Zoologisches Grundpraktikum I Sommersemester 2015 für Studenten des Studiengangs Biologie und Molekulare Biotechnologie Dozenten: Dr. Alexander Froschauer Dr. Michael Kurth Dipl.-Biol. Stefanie Wiedmer Zeitplan: Vorlesung: Morphologie und Anatomie der Tiere Mittwoch 11:00 – 12:00 Bio-Neubau Raum E48 Praktikum: Morphologie und Anatomie der Tiere (Zoologisches Grundpraktikum I) Mittwoch 13:00 – 16:20 Bio-Neubau Raum E48 Thema Datum Dozenten 15.04.2015 Stefanie Wiedmer, Dr. A. Froschauer Protisten 22.04.2015 Stefanie Wiedmer, Dr. A. Froschauer Cnidaria 29.04.2015 Stefanie Wiedmer, Dr. A. Froschauer Annelida 13.05.2015 Stefanie Wiedmer, Dr. A. Froschauer Plathelminthes 03.06.2015 Stefanie Wiedmer, Dr. A. Froschauer Mollusca 10.06.2015 Stefanie Wiedmer, Dr. A. Froschauer Nemathelminthes 17.06.2015 Dr. A. Froschauer, Stefanie Wiedmer Arthropoda 1 (Crustacea) 24.06.2015 Dr. A. Froschauer, Stefanie Wiedmer Arthropoda 2 (Insecta) 01.07.2015 Dr. A. Froschauer, Stefanie Wiedmer Echinodermata 08.07.2015 Dr. A. Froschauer, Stefanie Wiedmer Chordata 1 (Acrania) 15.07.2015 Dr. A. Froschauer, Stefanie Wiedmer Chordata 2 (Pisces) 22.07.2015 Dr. A. Froschauer, Stefanie Wiedmer Chordata 3 (Tetrapoda) 2 Zoologisches Grundpraktikum I Teil 1 Dr. Michael Kurth, Dipl.-Biol. Stefanie Wiedmer Der erste Teil des Skriptes umfasst die Übungen 1-6 des Zoologischen Grundpraktikums I. Es soll eine Hilfestellung für die Vor- und Nachbereitung sowie eine Anleitung für das Praktikum selbst sein. Der Inhalt erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und ist keineswegs als Ersatz für ein Lehrbuch gedacht. Zeitplan Teil I 15.04.2015 Protisten (Amoeba, Paramecium, Gregarina, Trypanosoma) 22.04.2015 Cnidaria (Hydra, Laomedea) 29.04.2015 Annelida (Lumbricus) 13.05.2015 Plathelminthes (Dugesia, Dicrocoelium, Fasciola, Taenia, Echinococcus) 03.06.2015 Mollusca (Helix, Loligo) 10.06.2015 Nemathelminthes (Ascaris, Trichinella) 3 Wichtig: - Bitte bereiten Sie die einzelnen Praktikumstage vor, indem Sie die entsprechenden Kapitel im "Kükenthal" lesen. - Fangen Sie nicht zu spät mit der Klausurvorbereitung an, da der im Praktikum behandelte Stoff sehr umfangreich ist. Am besten ist es, den Stoff nach jedem Praktikumstag gründlich nachzuarbeiten. - Fertigen Sie Zeichnungen von den Präparaten an. - Bringen Sie bitte den Kükenthal zum Praktikum mit. Dort sind in der Regel die Präparationen beschrieben. - Vergessen Sie Ihr Präparierbesteck nicht (Schere, Skalpell, Pinzette, Präpariernadeln, Stecknadeln, Objektträger, Deckgläschen). - Vom Kurs soll ein kurzes Protokoll angefertigt werden. 4 1. Übung: Protisten (Einzeller) Verlauf der Übung Anhand je eines repräsentativen Vertreters sollen Sie mit charakteristischen Bauplanmerkmalen der Rhizopoda, Flagellata, Sporozoa und Ciliata vertraut gemacht werden. 1. Rhizopoda (Wurzelfüßer) Viele Vertreter der Rhizopoda zeigen einen ausgeprägten Polymorphismus, in dem sie begeißelte Schwärmerstadien entwickeln. Andererseits können auch einige Flagellaten formveränderliche Cytoplasmafortsätze (Pseudopodien) entwickeln, die für die Rhizopoda charakteristisch sind. Die Pseudopodien dienen sowohl der Fortbewegung als auch der Nahrungsaufnahme und können gruppenspezifisch in verschiedenen Ausprägungen auftreten: Bei den lappenförmigen Lobopodien der Amöben umgrenzt, wie im übrigen Cytoplasma, ein Gel-artiges Ektoplasma das Sol-artige Endoplasma. Die strahlenförmigen Axopodien der Heliozoen und Radiolarien, die den pelagischen Formen als Schwebeeinrichtungen dienen, enthalten einen zentralen Achsenstab (Axonem) aus längsgerichteten Mikrotubuli, über den ein Cytoplasmafilm gleitet, der Nahrungspartikel wie auf einem Fließband zum Zellkörper führt. Dünne Plasmafäden (Filopodien) treten bei den Foraminiferen aus den Kammerporen hervor, die nicht aus einem einheitlichen Strang bestehen, sondern ein Bündel nur elektronenoptisch auflösbarer Cytoplasmafäden bilden, die alle von einem eigenen Plasmalemma umgeben sind. Abb.1.1: Organisationsskizze von Amoeba Abb.1.2: a) Amoeba proteus, b,c) Entamoeba histolytica, d) Arcella, e,f) Foraminiferen, g) Sonnentierchen (Heliozoa), h) Radiolaria 5 1.1. Kursmaterial: Amoeba proteus (Lebendpräparat) Aufgabe: Mikroskopieren und Zeichnen. Beobachten Sie die Pseudopodienbildung und geben Sie in Ihrer Zeichnung die Bewegungsrichtung an. 2. Wimpertierchen (Ciliata = Ciliophora, Alveolata) Die Ciliaten (Wimpertierchen) gelten als die höchstorganisiertesten und an cytoplasmatischen Differenzierungen reichsten Protozoen. Ihre beiden kennzeichnenden Merkmale sind der Besitz von Cilien und ein Kerndimorphismus. Die Cilien lassen sich generell durch Reduktion ihrer Länge und Vereinfachung der Schlagweise von Flagellen ableiten. Unter Kerndimorphismus versteht man das gleichzeitige Auftreten von Mikro- und Makronucleus. Der diploide Mikronukleus synthetisiert keine RNA, so dass der Phänotyp der Ciliaten ausschließlich von den Genen des Makronucleus bestimmt wird und dem Mikronucleus allein die Rolle eines Speichers genetischer Information (generativer Kern) zukommt. Der Zellmetabolismus wird bei Ciliaten vom polyploiden Makronucleus - dem somatischen Kern - gesteuert, da in ihm verschiedene Teile des Genoms unterschiedlich stark amplifiziert sind, ist eine geordnete Mitose oder Meiose nicht mehr möglich. Im Kerndimorphismus der Ciliaten zeigt sich daher eine gewisse Analogie zur Differenzierung in Keimzellen und Soma bei Metazoen. Abb. 1.3: Die Formenvielfalt der Ciliaten. Neben den freischwimmenden Formen wie z.B. Paramecium oder Tetrahymena gibt es Zellen, die auf Cirren laufen (z.B. Stylonychia) oder sessil sind (Stentor, Vorticella auf Pflanzen, Spirochona auf den Kiemenblättern des Bachflohkrebses). Einige Arten leben parasitisch (Polypenlaus Trichodina), andere symbiontisch (Ophryoscolex aus dem Rinderpansen). Nach verschiedenen Autoren. 6 Abb.1.4: Phagocytose bei Paramecium Abb.1.5: Organisationsskizze von Paramecium 2.1. Kursmaterial: Paramecium caudatum (Lebendpräparat) Aufgabe: Lebendbeobachtung, Fütterung und Färbung von Paramecium caudatum Die Lebendbeobachtung des Ciliaten ist ebenso wie bei den Flagellaten durch die Beweglichkeit der Organismen erschwert (s.u.). Mit nur wenig Wasser unter dem Deckglas ist aber eine Beobachtung gut möglich. Besonders auffällig sind der koordinierte Cilienschlag und die Tätigkeit der kontraktilen Vakuolen, die der Osmoregulation dienen. a) Beobachten Sie zunächst Bewegung und die Organisation der Paramecien. Versuchen Sie die Schlagfrequenz der kontraktilen Vakuolen zu bestimmen. b) Cyclose: Beobachten Sie den Weg der Nahrungsvakuolen durch den Körper der Paramecien. Füttern Sie die Ciliaten mit Kongorot-gefärbten Hefepartikeln (1% Kongorotlösung; neutral bis basisch: rot; ab pH 3: blau). c) Kernfärbung: Geben Sie bei einem Paramecium-Präparat einen Tropfen angesäuertes Methylgrün an den Rand des Deckgläschens. Diese Färbung fixiert die Tiere gleichzeitig. Beobachten Sie die Reaktion der unter der Pellikula liegenden Trichocysten. Zeichnen Sie ein Paramecium mit seinen Organellen! Notieren Sie ihre Beobachtungen zur Cyclose, Kernfärbung und Trichocystenreaktion. 7 3. Sporozoa (,,Sporentierchen“, Apicomplexa) Zu dieser Protozoenklasse werden sehr verschiedenartige einzellige Organismen gezählt. Alle sind Parasiten, die entweder in Körperhöhlen oder in einzelnen Zellen leben. Sie besitzen eine komplexe Zellbegrenzung (Pellicula), die auch besondere Bewegungsorganelle enthält. Sporozoen zeichnen sich durch charakteristische Entwicklungszyklen aus; dabei auftretende Dauerstadien werden als „Sporen“ bezeichnet. Die Sporozoa werden in neueren Systematiken als Apicomplexa bezeichnet, da sie sich durch einen komplizierten, nur elektronenmikroskopisch sichtbaren Apikalkomplex auszeichnen. Der apikale Komplex setzt sich aus dem Polring, dem Conoid und den Rhoptrien zusammen. 3.1. Kursmaterial: Gregarinen (Lebendpräparat) Aufgabe: Lebendbeobachtung von Gregarinen aus Mehlkäferlarven Präparation: Einem “Mehlwurm“ (Larve des Mehlkäfers Tenebrio molitor) schneidet man Kopf und Hinterende ab. Mit einer spitzen Pinzette zieht man den Darm heraus, streicht ihn auf einem Objektträger aus, gibt einen Tropfen Leitungswasser dazu und legt ein Deckglas auf. Die drei Gregarinen-Arten, die Sie finden können, sind im KÜKENTHAL und unten abgebildet. Nicht alle Mehlkäferlarven sind befallen! Abb.1.6 a. Fertigen Sie von einer Gregarinen-Art eine ,,halbschematische" Zeichnung an. 8 4. Flagellata (Geißeltierchen) Die Bewegungsorganellen der Flagellaten sind Geißeln (Flagellen). Sie können in Ein- oder Mehrzahl auftreten, am Vorder- oder Hinterende der Zelle entspringen (Zug- oder Schleppgeißeln) oder wie bei den Hypermastigiden große Teile der Zelloberfläche besetzen. Bei den autotrophen Dinoflagellaten führt eine Quergeißel schraubenförmige Bewegungen in einer quer verlaufenden Ringfurche aus, während eine Längsgeißel nach hinten schwingt. Die im Blutplasma der Wirbeltiere lebenden Trypanosomen besitzen eine am Hinterende entspringende Geißel, die nach vorn gerichtet und mit der Zelle über eine undulierende Membran verbunden ist. Bei der intrazellulär parasitierenden Leishmania-Form ist sie völlig reduziert. Hinter dem Basalkörper (Kinetosom) der Geißel liegt bei den meisten Trypanosomiden ein Kinetoplast (= Blepharoplast), eine DNA-Anhäufung innerhalb des großen (einzigen) Mitochondriums. Abb. 1.7: Flagellaten. Die Dinoflagellaten Ceratium und Noctiluca (letzterer ist der „Erreger“ des Meeresleuchtens), Opalina ranarum aus dem Darm des Frosches, Trypanosoma (Erreger von Schlafkrankheit und Nagana-Rinderseuche), Trichomonas vaginalis (parasitiert im Urogenitaltrakt von Frauen), Giardia lamblia (Erreger der Giardienruhr), Euglena (Augentierchen), Spirotrichonympha (Zellulase-produzierender hypermastigider Flagellat aus dem Darm der Termite) und der Choanoflagellat Salpingoeca. 4.1. Aufgabe: Mikroskopieren von Trypanosoma-Dauerpräparaten. 9 Abb.1.8: Trypanosomen (Kinetoplastida) Abb. aus Dönges. a) 1) amastigot (cryptomastigot); 2) promastigot; 3) epimastigot; 4) trypomastigot b) Entwicklungskreislauf von Trypanosoma brucei in Glossina sp. und Mensch Literatur: R. Wehner; W. Gehring (1995) Zoologie; Thieme Stuttgart V. Storch; U. Welsch (1996) Kükenthals Leitfaden für das Zoologische Praktikum; Fischer Stuttgart; 22. Auflage V. Storch; U. Welsch (2004) Systematische Zoologie; Fischer Stuttgart; 6. Auflage K. Hausmann; N. Hülsmann (1996) Protozoology, Thieme Stuttgart N. A. Campbell (1997) Biologie, Spektrum Verlag M. Mayer (1956) Kultur und Präparation der Protozoen; Kosmos-Verlag, Stuttgart H. Streble, D. Krauter (1988) Das Leben im Wassertropfen, 8. Auflage, Kosmos-Verlag, Stuttgart 10 2. Übung: Cnidaria (Nesseltiere) Cnidaria sind sehr einfach gebaute Metazoen, die als Polypen und/oder Medusen auftreten können. Früher wurden sie mit den Acnidaria (Ctenophora, Rippenquallen) zur systematischen Einheit Coelenterata (Hohltiere) zusammengefasst. Aufgrund der klaren Symmetrieverhältnisse ihrer Körpergestalt und ihrer reich differenzierten Epithelien mit Nerven-, Sinnes- und myofibrillenhaltigen Zellen erheben sich die Hohltiere eindeutig über das Organisationsniveau der Schwämme. Doch besitzen auch sie - wenn man von einigen recht komplexen Sinnesorganen absieht - noch keine echten Organe, die sich wie bei den höheren Metazoen (Eumetazoa) durch einen eigenständigen ontogenetischen Entwicklungsgang auszeichnen. Lange Zeit galten die Cnidaria deshalb als ursprüngliche Metazoenklasse, nach neuerer Ansicht ist ihr Körperbau jedoch sekundär in der Evolution vereinfacht worden. Die Cnidaria werden in vier Klassen eingeteilt: Anthozoa (Blumentiere), Cubozoa (Würfelquallen), Scyphozoa (Scheibenquallen) und Hydrozoa. Von den Nesseltieren sind ca. 8500 Arten bekannt. Unvollständig aufgeklärte Entwicklungszyklen und die alle anderen Eumetazoa übertreffende Vielgestaltigkeit von Individuen ein und derselben Art (Polymorphismus), führen allerdings oft zu unterschiedlichen Angaben über die Artenzahl. Cnidaria sind vorwiegend marine Organismen (alle Anthozoa, Cubozoa und Scyphozoa). Dies gilt auch für die Mehrzahl der Hydrozoa, von denen aber einige Arten (z.B. Hydra) individuenreich im Süßwasser leben. Die Cnidaria sind eine ungewöhnlich erfolgreiche Tiergruppe, was in erster Linie auf den Besitz von Nesselkapseln zurückzuführen ist. Sie ermöglichen ihnen einerseits die optimale Nutzung eines reichhaltigen Nahrungsangebots, andererseits beschränken sie die natürlichen Feinde auf wenige Spezialisten, hauptsächlich Gastropoda, sowie einige Fische und Seesterne. Die hohe Regenerationsfähigkeit und die häufige Symbiose mit einzelligen Algen sind wahrscheinlich weitere Gründe, die die Cnidaria zu einer der verbreitetsten aquatischen Tiergruppen werden ließen. Abb.2.1 Polyp und Meduse bilden bei Hydrozoen und Scyphozoen die aufeinanderfolgenden Glieder eines Generationswechsels (Metagenese). Die Medusen entstehen auf ungeschlechtlichem Wege durch Querteilung der Polypen (Strobilation bei Scyphozoa), Knospung (bei Hydrozoa) oder Metamorphose des ganzen Polypen (bei Cubozoa). Als geschlechtliche Generation entwickeln sie Gonaden. Die aus dem befruchteten Ei entstehende bewimperte Planula-Larve oder die schon tentakeltragende Actinula-Larve setzt sich fest und wächst zu einem neuen Polyp aus (siehe Abb.2.1). Bei vielen Formen lösen sich die Medusen gar nicht mehr als freischwimmende Stadien vom Polypen ab, sondern erscheinen als sessile, stark reduzierte Medusoide (Gonophoren). Bei Hydra bestehen die Medusoide nur noch aus den Gonaden, so dass hier der Polyp die geschlechtliche und ungeschlechtliche Generation repräsentiert. Sowohl Polyp als auch Meduse sind diploid. Wie bei allen Metazoen wird das einzige haploide Stadium im Lebenszyklus der Cnidarier von den Gameten gebildet. Abb. 2.2: Laomedea flexuosa, Nährpolyp und Gonangium. Eine hervorstechende Eigentümlichkeit vieler Cnidarier ist die Stockbildung. Durch Knospung entstehen Polypen, die mit dem Mutterpolypen in Verbindung bleiben und auf diese Weise Polypenstöcke aus vielen Tausenden von Einzelpolypen bilden. Meistens ist diese Stockbildung mit einer morphologischen und funktionellen Differenzierung zwischen den Einzelpolypen verbunden (Polymorphismus). Vielfach lassen sich dann Freßpolypen (Trophozooide), mundlose Wehrpolypen (Nematozooide), die reich mit Nesselkapseln besetzt sind, und medusenbildende Geschlechtspolypen (Gonozooide) unterscheiden. Bei den Geschlechtspolypen sind Peristom und Tentakeln zurückgebildet. Da die Gastrovaskularräume aller Polypen miteinander in Verbindung stehen, werden auch die mundlosen Individuen mit Nahrung versorgt. 12 Körperbau Die Körperstrukturen der Cnidaria können in Teilen bilateralsymmetrisch sein, grundsätzlich sind sie vier- bis n-strahlig radiärsymmetrisch um eine zentrale Hauptachse angeordnet. Diese verläuft vom proximalen Pol (Fußscheibe, animaler Pol, larvale Scheitelplatte) zum distalen Pol (Mundfeld, vegetativer Pol, embryonale Urmundregion). Das Grundmuster eines Cnidariers repräsentiert am anschaulichsten der Polyp: ein schlauch- oder sackförmiger Organismus der im Allgemeinen mit seiner Fußscheibe am Substrat festsitzt. Die einzige Körperöffnung, die von den ins freie Wasser hängenden Tentakeln umgeben wird, fungiert gleichermaßen als Mund und After. Die Fangarme dienen zum Beutefang. Sie sind stark dehnbar und tragen dichtsitzende Batterien verschiedenartiger Nesselzellen (Nematocysten, Cniden: z.B. Penetranten, Volventen, Glutinanten, ...; an die 30 verschiedene Bauarten sind bekannt) Der Polyp entspricht dem Lebensformtypus des sessilen Tentakelfängers (Schlingers), der die unverdauten Nahrungsreste durch den Mund-After wieder herauswürgt. Vom Polypen ist die ursprünglich pelagische Meduse (Qualle) abzuleiten, deren glockenförmiger Bau sie zum Rückstoßschwimmen befähigt. Sie ist bei den metagenetischen Cnidaria (Cubozoa, Scyphozoa, Hydrozoa) Träger der Keimzellen und sorgt für die Verbreitung der Art. In ihrer Körperarchitektur stimmen alle Hohltiere darin überein, dass eine dreischichtige Körperwand einen zentralen Hohlraum (Gastrovaskularraum) umschließt. Wie sein Name besagt, erfüllt letzterer eine Doppelfunktion: Er ist einerseits Ort der extrazellulären Verdauung (Gastro-), übernimmt aber andererseits auch die Rolle eines Verteilersystems von Nährstoffen und Abbauprodukten (-vaskular). Mit einer einzigen (Mund/After-) Öffnung mündet er nach außen. Im Bau der Körperwand lässt sich stets ein äußeres und ein inneres einschichtiges Epithel (Ektodermis und Entodermis) und eine dazwischenliegende Mesogloea unterscheiden. Ekto- und Entodermis gehen aus eigenen Bildungsgeweben (Blastemen) hervor. Das Ektoderm trägt außer den Epithelmuskelzellen noch Cnidoblasten, aus denen Nesselzellen gebildet werden, und Sinneszellen mit einer apikalen Cilie (Mechano-, Photo- oder Chemorezeptoren). Der Gastralraum wird begrenzt von Entoderm (Gastrodermis), das aus zwei Hauptzelltypen besteht: Drüsenzellen und Nährmuskelzellen. Die 13 Mesogloea (Stützlamelle) bildet dagegen primär eine azelluläre Matrix, in die Zellen der Ekto- und Entodermis mit pseudopodienartigen Fortsätzen hineinragen (Verankerungsfunktion). Sie besteht aus Kollagenfasern und wird von beiden Zellschichten gebildet. Wenn sekundär ektodermale Zellen in die Mesogloea einwandern, kann sie bindegewebsähnliche Struktur annehmen und - wenn es sich bei den eingewanderten Zellen um Skleroblasten handelt - Endoskelettfunktion erfüllen. Abb.2.5 Abb.2.4 Im Gegensatz zu den Schwämmen kommt es bei den Cnidaria durch den teilweise recht engen Zusammenschluss mehrerer Zelltypen innerhalb der Epithelien zu Ansätzen von Gewebsbildung. Den häufigsten der ca. 20 Zelltypen von Hydra bilden die Epithelmuskelzellen. Sie sind durch einen flachen basalen Zellfortsatz gekennzeichnet, der Myofibrillen enthält und für die Kontraktionsfähigkeit des Epithels verantwortlich ist. Die Myofibrillen verlaufen im Ektoderm längs und im Entoderm ringförmig. Ferner können sie (in der Ektodermis) Skelette sezernieren und (in der Entodermis) mittels Flagellenschlag einen Flüssigkeitsstrom erzeugen, aus dem sie Nahrungspartikel endocytotisch aufnehmen (Verdauungszellen = ,,Nährmuskelzellen"). Die Verdauung erfolgt bei Coelenteraten also sowohl extra- als auch intrazellulär. Für die extrazelluläre Verdauung sezernieren Drüsenzellen (= Zymogenzellen) der Entodermis Verdauungsenzyme in den Gastralraum. Kleine interstitielle Zellen (I-Zellen), die in Ekto- und Entodermis an der Basis der Epithelzellen liegen, sind Stammzellen, aus denen durch Differenzierung die Nerven- und Sinneszellen, die Nessel- sowie die Drüsenzellen hervorgehen. Auch die Gameten leiten sich von ihnen ab. Als multipotente Zellen sind sie für die ausgeprägten Regenerationsleistungen der Coelenteraten verantwortlich. Nervenzellen liegen als uni-, bi- oder multipolare Neuronen an der Basis von Ekto- und Entodermis, wo sie sowohl mit Sinnes- als auch mit Epithelmuskelzellen in Kontakt treten. Bei Polypen bilden sie ein einheitliches diffuses Nervensystem, bei einigen Medusen können sie jedoch schon zu getrennten, anatomisch und funktionell verschieden differenzierten Nervennetzen zusammentreten. Das zweifellos auffälligste cytologische Charakteristikum und exklusive Merkmal der Cnidarier sind die Nesselzellen (= Nematocyten = Cnidocyten). Sie bilden in ihrem Inneren eine der höchstspezialisierten Zellorganellen tierischer Zellen überhaupt: die Nesselkapseln (= Nematocysten = Cniden). Jede Hydra ist mit drei Typen von Nematocyten und -cysten ausgerüstet: Stilett- oder Durchschlagskapseln (= Penetranten = Stenothelen), die mit Stilett- und Nesselschlauch einem 14 giftsezernierenden Tubulus den Cuticularpanzer kleiner Arthropoden durchschlagen; Wickelkapseln (= Volventen = Desmonemen), bei denen sich der ausgeschleuderte Tubulus, bettfederartig spiralisiert, um Borsten von Beutetieren wickelt; schließlich Klebkapseln (= Glutinanten = Isorhizen), die mit ihrem klebrigen Tubulus vorübergehende Befestigungsaufgaben bei der Lokomotion übernehmen. HydraPolypen können sich spannerraupenartig auf dem Substrat fortbewegen. Wickel- und Klebkapseln enthalten kein Giftsekret. Abb. 2.6: Hydromeduse, der etwas mehr als ein Quadrat ausgeschnitten ist. Schematisiert. Im Kurs sollen Sie den Grundbauplan der Cnidarier, den Aufbau der Gewebe und die wichtigsten Zelltypen kennenlernen. Außerdem sollen Sie sich mit den Phänomenen des Polymorphismus und der Metagenese vertraut machen. Literatur: R. Wehner; W. Gehring (1995) Zoologie; Thieme Stuttgart V. Storch; U. Welsch (1996) Kükenthals Leitfaden für das Zoologische Praktikum; Fischer Stuttgart; 22. Auflage 15 Verlauf der Übung Kursmaterial: Hydra sp. 1. Aufgabe: Beobachtung an lebenden Organismen Fertigen Sie eine Übersichtszeichnung von Hydra vulgaris an, die den radiärsymmetrischen Aufbau und die Bildung der Knospe erkennen lässt. Tippen Sie einer Hydra mit einer Nadel oder Pinzette leicht auf den basalen Teil (= Fuß). Beschreiben sie die Reaktion des Polypen. Bieten Sie den Tieren Nauplien von Artemia salina (Salzkrebs) an. Beschreiben Sie den Kontakt mit den Artemien und die einzelnen Phasen des Freßvorgangs. Beschreiben Sie auch das Verhalten einer Hydra, wenn ihr Gastralraum mit Krebsen gefüllt ist und dann weitere Krebse angeboten werden. Überführen Sie einen Fangarm von Hydra mit etwas Wasser auf einen Objektträger und bedecken Sie das Tier mit einem Deckglas. Achten Sie auf die Art und Anordnung der Nesselzellen in den Batteriezellen der Tentakel. Durch Zugabe von angesäuerter Methylenblaulösung wird ein Ausschleudern des Nesselfadens ausgelöst. Ziehen Sie die Lösung mit Filterpapier unter dem Deckglas durch. Zeichnen Sie einen Tentakelausschnitt und abgeschossene Nesselkapseln. Informieren Sie sich anhand der Lehrbücher, wie sich Nesselkapseln entladen. 2. Aufgabe: Mikroskopieren und Zeichnen des gefärbten, histologischen Querschnittes des Rumpfes von Hydra oder Obelia spec. Hydren bestehen hauptsächlich aus einem äußerem und einem innerem Epithel. Dazwischen befindet sich die zellfreie Mesogloea. Die wichtigsten Zelltypen sind Epithelmuskelzellen, I-Zellen, Nerven-, primäre Sinnes-, Geschlechts- und Nesselzellen, Nährmuskel- und Drüsenzellen. Mit diesen sollen Sie sich ein wenig näher beschäftigen. Für das Kennenlernen der verschiedenen Zelltypen von Hydra bekommen Sie Präparate. Die Zellen sind leider mit Ihren Mikroskopen schwierig zu unterscheiden. Zeichnen Sie bitte zumindest Cniden (Nesselzellen) und Epithelmuskelzellen. 16 3. Aufgabe: Anfertigen und Auswerten eines cytologischen Präparates von Hydra Mazeration Hydra auf Objektträger übertragen, Wasser weitesgehend absaugen und sofort 3-4 Tropfen Mazerationsflüssigkeit zugeben (1 Teil Glycerin, 1 Teil Eisessig, 13 Teile Wasser). Das Gemisch ca. 5 min einwirken lassen, dann Objektträger kreisend schütteln bis der Rumpf sich weitgehend aufgelöst hat, anschließend einen Tropfen Methylgrün zugeben (Kernfärbung, s.o.), Deckglas auflegen, überschüssige Flüssigkeit absaugen (abwechselnd von gegenüberliegenden Rändern her). Abb. 2.7: Zelltypen von Hydra nach Mazeration. 17 3. Übung: Annelida (Ringelwürmer) Anneliden zeigen einen bilateralsymmetrischen Aufbau, wobei ihr Körper in eine linear aufeinanderfolgende Vielzahl (10 - 700) von Segmenten gegliedert ist (Metamerie) und grundsätzlich eine vordere und eine hintere Körperhälfte unterscheiden lässt. Dieser äußeren Segmentierung liegt eine metamere Gliederung des Coeloms zugrunde, bei der jedes Segment von paarigen Coelomkammern erfüllt wird und zumindest bei den gleichartig (homonom) gegliederten Formen je eine vollständige Ausstattung an Ganglien, Nephridien und Gonaden enthält. Lediglich dem Kopflappen (Prostomium = Akron) und dem Anallappen (Pygidium) fehlen die Coelomsäcke. Die metamere Gliederung ist auch an den durchgehenden Organsystemen erkennbar. So besteht das Nervensystem aus einem Oberschlundganglion sowie einem Bauchmark, das durch zwei Nervenstränge gebildet wird, die sich in jedem Segment zu einem Paar Ganglien (Nervenknoten) verdicken und über Querfasern verbunden sind. Aufgrund dieser typischen Form wird das Nervensystem der Anneliden als Strickleiternervensystem bezeichnet. Völlige Gleichförmigkeit der Segmente (Homonomie) tritt allerdings nur bei ursprünglichen Formen auf. Meistens kommt es zu speziellen Differenzierungen funktionsmorphologisch einzelner verschiedene Segmentgruppen Regionen des (Heteronomie), Wurmkörpers so dass unterscheiden sich lassen. Beispielsweise bleiben bei den Oligochaeten die Gonaden auf wenige Segmente beschränkt und die Gameten werden dann durch spezialisierte Nephridien nach außen geleitet. Alle Coelomabschnitte werden von einem einschichtigen Coelomepithel (Coelothel) begrenzt, das Körpermediane und an den Segmentgrenzen mediane Mesenterien bzw. transversale Dissepimente bildet. Die Metanephridien, die in jedem Coelomabschnitt mit einem Wimpertrichter (Nephrostom) beginnen, durchstoßen das hintere Dissepiment und münden nach gewundenem Verlauf im nächstfolgenden Segment über den Nephroporus nach außen. Neben der metameren Körpergliederung unterscheiden sich die Anneliden von den ebenfalls wurmförmigen Plathelminthen und Nemathelminthen durch das Auftreten des Coeloms. Die segmental angeordneten Coelomräume sind flüssigkeitsgefüllt und wirken in ihrer Gesamtheit als hydrostatisches Skelett. Das gekammerte Coelom ermöglicht zusammen mit der antagonistisch wirkenden Ring- und Längsmuskulatur eine geradlinige Fortbewegung. Dabei laufen lokale Körperverdickungen und -verkürzungen, bedingt durch gleichzeitige Kontraktion der Längsmuskulatur und Erschlaffung der Ringmuskulatur, wellenartig von vorn nach hinten über den Wurmkörper hinweg. Die Entwicklung der Anneliden verläuft über eine doppelkegelige TrochophoraLarve. Der Körper ist von zwei ober- bzw. unterhalb der Mitte verlaufenden Wimperkränzen, dem Prototroch und dem Metatroch, umgeben. 1 18 Abb. 3.1: Polychaeten-Entwicklung Am oberen Ende befindet sich eine von einem Wimperschopf Sinneszellen bedeckte und Scheitelplatte, Ganglien enthält. die Als Ausscheidungsorgan besitzt die Larve zwei Protonephridien. Der Körper der Larve lässt sich in drei Teile gliedern: die präorale Episphäre, aus der sich das Prostomium des erwachsenen Tieres entwickelt, die postorale Hyposphäre, die den adulten Rumpf bildet, und schließlich der Afterbereich, aus dem sich das Pygidium bildet. Das Coelom ist eine rein mesodermale Bildung, welches aus einem Paar Urmesodermzellen hervorgeht. Über paarige Urmesodermstreifen bilden diese Zellen zunächst das Coelom der Trochophora-Larve. Während sich der präorale Teil der Larve zum coelomlosen Prostomium des adulten Wurms entwickelt, teilt sich das larvale Coelom synchron in 3 - 6 Segmente, die dann die vorderen Rumpfmetameren des adulten Wurms bilden. Die übrigen Segmente entstehen sukzessiv aus einer vor dem Pygidium gelegenen Sprossungszone (teloblastische Coelombildung). Abb. 3.2: Organisationsschema der Anneliden. Oben: Seitenansicht. Unten links: teils Dorsalansicht (in der Medianen) teils Horizontalschnitt (lateral). Unten rechts: Querschnitt. Abkürzungen: Au, Auge; Co, Coelom; Ct, Coelothel; Cu, Cuticula; Da, Darm; Dg, Dorsalgefäß; Dl, Darmlumen, Ds, Dissepiment; Ed, Epidermis; Ez, Eizellen; Gg, Ganglienpaar des Bauchmarks (ventrale Ganglienkette); Hm, Hautmuskelschlauch; Kn, Konnektive; Lm, Längsmuskulatur; Mn, Metanephridium; Mst, Mesenterium; Mu, Mundöffnung; Og, Oberschlundganglion; Pr, Prostomium; Rg, Ringgefäß; Rm, Ringmuskulatur; S 1,2,... Segmente (Metamere); Sk, Schlundkonnektive, Te, Tentakel; Vg, Ventralgefäß. 1 19 Die Anneliden lassen sich in die Klassen Polychaeta (Vielborster), Archiannelida (Urringelwürmer), Oligochaeta (Wenigborster), Hirudinea (Egel) sowie Myzostomida (Saugmünder) unterteilen. Oligochaeta (Wenigborster) Abb. 3.3: Lumbricus terrestris. Ventralansicht Abb. 3.4: Fortpflanzung Lumbricidae. Pfeile: Weg des des vorderen Körperabschnittes. Spermas Unten: Borstenstellung im Querschnitt. 4x Diese Anneliden zeichnen sich durch das Fehlen der Parapodien aus, von denen lediglich die Borsten erhalten geblieben sind; überdies sind am Kopf in der Regel keine Fühler vorhanden. Charakteristisch ist das Anschwellen einer bestimmten drüsenreichen Region der Epidermis, des sogenannten Gürtels (Clitellum), vor allem zur Zeit der Geschlechtsreife. Ein typischer Vertreter dieser Gruppe ist der Regenwurm (Lumbricus terrestris). Die mit einer Chitincuticula bedeckte Epidermis der Oligochaeten, wird im Falle der drohenden Austrocknung über Poren in den Coelomsäckchen mit Körperflüssigkeit feucht gehalten. Zur Zeit der Geschlechtsreife kommt es zu einem Anschwellen des Genitalbereichs. Es bildet sich das Clitellum, das über spezielle Drüsenzellen den Kokon für die Eiablage absondert. Die Wenigborster leben in der Regel als Zwitter, wobei die Befruchtung wechselseitig erfolgt. Beim Regenwurm (Lumbricus terrestris) besteht der Geschlechtsapparat aus zwei Paar Hoden, die im 11. und 12. Segment liegen, sowie einem Paar Eierstöcken (Ovarien) im 13. Segment. In den Segmenten 9, 10 und 11 befinden sich ebenfalls paarweise angeordnete Samensäckchen, in denen sich das in den Hoden produzierte Sperma sammelt. Eine wichtige Aufgabe haben auch die als Empfängnisorgane gebildeten 2 20 Samentaschen, in denen der Wurm das Sperma des Partners ablagert, bis es später bei der Eiablage zur Befruchtung kommt. Bei vielen Wenigborstern kommt aber auch der ungeschlechtlichen Fortpflanzung durch Querteilung des Körpers eine große Bedeutung zu. Allgemein besitzen sie eine stark ausgeprägte Regenerationsfähigkeit und können im Falle einer unfreiwilligen bzw. zu Fluchtzwecken erfolgten Teilung die fehlenden Körperteile ersetzen. Abb. 3.5: Lumbricus. Schema des Gefäßsystems im Querschnitt. Die Atmung erfolgt bei den Oligochaeten über die gesamte Hautoberfläche, lediglich einige Wasserbewohner sind mit Kiemen ausgestattet. Beim Regenwurm sind die beiden großen Blutgefäße im Rücken und Bauch durch Seitengefäße verbunden, deren Wände im Bereich der Speiseröhre kontrahierbar sind und in der Art eines Herzens die Blutzirkulation in Gang halten. Das Blut des Regenwurms ist durch darin enthaltenes Hämoglobin von roter Farbe. Literatur: R. Wehner; W. Gehring (1995) Zoologie; Thieme; Stuttgart V. Storch; U. Welsch (1996) Kükenthals Leitfaden für das Zoologische Praktikum; Fischer Stuttgart; 22. Auflage W. Westheide, R. Rieger (1996) Spezielle Zoologie – Teil 1: Einzeller und Wirbellose Tiere; Fischer; Stuttgart 2 21 Verlauf der Übung: 1. Äußere Inspektion (Binokular) und Präparation von Lumbricus terrestris nach Anleitung (Kükenthal) Tier an Prostomium und Pygidium unter Wasser feststecken, Dorsalseite nach oben! Medianschnitt von der Körpermitte bis zum Prostomium durch den Hautmuskelschlauch; dabei Körperwand mit der Pinzette anheben, um beim Schneiden den Darm nicht zu verletzen (Vorsicht!!). Bevor die Körperwandhälften auseinandergelegt und festgesteckt werden können, müssen die Dissepimente an der Innenseite des Hautmuskelschlauches schrittweise durchtrennt werden (aber nur jeweils zur Hälfte, da sonst die Metanephridien abgerissen werden!). Die zentralen Teile der Samenblasen (sog. Samenkapseln, im 10. und 11. Segment) dorsal öffnen und nach den beiden Hoden sowie den Öffnungen der Receptacula seminis suchen! Verfolgen Sie den Verlauf der Samenleiter! Etwas Samenblaseninhalt mikroskopisch untersuchen: Unterscheiden Sie Spermatogenesestadien und Spermien. Außerdem häufig zu sehen: Sporocysten und Sporen von Monocystis. Abb. 3.6: Lebenszyklus von Monozystis agilis aus den Samenblasen des Regenwurms. 2 22 2. Mikroskopieren und Zeichnen Sie den Querschnitt von Lumbricus terrestris: Abb. 3.7: Lumbricus terrestris, einige histologische Details und Feinheiten. 2 23 4. Übung: Plathelminthes (Plattwürmer) Die Plathelminthen sind einfach gebaute, unsegmentierte, dorsoventral abgeflachte, bilateralsymmetrische Tiere ohne Coelom (sekundäre Leibeshöhle). Im Gegensatz zu den Coelenteraten zeigen sie klar die Organisationsform der Triblastie. Zwischen der ektodermalen Epidermis und dem entodermalen Verdauungsepithel liegt das mesodermale Parenchym, in das alle inneren (mesodermalen) Organe eingebettet sind. Hierbei handelt es sich um eine lockere Anordnung von Zellen, die mit ihren pseudopodienartigen Zellfortsätzen ein interzelluläres Spaltensystem (Schizocoel) freilassen. Dieses Schizocoel dürfte die primäre Leibeshöhle verkörpern. Erstmals repräsentieren die Plathelminthen auch das Organisationsniveau von ,,Organtieren“. In ihrem reich differenzierten Parenchym liegt eine Vielzahl von Organen: Exkretions- und Genitalorgane, Muskeln und ein z.T. schon recht zentralisiertes Nervensystem mit Cerebralganglion und Marksträngen. (Von Organen spricht man dann, wenn die entsprechenden Gebilde auf eine jeweils eigene Organanlage zurückgehen und eine spezifische Organogenese durchlaufen). Darüber hinaus sind die Plathelminthen mit ihrem bilateralsymmetrischen Körperbau und dem deutlich betonten cranialen Körperpol (Cephalisation), wo die meisten Sinnesorgane, wie die Lichtsinnesorgane (Augen) liegen, zu gerichteter Fortbewegung befähigt. Die Auswertung der Sinnesreize wird vom Gehirn (Oberschlundganglion) vorgenommen. Als Nierenorgane dienen Protonephridien, blind geschlossene Kanalsysteme, an deren Ende Wimperflammenzellen (Reusengeißelzellen) die harnfähigen Stoffe aus dem umliegenden Gewebe sammeln. Die Entsorgung erfolgt über mit Treibwimperflammen versehene Kanäle, die in die Harnblase münden. Blutgefäßsystem und Atmungsorgane fehlen. Plathelminthen sind fast immer Zwitter mit stark entwickelten Geschlechtsorganen. Peripher im Parenchym liegen ringförmig, längs und diagonal verlaufende Muskeln. Dorsoventralmuskeln durchziehen das Parenchym, das mit seiner Turgeszenz als hydrostatisches Skelett antagonistisch zum Muskelsystem wirkt. Diesem Hautmuskelschlauch verdanken freilebende Plathelminthen ihre hohe Beweglichkeit. Wie die Coelenteraten weisen die Plathelminthen ein einheitliches, noch nicht nach Verdauungs-, Kreislauf- und Respirationsfunktionen untergliedertes Gastrovaskularsystem auf. Dieses blind endende Schlauchsystem, das mit zunehmender Körpergröße immer stärkere Verzweigungen zeigt, mündet über einen Pharynx (Schlund) mit einer einzigen Mund/After-Öffnung nach außen. Bei den Bandwürmern ist es zurück gebildet. Besonders bei den größeren Formen bedarf das Schizocoel einer Flüssigkeitsdrainage. Diese osmoregulatorische und gleichzeitig exkretorische Funktion übernehmen die Protonephridien. 2 24 Abb. 4.1: Schematischer Querschnitt durch einen Plathelminthen. Im Gegensatz zu dieser relativ einfachen Metazoenkonstruktion gehören die Fortpflanzungsorgane der meist zwittrigen Plattwürmer, die stets eine innere Besamung und damit Kopulationsorgane besitzen, zu den kompliziertesten des ganzen Tierreichs überhaupt. Im weiblichen Geschlecht gelangen die Eier aus dem Eierstock (Ovar) durch den Eileiter (Ovidukt) in die Schalendrüse (Ootyp), in die zahlreiche einzellige Drüsen ihr Sekret entleeren. Aus Dotterstöcken erreichen Dotterzellen ebenfalls den Ootyp. Dort werden mehrere Eizellen (z.B. bei Planarien) oder je eine Eizelle (z.B. beim Leberegel) mit bis zu 60 Dotterzellen in einem Kokon verpackt, so dass ,,zusammengesetzte Eier“ entstehen. Diese gelangen durch den Uterus und den Genitalporus nach außen. Das männliche Begattungsorgan (Penis), das ebenfalls durch den Genitalporus nach außen tritt, führt die Samenzellen durch einen besonderen Gang (Vagina) oder direkt durch den Genitalporus in den Uterus ein. In Anpassung an den Parasitismus haben die Saug- und Bandwürmer einen oft mehrfachen Wirtswechsel, die Saugwürmer zudem noch einen komplizierten Generationswechsel (Wechsel im Fortpflanzungsmodus) entwickelt. Bei diesem Generationswechsel können - wie beim Polypen-Medusen-Zyklus der Cnidarier - regelmäßig sexuelle und asexuelle Fortpflanzung aufeinander folgen (Metagenese) oder bisexuelle Generationen mit einer oder mehreren unisexuellen (= parthenogenetischen) Generationen alternieren (Heterogonie). Abb. 4.2: Organisation der Plathelminthes. A: Verdauungs- und Exkretionssystem B: ZNS C: Gonaden. 2 25 Klasse Turbellaria, Strudelwürmer Die Turbellaria bilden die basale paraphyletische Gruppe der Plattwürmer, sie sind meist Predatoren oder Aasfresser. Die meisten Arten leben im Meer, zahlreiche auch im Süßwasser. In den Tropen und in Gewächshäusern kommen Landplanarien wie Bipahum javanum vor, die 60 cm Körperlänge erreichen. Die marinen Formen sind meist benthisch, sehr viele gehören der Sandfauna, dem Mesopsammon, an und sind mikroskopisch klein. An der bretonischen Küste kommt Symsagittifera roscoffensis massenhaft vor und lebt in Endosymbiose mit Algen, welche die Entsorgung der Exkrete übernehmen. Planktische Süßwasserbewohner wie Dalyellia haben die Größe von Paramecien. Abb. 4.3: Organisationsschema Turbellaria Abb. 4.4.: Histologischer Querschnitt durch Dugesia gonocephala. 2 26 Klasse Trematoda, Saugwürmer Abb. 4.5: Fasciola hepatica. Eine Hälfte eines Querschnittes durch die Körpermitte. 20x Abb. 4.6: Organisationsschema des kleines Leberegels (Dicrocoelium dentriticum). Während die Strudelwürmer überwiegend frei leben, sind alle Saugwürmer Parasiten. Dies hat auch anatomische Konsequenzen. So besitzen sie als Adulte kein Flimmerepithel als Körperdecke, sondern Cuticularstacheln, außerdem Saugnäpfe oder Klammerhaken. Augen haben nur die freilebenden Larven. Bei den Trematoden schlüpfen aus den befruchteten Eiern der geschlechtlichen (zwittrigen) Generation Wimperlarven (Miracidien), auf die in zwei getrennten Wirten (meistens Mollusken) zwei stark vereinfachte, sich parthenogenetisch und vivipar vermehrende Generationen folgen (Sporocyste und Redie). Über eine meist frei schwimmende Larve (Cercarie) wird dann wieder die bisexuelle Generation im Wirbeltierwirt erreicht. 2 27 Abb. 4.7: Entwicklungsgang eines Trematoden: großer Leberegel (Fasciola hepatica). Klasse Cestoda, Bandwürmer Im geschlechtsreifen Zustand sind sie Darmparasiten bei Wirbeltieren und haben in extremer Anpassung an diese Lebensform sogar den eigenen Darm eingebüßt. Daher müssen sie die bereits vom Wirt für sich aufbereitete Nahrung, den Chymus des Dünndarmes, durch die Haut aufnehmen. Da sie in der Dunkelheit des Wirtsdarmes leben, sind den reifen Cestoden auch Lichtsinnesorgane verloren gegangen. Die Cestoden besitzen - von wenigen, gewiss sekundären Ausnahmen abgesehen - keinen Generationswechsel. Die aus der Larve hervorgehende Finne (in Leibeshöhle, Bindegewebe, Muskulatur oder Leber des Zwischenwirts) wächst nach Überführung in den Darm des Endwirts lediglich zur Adultform heran. Die Wachstumszone hinter dem Skolex, der als Verankerungsorgan im Wirtsdarm dient, liefert eine Kette von Gliedern (Proglottiden), die alle ein vollständig zwittriges Geschlechtssystem besitzen. Dabei reifen in den Proglottiden zunächst die männlichen, später die weiblichen Gonaden heran (Protandrie). Trotz der Ähnlichkeit der Proglottidenbildung mit einer vegetativen Vermehrung verkörpert ein Bandwurm keinen Tierstock. Muskulatur, Nervensystem und Protonephridien durchziehen den ganzen Körper; bei manchen Formen kann ein Genitalapparat sogar über mehrere Glieder hinweg greifen oder die Körpergliederung überhaupt ausbleiben. Bei den höchst entwickelten Arten sprossen in den Finnen mehrere Skolices, so dass eine ungeschlechtliche Vermehrung in den Entwicklungsgang eingeschaltet und damit ein Generationswechsel in Form einer Metagenese ausgebildet wird (z.B. Echinococcus). 2 28 Abb. 4.8: Proglottis mittleren Reifegrades vom Rinderbandwurm, Taenia saginata. Abb. 4.9: Entwicklungsgang eines Cestoden: Schweinebandwurm (Taenia solium). 2 29 Literatur: R. Wehner; W. Gehring (1995) Zoologie; Thieme Stuttgart V. Storch; U. Welsch (1996) Kükenthals Leitfaden für das Zoologische Praktikum; Fischer Stuttgart; 22. Auflage Verlauf der Übung 1. Aufgabe: Lebendbeobachtung einheimischer Planarien (Planaria sp.). Wie bewegen sich diese Tiere? 2. Aufgabe: Studium von Dauerpräparaten verschiedener Plathelminthen. Mikroskopieren und Zeichnen Sie zwei der Ihnen zur Verfügung stehenden Dauerpräparate. Klasse Turbellaria (Dugesia gonocephala, Planaria sp.) • Identifizieren Sie die wichtigsten Organsysteme. Klasse Trematoda (Kleiner Leberegel Dicrocoelium dendriticum, Großer Leberegel Fasciola hepatica) • Identifizieren Sie die wichtigsten Organsysteme und vergleichen Sie die beiden Trematoden! • Weist der Lebenszyklus von F. hepatica Unterschiede zu dem von D. dendriticum auf? Wenn ja welche? Denken Sie an die Lebensräume der Zwischenwirte und die Übertragungsarten von Wirt zu Wirt! Klasse Cestoda (Rinderbandwurm Taenia saginata, Hundebandwurm Echinococcus granulosus) • Identifizieren Sie die wichtigsten Organsysteme. 3 30 5. Übung: Mollusca (Weichtiere) Die Mollusken sind nach den Arthropoden der artenreichste Tierstamm (ca. 50.000 rezente Arten) und lassen sich in die folgenden 7 Klassen unterteilen: Aplacophora (Wurmmollusken), Monoplacophora (Napfschaler), Polyplacophora (Käferschnecken), Gastropoda (Schnecken), Scaphopoda (Grabfüßler), Bivalvia (Muscheln) und Cephalopoda (Kopffüßler). Die große Mehrzahl lebt ausschließlich marin (Aplacophora, Polyplacophora, Monoplacophora, Scaphopoda, Cephalopoda). Muscheln findet man auch in limnischen Lebensräumen und mit wenigen Ausnahmen terrestrisch (z.B. Pisidium-Arten in feuchter Erde). Die Gastropoden dagegen haben auch den terrestrischen Bereich vollständig erobert. Abb. 5.1: Organisationsschema eines beschalten Mollusken. (aus: Westheide, Rieger (1996)) Abb. 5.2: Mantelrand und Schalenbildung halbschematisch. (aus Westheide, Rieger (1996)) Mollusken besitzen primär einen bilateralsymmetrischen Körperbau. Der weiche, nicht segmentierte Körper gliedert sich allgemein in den muskulösen Kopffuß (Cephalopodium), den Mantel (Pallium) und den von ihm überwachsenen Eingeweidesack (Visceralkomplex). Zwischen Mantel und Eingeweidesack liegt die Mantelhöhle, in die die Kiemen hineinragen („Kiemenhöhle“) und in die auch Geschlechts- und Exkretionsorgane münden. Der Vorderdarm enthält meistens ein charakteristisches Raspelorgan (Radula), das dem Abkratzen von Nahrungsstücken dient. Neben den von den Kiemen kommenden Venen, dem Herz und kurzen Arterienstämmen weisen Mollusken ein über weite Strecken offenes Blutgefäßsystem auf. Lediglich bei Cephalopoden existieren neben offenen Lakunen 3 31 auch abgegrenzte Kapillarbezirke. Das Blut enthält oft als Atmungspigment Hämocyanin. Bei allen Mollusken wird die Coelomsegmentierung - und zum größten Teil auch das Coelom selbst zurückgebildet. Die Coelomhöhle bleibt auf den hinteren Körperabschnitt beschränkt, wo sie Herz, Nephridien und Gonaden umhüllt, d.h. als Pericard, Nierensack und Gonocoel ausgebildet ist. Die Körperhöhle der Mollusken entspricht der primären Leibeshöhle. Mit Ausnahme der Solenogastren, einer kleinen Gruppe wurmförmiger Mollusken mit derber, von Kalknadeln durchsetzter Cuticula, besitzen alle Mollusken primär eine Schale. Sie wird von einer Rinne am Mantelrand abgeschieden und besteht aus 2 Kalklagen (der inneren Perlmutterschicht und der äußeren Prismenschicht), die außen von einer Lage des chinongegerbten Proteins Conchiolin (Periostracum) gegen den Einfluss des Wassers geschützt werden. Der muskulöse Fußabschnitt liegt ventral und ist als Lokomotionsorgan zum Kriechen, Graben oder Schwimmen ausgebildet. Er trägt bei vielen Schnecken hinten ein schalenartiges Operculum, das nach Rückziehen des Fußes in die Schale die Gehäuseöffnung verschließt. Bei den Cephalopoden teilt sich der Fuß in 8, 10 oder mehr Arme auf (z.B. Nautilus bis zu 90). Gastropoden, Scaphopoden und Cephalopoden bilden dorsal einen Eingeweidesack in Form einer bruchsackartigen Vorwölbung der Rückenfläche, der bei adulten Tieren die inneren Organe wie Herz, Gonaden, Darm und Mitteldarmdrüse (Hepatopankreas) enthält. Der Darm wird wie bei röhrenbewohnenden Tieren in V-Form angelegt. Mollusken können getrennt geschlechtlich oder zwittrig sein. Die Entwicklung der Eier ist durch eine Spiralfurchung gekennzeichnet. Als Larve tritt häufig ein Typus auf, welcher der für die Anneliden typischen Trochophora ähnlich ist. Bei den höheren Mollusken entwickelt sich jedoch aus dieser Larve des Trochophora-Typs eine mit einem Segel ausgestattete Veliger-Larve. Das Zentralnervensystem der Mollusken ist in wenigen Ganglienpaaren konzentriert. Gastropoden und Cephalopoden besitzen einen hohen Cephalisationsgrad. Lediglich bei den zu Suspensionsfressern (Mikrophagen) modifizierten, meist wenig mobilen Muscheln ist der Kopf zurückgebildet. Ursprünglich sind bei Mollusken fünf getrennte Hauptganglienpaare vorhanden: Cerebralganglien, die vor allem Afferenzen von den Sinnesorganen (Fühlern, Augen, Statocysten) erhalten; Pedalganglien, die die Fußmuskulatur motorisch versorgen; Pleuralganglien, die den Mantelrand innervieren, sowie Parietal- und Visceralganglien (Eingeweideganglien) am Körperende, die bei manchen Gruppen zum Abdominalganglion verschmelzen. Den höchsten Grad der Gehirnbildung haben die Cephalopoden erreicht. Die sensorischen Zentren sind in dem über dem Oesophagus gelegenen Hirnteil (Cerebralganglion) lokalisiert. Ihnen sind die motorischen Zentren als Unterschlundganglion, einem Verschmelzungsprodukt aller übrigen Ganglienpaare, angeschlossen. Innere Skelettstücke aus Knorpelgewebe umschließen Gehirn und Schweresinnesorgane und stützen die Augenhöhlen (Schädelkapsel). Der Feinbau einzelner Gehirnregionen und das Auftreten von Assoziationsfeldern mit hohen integrativen Leistungen (Lernvermögen) zeigen enge Analogien zum Cortex der Wirbeltiere. 3 32 Abb. 5.3: Gastropoda. Augentypen. (A) Offenes Blasenauge mit Glaskörper (Haliotis sp.). (B) Geschlossenes Blasenauge mit Linse, Glaskörper und Cornea (Helix pomatia). Abb. 5.4: Veliger-Larve von Schnecken (Prosobranchia). (A) Crepidula und (B) Nossa. Fu, Fuß; Mu, Mund; Op, Operculum; Sc, Embryonalschale; Te, Tentakel mit Auge; Ve, Velum. Literatur: R. Wehner; W. Gehring (1995) Zoologie; Thieme; Stuttgart V. Storch; U. Welsch (1996) Kükenthals Leitfaden für das Zoologische Praktikum; Fischer Stuttgart; 22. Auflage W. Westheide, R. Rieger (1996) Spezielle Zoologie – Teil 1: Einzeller und Wirbellose Tiere; Fischer; Stuttgart 3 33 Gastropoda (Schnecken) Die Gastropoda lassen sich in die drei Unterklassen Streptoneura (= Prosobranchia; Vorderkiemer), Opistobranchia (Hinterkiemer) Vorderkiemern überkreuzen und sich Pulmonata die langen (Lungenschnecken) paarigen untergliedern. Konnektive zwischen Bei den Pleural- und Parietalganglien (Streptoneurie), was sich als Folge einer Torsion des Eingeweidesacks verstehen lässt. Diese ontogenetische Drehung des gesamten Eingeweidesacks, die eine phylogenetische Entwicklung nachzeichnet, verlagert die ursprünglich hinten angelegte Mantelhöhle mit den Kiemen und den verschiedenen Exkretionspori nach vorn. Gleichzeitig wird bei den höher entwickelten Formen die Zahl der Kiemen, Exkretionsorgane und Herzvorhöfe von 2 auf 1 reduziert. Die biologische Bedeutung dieser Torsion besteht möglicherweise in der Verlagerung der Kiemenhöhlenöffnung an den Vorderpol des Tieres, wo aus strömungstechnischen Gründen bessere Ventilationsmöglichkeiten bestehen. Dafür spricht, dass bei den Opisthobranchiern eine zumindest teilweise Rückdrehung des Eingeweidesacks stattfindet, gleichzeitig aber die Schale über der Kiemenhöhle stark oder völlig reduziert wird und an der dadurch frei werdenden dorsalen Körperoberfläche sekundäre Respirationsorgane entstehen. Bei den Pulmonaten fehlt die Nervenüberkreuzung ebenfalls, weil alle Ganglien soweit nach vorn zusammengerückt sind, dass sie von der Torsion gar nicht mehr erfasst werden können. Abb. 5.5: Phylogenetische Entstehung der asymmetrischen Organisation der rezenten Gastropoda durch die Torsion des Eingeweidesacks und die Spiralisierung. Die bilateralsymmetrische „Urschnecke“ wurde nach fossilen Resten konstruiert, das Übergangsstadium ist ebenfalls hypothetisch. 3 34 Literatur: R. Wehner; W. Gehring (1995) Zoologie; Thieme; Stuttgart V. Storch; U. Welsch (1996) Kükenthals Leitfaden für das Zoologische Praktikum; Fischer Stuttgart; 22. Auflage W. Westheide, R. Rieger (1996) Spezielle Zoologie – Teil 1: Einzeller und Wirbellose Tiere; Fischer; Stuttgart Verlauf der Übung: 1. Aufgabe: Äußere Inspektion und Präparation der Weinbergschnecke (Helix pomatia) Schritt für Schritt nach der Anleitung im Kükenthal. 1.1. Körperabschnitte: Schale entfernen: Schalenwindungen mit dem Griff einer starken Pinzette oder Ähnlichem brüchig schlagen; Schalenbruchstücke vom Mantelrand aus Stück für Stück abtragen und die darunter liegende Haut nicht verletzen! Obere Eingeweidesackwindungen vor dem Herausziehen aus der Schale von der Columella (Schalenspindel) trennen. Kopf: • Wo liegen Mundlappen, Mundöffnung, Fühler (wie viele?), Augen (everse Linsenaugen) und Genitalöffnung? Fuß: Der Fuß der Schnecken ist ein großes muskulöses Organ, das der Fortbewegung dient. Das Kriechen der Fußsohle beruht auf wellenartigen Kontraktionen der Fußmuskulatur von hinten nach vorne. An lebenden Exemplaren, die auf einer Glasplatte laufen, lässt sich das gut beobachten. Die Fußdrüse (sezerniert Mucopolysaccharide als Gleit- und/oder Haftsubstanzen) mündet unterhalb der Mundöffnung am Vorderrand des Fußes. Mantel: • Welche Rumpfregion stellt den Mantel dar? Wo liegen Atemöffnung und Lungenvene? Funktionen des Mantels: Schalenbildung (am Rand: Flächenwachstum; über das gesamte Mantelepithel: Dickenwachstum); umschließt und schützt den Eingeweidesack und die Atemhöhle, Decke der Atemhöhle = respiratorisches Epithel („Lunge“); der Boden der Atemhöhle ist muskulös und entspricht funktionell unserem Zwerchfell (Ventilation der Atemhöhle). 3 35 Öffnen der Mantelhöhle (1. Schnitt): Am Atemloch Mantelrandwulst einschneiden; an der Grenze von Randwulst und dünner Aderhaut bis zum Hinterrand des Herzens schneiden, hier Aorta durchtrennen, dann mit tieferem Schnitt Hinterrand der Niere von Mitteldarm trennen; Aderhaut mit anheftender Niere nach rechts aufklappen und randlich feststecken. Präparation der inneren Organe: Aderhaut der Atemhöhle mit anhängender Niere entlang des Enddarmes herausschneiden; Mantelrandwulst entfernen! 2. Schnitt: Medianschnitt durch die Haut des Vorderkörpers bis zum Mund; dann den Boden der Atemhöhle und die dünne Haut des Eingeweidesackes median bis zur oberen Windung aufschneiden. Eingeweideorgane freilegen: Mantelhöhlenboden entfernen, Haut von den Windungen des Eingeweidesackes abziehen, im Bereich des Eingeweidesackes Darmschlingen und obere Abschnitte des Genitalsystems aus der Mitteldarmdrüse freipräparieren; dann die unteren Abschnitte der Genitalorgane freilegen; Bindegewebe zwischen den Organen durchtrennen; Organe auseinanderlegen und mit Nadeln feststecken! Abb. 5.6: Präparierte Gonade von Helix pomatia. Helix ist ein proterandrischer Zwitter: zunächst fungieren die Tiere als Männchen, produzieren Spermien und befruchten sich gegenseitig, dann werden sie zu Weibchen und produzieren Eier. Die Spermien verbleiben ca. 1 Monat in der Befruchtungstasche. 2. Aufgabe: Fertigen Sie im Anschluss Präparate der Radula und des Liebespfeiles an. 3. Aufgabe: Mikroskopieren Sie die Querschnitte von Chiton sp. (Käferschnecken) und Allotheutis sp. und fertigen Sie Zeichnungen an. 3 36 Abb. 5.7: Helix pomatia, innere Organisation. 3 37 Cephalopoda, Kopffüßer Verlauf der Übung: 1. Aufgabe: Äußere Inspektion und Präparation des Kalmars (Loligo vulgaris) Schritt für Schritt nach der Anleitung im Kükenthal. 2. Aufgabe: Fertigen Sie im Anschluss Präparate der Radula und der Statolithen an. 3 38 6. Übung: Nemathelminthes (Rund- Fadenwürmer) Bei den Nemathelminthen ist im Gegensatz zu den Plathelminthen der Raum zwischen Darm und subepithelialer Längsmuskelschicht vollständig von Flüssigkeit erfüllt. Die starke Turgeszenz dieser Körperhöhle wirkt zusammen mit der Cuticula als elastischer Antagonist zur umgebenden Längsmuskelschicht (Hydroskelett). Als gruppentypische Kennzeichen der Nemathelminthen können ferner das häufige Auftreten syncytialer Zellverbände (z.B. in der Epidermis) und die verbreitete, aber nur im Nervensystem streng gültige Zellkonstanz (Eutelie) gelten. Die Funktionen von Organen werden in den meisten Fällen von einheitlich gestalteten Epithelien ausgeführt. Die Nemathelminthen gliedern sich in 6 Klassen. Von diesen sind die Fadenwürmer (Nematoda), Saitenwürmer (Nematomorpha) und Kratzer (Acanthocephala) unbewimpert, während bei den Bauchhaarlingen (Gastrotricha) die Bauchseite bewimpert ist. Die Rädertiere (Rotatoria) verfügen über ein besonderes Räderorgan aus Cilien am Vorderende, das dem Herbeistrudeln von Nahrung und der Fortbewegung dient. Außerdem besitzen sie einen eigentümlichen Kauapparat, den Mastax. Klasse Nematoda (Fadenwürmer) Abb. 6.1: Schema eines (A) weiblichen und (B) männlichen Nematoden (Ascaris). Af, After; Da, Darm; Ep, Exkretionsporus; Ex, Exkretionskanal; Ho, Hoden; Kl, Kloake; Mu, Mundöffnung; Nd, Dorsalnerv; Nr, apikaler Nervenring; Nv, Ventralnerv; Ov, Ovarium; Ph, Pharynx; Sp, Spicula; Ut, Uterus; Va, Vagina. 3 39 Abb. 6.2: Schematischer Querschnitt durch einen Nematoden (Ascaris). Cu, Cuticula; Da, Darmepithel; Ed, Epidermis; El, Epidermisleiste; Ex, Exkretionskanal; Go, Gonaden; Mz, Längsmuskelzelle; Nd, Dorsalnerv; Nv, Ventralnerv; pL, primäre Leibeshöhle. Die Klasse der Nematoda ist eine sehr erfolgreiche Tiergruppe mit freilebenden Arten im Boden, Süßund Meerwasser sowie zahlreichen parasitischen Arten in Pflanzen und Tieren. Die parasitischen Fadenwürmer sind getrenntgeschlechtlich. einwirtig (monoxen) oder Der Zwergfadenwurm haben besitzt Wirtswechsel. einen Die Wirtswechsel meisten zwischen sind einer parthenogenetischen parasitischen und einer freilebenden getrennt geschlechtlichen Generation. Es gibt Zwerge wie die Microfilarien (200-300 µm) und Riesen wie Placentonema gigantissima, dessen Weibchen in der Plazenta des Pottwals 8,4 m lang werden. Der Körperbau der Nematoden ist drehrund, unsegmentiert und fadenförmig. Die Tiere sind längenkonstant. Der Fortbewegungsmechanismus ist einfach und erfolgt mit Hilfe des erwähnten Hydroskeletts. Der aus Längsmuskeln bestehende Hautmuskelschlauch um die Flüssigkeitssäule des Pseudocoels ermöglicht lediglich schlängelnde Bewegungen, die wegen des ungegliederten zentralen Flüssigkeitsraumes zudem stets den ganzen Körper einbeziehen. Die Längsmuskeln grenzen innen an eine dünne syncytiale Epidermis, die vier in die Leibeshöhle vorspringende Längswülste (Epidermisleisten) bildet. Einzigartig im Tierreich, entsenden die Muskelzellen Cytoplasmafortsätze zu den benachbarten Längsnervensträngen. Abb. 6.3: Nerv-Muskel-Kontakte bei Ascaris. Ax, Axon; Cu, Cuticula; Ed, Epidermis; El, Epidermisleiste Längsnervenstrang ziehender mit Nervenlängsstrang; Muskelfortsatz Mf 1 , (zum zum Axon postsynaptisch); Mf 2 , myofibrillenhaltiger Muskelfortsatz (kontraktil); Mz, Zellkörper der Muskelzelle. 4 40 Abb. 6.4: Cuticula beim Spulwurm Ascaris. Der Winkel von 75° zwischen den spiraligen Fasern der Cuticula und der Längsachse Antagonismus Längsmuskeln des Körpers zwischen des den erlaubt einen ventralen Hautmuskelschlauchs effektiven und und dorsalen macht Ringmuskeln überflüssig. Ein entscheidendes Konstruktionsmerkmal, das den Nematoden die Besiedelung der verschiedensten Biotope erlaubt, ist die besonders widerstandsfähige Körperdecke, das Tegument. Es besteht aus der derben Cuticula und der darunter liegenden Hypodermis oder Epidermis. Die Cuticula überzieht nicht nur die Körperoberfläche, sondern auch die Mundhöhle, die Speiseröhre und den Enddarm, den Endabschnitt der Vagina und den Exkretionskanal. Hauptaufgabe der Cuticula ist der Schutz vor Umwelteinflüssen und außerdem hält sie zusammen mit dem Turgor der Leibeshöhle (Pseudocoel) die Körperform aufrecht. Sie wirkt damit ebenfalls als Antagonist der Muskulatur. Die äußerste Lage ist die Epicuticula, welche 6-40 nm dick sein kann. Unter der dünnen Epicuticula liegen die corticale, die mediale und die basale Schicht. Nematoden durchlaufen während ihrer Individualentwicklung 4 Häutungen, bei denen die alte Cuticula abgeworfen und durch eine neue ersetzt wird, die zuvor an der hypodermalen Oberfläche gebildet wird. Zuerst wird die Epicuticula neu gebildet, dann entstehen die anderen Schichten. Anders als bei den Arthropoden kann die Cuticula der Nematoden zwischen den Häutungen wachsen und sich verdicken. Der Darm ist in mehrere funktionell unterschiedene Abschnitte gegliedert. Mund und After sind getrennt. Spezielle Respirations- und Zirkulationssysteme fehlen, vielfach auch eigene Exkretionssysteme, deren Funktion dann von Epidermis- und Darmepithelien übernommen wird. Bei Ascaris verlaufen in den beiden seitlichen Epidermisleisten langgestreckte Exkretionskanäle, die sich in der vorderen Körperhälfte vereinigen und durch einen Exkretionsporus nach außen münden. All diese Kanäle liegen im Inneren einer einzigen, wimperlosen, H-förmigen Zelle, die vor allem der Osmoregulation dient. Typisch für die Rundwürmer ist ferner ein relativ niedriger Cephalisationsgrad: Im Bereich des Vorderendes besteht das Nervensystem lediglich aus einem den Pharynx umfassenden Schlundring, über den die Nervenzellen meistens diffus verteilt sind. Zwei Markstränge führen in der dorsalen und ventralen Epidermisleiste nach hinten. Die Fortpflanzung erfolgt bei den fast stets getrennt geschlechtlichen Nematoden rein bisexuell und auch bei den nicht parasitischen Arten nicht asexuell oder parthenogenetisch. Damit fehlen hier die komplexen Generationswechsel, die viele Plathelminthen auszeichnen. Bei den parasitischen Arten kommt Wirtswechsel dagegen häufig vor. Ascaris lumbricoides (Spulwurm des Menschen, 20 – 40 cm) und der sehr nahe verwandte Ascaris suum (Schwein) parasitieren im Dünndarm. Noch in ihrer Eischale eingeschlossen, werden die Larven mit verunreinigter Nahrung aufgenommen, treten vom Darm ins Blut über, durchbohren die 4 41 Lungenkapillaren und gelangen durch die Luftröhre in die Speiseröhre und wieder in den Darm. Während dieser dreiwöchigen ,,Rundreise" benötigt die Larve noch Sauerstoff (aerober Stoffwechsel); später kann Ascaris anaerob leben. Trichinella spiralis (Trichine, 2-4 mm). Sie entwickelt sich unter Wirtswechsel und wird geschlechtsreif im Darm von Ratte, Schwein, Mensch u.a. Das Weibchen gebärt bis zu 1500 lebende Junge, die in die Lymphgefäße eindringen und ins Blut gelangen, aus dem sie durch Kapillaren in die Muskeln auswandern. Dort wachsen sie bis zu einer Länge von 1 mm heran, spiralisieren sich und werden vom Wirtsgewebe abgekapselt. Im Magen eines neuen Wirts wird die Kapsel gelöst. Die junge ,,Muskeltrichine“ entwickelt sich zur geschlechtsreifen „Darmtrichine“. Trichinen treten z.T. bei Wildtieren (Ratten, Wildschweinen) auf. Aufgrund der amtlich vorgeschriebenen Fleischbeschau bei Haus- und Wildtieren, ist die „Muskeltrichine“ sehr selten geworden. Literatur: R. Wehner; W. Gehring (1995) Zoologie; Thieme; Stuttgart V. Storch; U. Welsch (1996) Kükenthals Leitfaden für das Zoologische Praktikum; Fischer; Stuttgart; 22. Auflage Verlauf der Übung 1. Aufgabe: Äußere Inspektion und Präparation fixierter Spulwürmer aus dem Schweinedarm Die Präparation erfolgt nach der Anleitung im Kükenthal. Beschriften und identifizieren Sie die auf dem Schema gekennzeichneten Strukturen anhand des Kükenthals. Die Sektion erfolgt im Präparierbecken unter Wasser; Tiere mit der Rückenseite nach oben, vorn und hinten mit je einer Nadel feststecken; Körperwand von hinten nach vorn dorsomedian aufschneiden, auseinanderlegen und mit einer Serie von Nadeln feststecken. Aus der vorderen und hinteren Uteruswand je ein kurzes Stück herausschneiden, längs auftrennen, auf einem Objektträger in etwas Wasser Inhalt herausspülen und mikroskopieren. 4 42 2. Aufgabe: Mikroskopieren und Zeichnen Sie einen Querschnitt von Ascaris sp. Abb. 6.5: Ascaris sp. 4 43 3. Aufgabe: Mikroskopieren Sie die Dauerpräparate von Trichinella spiralis. Abb. 6.6: Trichinella spiralis 4 44