tt e Po liz ei o öt ni ch ig ts V ör er ge ig s ic ma eh he ch ab ru t en ng ss di eS ch ut ac z Tä W he te ill b rw er mi ein tP ar ig ol ein t ize Be in k ich an nt ts er zu Fu t rc un ht ha vo be rR n ep re ss ali en n tn ni ch n tu ts ni ch Po liz ei tte hä ne kö n tg lb s se lem Po liz ei d/ en we rw ieg ch ts ich tn Ta Pr ob ke in Sc h ad elö st en 0 Eigentumsdelikte Delikte gegen die Person Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht 5,2 Erweiterungen der viktimologischen Perspektive Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Verbrechensfurcht • Innere Sicherheit hat objektive und subjektive Dimensionen (Wahrnehmung von Sicherheit/ Sicherheitsgefühl) • Verbrechensfurcht als weiterer Schwerpunkt in Opferbefragungen Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Dimensionen der Verbrechensfurcht • Emotional (haben Sie nachts Angst in der Umgebung Ihrer Wohnung) • Kognitiv (mit welcher Wahrscheinlichkeit rechnen Sie, in den nächsten 12 Monaten Opfer eines (Diebstahls) zu werden?) • Verhalten (Haben Sie in Ihrem Haushalt eine Schusswaffe? Bewaffnen Sie sich, wenn Sie abends aus dem Haus gehen? Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Korrelate der Verbrechensangst • Geschlecht • Alter Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Erklärungen der Verbrechensangst • Besondere Verletzlichkeit • Reflex der Kriminalität? • Unabhängig von der Kriminalitätsrate Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Kriminalitätswahrnehmungsparadox • Kriminalitätsproblem bleibt lokal gleich, verändert sich nicht • Kriminalität nimmt insgesamt (beispw. in Deutschland) zu Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Opferpolitik und Opfergesetzgebung • Schutz des Opfers vor Sekundärbelastungen/-traumatisierung durch • stärkere Beteiligung am Strafverfahren » Opferanwalt » Nebenklage, Adhäsionsklage • stärkeren Schutz vor Belastungen » Videovernehmungstechnik (Mehrfachvernehmung) » Anonymität von Zeugen » Ausschluss der Öffentlichkeit • bessere Information » Informationsrechte • bessere Wiedergutmachung/Mediation Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht