PRAKTISCHE KARDIOLOGIE JOURNAL BY FAX IN ZUSAMMENARBEIT MIT DEM BUNDESVERBAND NIEDERGELASSENER KARDIOLOGEN REDAKTION: W. BÖHM, Amberg; D. JESINGHAUS, Saarbrücken; F. SONNTAG, Henstedt-Ulzburg; N. WITTLICH, Mainz; R. ZIMMERMANN, Pforzheim 5. Jahrgang 2002; Nr. 33 Präoperatives kardiales Assessment – wie ausführlich und bei wem? Teil II Bevor Sie jetzt weiterlesen, empfiehlt es sich, sich die Systematik der im Teil I aufgeführten Tabellen noch einmal zu vergegenwärtigen. Die meisten Patienten, die sich mit der Frage nach dem kardialen Operationsrisiko in der Praxis vorstellen, werden zu den Gruppen mit einem mittleren und niedrigen Risiko gehören, auch die Eingriffe, denen sie sich unterziehen sollen, sind hier einzuordnen. Die dazu notwendigen Daten lassen sich direkt erfragen oder sind bekannten anamnestischen Angaben zu entnehmen. Es stellt sich die Frage, ob und ggf. welche apparativen Untersuchungen noch erforderlich sind. Weiterführende Untersuchungen Sie machen im Rahmen der präoperativen Risikoabschätzung nur dann Sinn, wenn ihre Ergebnisse Therapie und weiteren Verlauf beeinflussen. Für die häufigen Konstellationen „Patient und Operation mit mittlerem oder niedrigen Risiko“ ist die Wahrscheinlichkeit für kardiale Komplikationen so niedrig, dass durch therapeutische Interventionen keine wesentliche Verbesserung zu erzielen ist und deshalb im Vorfeld diagnostische Maßnahmen nicht sinnvoll sind. Anders ist die Situation bei Operationen mit hohem Risiko; hier ist auch bei Patienten mit mittlerem Risiko und/oder schlechtem funktionellen Status eine weitere Diagnostik angezeigt (s. Tab. IV). Untersuchungen Wichtigste Untersuchung ist ohne Zweifel die Ergometrie bzw. eine Untersuchung mit pharmakologischer Belastung (Stressechokardiographie, Myokardszintigraphie), wenn der Patient außer Stande ist, Fahrrad zu fahren oder Veränderungen im Ruhe-EKG (LSB, Hypertrophie-Zeichen, digitalisinduzierte Veränderungen, WPW-Syndrom) eine Beurteilung belastungsinduzierter Auffälligkeiten nicht erlauben. Das sog. Routine-EKG ist bei der Risikoabschätzung in aller Regel ohne Wert; auch eine Echokardiographie ist zu diesem Zweck wenig hilfreich, es sei denn, es besteht eine bislang nicht untersuchte Herzinsuffizienz oder eine schwere Dyspnoe unbekannter Ursache. Ein guter Wegweiser bei der Entscheidung für oder gegen weitere Untersuchungen ist die Tab. IV. Herr K., dessen kardiovaskuläres Risiko in einem mittleren Bereich lag, ist zwar insulinpflichtiger Diabetiker, jedoch gut und beschwerdefrei belastbar, und die Prostatektomie hat nur ein mittleres Risiko. Bei einer weiteren Diagnostik wären keine Ergebnisse zu erwarten, die das mittlere Risiko (1 – 5 % Wahrscheinlichkeit für kardiale Ereignisse) per Therapie weiter senken würden. Er kann also ohne weitere kardiologische Untersuchungen operiert werden! Bewusst außen vor gelassen wurden Patienten mit hohem Risiko; sie sind überwiegend akut erkrankt und werden meist in der Klinik behandelt. Sind sie in ambulanter Betreuung vor der Operation, sollten sie einem Kardiologen vorgestellt werden. Merke 3 Parameter nach einer 3-stufigen Skala beurteilen: Risikomarker (1) und Leistungsfähigkeit (2) des Patienten, kardiovaskuläres Risiko der OP (3). Meist ist keine weitere Evaluation nötig, da keine Ergebnisse zu erwarten sind, die das weitere Prozedere beeinflussen. Das Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen ist insgesamt sehr niedrig. Achtung: Vor OPs mit hohem Risiko sollte i. d. R. eine Belastungsuntersuchung durchgeführt werden; dies auch bei mittlerem Risiko des Patienten bzw. OP-Risiko sowie bei niedriger Leistungsfähigkeit. Tab. IV Indikation zur weiteren präoperativen kardiologischen Diagnostik bei Pat. mit mittlerem und niedrigem kardiovaskulär OP-Risiko kv Risiko der Patienten Risiko / Leistungsfähigkeit Operation mittel/ < 50 W mittel/> 50W niedrig/< 50 W niedrig/ > 50 W Hoch Abklärung Abklärung Abklärung zur Op Mittel Abklärung zur Op zur Op zur Op Niedrig zur Op zur Op zur Op zur Op Merke: Vor OPs an großen Gefäßen/großer Blut- und Flüssigkeitsverlust → Abklärung, sonst nur bei der Konstellation gering belastbarer Patient und mittlere Risikoklasse von Patient und Operation. Peter Grooterhorst, Mühlheim