Differentialgleichungen und Hilberträume Sommersemester 2014

Werbung
Prof. Dr. Wolfgang Reichel
Dipl.-Math. Anton Verbitsky
Institut für Analysis
Differentialgleichungen und Hilberträume
Sommersemester 2014
Übungsblatt 13
Aufgabe 1
Sei H ein separabler Hilbertraum, K : H → H ein kompakter und symmetrischer Operator und
(φk )k∈N eine Orthonormalbasis aus Eigenvektoren von K. Betrachten Sie für b ∈ H die lineare
Gleichung
(Id −K)x = b.
(∗)
Zeigen Sie:
(a) Falls 1 kein Eigenwert von K ist, dann besitzt (∗) eine eindeutige Lösung x. Bestimmen
Sie eine Darstellung von x mit Hilfe der φk .
(b) Falls 1 ein Eigenwert von K ist, dann besitzt (∗) genau dann eine Lösung, falls b ⊥
N (Id −K) ist, wobei N (Id −K) der Nullraum von Id −K ist.
Lösung zur Aufgabe 1:
Das Spektrum von A ∈ L(H) umfasst alle komplexen Zahlen λ, für die der Operator λ−A nicht
invertierbar ist. Drei Fälle sind möglich. Erstens, λ − A kann nicht injektiv sein — dann heißt λ
Eigenwert, die Menge aller Eigenwerte heißt Punktspektrum und die Elemente aus N (λ−A)\{0}
heißen Eigenvektoren bzw. Eigenfunktionen. Zweitens, λ − A ist injektiv und nicht surjektiv,
aber (λ−A)(H) ist dicht in H — dann heißt die Menge solcher λ’s das kontinuierliche Spektrum.
Drittens, λ − A ist injektiv, aber nicht einmal der Abschluss von (λ − A)(H) ergibt den ganzen
Raum H — solche λ’s heißen Restspektrum. Ein Satz aus der Funktionalanalysis, der Satz über
stetige Inverse, besagt, dass aus Bijektivität von λ − A die Stetigkeit der Inversen folgt.
Sei jetzt H = Rd . Hier ist die Situation besonders einfach: ist eine Matrix injektiv, so ist sie
auch surjektiv. Man kann also nur Punktspektrum haben. Der Hauptsatz der Algebra besagt,
dass es genau d (mit Vielfachheit gezählte) Eigenwerte gibt. Ist eine Matrix symmetrisch, dann
sind die Eingenwerte reell und die zu unterschiedlichen Eigenwerten zugehörige Eigenvektoren
orthogonal.
(a) Sei v ∈ H. Dann liefert die Stetigkeit von K
∞
∞
∞
X
X
X
Kv = K
hv, φi iφi =
K(hv, φi iφi ) =
λi hv, φi iφi ,
i=1
i=1
i=1
wobei λi der Eigenwert zum Eigenvektor φi sei. Damit ist das Problem (Id −K)x = b
äquivalent zu
∞
∞
X
X
(1 − λi )hv, φi iφi =
hb, φi iφi .
i=1
i=1
Wir gleichen die Koeffizienten der Entwicklung ab und setzen
∞
X
hb, φi i
v :=
φi .
1
−
λ
i
i=1
Damit v ∈ H gilt, muss man nach der Parsevalschnen Gleichheit
∞ X
hb, φi i 2
1 − λi < ∞
i=1
zeigen. Nach dem Satz 14.2 ist Null der einzige mögliche Häufungspunkt von (λi )i∈N .
Damit hat man |1 − λi | ≥ 0 für alle i ∈ N mit einem 0 > 0, d.h.
∞
∞ X
X
hb, φi i 2
1
≤ 1
|hb, φi i|2 = 2 kbk2 < ∞.
2
1 − λi 0 i=1
0
i=1
Wir bekommen auch
n
X
hb, φi i
(Id −K) lim
φi
n→∞
1
−
λ
i
i=1
!
= lim
n→∞
n
X
hb, φi iφi
!
=b
i=1
Angenommen, die Lösung wäre nicht eindeutig. Dann existiert eine weitere Lösung w ∈ H
mit hw, φj i =
6 hv, φj i für ein j ∈ N. Da aber K symmetrisch ist, folgt ein Widerspruch:
hv, φj i =
1
1
1
hb, φj i =
h(Id −K)w, φj i =
hw, (Id −K)φj i = hw, φj i.
1 − λj
1 − λj
1 − λj
a) Laut Satz 14.2 ist der Nullraum M := N (Id −K) endlichdimensional. Wir definieren
B ⊂ N durch B := {i ∈ N | Kφi = φi }. Nach Definition hat man φi ∈ M dann und genau
dann, wenn i ∈ B. Darüber hinaus bildet {φi }i∈B eine Basis von M . Angenommen, es
gibt ψ ∈ M \ LH{φi | i ∈ B}. Dann hat man hψ, φk0 i 6= 0 für ein k0 ∈ N \ B, da {φi }i∈N
eine Basis von H ist. Dies ist unmöglich wegen
0 = h(Id −K)ψ, φk0 i = hψ, (Id −K)φk0 i = (1 − λk0 )hψ, φk0 i =
6 0
| {z }
6=0
Wir haben also b ⊥ M ⇔ hb, φi i = 0, für alle i ∈ B. Damit ist die Gleichung (Id −K)x = b
äquivalent zur Gleichung
X
X
(1 − λi )hv, φi iφi =
hb, φi iφi
| {z }
i∈N\B
6=0
i∈N\B
die nach a) lösbar ist. Umgekehrt, ist die Gleichung (Id −K)x = b lösbar, aber hb, φk0 i =
6 0
für ein k0 ∈ B dann liefert
0 = hx, (Id −K)φk0 i = h(Id −K)x, φk0 i = hb, φk0 i =
6 0
einen Widerspruch.
Aufgabe 2
Sei Ω ⊂ Rn beschränkt und offen sowie c ∈ L∞ (Ω) mit c ≥ 0.
(a) Zeigen Sie, dass durch
Z
9u9 :=
1/2
|∇u| + c(x)|u| dx
2
2
Ω
eine Norm auf H01 (Ω) erklärt ist, die zur H01 -Norm äquivalent ist.
(b) Zeigen Sie, dass das Randwertproblem
−∆u + c(x)u = f (x) in Ω,
u = 0 auf ∂Ω
für jedes f ∈ L2 (Ω) genau eine schwache Lösung u ∈ H01 (Ω) besitzt.
Lösung zur Aufgabe 2:
Seien (X, k · kX ) und (Y, k · kY ) zwei normierte Räume. Man sagt, dass X stetig in Y eingebettet
ist, falls X ⊂ Y und kxkY ≤ CkxkX gilt für alle x ∈ X mit einem C > 0. Zum Beispiel ist der
Sobolevraum H 1 (Ω) stetig in L2 (Ω) eingebettet, denn H 1 (Ω) ⊂ L2 (Ω) und
kuk2L2 ≤ kuk2L2 + k∇uk2L2 = kuk2H 1 .
Manchmal ist es günstig unterschiedliche Normen auf demselben Raum zu betrachten. Aus
LA/Numerik sind die Vektornormen auf Rd bekannt:
kxk1 :=
d
X
|xi |,
i=1
v
u d
uX
x2i ,
kxk2 := t
i=1
kxk∞ := max |xi |.
1≤i≤d
Die sind paarweise äquivalent, d.h. man kann jede davon durch eine andere abschätzen, z.B.:
max |xi | ≤
1≤i≤d
d
X
i=1
|xi | ≤ d max |x|.
1≤i≤d
Diese Situation ist allgemein: auf einem endlichdimensionalen Raum sind alle Normen äquivalent ((ein anderer) Satz von Riesz). Äquivalente Normen erzeugen die gleichen Konvergenzbegriffe: ist eine Folge konvergent (bzw. Cauchy-Folge) in einer Norm, dann ist sie auch konvergent
(bzw. Cauchy-Folge) in einer äquivalenten Norm.
a) Aus der Vorlesung ist bekannt, dass man zwei Normen auf H01 (Ω) hat
kuk2H 1 = kuk2L2 + k∇uk2L2 ,
kukH01 = k∇ukL2 ,
die nach der Poincaré-Ungleichung 12.3 äquivalent sind:
kukH01 ≤ kukH 1 ≤ Cp kukH01 ,
u ∈ H01 (Ω).
Wir können damit abschätzen
kuk2H 1 ≤ 9u92 ≤ k∇uk2 + kckL∞ kuk2L2 ≤ max{1, kckL∞ }kuk2H 1
0
≤ max{1, kckL∞ }Cp2 kuk2H 1
0
Dass 9 · 9 eine Norm ist, folgt aus dem Beweis für b).
b) Die schwache Formulierung des Problems lautet
Z
Z
∇u · ∇φ + c(x)uφ dx =
f (x)φ dx,
Ω
∀φ ∈ C0∞ (Ω).
Ω
Wir definieren ein neues Skalarprodukt auf H01 (Ω) durch
Z
(u | v) :=
∇u · ∇v + c(x)uv dx.
Ω
Die Linearität, Symmetrie und Positivität folgen unmittelbar und die Definitheit folgt
aus a):
0 = (u | u) = 9u92 ≥ kukH01 ⇒ kukH01 = 0 ⇒ u = 0.
Da 9 · 9 und k · kH01 äquivalent sind, ist (H01 , (· | ·)) auch ein Hilbertraum. Das Funktional
R
v 7→ Ω f v dx ist stetig auf (H01 , (· | ·)):
Z
f vdx ≤ kf kL2 kvkL2 ≤ kf kL2 kvkH 1 ≤ Cp kf kL2 kvkH 1 ≤ Cp kf kL2 9 v 9 .
0
Ω
Nach dem Satz von Riesz gibt es ein u ∈ H01 (Ω) mit
Z
Z
∇u · ∇φ + c(x)uφ dx = (u | φ) =
uφ dx,
Ω
∀φ ∈ C0∞ (Ω).
Ω
Man muss noch zeigen, dass u eindeutig ist (hätten wir die Gleichheit für alle φ ∈ H01 (Ω)
gefordert, folgte die Eindeutigkeit bereits aus dem Rieszschen Satz). Angenommen, es
gäbe eine weitere schwache Lösung w. Dann hat man
(u − w | φ) = 0,
∀φ ∈ C0∞ (Ω).
Wir wählen (φn )n∈N ⊂ C0∞ (Ω) mit φn → u − w in H01 , was nach Definition von H01 (Ω)
möglich ist, und bekommen
9u − w92 = (u − w | u − w) = lim (u − w | φn ) = 0.
n→∞
Aufgabe 3
Betrachten Sie das Eigenwertproblem
−(x2 u0 )0 = λu für 1 ≤ x ≤ e,
u(1) = u(e) = 0.
Bestimmen Sie alle Eigenwerte sowie die zugehörigen Eigenfunktionen. Hinweis: u(x) = v(ln x).
Lösung zur Aufgabe 3:
Sei u eine Lösung der Gleichung. Wir benutzen den Hinweis und definieren v : [0, 1] → R durch
v(y) := u(ey ), ∀y ∈ [0, 1] ⇔ u(x) = v(ln x), ∀x ∈ [1, e].
Man bekommt
u0 (x) = v 0 (y)|y=ln x x−1
u00 (x) = v 00 (y)|y=ln x x−2 − v 0 (y)|y=ln x x−2
−(x2 u0 (x))0 = −x2 u00 (x) − 2xu0 (x) = (−v 00 (y) + v 0 (y) − 2v 0 (y))|y=ln x = (−v 00 (y) − v 0 (y))|y=ln x ,
d.h. v erfüllt das Randwertproblem
v 00 (y) + v 0 (y) + λv(y) = 0
v(0) = v(1) = 0
Je nachdem, welche Nullstellen das charakteristische Polynom
µ2 + µ + λ = 0
hat, kann die Gleichung drei Lösungstypen haben: C1 eαy + C2 eβy , α 6= β oder C1 eαy + C2 eαy y
oder C1 eαy cos(βy) + C2 eαy sin βy mit jeweils reellen von λ abhängigen α und β. In den ersten
zwei Fällen (zwei unterschiedliche oder zwei gleiche reelle Nullstellen) sind die nichttrivialen
Lösungen des Randwertproblems, (C1 , C2 ) 6= (0, 0), ausgeschlossen:
α·0 β·0 e
e
det α·1 β·1 = eβ − eα 6= 0
e
e
α·0 α·0 e
e ·0
det α·1 α·1
= eα 6= 0.
e
e ·1
Wir untersuchen den letzten Fall mit zwei komplex konjugierten Nullstellen. Aus
α·0
e cos(β · 0) eα·0 sin(β · 0)
!
det α·1
= eα sin β = 0
e cos(β · 1) eα·1 sin(β · 1)
bekommen wir β = πk, k ∈ N. Wir bestimmen nun die entsprechenden λk . Aus
!
!
r
r
2 1
1
1
1
1
1
µ2 + µ + λ = µ +
+ λ−
= µ+ +i λ−
µ+ −i λ−
2
4
2
4
2
4
für λ >
1
4
folgt λk − 14 = β 2 = π 2 k 2 , d.h. λk = 14 + π 2 k 2 , k ∈ N. Die zugehörigen Eigenfunktionen
1
sind vk (y) = e− 2 y sin(πky) bzw. uk (x) =
√1
x
sin(πk ln(x)).
Abgabefrist: keine Abgabe
Übungsschein: Mindestens 50 % aller Punkte müssen erreicht werden.
Klausurtermin: 12. August, 14.00 Uhr – 16.00 Uhr bzw. 14.00 Uhr – 15.00 Uhr
Herunterladen