BeraterGuide Das Jahrbuch für Beratung und Management 2003 Herausgeber: Prof. Dr. Dietmar Fink Andreas Gries Thomas Lünendonk THEMEN UND TRENDS IN DER IT- UND CONSULTING-BRANCHE Gezielte Kosteneinsparungen mit Outsourcing Kosten einzusparen ist in Zeiten schwachen Wirtschaftswachstums in vielen Unternehmen ein wichtiges Ziel. Dies heißt oft Konzentration auf das Kerngeschäft und das Auslagern des internen IT-Bereiches an externe Dienstleister. Doch nicht überall, wo der Begriff Kostensenkung draufsteht, ist auf Dauer auch Kosteneinsparung für Unternehmen drin. Beim Outsourcing werden betriebliche Funktionen und Aufgaben an externe Organisationen übertragen. Dahinter steht die Überzeugung, diese externen Dienstleister können die entsprechenden Aufgaben wirtschaftlicher erfüllen als die eigene Organisation. Neben den vermuteten „Economies of Scale“ ist es die Professionalisierung durch die Konzentration gut ausgebildeter und erfahrener Ressourcen beim Dienstleister, die diese Wirtschaftlichkeit schaffen soll. Andererseits müssen der Profit des Anbieters und dessen Risikozuschläge bezahlt werden, und eine auf lange Frist bindende Beziehung zum Dienstleister mit allen damit verbundenen Risiken wird begründet. Die Frage ist also: wo können durch Outsourcing wirklich Kosten gespart werden, und wo liegen die Risiken, die dem Outsourcing entgegenstehen? Stufe 1: Wertvernichtung vermeiden Jedes Unternehmen klagt über die Aufwände, die externe Berater insbesondere für Analysen benötigen. Das ist verständlich, da eine Analyse an sich keinen Mehrwert schafft, aber Geld kostet. Doch jeder Berater, der ein organisatorisches oder technisches Konzept erstellen soll, muss die Organisation und das Geschäft des Unternehmens kennen lernen – sonst könnte nie ein anwendbares Konzept entstehen. Je weniger Wissen über das eigene Geschäft und die eingesetzte Informationstechnologie in der Organisa- 104 tion vorhanden ist, um mehr Aufwand muss für den Wissenserwerb der Externen getrieben werden. Gefährlich wird es an dem Punkt, wo das Wissen des Unternehmens insbesondere über Informationstechnologie nicht mehr ausreicht, um die Leistungen und Kompetenzen der beauftragten Dienstleister – seien es Integratoren oder Outsourcer – zu beurteilen, diese umfassend zu informieren und den eigenen Zielen entsprechend zu steuern. Dann ist das Unternehmen den Dienstleistern tatsächlich mit allen dazugehörigen Konsequenzen ausgeliefert. In diesem Fall ist – selbst bei bestem Willen aller Beteiligten – Wertvernichtung vorprogrammiert. Dann werden Konzepte erstellt, die nicht umsetzbar sind oder nicht akzeptiert werden. Dann werden Programme entwickelt, die später nicht angewandt werden. Dann wird Geld verbrannt. Es gibt zahlreiche Fälle, in denen im Unternehmen kaum noch Know-how über das eigene Geschäft und die eingesetzten IT-Systeme vorhanden war. Oft wurden aus dieser Konstellation heraus Millionenbeträge für Projekte ausgegeben, die nie die erwarteten Ergebnisse geliefert haben: 3 Die Dienstleister haben Informationen über das Geschäft und wie es abgewickelt wird nicht vollständig und nur mit hohen Aufwänden erheben können. 3 Es gab keine Mitarbeiter im Hause mehr, die Wissen um die Gestaltung und den Einsatz neuer IT-Systeme hatten. Qualität, Anwendbarkeit und Umsetzbarkeit von Lösungen konnten so nicht mehr beurteilt werden und finden in der Organisation keine Akzeptanz. GEZIELTE KOSTENEINSPARUNGEN MIT OUTSOURCING Abb. 1: Der Outsourcing-Prozess SourcingStrategie Identifizierung Kerngeschäft und Kernkompetenzen ■ Ermittlung der IstSituation (Leistungen und Kosten) ■ Alternativenbestimmung ■ Wirtschaftliche und technische Potenzialermittlung ■ Sicherheitsstrategie definieren ■ Definition Ziele und Erfolgskriterien ■ Risikobewertung ■ Definition der Entscheidungsträger und -kriterien Quelle: Helbling Management Consulting ■ Definition der Informationspolitik Ausschreibung Überführung Auswahl Definition Ausschreibungsinhalte ■ Definition der Service Level Requirements ■ Ermittlung potenzieller Lieferanten ■ Definition Meilensteine ■ Definition Beurteilungskriterien und Bewetungsregeln ■ Erstelllung und Versand der Ausschreibungen ■ Anbieterbetreuung ■ Definition eigener Ressourcen bedürfnisse (OutsourcerManagement) ■ Bewertung anhand Beurteilungskriterien und Bewertungsregeln ■ Bewertung nach wirtschaftlichen, technischen und Sicherheitskriterien ■ Priorisierung/ Anbieterranking ■ Angebotsabstimmung und -verhandlung ■ Kosten/Nutzen und Chancen/ Risiken bewerten ■ Definition Service Level Agreements (Kennzahlen) ■ Vertragsabschluss ■ Erstellung des Informationskonzepts 3 Das Projektmanagement dieser Projekte bleibt auf der Strecke – im Zweifelsfall mit allen bitteren Konsequenzen auf die Kosten, Termine und Qualität des jeweiligen Projekts. So wie gebrannte Kinder das Feuer scheuen, bauen diese Unternehmen heute wieder eigene ITRessourcen auf. Die Kompetenz der Dienstleister als auch die Qualität ihrer Arbeit muss aus dem Wissen, was Informationstechnologie für das eigene Geschäft leisten kann, bewertet werden. Nur dann entstehen Konzepte und Lösungen, welche die Wertschöpfung im Unternehmen steigern. Regelt das nicht der Markt? Es ist eine Illusion, wenn ein Unternehmen glaubt, der Markt dieser Leistungen würde für Wettbewerb, Transparenz und damit automatisch für Wirtschaftlichkeit sorgen. Es handelt sich bei IT-Dienstleistungen zumindest heute noch regelmäßig um hochindividuelle Dienstleistungen. Dies zeigt der einfache Fall, Feinplanung und Ressourcenzuordnung ■ Migrationsplanung ■ Technische Übergang (Hardware, Software) ■ gegebenenfalls Personalübergang ■ Inbetriebnahme ■ Implementierung der Controlling des Service Level Agreements) ■ Ressourcenqualifizierung ■ Betrieb Laufende Überwachung der Service Level Agreements (Menge, Qualität, Verfügbarkeit, Ausfälle, Kosten) ■ Periodischer Abgleich des Leistungsangebots gegen geänderte Leistungsbedarfe ■ Periodischer Abgleich gegen Marktpreise ■ Nachverhandlungen ■ Umsetzung des Informationskonzepts in dem der Betrieb eines SAP R/3-Systems für ein mittelständisches Industrieunternehmen an einen Outsourcer gegeben wird und der Dienstleister den Rechnerbetrieb, das Application Management und den User Help Desk für die SAP-Anwendung durchführt. Außer dem reinen Rechnerbetrieb gibt es keinen wirklich transparenten Markt für diese Dienstleistungen: ein qualifiziertes Angebot der Konkurrenz ist immer mit erheblichem Aufwand seitens des Anbieters verbunden. Das alleine könnte ein Auftraggeber verschmerzen, müsste er dem Anbieter nicht mit viel eigenem Aufwand alle notwendigen Informationen bereitstellen. So benötigt beispielsweise im Application Management ein einfacher SAP R/3 Releasewechsel ein intensives Zusammenwirken von Betrieb (Installation des neuen Release, Datenmigration, Application Management (Konfigurationsänderungen durch das neue Release) und IT-Anwendern (Testen der Geschäftsprozesse auf Basis des neuen Release). 105 THEMEN UND TRENDS IN DER IT- UND CONSULTING-BRANCHE großhandel erwähnt, der durch die bestehende Gesetzgebung für Apotheken in Deutschland – Filialverbot, kein Versand an Privatpersonen – sehr stabile Strukturen Dienstleistung Standardisierungsgrad hatte. Unter dem politischen Druck zur Kostenreduzierung im Rechnerbetrieb Weitgehend standardisierte DienstleisGesundheitssystem stehen auf eintung mit klaren Service Level Agreements mal viele Dinge in Frage. Auslänwie Speicherplatz, Antwortzeiten und dische Internet-Apotheken könnVerfügbarkeit. Relativ transparenter Markt. ten bald auf dem deutschen Markt Application Management Dienstleistung abhängig von zugelassen sein und das Filialver1. den genutzten Applikationen bot aufgehoben werden (womit 2. der Art der Nutzung der Applikationen sich schnell neue EinkaufsstruktuWeniger transparenter Markt. ren bilden werden). User Help Desk Der Dienstleister benötigt tiefes Wissen Der Großhändler, der seine Orgaüber die Art der Nutzung, über die nisation und seine GeschäftsstrukEinrichtung des individuellen Systems turen jetzt schnell und effektiv auf und die Zusammenhänge der Geschäftsden Versandhandel auch an Privatabwicklung mit dem System. personen oder an EinkaufsverbänStark individuelle Dienstleistung. de umstellen kann, wird im Vorteil Quelle: Helbling Management Consulting sein. Wer dagegen keine Gestaltungs- und Änderungskompetenz für das eigene Geschäft mehr hat, könnte es plötzEin Anbieterwechsel ist für den Kunden meistens lich sehr viel schwerer haben. mit hohen Transaktionskosten verbunden. Durch Natürlich heißt das nicht, dass die gesamte IT inklueinen Outsourcing-Vertrag entsteht in aller Regel sive der Entwicklung und Bereitstellung von eine langfristige Bindung an den Dienstleister. Anwendungen wieder selbst gemacht werden sollte. Selbst wenn klare und für den DienstleistungsnehSoftware- Engineering und -Entwicklung sowie mer einfach anwendbare Ausstiegsklauseln im Outdetailliertes Wissen über die Implementierung von sourcing-Vertrag vereinbart sind, kann dennoch die Anwendungssystemen kann und will kaum ein Verlockung für den Outsourcer groß sein, diese BinUnternehmen vorhalten. Aber das Wissen um das dung zur Erzielung einseitiger Vorteile zu nutzen. eigene Geschäft und den Bedarf an IT – Stichwort Business Process Management – sowie die ManageStufe 2: ment- und Beurteilungskompetenz für entsprechenDie Wertschöpfung steigern de Dienstleister ist definitiv eine notwendige Kernkompetenz des Unternehmens. Diese darf nicht ausZeit ist heute ein wesentlicher Wettbewerbsfaktor geworden. In innovativen Branchen beeinflusst die gelagert werden, sondern muss aktiv erhalten und „time-to-market“ wesentlich den Ertrag, den ein ausgebaut werden. Produkt generiert. Um mit einem neuen Produkt schnell hohe Umsätze zu generieren und damit die Drum prüfe, wer sich ewig bindet... maximalen Gewinne abzuschöpfen, ist die Geschwindigkeit, mit der neue Geschäftsprozesse Outsourcing kann für etliche Aufgaben der IT, wie und die dazugehörigen Anwendungssysteme verfügbeispielsweise den Systembetrieb, wirtschaftliche bar sind, ein wesentlicher Faktor. Vorteile bringen. Diese müssen genutzt werden. Aber auch in weniger innovativen Branchen hat sich Gleichzeitig gilt es, die oben angesprochenen Risidie Gangart verschärft. Ein Beispiel ist der Pharmaken zu minimieren. Ein Pendeln zwischen OutsourAbb. 2: Standardisierungsgrade und Markttransparenz 106 GEZIELTE KOSTENEINSPARUNGEN cing, Unzufriedenheit und nachfolgendem Insourcing schließlich ist auf jeden Fall zu vermeiden. Ein gründliches und strukturiertes Vorgehen ist für einen erfolgreichen Outsourcing-Prozess auf jeden Fall notwendig. In Fällen, bei denen mit dem Outsourcing auch noch ein Betriebsübergang zum Outsourcer verbunden ist, ist – spätestens seit der Ergänzung des § 613a BGB im März 2002 – besonderes Augenmerk auf die mit dem Outsourcing-Prozess verbundene Informationspolitik zu richten. Fehler in diesem Bereich können die mit dem Outsourcing verbundene Ressourcenplanung leicht auf den Kopf stellen. Im Betrieb stellt sich dann die zentrale Frage, wie das Unternehmen auf Dauer die Management- und Beurteilungskompetenz über die ausgelagerten Dienstleistungen erhält. Da diese nicht mehr selbst MIT OUTSOURCING vorgenommen werden, geht notwendigerweise die Ausführungskompetenz verloren. Sofern die geeigneten Ressourcen vorher vorhanden waren und weiter gehalten werden können, ist die Management- und Beurteilungskompetenz über die Einstellung entsprechend qualifizierten Personals, über verstärkte Ausbildungsmaßnahmen der Managementressourcen und durch entsprechenden Erfahrungsaustausch zu erhalten und auszubauen. Nur dann wird sichergestellt, dass die mit dem Outsourcing verbundenen Einsparungsziele auch langfristig erreicht werden und nicht später der (Kosten-)Hammer fällt. Sebastian Asendorf ist Senior Manager bei Helbling Management Consulting in Frankfurt am Main. 107